Anhang Masterarbeit - BSCW
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<strong>Anhang</strong> <strong>Masterarbeit</strong> <br />
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Innovative Elemente in der Berufswahlvorbereitung <br />
Eine Chance für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf? <br />
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Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich <br />
Departement 1 <br />
Schulische Heilpädagogik <br />
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E i n g e r e i c h t v o n : I r m a A d a n k u n d M a r t i n a S o m m e r a u <br />
B e g l e i t u n g : D r . p h i l . D a n i e l B a r t h <br />
M a i 2 0 1 1
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Dokumentationsbogen......................................................................................................................2 <br />
2 Leitfaden für die problemzentrierten Interviews................................................................................3 <br />
2.1 Interviewleitfaden für Erwachsene .............................................................................................3 <br />
2.2 Interviewleitfaden für Jugendliche..............................................................................................4 <br />
3 Transkription der Interviews vom Mentoring.....................................................................................6 <br />
3.1 Interview mit dem Mentoren.......................................................................................................6 <br />
3.2 Interview mit der Lehrperson....................................................................................................17 <br />
3.3 Interview mit dem Jugendlichen...............................................................................................21 <br />
4 Transkription der Interviews aus dem LIFT-Projekt ........................................................................26 <br />
4.1 Interview mit dem LIFT-Projektleiter ........................................................................................26 <br />
4.2 Interview mit der Lehrperson....................................................................................................45 <br />
4.3 Interview mit der Schulleiterin ..................................................................................................54 <br />
4.4 Interview mit dem Jugendlichen...............................................................................................62 <br />
5 Kategoriensystem ...........................................................................................................................67 <br />
6 Inhaltsanalyse der Interviews aus dem Mentoring..........................................................................71 <br />
7 Inhaltanalyse der Interviews aus dem LIFT-Projekt........................................................................81 <br />
8 Analyse der idealen Konzepte ......................................................................................................100 <br />
1
1 Dokumentationsbogen<br />
Datum des Interviews:…………………………………………………………….<br />
Ort des Interviews:………………………………………………………………...<br />
Dauer des Interviews:……………………………………………........................<br />
Name der interviewten Person:………………………………………………….<br />
Geschlecht des Interviewten:…………………………………………………….<br />
Alter des Interviewten:…………………………………………………………….<br />
Beruf des Interviewten:……………………………………………………………<br />
Tätig im Beruf seit:…………………………………………………………………<br />
Berufsfeld:………………………………………………………………………….<br />
Besonderheiten des Interviewverlaufs:…………………………………………<br />
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2 Leitfaden für die problemzentrierten Interviews<br />
2.1 Interviewleitfaden für Erwachsene<br />
Im Rahmen unserer Masterthese möchten wir der Frage nachgehen, welche Faktoren sich positiv auf<br />
die Berufswahlvorbereitung von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf auswirken. Wie gestalten<br />
Sie die Berufswahlvorbereitung für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf und welches sind für<br />
Sie diesbezüglich fördernde Faktoren?<br />
Ablauf der Berufswahlvorbereitung, Fokus Netzwerk<br />
Beschreiben Sie den Berufswahlvorbereitungsprozess in Ihrer Schule, Ihrem innovativen Element.<br />
Nennen Sie uns Faktoren, die sich für die Berufswahlvorbereitung als förderlich erweisen.<br />
Welche Aufgaben haben Schule, innovatives Element (Unterstützungsprogramm), Jugendliche,<br />
Eltern, Prozessverantwortliche?<br />
Sind evtl. weitere Systempartner involviert?<br />
Wie verläuft die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Systempartnern?<br />
Wie stehen Sie in Kontakt zu regionalen Betrieben?<br />
Fokus Früherkennung<br />
Wann sehen Sie für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf den optimalen Zeitpunkt, den<br />
Berufswahlprozess in Angriff zu nehmen?<br />
Welches sind die Kriterien, damit ein Jugendlicher durch das innovative Element unterstützt werden<br />
kann?<br />
Wie gehen sie vor, wenn die Berufswahlreife noch fehlt?<br />
Fokus individuelle Förderung<br />
In welchen Bereichen, konkreten Handlungen unterstützen Sie die Jugendlichen individuell?<br />
Wo sehen Sie Vor- und Nachteile der individuellen Förderung?<br />
Besteht die Möglichkeit, die Jugendlichen auch während der Berufslehre zu begleiten?<br />
Fokus Selbst- und Sozialkompetenzen<br />
In welcher Form ermöglichen Sie den Jugendlichen eine bewusste Auseinandersetzung und<br />
Begegnung mit sich selbst?<br />
Welche Selbst- und Sozialkompetenzen sind aus ihrer Sicht wichtig für den erfolgreichen Übergang<br />
Schule-Beruf?<br />
Wie gehen Sie mit fehlender (Lern-)Motivation um?<br />
Wie gehen Sie mit Misserfolgen der Jugendlichen um (Leistungstests, Absagen, etc.)?<br />
Wie gehen Sie mit Konkurrenzsituationen um?<br />
Fokus Realbegegnungen<br />
In welcher Form finden Realbegegnungen statt?<br />
Nach welchen Kriterien werden Realbegegnungen ausgesucht?<br />
Wie werden diese vorbereitet und reflektiert?<br />
Fokus Alternativen<br />
Wie wichtig ist es Ihnen, dass die Jugendlichen Alternativen zu ihrem Berufswunsch kennen lernen?<br />
3
Sind den Jugendlichen die Anforderungen für ihren Berufswunsch bekannt?<br />
Wird der aktuelle Arbeitsmarkt mit den Jugendlichen thematisiert?<br />
Wie verläuft die Auseinandersetzung mit unrealistischen Berufswünschen?<br />
Wie lernen die Jugendlichen ihre Fähigkeiten möglichst realistisch einzuschätzen?<br />
Werden Lernschwächen thematisiert?<br />
2.2 Interviewleitfaden für Jugendliche<br />
Wie du bestimmt erfahren hast, schreiben wir eine Diplomarbeit zum Thema „Berufswahl“. Deshalb<br />
sind wir neugierig, wie du deine Berufswahl, allenfalls deinen Weg zu deiner Lehrstelle erlebt hast. Wir<br />
möchten vor allem wissen, was dir dabei alles geholfen hat. Es nimmt uns aber auch Wunder,<br />
welchen Hindernissen du begegnet bist und wie du dich dabei gefühlt hast. Erzähl doch einmal frisch<br />
von der Leber weg! Anschliessend stellen wir noch einige Fragen.<br />
Ablauf der Berufswahlvorbereitung, Fokus Netzwerk<br />
Wie hast du das Thema Berufswahl in der Schule erlebt? Was habt ihr gemacht?<br />
Was hat dir dabei besonders gut geholfen?<br />
Habt ihr in der Schule übers Mentoring/LIFT, beim Mentor/LIFT über die Schule gesprochen? Waren<br />
auch deine Eltern an Gesprächen dabei?<br />
Hast du deinen zukünftigen Chef, dein zukünftige Firma bereits gekannt?<br />
Bist du durch deinen Mentor zu den Schnupperlehren gekommen? Oder musstest du selber suchen?<br />
Fokus Früherkennung<br />
Wann habt ihr in der Schule mit der Berufswahl begonnen? Wann und wie hast du vom<br />
Mentoring/LIFT erfahren?<br />
Was hat dich dazu bewogen beim Mentoring/LIFT mitzumachen? Wann war das?<br />
Hattest du von Anfang an Interesse an der Berufswahl?<br />
Fokus individuelle Förderung<br />
In welchen Bereichen konnte dir dein Mentor/der LIFT-Projektleiter weiterhelfen?<br />
Hast du manchmal auch am Erfolg des Mentoring/LIFT gezweifelt?<br />
Wirst du auch während der Berufslehre begleitet? Würdest du dies wünschen?<br />
Wie hat dich dein Klassenlehrer unterstützt?<br />
Wer war für dich die wichtigste Person auf dem Weg zu deiner Lehrstelle?<br />
Fokus Selbst- und Sozialkompetenzen<br />
Wie sah es mit deiner Motivation in der Schule aus? Mit deiner Motivation um eine Lehrstelle zu<br />
suchen?<br />
Was/wer hat dich motiviert?<br />
Wie bist du mit Misserfolgen umgegangen? Z.B. mit Absagen? Musstest du einen Leistungstest<br />
machen?<br />
Wie war es bei euch in der Klasse? Einige hatten bestimmt sehr schnell eine Lehrstelle. (Neid?<br />
Konkurrenz?)<br />
Welche Eigenschaften sind aus deiner Sicht für eine Berufslehre wichtig? An was musst du noch<br />
4
arbeiten?<br />
Habt ihr in der Schule oder beim Mentor/LIFT über euch selber, eure Stärken und Schwächen<br />
nachgedacht? Konntest du dich so besser kennenlernen?<br />
Fokus Realbegegnungen<br />
Hast du in verschiedene Berufe reinschauen können? Wie hast du das gemacht?<br />
Wie hast du solche Berufsbesichtigungen organisiert?<br />
Wie hast du dich auf diese vorbereitet? Wie und mit wem hast du danach das Ganze verarbeitet?<br />
Fokus Alternativen<br />
Hattest du von Anfang an einen Berufswunsch? Hast du nun auf diesem Beruf eine Lehrstelle? (Wie<br />
bist du vom Berufswunsch zum jetzigen Beruf gekommen?)<br />
Hast du verschiedene Berufe kennengelernt?<br />
Hatte das aktuelle Angebot an Lehrstellen einen Einfluss auf deine Berufswahl?<br />
Wie hast du gemerkt, für welche Berufe du geeignet bist?<br />
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3 Transkription der Interviews vom Mentoring<br />
Die Farben der markierten Textstellen der Interviews entsprechen den Farben des Kategoriensystems<br />
aus dem <strong>Anhang</strong> 5. Die Zahlen in Klammern bezeichnen einige Stellen der Tonbandaufnahmen.<br />
3.1 Interview mit dem Mentoren<br />
Interview 9.3.11<br />
Ort: Café in W., TG<br />
Zeit: 14.00-15.00<br />
Interviewerinnen: Martina Sommerau, Irma Adank, (I)<br />
Teilnehmer: Mentor P., (M)<br />
M: Einen hatte ich, der war ganz speziell, da habe ich den Vertrag nach einer Zeit aufgelöst, da<br />
machte ich nicht mehr weiter. Auch das gibt’s. Zwei Begleitungen habe ich aufgelöst. Das<br />
mache ich aber nur dann, wenn ich sehe, dass sie falsche Vorstellungen haben, dass das<br />
System ausgenutzt wird. In S. gab es eine Kleinklasse, da wurde die Hälfte vom Mentoring<br />
unterstützt. Da stimmt etwas nicht. Es kann nicht sein, dass eine Lehrerin eine ganze Horde<br />
Leute um sich versammelt. Es war eine gute Frau, aber anscheinend hat man ihr einfach zu<br />
viele schwierige Kinder in die Klasse gesteckt. Es gibt zudem ein Case Management, das das<br />
ganze noch verstärkt macht, auch während der Berufsbildung. Da kommt die Berufsberaterin<br />
zum Jugendlichen nach Hause um Kurse zu geben und die Kinder zu orientieren. Auch das ist<br />
eine Massnahme von der sonst niemand profitieren kann. Und dann hat der eine Jugendliche<br />
noch gemeint, er müsse über die Lehrerin blöde Sprüche machen, weil er dachte, er hätte ja<br />
jetzt mich, jetzt könne er die Lehrerin in die Pfanne hauen, die hätte ihm nichts zu sagen, so in<br />
dem Stil. Da habe ich aufgehört. Die Lehrerin am Schluss noch aushebeln, das tue ich nicht.<br />
Das war also ein Jugoslawenbursche von der übelsten Sorte. Der läuft überall mit dem Trainer<br />
herum und hat das Gefühl, man lege ihm alles bereit. Das war so ein Fall, den ich nachher<br />
aufgehoben habe. Das war eine relativ kurze Übung. Es fing am 5. Januar an und im März habe<br />
ich aufgehört. Er war eigentlich pünktlich, auch korrekt. Als ich aber merkte, dass er mich ein<br />
Stück weit missbrauchte, war es genug.<br />
Ich helfe diesen Kindern zu eruieren, wo das Problem liegt. Sie haben oft ein geschädigtes<br />
Selbstwertgefühl. Dann muss man sie ein bisschen aufbauen und ihnen den Glauben geben,<br />
dass sie eigentlich schon etwas können würden. Manchmal muss man sie aber auch von einer<br />
Traumvorstellung wegbringen. Dem Lehrer glauben sie es nicht, oder sie glauben es<br />
niemandem. Ich kann’s dann etwas korrigieren. Der erste, den ich hatte, hatte so eine<br />
Traumvorstellung. Er war am Autosalon, wo ihm der Glanz und Glimmer imponiert hat. Und er<br />
wollte Autocarosserie-Spengler werden. Ich habe ihm dann eine Schnupperlehrstelle<br />
organisiert, und am Dienstag war er schon krank. Ich gehe diese Burschen jeweils besuchen,<br />
wenn ich kann. Dann hat sich herausgestellt, dass er von Anfang an falsche Vorstellungen<br />
hatte. Er musste die Stossstange feilen, und dies war sehr heilsam. Nachher machte er<br />
Logistiker. Die Lehre hat er fertig gemacht. Mein Job geht eigentlich so lange bis die Probezeit<br />
fertig ist, dann bin ich wieder entlassen von meiner Pflicht. In der Regel sage ich den Kindern<br />
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aber, dass sie, wenn sie Probleme hätten, bis zum Schluss der Lehre mir darüber berichten<br />
können. Ich gehe auch in den Lehrbetrieb um zu schauen wie es läuft. Vielfach sind das auch<br />
Beziehungen, die ich nutzen kann, mit Leuten, die ich kenne. Da gibt’s manchmal lustige<br />
Zufälle. Derjenige, der Logistiker machte, der konnte die Lehre an einem Ort machen, an dem<br />
ich mit Leuten befreundet war. Er rief mich dann einmal an und fragte mich, was ich mit diesem<br />
Burschen zu tun hätte, was ich als Mentor da mache? Der Jugendliche hat als Referenz mich<br />
als Mentor angegeben. Ich bin dann mit dem Lehrmeister zusammengekommen und habe ihm<br />
ein bisschen erklärt, was ich mit dem Burschen mache. Er hat sich dafür interessiert und ich<br />
sicherte ihm zu, dass ich bei allfälligen Schwierigkeiten in der Schule auch noch mithelfen<br />
würde. (193) Möglicherweise war das der Grund, dass er überhaupt die Lehre dort machen<br />
konnte. Ich bin dann immer wieder mit diesen Leuten zusammengekommen und habe mich<br />
erkundigt wie’s ihm geht, habe ihn auch selber besucht. Dies ist mir ein Anliegen.<br />
Ein anderer hat mit dem „Werkli“ (Turnverein-Heft) etwas zu tun. Er wollte Polygraf werden.<br />
Mein erster Beruf war ja Schriftsetzer. Die Frau S., die ihn vermittelt hat, wusste, dass ich<br />
ursprünglich in diesem Beruf tätig war. Das gab natürlich eine gute Verknüpfung. Er wollte das<br />
lernen, und ich konnte ihm relativ gut über diesen Beruf Auskunft geben. Er war ein guter<br />
Zeichner. (221) So konnte ich also dieses Büchlein in eine Druckerei bringen, in der einer<br />
arbeitet, der bei uns zur Schule gegangen ist. Und der konnte auch dort die Lehre machen, weil<br />
der Chef wusste, da ist der P. im Hintergrund, wenn es dem Burschen nicht gut geht.<br />
Das Know-how, das man als Reallehrer hat, spielt natürlich auch eine grosse Rolle.<br />
I: Du sprichst über die Kontakte zu den Betrieben. Die sind anscheinend wichtig als Mentor. (245)<br />
Kontakte, die der Lehrer vielleicht nicht hat.<br />
M: Diese Kontakte sind wirklich ganz wichtig, ja. Die hat der Lehrer vielleicht nicht. Wobei ich dies<br />
auch als langjähriger Reallehrer in der Region machen konnte. Ich merke allerdings, dass dies<br />
auch schwindet. Deshalb habe ich auch gesagt, dass ich dies noch mache bis ich 70 bin. Dann<br />
hört die Sache schon mal auf. Auch gegenüber den Jungen, wenn man dann bald als<br />
Urgrossvater daher kommt... Im Moment geht es aber noch gut, und wenn’s nicht zu viel ist,<br />
wenn schön einer nach dem anderen kommt, dann geht’s auch.<br />
I: Wie viele betreust du denn gleichzeitig?<br />
M: Einen, in der Regel nur einen. Und das ist natürlich das Schöne gegenüber dem Lehrer. Ein<br />
Lehrer muss auf 15, 20 schauen. Ich kann mich mit diesem Jungen alleine beschäftigen. Ich<br />
schaue allerdings, dass ich mit dem Lehrer sofort in Kontakt komme. Auch U. war froh, dass er<br />
noch jemanden hat, der ihm etwas hilft. Und vielmals merke ich auch, dass auch gespannte<br />
Verhältnisse zu den Eltern da sind. Der Glaube der Eltern an den Lehrer ist nicht mehr so<br />
super, einfach ein Spannungsverhältnis. Dann wird auch am Mittagstisch darüber gesprochen,<br />
wird über den Lehrer runtergezogen, und das ist auch für die Schüler nicht mehr so gut.<br />
I: Am Anfang hast du ja Kontakt zu den Eltern. Hast du nachher auch noch Kontakt zu den Eltern<br />
oder läuft dann alles über den Schüler?<br />
M: Nachher geht alles zum grössten Teil über den Schüler. Es gibt dann manchmal eine Phase wie<br />
z.B. bei R., bei ihm war ich einmal zu Hause. Irgendwann hat’s mich interessiert, aus welchem<br />
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Umfeld er kommt. Das spielt auch eine Rolle. Wenn man plötzlich die Dominanz des Vaters<br />
kennenlernt...<br />
I: ...dann wird vieles klar warum...<br />
M: Ja, ja, warum das so ist und nicht anders. Aber eigentlich möchte ich mich mit den Burschen<br />
auf einer neutralen Ebene bewegen. Darum begegne ich ihnen auch im Café. Der Jugendliche<br />
muss irgendwie spüren, dass ich nicht unter dem gleichen Deckmäntelchen wie die Eltern oder<br />
der Lehrer bin. Ich bin wirklich einer, der aus dem ganzen Zeugs raus kommt. So versuche ich<br />
das zu vermitteln. Ich bin ja auch angewiesen, dass er Vertrauen hat zu mir. Das muss er auch<br />
spüren. In der Regel haben wir per E-Mail Kontakt. Ich bin sehr pünktlich und gewissenhaft. Wir<br />
machen miteinander ab, wer welche Aufgaben übernimmt; was er machen muss und was ich<br />
machen muss. Dann wird das am Abend erledigt. Und dann habe ich natürlich auch wieder<br />
Informationen von früher, wo ich nachschauen kann. So wird man fündig. (356) Dann findet<br />
man irgendwo etwas. So konnte ich auch bei R. mithelfen, schauen, was sich da alles anbieten<br />
könnte. Und ich muss sagen, er hatte ein Riesenglück. Den Jungen habe ich in der<br />
Schnupperlehre besucht. Ich rief an, ich käme sie gerne besuchen. Sie sagten aber, sie seien<br />
unterwegs, in Luzern, im Baselbiet, überall sind die. Das ist so eine Bude, die Kaminabzüge<br />
macht. Es ist eine Art Spenglerei, so könnte man es vielleicht hauptsächlich bezeichnen. Die<br />
machen schweizweit Montagen, holen Normteile, lassen die von Deutschland kommen. Hier in<br />
W. machen sie Spezialanfertigungen. Sie kombinieren die Teile und setzen sie zusammen wie<br />
Lego, wie R. sagte. Wenn sie eine grössere Pelletheizung mit einem Abzug machen, dann<br />
bauen sie die Elemente aufeinander. So geht das. Der Chef hat mir dann noch gesagt – und<br />
dies verwunderte mich – der Junge müsse sehr flexibel sein. Er müsse damit rechnen, dass er<br />
am Abend manchmal erst um halb acht nach Hause komme, und vielleicht auch schon mal um<br />
vier. Also Arbeitszeiten, bei denen er äusserst beweglich sein muss. Wenn sie in einen Stall<br />
hinein müssen, kann er nicht einfach in den Turnverein wenn’s dann los geht. (412) Der Vater<br />
hat ihn mal gebracht – er hat einen ziemlich strengen Vater – und hat gemotzt, weil sein Sohn<br />
wieder nicht zur Zeit bereit gewesen war. Er musste am Morgen schon um halb sieben bereit<br />
sein zum Abfahren. Als ich einmal in der Bude vorbei kam, waren sie schon weg. Der Chef rief<br />
mich später dann aber an, sie seien früher nach Hause gekommen, wenn ich Zeit hätte, könnte<br />
ich rasch vorbeikommen. Dann ging ich dann. Ich habe ja mehr oder weniger flexible Zeiten und<br />
habe mit diesem Chef sicher noch etwa eine halbe Stunde gesprochen. (435) Er hat mir dann<br />
alles ein bisschen erklärt. Vielleicht hat ihm das Eindruck gemacht, dass jemand für diesen<br />
Jungen schaut. Der ist nicht einfach alleine dagestanden. Ich will diesen Leuten manchmal<br />
auch etwas ans Sozialgewissen appellieren. Wir brauchen auch solche, sonst fallen sie<br />
zwischen Stühle und Bänke. Ich muss sagen, da gibt es sehr viele Leute, die solchen Sachen<br />
gegenüber offen sind. Ich war dann eigentlich überrascht, als R. mir sagte, er hätte einen Job<br />
gefunden. Das war wirklich super. Und dann ist postwendend gleich der nächste Vertrag<br />
gemacht worden. Soeben habe ich einen wieder abgeschlossen. Das war der kürzeste. Das<br />
war eine ganz kurze Übung. Und zwar habe ich den aus F. bekommen. Es ist der Sohn eines<br />
Fussballtrainers, der Profifussballer war und in Griechenland und Serbien gespielt hatte...<br />
8
I: ...und dann sind sie immer wieder umgezogen. (475)<br />
M: Immer wieder hin und her. Er ist in Griechenland geboren. Jetzt ist er schon vier Jahre in der<br />
Schweiz und spricht schon relativ gut Deutsch, hat aber ein Riesenhandicap. Der Junge möchte<br />
auch Polygraf werden. Letzte Woche habe ich ihn dann in F. getroffen. Ich konnte ihm eine<br />
zweitägige Schnupperlehre organisieren. Ich sagte, ihm, er müsse unbedingt mal praktisch<br />
sehen, was man in diesem Beruf so machen müsse. Er träumt nur vom Mac und Computer und<br />
Gestaltungsprogrammen, usw. Irgendwie habe ich das Gefühl, er hätte falsche Vorstellungen.<br />
Nun macht er im Sommer aber an einer Privatschule eine dreijährige schulische KV-<br />
Ausbildung. Anscheinend vermögen es die Eltern den Jungen drei Jahre in diese Schule zu<br />
schicken. (515) Und jetzt ist das für mich eigentlich wieder abgeschlossen. Er hat aber meine<br />
Adresse. Ich habe ihm zugesichert, wenn er Probleme hat, kann er sich bei mir melden.<br />
I: Wollten denn vor allem die Eltern, dass er ein KV macht?<br />
M: Ja, das ist ganz klar. Es geht darum, dass er besser Deutsch lernt. Ich stufe ihn als intelligenten<br />
Burschen ein. Ich merke auch, dass da eine Lehrerin ist, die Schwierigkeiten hat mit diesem<br />
Jungen. Ich kann’s nicht begreifen. Ich habe einen ganz feinen Eindruck von diesem Jungen.<br />
Ich habe noch nie einen so anständigen, friedlichen, zuvorkommenden Burschen gehabt. Habe<br />
mich in F. mit ihm getroffen. Er wollte mir den Kaffee bezahlen. Er hatte einfach das Gefühl, ich<br />
würde ja etwas für ihn tun – gut, das hat ihm sicher die Mutter gesagt. Aber ich hatte den<br />
Eindruck, er käme aus sehr gutem Hause, wo auch gewisse Regeln gelten. Es war auch einer<br />
aus dem ehemaligen Jugoslawien, aber ein ganz anderer Stil. Ich kann nicht genau sagen, was<br />
die Schwierigkeit zwischen ihm und der Lehrerin war. Sie hat ihm z.B. den Zugang zum<br />
10.Schuljahr verweigert. Für mich eine absolute Frechheit; einen Jungen, bei dem man sieht,<br />
dass er es dringend nötig hätte, sprachlich nochmals eine Chance zu bekommen, nicht zu<br />
empfehlen. Das ist für mich absolut nicht nachvollziehbar. Ich kenne den Leiter des 10.<br />
Schuljahres, und ich hätte den Jungen schon reingebracht. (573) Ich hatte dann noch Kontakt<br />
zur Lehrerin und habe ihr signalisiert, sie solle dem H.B. noch einen schönen Gruss ausrichten -<br />
damit sie realisiert, dass ich auch vom Metier komme. Manchmal muss man markieren, dass<br />
man von der Sache etwas versteht, nicht dass man einfach in eine Ecke gedrückt wird.<br />
Jedenfalls hat sie mir dann zurückgeschrieben und hat gesagt, dass sie es nicht gut fände,<br />
wenn er jetzt diese Schule macht.<br />
I: Grund hat sie aber keinen angegeben?<br />
M: Sie hat gesagt, er sei sehr schwach in Mathe. Ich habe das Gefühl, das ist jetzt einer, der das<br />
Heu nicht auf der gleichen Bühne hat wie sie. Das gibt’s manchmal. (599) Da sehe ich das<br />
Mentoring als Chance. Das die dann jemanden haben - nebst der Lehrerin, die für solche Leute<br />
natürlich der Inbegriff für den Staat ist - der ihnen hilft. Das ist mir hier speziell aufgefallen.<br />
Obwohl es nur ein kurzes Gastspiel war, haben sie das ausserordentlich geschätzt. Im<br />
Vergleich zu Q., bei dem der Vater nicht mal an die Besprechung kam. Es ist eine gute Hilfe,<br />
die man annehmen kann.<br />
I: Hat es denn eigentlich mehr Ausländer beim Mentoring?<br />
9
M: Nein, nein, ich hatte zwei Ausländer, die anderen waren Schweizer. Einen hatte ich noch, der<br />
hatte ganz schwierige Familienverhältnisse. Die Mutter ist evangelische Pfarrerin, ehemals<br />
Ungarin, der Vater bestimmt 20 Jahre älter als die Frau. Die Eltern sind geschieden. Ein Junge<br />
lebt bei der Mutter. Der ist bei den Rechtsradikalen dabei. Und der Bruder lebt beim Vater. Er ist<br />
sehr dick und ist zur Schule rausgekommen und hatte nichts. Dann bekam ich ihn. Der Vater,<br />
muss am Morgen um halb sechs aus dem Haus, arbeitet in Z. und kommt am Abend etwa um<br />
sieben wieder zurück. Der Junge ist den ganzen Tag alleine. Liegt im Nest... Macht die Nacht<br />
zum Tag und umgekehrt. In der Nacht spielt er Kriegsspiele. Als er mir seine E-Mail-Adresse<br />
gab, stand „kampfsauxx“. Ich musste ihm sagen, dass er mit so einer Mail-Adresse keine Stelle<br />
bekäme. Er meinte, unter Kollegen würde er so genannt. Ich habe das gar nicht begriffen. Jetzt<br />
ist der derart in dieses Kriegsspiel eingebunden, dass er jede Nacht – sie haben eine richtige<br />
fiktive Armee – „unterwegs“ ist mit ganz vielen Jugendlichen, die in dieses Spiel involviert sind,<br />
und dort hat er diesen Namen. Es ging darum, dass er überhaupt wieder in einen normalen<br />
Arbeitsprozess reinkommt. Ich habe ihm eine Arbeit gesucht, bei der er wieder mal schaffen<br />
kann. Da habe ich meinen „Pfadikollegen“, der mithalf. Einer der eine Schreinerei hat, und<br />
bereit war, mitzumachen (718). Er konnte dort einen Monat lang arbeiten. Ich musste ihm dies<br />
aber drei, vier Tage im Voraus sagen, damit er seinen Rhythmus ändern konnte. Also<br />
unglaublich! Dann war das aber ein derart fauler Kerl. Der Vater schenkte ihm mit 16 ein Töffli.<br />
Er war zu faul um die Prüfung zu machen. Der Vater war so blöd und brachte ihn am Morgen<br />
jeweils an den Schnupperlehrplatz. In aller Frühe fuhr er ihn nach G. runter, nur weil der<br />
Bursche zu faul war, mit dem Velo dort runter zu fahren, obwohl dies eigentlich sehr gut gehen<br />
würde. Das war dann auch so ein Fall, den ich aufgegeben habe. Wenn einer den Willen nicht<br />
mehr hat, eine Leistung zu erbringen, dann mach ich nicht mehr mit.<br />
I: Und die nächste Station ist? (747)<br />
M: Keine Ahnung. Ich weiss dann nicht mehr was. Ich muss sagen, ich muss also aufpassen. Da<br />
bin ich dann noch Betreuer vom Vater geworden. Bei einer Einladung zu sich nach Hause hat<br />
mich der Vater so in Beschlag genommen mit seinen Sorgen, dass ich gar nicht mehr mit dem<br />
Jungen redete. Da muss ich einfach sagen, das kann ich nicht. Es ist wichtig, dass ich mich<br />
abgrenze. Das musste ich zweimal machen. Und sechs, sieben hatte ich bis jetzt.<br />
I: Kannst du etwas machen, wenn die Jugendlichen selber keine Motivation bringen? (766)<br />
M: Nein. Ich versuche schon… wenn ich spüre, dass ein gewisser Erfolg..., also ich übernehme<br />
schon einen, der total im Sack hängt. Das mache ich schon. Aber dann muss ich spüren, dass<br />
ein Wille da ist. Und nicht, dass sie mich am Schluss noch ausnützen. Wenn ich das spüre,<br />
dann ist fertig.<br />
Z.B. S. macht jetzt eine Anlehre als Gartenbauer. Der ist von hier von einem Bauernhof. Er hat<br />
Lehrstellen irgendwo in A. hinten gesucht. Da musste ich sagen, das geht doch einfach nicht.<br />
Wie kommst du denn dort hin? Auch mit den Eltern muss ich solches besprechen. Jetzt hat er<br />
einen Job gleich hinter dem Hügel. Dort kann er mit dem Velo hinfahren, kein Problem. Das ist<br />
jetzt auch einer, der ist schwach, aber ganz lieb. Der braucht einfach gute Betreuung. Und da<br />
habe ich einen Männerchorkollegen angefragt. Ich weiss, der hat schon mal einen Autisten<br />
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angestellt, der kaum ein Wort gesprochen hat und jetzt schon 20 Jahre dort ist. Es ist eine<br />
Riesengärtnerei und der Autist fährt Auto und macht das super. Der Chef hat an ihn geglaubt,<br />
ihm geholfen und ihn immer etwas betreut. Solche Leute braucht es.<br />
Einmal hatte ich zwei… Das lief aber nicht über das Mentoring, sondern über unsere Schule.<br />
Meine Nachfolge als Schulleiterin wusste, dass ich solche Sachen mache…da habe ich dann<br />
zwei betreut, fast miteinander. Man könnte jetzt sagen, die Lehrerin hätte es sich auch etwas<br />
einfach gemacht. Aber das ist natürlich eine Frage der Beziehungen. Aber wenn man es in der<br />
Schule einmal verkachelt hat, dann kann man’s einfach nicht mehr recht geradebiegen, und<br />
dann ist so eine Hilfe von aussen nicht schlecht. (849) Dann hatte ich einen, den ich auch an<br />
einen guten Ort gebracht hatte, meine ich jedenfalls. Eine Anlehre, heute sagt man ja eine<br />
Attestlehre, als Spengler. Es war ein Deutscher, der auch komische Familienverhältnisse hatte,<br />
und dann nicht richtig assimilierte. Er sprach immer noch so geschliffenes Hochdeutsch, das er<br />
alle rundherum abschreckte und bemühte sich nicht. Und dann merkte ich, dass der gar nicht<br />
da sein möchte. Er wollte das hier nicht annehmen und hatte einen Widerstand (874). Der Chef,<br />
