Festschrift zur Eröffnung des Neubaus - Montessori Gemeinschaft ...
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Interview mit<br />
Christine Dietzinger<br />
Leitung der Mohnblumengruppe<br />
Christine, wie hat sich in Deinen Augen das<br />
<strong>Montessori</strong>-Kinderhaus seit seiner Gründung vor<br />
18 Jahren verändert?<br />
Am Anfang <strong>des</strong> Kinderhauses stand die<br />
Elterninitiative, die es gegründet hat, im<br />
Mittelpunkt. Alles war noch wenig strukturiert, es gab keine Hierarchien,<br />
die Eltern mischten überall mit und waren sehr nah am Geschehen dran.<br />
Die Atmosphäre war äußerst familiär, und die Erzieher waren ein Teil der<br />
Elternschaft. Das Kinderhaus ist heute professioneller und organisierter<br />
in vielen Bereichen. Zu Beginn waren die Gruppen mit 15 Kindern pro<br />
Gruppe deutlich kleiner und dauerten weniger lang. Die Kinder kamen<br />
auch erst später in den Kindergarten, ungefähr mit vier Jahren.<br />
Die ersten Eltern schickten ihre Kinder zu uns vor allem wegen der<br />
<strong>Montessori</strong>-Pädagogik. Das spielt heute natürlich auch noch eine große<br />
Rolle, aber ich habe den Eindruck, dass sich die meisten Eltern, die jetzt<br />
zu uns kommen, bewusst für einen besonderen Weg für ihre Kinder entscheiden<br />
und ihnen gute Chancen mit auf den Weg geben wollen, so<br />
interessieren sie sich für Alternativen wie zum Beispiel die <strong>Montessori</strong>-<br />
Pädagogik. Erst nachdem sie sich näher mit unserem Haus beschäftigt<br />
haben, merken sie, dass <strong>Montessori</strong> ihrer Pädagogik entspricht.<br />
Natürlich kommen inzwischen viele Familien auch auf Empfehlung, und<br />
Mund-zu-Mund-Propaganda tut ihr übriges.<br />
Wesentlich war für die ersten Eltern, die ihre Kinder ins Kinderhaus<br />
brachten, dass sich ihre Kinder hier frei entfalten konnten. Die Aspekte<br />
der <strong>Montessori</strong>-Pädagogik wie „Freispiel“, „Freiarbeit“ und der innere<br />
Baumeister standen im Mittelpunkt. Jegliche Grenzen wurden von den<br />
Eltern an endlosen Elternabenden hinterfragt. Disziplin war ein Unwort.<br />
Ich denke, die damaligen Eltern waren deutlich mehr von der antiautoritären<br />
Erziehung geprägt. Heutzutage erwarten die Eltern<br />
anders als früher hinter allem ein pädagogisches Programm.<br />
Einfaches Spielen im Kindergarten reicht nicht mehr aus. Insofern<br />
hat sich die Gesellschaft meiner Meinung nach verändert. Die<br />
Kinder werden immer früher gefördert, auch schon vor dem<br />
Kindergarten. Sie haben viel mehr Angebote außerhalb <strong>des</strong><br />
Kindergartens, und der Kindergarten steht nicht mehr so im<br />
Zentrum ihres Lebens wie früher. Diese gesellschaftlichen<br />
Veränderungen wirken sich auf die Kinder aus, die sich eigentlich<br />
nicht verändern, sondern immer gleich sind. Wir haben jetzt viele<br />
Kinder, die nicht mehr gerne spielen, sondern warten, was ihnen<br />
angeboten wird oder sich allem entziehen. Ich führe das auf dieses<br />
Überangebot für sie <strong>zur</strong>ück. Ich habe auch den Eindruck,<br />
dass viele junge Eltern verunsichert sind, was sie machen müssen,<br />
um ihr Kind richtig zu fördern.<br />
Außerdem fällt mir auf, dass die Kinder früher länger nur in den<br />
Familien waren und sich die Familien ausschließlich selbst um die<br />
Erziehung kümmern wollten. Im Gegensatz dazu geben Eltern<br />
heute ihre Kinder gerne früh in die Hände von Fachleuten und<br />
legen Wert darauf, ihr eigenes Leben weiterzuleben und sich von<br />
ihren Kindern nicht so vereinnahmen zu lassen.<br />
Ich finde es sehr schön, nun schon im 17. Jahr hier zu arbeiten,<br />
diese Veränderungen zu beobachten und Kinder über einen so<br />
langen Zeitraum begleiten zu können. Für mich ist der<br />
Kindergarten ein Spiegel der Gesellschaft, wo der Grundstein für<br />
das Leben der Kinder gelegt wird. Wir sitzen hier am Beginn der<br />
Zukunft, und es ist spannend zu beobachten, wie sich die Kinder<br />
dann weiterentwickeln. Nach meiner Erfahrung behalten sie vor<br />
allem die sozialen Kompetenzen, die sie hier üben, für ihr restliches<br />
Leben bei.<br />
Wir danken Christine für ihre Zeit für uns!