der ja gesagt hat, hat ihn getestet und nach der Schnupperlehre gesagt, doch, er würde es<br />
probieren. Es ist absolut nicht gegangen. Er musste den Vertrag auflösen. In der Probezeit<br />
musste ich dann mit dem Vater antreten. Das ist dann natürlich peinlich für mich, wenn ich<br />
jemandem so einen unterjuble. Danach musste er nochmals in die Berufsberatung und dann<br />
mussten sie ihn psychisch abklären, ob er noch andere Umnachtungen hat. Ja, das gibt’s auch.<br />
I: Hast du viele Jugendliche, die mit unrealistischen Berufswünschen zu dir kommen?<br />
M: Ja, ich denke es gibt solche, die können sich nicht einordnen. Dann gibt’s eine Ansammlung<br />
von vielen verschiedenen – übrigens auch der R., der wollte quer durch alles durch, vom<br />
Metzger bis zum... Also wirklich, alles Mögliche hat der mir aufgezählt, was er gerne machen<br />
würde. Dann muss man das schon ein bisschen kanalisieren. Manchmal haben sie so hehre<br />
Gedanken, vielfach auch von zu Hause aus. Der Vater von R. zum Beispiel ist Informatiker. Der<br />
hätte gerne, dass der Junge einen renommierten Beruf macht. Das gelingt dann natürlich nicht,<br />
und dann muss man sagen, schau, du musst das machen, was du kannst. Du musst unten<br />
anfangen. Du musst vielleicht einen anderen Weg gehen als deine Kollegen. Mache zuerst das.<br />
Berufe im ganzen Bereich von Bau, Sanitär, Heizung, Lüftung und Klima haben einen sehr<br />
guten Modulaufbau. Die fangen mit einem einfachen Modul an; das sind zweijährige<br />
Attestlehren, und sobald die Jugendlichen auch in der Schule spüren, dass es geht, kommen<br />
sie tatsächlich einen Schritt weiter. Und so sehe ich auch für einfache Kinder durchaus eine<br />
Chance. (967) Vielmals haben die eine Bauernschläue, unsere Realschüler. Das sind nicht<br />
immer die dümmsten.<br />
I: Machst du auch etwas in Richtung Selbst- und Sozialkompetenzen? Dies ist ja häufig auch ein<br />
Problem von Jugendlichen, Verantwortung übernehmen oder selbstständig arbeiten.<br />
M: Nein, das mache ich eigentlich nicht. Es kommt darauf an, wie stark ich mich mit ihnen einlasse.<br />
Eigentlich kann ich gar nicht so viel machen. Ich kann ihr Selbstwertgefühl stärken. Ich kann ein<br />
paar Wege aufzeigen, die es auch für sie gibt. Das zeichne ich vielmals auf. Oder ich kann auch<br />
aus dem Leben eines anderen erzählen, wie es dem gegangen ist. Oder sogar aus der eigenen<br />
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Erfahrung heraus. Ich habe selber eine Lebensgeschichte, die nicht immer gerade verlaufen ist.<br />
So kann ich auch auf so etwas hinweisen. Aber ich sehe die Jugendlichen nach Bedarf,<br />
vielleicht einmal pro Monat. Ich kann sie ja nicht permanent sehen. Dann sitzen wir für eine<br />
Stunde zusammen, und haben dann noch etwas E-Mail-Kontakt. Aber sonst ist das schon noch<br />
schwierig. Es ist eher der Job des Lehrers. (1020)<br />
I: Bewerbungen schreiben? Bewerbungsgespräche?<br />
M: Doch, das machen wir. Sie schicken mir dann manchmal Bewerbungen, um zu schauen, ob es<br />
so gut ist. Dann mache ich vielleicht noch kleine Korrekturen, und dann ist’s gut. Schaue schon<br />
ein bisschen, dass der Aufbau gut ist. Man muss aber aufpassen. Z.B. bei R. hat der Vater<br />
Bewerbungen geschrieben für den Jungen, was natürlich absolut nicht mehr identisch war. Das<br />
muss man dann in Gesprächen den Eltern sagen. Es ist ja nicht so, dass die Eltern sich<br />
bewerben müssen. Man muss schon schauen, dass es vernünftig aussieht; aber einigermassen<br />
mit den Worten der Kinder. Das sind dann auch Zeichen, dass die Eltern ungeduldig werden.<br />
I: Und Bewerbungsgespräche? Gehört das eher in die Schule?<br />
M: Ich denke schon. Was ich immer sage ist, „du musst keine Angst haben“. Es geht immer ums<br />
Selbstwertgefühl. Meistens ist das bei ihnen total im Keller unten. Das Selbstwertgefühl kann<br />
ich ihnen versuchen zu vermitteln, damit sie wieder an sich glauben. Denn das ist das<br />
Allerwichtigste, wenn sie da den Rank finden. Ich sage ihnen natürlich auch, in der Schule<br />
müssten sie gut aufpassen, sie müssten dort wieder mehr einhaken. (1078) Ich höre manchmal<br />
von Lehrern oder sehe Zeugnisse und sage, mit dem kommst du nicht gerade weit. Und dann<br />
merkt man, dass die Jungen eine starke Unterstützung brauchen.<br />
I: Berätst du die Jungen vor den Schnupperlehren oder reflektierst du sie mit ihnen?<br />
M: Nein. Also ich frage natürlich im Gespräch wieder wie’s gegangen ist. Oder ich mache Besuche<br />
in den Schnupperlehren. Und ich informiere mich, was es heute braucht als Logistiker, was die<br />
genau machen. Der eine Lehrmeister hat mir so seine halbe Lebensgeschichte erzählt. Und das<br />
ist gar nicht schlecht. Wenn ich den Leuten dort zuhören kann, ergibt sich manchmal ein guter<br />
Kontakt und das kommt dann den Kindern wieder zugute. Ja, wenn ich das richtig machen<br />
möchte, dann gehe ich vorbei. Weil ich genau weiss, dass es diese Kinder alleine nicht<br />
schaffen. Sie brauchen noch jemanden, der ein bisschen für sie redet.<br />
I: ...den Start etwas erleichtern...<br />
M: Ja, ja, und das Gute etwas zeigen. Oftmals sind das Kinder, die eher etwas verhalten sind,<br />
auch. Das ist nicht der, der direkt aus dem Busch rauskommt. Den muss man ein bisschen<br />
holen. Wenn der dort steht, der spricht ja kein Wort. Dann muss man halt sagen, der kommt<br />
schon, der ist etwa verhalten. So kann man die Kinder schon unterstützen.<br />
I: Er war herzig. Er hat gesagt, er hätte von dir gute Tipps bekommen: guten Morgen zu sagen,<br />
danke...<br />
M: Ja, so Sachen sage ich ihm schon.<br />
I: Und er hat auch gesagt, er hätte die Schüchternheit ein Stück weit verloren. Er hätte den<br />
Leuten selbst angerufen. Er hat erwähnt, er sei sehr scheu gewesen und jetzt ginge es viel<br />
besser.<br />
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M: Ja, eben, so Sachen. Aber das hat auch wieder mit dem Selbstwertgefühl zu tun. (1154)<br />
I: Kommen die Jugendlichen in der Regel in der dritten Real zu dir oder bereits in der zweiten?<br />
M: Wir sind eigentlich Notfalllösungen. Eigentlich, wenn man nichts mehr weiss. Sie müssen ja<br />
beim Berufsberater gewesen sein. Ein paar Hürden müssen sie also schon überwunden haben.<br />
Dazu braucht es die Empfehlung des Lehrers oder des Berufberaters, dass das Mentoring eine<br />
Lösung wäre. Von dem her müssen sie sich schon ein paar Gedanken überlegt haben. Vielmals<br />
ist das erst,... mit R. habe ich so im September begonnen; wobei das eigentlich gar nicht so<br />
spät ist. Also da liegt immer noch etwas drin für eine Lehrstelle. Bei ihm ist das ausserordentlich<br />
schnell gegangen. Es könnte sein, dass ich ihn immer noch betreue.<br />
I: Dann hatte er Glück.<br />
M: Ja, oder dann fängt man wieder von vorne an. Dann darf man nicht locker lassen. Eben auch<br />
solche Sachen, wenn sie die erste Enttäuschung erleben. Dann muss man ihnen klar sagen,<br />
schau..., du darfst nicht Sachen machen, bei denen du im Vornherein weisst, dass du an<br />
zweiter Stelle bist. Das geht nicht, auch wenn er noch Fähigkeiten hätte. Aber als vielleicht nicht<br />
der Beste in der Schule, steht der immer hinten an. Oder…, du darfst dich nicht andauernd in<br />
solche Situationen begeben. Dann haut es dir jedes Mal eins auf den Deckel. Du musst dort<br />
einsteigen, wo du einen Erfolg, wo du eine Chance, haben kannst.<br />
I: Du thematisierst in dem Fall auch ihre Schwächen mit ihnen?<br />
M. Ja, ja, auf jeden Fall. Man darf da nichts vormachen. Aber man muss auch zeigen, dass er<br />
durchaus noch eine Chance hat.<br />
I: Ja, das finde ich auch ganz wichtig. Dass es ihnen nicht abstellt, wenn sie zu hoch oben<br />
einsteigen.<br />
M: Ja, und das ist vielleicht eine Gefahr, die diese Kinder manchmal haben. Dass sie, aus welchen<br />
Gründen auch immer, aber sehr oft unter dem Druck der Eltern, nicht akzeptieren können, dass<br />
sie nicht so gut sind. (1240)<br />
I: Du hast gesagt Notfallangebot. Jetzt nimmst du also keine mehr für dieses Schuljahr mit dem<br />
Ziel auf Ende Schuljahr eine Lehrstelle zu finden.<br />
M: Wenn sie mich wieder fragen, jetzt bin ich ja wieder frei, wäre das kein Problem.<br />
I: Dass man auf diese kurze Zeit hin noch etwas finden würde, ist doch eher unwahrscheinlich.<br />
M: Ja, ja, das kann durchaus sein. Sonst schauen wir. Lösungen wären natürlich<br />
Übergangslösungen. Das 10. Schuljahr zum Beispiel, wo ich mit dem mir bekannten Schulleiter<br />
telefonieren kann und ich ihm sagen kann, du, kannst du nicht schauen, dass der noch<br />
reinkommt. Connection ist ein grosser Teil.<br />
I: Das tönt sehr wichtig.<br />
M: Man sagt manchmal, man sei da in so einem Filz drin. Aber es gibt natürlich auch ein gutes,<br />
wichtiges Beziehungsnetz. Es läuft sehr viel über das Beziehungsnetz. Ich meine, wenn ich<br />
schaue, wie jemand in einen Beruf reingeht…Die meisten Kinder wählen Berufe aus die<br />
irgendwelche Verwandte, Bekannte oder Eltern haben. Sie lassen sich gar nicht gross<br />
beeinflussen von der ganzen Arbeitsgeschichte in der sie sonst so drinstehen. Was hat der<br />
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Vater gemacht? Was hat der gemacht, und dann macht man das gleiche wieder. Von dem her<br />
muss man sich da keine Illusionen machen. Es läuft alles über solche Beziehungsnetze.<br />
I: Wenn jetzt jemand mit einer ganz fixen Vorstellung kommt, ist es bestimmt nicht einfach, ihm<br />
Alternativen aufzuzeigen. Berätst du ihn dann, du könntest das noch machen oder das? Zeigst<br />
du konkrete Beispiele auf? Wie zeigst du Alternativen auf?<br />
M: Heute müssen die Kinder sowieso wissen, ich muss Alternativen haben. Das gibt’s nicht, dass<br />
man nur Fähigkeiten für einen Beruf hat. Dann ist das von irgendwoher eine fixe Idee, die ihm<br />
einmal jemand untergejubelt hat. Das kann es durchaus geben. Und wenn er das hat, dann<br />
muss man es ihn vielleicht ausprobieren lassen, wie der Carrosseriespengler. Dann muss er es<br />
ausprobieren. Dann muss man hinschauen, die Realität sehen. Der Junge, der jetzt als<br />
Polygraph da ist, der hat gemerkt, dass er da nicht nur etwas malen und zeichnen kann. Dass<br />
er da vor einer Kiste hockt und Fehler korrigiert. Einfach, dass er das konkret erlebt. Und wenn<br />
er das erlebt hat, dann kann man wieder darüber reden und über die Erfahrungen schauen.<br />
Und wenn jemand hartnäckig an etwas bleibt, dann muss man vielleicht die Fähigkeiten noch<br />
abwägen. Wenn es jetzt einer ist, der bei der Auswahl immer hinten anstehen muss, dann muss<br />
er sich dessen bewusst sein, dass das für ihn nicht gut ist. Und dann muss er vielleicht einen<br />
anderen Weg gehen. Ich hatte in der Schule mal einen, der wollte Polygraph werden. Aber der<br />
hatte die Fähigkeiten für diesen Beruf nicht. Jetzt ist er Schriftenmaler geworden.<br />
Schriftenmaler ist heute ein Job, wo sie diese Reklametafeln machen. Es läuft alles über den<br />
Computer. Alles hat mit Schriften zu tun. An und für sich ist es ganz etwas Ähnliches. Er<br />
gestaltet und arbeitet mit dem Computer. Sie haben so eine Einrichtung, mit der man vom<br />
Computer aus die Buchstaben gleich direkt ausschneidet oder gestaltet. Dann müssen sie’s<br />
nachher noch praktisch übertragen, an ein Auto oder an eine Tafel oder was auch immer. Und<br />
der ist total glücklich.<br />
I: So sucht man Alternativen auf ihrem Berufswunsch. Eigentlich ist das Ziel, so wie ich es jetzt<br />
höre, dass sie selber merken, dass es nichts für sie ist. Nicht dass man von Anfang sagt, das<br />
kannst du vergessen. (1371)<br />
M: Ja, auf jeden Fall. Er muss das ja irgendwie erfahren, wenn er an dem hängt. Eigentlich mache<br />
ich nichts anderes, als das was ich vorher als Reallehrer gemacht habe. Ich habe das auch<br />
damals schon ernst genommen. Ich fand das immer eine der vornehmsten Aufgaben Kinder zu<br />
begleiten. Aber das Schöne ist jetzt natürlich, dass ich einen allein habe. Ich kann mich mit ihm<br />
auseinandersetzen. Ich kann ihm stapelweise Unterlagen schicken. Auch R. hat von mir 20, 30<br />
Arbeitsplätze bekommen, wo er eine Lehre machen könnte. Und auf einmal sieht er dann, dass<br />
es da ja eigentlich viele Möglichkeiten gibt.<br />
I: …und es nicht mehr so hoffnungslos aussieht. Er hat noch gesagt, dass er etwas Angst gehabt<br />
hätte vor der Berufswahl. Also Angst, dass er nichts findet. Du kannst ihm also diese Angst<br />
etwas wegnehmen, ihm Möglichkeiten aufzeigen und Zuversicht geben.<br />
M: Ja. Ich finde den Job an und für sich eine ganz tolle Sache, auch eine sinnvolle. Ich finde das<br />
noch schön, dann kann ich mein Know-how noch etwas brauchen. Manchmal komme ich mir<br />
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schon etwas vor wie der Grossvater, der jetzt einen ein bisschen unter die Flügel nimmt. Aber<br />
es ist ja schön. Da kommt noch eine schöne menschliche Seite dazu, die ich noch gut finde.<br />
I: Das ist vielleicht auch genau das, was sie zu Hause vermissen. Dass sich wirklich jemand um<br />
sie kümmert.<br />
M: Ja, ja, ein bisschen von zu Hause wegnehmen ist auch nicht schlecht. Vielfach stehen auch so<br />
ehrgeizige Väter dahinter, die nicht akzeptieren können, dass ihr Kind nicht die Intelligenz<br />
mitbringt, die sie vermeintlich haben. Oder vielmal sehe ich, dass die Frauen – ja nichts gegen<br />
Frauen – aber die Mütter relativ einfache Gemüter sind. Der Vater ist irgendwo in der<br />
Informatikbranche und die Mutter macht ein bisschen Handarbeiten zu Hause. Ein relativ<br />
grosses Gefälle. Bei R. ist es ähnlich. Die Mutter ist vermutlich die, die ihm die Liebe zu Hause<br />
gibt. Der Vater hackt immer ein bisschen auf ihm rum. Er sagt ihm jeweils, wenn er nach Hause<br />
kommt, was er zu tun hat oder nicht tun sollte. Ich muss schon sagen, man sieht sofort hinter<br />
die Fassade. Und sonst frage ich manchmal ein bisschen durch die Blume.<br />
I: Wenn du die Jugendlichen fragst, geben sie Auskunft über zu Hause? Oder sind sie<br />
verschwiegen?<br />
M: Nein, verschwiegen nicht. Ich bin natürlich sehr sensibel. Ich höre Sachen raus, über die nicht<br />
genau gesprochen wird.<br />
I: Hast du viele Schüler, die Leistungstests machen müssen? Z.B. Multicheck?<br />
M: Das ist etwas, das man heute fast voraussetzt.<br />
I: Auch bei schwächeren Schülern?<br />
M: Wenn sie es nicht freiwillig machen, dann müssen sie es machen. Es kommt heute keiner in<br />
eine Lehrstelle rein, wenn er nicht diesen Multicheck vorführen kann. Dies ist das System, das<br />
eine vergleichbare Ebene ist. Manchmal ist es noch berufsbezogen. Es ist etwas, das die<br />
Lehrmeister lesen können. Man kann ja die Zeugnisse, die man heute macht, nicht mehr lesen.<br />
Da kommt man nicht mehr draus, ob da jetzt einer Fähigkeiten hat oder nicht. Und Multicheck<br />
ist etwas, wo man konkret hinschauen kann.<br />
I: Ist dies für diese Jugendlichen nicht eine Erschwernis, dass sie quasi schon beim Multicheck<br />
durchfallen? (1512)<br />
M: Es selektioniert natürlich, das ist ganz klar. Wenn einer die Bedingungen beim Multicheck nicht<br />
erfüllt,… also wenn er diesen dem Chef zeigt, und der Multicheck ist nicht identisch mit dem<br />
Berufsbild, dann hat er die Möglichkeiten durch. Dann fällt der Platz weg. Das ist eine<br />
allgemeine Testform. Sie werden verlangt. Du musst einen Multicheck mitbringen. Das ist heute<br />
fast eine Norm, dass man so einen Multicheck mitbringt.<br />
I: Wer macht den Test?<br />
M: Die Berufsberatung, im Internet, das kann man auch online machen.<br />
I: Ist es nicht so, dass wenn jemand in Mathe schwach ist, dort keine Chance hat und dann am<br />
Boden zerstört ist, dies auch den Effekt auslösen kann, jetzt zeigt es sich schwarz auf weiss,<br />
was ich nicht kann.<br />
M: Ja, das ist so. Das tut ihnen weh. Und jetzt braucht er einen Lehrmeister, der sagt, so dumm<br />
kann der doch wirklich nicht sein und der es mit ihm probiert. R. wird da seine grosse Mühe<br />
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haben geometrische Zeichnungen zu machen. Ich habe ihm gesagt, schau, jetzt weisst du<br />
genau worum es geht in deinem Beruf. Jetzt musst du dich reinknien. Jetzt gibt es keine<br />
Widerstände mehr gegen den Lehrer oder gegen irgendetwas. Jetzt musst du tatsächlich die<br />
Zeit noch nutzen, um da dahinter zu gehen. Ich denke, es löst auch etwas aus. Es ist nicht nur<br />
ein Spiegel. Wenn er ein bisschen schlau ist, das kann vielleicht auch in einer Besprechung bei<br />
mir sein, sieht er, was für Konsequenzen das hat. Es ist nicht alles verloren. Er weiss jetzt<br />
vielleicht, wo er ansetzen muss. (1581)<br />
(P. verteilt noch diverses Material.)<br />
Es ist eine Kombination zwischen Gewerbeverband und Berufsbildungsamt. Ich muss sagen,<br />
das spürt man, dass die zusammenarbeiten und füreinander denken. Ich finde es schön, dass<br />
auch der Gewerbeverband merkt, ah, das ist für uns auch noch wichtig. Am Schluss ist es<br />
eigentlich ein gesellschaftliches Anliegen. Jeder Jugendliche, den ich begleite, steht nachher<br />
nicht auf der Strasse, ist kein Sozialfall. Von dem her ist es ein sehr menschliches Engagement,<br />
das wir da haben.<br />
In der Regel fotografiere ich diese Kinder, damit ich ihnen zu Hause zwischendurch auch mal in<br />
die Augen schauen kann. Dass ich das Bild, das Kind, immer wieder vor mir habe. Ich schicke<br />
es ihnen dann auch. Sie können es dann brauchen.<br />
Ich habe noch eine Kollegin mit der ich Tennis spiele. Sie macht auch mit, ist aber 20 Jahre<br />
jünger als ich. Sie hat die Mädchen. (1753) Frauen haben in der Regel die Mädchen. Das gibt<br />
die gleichen Aufgaben, die ich auch habe. Da tauschen wir hin und wieder ein bisschen aus.<br />
I: Dann spielt es also keine Rolle, ob der Mentor noch voll in der Berufswelt drin ist?<br />
M: Nein, das spielt keine Rolle. Wir sind vielleicht eher die, die Zeit haben und sagen, das wäre<br />
noch eine glatte Arbeit. Da hat’s z.B. einen Schulratspräsidenten, der dabei ist oder der eine<br />
oder andere Lehrerkollege. Aber nicht nur.<br />
Wir arbeiten ja ehrenamtlich. Ich bekomme nichts dafür. Es gibt ein Spesenreglement, aber das<br />
ist derart kompliziert, dass es mir stinkt das Zeug auszufüllen. Das habe ich einmal gemacht. Es<br />
ist aber zu vernachlässigen. Jede Fahrt könnte ich jetzt da aufschreiben. Ich finde das nicht gut<br />
gelöst. Sie würden besser sagen, du bekommst da pauschal eine Zahlung. Aber ich muss<br />
sagen, sie haben jetzt angefangen zu einem Nachtessen einzuladen. Das finde ich schön, wo<br />
man auch noch ein bisschen einen Austausch hat. Man lernt andere Leute kennen, die da<br />
mitmachen. (1805)<br />
I: Um nochmals auf die Mädchen zurückzukommen. Hast du das Gefühl, es ist grundsätzlich<br />
schwieriger bei den Mädchen? Man hört immer wieder, dass die jungen Mädchen auch zur<br />
Risikogruppe gehören.<br />
M: Das war natürlich in der Schule schon immer eine Risikogruppe. Aus der Realschule heraus ist<br />
es einfach so. Da gibt es ein paar klassische Berufe, wo man sie reinjubelt, im Verkauf oder im<br />
Coiffeursalon. Das sind so Standards. Die Mädchen haben tatsächlich weniger Möglichkeiten,<br />
ausser sie wagen sich in die handwerklichen Berufe. Es hat gerade auch da in W. ein Mädchen<br />
die beste Schreinerprüfung gemacht. Das finde ich natürlich super, solche, die das schaffen.<br />
Und letztes Jahr habe ich von einer gehört, die Elektronik studiert. Das gibt es schon auch,<br />
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solche, die es wagen. Wie es heute ganz konkret in der Schule aussieht, kann ich nicht sagen.<br />
Ich habe es zumindest so erlebt. Ich hatte für kurze Zeit eine Jugendliche, die konnte als<br />
Optikerin einsteigen. Das ist noch ein Job, der geht. Aber es braucht schon wieder ein gewisses<br />
Niveau. Die haben sie mir auch mal von der Schule kurzfristig zugeteilt.<br />
Was noch interessant ist, es geht nicht darum gross Dankbarkeit zu zelebrieren, aber man<br />
merkt, man wird gebraucht, solange man gebraucht wird und dann ist es wieder vorbei. Bei R.<br />
haben wir eigentlich schon einen neuen Termin im Januar abgemacht als wir uns hier getroffen<br />
haben, aber zwischenzeitlich hat er einen Job gefunden. Dann habe ich ihm gesagt, was meinst<br />
du, sehen wir uns nochmals. Er hatte dann das Bedürfnis, dass wir uns nochmals sehen. Das<br />
fand ich noch schön. (1887) Das ein bisschen abzurunden. Und andere hört man nicht mehr,<br />
sobald sie eine Lehre haben. Dann ist das erledigt und ich rufe in W. an und sage, der Junge<br />
hätte eine Lehrstelle gefunden. Die bestätigen dann noch schriftlich, dass der Vertrag nun<br />
aufgelöst ist.<br />
A. war einfach zu bequem. Er hat auch auf meine Mails nicht reagiert. Seine Nachtübungen<br />
sind im Vordergrund gestanden. Das wird dann schwierig, das übersteigt dann meine<br />
Möglichkeiten. Ich bin kein Psychiater.<br />
I: In solchen Fällen fragst du auch in der Lehre nicht mehr nach.<br />
M: Nein, dann ist es für mich erledigt. Dann habe ich auch das Gefühl, ausgenutzt zu werden. Ich<br />
muss schon auch ein bisschen spüren, dass diese Kinder den Willen haben, weiterzukommen.<br />
Ich bringe nicht nur auf dem Servierteller Sachen. Es muss schon etwas retour kommen.<br />
3.2 Interview mit der Lehrperson<br />
Interview 9.3.11<br />
Ort: Schule W., TG<br />
Zeit: 10.15-11.00<br />
Interviewerinnen: Martina Sommerau, Irma Adank, (I)<br />
Teilnehmer: Lehrperson U., (LP)<br />
I: Wir möchten einmal die Berufswahlvorbereitung in den Oberstufenschulen genauer anschauen,<br />
vor allem in Bezug auf die lernschwächeren Schüler. Vielleicht gehören die<br />
Verhaltensauffälligen und die mit Migrationshintergrund ins gleiche Kapitel, einfach unter dem<br />
Decknamen „Jugendliche mit besonderem Förderbedarf“. Wir möchten einmal schauen, wie die<br />
Lehrpersonen in den Oberstufen das mit der Berufswahl machen, welche Personen involviert<br />
sind und vor allem, was die fördernden Faktoren für diese Schüler sind. Du kannst einfach mal<br />
erzählen.<br />
LP: Also nicht nur in Bezug aufs Mentoring, sondern ganz allgemein?<br />
I: Ja, ganz allgemein. Und nachher kommen wir dann aufs Mentoring zurück.<br />
LP: Also da habe ich eigentlich weitgehende Freiheiten. Aber ich habe auch einen Auftrag, den ich<br />
mir in dem Sinn selber gegeben habe, aber der sicher auch im Sinne der Schule ist: dass man<br />
dem auch spezielles Augenmerk verleiht. Also die Berufswahl nimmt in der Kleinklasse hier in<br />
W. einen relativ grossen Raum ein; sagen wir mal einen grösseren als in den G-Klassen und<br />
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einen noch grösseren als in den E-Klassen. Es fängt eigentlich anfangs 2. Oberstufe, 2.<br />
Sekundarstufe Kleinklasse, an mit Berufskundeunterricht, wo wir dann das Lehrmittel<br />
durcharbeiten. Das ist eine fixe Wochenstunde, die wir haben, dazu haben wir auch zwei fixe<br />
Schnupperlehren während diesem Jahr. Wobei die erste Woche eigentlich eine<br />
Berufserkundigung ist, dort sind sie dann eine Woche lang zwischen einem und drei Tagen an<br />
verschiedenen Orten. Die zweite Woche ist im zweiten Semester, wo sie während 5 Tagen –<br />
das ist das Ziel, das man aber nicht immer ganz so umsetzen kann – am gleichen Ort sind. So<br />
lernen sie nicht nur verbal Arbeitssituationen kennen. (108)<br />
I: Müssen sie die Betriebe selber suchen?<br />
LP: Die müssen sie selber suchen, ja. Da müssen sie selber weibeln. Betriebe verlangen dort zum<br />
Teil schon Bewerbungen. Schnupperbewerbungen gibt’s immer mehr. Es ist tendenziell immer<br />
ein bisschen am Raufgehen. Aber sie finden schon etwas, wenn sie suchen. Das geht schon.<br />
(121) Das Thematisieren dieses Themas verbinde ich oft mit dem Unterricht. Z.B. das Thema<br />
Verbindlichkeit. Ich weise viel darauf hin, dass dies eine Fähigkeit ist, die sie nachher brauchen,<br />
weil der Lehrmeister das voraussetzt. Dies ist ein Dauerthema. Ganz wichtig ist die Elternarbeit.<br />
Wir können davon ausgehen, dass tendenziell die Eltern von Kleinklässlern auch eher ein<br />
bisschen unsicher sind oder halt auch nicht sehr „zupackig“. Und das ist ein Thema bei dem ich<br />
an Grenzen stosse. Ich habe im Moment 10 Schüler. Acht die wissen, wie’s im Sommer<br />
weitergeht, und das werte ich als grossen Erfolg. Es ist besser gelaufen als ich erwartet hatte.<br />
Unter anderem ist es nun auch für R. klar, den ihr nachher noch speziell anschaut. Bei zwei<br />
Schülern stehe ich an. Der eine wird einfach nicht aktiv. Dem sage ich, mach das, mach das,<br />
mach das. Er ist auch beim Case Management angemeldet. Ein neues Angebot, das ihr<br />
wahrscheinlich kennt. Das Case Management ist auch etwas neues für mich, mit dem muss ich<br />
jetzt auch zuerst Erfahrungen machen. Und ich mache die Erfahrung, dass sie ihn weitergeben<br />
an das Mentoring. Das ist jetzt alles ein bisschen schleppend. Eigentlich ist der Zug schon<br />
ziemlich abgefahren, und dann ist dann aufs Mal das Brückenangebot ein Thema. Also das sind<br />
zwei Schüler, bei denen ich sagen muss, ich bring es einfach nicht auf den Punkt mit denen.<br />
Einfach, weil die Schüler nicht aktiv werden, und es die Eltern nicht auf die Reihe kriegen und<br />
ihren Kindern mal auf die Füsse stehen. Sie sagen schon, du solltest das und das machen,<br />
aber dann überlassen sie die Kinder halt sich selber. Ich mache die Erfahrung, dass gerade<br />
Kleinklässler – also andere auch – Kleinklässler bräuchten jemanden, der sie an der Hand<br />
nimmt und klar sagt, jetzt machst du das und jetzt das und wenn sie’s nicht machen, ihnen auf<br />
die Füsse stehen. (194) Das ist ein heikler Punkt. Wo ist die Eigenmotivation? Bei einem bin ich<br />
mir nicht sicher, ist es ihm bewusst, dass er im Sommer auf der Strasse steht oder ist es ihm<br />
egal. Ich weiss es nicht; aber das ist nicht der, den ihr jetzt interviewt.<br />
I: Gerade in so Fällen hilft doch dann das Mentoring auch nicht. Oder kann der Mentor da noch<br />
etwas machen? Verantwortung muss ja dann doch jeder für sich übernehmen.<br />
LP: Doch. Ich sehe das Mentoring als sehr wertvoll an. Vielleicht noch eine Seitenklammer, was die<br />
Eltern betrifft. Mir ist es wichtig, dass die Leute gut informiert sind. Wir machen zum Thema.<br />
Berufsfindung und Lehrstellensuche einen Elternabend in der zweiten Sekundarschule<br />
18
Kleinklasse. Da habe ich bis jetzt eigentlich immer jemanden vom BIZ eingeladen, der<br />
Berufsberater kommt und jemand vom Mentoring kommt. Und da sagen wir ihnen schon, dass<br />
ihr Berufsfeld im Bereich der Attestausbildungen liegt. Eine Volllehre sehe ich bei keinem von<br />
meinen Schülern. Da haben sie einfach den Stoff nicht. Sie haben den Stoff nicht, und sie<br />
haben die geistige Beweglichkeit nicht, den Stoff einer Volllehre aufzunehmen. Und da sehe<br />
ich, das ist ganz ein schwieriger Prozess. Die Eltern haben dann das Gefühl, in Ausnahmefällen<br />
gehe es dann trotzdem, und ihr Kind ist der Ausnahmefall. Das Kind selber denkt das auch. Da<br />
kommst du als Lehrer manchmal in eine schwierige Rolle. Du kommst in die Rolle, dass du der<br />
Böse bist, der ihr Kind abwertet. (250) Da kommt man manchmal ein wenig in den Clinch mit<br />
den Schülern und mit den Eltern.<br />
I: Thematisierst du denn diese Schwächen mit den Schülern?<br />
LP: Immer wieder. Ja, das musst du. Also ich bin nicht dafür, dass man einem Kind nicht die<br />
Realität aufzeigt. Ich bin dafür, ehrlich zu sein. Was ich aber immer versuche zu vermitteln:<br />
Schau, wenn du das machst und erfolgreich abschliessen kannst, dann hast du etwas in der<br />
Hand, dann hast du etwas geleistet, und du kannst dich jederzeit weiterentwickeln. Der<br />
schlechte Fall ist, du setzest die Stufe, die Messlatte, zu hoch an. Du bist überfordert, dir stellt<br />
es völlig ab, du verlierst die Lehrstelle, hast dann einen Riesenfrust und stürzest ab. Das<br />
versuche ich zu vermitteln. Aber ich merke, es ist ganz schwierig, dass das ankommt. Und das<br />
muss immer wieder in jedem Elterngespräch thematisiert werden. Die Eltern meiner Schüler<br />
können nicht behaupten, dass sie das nicht gewusst hätten oder dass sie dieses Wissen nicht<br />
mitbekommen haben. Aber das umzusetzen, dort liegt ein riesiger Knackpunkt. Und dort springt<br />
das Mentoring eigentlich ein. Ich mache so die Erfahrung, dass die Mentoren eigentlich das<br />
gleiche erzählen wie ich. Es ist aber doppelt so gut! In dem Sinn, dass es einfach von einer<br />
anderen Seite her nochmals kommt. Unabhängig kommt jemand von aussen und sagt, schau,<br />
ich bin ein freiwilliges Angebot. Ich mache das gratis, er verdient ja nichts.(305)<br />
Hier endet die Aufnahme dieses Interviews aufgrund technischer Probleme. Leider haben wir<br />
es auch versäumt, Notizen zu machen. So versuchten wir, so viel wie möglich aus der<br />
Erinnerung heraus aufzuschreiben. Der Interviewleitfaden war uns dabei eine Hilfe.<br />
Ich nehme mir Zeit, den Schülern in den Schnupperlehren Besuche abzustatten.<br />
Meine Erfahrung ist, dass meine Schüler für alles sehr lange brauchen. Darum fange ich den<br />
Berufswahlprozess früh genug an. Wenn ich ältere Schüler habe, schaue ich, dass die jüngeren aus<br />
der 1. Oberstufe auch mithören. So werden sie von der ersten Sek an unverbindlich mit dem Thema<br />
konfrontiert. Sie hören auch, wie es den anderen mit ersten Erfahrungen ergeht.<br />
Ich hatte einen Schüler, der war 2 m gross. Den habe ich bereits in der 1. Oberstufe schnuppern<br />
geschickt.<br />
Das Mentoring ist für jene Schüler eher ungeeignet, die auch nach der Lehrstellensuche noch auf<br />
Unterstützung angewiesen sind, z. B. während der Lehre. Dies bietet das neue Case Management an.<br />
Zudem müssen die Schüler mehr oder weniger wissen, in welche Richtung sie möchten. Die<br />
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Berufswahl sollte eigentlich schon abgeschlossen sein. Sie müssen vorher auch in der Berufsberatung<br />
gewesen sein.<br />
Jugendliche mit fehlender Motivation , solche die nicht selber etwas fürs Finden einer Lehrstelle tun<br />
wollen, sind beim Mentoring am falschen Platz. Sie müssen selber ja sagen zum Mentoring und auch<br />
wollen.<br />
Der Mentor übernimmt im weitesten Sinne die Elternrolle. Er ist berufswahltechnisch näher am<br />
Geschehen als die Eltern und hat zudem mehr Zeit. Die Unterstützung, die meine Schüler brauchen,<br />
könnte ich aus zeitlichen Gründen gar nicht leisten. Der Mentor kommt von Aussen. Er sieht den<br />
Jugendlichen unvoreingenommen.<br />
Er hat ganz andere Kontakte zu den regionalen Betrieben als ich. Er kann auch eine gute Referenz für<br />
die Schüler sein. Auch die Betriebe zeigen Vertrauen in ihn und indirekt auch in den Schüler. Ein<br />
gutes Wort für einen Schüler einzubringen, hat eine riesige Wirkung. Das merke ich auch, wenn ich<br />
mich für einen Schüler stark mache. Manchmal bin ich als Lehrer aber nicht der richtige dazu. Für<br />
einen Schüler, der in der Schule negativ auffällt, kann ich mich nicht mit gutem Gewissen bei einem<br />
Betrieb stark machen. Der Mentor ist neutral, und der Schüler hat im Umgang mit ihm nochmals die<br />
Chance, sich von einer besseren Seite zu zeigen.<br />
Ich arbeite mit einer Kleinklasse, wobei wir ab dem nächsten Schuljahr integriert arbeiten werden. Ich<br />
befürchte, dass dies ein Rückschritt sein wird. Haben sie in der G-Klasse in einem Fach grosse<br />
Defizite, werden sie in einem Förderzentrum unterrichtet, werden also wieder separiert. Jetzt haben<br />
sie ihr zu Hause in der Kleinklasse, was auch nicht immer einfach ist. Aber sie haben ein zu Hause. In<br />
Sachen Berufswahl wird der Klassenlehrer in Zukunft die Verantwortung tragen. Wie sie das lösen<br />
werden, weiss ich nicht. Die Klassenlehrer der G-Klasse sehen die Schüler viel weniger als ich jetzt<br />
meine Schüler sehe. G-Klassen haben auch viel mehr Schüler als Kleinklassen, ich hatte immer etwa<br />
10 bis 13 Schüler.<br />
Das Lehrmittel „Wegweiser zur Berufswahl“ sehe ich für meine Schüler als das Geeignete. Es ist<br />
weniger kopflastig, hat ein paar Bilder und ist farbig. Aus den Lehrmitteln nehme ich nur punktuell<br />
Sachen raus. Mit meinen Schülern braucht einfach alles mehr Zeit, insbesondere das<br />
Bewerbungsschreiben.<br />
Die Beziehungsebene ist für meine Schüler sehr wichtig, ich versuche ihnen immer wieder den<br />
Rücken zu stärken.<br />
Ich hatte eine Schülerin, die wollte Floristin werden. Für mich war es klar, dass der Kundenkontakt bei<br />
ihr kaum funktionieren würde. Wenn ich dies so kommuniziert hätte, hätten diese Eltern aber<br />
Widerstand geboten. Sie ging dann als Floristin schnuppern und bekam eine entsprechende<br />
Rückmeldung. Ich bin sicher, dass sie so auf die richtige Schiene gekommen ist. Sie wird jetzt<br />
Hauswirtschaftspraktikerin. Meine Schüler lernen oft, in dem sie eben solche Erfahrungen machen.<br />
Man kann sehr viel Geschirr zerschlagen, wenn man solche Berufswünsche einfach auszuschlagen<br />
versucht. Grundsätzlich bin ich aber eher hart und zeige meinen Schülern als Klasse realistische<br />
Berufsmöglichkeiten auf. Im Einzelfall musst du aber sehr behutsam vorgehen.<br />
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Ganz heikel wird es, wenn ich mir Gedanken mache, ob die freie Marktwirtschaft für einen Schüler<br />
überhaupt das Richtige ist. In solchen Fällen muss ich mir gut überlegen, ob dieses Thema sich eher<br />
kontraproduktiv auswirken würde. Manchmal sind sie aber auch froh, zu erfahren, dass eine IV-<br />
Anlehre ebenfalls eine Möglichkeit wäre.<br />
Die Attestlehre wird auch immer anspruchsvoller. Zwischen dieser und der IV-Anlehre hat sich aus<br />
meiner Sicht eine Kluft aufgetan, die vorher mit der Anlehre nicht derart gross war. Nicht alle meine<br />
Schüler würden eine Attestlehre schaffen. Diese sind heute teils auf die schwächeren G-Schüler und<br />
nur noch auf einen Teil der Kleinklassenschüler zugeschnitten.<br />
Ein Schüler der Oberstufe kann bei der IV die Situation schildern und so allenfalls das Recht auf eine<br />
IV-Lehre bekommen, ohne vorher den IV-Status gehabt zu haben. Manchmal sind sie sogar froh,<br />
wenn man nicht erst notfallmässig in der 3. Oberstufe kommt. Das klappt aber natürlich nicht immer.<br />
Sicher ist, dass man mit diesen (schulisch sehr schwachen) Schülern früh beginnt, wenn möglich<br />
bereits in der ersten Sek. Sie müssen sich in der ersten Oberstufe ja noch nicht entscheiden, aber es<br />
geht darum, sie langsam an das Thema „Berufswahl“ heranzuführen.<br />
Berufserkundigungen und Schnupperlehren sind sehr wichtig um Erfahrungen zu machen.<br />
Bei Kleinklassenschülern stimmt die eigene Wahrnehmung oftmals nicht mit der Realität überein. Sie<br />
erzählen dann, wie super die Schnupperlehre war, wie gut alles gelaufen ist. Wenn man dann den<br />
Bericht der Schnupperlehre liest, merke ich, dass da grosse Diskrepanzen vorhanden sind.<br />
Die Vor- und Nachbereitung von Schnupperlehren kann ganz individuell sein. Aber auch im<br />
Klassenverband erzählen sie einander, wo sie hingehen und auf welchen Beruf sie sich vorbereiten.<br />
Das Erlebte erzählen sie dann auch nach der Schnupperlehre. Für Details muss man ihnen die<br />
Würmer aber etwas aus der Nase ziehen. Wenn ich mit ihnen 1:1 auswerte, gerade wenn die<br />
Wahrnehmungsebenen nicht übereinstimmen, müssen nicht alle zuhören.<br />
3.3 Interview mit dem Jugendlichen<br />
Interview 9.3.11<br />
Ort: Schule W., TG<br />
Zeit: ca. 11.00-11.30<br />
Interviewerinnen: Martina Sommerau, Irma Adank, (I)<br />
Teilnehmer: Jugendlicher R., 15 Jahre alt, (R)<br />
I: Wir machen eine Diplomarbeit zum Thema Berufswahl, und wir haben erfahren, dass du beim<br />
Mentoring dabei bist. Wir haben nicht so eine grosse Ahnung um was es da geht. Deshalb sind<br />
wir neugierig auf das, was du uns erzählen kannst. Wie das so läuft mit dem Mentor, vielleicht<br />
auch wie die Berufswahl gelaufen ist, was ihr dort so alles gemacht habt, usw. Beschreibe uns<br />
doch einfach so deinen Weg vom ersten Mal von der Berufswahl gehört zu haben bis jetzt, wo<br />
du diese Lehrstelle hast. Du kannst mal erzählen und nachher stellen wir dann noch ein paar<br />
Fragen. (76)<br />
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R: Der Witz ist, am Anfang wollte ich Detailhandel machen. Das hat mir am Schluss nicht mehr so<br />
zugesagt, wegen den Arbeitszeiten, die man hat. Ich arbeite lieber mit den Händen und merkte,<br />
dort begabt zu sein. Dann habe ich Metallbau genommen, und das hat mir ziemlich gut gefallen.<br />
Ich habe gesucht und bin an einigen Stellen gewesen. Und dort wo ich jetzt die Lehrstelle habe,<br />
das ist ein Ort, den mir mein Mentor empfohlen hat. Er hat mir einige aus dem Suchfeld in der<br />
Umgebung herausgesucht. Dann bin ich in S. schnuppern gegangen und diese Woche hat mir<br />
eigentlich sehr zugesagt. Ich habe dann eine Anfrage geschickt und auch eine Bestätigung<br />
bekommen. Es ist ein Ort, den ich eher per Zufall genommen habe, weil beim anderen, bei dem<br />
ich immer angerufen habe, niemand abgenommen hat. Dann habe ich dort angerufen. (117) Ich<br />
musste eine Schnupperbewerbung schreiben. War alles schön gewesen. Zwei Wochen konnte<br />
ich schnuppern gehen. Habe auch gut mitgearbeitet, hat es geheissen. Das war wirklich Zufall,<br />
dass ich dort schnuppern war. Es war gut, dass ich die Stelle dort auf dem Zettel bekommen<br />
habe.<br />
I: Warst du im Detailhandel auch schnuppern?<br />
R: Ja, dort war ich auch schnuppern, aber nur einen Tag.<br />
I: Dann hast du schon gemerkt, dass das nichts ist.<br />
R: Ist immer das gleiche...<br />
I: Hast du noch in andere Berufe hineingeschaut?<br />
R: Ich habe in Schreiner und Wärmedämmungen...<br />
I: ...hast du reingeschaut. Und das auch einen Tag? Wie habt ihr das so gemacht mit den<br />
Schnuppertagen. Wie habt ihr das organisiert?<br />
R: In der ersten Oberstufe war ich an verschiedenen Orten. Wir hatten dort die<br />
Berufserkundigungswoche.<br />
I: Also schon in der ersten Oberstufe?<br />
R: Das war generell, aber im Mentoring war ich seit der 3. Oberstufe. Jetzt auch mit den<br />
Lehrstellen war ich eine Woche lang verteilt an einigen Stellen gewesen. Den Schreiner habe<br />
ich zwei Tage gemacht. War ein Fehler, weil ich den Beruf nicht so gern gemacht habe, und<br />
ich’s gesehen habe. Auf dem Metallbau habe ich alles sehr gerne gemacht, z.B. das<br />
Schweissen, Löten und das Zusammenbauen. In der zweiten Oberstufe habe ich das erste Mal<br />
angefangen nach Lehrstellen zu suchen. Dann gegen Ende der zweiten hatte ich noch keine,<br />
dann hat’s schon geheissen, Mentoring. Bin dann ins Mentoring gegangen. Gegen den Schluss,<br />
als es ein bisschen happig geworden ist, hat es geheissen, ich sollte das 10. Schuljahr machen.<br />
Ich habe nicht aufgegeben, und gerade etwa zwei Tage später habe ich die Zusage für die<br />
Lehrstelle bekommen. (193)<br />
I: Ihr habt ja das Thema Berufswahl auch in der Schule. Hast du das Gefühl, dass es dir etwas<br />
gebracht hat?<br />
R: Es hat mir sehr viel gebracht.<br />
I: Was konntest du denn vor allem mitnehmen?<br />
22
R: Bewerbungen schreiben, Lebenslauf. Das sind alles Sachen, die ich dazu gelernt habe, die ich<br />
vorher nicht einmal gekannt habe. Ich meinte, es sei viel einfacher, da jemanden fragen zu<br />
gehen. Es ist aber doch komplizierter als ich gedacht habe.<br />
I: Hast du das denn alleine gemacht?<br />
R: Bewerbungen schreiben, ja, teilweise habe ich es mit Hilfe meines Vaters gemacht. Und der<br />
Mentor war mehr ein Ratschlaggeber, z.B. was ich machen soll, Metzger oder Formgiesser.<br />
Auch andere Sachen, die mit Händen und Arbeit zu tun hatten, z.B. Dachdecker. Ich war<br />
ziemlich stark fixiert auf Metallbau. Und es hat sich auch gelohnt, dort zu suchen.<br />
I: Du hast die Firma überhaupt nicht gekannt, wo du nachher hingegangen bist?<br />
R: Nein, die habe ich nicht gekannt. Das ist eine gute Firma. Und vom Mentoren habe ich<br />
eigentlich ziemlich gute Ratschläge bekommen, wie z.B. jeden Morgen „Guten Morgen“ zu<br />
sagen. Also Sachen, die guten Eindruck machen. Es hat sich auch ziemlich gelohnt. Vorher bin<br />
ich die Sache sehr scheu angegangen.<br />
I: Hast du Tipps vom Mentor bekommen, wie du dich verhalten musst?<br />
R: Ja, der Mentor hatte auch am Donnerstag ein Gespräch mit dem Lehrmeister, den ich jetzt<br />
habe. Von dem Gespräch habe ich gar nichts mitbekommen. Ich war in der Zeit noch in der<br />
Werkstatt.<br />
I: Warst du denn noch in anderen Situationen froh, dass du den Mentor hattest?<br />
R: Dass er mir diese Adressen gegeben hat. Er hat mir ein Blöckchen mit Berufen aus der<br />
Umgebung, die mit handwerklicher Arbeit zu tun haben, gegeben und dazu hat er mir Adressen<br />
gegeben, Telefonnummern und die Orte. Es hat sich ziemlich gelohnt. Ich war eigentlich auch<br />
froh über den Mentor, dass er gekommen ist, dort wo ich am Schnuppern war. Auch dass ich<br />
Termine einhalte, die ich mit ihm abgemacht habe. Wenn ich die Termine nicht einhalte, dann<br />
habe ich meinen Vertrag nicht eingehalten; was zum Glück nie vorgekommen ist. Ich habe die<br />
Termine immer eingehalten.<br />
I: Wärst du froh, wenn der Mentor dich jetzt auch noch in der Berufslehre begleiten würde? Oder<br />
hast du das Gefühl, dass sei nicht nötig, du schaffst das schon?<br />
R: Also auf die Arbeit kann ich ihn nicht mitnehmen. Eher nicht, weil man dort die Sache auch eher<br />
selbstständiger angehen muss. (313)<br />
I: Du musst selber lernen ...<br />
R. Ja.<br />
I: Hat dich denn der Klassenlehrer auch unterstützt in irgendwelchen Sachen?<br />
R: Ja, darauf hingewiesen, was für Berufe man machen könnte.<br />
I: Aber der Mentor war schon die wichtigste Person auf dem Weg der Lehrstellensuche?<br />
R: Ja. Der Mentor war wirklich die wichtigste Person.<br />
I: Und deine Eltern, konnten die dir auch einige Tipps geben? Oder haben die eher gedacht, das<br />
könne der Mentor besser?<br />
R: Die haben mir auch geholfen. Der Mentor hat ein bisschen mehr geholfen. Meine Eltern haben<br />
gesagt, ich solle lieber selber etwas machen.<br />
23
I: Was ist für dich wichtig, wenn du jetzt diese Berufslehre machst? An was musst du jetzt noch<br />
ein bisschen arbeiten? Was musst du können bis diese Lehre wirklich anfängt? Hast du dir jetzt<br />
noch etwas vorgenommen?<br />
R: Perfekte Schweissnähte machen.<br />
I: Aber das kannst du ja in dem Sinn nicht lernen. Oder kannst du denn das üben, wenn du noch<br />
gar nicht in der Firma bist?<br />
R: Ja, weniger. Nur autogen. Und das ist ein ziemlicher Unterschied zu einem Schweissgerät.<br />
Also, ich kann mich schon verbessern, Metallkunde, z.B. welcher Rost hat welches Metall.<br />
I: Dann musstest du gar nicht viele andere Bewerbungen schreiben?<br />
R: Ich habe einige Bewerbungen geschickt, z.B. in F., wo ich auch noch gefragt habe, auch in U.,<br />
aber die haben dort selber noch Lehrlinge. Mit denen haben sie selber noch genug Probleme.<br />
Und O.<br />
I: Kommt in der Klasse kein Neid auf, wenn jemand eine Lehrstelle hat? Habt ihr’s noch gut<br />
untereinander?<br />
R: Bis jetzt haben alle eine Lehrstelle, ausser zwei. Ein Klassenkamerad macht das genau gleiche<br />
wie ich. Nicht am gleichen Ort, aber in der gleichen Ortschaft.<br />
I: Musstet ihr dort noch einen Test machen?<br />
R: Also ich musste einen Test beim zukünftigen Lehrmeister machen.<br />
I: Muss man einen Test machen, bevor man überhaupt eine Schnupperlehre machen kann? (412)<br />
R: Nein. Ich machte ihn am Ende der Schnupperlehre gemacht, über das was ich dort habe<br />
mitnehmen können.<br />
I: Aber einen Test mit Mathe oder Deutsch musstest du keinen mehr machen, einen Multicheck?<br />
R: Einen Multicheck habe ich gemacht und bin dort ziemlich darunter gekommen. Ich habe nur gut<br />
im Vorstellungsvermögen abgeschnitten, das andere war mir ein bisschen zu schwierig.<br />
I: Hast du nachher entweder mit dem Klassenlehrer oder dem Mentor über die Schnupperlehren<br />
gesprochen? Habt ihr darüber gesprochen, wie es gelaufen ist?<br />
R: Ja. Man konnte auch der Klasse mitteilen, was man dort alles gemacht hat. Wir mussten auch<br />
einen Zettel ausfüllen von wann bis wann. Und dann gab’s noch einen anderen Zettel, auf<br />
diesen konnte der Beaufsichtigende aufschreiben: Verhalten gut, schlecht oder sehr gut. Da<br />
war ich auch gut, trotz Schüchternheit.<br />
I: Hast du dich von Anfang an für die Berufswahl interessiert? Hast du dich gefreut oder dachtest<br />
du, nein, jetzt kommt das auf mich zu? Wie war das so für dich? (458)<br />
R: Gut, mal zu arbeiten, selber Geld zu verdienen. Und ich hab mich gefreut auf die Berufswahl.<br />
Aber ich hatte etwas Angst, dass ich keine Lehrstelle bekomme. Interessiert habe ich mich<br />
schon.<br />
I: Du brauchtest also keine grossen Motivationsspritzen.<br />
R: Nein.<br />
I: Auch nicht, nachdem du Absagen bekommen hast, oder dieser Test nicht so gut ausgefallen<br />
ist? Konntest du dich immer wieder von selbst aufraffen, oder brauchtest du jemanden, der dir<br />
Mut gemacht hat?<br />
24
R: Das war für mich ein um so grösserer Punkt, eine Lehrstelle zu finden. Denn Absagen habe ich<br />
schon bekommen. Die Absagen waren teilweise begründet, teilweise unbegründet. Das sind<br />
auch solche Sachen. Vielleicht nehmen sie einen anderen. Dort wo ich war, dort hatte ich noch<br />
zwei weitere Konkurrenten. Ja, und die haben sich nicht so gut angestellt wie ich. Das war mein<br />
Glück. Dort wo ich gewesen bin, zählt eher das Mitarbeiten und ob man teamfähig ist. Nicht mal<br />
ein Sek-E-Schüler könne schon alles machen.<br />
I: Übt ihr Teamfähigkeit oder dass ihr selbstständig arbeiten könnt auch in der Schule?<br />
R: Ja, im Werken. Dort gehört auch das „den anderen Helfen“ dazu. Man bekommt dann auch<br />
Hilfe zurück, wenn man den anderen hilft. So ist man teamfähig. Ja, das ist schon gut.<br />
I: Das ist in der Arbeitswelt auch wichtig, dass du teamfähig bist.<br />
R: Sonst habe ich dann schnell die Kündigung.<br />
I: Es hat dich sicher auch motiviert, zu sehen, dass nicht nur die Schulleistung im Vordergrund<br />
steht, sondern auch noch andere positive Eigenschaften, die man hat, und die nachher sicher<br />
auch in der Lehre zählen.<br />
Hat der Lehrer auch in der Klasse einmal übers Mentoring gesprochen oder macht er das nur<br />
einzeln?<br />
R: Ja, wir hatten einen gemeinsamen Elternabend an dem alle Eltern und Kinder gekommen sind.<br />
Die Fürsprecherin vom Mentoring war auch dort. Der Chef vom BIZ war auch da. Er hat es uns<br />
empfohlen und uns über das Thema Mentoring aufgeklärt und über Lernhilfen, um die Lücken<br />
zu füllen.<br />
I: Musstest du dir lange überlegen, ob du beim Mentoring mitmachen sollst?<br />
R: Ja, ich musste es mir wirklich lange überlegen. Dann habe ich aber ja dazu gesagt. Der Mentor,<br />
den ich hatte, hat auch schon zwei gute Kollegen von mir betreut. Die sind jetzt schon in der<br />
Berufswelt.<br />
I: Dann hast du von ihnen schon gehört, wie er das macht.<br />
R: Die brauchten zwar auch wenige Sitzungen bis sie eine Lehrstelle gefunden haben. (582)<br />
I: Konntest du den Mentoren wählen?<br />
R: Nein, den konnte ich nicht wählen.<br />
I: Dann war das zufällig der gleiche wie deine Kollegen hatten.<br />
Das tönt ja gut. Du scheinst auf guten Wegen zu sein. Du freust dich bestimmt.<br />
R: Sehr! (600)<br />
25
4 Transkription der Interviews aus dem LIFT-Projekt<br />
Die Farben der markierten Textstellen der Interviews entsprechen den Farben des Kategoriensystems<br />
aus Kapitel 5. Die Zahlen in Klammern bezeichnen einige Stellen der Tonbandaufnahme.<br />
4.1 Interview mit dem LIFT-Projektleiter<br />
Interview 23.3.11<br />
Ort: Schule G., ZH<br />
Zeit: ca. 9.10 - 10.00 Uhr, 10.20 – 11.00 Uhr , 10.45 – 12-00 Uhr<br />
Interviewerinnen: Martina Sommerau, Irma Adank, (I)<br />
Teilnehmer: Projektleiter LIFT P., 37 Jahre alt, (P)<br />
P: An der Wurzel des Projekts ward ihr ja schon, bei der NSW, das ist die Institution, die aus der<br />
Wirtschaft heraus entstanden ist. Die Idee war, dass man ein Pilotprojekt in die Welt ruft. Das<br />
waren zwei Klassen in Bern, zwei in Zürich. Und dann hat man dort mal angefangen und ich<br />
war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Hier in O. machten vorher zwei Sozialarbeiterinnen<br />
dieses Projekt, die hat’s dann aber sozusagen verblasen. Die kamen mit dieser Art Schüler<br />
nicht zurecht und sind gegangen. Eine Frau, die A., ist dann in das Projekt reingekommen, man<br />
fand, es wäre noch interessant wenn sie das machen könnte. Sie hat dann einen Partner<br />
gesucht, zu einem Zeitpunkt, zu dem ich eine Ausbildung in fast diese Richtung abgeschlossen<br />
hatte. Sie fragte mich an, ich kannte sie von der Pfadi. Ich kam also um alle Ecken rum in<br />
dieses Projekt. Damals waren wir noch von Bern bezahlt, und wir konnten diese Schüler bis<br />
Ende Schulzeit begleiten. Dies mit Erfolg, der Vorteil gegenüber den Sozialarbeiterinnen vorher<br />
war, dass ich mich um die Jungen kümmern konnte, was teils von Vorteil ist, da sie sich von<br />
Frauen wenig sagen lassen, die Art, die ich dort hatte. Und sie konnte sich wunderbar um die<br />
Frauen kümmern. Auch altersmässig, sie ist über fünfzig und ich eher jung, hat die Kombination<br />
recht gut gepasst. So konnten wir das Projekt erfolgreich abschliessen, das heisst jeder<br />
Schüler, der das Projekt durchgebissen hat, fand dann auch eine valable Anschlusslösung, wir<br />
hatten eine 100%-Quote. So viel ich weiss, hat einer von ihnen die Lehre abgebrochen, das<br />
waren allerdings ganz spannende Gründe, das hat nichts damit zu tun, dass wir im Projekt<br />
versagt haben. Wenn man aber mal hinschaut was die Statistik über die Lehrlinge sagt, die<br />
nach drei Monaten aufhören, dann hören sie auf, weil sie merken, dass es anstrengend ist, die<br />
Beine tun weh, wenn man den ganzen Tag steht, der Chef tadelt einen, wenn man eine<br />
Viertelstunde zu spät komme. Das sind Gründe warum Lehrlinge aufhören. Die haben nach den<br />
ersten drei Monaten alle durchgebissen, die sind alle noch dran, ich habe mit vereinzelten noch<br />
Kontakt. Natürlich gibt es Auf und Abs, aber die beissen das durch. Und rückwirkend darf man<br />
glaube ich sagen, hat es einen Link zum Projekt. Sie durften schon sehr viele Erfahrungen aus<br />
dem Projekt mitnehmen. Das führt uns zu dem, was das Projekt überhaupt macht. Sie haben<br />
natürlich diese Wochenarbeitsplätze (WAP) besucht, was ja das Zentrale am Ganzen ist. Der<br />
WAP ist ein lokaler Betrieb, der bereit ist, einem Jugendlichen jeden Mittwochnachmittag oder<br />
Samstagmorgen die Möglichkeit zu bieten, dass er arbeiten kann. Dies dauert mindestens drei<br />
26
Monate. So beginnen sie, wenn es ihnen langweilig wird, wenn sie z.B. letzte Woche das<br />
gleiche WC schon mal geputzt haben, Durchhaltewillen und Standfestigkeit zu entwickeln. Und<br />
was ich mit ihnen auch fest trainiere, ist die königliche Haltung auch zu beschissener Arbeit. Ich<br />
schaue mit ihnen jeweils einen Film. Vielleicht kennt ihr den Film „Der Prinz aus Zamunda“? Es<br />
gibt doch die Situation, wo er als Königssohn in die Staaten geht um seine Frau zu suchen, und<br />
dort nimmt er einen Job in einem McDonalds an. Und dort putzt er doch in seiner königlichen<br />
Haltung den Boden, was einfach nicht zusammen passt. Es ist aber genau das. Wenn sie<br />
anfangen in einer solchen Haltung zu arbeiten und auch unterschwellige Arbeit so zu erledigen,<br />
dann könnte der Chef sagen, halt, was machst du da, mit einer solchen Haltung hast du eine<br />
bessere Arbeit verdient. Das hängt dann auch stark mit der eigenen Einstellung zusammen,<br />
welche die Schüler entwickeln. Und das ist einer der grössten Punkte, an denen ich arbeite.<br />
Bei den WAP können sie ein Stück weit auch mitbestimmen, wo sie hingehen möchten, halt im<br />
Rahmen des Möglichen. Ich habe Grössenordnung zwischen 20 und 30 WAP, die ich betreue.<br />
Und Schüler habe ich momentan 19, die sich dann einfach auf diese Plätze verteilen müssen.<br />
Und dort wo sie sich entschieden haben, müssen sie dann auch drei Monate durchbeissen. Sie<br />
gehen arbeiten und am Freitagmorgen bespreche ich mit ihnen wie es gelaufen ist. Dort<br />
entstehen auch immer wieder Thematiken, was im Moment aktuell ist, was gerade das Problem<br />
ist. Dort liegt auch die Schwierigkeit des Projekts einen Plan erstellen zu können. Die Schüler<br />
folgen diesem Plan nämlich nicht, die bringen andere Probleme mit als ich wahrscheinlich in<br />
einem Plan hätte. Dort gilt es für mich individuell auf die Thematiken einzugehen, die dann<br />
gerade kommen. Als Beispiel etwas, das nicht unbedingt die WAP betrifft, ihnen aber auch dort<br />
helfen wird. Sie haben ein unglaubliches Thema mit der Aggression. Ich habe viele slawische<br />
Schüler, die dieses Potential haben und sie müssen lernen, wie sie damit umgehen.<br />
Grundsätzlich ist ja Aggression nichts Schlechtes. Sie können aber nicht einfach damit<br />
rumschlagen, sondern müssen lernen, dies zu kontrollieren. Und als Beispiel, wie so eine<br />
Lektion, die ich mit ihnen mache, aussieht, ist, dass wir das ganz klar thematisieren. Ich brachte<br />
die letzten drei Male Bilder mit sehr aggressiven Szenen mit. Und dort merke ich, wenn eine<br />
Diskussion entbrennt, dass es sie wahnsinnig interessiert, dann sind sie wirklich ganz fest<br />
dabei. Ich hatte ein Bild dabei mit Neonazis und dort wollten sie ganz viel wissen. Und dann ist<br />
natürlich die Frage gekommen, ob ich auch so einer bin (P. hat eine Glatze). Das ist ein Thema,<br />
das sie interessiert und sie wollen lernen wie sie die Aggression als wertvolles Werkzeug<br />
nutzen können. Wir haben darüber diskutiert ob es etwas Gutes oder etwas Schlechtes sei.<br />
Anhand der Bilder haben sie sofort gesagt, dass eine Schlägerei meist in der nächsten endet<br />
und zu nichts führt und so haben sie es als Erstes mal als etwas Schlechtes angesehen. Dann<br />
habe ich ein Bild von einem Karatekämpfer gezeigt, der fünf Betonblöcke durchschlägt. Ich<br />
habe die Frage in die Runde geworfen, ob er dies auch ohne Aggression könnte? Und sie<br />
merkten, nein, wahrscheinlich nicht, wenn der Pfupf fehlt, könnte er das nicht. So haben sie<br />
realisiert, dass Aggression gut ist, aber ich muss es kontrolliert dort einsetzen wo ich es wirklich<br />
brauche. Das bewegte viel in ihnen. Ich glaube, oder ich hoffe, dass sie auch mit Lehrern viel<br />
ausprobieren. Ich höre sie oft sagen, „ja, der Lehrer hat wieder“, sie schlüpfen dann so in eine<br />
27
Opferhaltung. So lange der Lehrer ein „Tubel“ ist, müssen sie sich nicht bewegen, haben eine<br />
Ausrede, dass sie Aufgaben nicht machen, nicht lernen. Solche Sachen zu thematisieren ist<br />
dann auch wieder spannend. Dann kann man sagen, gut, wenn du in fünf Jahren merkst, es<br />
funktioniert nicht, hast keine Lehre, wo auch immer du bist, reicht dir dann die Ausrede, der<br />
Lehrer sei schuld oder wäre es dann nicht gut, zurückschauen zu können und zu sagen, ich<br />
habe es trotz des Lehrers geknackt, gepackt. So werden sie in ihre Selbstverantwortung<br />
zurückgeworfen, was ihnen manchmal natürlich auch ein bisschen stinkt, aber darin erkennen<br />
sie auch ein wenig ihr Erfolgspotential.<br />
I: Du hast gesagt, du hättest etwa 30 solcher Betriebe. Dort werden sie nicht einfach zugeteilt?<br />
Sie können auslesen? (337)<br />
P: Ja, im Rahmen natürlich. Zuerst hatte ich die Betriebe ausgeschrieben, kurz gesagt, was<br />
welcher macht, und die Schüler hatten dann eine A,B,C-Wahl. Und ich versuche natürlich auch<br />
jedem seinen Favoriten zuzuteilen. Für mich ist klar, wenn sie etwas zugeteilt bekommen, dann<br />
haben sie keine Lust, dahin zu gehen, aber wenn sie selber auswählen können, dann ist’s gut.<br />
Für die WAP müssen sie sich aber auch bewähren. Ich übernehme sie ja zwischen Sommer-<br />
und Herbstferien und mache die Schüler in dieser Zeit eigentlich nur fit, damit sie in der Lage<br />
sind, ein Telefon zu führen. Das ist der dritte Klassenzug, den ich habe, und ich musste diese<br />
Telefongeschichte immer mehr auf die Basis zurückbrechen. Weil ich merkte, dass ganz<br />
Grundlegendes fehlt. Ihr müsst euch vorstellen, dass wenn man so einen Schüler anruft, dann<br />
macht’s – wenn er überhaupt abnimmt – „äh?“. Und mir ist schon wichtig, dass sie irgendwann<br />
ihre Persönlichkeit entwickeln und ihren Namen sagen. Sagt den Namen! Das ist wichtig. Wenn<br />
euch ein Lehrmeister wegen eines Bewerbungsgesprächs anruft und ihr „äh?“ sagt, dann habt<br />
ihr schon verloren. Irgendwann habe ich zum Telefongespräch eine Checkliste mit einfachsten<br />
Grundsätzen erstellt. Ich habe gemerkt, dass einige zu Hause vielleicht noch zwei, drei Brüder<br />
haben, die teils im gleichen Zimmer wohnen. Dort drin herrscht Lärm und so sind sie gar nicht in<br />
der Lage, ein ruhiges Telefongespräch zu führen. Sie müssen sich also zuerst eine Plattform<br />
schaffen, sagen, Leute, ich muss ein Telefon machen, ich brauche das Zimmer für die nächste<br />
Viertelstunde für mich alleine. Ein Blatt Papier bereitlegen, sich die Ziele des Telefongesprächs<br />
klar überlegen, ich muss ein Termin haben, der mir passt. Der Betrieb sagt dann vielleicht, ja,<br />
ist gut, am Mittwochmorgen um 10.00 Uhr treffen wir uns. Der Schüler sagt ok, hängt ab und<br />
realisiert erst dann, am Mittwochmorgen habe ich ja Schule. Das heisst er muss während des<br />
Gesprächs intervenieren und sagen, Entschuldigung, am Mittwochmorgen habe ich Schule, ich<br />
könnte am Nachmittag. Kein Betrieb wird dann sagen, das sei ein frecher Kerl. (421) Aber davor<br />
haben sie Angst und diese Angst muss man nehmen. Und er macht dann Erfahrungen, dass er<br />
auch etwas sagen darf, und dass er damit Erfolg haben wird. Das geht weiter über: stellt euch<br />
ein Glas Wasser bereit, geht vorher aufs WC, nehmt beim Sprechen eine richtige Sitzposition<br />
ein. Das mach ich intensiv in Rollenspielen. Ich setze den Schüler hinten hin, ich rufe dann an<br />
und die Klasse gibt ein Feedback wie es gewirkt hat. Und wenn der Schüler hinten natürlich<br />
schon so (liegend) im Stuhl sitzt, hörst du das sofort. Es ist dann verblüffend, wie die Klasse<br />
das realisiert und ihm oder natürlich immer auch ihr feedbacked. Ich sage dann auch, wie es<br />
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gewirkt hat und bin da relativ hart in solchen Gesprächen. Wenn einer seinen Namen nicht sagt,<br />
weise ich ihn darauf hin. Ich versuche es wirklich realistisch zu machen. Mit dieser Checkliste,<br />
diesem Paket verteilen wir die WAP. Sie wissen, der WAP ist von mir informiert worden, da ruft<br />
dann ein Schüler an, der sich vielleicht schlecht artikulieren kann, dann wissen die schon<br />
Bescheid. Sie haben ja nicht immer so einfache Namen, so Inder zum Beispiel. Dann rufen sie<br />
an und machen eigentlich nur den Termin ab. Dann geht’s weiter als würden sie das erste Mal<br />
das Prozedere eines Bewerbungsgesprächs üben. Zwischen Sommer- und Herbstferien haben<br />
sie das zum ersten Mal gemacht und haben so die erste Erfahrung überhaupt mit der Wirtschaft<br />
gemacht. Und dann geht’s weiter ans Gespräch, hinsetzen und bei einem solchen, zwar noch<br />
humanen, Gespräch merken, dass man nicht gefressen wird, ein Bewerbungsgespräch ist nicht<br />
so schlimm. (497)<br />
Das Vertragskonzept, welches das Projekt am Anfang vorgesehen hatte, habe ich eigentlich<br />
über den Haufen geworfen, damit ich weniger Arbeit habe und dass der Schüler mehr<br />
Selbstverantwortung übernehmen müssen. Das heisst der Schüler füllt am WAP den Vertrag<br />
aus, die Zeiten werden abgemacht, der Lohn wird abgemacht, welche Tage, bis wann. Und<br />
jedesmal wenn mich ein Schüler fragt, bis wann er dann eigentlich arbeiten müsse, kann ich<br />
sagen, das wisse ich nicht, er solle auf dem Vertrag nachschauen, das ist in deiner<br />
Verantwortung. Da gab es Schüler, die gefragt haben, welchen Vertrag ich meine. Die haben<br />
den Vertrag einfach nicht ausgefüllt, und erlebten so eine unklare Situation weil sie nicht<br />
wussten wann sie nach Hause dürfen. Die sind bis 19.00 Uhr im Betrieb gestanden und<br />
getrauten sich nicht zu fragen, ob sie gehen dürften. Aber es war super, dass das passiert ist.<br />
So konnte ich der Schülerin sagen, jetzt gehst du zu deinem Chef und sagst ihm, du würdest<br />
gerne den Vertrag ausfüllen damit du das mit ihm klären kannst. Solche kleine, feine<br />
Erfahrungen sammeln sich an. Und die Schüler merken es gar nicht, weil sie daran wachsen.<br />
Das ist sehr wertvoll. (544)<br />
Dann haben sie diese Verträge und fangen an zu arbeiten. Das sind dann qualitativ nicht immer<br />
Gewaltsarbeiten. Das lustige ist, ich habe einen, der arbeitet im Pflegeheim auf der Verwaltung,<br />
und der hat immer gestürmt er wolle dorthin und immer gefragt, wann er denn endlich anfange<br />
im Verwaltungsrat... Nicht gerade im Verwaltungsrat, aber der macht seinen Job dort prima.<br />
Jetzt ist für die einen die Dreimonatsfrist fertig. Ich konnte am Anfang noch nicht allen einen<br />
WAP geben, weil sie teils auch eine verschobene Wahrnehmung haben. Wenn einer so dasteht<br />
und das Gefühl hat, er bekäme den besten Platz, dann muss ich das gut abschätzen. Ich habe<br />
nämlich gemerkt, dass die Pflege der WAP harte Knochenarbeit ist. Es ist unglaublich streng<br />
bis man einen Platz hat, der „ja“ sagt und Schüler beschäftigt. Da haben wir am Anfang des<br />
Pilotprojekts natürlich Lehrgeld bezahlt. Man hatte viele WAP, fragte jeden an, die sagten<br />
teilweise zu, dann wurden sie lange nicht informiert, dann ist man mit Schülern gekommen, die<br />
Schüler machten dann halt irgendwas, so machte man die WAP verrückt, sie sagten dann auch,<br />
dass sie aussteigen würden, wenn es so weitergehe. Dort ist regelmässiger Kontakt unheimlich<br />
wichtig. Man muss sich vor allem auch dann melden wenn es gut läuft. Wenn es nicht gut läuft<br />
bekomme ich dies inzwischen auch mit. Am Anfang haben wir immer nur die Schüler gehört, sie<br />
29
haben dann erzählt. Als Beispiel haben wir während zwei Monaten von einem Schüler die<br />
besten Geschichten gehört was der an seinem WAP alles erlebt hat. Als ich dann irgendwann<br />
dort angerufen habe, hiess es, der sei in diesen zwei Monaten nicht einmal auf der Matte<br />
gestanden. Das ist Lehrgeld. Dann mussten wir Kontrollsysteme einführen. Sie müssen mir jetzt<br />
jede Woche jedesmal wenn sie am WAP gewesen sind einen Zettel bringen, den sie<br />
unterschreiben lassen müssen und eine kurze Beurteilung beinhaltet. Damit ich weiss, wo wir<br />
ungefähr stehen, ob ich intervenieren muss oder nicht. (624)<br />
Wenn es an den WAP gut läuft, kann ich noch andere Programmpunkte einfliessen lassen. Wir<br />
schauen z.B. mal das Thema Geld an, was macht ihr, wenn ihr mal einen Lohn habt, was kostet<br />
das Leben. Andere wichtige Punkte sind für mich Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit,<br />
Aufmerksamkeit, Respekt, Teamfähigkeit, ein lösungsorientiertes Denken. Alles was ich mache,<br />
kann ich unter diesen Begriffen versorgen. Zuverlässigkeit ist klar, ich will diese WAP-Zettel<br />
regelmässig sehen. Wenn die nicht kommen, wissen sie, dass ich den Chef anrufen werde.<br />
Wenn sie mir aber sagen, ich war dort, habe aber den Zettel vergessen, heisst das für mich, er<br />
war nicht dort, und das wissen die Schüler. Ich werde anrufen und je nachdem wie oft das<br />
vorkommt, zieht dies den Verlust des WAP mit sich. (660) Pünktlichkeit ist etwas, das ich<br />
einfach möchte, dass sie sich daran gewöhnen. Auch Aufmerksamkeit. Da geht es auch um<br />
Geschichten wie Respekt. Es fällt ihnen beispielsweise wahnsinnig schwer, wenn jemand von<br />
seinem Erlebnis am WAP erzählt, das halten die fast nicht aus. Respekt zu zollen und<br />
zuzuhören, das ist unglaublich schwierig. Als ich mich dann aber selber mal in einen<br />
15/16jährigen zurückversetzte, musste ich sagen, dass ich das auch nicht konnte. Ich verlange<br />
sehr viel von ihnen. Sie haben mir auch letzte Woche gesagt, ich sei der strengste Lehrer den<br />
sie haben, aber ich merke, dass sie gerne kommen. Ich spüre, sie suchen eine Grenze und<br />
brauchen das auch. Auf die Frage, was denn bei den anderen Lehrern anders sei, sagten sie<br />
spannenderweise, dass diese sofort rumschreien würden. Ich schreie nie, das macht keinen<br />
Sinn. Ich realisiere, dass sie einfach zumachen wenn ich schreie. Wenn man aber ruhig bleibt,<br />
das Problem des Gegenübers wahrnimmt und sie als Jugendliche ernst nimmt, schätzen sie es<br />
enorm. Ihr Alter zwischen Kind und Erwachsene, mit all ihren Thematiken, die sie mitbringen, ist<br />
enorm, und dann müssen sie noch eine Lehrstelle suchen, das ist eigentlich verrückt. Ich habe<br />
viele Schüler, die sagen, ich sei eigentlich der einzige, mit dem sie sprechen können. Der<br />
Lehrer hält einen Monolog, zu Hause geht’s nicht und bei Kollegen holen sie keine wertvollen<br />
Informationen. Wenn du dich einfach mal hinsetzt und fragst wo denn eigentlich das Problem<br />
sei, wo er denn eigentlich hinwolle, wie die Lösung aussehen solle, sie zum Denken animieren,<br />
nicht einfach vorkauen, was sie machen sollen. (729)<br />
I: Wie viele Schüler hast du denn in dieser Kleingruppe?<br />
P: Momentan sind es 19. Die sind aufgeteilt. Ich habe C-Schüler aus zwei Klassen. Dann habe ich<br />
9 in einer Gruppe.<br />
I: Dann sind das doch noch relativ viele, wenn du solche Thematiken aufgreifst.<br />
P: Ja.<br />
30
I: Ich dachte, wenn es nur etwa drei sind, dann könnte man eher zuhören. Aber bei neun kann<br />
man das eher begreifen, dass ihnen das Mühe bereitet. (744)<br />
P: Ja, das ist so. Du sprichst etwas an, wo ich immer wieder im Clinch bin, wo ich auch mit meinen<br />
Stunden haushalten muss. Die Lektion der Klasse gebe ich sowieso, aber es sind dann<br />
natürlich noch so Einzelgeschichten notwendig, für die ich mir einfach Zeit nehmen muss. Und<br />
das mache ich eigentlich auch. Ich habe ein Mädchen, das an einem WAP war, an den sie nicht<br />
mehr gehen wollte, weil es viele Männer gegeben habe, die sie permanent anschauten. Und<br />
das kannst du nicht in der Klasse diskutieren, das geht nicht. Das musst du ernst nehmen, das<br />
heisst ich habe nun eine Riesenarbeit am WAP, weil die das wissen müssen. Wenn das<br />
Mädchen dasitzt und weint bestimmt sie wie lange sie Zeit braucht und nicht ich. Da brauche<br />
ich Zeit, Lösungen vorzuschlagen und das gehört halt einfach dazu.<br />
I: Wie bist du von der Schule angestellt?<br />
P: Ursprünglich wollten sie mich als LIFT-Trainer anstellen, dann haben sie nach einem halben<br />
Jahr gemerkt, dass sie das gar nicht dürfen. Aber ich habe ja noch eine eigene Firma, ich<br />
mache Coachings und Teambildungen, und sie haben dann das Projekt bei mir einfach<br />
eingekauft. Das dürfen sie. Das ist dann wie z.B. IMPULSIS. Die sind auch da, aber eher gegen<br />
den Schluss, wenn es um die Lehrstellensuche geht, um die Erstellung des<br />
Bewerbungsdossiers, usw. So ähnlich wie man das IMPULSIS eingekauft hat, kaufen sie jetzt<br />
einfach das LIFT bei mir ein. Es ist so ein bisschen eine Grauzone, ich habe von NSW das<br />
Okay bekommen, dass ich das Projekt verkaufen darf. (806)<br />
I: Wie viele Stunden hast du pro Woche?<br />
P: Mit jeder Klasse je eine Stunde. Am Freitagmorgen, zuerst die eine, dann die andere.<br />
I: Klasse? Nicht nur die vom WAP, sondern auch die anderen? Oder nur die LIFT-Gruppe?<br />
P: Die LIFT-Gruppe. Stimmt, ich hätte weiter vorne anfangen sollen. Vor das Projekt startet, noch<br />
vor den Sommerferien, gibt es eine Information. Ich gehe dann in die entsprechenden Klassen<br />
die in Frage kommen, Ende erste Oberstufe. Ich informiere was dieses Projekt ist, dann können<br />
sich die Schüler mal Gedanken machen. Sie kennen das Projekt auch, es hat im Moment einen<br />
guten Namen in der Schule, es gibt Schüler, die an meine Türe klopfen und sagen: „Sie, warum<br />
darf ich nicht ins LIFT?“ (in slawischem Akzent) Das ist ja ein gutes Zeichen. Dann mache ich<br />
einen Outdoor-Tag. Das machte ich natürlich viel mit Firmen, so die klassische<br />
Erlebnispädagogik. Ich mache draussen im Wald Teambildungsübungen, Posten. Es gilt in<br />
einem anderen Umfeld diese Posten zu absolvieren. Diese kann man nur bestehen, wenn man<br />
im Team arbeitet. Einzelbrödler hat es immer, aber die werden diese Aufgaben nicht packen.<br />
Das heisst sie müssen kommunizieren. Ich treibe sie manchmal an ihre Grenzen. Sie gehen<br />
nämlich die ganzen Phasen durch. Sie probieren einfach mal, machen immer wieder Fehler,<br />
merken, dass es nicht geht. Ich bin dann hart und verlange, dass sie wieder an den Anfang<br />
gehen und dableiben, bis sie es geschafft haben. Dann kommt die belustigte Phase, wo sie<br />
alles witzig finden, was ich mit ihnen mache, dann werden sie hässig, weil es nicht geht und<br />
dann kommt die Phase, wo sie sich nochmals zusammenraufen und am Schluss ein<br />
Erfolgserlebnis haben. Sie merken, wenn wir dranbleiben, dann gibt es einen Erfolg. Und so<br />
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kann ich beobachten, wer geeignet ist, bei wem es sich lohnt, wen kann man in das Projekt<br />
aufnehmen. Eine gewisse Grundhaltung muss vorhanden sein damit es funktioniert. Auch den<br />
Willen zu haben, mal über seine Grenzen hinaus zu gehen. Dann habe ich einen Grundstock an<br />
Schülern die mal einsteigen. Mit denen arbeite ich dann während einer Bewährungsphase.<br />
Anfangs Jahr musste ich einen raustun, dem ich eine Telefonnummer in die Hände gedrückt<br />
habe und gesagt, er solle da anrufen. Ich habe zwei Monate lang eine Ausrede an der anderen<br />
bekommen, warum er es noch nicht gemacht hat. Das ist dann auch so ein Punkt, wo das<br />
lösungsorientierte Denken ins Spiel kommt. Ich muss keine Ausreden haben, das interessiert<br />
mich nie. Die probiere ich möglichst gar nicht anzuhören, sondern sage ihm, du hattest einen<br />
Auftrag, wenn das nicht geht, dann melde dich vorher bei mir und nicht nachher. Vorher kann<br />
alles sein, wie geht’s? Keine Akku mehr, kein Geld auf dem Handy, dann schreibst du ein Mail.<br />
Es ist alles egal, dann suchen wir zusammen eine Lösung, aber nicht nachher, sondern vorher.<br />
Sie wissen das, wir arbeiten auch danach. Das ist für sie aber ganz schwierig umzusetzen. Da<br />
merke ich, dass das auch eine grosse Forderung ist, die ich will. Aber sie probieren das zum<br />
Teil schon. (927)<br />
I: Grundsätzlich kann jeder C-Schüler beim LIFT mitmachen?<br />
P: Ja. Ehrlich gesagt, wenn ich mehr Geld zur Verfügung hätte, würde ich das mit jeder Stufe<br />
machen. Aber man setzt halt dort an, wo es am meisten Sinn macht. Weil mit dem was sie<br />
fachlich mitnehmen, werden sie keine Lehre finden. Sie müssen andere Wege finden, sie haben<br />
alle einen guten Kern, diese C-Schüler, das sind alles Gute, echt lässige Leute und kleine<br />
Menschen. Sie werden aber in dieses Schema reingedrückt – ich bin schlecht in der Schule –<br />
und dadurch wird sehr vieles kaputt gemacht. Sie getrauen sich nicht mehr, ihre Träume zu<br />
leben. Also ich verbringe viel Zeit damit, zu fragen, was sie denn überhaupt machen wollen.<br />
„Was soll ich, ich bin ja im C.“ Nach etwa 20 Minuten und sagen, jetzt komme die gute Fee bei<br />
der du einen Wunsch frei hast, dann sagen sie „KV“ und laufen rot an. Ah, cool, das ist ja schon<br />
mal ein Wunsch. Und wenn sie einen Wunsch haben, das als Ziel setzen, wer sagt, dass ein C-<br />
Schüler dieses Ziel nicht erreicht? Das ist dieses Angstdenken der Erwachsenen, dass sie<br />
nachher nichts haben. Aber eine Zielsetzung ist etwas Grandioses, wenn man merkt, das ist<br />
sein Ziel, dann kann man dorthin arbeiten. Mir ist ja auch klar, und dem Schüler auch, dass er<br />
nach einem C nicht ins KV kann. Aber er kann irgendein Praktikum machen oder eine Lehre<br />
machen, die er nachher machen kann. Dann schafft er und schafft er und dann kann er nachher<br />
noch so etwas anhängen. Im ersten Pilotprojekt hatte ich genau so einen Schüler. Wollte KV,<br />
chancenlos, hat dann durch den WAP die Möglichkeit bekommen, eine Lehre als<br />
Automechaniker zu machen. Und irgendwann hat er ein Blitzen in den Augen bekommen, weil<br />
er merkte, Automech, KV, wenn er diese Grundlagen in der Schweiz gelernt hat, dann geht er<br />
zurück in den Kosovo und eröffnet seine eigene Autogarage weil er das ganze Werkzeug hat.<br />
Ob er sein Ziel unterwegs ändert, sagt, mir gefällt Automech so gut, dass ich dort dran bleibe,<br />
das ist egal. Aber er hat eine Motivation zum Einsteigen, und diese Motivation kommt nicht von<br />
Aussen, die hat er selber geschaffen. Immer dieses Kaputtmachen von Wünschen, das<br />
frustriert mich teilweise. (1014)<br />
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I: Dein Ziel ist es also, dass sie selber merken, dass der Wunschberuf nicht geht, aber etwas<br />
Ähnliches ist durchaus machbar. Und das kann man ja vielleicht durch den WAP erreichen<br />
P: Bei den WAP gibt es einfach die Möglichkeit, dass ein Betrieb sieht, wie ein C-Schüler arbeitet.<br />
Dann kann es durchaus sein, dass daraus eine Lehre resultiert, obwohl er ihn fachlich<br />
wahrscheinlich nie genommen hätte, wenn er sich beworben hätte. Das sind so angenehme<br />
Nebeneffekte, die dann zum Teil einfach einen WAP kosten. Der ist dann einfach weg, weil er<br />
einen Lehrling einstellt, aber das ist ja dann egal, ich kann wieder etwas Neues suchen. Aber<br />
für einen Schüler ist wieder eine Möglichkeit aufgegangen, und das ist grandios.<br />
I: Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Schule aus?<br />
P: Ich habe gemerkt, dass es nun etwa drei Jahre brauchte, bis sich das Projekt in der Schule<br />
etabliert hat, dass sich die Leute daran gewöhnt haben, dass da etwas ist. Die Schulleitung<br />
musste sich daran gewöhnen, auch finanziell musste sich die Schule daran gewöhnen. In der<br />
Schulleitung ist jemand Neues dazugekommen – Frau B., mit ihr werdet ihr nachher noch<br />
sprechen können – und sie ist natürlich genial, sie ist meine Bezugsperson in der Schule. Ich<br />
informiere sie immer auch, so dass sie alles ein wenig mitbekommt, dass nichts entgleisen<br />
könnte. Mit den Lehrern selbst stehe ich sporadisch in Kontakt, ich weiss, wie sehr der Lehrer<br />
selber belastet ist. Das heisst, ich informiere ihn wenn nötig wöchentlich über Vorfälle. Vor oder<br />
nach den entsprechenden Ferien sitzen wir alle zusammen und besprechen die letzte Periode.<br />
Schauen, für wen das Projekt Sinn macht, ob man jemand Neues dazunehmen muss, hat es<br />
Schüler, für die das Projekt wichtiger wäre? Dort mach ich immer ein Update. Ich sehe sie auch<br />
immer wieder im Lehrerzimmer, da entstehen immer wieder schnell Austausche. Da ich aus der<br />
Wirtschaft komme und wenn ich früher als Ingenieur eine Pause hatte, dann machte ich Pause,<br />
ich habe Kaffee getrunken und erzählt was ich am Wochenende gemacht habe. Und da musste<br />
ich mich daran gewöhnen, dass ein Lehrer seine Pause dazu nutzt, seine Sachen zu<br />
organisieren, das heisst, er arbeitet eigentlich durch. Das ist hier drin so eine turbulente<br />
Energie, die ich manchmal fast nicht aushalte. Ich merke aber, dass ich mich hier auch rasch<br />
einklinken kann und diese Gespräche führen, wenn es nötig ist. (1117)<br />
Die Frage ist berechtigt, die Frage ist unglaublich wichtig, weil auch das Ausspielen durch die<br />
Schüler genutzt wird. „Sie, der Herr S. hat das gesagt“ und bei ihm sagt er etwas anderes. Und<br />
wenn der Austausch nicht da ist, dann bist du chancenlos, sie finden die Lücken und nutzen sie.<br />
Beim Austausch selber habe ich am Anfang des Projektes noch wöchentlich ein, zwei Sätze<br />
über jeden Schüler geschrieben, ich habe so eine Art einfaches Journal entwickelt. Dies gab ich<br />
dann den Lehrern, wobei ich merkte, dass sie dieses gar nicht lesen. Also eine<br />
Zusammenfassung am Schluss ist wichtiger, zusammensitzen und das besprechen ist viel, viel<br />
wertvoller.<br />
I: Ich habe gelesen, dass es Teilnehmerzertifikate gibt. Musst du die ausstellen oder macht das<br />
der Betrieb?<br />
P: Vom Betrieb bekommt der Schüler nach den drei Monaten natürlich ein Referenzschreiben. Das<br />
machen sie entweder so wie sie es für die gehenden Mitarbeiter immer machen, oder sie<br />
können es als Download auf meiner Website holen, dann können sie so eine dreiseitige<br />
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Kreuzchengeschichte machen, wenn sie merken, dass sie nicht so viel Zeit dafür haben. Den<br />
können sie ausdrucken und mit dem Schüler rasch durchgehen. Es ist wichtig, dass der Betrieb<br />
merkt, dass sein Aufwand gering bleibt. Und das sind die wertvollsten Dokumente, wenn sie<br />
das einem Dossier beilegen, und der Lehrbetrieb sieht, dass der jeden Mittwochnachmittag<br />
arbeiten ging statt in der Badi oder am Bahnhof rumzuhängen, sagt das enorm viel über einen<br />
Schüler aus und erhöht so auch seine Chance, dass er etwas bekommt.<br />
I: Habt ihr den Lohn festgelegt, so dass alle Jugendlichen gleich viel verdienen?<br />
P: Ja, das ist zwischen 5 und 8 Fr. Der Sinn ist, dass für ihre Arbeit eine Gegenleistung kommen<br />
darf, aber es sollte nicht so viel sein, dass das Geld die Motivation ist. Der Fünflieber ist ok,<br />
dann haben sie am Mittwochnachmittag zwischen 15 und 20 Fr. verdient. Das ist lässig, das<br />
gibt im Monat vielleicht so etwa 80 Fr. Das ist dann aber noch nicht die Motivation, arbeiten zu<br />
gehen. Sie merken schon, dass sie dort viel lernen. (1208)<br />
I: Haben sie den WAP das ganze Jahr durch? Oder wie sieht es mit Alternativen aus?<br />
P: Ich probiere dreimonatige Phasen zu machen, so dass sie den Bewerbungsprozess immer von<br />
Neuem starten müssen, dass sie Routine bekommen im Bewerben, im Präsentieren, im sich<br />
Hinsetzen, im Gespräch, so dass die Angst sinkt und die Sicherheit steigt. Ich versuche, dass<br />
sie alle drei Monate einen neuen WAP bekommen. Es gibt Ausnahmefälle, ich habe einen<br />
Schüler, wenn ich ihm den Platz wegnehmen würde, wäre der zu Tode betrübt. Ich habe ihn ins<br />
Pflegeheim getan, wobei er am Anfang zweifelte, das er in der Pflege mit alten Leuten arbeiten<br />
könne. Ich habe ihn motiviert, es zu versuchen da ich glaubte, das wäre noch lässig für ihn.<br />
Dann ist er gegangen und inzwischen sagt er, er hätte dort drin seinen Beruf gefunden. Da<br />
hatte ich eine gute Intuition, dass ich ihn dorthin steckte. Ja, was soll ich ihn dort jetzt<br />
rausnehmen, er fühlt sich dort wohl, kann Erfahrungen sammeln, da bin ich in der Lage,<br />
individuell zu reagieren.<br />
I: Aber sonst ist es schon ein Ziel, dass sie in verschiedene Berufe sehen, dass sie Alternativen<br />
auf Lager haben.<br />
P: Das Ziel ist nicht der Beruf. Also das was sie dort machen, hat nicht einmal viel mit einem<br />
reellen Berufsbild zu tun, sie werden nämlich direkt zum Arbeiten eingesetzt. Der<br />
Betriebspraktiker in Kloten kann z.B. wischen, usw., aber an die richtigen Arbeiten kommt er<br />
noch nicht ran. Ich habe auch Detailhandelsplätze an der Bahnhofstrasse und das finden sie<br />
natürlich lässig. Die arbeiten in einem Lager und sehen nie einen Kunden, und das ist ja<br />
eigentlich nicht Detailhandel. Im Hintergrund wirken, Sachen, die man im Detailhandel aber<br />
auch wirklich machen muss und wenn sie nachher einen Job in diesem Bereich bekommen,<br />
kennen sie das bereits, Backoffice, Aufarbeiten, all die Arbeiten kennen sie dann schon, und<br />
das ist dann auch wertvoll. Aber es geht nicht darum den Beruf kennenzulernen, sondern<br />
Erfahrungen zu machen, im Arbeiten, im Umgang mit Erwachsenen, mit anderen Leuten und all<br />
die anderen Punkte wie Zuverlässigkeit. Ein Mädchen bekam z.B. ein schlechtes Feedback, bei<br />
ihr ging es nämlich darum Tücher zusammenzulegen und die haben eine genaue Vorgabe wie<br />
die zusammengelegt sein müssen, weil die ansonsten in diesem Schrank nicht Platz hätten.<br />
Und jedes Tüchlein, das sie zusammenlegte, mussten sie wieder aufmachen. Genau. Also A,<br />
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mache ich jetzt den WAP wieder verrückt, und die Leute sind hässig auf sie, und sie macht jetzt<br />
die Erfahrung was es heisst ein schlechtes Feedback zu bekommen. Sie sagen, das was du bei<br />
uns gearbeitet hast, können wir nicht brauchen. Und so spürt sie, wie sich das anfühlt, wenn<br />
man schlechte Arbeit leistet.<br />
I: Und dann gibst du ihr einen anderen WAP?<br />
P: Dort habe ich sie rausgenommen, das ist so. Und dort geht es ja auch darum, am WAP<br />
aufzuzeigen, schaut, was ihr da macht, ist wertvoll. Und sagt es ihr ja auch, versucht nichts zu<br />
beschönigen, du bist eine Liebe und eine Gute, sondern fadengerade. Und sie hat ein Zeugnis<br />
bekommen, das würde ich keinem Dossier beilegen. Diese Erfahrung ist ganz wichtig. Und der<br />
WAP ist ja auch Entlastung. Wenn ich nach drei Monaten sage, wir nehmen sie raus, dann<br />
schicke ich dort jemanden hin, der auch wirklich eine Hilfe sein wird. Das wird dann auch mit<br />
den Lehrern diskutiert, und ich sage wie sie sich benommen hat, dass sie wenig Interesse zeigt,<br />
sie zieht kaum die Jacke aus, wenn sie bei mir in der Stunde sitzt, streckt selten auf, beteiligt<br />
nicht. Wenn ich merke, dass sie eigentlich noch nicht reif ist, sollte sie den Platz besser<br />
jemandem anderen frei lassen. Bei der Diskussion mit dem Lehrer haben wir überlegt, was<br />
passiert, wenn wir sie aus dem Projekt nehmen, dann ist nicht mehr viel. Dann mache ich<br />
nochmals drei Monate mit ihr, aber sie ist auf Bewährung. Also jetzt muss sie Gas geben und<br />
inzwischen hat sie es auch verstanden, die gibt jetzt anders Gas! Eben, es ist auch gut, dass<br />
solche Sachen passieren. Ich werde sie beobachten, ich werde den WAP darüber informieren,<br />
wen sie bekommen. Ich gebe ihr aber nochmals die Chance und ich glaube auch, dass sie es<br />
knackt. Das kommt gut. (1370)<br />
I: Hilfst du ihnen auch, wenn sie eine richtige Bewerbung schreiben müssen?<br />
P: Dort entsteht so eine heikle Zone. Das ist so eine Schnittstelle wo die Absprache mit den<br />
Lehrpersonen noch besser werden muss. Es ist so, sie kommen irgendwann und sagen, sie<br />
müssten sich bewerben, und am Anfang habe ich auch noch gesagt, gut, komm, wir machen<br />
das, sitzen zusammen. Der Plan ist aber so, dass in diesem Schulhaus die Lehrer die<br />
Berufswahl unterrichten, das Bewerbungsverfahren, das Bewerbungsschreiben. Ich lese es<br />
aber gerne mit den Schülern durch, sage wie es auf mich wirkt. Ich biete mich auch als<br />
Referenz an, aber das ganze Bewerbungsverfahren, das ist eine Schnittstelle, in die ich mich<br />
nicht zu sehr einmischen sollte. Denn für das gibt es eben das andere Projekt, IMPULSIS, die<br />
sind auch an der Schule, die sind dann für das da. Das bin dann nicht ich, ich habe eigentlich<br />
auch sonst genügend Programmpunkte, an denen wir arbeiten.<br />
Das Dok, das ihr auch habt, habe ich im Vorfeld für mich nochmals durchgelesen und wir<br />
können es auch gerne noch miteinander durchgehen. Es hat ein paar Punkte, die hier nicht<br />
zutreffen. Also, sie sagen, es beginne im siebten Schuljahr, das wäre schön und gut. (Pause)<br />
Ich habe sie ab den Sommerferien bis zu den Herbstferien und dann ein Jahr. Also von<br />
Herbstferien zu Herbstferien gehen sie an einen WAP und dann habe ich sie noch bis zu den<br />
Weihnachtsferien. Aber da betreue ich sie einfach nur noch so, da mache ich eine Art von<br />
Aprés-LIFT. Das heisst, Umgang mit Druck, denn jetzt steigt der Druck an, jetzt kommen die<br />
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ersten Absagen. Was machen sie dann, so individuelle Betreuung, was dann halt gerade<br />
ansteht. Das lasse ich offen, da habe ich wenig Rahmen, was ich dann noch mit ihnen mache.<br />
Hier: Wer steckt hinter LIFT? Die Trägerschaft von LIFT. Ja das ist schon so, dass es in Bern<br />
diese Trägerschaft in einer Form gibt, aber im Prinzip hat es nichts mehr zu tun mit dieser Insel<br />
da. Nach dem Pilotprojekt hat sich jede Schule abgekoppelt, also die sind individuell. Ich arbeite<br />
hier komplett selbstständig und mit ihnen habe ich eigentlich wenig zu tun.<br />
I: An wen können wir uns wenden, wenn wir LIFT an unserer Schule einführen möchten? Stellen<br />
wir das selber auf irgendeine Art und Weise auf die Beine?<br />
P: Ja, da gibt es jetzt zwei Meinungen. Wenn man die fragen würde, sagen die natürlich klar, es<br />
laufe über sie. Aber letztendlich merke ich, ich komme aus der Wirtschaft und jetzt trennen sich<br />
die Wege. Wenn ihr auch hier unten s chaut, wen sie vorschlagen als Modulleiter, wälzen sie<br />
das sehr stark auf Sozialpädagogen ab. Und ich merke, dass das zum Teil Sinn macht, was der<br />
Sozialpädagoge mitbringt ist sehr wertvoll im Umgang mit den Schülern, aber ein Hindernis,<br />
eine Barriere im Umgang mit der Wirtschaft. Es sind einfach zwei Paar Schuhe. Das muss<br />
gepflegt werden, man muss akquirieren, man geht vorbei, man ist Verkäufer, man setzt sich hin<br />
und verkauft den Schüler, man verkauft ein Projekt, zeigt, was man macht, und das ist nicht die<br />
Kernkompetenz eines Sozialpädagogen. Und da trennen sich unsere Meinungen. (1520) (Zeit:<br />
10.00 Uhr)<br />
Inzwischen ist der Schüler eingetroffen, das Interview wird unterbrochen und später weitergeführt.<br />
P: (2158) E. hat nichts gewusst, da war nicht etwa etwas abgesprochen. Für mich ist E. ein<br />
Schüler, der gut unterwegs ist, er ist nicht etwa der Beste, den ich jetzt genommen habe, er<br />
kann erzählen, er ist sehr engagiert, im Projekt sowieso. Wie ihr gesehen habt, wird er auch von<br />
zu Hause gut unterstützt, das ist wertvoll, wenn sie sich mit ihnen hinsetzen um Bewerbungen<br />
zu schreiben. Man hat schon einen Lehrstellenfahrplan, aber die Wirtschaft funktioniert anders<br />
als diese Pläne. Ich weiss selber, dass die ersten Evaluationen nach der ersten Sek stattfinden.<br />
Das ist so, und wenn man da den Fahrplan hat, ist es eine zweite. (?) Und ich weiss von C-<br />
Klassen, die werden im Sommer fertig, und dort haben drei Schüler aus der Klasse eine Lösung<br />
und das kann es nicht sein. Sie sehen nicht, dass die Wirtschaft anders funktioniert, das musste<br />
ich lernen. Habt ihr noch Fragen zu E.?<br />
I: Er wird ja von zu Hause gut unterstützt. Was machst du, wenn du merkst, dass von zu Hause<br />
null Unterstützung vorhanden ist, kein Verständnis für unsere Kultur? Probierst du da etwas in<br />
die Wege zu leiten oder konzentrierst du dich völlig auf die Jugendlichen?<br />
P: Natürlich muss ich es thematisieren. Ich habe gemerkt und auch gelesen, dass in diesem<br />
Kulturkreis (slawisch) Lehrstellen eine Armutslösung sind. Das heisst du gehst in irgendeinen<br />
Betrieb, dann zeigt dir einer rasch wie es geht und dann arbeitest du. Das assoziieren sie mit<br />
„Lehrstelle“. In diesen Ländern geht man studieren. Ein solches Studium kann man aber nicht<br />
mit einem Studium in der Schweiz vergleichen. Und das interessiert sie einfach nicht. Also,<br />
dann sind jetzt diese Schüler da und die müssen eine Lehre machen, und dann denken sie,<br />
was, eine Lehre, mein Sohn, mein König zu Hause, der muss in eine Lehre gehen? Das geht<br />
nicht. Ich könnte jetzt die Zeit aufwenden mich mit diesen Eltern hinzusetzen. Für mich ist es<br />
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aber wertvoller, wenn ich es schaffe, dass der Schüler das selber macht. Es wird ab und zu ein<br />
Schüler gegeben haben, der seinen Vater an einen neutralen Ort eingeladen hat, in ein Café<br />
und sagt, er müsse etwas mit ihm besprechen, gehen wir am Samstagnachmittag irgendwo<br />
einen Kaffee trinken. So dass er den Rahmen vorgibt und er nicht sagt, er möchte eine Lehre<br />
machen, wenn es eskaliert, wenn sie schon Krach zu Hause haben. Sondern, dass sie<br />
irgendwo hingehen, wo der Vater auch nicht laut werden kann. Und dann Sätze formuliert wie<br />
„Papa, ich hab dich gern, aber ich brauche jetzt deine Unterstützung, weisst du, in der Lehre<br />
läuft das so in der Schweiz, ich möchte diese Lehre machen, das bringt mich weiter, dann habe<br />
ich diese Möglichkeiten. Das ist mein Ziel, dass sie anfangen für ihre Wünsche einzustehen...<br />
I: Das ist aber sehr schwierig für sie.<br />
P: Ja, das ist es. Aber irgendwann müssen sie das, und ich will ihnen diese Arbeit nicht<br />
abnehmen. Und es hätte auch wenig Qualität, wenn ich mich hinsetzte, das wäre sehr<br />
aufwendig, wahrscheinlich noch mit einem Dolmetscher, und würde anfangen zu erklären,<br />
warum der Junge eine Lehre machen müsse. Dann nicken sie, sind einverstanden, gehen nach<br />
Hause und es läuft dann trotzdem wieder anders. Es muss von ihm kommen, es muss von der<br />
emotionalen Ebene kommen. Es muss so kommen, dass sie sagen, weisst du, jetzt brauche ich<br />
deine Hilfe. Und kein Vater wird sagen, wenn er meine Hilfe braucht, dann gebe ich sie ihm<br />
nicht. Das hatte ich bis jetzt einmal. Dort ging es um eine Lösung, die 1200 Fr. im Jahr gekostet<br />
hätte, er hatte noch einen Tag Zeit, diese Lösung zu unterschreiben, fand dann aber, nein, das<br />
mache er nicht, 1200 Fr. seien zu viel. Er war aber der Stiefvater, sagt vielleicht auch noch<br />
etwas. Es geht wirklich darum, die Schüler zu stärken.<br />
I: Ansonsten ist die Elternarbeit beim Lehrer.<br />
P: Ja.<br />
I: Ist die Anzahl Mädchen und Jungen etwa ausgeglichen in deiner Gruppe?<br />
P: Ja, es sind ein bisschen mehr Jungen. Mädchen habe ich auch. Sie möchte ich gerne dazu<br />
bringen, dass sie sich auch vermehrt für sich interessieren. Weil viele sind noch mit der Haltung<br />
unterwegs, ich heirate irgendwann sowieso, das bekommen sie so ein bisschen mit. Die Jungs<br />
müssen natürlich ihre Karriere machen und bei den Mädchen kommt es gar nicht drauf an, die<br />
heiraten sowieso. Auch dort wieder ihr Bewusstsein wecken, dass sie ja auch Wünsche und<br />
auch eine Lehrstelle haben dürfen. Das ist dort das Ziel. Vorher, als ich es noch mit Frau A.<br />
zusammen machte, ging es natürlich einen Funken ringer, weil sie als Frau es mit den Mädchen<br />
anders konnte. Sie waren unter sich. Und das unter sich sein bringe ich mit den Jungs perfekt<br />
hin, mit den Mädchen nicht,... das wäre eine gute Ergänzung. Habe ich aber nicht und kann<br />
man finanziell auch nicht leisten. Aber ich versuche mich so gut es geht in eine Frau<br />
hineinzufühlen (lacht). (2364)<br />
I: Wie sieht es mit Ausländern und Schweizern aus?<br />
P: Praktisch kein Schweizer. Ihr müsst auch sehen, dieses Schulhaus und das in S. ist<br />
wahrscheinlich in Zürich oder gar in der ganzen Schweiz, eines mit dem grössten<br />
Ausländeranteil. Der Anteil ist riesig. Die Schweizer hocken hier halt im A oder B, ich weiss<br />
nicht, ob es im C überhaupt Schweizer hat.<br />
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I: Es ist noch verrückt, dass es ein solches Projekt braucht, um überhaupt den<br />
Klassenzusammenhalt je nachdem aufrecht zu erhalten. Es scheint sehr wertvoll zu sein, wenn<br />
jemand von Aussen kommt.<br />
P: Ja, ja, und um es zu wiederholen, jemand, der auch weiss, wie die Wirtschaft funktioniert. Ich<br />
habe da ein paar Vorteile.<br />
I: Was hast du denn gelernt? Du bist nicht Sozialpädagoge?<br />
P: Nein, nach einer ebenfalls verknorzten Schulzeit und einer Lehre als Werkzeugmacher, die<br />
mich so anwiderte, dass ich sogar die RS in die Lehre geschoben habe, machte ich dann<br />
irgendwann die Berufsmatura, bin dann ans Tech, studierte Maschinenbau und habe die letzten<br />
8.5 Jahre beim grössten Ingenieurdienstleister in der Schweiz gearbeitet. Parallel habe ich<br />
meine Selbstständigkeit aufgebaut. Umgang pädagogischer Natur, ich habe 17 Jahre Pfadi<br />
gemacht, dort bekommst du einiges mit, das ich heute nutzen kann. Und ich glaube, dort wo ich<br />
mich wirklich fit gemacht habe, sind die Lebensfragen, die habe ich angefangen zu klären mit<br />
entsprechenden Ausbildungen. Ich war in Nürnberg und habe dort eine Ausbildung zum<br />
Ganzheitlichen Erfolgs- und Lebensberater gemacht und bin als Techniker natürlich ziemlich in<br />
den Hammer gelaufen. Themen wie Kinesiologie wurden thematisiert und da verstehst du<br />
einfach nichts. Ich habe mich dort aber ein bisschen aufgemacht für Themen, habe<br />
hauptsächlich gelernt, dass ich Leute, die über gewisse Fähigkeiten, Gaben erzählen, nicht<br />
mehr verurteile, so wie ich dies vorher gemacht habe. Da investiere ich keine Zeit mehr,<br />
sondern finde das cool, wenn mir einer sagt, was er alles kann. In der Schweiz hat mich einfach<br />
das interessiert, was ich so gelernt habe, habe es noch etwas vertieft. Dann habe ich noch den<br />
Mentalcoach und im letzten Jahr den Mentaltrainer gemacht. Das sind natürlich alles Methoden,<br />
die ich einfliessen lasse. Ich mache mit solchen Klassen inzwischen vermehrt mentale Reisen.<br />
Man kann es sich zwar kaum vorstellen, dass ein 2 m Albaner irgendwann die Augen zu macht<br />
und zum Lamm wird, aber es ist so. Mentale Reisen, Zielvisualisierung, sich vorstellen, wie sie<br />
irgendwann einen Lehrvertrag unterschreiben. Das war noch glatt, ich verteilte Postkarten, dann<br />
konnten sie erzählen wie es ihnen geht, und der eine hatte eine Karte, die hatte ein Sandwich<br />
drauf, das ausgeschnitten war, also mit einem Loch. Ich sagte ihnen dann eben, sie sollen die<br />
Augen zu machen und sich vorstellen, das sei der Vertrag, der Chef sitzt euch gegenüber und<br />
ihr unterschreibt. Und der hat dann gesagt, sie mein Vertrag hat ein Loch, (lachen), ja, dann<br />
mach es zu Hause nochmals mit einem ganzen Vertrag. Bei solchen Sachen merke ich dann<br />
auch teils wie müde diese Schüler sind. Wie sie es unheimlich schätzen, wenn man so<br />
Entspannungsgeschichten macht.<br />
Und was ich in solchen Ausbildungen auch merkte, du kommst in so einen Eigenprozess rein,<br />
wo du an dir arbeiten musst. Und ich muss sagen, diese Arbeit an mir, die wünschte ich ganz<br />
vielen Lehrern. (2508).<br />
I: Auch dein persönlicher Werdegang ist wertvoll. Wir Lehrer haben oft keine Ahnung, was es<br />
heisst, eine Lehre zu machen, erst recht nicht, wenn es nicht läuft.<br />
P: Ja, und ich kann’s euch sagen, die Lehre, die hat mich „angewidert“. Ich habe jeden morgen um<br />
6.45 Uhr eingestempelt und ich bin nicht gerne gegangen. Irgendwann habe ich dann noch<br />
38
einen neuen Lehrmeister bekommen und das war so eine schwierige Zeit. Und das<br />
durchbeissen... Und aus der Sek heraus wusste ich nicht einmal was ich werden möchte. Ich<br />
machte dann noch das 10. Schuljahr. Also ich weiss wie es denen geht. Sich so für einen Beruf<br />
entscheiden... Das Schöne ist, heute sehe ich, es ist nicht fertig, wenn du deine Lehre gemacht<br />
hast. Wir sagen, ja weisst du, nach vier Jahr ist das durch und dann kannst du etwas anderes<br />
machen, und für die sind vier Jahre viel Zeit...<br />
I: Das Durchbeissen. Auch sonst scheint die Arbeit an der Selbst- und Sozialkompetenz sehr<br />
wertvoll zu sein. Das fehlt manchmal in den Schulklassen. Die Verhaltensregeln sind nicht<br />
immer klar.<br />
P: Ich sehe aber auch, dass der Lehrer heute einen 200%-Job hat. Er wäre eigentlich für die<br />
Fachkompetenz eingestellt, dann bekommt er aber viele Schüler, auf die er nicht vorbereitet ist,<br />
diese Fachkompetenz aufzunehmen, das heisst, er macht auch noch die Arbeit der Eltern, und<br />
dazu kümmert er sich nun noch um Reformen, die ihm das Leben erschweren. Und so wundert<br />
es mich nicht, dass ein Lehrer nach zwei Klassenzügen wieder aufhört, weil er keine Lust mehr<br />
hat, es verbläst ihn. Solche Projekte, solche Thematiken wie z.B. Sozialkompetenz<br />
outzusourcen, ist für mich einfach eine sehr gute Methode, es muss nicht die Einzige sein, aber<br />
ich finde es extrem sinnvoll. Was ich etwas schade finde, ist die Art und Weise wie es verkauft<br />
wird. Es wird zu den von Bern vorgegebenen Preisen unter dem Wert verkauft. Es ist so ein<br />
bisschen ein Armutsdenken vorhanden, sie haben auch mal die Preise festgelegt, jährliche<br />
Kosten bei 10 bis 12 Jugendlichen, dass das 1500 Fr. kostet. Und dann verlangen sie von<br />
einem Pensionierten, dass er diese WAP sauber akquiriert und pflegt, und die Diskussion zum<br />
Modulleiter aufrecht erhält. Ich bin da natürlich in ewigen Diskussionen verwickelt, weil sie mir<br />
immer sagen, ich sei viel zu teuer, aber ich weiss was ich habe, weiss, welchen Wert es hat.<br />
Wenn man schaut, dass ein Schüler so nachher in der Lage ist, sein Leben selber zu gestalten<br />
und nicht irgendwann im sozialen Netz hängen bleibt, dann hätte ich mit einem Schüler das<br />
Projekt locker finanziert. Aber ich weiss auch nicht, wie man das... Wenn sie von Bern von Ort<br />
zu Ort gehen und solche Preise haben und wie sie es organisieren könnten... Mir ist schon auch<br />
klar, die Schule hat kein Geld, und es müssen zuerst ein paar Beweise vorliegen, dass das<br />
Projekt funktioniert. Ich sehe einfach den Punkt, man kann so schon mal den Schuh reinhalten<br />
und zeigen, das Projekt funktioniert, aber wenn der Preis mal feststeht, dann steht er fest. Dann<br />
kannst du nicht mehr sagen, gut, von jetzt an kostet es doppelt, oder noch mehr, das geht nicht.<br />
Das braucht Schulen wie hier, die sagen, wir finden das cool, wir finden das der Hammer, wir<br />
zahlen es und wir wissen, was wir haben.<br />
I: Man müsste das Projekt fast populärer machen.<br />
P: Ja, da müsste mal ein Politiker merken, dass er sich damit etablieren kann. (2665)<br />
Nach dem Interview mit der Schulleiterin haben wir nochmals Gelegenheit, mit P. zu sprechen. Unter<br />
anderem besprechen wir dabei den Konzeptteil „Antworten auf häufig gestellte Fragen“.<br />
P: Den meisten Schülern, wenn ich sie bekomme, ist der Mehrwert und ihre Zukunft völlig egal.<br />
Das ist so eine Floskel, die man sich so aus der Sicht eines Erwachsenen vorstellt.<br />
39
I: Wir haben gerade vorher zueinander gesagt, mindestens so wichtig wie der WAP ist aus<br />
unserer Sicht das, was du in der Gruppe machst. Wie verhält man sich überhaupt, wenn man<br />
eine Lehrstelle sucht, das ist das A und O.<br />
P: Das ist für mich die Kombination. Der WAP ist die Praxis und bei mir bekommen sie das<br />
Werkzeug und mit diesem Werkzeug müssen sie üben gehen.<br />
I: Ja, sie können ausprobieren wie sie auf andere Leute wirken.<br />
P: Sie können es am WAP üben und bei ihren Lehrern. Den Lehrling, den ich vorhin erwähnt habe,<br />
das ist ein Schüler, das ist so ein Aparillo, das ist ein Riesending. Er hat irgendwann erlickt,<br />
dass er Anerkennung bekommt, wenn er gute Noten macht. Das ist klar, irgendwann hast du<br />
die dann später in einem Coaching, wenn sie merken, dass sie die Anerkennung von Aussen<br />
suchen. Und jetzt hat er plötzlich das Werkzeug gemerkt, wie er besser werden kann. In der<br />
Mathe war er relativ stark, ich habe noch selten so einen Kopfrechner wie ihn gesehen, hat sich<br />
einen Schnitt von 5.4 ausgerechnet und der Lehrer hat ihm auf eine 5 abgerundet, das mit<br />
einem speziellen Grund. Wenn er mit einer 5.5 in die Lehre geht, wo es dann schwieriger wird,<br />
wird er enttäuscht sein, wenn er diese Note nicht mehr hinbekommt. Also er hat mir zwei<br />
Gründe genannt, die für mich noch nachvollziehbar sind, aber für ihn als Schüler war das ein<br />
riesiger Frust. Jetzt habe ich eine 5.5 und der schreibt mir eine 5 rein. Und wenn der Lehrer so<br />
gekommen ist, dann hat ihm dieser Schüler eines zurückgegeben. Und dann musste ich ihm<br />
auch sagen, dass ihn das nicht weiterbringe, das kostet Energie, aber weder der Lehrer noch<br />
der Schüler kommen weiter. Mit dem Lehrer konnte ich nicht arbeiten, aber mit dem Schüler.<br />
Und so haben wir angefangen, Strategien zu entwickeln. Seine bildliche Strategie war, wenn<br />
der Lehrer kommt, dann soll der Schüler nicht so (?) machen, sondern den Lehrer ins Leere<br />
laufen lassen. Was bedeutet das? Wenn der Lehrer kommt und ihn anzündet, und sagt x, jetzt<br />
hast du wieder dies und das, sagen, ok, ich habe ihre Worte gehört, ich werde mir dies zu<br />
Hause überlegen. Einfach den Wind aus den Segeln nehmen, keine Diskussionen ansetzen.<br />
Der macht das heute noch so. Das sind so Punkte, ich habe keine Ahnung warum ich euch dies<br />
jetzt erzähle,...<br />
I: Andere Strategien aufzuzeigen.<br />
P: Ja, so Sachen. Wir machen viel in diese Richtung. Und auch immer ein Anker, also Anker<br />
heisst für mich, ein Ereignis zu schaffen in der kurzen Zeit, die ich habe, dass sie sich nachher<br />
an das Gelernte erinnern. Wir haben viel gemacht zum Thema, wie sie wieder zu einem Team<br />
zusammenkommen können, ein Zusammenschweissen. Wie können sie ihren Umgang<br />
untereinander verändern. Und dann hat jeder so Vorschläge gemacht, ich könnte das und das<br />
und das Ganze waren bis jetzt nur Worte und Floskeln, aber wie manifestiere ich das? Ich habe<br />
dann einen Kreis gebildet, diese Übung kennt ihr bestimmt auch, ich habe dann ein Seil<br />
mitgenommen, wo einer etwas sagt, wofür er steht, hat das Seil weiter gegeben und am<br />
Schluss hat es einen Stern gegeben. Und dieser Stern muss tragfähig sein für das ganze<br />
Team. Und jeder konnte Anlauf nehmen und in dieses Netz reinspringen. Die Leute mussten<br />
das Seil halten, das ist also eine Frage von Vertrauen und was bin ich bereit um ihnen zu<br />
40
geben. Und dann kam der Moment, als sie sagten: Und jetzt Sie! (lachen) Da kannst du nicht<br />
zurückkrebsen, aber es hat wunderbar gehalten.<br />
I: Hast du etwas mit dem Case Management zu tun?<br />
P: Ich kenne das nur am Rand der Wirtschaft. Ich weiss gar nicht, was sie damit meinen.<br />
I: Oder grundsätzlich mit der Berufsberatung?<br />
P: Nein.<br />
I: Das ist völlig unabhängig. Sie interessieren sich auch nicht.<br />
P: Nein. Ich habe dann im Zusammenhang mit IMPULSIS, IMPULSIS ist ja auf mich zugekommen<br />
und hat gefragt, ob wir nicht eine gemeinsame Plattform schaffen könnten, wo auch ein<br />
Austausch mit der Berufsberatung stattfindet. Ich habe das eigentlich noch eine interessante<br />
Idee gefunden, habe das auch mit der Schulleitung diskutiert. Die hat dann aufgrund der klaren<br />
Abgrenzung, was ich noch verstehe, gefunden, lieber nicht. Mach, dein Auftrag ist klar, meine<br />
Schnittstelle ist einfach, wenn ein Schüler ins IMPULSIS geht, kann ich sie informieren, das ist<br />
der Schüler, so sieht es aus, also einen Status abgeben, aber diese Symbiose findet nicht statt.<br />
Die ist nicht, oder noch nicht gewünscht. Ich merke schon, dass auch die Lehrer zum Teil die<br />
Sachen vermischen, wenn man dann plötzlich noch zusammenhockt und zusammen auftritt,<br />
dann ist es völlig unklar. Von daher finde ich es im Moment ok so.<br />
I: Man muss auch aufpassen, dass man sich nicht verzettelt. Das gibt sofort wieder mehr<br />
Sitzungen und Gespräche.<br />
P: Ja, gibt es. Aber im Sinn des Ganzen kann es natürlich gewisse Punkte vereinfachen. Also<br />
gerade Lehrer, die es verbläst. Sie müssen zuerst mich informieren über einen Schüler, dann<br />
geht das gleiche Theater mit IMPULSIS los und es bleibt trotzdem irgendwo liegen. Vielleicht<br />
könnte man da etwas schaffen, aber der Zeitpunkt ist noch nicht reif.<br />
I: Und das Case Management ist ein Angebot der Berufsberatung. Die betreuen die Jugendlichen<br />
einzeln. Nur weil da die Frage steht (auf dem Konzept), ob es eine Konkurrenz für das Case<br />
Management ist. Aber ich sehe das auch nicht in dem Sinn als Konkurrenz. Deshalb finde ich<br />
diese Gruppe noch gut, es muss ja gar nicht sein, dass du nur zwei oder drei hast. Sondern es<br />
ist gerade für die Gruppe wertvoll.<br />
P: Ja, ich schätze die Arbeit in der Gruppe auch, weil ich plötzlich ganz viele Mitdenkende habe,<br />
die Feedbacks geben können. Gerade bei Rollenspielen ist eine Gruppe immer wertvoll.<br />
I: Ja, wir haben nur gedacht weil im Konzept von Kleingruppen gesprochen ist, und ob neun noch<br />
eine Kleingruppe ist?<br />
P: Ich habe halt die Schüler, die diskutieren noch gerne mit mir. Aber Sie, ich habe es so und so.<br />
Und dann kann ich sagen, schau, du nimmst mich jetzt nicht ernst. Doch, doch! Gut, Moment,<br />
ich stelle den Fall dar und frage die Klasse. Und dann hat er nicht meine Meinung, sondern die<br />
Klassenmeinung. Ich bin Metaebene, ich spiele dort dann gar keine Rolle, es geht dann um das<br />
was die Allgemeinheit meint. Und dann sagen sie, das ist der Fakt, so wirkst du. Es geht nicht<br />
um mich, um mich geht es nie. Es geht um das was du machst und wie du wirkst. So<br />
bekommen sie viele gute Feedbacks.<br />
41
I: Auf die frühe Selektion, die hier im Konzept noch angesprochen wird, legst du jetzt nicht so viel<br />
wert?<br />
P: „Das Gelingen von LIFT setzt eine frühe Selektion im ersten Semester der Sek-I-Stufe<br />
zwingend voraus“. Ja, ja, die Veränderung des Schülers ist dort einfach massiv. Dort sind halt<br />
alle noch...<br />
I: Halt Primarschüler.<br />
P: Ja, und dort passt noch jeder und dann fangen sie sich an zu entwickeln. Und im zweiten<br />
fangen sie an zu rebellieren und es sieht einfach ganz anders aus. Also man kann das schon so<br />
früh machen, aber das Bild wird sich dann einfach zwangsweise verändern.<br />
I: Die verändern sich schon in der Oberstufe.<br />
P: Unglaublich, ja.<br />
I: Also aus deiner Sicht reicht es, wenn man Ende erste Oberstufe auf dieses Thema zu sprechen<br />
kommt.<br />
P: Also Berufswahl, ich merke, im Vorfeld kann man das einfliessen lassen. Das geht ja da rein um<br />
die Selektion fürs LIFT. Einen Schüler anfangs Erste zu selektionieren, damit er dann<br />
irgendwann in der Zweiten mitmacht, das ist ein Jahr Spanne dazwischen oder noch mehr. Da<br />
sehe ich den Grund nicht, Berufswahl, finde ich, dort kann man früh anfangen. So früh wie es<br />
geht, nicht dass sie sich etwas so früh entscheiden müssten, aber dass sie früh viele Ideen<br />
bekommen. Ah, Handwerkliche Berufe, Büroberufe, Sachen anschauen, Berufsmessen<br />
besuchen, nichts hindert die Schüler daran, dies zu machen und einfach mal eine Idee zu<br />
bekommen.<br />
I: Einfach mal diese Berufe allgemein etwas anzuschauen, was gibt es überhaupt alles?<br />
P: Ja. Und da, mit dem WAP-Koordinator, das ist dann der, der die WAP pflegt, akquiriert und<br />
alles. Da schlagen sie ja vor, irgendeinen Pensionierten zu nehmen. Oder Lehrpersonen mit<br />
Interesse an KMU oder Lehrpersonen mit einem Teilpensum. Wird sich zeigen, wie sich dies<br />
seriös umsetzen lässt. Ich meine, die Pflege der WAP ist so heikel, und muss so regelmässig<br />
gemacht werden, dass das nicht einfach jemand im Nebenamt machen kann, ich erkenne da<br />
ein Schadenpotential.<br />
I: Das haben sie jetzt auch noch nicht, das ist nur ein Vorschlag?<br />
P: Doch, doch, das wird zum Teil so gemacht.<br />
I: Treffen sich diese WAP-Koordiantoren einmal?<br />
P: Ja, das NSW macht so Austauschtreffen, die aber von den Leuten kaum besucht werden.<br />
Inklusive ich. Aber ich merke auch, da ich sowieso abgeschlossen bin, die Unterstützung nicht<br />
so vorhanden ist, wie ich sie mir wünsche, kann ich mir diese Zeit auch ersparen. Das ist ein<br />
bisschen schade, die Grundidee finde ich nämlich so gut, und so wie es jetzt weiterläuft, fühle<br />
ich mich nicht so gut aufgehoben.<br />
I: Die gehen dann die Betriebe freiwillig anschauen.<br />
P: Ja, das haben sie das Gefühl.<br />
42
I: Und das ist ja eigentlich genau das Wichtige, diesen Kontakt zu den regionalen Betrieben.<br />
Ohne das findest du nicht einen einzigen Platz. Und das ist arbeitsintensiv, diesen Kontakt<br />
aufrecht zu erhalten. Das wird bestimmt unterschätzt.<br />
P: Ja, das wird unterschätzt. Und das merken die Schule auch, das ist der Punkt, der Angst macht,<br />
wie komme ich zu diesen WAP? Wer macht das? Ja, und ich habe das Glück, dass die Schule<br />
einfach sagt, ich bekomme diese Zeit auch bezahlt, ich bekomme Geld dafür und kann es so<br />
seriös machen.<br />
Was brennt euch sonst noch?<br />
I: Wir haben sehr viele Infos bekommen. Es überzeugt mich. Ich bin mir am überlegen, wie man<br />
dies bei uns einführen könnte. Aber wenn man das Gefühl hat, dass dies vielleicht vier Schüler<br />
nötig hätten, dann kann man dies natürlich kaum in diesem Masse aufziehen. Könnte man das<br />
im kleineren Rahmen ähnlich umsetzen?<br />
P: Warum nicht?<br />
I: Bei uns könnte dies wohl eher an den Finanzen scheitern. Der Aufwand für die vier Schüler<br />
wäre ja etwa gleich gross wie wenn man neun hätte, oder 18 oder 19.<br />
P: Also es ist sicher nicht einfach linear. Aber es ist sicher ein massiver Unterschied ob du 4, 5, 6,<br />
WAP betreust, oder 20 bis 30.<br />
I: Von den WAP her schon, aber ich meine die Stunden, die du erteilst.<br />
P: Ja, das wäre eine Stunde pro Woche, und bei einem Externen ist es natürlich die Frage, reist er<br />
für das an? Aber weisst du, die Lösungen sind für jede Schule sowieso individuell. Man kann in<br />
einer Schule wie bei euch vielleicht auch sagen, wir machen einfach alle zwei Wochen diese<br />
Lektionen, dafür zwei Stunden. Das wäre machbar. Auch bis ich die heutige Form gefunden<br />
habe, haben wir so viele Sachen ausprobiert. Vorher waren wir zu zweit, haben<br />
abwechslungsweise Sachen probiert, wir haben zum Teil auch zu zweit Lektionen gegeben,<br />
dafür nur all zwei Wochen oder sogar drei Wochen. Und dann haben wir gemerkt, der Abstand<br />
ist halt recht lang, denn es passiert so viel dazwischen. Aber ich merke, Lösungen gibt es<br />
immer. Es gibt für mich jetzt nie einen Grund warum man es nicht so macht. Und ob der Namen<br />
LIFT geschützt ist, das weiss ich nicht genau.<br />
I: Ich habe mich einfach gefragt, ob man es in einer Kurzform unter dem Namen LIFT laufen<br />
lassen darf. Muss man mit dem NSW in Kontakt sein, das offiziell anmelden?<br />
P: Ich weiss nicht wie sie es handhaben. Aber so wie ich im Moment auch drin bin, merke ich,<br />
dass es eigentlich keine abschliessenden Regelungen gibt, weil ich das Ganze ja selber<br />
verkaufe ohne dass es irgendwo eine Regelung gibt. Und im Moment tu ich noch so als ob das<br />
(das LIFT) mein Produkt wäre, das ich verkaufe. Es wird garantiert Nachahmerprodukte geben,<br />
die heissen dann halt nicht LIFT sondern vielleicht LUFT, das weiss ich nicht. Und aus meiner<br />
Sicht für den Sinn der Schüler ist es mir eigentlich auch Wurst wie dieses Projekt heisst oder ob<br />
es gewisse Normen erfüllt. Wenn es letztendlich dem Schüler dient, dann ist es gut, Punkt. Das<br />
soll im Zentrum stehen. Dort wo der Name ins Spiel kommt, müsste für mich aber auch so<br />
etwas wie ein Qualitätsmanagement dahinterstecken, das heisst, die Leute, welche diese Kurse<br />
dann auch geben, die müssten aus meiner Sicht irgendwoher ein Okay haben, dass sie<br />
43
irgendeine Voraussetzung mitbringen. Wie das aussieht weiss ich nicht, aber ein<br />
Qualitätsmanagement müsste her, gibt es aber nicht. Eben, im Moment machen das<br />
pensionierte Lehrkräfte, das Projekt wird zum Teil noch den Lehrern übergestülpt, du musst<br />
jetzt, und ich weiss nicht, ob dies dann zu einer guten Qualität beisteuert. Aber mit dieser<br />
Meinung bin ich im Moment einfach alleine, da merke ich den wirtschaftlichen Hintergrund. Ja,<br />
den merkt man ganz fest.<br />
I: Ich denke, es ist auch schwierig so Leute wie dich zu finden.<br />
P: Findest du?<br />
I: Ja, ich könnte es mir vorstellen. Ich habe mir überlegt, wo man suchen gehen könnte. Es sollte<br />
jemand aus der Wirtschaft sein, der gleichzeitig aber auch pädagogisch etwas drauf hat und<br />
dann auch noch den Zeitaufwand auf sich nimmt mit den finanziellen Ressourcen die<br />
vorhanden sind.<br />
P: Ich glaube, wenn irgendwann der Klick rum ist, ich glaube, diese Leute sind schon lange da.<br />
Dann gehst du mal die Pfadi durchforsten, da hast du en masse solche Leute, die arbeiten<br />
gehen und einen pädagogischen Wert mitbringen. Und nicht nur den pädagogischen Wert,<br />
sondern auch den Wert ins Leben, um den geht es nämlich.<br />
I: Pfadi scheint sowieso wertvoll zu sein. Der Mentor hat auch immer wieder seine alten<br />
Pfadikollegen erwähnt, das ganze Netzwerk, das er hatte.<br />
P: Ja, wenn du weltweit schaust, ist die Pfadi 250 Millionen glaube ich der grösste Verein den es<br />
gibt. Und es nicht der Verein, wo du am Samstag einen Wettkampf ausüben gehst, es gibt<br />
nichts zu gewinnen, alles worum es geht, ist da zusammenhocken, zusammen auskommen und<br />
dort passiert so viel und das sind dann halt diese Leute, die du an solchen Orten wieder findest.<br />
Was ich noch habe, sind vergangene Programmpunkte, die euch vielleicht interessieren. Ich<br />
kann euch vielleicht mal runterleiern, was für Sachen ich so thematisiert habe. Einmal ist sicher<br />
die Zuverlässigkeit, die mit einer Klasse das Thema war. Die Frage, wieso das wichtig ist, was<br />
ist es überhaupt, warum ist es schwierig, dass sie sich auch immer selber ein Bild davon<br />
machen können, warum ein Chef überhaupt interessiert ist an einem zuverlässigen Mitarbeiter.<br />
Das mache ich eigentlich mit den meisten Beurteilungspunkten, dass das in irgendeiner Form<br />
mal thematisiert wird. Geld, das habe ich ja schon gesagt, dass wir dort noch etwas machen.<br />
Umgang, Respekt, Höflichkeit, das sind Themen. Oder Telefongespräche ist etwas,<br />
Durchhaltevermögen, lösungsorientiertes Denken, all diese Punkte habe ich mit einer Klasse<br />
irgendwann mal thematisiert. Und das ist eigentlich alles zusätzlich zu den Besprechungen der<br />
WAP. Auch schon habe ich Visionstage gemacht, wo bin ich in 15 Jahren? Das habe ich dann<br />
so weit gemacht, dass sie sich auch so verkleiden, und so in die Schule kommen, wie sie in 15<br />
Jahren dann sein sollten. Da machten wir einen Apéro. Die Idee ist, wenn ich weiss, wo ich in<br />
15 Jahren sein möchte, dann muss ich zurückbuchstabieren. Und dann gibt es ja eigentlich<br />
heute schon eine Aktion die ich machen kann, damit mein Traum, oder mein Ding in 15 Jahren<br />
realisiert wird. So die Erfahrung 15 Jahre voraus war nicht für alle einfach.<br />
I: Wie sind sie denn gekommen? In Schale oder ohne grossen Unterschied?<br />
44
P: Ohne grossen Unterschied, also, das ist schwierig, war ein bisschen zu viel verlangt. Und zu<br />
Bewerbungsgesprächen kommt dann ein Training, und im Moment habe ich gerade Umgang.<br />
Und Floskeln. Sie haben nämlich so einen reduzierten Wortschatz entwickelt. So zu allem, das<br />
irgendwo ist, sagen sie ziemlich schnell „halt die Fresse“. Und das bedeutet so viel, das heisst<br />
„könntest du mal bitte ruhig sein, ich bin noch nicht fertig mit ausreden“ oder „sei jetzt ruhig“.<br />
Inzwischen ist die Lehrperson eingetrudelt. Das Interview mit dem Projektleiter ist somit hier beendet.<br />
4.2 Interview mit der Lehrperson<br />
Interview 9.3.11<br />
Ort: Schule G., ZH<br />
Zeit: ca. 12.00 – 12.45 Uhr<br />
Interviewerinnen: Martina Sommerau, Irma Adank, (I)<br />
Teilnehmer: Lehrer H.S., 51 Jahre alt, (L), Projektleiter P., 37 Jahre alt (P)<br />
I: Könnten Sie aus Ihrer Sicht mal ein bisschen über das LIFT-Projekt erzählen?<br />
L: Ich erlebe das LIFT-Projekt das erste Mal, weil ich die 2. Klasse habe und das Projekt für sie<br />
jetzt begonnen hat. Ich war selbst ganz neugierig wie das bei den Schülern ankommen wird. Ich<br />
habe vorher schon einen Film gesehen. Sowohl der P. wie auch die Frau A. hatten das Projekt<br />
bei den Schülern bereits vorbereitet. Also es wurde nicht einfach festgelegt, ab dann habt ihr<br />
das, sondern es wurde wirklich eingeführt und neugierig gemacht. Die waren gespannt, sie sind<br />
immer voller Erwartungen in die Stunde gegangen, was sie hoffentlich nach wie vor machen.<br />
Am Anfang war das aber besonders stark, sie wollten wissen, was da auf sie zukommt. Sie<br />
wollten dann am liebsten auch gleich arbeiten gehen, das war das, was sie auch besonders<br />
interessierte, das auszuprobieren. Sie haben mir im November berichtet wie es abläuft, denn<br />
ich sollte wenn möglich nicht in den Unterricht mitkommen damit P. wirklich eine Beziehung zu<br />
ihnen aufbauen kann und die Schüler nicht durch den Kontakt zu anderen Lehrpersonen<br />
durcheinander gebracht werden. Das hat alles gut funktioniert, es gab zumindest am Anfang<br />
keine Probleme. Und wenn die Schüler zurückkamen, haben sie berichtet was sie gemacht<br />
haben. Wenn sie berichtet hatten, hat man ihnen die Freude immer angesehen. Mich hat es vor<br />
allem gefreut – das läuft ja noch immer so, nur habe ich es am Anfang stärker erfahren von den<br />
Schülern – wie sie bestärkt wurden in ihren (?), auch wie sie versucht haben zu telefonieren,<br />
wie ihnen Mut gemacht wird für ihren Beruf oder wie sie in Situationen gebracht wurden, wo sie<br />
sich entscheiden sollten, wenn du etwas erreichen und Erfolge haben willst, dann musst du<br />
bereit sein zu verzichten. Das haben sie mir dann eben alles erzählt. Das hat mich überrascht,<br />
was sie so beeindruckt hat. Und ich denke, wenn ich ihnen trocken eine gestellte Situation<br />
gebracht hätte, anhand eines Textes im Unterricht, Berufswahl, dann wären sie nicht mehr halb<br />
so interessiert gewesen. Also das hat wirklich eine tolle Wirkung bis jetzt. Als dann die WAP<br />
anliefen, waren sie ungeduldig. Es hat sich dann auch noch etwas hingezogen. Ich stelle mir<br />
das ungeheuer schwierig vor, die Plätze überhaupt erst zu bekommen. Also wenn ich bedenke,<br />
dass ich das machen müsste, dann würde ich kapitulieren, glaube ich, da würden mir einfach<br />
45
die Erfahrungen fehlen. Und die Schüler konnten es kaum erwarten, dass sie einsteigen<br />
können. Es gab dann allerdings auch Schüler, die in der Lektion selbst so komische Sachen<br />
gemacht haben, dass sie dann erst gar nicht in Betracht kamen. Die entweder gemerkt haben,<br />
aha, hier ist jetzt irgendwie Schluss, ich muss jetzt etwas tun, oder die Schüler nehmen das<br />
nach wie vor nicht ernst. Dann hab ich gehört, „dann mach ich das eben nicht“. Das sind aber<br />
wirklich völlige Ausnahmen. Also von dieser Klasse sind es insgesamt eine Schülerin und zwei<br />
Schüler. Also der grösste Teil der Klasse, von den 11 Schülern – also die, die jetzt über längere<br />
Zeit krank waren, die konnten da nicht mehr teilnehmen. Ja, das wäre erst mal das, was ich von<br />
den Schülern so mitbekommen habe und ich so aus der Ferne beobachte. Ich habe bis jetzt<br />
noch keine Schülerin oder Schüler auf dem WAP besucht, das möchte ich gerne noch machen.<br />
Um ihnen zu zeigen, dass das für mich auch etwas ganz Wichtiges ist. Und mich dort mit<br />
diesen Arbeitern (? 173) das Anleiten mal zu erteilen, das ist mir ganz wichtig. Insgesamt,<br />
nachdem sie jetzt einige Zeit gearbeitet haben, stelle ich fest, dass die Arbeit, überhaupt das<br />
ganze Unternehmen bei ihnen einen ungeheuer wichtigen Stellenwert hat. Es steht im Grunde<br />
von allen Sachen ganz oben. Wenn ich sage, dass die Hausaufgaben bis dann und dann zu<br />
machen sind, höre ich, ja wie soll ich das schaffen, am Mittwoch habe ich den WAP oder wenn<br />
sie eine Stunde nachsitzen müssen, kommt immer sofort, ich muss dahin. „Das können Sie<br />
überhaupt nicht von mir erwarten, ich muss dringend dahin“. Sie wollten das auch, es ist<br />
woanders angebunden als die Schule. Und das ist eben für C-Schüler wichtig. Also wenn ich<br />
darüber nachdenke wie es jetzt gelaufen ist, was ich von den Schülern höre, dann bin ich<br />
eigentlich der Meinung, dass LIFT in den Schulen für die C-Schüler noch einen viel wichtigeren<br />
Stellenwert haben müsste. Und ich würde fast soweit gehen, um zu sagen, dass im Grunde der<br />
Unterricht um so einen Kern wie es das LIFT darstellt, kopiert sein müsste. Ich seh so viele<br />
Schwierigkeiten bei den Jugendlichen, weil sie so eine negative Einstellung zur Schule haben,<br />
dem könnte man aus dem Weg gehen, wenn man das anders gestalten würde. Und LIFT<br />
könnte so ein Kern davon sein. Also sicher nicht gleich ab der ersten Klasse, aber ab der<br />
zweiten. Die dritte wird dann sowieso anders gestaltet, aber ab der zweiten Klasse. Das sind so<br />
die Sachen, die mir durch den Kopf gegangen sind. (242)<br />
I: Die Schüler erzählen ja viel von diesem LIFT-Projekt. Spüren Sie denn das auch im Verhalten<br />
einander gegenüber in der Klasse? Dass dieses Projekt Wirkung zeigt?<br />
L: Im Verhalten selbst nicht, die die komische Sachen machen, machen dies nach wie vor. Es ist<br />
einfach so, dass die Berufswahl einen grossen Stellenwert einnimmt. Im Unterricht insgesamt,<br />
im Deutsch, überall wird das eingebaut, sonst ist das gar nicht zu schaffen. Und da merke ich,<br />
sie nehmen das dann ernster. Da kommt das dann rüber, merkt man, ah, die sind jetzt ganz<br />
anders. Und bei denen, die LIFT nicht machen, eben nicht so, da ist es nach wie vor eben recht<br />
beliebig, die sind dann gleichgültiger. Es ist auch so gewesen, als die Klasse jetzt eine<br />
Schnupperlehre machen sollte in den Sportferien, haben viele versucht, über ihren WAP etwas<br />
zu bekommen. Die sehen keine Möglichkeit irgendwohin zu gehen, haben viel zu viele<br />
Hemmungen und das war für sie dann so etwas wie ein Rettungsanker. Ich habe dann gesagt,<br />
den gleichen Platz könnten sie aber nicht nehmen, das kennen sie ja, das macht ja keinen Sinn.<br />
46
Und dann haben sie tatsächlich gefragt, wo könnten sie in dem Betrieb noch woanders hin wo<br />
sie noch was anderes kennenlernen? Das haben sie dann auch gemacht, oder zwei Schüler<br />
zumindest. Und das hat mir einfach gezeigt, dass das Schüler sind, denen man ganz viel<br />
anbieten muss, sonst finden sie sich da nicht zurecht. Da sieht man eben, wie wichtig es<br />
wirklich ist, dass man ihnen sagt, hier ist ein Platz, probier das mal aus, mach das mal. Und das<br />
funktioniert dann tatsächlich. Und sie empfinden es nicht als Zuteilung, das sind die wenigsten,<br />
die sagen, das wollte ich eigentlich gar nicht machen, das sind die, die auch sonst<br />
Schwierigkeiten machen. Von denen, die nachdenken können, kommen keine solchen<br />
Reaktionen. (313)<br />
I: Für die Schnupperlehre müssen sie alles selbst organisieren?<br />
L: Ich sage nur, bis dann musst du mir etwas vorweisen, möchte ich was sehen.<br />
I: Die Berufswahlvorbereitung findet ja nach wie vor in der Klasse statt. Könnten Sie ein wenig<br />
erzählen wie sie dies gestalten, auch wie die Aufgabenteilung zwischen LIFT und der Schule<br />
aussieht.<br />
L: Die Vorbereitung, wie man sich am Arbeitsplatz verhalten sollte, worauf man achten sollte, die<br />
Pünktlichkeit, die Werte, die ja wichtig sind, das ist etwas, das vor allem im LIFT behandelt wird.<br />
Behandelt im Sinne von trainieren. Weil das ein ganz anderer Rahmen ist, hat das eine ganz<br />
andere Wirkung, fängt ganz anders bei den Schülern. Und die Berufswahl konzentriert sich vor<br />
allem auf ihren Interessenkompass, also auf alles das was im Berufswahltagebuch steht,<br />
erarbeitet wird, alles was für sie wichtig ist. Alles was sie auch für den Stellwerktest, das<br />
Standortgespräch brauchen. Das muss ja alles vorbereitet sein. Und sie sind nicht in der Lage,<br />
wenn ich jetzt sagen würde, du musst ein Dossier zusammenstellen, das und das muss drin<br />
sein, bis dann und dann gibst du mir das ab, das funktioniert nicht, das geht überhaupt nicht.<br />
Das muss alles im Unterricht gemacht werden. Jetzt kommen wir dann zum Schreiben einer<br />
Bewerbung, Lebenslauf vorschreiben am PC, das sind Sachen, die dann ja beim LIFT nicht im<br />
Zentrum stehen. So teilt sich das dann.<br />
I: Und diese Aufgabenverteilung war von Anfang an klar.<br />
L: Da gab es vorher keinen Austausch. Ich mache das jetzt auch das erste Mal mit der<br />
Berufswahl, LIFT ist für mich auch neu gewesen. Wir treffen uns und machen Auswertung. P.<br />
sagt dann wie weit er ist, spricht über die Schüler und führt auch ganz genau aus, gibt<br />
Einschätzungen schriftlich, das ist sehr wertvoll für mich, weil ich das dann in meine<br />
Einschätzung einfliessen lassen kann fürs Standortgespräch. Die Jugendlichen selbst, auch die<br />
Eltern, so beobachte ich, hören ganz anders zu, wenn ich sage, jetzt kommt die Einschätzung<br />
vom WAP, dann bekommen die ganz grosse Ohren. Man merkt, das hebt sich richtig ab, von<br />
dem was ich sonst einschätze.<br />
I: Machst du mit der Klasse einen Standartbewerbungsbrief oder schreibst du mit jedem einen<br />
individuellen?<br />
L: Erstmal Standart als Ausgangssituation, dann entwickelt sich das ja unterschiedlich. Es gibt<br />
welche, die haben das Blatt das nächste Mal sowieso nicht da oder finden es nicht. Und dann<br />
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hat man nur ein paar, mit denen man das weitermachen kann, mit den anderen dann später.<br />
Aber erstmals fange ich das mit der ganzen Klasse an.<br />
I: Gestalten Sie dann also die ganze Berufswahlvorbereitung individuell?<br />
L: Das individuelle entwickelt sich so. Erstmal sind die Aufgaben für alle gleich. Sie machen auch<br />
die Schnupperlehren zu unterschiedlichen Zeitpunkten, sie geben mir Materialien ab, ich krieg<br />
das ja ganz unterschiedlich. Die eine Hälfte hat jetzt Schnupperlehren gemacht, die andere<br />
Hälfte nicht, das muss ich dann individuell bestreiten.<br />
I: Wie gehen Sie mit fehlender Motivation um?<br />
L: Das deckt sich ziemlich, diejenigen, die im LIFT nicht teilnehmen, oder ausgeschlossen worden<br />
sind, das sind dann die, die beim anderen negatives Verhalten oder eben keine Ergebnisse<br />
zeigen. Das ist schwierig, da spreche ich mit den Eltern. Jetzt sind die Standortgespräche<br />
gewesen, ich verdeutliche ihnen die Situation, die Eltern merken, dass da jetzt was<br />
Grundsätzliches nicht stimmt. Ja, und die Jugendlichen, die versprechen in der Regel, „ich<br />
mach das dann“. Dann frag ich, bis wann? Und dann kommt schon keine Reaktion. Ich nehme<br />
an, es geht jetzt so weiter, ich muss einfach Termine setzen, wenn das dann wieder nicht<br />
eingehalten wird. Mit den Eltern kann man nicht anders reden, sie nehmen es dann nicht so<br />
ernst, also, die kann man dann nicht so motivieren, dass man ihnen klarmacht, das ist dein<br />
Leben, das verstehen sie einfach nicht. Da muss ich wieder wie mit den schulischen Dingen,<br />
Druck ausüben, da werden Strafen angedroht, und das ist ja das, was wir insgesamt nicht<br />
wollten. Aber bei einigen kann man nicht anders arbeiten. Also ich denke, wenn es so einen<br />
Stand erreicht hat, dann will ich es doch wenigstens noch mit einem gewissen Druck<br />
versuchen. Anstatt es so laufen zu lassen und dann kommt überhaupt nichts. Es gibt noch eine<br />
Möglichkeit, und da bin ich auch sehr froh bei einer ganz schwachen Schülerin, wo auch die<br />
Mutter Erziehungsprobleme hat. Da gibt’s in der Gemeinde eine Sozialstelle und eine<br />
Betreuerin, die sich dann um die Mutter kümmert und die auch der Tochter helfen wird mit den<br />
Bewerbungen. Und das ist natürlich für die Mutter auch einfacher, wenn das von so einer Stelle<br />
kommt. Sie merkt, jetzt wird mir da geholfen, und das ist für eine Frau, eine Familie, die sich<br />
integriert, sehr wichtig. (513)<br />
I: Kann man denn die Eltern nicht etwas mehr fordern?<br />
L: Das ist ganz schwierig. Der erste Elternabend im Schuljahr war verbunden mit dem<br />
Informationsabend im BIZ in K. und da sind aus zwei Klassen zwei Elternteile gekommen. Und<br />
von einem Schüler die Schwester, also wenigstens das. Das von 20 die hätten kommen<br />
müssen. Der Schulleiter war da, die dritte Sek sollte eingeführt werden. Sie wissen es alle nicht.<br />
Sie kommen zum Standortgespräch und müssen sich von den Kindern erklären lassen, was<br />
denn jetzt eigentlich Sache ist. Sie können es ja gar nicht wissen, das geht ja gar nicht. Das<br />
wird in der Schulleitung überlegt, wie man das anders machen könnte. Wie kriegt man die<br />
Eltern an den Elternabend? (540)<br />
I: Können viele Eltern Ihrer Klasse gar nicht Deutsch?<br />
L: Das ist nicht das Problem, dass sie es nicht könnten. Sie sind der Meinung, es ist irgendwie<br />
nicht so wichtig, es wird schon irgendwie laufen. Und dann kommt noch dazu, dass die meisten<br />
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Eltern solch unterqualifizierte Arbeiten haben, dass sie spätabends arbeiten müssen, die gehen<br />
putzen, oder auf den Bau, die kommen wirklich spät nach Hause. Das ist wirklich schwierig. Sie<br />
kommen wirklich nur im allergrössten Notfall, wenn es für sie wichtig ist. Wenn ich sage, jetzt<br />
fliegt er von der Schule, dann kommen sie. (558) Das kann ich auch ein Stück weit verstehen,<br />
weil sie da nicht ständig fehlen können, sie haben Angst, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren.<br />
I: Müssen Ihre Schüler auch Leistungstests machen, um sich für eine Schnupperlehre oder eine<br />
Lehre zu bewerben?<br />
L: Das mussten sie bis jetzt noch nicht. Aber ich orientiere mich z.B. in der Mathematik oder in der<br />
Geometrie am Multicheck, das müsst ihr dann können, oder das müsst ihr euch dann merken.<br />
Es gibt einen grossen Teil, die von vielen Sachen schon etwas gehört haben, aber sich<br />
eigentlich gar nicht mehr richtig erinnern können.<br />
P: Multicheck müssen sie schon machen, der Betrieb möchte wissen, was er einstellt.<br />
L: Aber die Schüler haben Schwierigkeiten mit solchen Tests. Es bildet dann nicht das ab, was sie<br />
insgesamt können. Die Gedächtnisleistung und die Verbindung, ist die Aufgabe eine andere als<br />
sie es gelernt haben, dann können sie es schon wieder nicht, das ist ganz schwierig. Und ich<br />
denke in vielen praktischen Dingen schaffen sie es, weil sie die Verbindung herstellen können,<br />
ihr Interesse ist auch dabei.<br />
I: Besteht denn zwischen Ihnen und den Betrieben Kontakt? Gerade um die eigentlichen<br />
Fähigkeiten der Schüler kundzutun?<br />
L: Es gibt den Berufswahltag, der hier im April stattfindet, da werden Berufe vorgestellt. Und das<br />
ist auch für die, die kein LIFT haben, und für die ersten Klassen, wichtig, mit Leuten aus dem<br />
Berufsfeld zusammenzukommen und einfach zu sehen – am Anfang wird ja meist etwas erklärt<br />
und dann können sie praktisch was ausprobieren - wie verhalten sie sich jetzt, wie reagieren<br />
diese Leute jetzt drauf. Und dann können sie schon mal eine Reaktion bekommen, die sie nicht<br />
erwartet haben und das überrascht sie dann. Und sie merken, dass man mit dem Lehrern<br />
sprechen kann, das ist ja ganz normal, das setzt dann auch etwas in Bewegung. Aber einen<br />
anderen Kontakt über das LIFT-Projekt hinaus gibt es eigentlich nicht.<br />
I: Oder dass Sie wegen eines Schülers angefragt werden?<br />
L: Also bis jetzt haben sie das nicht.<br />
I: Wie gehst du mit unrealistischen Berufswünschen um?<br />
L: Bis zum Stellwerktest habe ich diese laufen lassen. Häufig sind besonders die Mädchen<br />
unsicher mit der Wahl, die schliessen sich zusammen und haben den gleichen Berufswunsch,<br />
also die denken, sie machen mal am besten alles zusammen. Und dann kommt das zustande,<br />
und dann kommen dann halt Berufswünsche vor, bei denen ich sagen muss, das kommt<br />
eigentlich gar nicht in Frage. Ich sage dann, da in dem Fach musst du noch besonders zulegen,<br />
ich will sie nicht desillusionieren. Aber jetzt mit dem Stellwerktest ist ja deutlich geworden, dass<br />
sie so weit davon entfernt sind, dass man wirklich sagen kann, das holst du nicht auf, das geht<br />
gar nicht. Und so habe ich es dann auch gesagt. Im Moment reagieren sie dann nicht weiter, sie<br />
sind dann, ja, man merkt, die Stimmung ist natürlich dann hin, die Eltern nicken dann einfach<br />
und mehr passiert erstmal nicht. Man merkt dann, es arbeitet in ihnen. Die Zeit danach sind sie<br />
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nachdenklich oder apathisch sogar. Das ist dann natürlich auch wieder schade. Aber<br />
irgendwann muss ich ihnen ja klar machen, du musst dich jetzt anders orientieren, bei dir<br />
kommt es darauf an, dass wir überhaupt etwas finden, es wird nicht so sein, dass du dir das<br />
aussuchen kannst, was du willst, wichtig ist, dass du überhaupt arbeiten kannst und du willst ja<br />
arbeiten. Anders kann man gar nicht reden. Und ich denke jetzt sind durch das Stellwerk die<br />
Gespräche ganz anders gewesen. Das kann die ganze Berufswahl, ja, es kann sie insgesamt<br />
demotivieren und demoralisieren, so dass sie insgesamt keine Lust mehr haben. Dann kriegt<br />
man sie ganz schwer.<br />
I: Sie thematisieren ihre Fähigkeiten, um das realistisch einschätzen zu lernen?<br />
L: Ja, das ist auch ein Teil des Stellwerkgesprächs. Sie müssen eine Selbsteinschätzung<br />
anfertigen und dann sehe ich, wie das mit der Einschätzung übereinstimmt, die ich gegeben<br />
habe. Und sie verstehen im Grunde, oder sie merken selbst, ok, ich hab da etwas angegeben,<br />
wie ich es selbst gerne hätte, ich sehe mich eigentlich so, wie ich gerne wäre. Und sie merken<br />
dann auch, ja, Sie haben ja eigentlich Recht. Das ist schon, dass sie es selbst merken, ich<br />
möchte es ja eigentlich gerne so, was müsste ich denn jetzt machen. Und so diese Überlegung<br />
haben sie vorher gar nicht hingekriegt und wenn man das dann auf die Berufswahl übertragen<br />
kann, ist das natürlich... Ok, das ist das, was ich dranbleiben will, da fehlt aber noch ganz schön<br />
was. Wenn es in ihnen arbeitet, dann habe ich Hoffnung.<br />
I: Sie machen in diesen Berufen dann auch keine Schnupperlehre? Um falsche Vorstellungen zu<br />
korrigieren oder so.<br />
L: Sie haben teilweise eine Schnupperlehre gemacht, die ihnen ein Verwandter besorgen konnte,<br />
oder die sie über LIFT erreichen konnten. Es ist dann nicht immer das gewesen, wo sie sich<br />
sagen, jetzt probiere ich das eben mal aus, Detailhandelsassistentin, wie das eigentlich ist.<br />
(775)<br />
I: Sprichst du auch den aktuellen Arbeitsmarkt mit dem Jugendlichen an?<br />
L: Das kriegen sie dann vor allem mit im Zusammenhang mit dem BIZ, da sind<br />
Schülersprechstunden, wo sie dann hingehen können, da stelle ich die Schüler frei. Sie sind da<br />
schon sehr oft gewesen, sie besprechen das gerne, holen dort Rat. Gehen dort auch mit den<br />
Eltern zusammen, das ist ein Angebot. Einige gehen dort aber auch nach mehrmaligen<br />
schriftlichen Aufforderungen nicht hin, nicht mit den Eltern zusammen. Also eine Schülerin ist<br />
dann alleine hingefahren, weil der Grossvater gesagt hatte, wenn deine Eltern nicht können weil<br />
sie arbeiten, dann geh doch selbst und das hat sie dann auch gemacht. Das sind etwa zwei,<br />
drei Schüler, die mit den Eltern hingegangen sind. Bei einer Schülerin, ist die Mutter<br />
mitgegangen, ja, von elf sind es drei. Es ist wirklich so, dass man sie irgendwo hinbringen<br />
muss, hinstellen muss. Das führt dann zum Erfolg, alles andere hat keinen Sinn, das ist<br />
vergeudete Energie, du bist frustriert weil du immer wieder sagen musst, da warst du wieder<br />
nicht, und das hast du wieder nicht. Es ist immer wieder das gleiche und das demoralisiert sie.<br />
Das habe ich jetzt gelernt, im Grunde muss man es gar nicht versuchen. Es ist besser wenn<br />
man sagt, das, das, das und das. (821)<br />
I: Was machst du denn mit denen, die nie gehen und nichts machen?<br />
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L: Ja, wenn ich es dreimal dann versucht habe, dann schicke ich sie verstärkt in die Sprechstunde<br />
der Berufsberatung hier in der Schule. Im BIZ haben sie die Infothek, können Filme anschauen,<br />
da können sie viel mehr machen, das nutzen sie nicht. Die Berufsberatung kommt hierher und<br />
dann können sie Fragen stellen. Vor allem die, die noch nicht hingegangen sind, kriegen einen<br />
Termin, schreib ich auf und dann müssen sie dann gehen. Das lege ich einfach fest. Und<br />
wenigstens haben sie dann das gemacht. Damit sie von einer anderen Seite nochmals hören,<br />
welche Chancen haben sie denn eigentlich? Was sie mit einem C-Abschluss eigentlich alles<br />
machen können, komm ich überhaupt in einen EFZ-Beruf (eidg. Fähigkeitszeugnis) rein über<br />
EBA (eigd. Berufsattest)? Das hören sie dann dort viel genauer. Und sie berichten mir dann<br />
auch, sie kommen zurück und sagen, ja, das ist so und so und jetzt weiss ich das und das.<br />
I: Wie viele Schüler beginnen eine Lehre und wie viele nehmen ein Brückenangebot an?<br />
L: Ich kann das noch nicht so genau sagen, aber wenn ich mal von der Negativvariante ausgehe,<br />
bin ich mir sicher, dass zwei oder drei wirklich eine Lehre anfangen. Also mehr, von den<br />
Leistungen her gesehen, die sie für den Beruf benötigen, welchen sie machen wollten, für den<br />
sie sich interessieren, für den sie sich ins Zeug legen würden, von den Leistungen her nicht<br />
mehr als drei. Alle anderen sind weit davon entfernt. Und der andere Teil, von dem wir nicht<br />
einmal sicher sind, ob sie überhaupt eine Stelle finden wollen, ob sie in der Lage sind, ihr<br />
Bewerbungsdossier selbstständig zusammenzutragen, das kann ich mir nicht vorstellen. (891)<br />
I: Wann ist dann aus Ihrer Sicht der optimale Zeitpunkt, um mit der Berufswahl anzufangen? (...)<br />
So früh wie möglich oder soll man warten bis in die zweite Oberstufe? (900)<br />
L: Es fängt ja an mit dem Berufswahltag für die ersten Klassen im April. Dann ist weiter das LIFT<br />
eingeführt worden, das ist im Grunde der direkte Einstieg gewesen, das ist eigentlich was gut<br />
ist, das macht neugierig für die zweite Klasse dann, was alles auf sie zukommt. Also nicht erst<br />
mit der zweiten anfangen, ich find das schon in der ersten wichtig. Gleich am Anfang kann man<br />
das nicht. Da gibt es so viel, sie sind dann erst mal damit beschäftigt, ob sie in die nächste<br />
Stufe wieder wechseln, das ist erst mal zentral, das beschäftigt sie. Am Anfang, wenn sie sich<br />
vorstellen, dann frage ich sie, was sie werden möchten, dann ist es in dem Sinn aber noch nicht<br />
Berufswahl, das ist einfach mal die Interessen kennenzulernen.<br />
I: Das schwierige ist jeweils, die Motivierten kann man ins LIFT schicken, und die anderen bleiben<br />
überall hängen. Wenn nichts von ihnen selbst kommt, was man mit denen macht.<br />
L: Ja, das ist schwer. Es gibt eben die, die wirklich Probleme haben mit der Schule, die in der<br />
Schule so negative Erfahrung gemacht haben, dass sie da wahrscheinlich nie rauskommen aus<br />
diesem Denken und Befinden. Die dann aber bei der Arbeit merken, das interessiert mich ja, die<br />
zeigen, was sie können, die gestärkt werden, die fit sind eigentlich. Da ändert sich etwas, das<br />
merke ich dann auch im Verhalten, wenn ich dann sage, verändere das mal, da, schau mal, das<br />
funktioniert nicht, da musst du dich ganz anders verhalten. Dann merke ich, die verstehen mich<br />
jetzt überhaupt, die verstehen jetzt was ich will. Vorher ist es oft so, dass ich denke, die wissen<br />
ja gar nicht was ich verlange. Z.B. E., den ihr interviewt habt, der ist sehr motiviert. Und dann<br />
diejenigen, bei denen ich die Hoffnung hatte, und dachte, wenn das jetzt anfängt, dann können<br />
sie auch das zeigen, was sie können, aber es passiert nichts, es geht weiter in die negative<br />
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Richtung, wieder in eine andere negative Richtung als es sonst war. Unzuverlässigkeit,<br />
Unpünktlichkeit, also alles das kommt dann noch, was sonst nicht so auffiel, was gerade neben<br />
den schlechten Leistungen nicht so da war. (986)<br />
I: Für mich ist das ja eigentlich Elternarbeit, Erziehung. Aber da das anscheinend vielfach nicht<br />
funktioniert, frage ich mich, ob man nicht bereits in der Primarschule eine Lektion für dieses<br />
Thema einschieben sollte, eigentlich das, was im LIFT gemacht wird. Zuverlässigkeit,<br />
Pünktlichkeit, das kann ja nicht plötzlich mit 15 Jahren kommen.<br />
P: Kennt ihr das schwedische Schulsystem? Dort verbringst du sehr viel Zeit in Klassen oder vor<br />
Ort, und das sind Thematiken, die dort auch extrem früh thematisiert werden. Das ist ein<br />
vorbildliches Ding, was die dort aufgebaut haben.<br />
I: Ja, wir dürften schon etwas mehr investieren. Statt immer zu sagen, es sei die Aufgabe der<br />
Eltern. (1014) Es ist nicht selbstverständlich, dass das einfach von den Eltern gemacht wird. Es<br />
gibt wirklich viele Schüler, die nicht wissen wie man mit anderen umgeht, oder wie man sich<br />
verhält, Respekt kennen die gar nicht mehr.<br />
Die Schule ist eine gute Plattform, solche Sachen zu lernen, da sie zu Hause oft gar nicht die<br />
Chance haben, solche Sachen zu lernen. Da schneiden wir uns als Schule ins eigene Fleisch,<br />
wenn wir es stets auf die Eltern abschieben.<br />
P: So die Schule, so die Gesellschaft. Der Lehrer hat es einfach, er schmeisst ihn einfach raus.<br />
Aber irgendwo bleibt er hängen. Ich habe einen Schüler, bei dem ist es wirklich nur<br />
Einstellungssache, der ist derart negativ eingestellt allem gegenüber, er sieht sich konstant als<br />
Opfer, und das ist die Einstellung die er im Kopf hat. Die muss er umstellen und wenn er das<br />
schafft, dann ist der Rest gar keine Sache mehr. Er gehört natürlich zu denen, die nicht wirklich<br />
wollen, aber das heisst nicht, dass ich ihn deswegen gleich aus dem Projekt rausstelle. Ich<br />
merke, dass es sich für ihn schon noch irgendwie lohnt, das immer wieder zu thematisieren.<br />
„Du bist es, nein, es ist nicht dein Lehrer, du bist es. Das ist nicht dein WAP, du bist es. Ich bin<br />
es auch nicht, ich bin auch nicht der Böse, ich will einfach, dass du deinen Auftrag erfüllst.<br />
Umsetzen musst du es, die Einstellung dazu hast auch du und mich interessiert dein ‚Aber’<br />
eigentlich nicht.“ Das sind so ganz klassische mentale Geschichten.<br />
I: Das ist noch wichtig, dass ein Schüler nicht direkt aus dem LIFT rausfällt wenn er nicht<br />
mitmacht, dass auch die noch eine Chance bekommen.<br />
P: Wenn ich das machen würde, hätte ich eigentlich keine mehr.<br />
I: Nun noch eine Frage zu E. Er ist motiviert und seine Einstellung stimmt. Ist seine Chance<br />
wirklich gross eine Lehrstelle zu finden? Bezogen auf die Lehrstellensituation Zürich und<br />
Umgebung?<br />
P: Die Tatsache, dass wenn ein Schüler kommt, der so kommunizieren kann, wie er das halt<br />
inzwischen macht, der wird sein Dossier persönlich vorbeibringen und sagen, schauen Sie, das<br />
ist mein Dossier, ich habe mir Zeit genommen, bin extra vorbeigekommen damit Sie mich<br />
sehen, ich habe Schwächen, ich habe schulisch die und die Probleme – und wenn so einer<br />
reinkommt, dann leckt sich ein Zürcher Betrieb, der sich normalerweise C-Schüler gewohnt ist,<br />
die Finger ab, das ist Sahne. Aus meiner Sicht gehört E. zu dieser Kategorie, der noch ungefähr<br />
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wählen kann, was er nehmen kann. Er gehört nicht zu denen, die dann irgendwann noch eine<br />
Anschlusslösung brauchen, sondern er ist jetzt schon selbstständig dran, bewirbt sich, und,<br />
und, und. Also ich bin sicher, er sendet dort die Botschaft aus, ich will eine Lehrstelle und er<br />
wird sie haben, er wird sie finden.<br />
I: Wir haben uns einfach Gedanken über den mageren Lehrstellenmarkt gemacht, und dass auch<br />
einer wie E. trotz guter Einstellung halt kaum Chancen hat, eine Lehrstelle zu finden. Wir hören<br />
immer wieder die Horrorszenarien, dass die einen 100 Bewerbungen schreiben und finden<br />
nichts.<br />
P: Schaut aber mal diese 100 Bewerbungen an, ich kenn die auch. In meinem ersten LIFT-Projekt<br />
hatte ich einen Schüler mit 80 Bewerbungen und 79 Absagen. Die letzte Bewerbung war dann<br />
noch irgendwie eine Vitamin-B-Geschichte, aber dann schaust du mal genauer hin. Der war so<br />
was von desinteressiert, das tönt zwar nach viel Arbeit, aber das waren einfach die Inserate, die<br />
ihm Mami hingelegt hat und er am Abend jeweils noch rasch die Adresse auf dem<br />
Bewerbungsschreiben geändert hat. Er wusste nicht was das für ein Betrieb war, es war so eine<br />
Flucht in Aktion hinein. Sich selber mit dem Gefühl überrumpeln, ich habe ja etwas gemacht.<br />
Hat er aber nicht, es hatte dort nämlich einige in dieser Klasse, die sich sehr bewusst mit vier,<br />
fünf Firmen auseinandergesetzt haben und dort drei Zusagen erhielten. Wisst ihr, es gilt zu<br />
differenzieren, was ist wirklich Arbeit ist und was Schönreden.<br />
I: Dann kopierst du einfach 80 Mal die gleiche Bewerbung...<br />
P: Ja, das bringt nichts, ist sinnlos.<br />
I: So kann man als Lehrer auch besser bestärken in dem was ein Schüler macht, in der<br />
Gewissheit, dass ein Schüler etwas findet, wenn er sich Mühe gibt. Die Qualität der Bewerbung<br />
ist sehr entscheidend.<br />
P: Da ist die Qualität der Bewerbung, des Auftretens, wie sitzt er im Stuhl, lässt er die Jacke an,<br />
zieht er sie aus, hat er möglicherweise noch den Stöpsel im Ohr. Weil jeder Betrieb, der einen<br />
C-Schüler einstellt, weiss, dass er fachliche Schwächen hat, kann dieser nur mit seinem<br />
Auftreten gewinnen. Er stellt so einen Schüler nicht ein, weil er fachlich stark ist, sonst würde er<br />
einen B- oder A-Schüler nehmen. Aber das heisst, der Schüler muss mit anderen Kompetenzen<br />
brillieren und Schüler wie E. oder viele andere, die wir haben, die machen das einfach. Die sind<br />
so dran, die kommen in einen Prozess hinein, wo sie sich nach vorne schaffen.<br />
L: Das ist eben das, was ich so bewundere an dem ganzen Projekt. Diese Qualitäten so<br />
einschätzen zu können, kann ich gar nicht. Ich habe ja diese Verbindung nicht dazu, also ich<br />
kann schon sehen, wo jemand gut ist, aber ich kann nicht sagen, was braucht der jetzt genau,<br />
da drin musst du ihn jetzt bestärken. Das sehe ich so nebenbei. Das ist etwas ganz wertvolles.<br />
P: Ja, das hat wahrscheinlich auch ein wenig mit dem Abstand zu tun. Ich sehe die einmal in der<br />
Woche, ich kann mir Zeit nehmen, zu denken, was die jetzt brauchen. Und wenn du diese<br />
Schüler jeden Tag hast, ist es extrem schwer dort Distanz zu gewinnen, in die Metaebene zu<br />
gehen und zu fragen, was brauchen sie genau.<br />
L: Ja, und als Lehrer rutschst du immer wieder in das Muster, du siehst alles was sie überhaupt<br />
nicht können. Also du stärkst natürlich auch, aber du kaust dann halt auch immer wieder das<br />
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vor was Defizite sind. Mir geht’s dann so, dass ich sage, das kannst du jetzt, das ist schon<br />
besser, ABER... und dann sind die natürlich schon wieder... Das sind die Schwierigkeiten.<br />
P: Diese negative Sicht kenne ich nicht. Ich kenne die fachlichen Stärken nicht. Ich sehe nur<br />
Verhalten. Ich nehme Muster war, ich sehe wie sie heute miteinander unterwegs sind,<br />
momentan sind da viele Aggressionen. Gut, was ist los? Ich sage beispielsweise auch<br />
mittendrin, gut, das Thema WAP kann ich nicht besprechen, wenn ihr so unterwegs seid. Was<br />
ist los? Und dann kommen Sachen auf den Tisch, die sie loswerden müssen, damit sie<br />
weitermachen können. Und das nützt nichts, wenn ich an meinem Plan hängen bleiben möchte,<br />
ich kann nachher die Berichte lesen wenn ich wissen möchte wie es läuft, oder beim WAP<br />
anrufen. Aber wenn etwas brennt, dann muss das raus. Und bei mir haben sie die Plattform und<br />
du (L) hast keine Zeit dafür. Du hast deine Fächer, die du unterrichten musst.<br />
I: Ja, das ist ein riesiger Vorteil.<br />
L: Und dann habe so auch noch die Aussensicht der Stimmung in der Klasse, so wie P. das<br />
insgesamt einschätzt, dass sie beispielsweise so aggressiv daher kommen. Das ist jetzt genau<br />
die Sache, die läuft, das hilft dann eben insgesamt auch noch.<br />
P: Ja, auch wenn ich einen neuen Schüler im Projekt habe und merke, dass dies alles völlig<br />
verändert hat, so wenn man den Teamprozess anschaut. Sobald jemand Neues ins Team<br />
kommt, muss jede Rolle neu definiert werden. Dies kostet unheimlich Energie. Der Kerl hat<br />
unheimlich viel Unruhe reingebracht und das musst du ausdiskutieren, das kannst du forcieren,<br />
das kannst du nicht unter den Teppich kehren.<br />
I: Also alles in allem auch eine tolle Unterstützung, eine Entlastung für die Lehrperson.<br />
L: Ja, ich muss wirklich sagen, wenn es das nicht gäbe und ich wüsste, was da alles gemacht<br />
werden müsste, ich würde immer denken, das leistest du ja gar nicht. Da machst du irgendwas<br />
nicht, was du eigentlich machen müsstest. Das ist natürlich Entlastung, zeigt einem selbst auch,<br />
worauf man noch mehr achten muss. Das ist wirklich unwahrscheinlich wichtig.<br />
4.3 Interview mit der Schulleiterin<br />
Interview 9.3.11<br />
Ort: Schule G., ZH<br />
Zeit: ca. 11.00 – 11.40 Uhr<br />
Interviewerinnen: Martina Sommerau, Irma Adank, (I)<br />
Teilnehmer: Schulleiterin P.B., 47 Jahre alt, (B), Projektleiter P., 37 Jahre alt (P)<br />
I: Könnten Sie aus Ihrer Sicht mal ein bisschen über das LIFT-Projekt erzählen?<br />
B: Also ich denke, ich muss zuerst etwas zur Funktion sagen. Ich begleite nämlich nur ein wenig,<br />
übergebe sehr viel Verantwortung an P. Von der Funktion her bin ich von der Schule QUIMS-<br />
Beauftragte, das heisst Qualitätssicherung in multikulturellen Schulen, und LIFT ist da ein<br />
Teilprojekt drin. Das heisst ein Teil des Lohnes, den wir bezahlen, bekommen wir vom Kanton.<br />
Ich bin dort seit einem Jahr Delegierte, also seit gut einem halben Jahr. Ich habe den Job von<br />
einer Lehrperson übernommen, die sehr engagiert war, die in diesem Bereich auch<br />
Ausbildungen machte. Ich habe noch keine, oder ich habe keine, ich weiss nicht ob ich dies je<br />
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machen werde, ob es das dann noch gibt. Das Problem ist, dass ich seit einem halben Jahr in<br />
der Schulleitung bin und dort die Ausbildung mache und zwei nebeneinander kann ich nicht<br />
machen. Der Vorteil ist, dass es jetzt an die Schulleitung angegliedert ist, weil viele Probleme<br />
sowieso mit der Schulleitung besprochen werden müssen. Ich bin in ein gut funktionierendes<br />
Projekt hineingerutscht, das ich einfach von Aussen etwas begleiten kann. Ich bin sehr<br />
überzeugt, dass das etwas Gutes ist. Wir haben drei Sachen die parallel laufen. Das eine ist die<br />
Berufswahl bei den Klassenlehrpersonen. Dann haben wir in der dritten Oberstufe IMPULSIS,<br />
und als drittes in der zweiten Oberstufe den Jahrgang LIFT der beginnt und bis Dezember der<br />
dritten Klasse läuft. Es sind nur C-Schüler drin, ich sage, das sind diejenigen, die auch am<br />
meisten Unterstützung brauchen, die es sowieso schwierig haben, einen Beruf zu lernen und<br />
ich denke, P. kann denen etwas mitgeben, das die anderen einfach so selbstverständlich<br />
mitbringen oder einfacher lernen. Und zum Teil, wenn ich dir (P) zuhöre, höre ich heraus, dass<br />
du in deiner Position anders mit den Schülern sprechen kannst als wir Lehrpersonen. Ich<br />
reagiere auch darauf und sage, deine Kleidung gefällt mir nicht unbedingt. Ein banales Beispiel,<br />
ein C-Schüler hat am letzten Donnerstag die Hose wirklich unter dem Po gehabt und ich habe<br />
ihm ganz sachlich gesagt, dass ich eigentlich keine Lust habe, seine Unterhosen anzuschauen.<br />
Da weiss ich, dass das nicht alle Lehrpersonen so sagen könnten, und bei dir (P) verlangt man<br />
es, du musst es und kannst es auch sehr, sehr direkt sagen. Das ist wie auch ein Vorteil, wenn<br />
es nicht Lehrpersonen sind.<br />
I: Eine gewisse Distanz auch haben.<br />
B: Ja, genau. Und ich erhoffe mir schon, ich hoffe auch, dass sich diese Schüler draussen positiv<br />
zeigen können und unter Umständen, gerade dadurch dass sie gute Arbeit geleistet haben, zu<br />
einer Lehrstelle kommen. Und bei den einen klappt’s und bei den anderen klappt es immer<br />
noch nicht. Aber verloren haben wir in dem Sinn wie nichts, also ich stehe wirklich voll dazu.<br />
I: Es hat auch gut getönt. Und auch was den Umgang unter den Schülern selber betrifft. Auch im<br />
sozialen Bereich kann es wertvoll sein, wenn man jemanden beizieht, der eine gewisse Distanz<br />
zum Ganzen hat. Und vielleicht noch etwas anderes bewirken kann als der Lehrer.<br />
B: Ja, ja, das denke ich schon auch, dass das mit (?153) zu tun hat. Und ich weiss es gar nicht,<br />
sind die per du mit dir?<br />
P: Nein. Das probieren sie zwar die ganze Zeit wenn sie da sind, das Perdu, aber wenn wir dann<br />
am Schluss Duzis machen, können sie es nicht.<br />
B: Aber eben, es ist etwas anderes und es gibt auch auf eine andere Art eine Nähe. Und ich weiss<br />
nicht, wie fest du sie bestrafen musst, wenn du sie bestrafst, dann heisst das, du bist momentan<br />
ausgeschlossen. Aber sie wollen ja etwas und eine Bestrafung tut ihnen glaube ich einfach<br />
sehr, sehr weh wenn sie nicht mehr am Projekt teilnehmen dürften.<br />
P: Ja, die Konsequenz ist schon so. Ich realisiere, J. hat mal gesagt, irgendwann habe ich gesagt,<br />
jetzt müsse ich etwas machen, jetzt habt ihr etwas verbockt, jetzt muss ich euch Konsequenzen<br />
spüren lassen. Was soll ich machen? Es ging konkret um eine Schülerin. Der J. sagte dann,<br />
machen Sie doch einen Eintrag. Nein, Einträge bringen mir nichts. J. hat dann gesagt, ja,<br />
genau, die bringen nämlich gar nichts. Sagt mir eine Schülerin, man muss irgendetwas bieten,<br />
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das ihnen weh tut und wenn es der Verlust des Wochenarbeitsplatzes ist oder den Verlust des<br />
Projektplatzes, dann ist es das. Und das ist dann nicht ein Schüler, der verloren hat, sondern<br />
die letzte Lehre gezogen hat in dem Projekt. Wenn er merkt, aha, ich kann auch etwas<br />
verlieren, oh, das tut weh. Das ist dann für mich die letzte Möglichkeit die ich noch habe. Aber<br />
es ist dann nicht einfach ein Schüler, der verloren ist. Und ich habe letzthin erfahren, ich sei der<br />
strengste Lehrer.<br />
I: Sie waren ja nicht diejenige, die das Ganze initiiert hat. Sie sind ja erst ein halbes Jahr<br />
Schulleiterin. Wissen Sie aber, ob es gewisse Hindernisse auch gegeben hat um dieses Projekt<br />
einzufädeln? Oder ist das von Anfang an auf offene Ohren gestossen? (230)<br />
B: Ich weiss wirklich nicht wie der Start war. Ich kann es nicht sagen. Bevor ich hier drin war, war<br />
ich im QUIMS-Team. Bei Vorbesprechungen haben wir teils schon Sachen angeschaut. Ich<br />
sage einfach, was immer wieder ein Handicap ist, sind die Kosten. Das kann man wirklich<br />
sagen. Dort gab es auch Absprachen mit dem Sozialamt, denn wo landen nachher diese<br />
Schüler, die keine Lehrstelle haben? Also wie stehen die Kosten, wenn sie allenfalls anstehen,<br />
wenn sie keine Lehrstelle haben, oder wenn wie jetzt präventiv etwas unternehmen? Dies<br />
wurde verglichen. Was die Probleme allenfalls sein könnten, ist auch das Zusatzprogramm,<br />
Lehrpersonen, die ihre Schüler aus der Klasse geben müssen, je nach Lehrperson kann es da<br />
unterschiedliche Reaktionen geben, der Klassenlehrer hat nicht mehr einfach die ganze Gruppe<br />
bei sich. Und vielleicht ein Stückchen weit auch Abgrenzungsprobleme, wer denn genau was<br />
macht. Die alljährliche politische Frage, braucht es IMPULSIS, braucht es LIFT parallel.<br />
I: Können Sie uns ganz kurz erklären was das IMPULSIS ist, denn wir kennen das nicht.<br />
B: Ich weiss gar nicht, ob IMPULSIS ein kantonales Projekt ist, ich meine das wird einfach in den<br />
verschiedenen Schulgemeinden angeboten. Das ist auch eine Dienstleistung, die wir einkaufen.<br />
Ein bis drei Personen kommen an einem Halbtag hier rein, und man geht dort ganz konkret bei<br />
der Lehrstellensuche Hilfe holen. Also sie gehen nicht so weit wie das LIFT. Und ich sage mal,<br />
der Vorteil ist auch, dass es nicht nur auf die C-Schüler beschränkt ist, sondern es ist auch für<br />
die B- und A-Schüler. Es ist für Schülerinnen und Schülern, die Mühe haben, und das kann<br />
durchaus sein, dass eine Sek-A-Schülerin Mühe hat, die sich vielleicht schlecht verkauft, die<br />
noch in die falsche Berufsrichtung geht. Und das wird dort besprochen. Und im Vergleich zu<br />
LIFT haben wir dort ein ganz enges Korsett, ein Kontingent. Wir kaufen x Besprechungen ein,<br />
und wenn ein Schüler eine Lehrstelle gefunden hat, wo man sagen kann es sei ok und gut,<br />
dann können sie das für die Statistik brauchen, wir haben mitgemacht, egal auf welcher<br />
Schiene es eigentlich gelaufen ist (?328). Dann ist das Kontingent wie erfüllt. Man kann dann<br />
nicht sagen, der Schüler fällt heraus, wir schicken jemand Neues, sondern der Job ist erfüllt.<br />
Aber eben, es ist weitergefasst, A, B und C, und klar sagt man, B und C müssten mehr haben<br />
als die Sek A, wo es vielleicht einfacher ist. Und wir sagen, eine Sek C, die bisher im LIFT war,<br />
zwar Pech gehabt hat, aber engagiert ist, darf durchaus noch ins IMPULSIS gehen. Aber ein<br />
Sek-C-Schüler, der einfach ein fauler ist, der sich nicht engagiert und vielleicht noch nicht reif<br />
ist, dann möchte man diese IMPULSIS-Plätze einfach für jemand anderen frei behalten, wo die<br />
Chancen bestehen.<br />
56
I: Diese Schüler gehen dann einzeln zu diesen Personen?<br />
B: Ja, und man sagt dort einfach sehr kurzfristig – wir haben so 20, 30 min Rhythmen - du hast<br />
den Termin, dann gehen die raus, besprechen und kommen dann in die Klasse zurück. Und sie<br />
machen auch Elterngespräche, sie machen also eine recht enge Betreuung mit dieser<br />
Schülerin, einfach zur Unterstützung der Lehrperson. Und der Bereich von LIFT ist einfach viel<br />
weiter.<br />
P: Genau, ich klammere Berufswahl, Berufssuche und Bewerbung aus, das liegt nicht in meiner<br />
Kompetenz, das überlasse ich dem Lehrer und eben dem IMPULSIS. Dort sind so die<br />
Überschneidungen, die es halt gibt.<br />
I: Jetzt muss ich noch etwas von vorher nachfragen. Die Lektion die du erteilst, findet die nach<br />
der Schule statt?<br />
P: In diesem Schulhaus habe ich die Möglichkeit, diese während der Schule zu erteilen.<br />
I: Was machen denn die zwei, die beim LIFT nicht dabei sind?<br />
P: Was machen die? Weisst es du (B)? Die haben immer etwas zu tun.<br />
I: Die sind einfach beim Lehrer?<br />
P: Genau.<br />
I: Stand es mal zur Diskussion, das ganz LIFT in den Schulunterricht zu integrieren?<br />
B: Das ist es ja eigentlich.<br />
I: Sie gehen ja am Mittwochnachmittag arbeiten, dass man das versucht im...<br />
B: Ah, nein, nein, ich denke mir, das ist durchaus ok und gut, also ich unterstütze dies sehr, die<br />
sollen etwas dafür tun. Also ich meine alles auf dem Silbertablett zu servieren und sagen, du<br />
kommst... nein, es muss auch dort ein Engagement spürbar sein. Sie sollen wie auch erkennen,<br />
es ist positiv, wenn ich das mache. Und ganz banal gesagt, und vielleicht sind einige auch froh,<br />
dass sie wissen was machen an einem Mittwochnachmittag oder... Also ich war am Samstag<br />
wieder im grossen Einkaufszentrum, es ist ein Graus, wie viele ihre Freizeit dort verbringen. Der<br />
Sinn und die Gestaltung ihrer Freizeit.<br />
P: Auch aus der Sicht des Lehrbetriebs, der diese Schüler anschaut und sieht, wie bitte,<br />
Mittwochnachmittag, während einem Jahr hat der zum Arbeiten investiert während eben die<br />
anderen im Einkaufszentrum hangen, das sagt extrem viel aus. Und wenn man das einfach<br />
wieder integriert, eben das Servieren auf dem Silbertablett...<br />
I: Das wird dann auch weniger geschätzt...<br />
P: Ja.<br />
I: Das was E. vorhin sagte, war ja sehr positiv, es ist zwar schönes Wetter, aber ich zieh das jetzt<br />
durch, ich gehe hin, habe gute Laune, das ist natürlich eine Riesenlehre.<br />
B: Es könnte natürlich wie eine falsche Motivation sein, wenn das während des Schulunterrichts<br />
ist. Ich gehe, weil es einfach easier ist als Mathe zu büffeln. Also das kann ja nicht sein.<br />
I: Wir hatten nur den Gedanken, dass es bei uns evtl. schwierig sein könnte. Mittwochnachmittag,<br />
Ski fahren, dort ein Training am Samstag. Aber diese Motivation ist natürlich durchaus ein<br />
Gedanken, der Sinn macht.<br />
57
B: Ja, ich sage mal, die idyllische Stimmung vom Bündnerland, die ich höre, kann man kaum mit<br />
unseren Schülern vergleichen. Denn die gehen auch wenn sie frei haben, nicht Ski fahren. Sie<br />
können nicht Ski fahren, und haben sehr wahrscheinlich nicht die finanziellen Möglichkeiten<br />
dazu. Ihre Freizeitbeschäftigung wird wahrscheinlich gamen, Fernsehen und das<br />
Einkaufzentrum sein.<br />
I: Ja, solche haben wir auch, bei uns ist auch nicht alles idyllisch (lachen). Aber es ist bestimmt<br />
ein Unterschied, das ist uns bewusst.<br />
Bei den alle drei Monate stattfindenden Standortgesprächen sind Sie auch dabei?<br />
B: Ich bin nicht dabei. Ich werde beigezogen...<br />
P: Also du meinst jetzt glaub ich die Gespräche, die ich unmittelbar vor oder nach den Ferien mit<br />
den Lehrpersonen mache? Oder die mit den Schülern?<br />
I: Mit den Lehrpersonen auch.<br />
P: Lehrpersonen, wenn ich die informiere, einen Statusabgleich mache, da hole ich Frau B. gerne<br />
dazu, da ist sie ein Teil davon. Das ist aus meiner Sicht wichtig. Die Besprechung wenn man<br />
nach drei Monaten einen WAP abgeschlossen hat, das ist etwas zwischen Lehrbetrieb und<br />
Schülern, da halte auch ich mich raus. Ich interveniere nur, wenn etwas schief läuft, wenn sie<br />
nicht kommen und ansonsten soll diese Verantwortung der Schüler komplett übernehmen. Das<br />
ist wirklich die Idee, das heisst auch das Gespräch dort, das wird wie in einer Lehre, zwischen<br />
dem Betrieb und dem Schüler stattfinden. (526)<br />
B: Und das mit den Lehrpersonen, das ist auch etwas, das glaube ich so langsam kommt, das du<br />
(P) mit dem Lehrer H. noch weniger gemacht hast...<br />
P: Diese Besprechungen? Dort war noch die Situation mit Frau A., dass auch jemand dabei war,<br />
die auch permanent im Schulhaus war und so hat ein bisschen ein Abgleich stattgefunden. Wie<br />
gut die Qualität ist, kann ich so nicht sagen. Im Moment bin ich froh, dass ich das so lösen<br />
kann. Im Moment weiss ich nämlich genau, dass ich alle Fäden in der Hand habe, ich weiss<br />
haargenau, wo was passiert. Von aussen her sieht es aus, als würde dies viel zu tun geben,<br />
das ist so, aber so kann ich auch ganz viele Verluste an Informationen vermeiden, die erst über<br />
Drittpersonen zu mir kommen. Ich bin der direkte Bezug überallhin und das hilft.<br />
B: Und es ist schon so, in diesem Jahr haben wir zwei neue Lehrpersonen, die LIFT so gar noch<br />
nicht so gut kennen und ich wie sage, ich möchte dabei sein um auch Fragen klären zu können.<br />
Und wenn es um einzelne Schüler geht – häufig machen ja diejenigen Probleme, die auch im<br />
Schulbetrieb Probleme machen. Ich erfahre auch als Schulleiterin gute Sachen und zum Teil<br />
reagiere ich auch. Es kam nun schon zweimal vor, dass ich in meiner Position gleich<br />
nachgedoppelt habe und gesagt habe, heh, wir haben über dich gesprochen, und eins sag ich<br />
dir, dein Verhalten bewirkt, dass du ausgeschlossen wirst und ich werde dies voll unterstützen.<br />
Und beim einen ist es jetzt recht gut. Und bei der zweiten habe ich nun einen Vertrag gemacht<br />
und sie hat mir gestern bestätigt, dass sie es bis jetzt eingehalten hätte. Aber ich muss dann<br />
noch die andere Seite fragen, ob das so auch stimmt. Aber ich sehe, dass ich mit relativ wenig<br />
Aufwand so einen Klassenlehrer oder auch dich unterstützen kann. Ich denke, wenn sie hören,<br />
58
dass es nicht nur LIFT ist, nicht nur der P. der dort drin ist, sondern da kommt eine Schulleiterin<br />
und weiss, dass ein Schüler das und das nicht macht...<br />
P: Dann wissen sie, dass wir miteinander sprechen und diese Ausspielereien werden<br />
aussichtsloser.<br />
B: Und bei diesem Mädchen... es ist etwas ganz, ganz einfaches, aber das merke ich auch als<br />
Lehrperson, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass sie die Jacke ausziehen. Die haben<br />
das Gefühl, sie könnten mit der dick gepolsterten Winterjacke werken, „sie, ich habe kalt“, und<br />
das war bei diesem Mädchen ein Problem, dass sie einfach die Jacke nicht auszieht. Ich muss<br />
sagen, das sind Kleinigkeiten, aber diese Kleinigkeiten können dann eben dazuführen, dass<br />
jemand sagt, ich nehme dich nicht.<br />
P: Also ein ganz banales Beispiel, wenn sie es sich nicht gewohnt sind, reinzukommen und die<br />
Jacke auszuziehen und zu fragen, wo kann ich diese aufhängen. Stellt euch jetzt mal ein<br />
solches Bewerbungsgespräch vor. Die Jacke nicht auszuziehen macht den Eindruck, eigentlich<br />
möchte sie gleich wieder gehen. Die hat noch etwas abgemacht, will so rasch wie möglich<br />
dieses Gespräch durchwürgen. Sich Zeit zu nehmen, bereit zu sein, Anstand, Respekt, das zollt<br />
von Respekt, von Kinderstube, wenn du so einfache, simple Sachen wieder weckst. (641)<br />
I: Ja, das habe ich dir schon gesagt, das ist etwas vom Wichtigsten, diese Selbst- und<br />
Sozialkompetenz, die du ihnen beibringst, weil sie zum Teil wirklich nichts von zu Hause<br />
mitbekommen. Das ist genau das, was ihnen fehlt, wofür man als Lehrer oft zu wenig Zeit hat,<br />
zu wenig Raum hat, immer kann man sich auch nicht auf alles einlassen.<br />
Und es ist der Lehrer, der das sagt, wenn das mal jemand von Aussen sagt, ist das vielleicht<br />
gar nicht schlecht.<br />
B: Das verrückte ist manchmal, dass ich denke, ich sehe, so behaupte ich von mir, noch relativ<br />
viel. Aber es gibt ganz viele Lehrpersonen, die das nicht sehen. Ich merke auch – ich sage so<br />
diese Tussitäschchen – die ziehen sie bei mir auch nicht mehr aus. So kannst du nicht arbeiten.<br />
Oder sie ziehen bereits schon die Jacke an, nehmen das Tussitäschchen raus zum Aufräumen.<br />
Das hat beim Aufräumen einfach nichts zu tun. Da muss ich sagen „Stopp“, wieder „jekami“, wir<br />
sind noch nicht am Gehen und jetzt wird zuerst noch die Arbeit fertig gemacht. Oder ich sage<br />
noch etwas Unterstützendes weil ich Werken unterrichte. (?690) Letztes Jahr habe ich an einer<br />
solchen Sitzung gehört, wo hat der Schüler ein Defizit? Und dann habe ich gesagt, komm, jetzt<br />
überlegen wir uns gleich im Werken Fragen. Was könntest du den Lehrmeister fragen, wenn du<br />
so einen Auftrag bekommst? Und dann haben wir das ein paar Mal durchgespielt. Was geht dir<br />
jetzt im Kopf vor, wenn ich sage, du sollest den 10er-Bohrer rausnehmen. Du kannst dir ja<br />
überlegen, wo du etwas Bohren musst, wieso ein 10er-Loch bohren, x solche Sachen. Welchen<br />
Bohrer brauche ich? Einfach solche Sachen, bei denen ich denke, ist mein Werken sehr nahe<br />
an dem, was die Schüler draussen machen.<br />
I: Hat denn die Berufswahl durch dieses Projekt grundsätzlich an Stellenwert gewonnen? Ist es im<br />
Schulalltag präsenter?<br />
B: Ich denke einfach bei den Lehrern, die mittendrin sind. Ich würde sagen, es wäre zu<br />
optimistisch gesagt, dass sich eine Sek A gross für LIFT interessieren würde.<br />
59
P: Nein, dafür müssten sie es miterleben. Aber ich meine, wenn man natürlich eine Sek A drin<br />
hätte, könnte man natürlich auch auf einer ganz anderen Ebene Sozialkompetenz betreiben.<br />
Aber da bist du an der Basis, da geht es darum, ein Telefon vernünftig abzunehmen, einen<br />
Namen sagen, eine Jacke abziehen. Wenn das klar ist, kannst du einfach die nächste Ebene<br />
angehen. Man könnte immer, aber eine Sek A ist in der Regel fit genug, dass sie in der Lage<br />
sind, sich selber um eine Lehrstelle zu kümmern, oder sollten es jedenfalls. (742)<br />
B: Also ich denke in der Sek C ist es schon sehr präsent.<br />
P: Ja, ja, also nicht nur bei denen in der Schule, sondern auch bei denen, die schon draussen<br />
sind. Ein Schüler aus dem letzten Projekt, hat mich angerufen und gefragt, warum sein Kollege<br />
aus dem gleichen Schulhaus aus einer B-Klasse nicht mitmachen dürfe. Es wird draussen bei<br />
Jugendlichen diskutiert. Auch diese Interviews mit den Lehrlingen, ich möchte wie vermehrt<br />
versuchen, die Jungen reinzuholen für so kleine Teilaufgaben, für kleine Projekte. Sie sagen<br />
nämlich, sie würden gerne etwas machen, ruf mich an, wenn du etwas hast.<br />
I: Ich habe noch eine organisatorische Frage. Kleinklassenschüler sind im C integriert. Es gibt<br />
keine separierten Kleinklassen mehr?<br />
B: Nein, also zum Teil kann man sogar sagen, sie sind im B. Also solche, die in der Primar in der<br />
Kleinklasse waren, sind jetzt zum Teil auch im B integriert, je nachdem wo sie ihre Defizite<br />
haben.<br />
I: C ist ja wie die Kleinklasse, oder nicht? – Nein, das ist im Prinzip die Real, oder?<br />
B: Das ist eben schon von Kanton zu Kanton verschieden, dass wir wie drei Niveaus hatten und<br />
dann die Kleinklasse, eigentlich also vier. Ich bin ja Luzernerin, wir hatten nur zwei, Sek und<br />
Real und dann das Werkjahr oder die Kleinklasse.<br />
I: Dann ist eigentlich A die Sek, B die Real und C die Oberschule, oder wie hiess sie in Zürich?<br />
B: Genau.<br />
I: Dann ist das C eigentlich wirklich das, was bei uns die Kleinklasse war.<br />
B: Ja, und jetzt ist diese Kleinklasse weg und jetzt haben wir einfach A, B und C.<br />
I: Dann gab es dort in dem Sinn keinen grossen Unterschied, wie wenn plötzlich die Kleinklassen<br />
aufgelöst und in der Real integriert würden. Die Berufswahl ist für die ehemaligen<br />
Kleinklassenschüler ein grosser Punkt. Und der kommt ja sonst gerne zu kurz in den<br />
integrativen Oberstufen.<br />
B: Es gab natürlich schon eine grosse Aufruhr als das aufgelöst wurde. Die sind dann plötzlich<br />
integriert worden (Kleinklasse in Oberschule). Und in der Kleinklasse hatten wir etwa 8 Schüler<br />
und jetzt hast du die irgendwo in einer 15er-Gruppe drin. Und gerade auch beim Wechsel, mit<br />
der Zeit weisst du nicht mehr wer eigentlich ein Kleinklassenschüler gewesen wäre, das sind<br />
dann einfach alles C-Schüler. Jetzt habe ich immer genau sagen können, wer ist im C ein<br />
Kleinklassenschüler, und dann musste man wirklich auch sagen, teils sind sie wirklich zu wenig<br />
gefördert worden in einem C, wo man wirklich sagen musste, in einer Kleinklasse wären die<br />
besser gefördert worden.<br />
I: Das sehe ich bei uns oben auch so. Mit dieser integrativen Massnahme, wo man einfach nur<br />
noch Realschüler hat, dass die noch zusätzliche Unterstützung bräuchten.<br />
60
Das Projekt scheint da wirklich auch eine wertvolle Unterstützung für die Lehrperson zu sein.<br />
B: Ja. Teils Schüler schaffen es problemlos ins C integriert zu werden und teils halt eben nicht.<br />
Und das ist ein Riesenverlust. (856)<br />
I: In einer Kleinklasse war es auch einfacher einem die Möglichkeit zu geben, mal an einem<br />
Nachmittag spontan schnuppern zu gehen. Mit den stündlichen Lehrerwechseln ist die<br />
Organisation von so etwas viel schwieriger.<br />
B: Und sie haben eben auch Mühe sich immer wieder auf neue Personen einzulassen. (868)<br />
Interview eigentlich beendet, B. füllt noch Dokumentationsbogen aus, P. erzählt noch etwas weiter.<br />
P: Für mich ist es natürlich lässig, dieses Projekt an einem Ort machen zu können, wo du merkst<br />
dass sie auch dahinter stehen, wo du Lehrer und Schüler hast, die mitmachen. Ich habe ja<br />
sogar das Glück, ein eigenes Zimmer zu haben. Einen Raum den ich habe und sie kommen<br />
dann zu mir. Das ist auch noch ein Punkt, ich komme nicht zu ihnen rein, so als Fremdkörper,<br />
sondern man trifft sich so neutral wieder. Ich übte da viel mit der Bestuhlung, wie mache ich es,<br />
dass die Schüler die Chance haben, bei sich zu bleiben?<br />
I: Sind deine Stunden eher Randstunden?<br />
P: Das hat sich so eingebürgert, dass diese am Freitagmorgen von 8 bis 12 Uhr sind. Dort kann<br />
ich mich orientieren. Und zum Teil verlieren sie Lektionen, ein Schüler, der ist aufgestuft<br />
worden, und kommt trotzdem weiterhin, dem tangiert es keine Stunden, der hätte dann frei und<br />
kommt trotzdem. Und bei den anderen, ja, werden Stunden tangiert.<br />
I: Es stehen nicht nur die Schüler, sondern auch alle Lehrpersonen dahinter.<br />
P: Die zwei Lehrpersonen, die ich jetzt habe, stehen dahinter, sie finden es glaube ich auch gut,<br />
wenn man immer wieder zusammensitzt und diskutiert. Ansonsten sind sie glaube ich recht<br />
froh, dass es sie nicht tangiert, also dass nicht noch mehr Arbeit hineinverlegt wird, weil es<br />
etwas ist, das nebenher autonom läuft, sie zwischendurch einfach einen Statusabgleich<br />
bekommen.<br />
B: Vielleicht ist es auch einfacher, oder eher anders, wenn du in ein Schulhaus hineinkommst und<br />
sagst, dieses LIFT-Projekt haben wir seit mehren Jahren und sie kommen so rein. Weil im<br />
andern Jahr mit den Lehrerinnen M. und B., die waren vorher schon da und dann ist<br />
irgendwann LIFT dazugekommen. Ich sage, die haben vielleicht wie mehr Fragen oder andere<br />
Fragen, kritischere Fragen und dort ist es vor allem auch im die Stunden gegangen.<br />
P: Ja, am Schluss ist es um die Stunden gegangen und da haben wir auch ein wenig Lehrgeld<br />
bezahlt. Informationen, habe ich gemerkt, hätten dort mehr fliessen müssen um ihnen auch ein<br />
bisschen mehr Sicherheit zu geben. Aber es ist jetzt so, jetzt probiere ich das anders zu<br />
handhaben.<br />
B: Wir machen immer wieder Erfahrungen und lernen Neues dazu. Und ein Lehrer hat das sehr<br />
bedauert, ein Jahr haben wir es nämlich ausgelassen. Und der nächstjährige Lehrer wird auch<br />
sehr froh sein darüber.<br />
I: Ist die Neugestaltung des 9. Schuljahres ein Thema?<br />
B: Ja, da sind wir voll drin. Unsere zweite Oberstufe macht jetzt Stellwerksteste. Also die sind<br />
schon durch und die Elterngespräche finden jetzt dann statt. Wir sind daran, die Stunden diesen<br />
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Profilen zuzuschieben. Und sind sehr gespannt, dies gibt nämlich riesige Auswirkungen<br />
behaupte ich auf die Fachlehrpersonen. Bei den Lehrpersonen nimmt mich der Projektunterricht<br />
wunder, wie läuft das, wie wird das organisiert? Dann auch ein neues Fach – jetzt muss ich<br />
gerade studieren – die Atelierstunden, wie das funktioniert und abläuft. Wir müssen wie auch<br />
sagen, wir brauchen ein Jahr um dort Erfahrungen zu sammeln. Jetzt kann man tendenziell<br />
sagen, etwa die Hälfte der Schüler machen das, ein Drittel geht in so ein Fach. Ich konnte für<br />
mich auch immer sagen, ich kann davon ausgehen, dass ich so und so viele Stunden im<br />
Wahlfach habe. Und jetzt muss man einfach sagen, wir wissen nichts, wir haben keine Ahnung.<br />
Und bei den Fachlehrpersonen, die auf eine gewisse Anzahl Stunden angewiesen sind, können<br />
wir einfach nichts versprechen. Ich bin sehr, sehr gespannt, wie es den Schülern geht, wie es<br />
den Lehrpersonen geht, wie die das schaffen, wie selbstständig können die Schüler sein? Es<br />
wird nämlich sehr viel Selbstständigkeit verlangt, müssen wir in Zukunft bereits in der ersten<br />
Klasse die Schüler auf das hin vorbereiten? Das schauen wir.<br />
I: Das wird nun in Zürich flächendeckend eingeführt?<br />
B: Ja. Im Sommer 2010 war der Start mit der 2. Sek mit dem Stellwerktest. Die kommen ja dann<br />
nächstes Jahr in die letzte Oberstufe. Das heisst, sie können jetzt Fächer wählen für die 3.<br />
Oberstufe. (1078)<br />
Es folgt noch eine zweiminütige Diskussion zu diesem Thema, die wir aber für unsere Arbeit als nicht<br />
relevant betrachten und somit auch nicht transkribieren.<br />
4.4 Interview mit dem Jugendlichen<br />
Interview 9.3.11<br />
Ort: Schule G., ZH<br />
Zeit: ca. 10.00 - 10.20 Uhr<br />
Interviewerinnen: Martina Sommerau, Irma Adank, (I)<br />
Teilnehmer: Jugendlicher E., 14 Jahre alt, (E), Projektleiter P., 37 Jahre alt (P)<br />
P: Schön hast du Zeit! Bist du nervös? Nein, ja komm! Was weisst du eigentlich schon? (1547)<br />
E: Ja, sie wollen mich etwas fragen zum Projekt für ihr Diplom.<br />
P: Ja, genau, sie schreiben eine Diplomarbeit und betrachten so verschiedene Jugendprojekte.<br />
Und du bist in so einem Jugendprojekt. Das ist der Verwaltungsrat vom Pflegeheim! Dann<br />
übergebe ich ihn gerne euch. Du kannst einfach so aus dem guten Gefühl heraus beantworten.<br />
Soll ich dabei sein?<br />
I: Wie du möchtest.<br />
P: Gut, also. (bleibt)<br />
I: Es wäre schön, wenn du uns einfach mal ein bisschen über dieses Projekt erzählen kannst, so<br />
wie du das erlebst. Was dir gefällt oder weniger gefällt. Und nachher stellen wir dir dann evtl.<br />
noch ein paar Fragen.<br />
E: Also, das LIFT-Projekt gefällt mir sehr. Es hilft auch für die Lehrstellensuche. Wenn man<br />
Schwierigkeiten hat, z.B. weil wir Sek C Schüler sind. Nach drei Monaten bekommt man so eine<br />
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Beurteilung wie wir gewesen sind. Wir bekommen jeden Mittwoch, nachdem wir ca. 3 Stunden<br />
gearbeitet haben, einen kurzen Bericht (?) Nach drei Monaten bekommen wir eine Originale (?),<br />
wie wir gewesen sind, wie wir gearbeitet haben und so. Es gefällt mir sehr. Ausser wenn es mal<br />
schönes Wetter ist, aber auch wenn es dann „anscheisst“ muss ich trotzdem hin gehen, gut<br />
mitmachen. Ja, sonst gefällt’s mir sehr gut. Es hilft auch sehr viel, zu sehen wie es in der<br />
Arbeitswelt ist, das gefällt mir sehr.<br />
I: Wie lange bist du nun schon an dem Platz?<br />
E: Drei Monate.<br />
I: Und was musst du dort so machen?<br />
E: Ja schon nicht die spannendsten Berufe. Couverts aufmachen, laminieren, kopieren, manchmal<br />
so Dossiers zusammenstellen. Also jetzt nicht die Spannendsten auf einmal. Später wird es<br />
dann immer spannender und spannender. Aber es gefällt mir sehr.<br />
I: Gibt’s auch etwas, das dir nicht so gefällt?<br />
E: Ja, ja, aber trotzdem machen! Trotz schönem Wetter, nachher kann ich raus.<br />
I: Du warst von Anfang an motiviert, an diesem Projekt mitzumachen?<br />
E: Ja!<br />
I: Kannst du noch etwas über diesen ersten Tag erzählen, den ihr hattet? Kannst du dich erinnern<br />
an diesen Outdoor-Tag?<br />
E: Am ersten Tag hatte ich an einem Mittwoch ein Vorstellungsgespräch und sie hat dann gesagt,<br />
ich könne direkt am nächsten Mittwoch anfangen, wenn ich wolle. Ich habe angefangen, es war<br />
alles super. Ausser am ersten Tag, da habe ich – wie soll ich sagen? – gezittert was da wohl<br />
kommt, aber nachher ist alles super gelaufen.<br />
P: Und vom Outdoor-Tag? Weisst du, dort wo wir draussen im Wald waren?<br />
E: Ah, dort, das war ein sehr lässiger Tag. Da haben wir einen Parcours gemacht, da musste man<br />
z.B. von der Klasse ein Kind nehmen, ans Seil binden, das hat mir auch sehr gefallen.<br />
I: Und dort wart ihr als Gruppe unterwegs?<br />
E: Ja, genau, immer als Gruppe. Etwa drei Gruppen oder mehrere. (P zeigt noch ein Foto)<br />
I: Sprecht ihr in der Klasse auch über diese WAP? Erzählt ihr untereinander davon?<br />
E: In der Klasse nicht, jeder hat nämlich sein eigenes Ding und es interessiert nicht, was der<br />
andere macht, jeder will das Beste für sich.<br />
I: Also LIFT findet nur bei Herrn P. statt?<br />
E: Ja, wirklich nur bei ihm, der Lehrer weiss nicht viel über LIFT.<br />
I: In den Stunden von Herrn P., was lernt ihr da so?<br />
E: Das Thema, dass wir uns nicht fertig machen (nicht gegenseitig runtermachen), diszipliniert<br />
sind, nicht beleidigen, nicht auslachen, anständig bleiben. Ja, also wir lernen viele Sachen, das<br />
wir für die Lehrstelle brauchen können.<br />
I: Und du hast alles selbst organisiert um diesen Platz zu bekommen?<br />
E: Ja.<br />
I: Kannst du erzählen, wie es dir beim Telefongespräch gegangen ist?<br />
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E: Also das telefonieren war kein Problem. Als ich anrief, wusste sie ein wenig wer ich bin, der<br />
Herr P. hat vielleicht auch etwas gesagt. Sie sagte, sie hätte mein Telefon erwartet. Ich solle am<br />
Mittwoch um 14.00 Uhr zum Vorstellungsgespräch kommen. Dort war ich. Hat sie mir ein<br />
bisschen gezeigt wie es ist, es ist ein vertraulicher Job, ich darf draussen nicht darüber<br />
sprechen. So habe ich schon in etwa gewusst wie es geht.<br />
I: Was sagen deine Eltern zum Projekt?<br />
E: Meine Eltern sagen, es sei ein sehr gutes Projekt, das einem in der Lehre helfen kann. Es ist<br />
ein sehr wichtiges Projekt. Ich solle es auch ernst nehmen, nicht hingehen und Blödsinn<br />
machen und bis jetzt waren alle meine Beurteilungen sehr gut!<br />
I: Sie unterstützen dich also.<br />
E: Ja.<br />
I: Ihr sprecht auch über Stärken und Schwächen?<br />
E: Ja, ja, das auch.<br />
I: Woran musst du noch arbeiten?<br />
E: Ich muss noch daran arbeiten, andere nicht auszulachen!<br />
I: Hättest du dieses Ziel auch vor Augen, wenn du nicht im LIFT wärst?<br />
E: Ich hätte das so oder so abgewöhnen müssen, ob im LIFT oder nicht. Ich kann ja nicht einfach<br />
jemanden in der Lehre auslachen, wenn ich mit jemandem arbeite, der anders aussieht.<br />
I: Das thematisiert also auch der Lehrer in der Schule.<br />
E: Ja, aber ich sehe, es ist auch schon besser als letztes Jahr.<br />
I: Müsst ihr einen Test absolvieren, damit die Betriebe sehen, was du für ein Schüler bist?<br />
E: Test? Nein, ausser wenn du sehr schlecht bist, können sie dich rausschmeissen. Wenn du nicht<br />
zuhörst, frech bist, dann können sie dich rausschmeissen. Aber Test müssen wir keinen<br />
machen.<br />
I: Dann lernen sie dich einfach am Bewerbungsgespräch kennen.<br />
E: Genau.<br />
I: Hattest du einen Traumberuf, als du ins LIFT-Projekt eingestiegen bist?<br />
E: Ja, das war der Detailhandel. Aber seit ich im LIFT-Projekt bin, möchte ich ins Büro. Wenn ich<br />
im Büro nichts finde, mache ich Detailhandel. Aber wenn ich etwas im Büro finde, habe ich Lust<br />
zuerst zwei Jahre das zu machen und dann eine Weiterbildung, KV B Profil.<br />
I: Also bist du nicht so fixiert auf etwas? (1777)<br />
E: Nein, wenn Büro geht, mach ich das und sonst Detailhandel. Wir hatten letzten Freitag ein<br />
Elterngespräch, ich musste mich entscheiden, in welchem Bereich ich nächstes Jahr mehr<br />
Fächer habe, so für Büro, Verwaltung, Wirtschaft.<br />
I: Kanntest du den Betrieb vorher bereits?<br />
E: Das Pflegeheim? Nein, habe ich nicht gekannt.<br />
I: Dann wurdest du ja richtig ins kalte Wasser geworfen. So bist du gewappnet für die<br />
Lehrstellensuchen. Beginnst du schon in diesem Jahr?<br />
E: Ja, genau, ich fange ein bisschen früher an, besser früher als später.<br />
I: Dann bist du jetzt am Bewerbungen schreiben?<br />
64
E: Ja, ja.<br />
I: Und das macht ihr in der Schule?<br />
E: Ich mache es zu Hause. In der Schule machen wir es vielleicht etwas später. Aber zu Hause<br />
geht es schneller und besser. Und ich habe Onkels, verschiedene, die auch hier eine Lehre<br />
gemacht haben.<br />
I: Aber gelernt wie man eine Bewerbung schreibt habt ihr bereits in der Schule?<br />
E: Gelernt haben wir es einmal, aber das war vielleicht nicht so richtig, für die Schnupperlehre.<br />
Aber jetzt habe ich es richtig gemacht, in der Schule haben wir es nicht 100% gelernt. Aber jetzt<br />
bin ich es zu Hause am Lernen. Die Onkel helfen mir.<br />
I: Kannst du noch etwas zur Berufswahlkunde in der Schule erzählen? Was der Lehrer mit euch<br />
macht.<br />
E: Der Lehrer hat z.B. gefragt, was möchtet ihr gerne machen, wie man das machen kann, wenn<br />
man eher schwach ist kann man EBA machen. Viele gute Tipps, die wir so mitnehmen können.<br />
I: Bewerbungsgespräche übt ihr dort auch?<br />
E: Nein, das machen wir mit Herrn P. Vorstellungsgespräche, Telefongespräche und alles machen<br />
wir bei ihm.<br />
I: Warst du schon in einer Schnupperlehre?<br />
E: Ja, schon zwei. Die habe ich selber gesucht und beide sind sehr gut gelaufen. Ich habe<br />
gesehen, dass Detailhandel Fachrichtung Schuhe mir nicht gefällt. Schon nach zwei Tagen. Ich<br />
musste es durchziehen und trotzdem ist die Beurteilung sehr gut ausgefallen. (1858)<br />
I: Interessieren sich die „Nicht-LIFTler“ der Klasse für das Projekt? Fragen sie manchmal nach,<br />
wie es läuft?<br />
E: Bei uns sind genau zwei nicht im LIFT. Einer ist jetzt ausgestiegen, warum genau weiss ich<br />
nicht. Und einer wollte nicht, weil er auf seinen Hund aufpassen müsse. Aber es interessiert<br />
mich auch nicht, was die zwei machen.<br />
I: Besprecht ihr jede Woche, was gut gelaufen ist und was nicht?<br />
E: Ja, das machen wir bei Herrn P. Es gibt eine Beurteilung und er fragt wie es gewesen sei. Das<br />
machen wir jede Woche. Oder wir gehen zu ihm und sagen, es ist nicht gut gelaufen. Ausreden<br />
finden, warum wir nicht gegangen sind, sagen, ich hätte den Finger verstaucht oder sagen, es<br />
hätte einen „angeschissen“, keine Ausreden suchen. (?)<br />
I: Dann gehst du jetzt voller Zuversicht auf die Lehrstellensuche?<br />
E: Ja.<br />
I: Man merkt auch anhand dieses Interviews, dass schon viel vorhanden ist, dass du schon gut<br />
kommunizieren kannst. Schön locker, so kommt das bestimmt gut. Kommt dir sonst noch etwas<br />
in den Sinn zum Projekt? Etwas, das dir vielleicht aus Herrn P.s Stunden noch speziell in<br />
Erinnerung geblieben ist?<br />
P: Hat dir etwas noch speziell gefallen?<br />
E: Ja, dass wir uns nun alle bei den Firmen bedankt haben, wir haben alle eine Foto für den WAP<br />
gemacht, das wollten sie. Sie hatten Freude.<br />
I: Haben deine Eltern auch etwas mit dem Projekt zu tun? Du, P. triffst die Eltern nie?<br />
65
P: Die Eltern treffe ich nie. E.s Eltern sind irgendwann mit dem Lehrer zusammengesessen, zu<br />
dritt haben sie dieses Projekt angeschaut und alle haben unterschrieben. Und ich habe mit E.<br />
zu tun. Elternarbeit ist ein bisschen ein Thema, wenn du das betreiben möchtest, dann brauchst<br />
du gleich das doppelte Budget. Bei einigen, bei E. jetzt nicht, bin ich einfach nur froh, wenn mir<br />
die Eltern nicht reinfunken. Über Eltern können wir ja nachher noch etwas reden, da gibt es<br />
auch kulturelle Hintergründe, wie die Leute das wahrnehmen, was ist eine Lehre? Das wird oft<br />
gar nicht richtig verstanden. Mir geht es schon darum, dass E. nach Hause geht und sagt, hei,<br />
das ist das was ich mache. Da müssen sie sich zu Hause auch eine Plattform schaffen, und<br />
den Eltern erklären, was sie eigentlich gerne möchten, für ihre Herzenswünsche einstehen.<br />
An E: Hast du das Gefühl, die Sachen die wir thematisieren, die Aggression, tut das der Klasse<br />
gut?<br />
E: Ja, das ist für unsere Klasse ein sehr grosser Vorteil, weil manchmal jemand gemobbt,<br />
ausgelacht wird, und das tut jetzt gut. Man merkt das, vor den Sportferien hat jeder jeden<br />
ausgelacht, der ist dumm. Jetzt, seit wir das Thema ein wenig angefangen haben, läuft es viel<br />
besser. Manchmal gibt es vielleicht einen Ausrutscher, aber es läuft viel besser als vorher.<br />
I: Wenn so ein Problem auftaucht, geht ihr dann damit zu Herrn P.?<br />
E: Ja, manchmal. Oder man kann auch alleine mit ihm reden.<br />
I: Wir sehen, das Projekt ist auch neben der Berufswahl sehr wertvoll um auch persönlich<br />
weiterzukommen.<br />
Wie sieht es denn nach Abschluss des Projekts aus. Besteht dann immer noch die Möglichkeit,<br />
zu dir, P., zu kommen?<br />
P: Ich weise keine Leute ab. Es ist aber natürlich auch eine Frage der Menge. Ein Schüler aus<br />
dem Pilotprojekt ist auch nochmals vorbei gekommen, der hatte ein Tief in seiner Lehre, der<br />
wollte eine halbe Stunde mit mir zusammensitzen, brauchte eine Motivationsspritze. Und dann<br />
tu ich nicht schwierig. Dann setzten wir uns eine halbe Stunde zusammen. Es ist dann auch ein<br />
Geben und Nehmen. Er ist letztens mal mit noch zwei anderen Lehrlingen hergekommen, dort<br />
habe ich so wie „Lehrlinge im Interview“ gemacht. Das heisst, ich habe Lehrlinge eingeladen,<br />
ich habe Klassen eingeladen, die Lehrlinge haben aus dem Lehrlingsalltag erzählt. Wenn ich<br />
erzähle, sie müssten sich anstrengen in der Lehre, dann hat das keine Qualität. Aber die, die<br />
sind jetzt voll drin. Und der Schüler L. hat dort ein Satz gesagt, als er gesehen hat wie die<br />
Schüler sich benehmen. „He, Leute, ihr seid im C, ihr seid am untersten Punkt und macht<br />
einander gegenseitig fertig. Ihr solltet euch gegenseitig unterstützen!“ Das sind glaube ich<br />
Aussagen, die bei den Jungen schon angekommen sind.<br />
E: Ja, das hat sehr viel gebracht, die haben uns erzählt, wie es ist. Wenn es draussen schön ist,<br />
und jemand auch am Samstag bis 8 Uhr arbeiten muss, dann kann man nicht einfach sagen,<br />
man sei krank, da musst du trotzdem gehen. Und in der Schule geht es einen Zacken schneller<br />
und eben, dass wir uns nicht fertig machen sollen.<br />
P: Ja, und das sind so Programmpunkte, die im Ursprungsprojekt überhaupt nicht bedacht<br />
wurden, ich merke aber, dass ich hier die Plattform und die Lust habe, so etwas zu machen.<br />
Aber das geht wirklich weit über die Grundidee hinaus. (2146)<br />
66
5 Kategoriensystem<br />
Oberka-<br />
tegorie<br />
Frühzeitiger Beginn mit der<br />
Individuelle Förderung<br />
Selbst- und Sozialkompetenz<br />
Berufswahlvorbereitung<br />
Kategorie Definition Ankerbeispiel Kodierregel<br />
Heranführung<br />
an die<br />
Berufswahl<br />
Die Art und Weise, wie die<br />
Jugendlichen das erste Mal mit<br />
der Berufswahl konfrontiert<br />
werden, wie sie an<br />
Berufswahlprojekte herangeführt<br />
werden.<br />
Berufswahl Thematisierung von<br />
berufsspezifischen Fertigkeiten in<br />
der Schule (Bewerbungen,<br />
Lebensläufe, usw.).<br />
Leistungstests.<br />
Zeitpunkt Der optimale Zeitpunkt, mit der<br />
Berufswahl zu starten. Auch im<br />
Zusammenhang mit der<br />
Berufswahlreife.<br />
Persönliche<br />
Begleitung<br />
Zeitliche<br />
Ressourcen<br />
Selbstbewusstsein<br />
Unterstützungs- und<br />
Realisierungshilfen, welche den<br />
Jugendlichen persönlich oder in<br />
kleineren Gruppen geboten<br />
werden.<br />
Die Möglichkeit, Zeit für die<br />
Jugendlichen zu haben.<br />
Das Vertrauen in sich selbst wie<br />
auch in die eigenen Fähigkeiten<br />
aufbauen.<br />
Auftreten Verhaltensweise und<br />
Erscheinungsbild der<br />
Jugendlichen.<br />
Arbeitshaltung<br />
Die allgemeine Einstellung zur<br />
Arbeit (Fleiss, Pünktlichkeit,<br />
Zuverlässigkeit, Sorgfalt,<br />
Durchhaltewille usw.).<br />
67<br />
„Bevor das Projekt<br />
startet, noch vor den<br />
Sommerferien, gibt es<br />
eine Information.“<br />
(Projektleiter LIFT PL)<br />
„Es ist einfach so, dass<br />
die Berufswahl einen<br />
grossen Stellenwert<br />
einnimmt.“ (Lehrperson<br />
LIFT LPL)<br />
„Wenn ich ältere<br />
Schüler habe, schaue<br />
ich, dass die jüngeren<br />
aus der 1. Oberstufe<br />
auch mithören.“<br />
(Lehrperson Mentoring<br />
LPM)<br />
„Mentale Reisen,<br />
Zielvisualisierung, sich<br />
vorstellen, wie sie<br />
irgendwann einen<br />
Lehrvertrag<br />
unterschreiben.“ (PL)<br />
„Die Unterstützung, die<br />
meine Schüler<br />
brauchen, könnte ich<br />
aus zeitlichen Gründen<br />
gar nicht leisten.“ (LPM)<br />
„Das Selbstwertgefühl<br />
kann ich ihnen<br />
versuchen zu<br />
vermitteln, damit sie<br />
wieder an sich<br />
glauben.“ ( Mentor M)<br />
„Und vom Mentoren<br />
habe ich eigentlich<br />
ziemlich gute<br />
Ratschläge bekommen,<br />
wie z.B. jeden Morgen<br />
„Guten Morgen“ zu<br />
sagen.“ (Jugendlicher<br />
Mentoring JM)<br />
„Dieses Thema<br />
verbinde ich oft mit dem<br />
Unterricht, z.B. das<br />
Thema Verbindlichkeit.“<br />
(LPM)<br />
Aussagen zur<br />
ersten<br />
Konfrontation der<br />
Jugendlichen mit<br />
der Berufswahl,<br />
mit<br />
Berufswahlprojekt<br />
en.<br />
Aussagen zu<br />
berufsspezifischen<br />
Fertigkeiten,<br />
welche den<br />
Jugendlichen<br />
unterrichtet<br />
werden.<br />
Aussagen zum<br />
Zeitpunkt des<br />
Berufswahlstarts<br />
und zur<br />
Berufswahlreife<br />
der Jugendlichen.<br />
Aussagen zur<br />
persönlichen<br />
Begleitung der<br />
Jugendlichen.<br />
Aussagen zu den<br />
zeitlichen<br />
Ressourcen,<br />
welche für die<br />
Jugendlichen zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Aussagen zum<br />
Selbstbewusstsein<br />
der Jugendlichen.<br />
Aussagen zum<br />
Auftreten der<br />
Jugendlichen.<br />
Aussagen zur<br />
Arbeitshaltung der<br />
Jugendlichen.
Realbegegnungen<br />
Alternativen<br />
Selbstständigkeit <br />
Selbsteinschätzung<br />
Erfahrungen<br />
in der<br />
Arbeitswelt<br />
Berufserkundungen<br />
Vorbereitung<br />
und<br />
Reflexion<br />
Alternative<br />
Berufe<br />
Level der<br />
Ausbildung<br />
Brückenangebote <br />
UnrealistischeBerufswünsche<br />
Fähigkeit, sich für sich<br />
einzusetzen und Elemente der<br />
Berufswahl selber in die Hand zu<br />
nehmen. Eigenverantwortung.<br />
Die eigenen Fähigkeiten<br />
realistisch erkennen, sich seiner<br />
Stärken und Schwächen bewusst<br />
sein.<br />
Die Jugendlichen verlassen den<br />
Schulalltag und lernen durch<br />
aktives Zupacken die Aspekte<br />
der Arbeitswelt kennen.<br />
Die Jugendlichen lernen einen<br />
Beruf oder einen Betrieb vor Ort<br />
kennen.<br />
Fit machen der Jugendlichen für<br />
die Realbegegnungen.<br />
Nachbereitung der<br />
Realbegegnungen.<br />
Keine Fixierung auf nur einen<br />
Beruf.<br />
Die auf die Jugendlichen<br />
zugeschnittenen<br />
Ausbildungsmöglichkeiten (Eidg.<br />
Fachzeugnis EFZ, Eidg.<br />
Berufsattest EBA, IV-Anlehre)<br />
Mögliche Anschlusslösungen,<br />
wenn keine Lehrstelle gefunden<br />
werden kann.<br />
Auseinandersetzung und<br />
Umgang mit Berufswünschen,<br />
die von den Fähigkeiten her<br />
unrealistisch sind.<br />
68<br />
„Die [Schnupperlehre]<br />
müssen sie selber<br />
suchen, ja. Da müssen<br />
sie selber weibeln.“<br />
(LPM)<br />
„Sie müssen eine<br />
Selbsteinschätzung<br />
anfertigen und dann<br />
sehe ich, wie das mit<br />
der Einschätzung<br />
übereinstimmt, die ich<br />
gegeben habe.“ (LPL)<br />
„Es ging darum, dass er<br />
überhaupt wieder in<br />
einen normalen<br />
Arbeitsprozess<br />
reinkommt.“ (M)<br />
„Berufserkundigungen<br />
und Schnupperlehren<br />
sind sehr wichtig um<br />
Erfahrungen zu<br />
machen.“ (LPM)<br />
„Die Vor- und<br />
Nachbereitung von<br />
Schnupperlehren kann<br />
ganz individuell sein.“<br />
(LPM)<br />
„Das gibt’s nicht, dass<br />
man nur Fähigkeiten für<br />
einen Beruf hat.“ (M)<br />
„Und da sagen wir<br />
ihnen schon, dass ihr<br />
Berufsfeld im Bereich<br />
der Attestausbildungen<br />
liegt.“ (LPM)<br />
„Gegen den Schluss,<br />
als es ein bisschen<br />
happig geworden ist,<br />
hat es geheissen, ich<br />
sollte das 10. Schuljahr<br />
machen.“ (JM)<br />
„Ich sagte ihm, er<br />
müsse unbedingt mal<br />
praktisch sehen, was<br />
man in diesem Beruf so<br />
machen müsse.“ (M)<br />
Aussagen zur<br />
Selbstständigkeit<br />
der Jugendlichen.<br />
Aussagen zur<br />
Selbsteinschätzung<br />
der<br />
Jugendlichen.<br />
Aussagen zu<br />
Erfahrungen,<br />
welche die<br />
Jugendlichen in<br />
der Arbeitswelt<br />
machen.<br />
Aussagen zur Art<br />
und Weise, wie<br />
Jugendliche<br />
Berufe<br />
kennenlernen<br />
können.<br />
Aussagen wie<br />
Realbegegnungen<br />
mit den<br />
Jugendlichen vor-<br />
und nachbereitet<br />
werden.<br />
Aussagen zur<br />
Notwendigkeit,<br />
dass die<br />
Jugendlichen<br />
verschiedenen<br />
Berufe ins Auge<br />
fassen.<br />
Aussagen zu den<br />
verschiedenen<br />
Ausbildungslevels,<br />
die den Jugendlichen<br />
offen stehen.<br />
Aussagen zu<br />
Brückenangeboten<br />
für die<br />
Jugendlichen.<br />
Aussagen zum<br />
Umgang mit<br />
unrealistischen<br />
Berufswünschen.
Netzwerk<br />
Aussenperspektive<br />
Situation<br />
Arbeitsmarkt<br />
Betriebe<br />
und/oder<br />
Brückenangebote <br />
Berufsberatung <br />
Schule/Unterstützungsprogramme<br />
Das Lehrstellenangebot in der<br />
aktuellen Wirtschaftlage.<br />
Berufsfelder, in denen Lehrlinge<br />
gefragt sind.<br />
Kontakte zur regionalen<br />
Wirtschaft, zu Personen aus<br />
möglichen Lehrbetrieben,<br />
Brückenangeboten.<br />
Beziehungsnetz.<br />
Möglichkeit der Berufsberatung<br />
in Anspruch nehmen,<br />
Berufsberater besuchen<br />
Elternabend, Besuch des<br />
Berufsinformationszentrums<br />
(BIZ).<br />
Aufgaben der Lehrperson/ der<br />
Schulleitung/ der<br />
Verantwortlichen der<br />
Unterstützungsprogramme in<br />
Bezug auf die Berufwahl, Kommunikation,<br />
Zusammenarbeit.<br />
Eltern Einbezug der Eltern oder<br />
Erziehungsverantwortlichen in<br />
die Berufswahl,<br />
Verantwortlichkeit, Information.<br />
Weitere Kooperationspartner<br />
Neutraler<br />
Ansprechpartner<br />
aus<br />
der Sicht der<br />
Schule<br />
Andere, nicht speziell erwähnte<br />
Partner, die zur Berufswahl<br />
beitragen.<br />
Unvoreingenommene Sicht auf<br />
die einzelnen Jugendlichen.<br />
Distanz der Personen aus dem<br />
Unterstützungsprogramm zur<br />
Schule.<br />
69<br />
„Berufe im ganzen<br />
Bereich vom Bau,<br />
Sanitär, Heizung,<br />
Lüftung und Klima<br />
haben einen sehr guten<br />
Modulaufbau. Die<br />
fangen mit einem<br />
einfachen Modul an;<br />
das sind zweijährige<br />
Attestlehren. (M)<br />
„Der eine Lehrmeister<br />
hat mir so (beim<br />
Schnupperlehrbesuch)<br />
seine halbe<br />
Lebensgeschichte<br />
erzählt.“ (M)<br />
„Da habe ich bis jetzt<br />
eigentlich immer<br />
jemanden vom BIZ<br />
eingeladen.“ (LPM)<br />
„Ich schaue allerdings,<br />
dass ich mit dem<br />
Lehrer sofort in Kontakt<br />
komme.“ (M)<br />
„Wir können davon<br />
ausgehen, dass<br />
tendenziell die Eltern<br />
von Kleinklässlern auch<br />
eher ein bisschen<br />
unsicher sind oder halt<br />
auch nicht sehr<br />
‚zupackig’.“ (LPM)<br />
„Da gibt’s in der<br />
Gemeinde eine<br />
Sozialstelle und eine<br />
Betreuerin, die sich<br />
dann um die Mutter<br />
kümmert und die auch<br />
der Tochter helfen<br />
wird.“ (LPL)<br />
„Ich mache so die<br />
Erfahrung, dass die<br />
Mentoren eigentlich das<br />
gleiche erzählen wie<br />
ich. Es ist aber doppelt<br />
so gut! In dem Sinn,<br />
dass es einfach von<br />
einer anderen Seite her<br />
nochmals kommt.<br />
(LPM)<br />
Aussagen zur Art<br />
und Weise wie<br />
Jugendliche über<br />
die aktuelle<br />
Arbeitsmarktsituation<br />
informiert<br />
werden.<br />
Aussagen zu den<br />
Kontakten, die zu<br />
regionalen Betrieben<br />
und/oder<br />
möglichen<br />
Brückenangeboten<br />
bestehen.<br />
Aussagen zur<br />
Kooperation mit<br />
der<br />
Berufsberatung.<br />
Aussagen zur<br />
Kooperation<br />
zwischen der<br />
Schule und den<br />
Unterstützungsprogrammen.<br />
Aussagen zur<br />
Kooperation mit<br />
den Eltern.<br />
Aussagen zu<br />
weiteren, nicht<br />
speziell erwähnten<br />
Kooperationspartnern.<br />
Aussagen zur<br />
Distanz zwischen<br />
Unterstützungsprogramm<br />
und<br />
Schule in Bezug<br />
auf die<br />
Jugendlichen.
Wirtschaftsnähe<br />
Finanzen<br />
Neutraler<br />
Ansprechpartner<br />
aus<br />
der Sicht der<br />
Eltern<br />
Bezug zur<br />
Wirtschaft<br />
Wissen über<br />
Berufe<br />
Neutraler Ansprechpartner für die<br />
Eltern, Distanz zur evtl. negativ<br />
behafteten Schule.<br />
Persönliche Beziehung zur<br />
Wirtschaft von Personen aus den<br />
Unterstützungsprogrammen.<br />
Allgemeines Know-how resp.<br />
Wissen über Berufe von<br />
Personen aus<br />
Unterstützungsprogrammen.<br />
Auseinandersetzung mit den<br />
verschiedenen Berufsbildern.<br />
Finanzen Die finanzielle Abhängigkeit<br />
eines Projekts. Hindernisse, die<br />
finanzieller Natur sind.<br />
70<br />
„Der Glaube der Eltern<br />
in den Lehrer ist nicht<br />
mehr so super, einfach<br />
ein Spannungsverhältnis.“<br />
(M)<br />
„Die Frau S., die ihn<br />
vermittelt hat, wusste,<br />
dass ich ursprünglich in<br />
diesem Beruf tätig war.“<br />
(M)<br />
„Und ich informiere<br />
mich, was es heute<br />
braucht als Logistiker,<br />
was die genau<br />
machen.“(M)<br />
„Ich sage einfach, was<br />
immer wieder ein<br />
Handicap ist, sind die<br />
Kosten.“ (Schulleiterin<br />
LIFT SLL)<br />
Aussagen zur<br />
Distanz zwischen<br />
Unterstützungsprogramm<br />
und<br />
Schule in Bezug<br />
auf die Eltern.<br />
Aussagen zu<br />
persönlichen<br />
Beziehungen zur<br />
Wirtschaft.<br />
Aussagen zum<br />
Wissen über<br />
Berufe.<br />
Aussagen zu den<br />
Finanzen.
6 Inhaltsanalyse der Interviews aus dem Mentoring<br />
Hier (und in Kapitel 7) werden nun die markierten Textstellen aus den Interviews dem<br />
Kategoriensystem zugeordnet.<br />
Mentor (M)<br />
Lehrperson Mentoring (LPM)<br />
Heranführung an die Berufswahl<br />
Frühzeitiger Beginn mit der Berufswahlvorbereitung<br />
Berufswahl<br />
- (Multicheck) Das ist etwas, das man heute fast voraussetzt. Wenn sie es nicht freiwillig machen, dann<br />
müssen sie es machen. Es kommt heute keiner in eine Lehrstelle rein, wenn er nicht diesen Multicheck<br />
vorführen kann. Dies ist das System, das eine vergleichbare Ebene ist. Manchmal ist es noch<br />
berufsbezogen. Es ist etwas, das die Lehrmeister lesen können. Man kann ja die Zeugnisse, die man<br />
heute macht, nicht mehr lesen. Da kommt man nicht mehr draus, ob da jetzt einer Fähigkeiten hat oder<br />
nicht. Und Multicheck ist etwas, wo man konkret hinschauen kann. Es selektioniert natürlich, das ist ganz<br />
klar. Wenn einer die Bedingungen beim Multicheck nicht erfüllt,… also wenn er diesen dem Chef zeigt,<br />
und der Multicheck ist nicht identisch mit dem Berufsbild, dann hat er die Möglichkeiten durch. Dann fällt<br />
der Platz weg. Das ist eine allgemeine Testform. Sie werden verlangt. Du musst einen Multicheck<br />
mitbringen. Das ist heute fast eine Norm, dass man so einen Multicheck mitbringt.<br />
Zeitpunkt<br />
- Wir sind eigentlich Notfalllösungen. Eigentlich, wenn man nichts mehr weiss. Sie müssen ja beim<br />
Berufsberater gewesen sein. Ein paar Hürden müssen sie also schon überwunden haben. Dazu braucht<br />
es die Empfehlung des Lehrers oder des Berufberaters, dass das Mentoring eine Lösung wäre. Von dem<br />
her müssen sie sich schon ein paar Gedanken gemacht haben. Vielmals ist das erst,... mit R. habe ich so<br />
im September begonnen; wobei das eigentlich gar nicht so spät ist. Also da liegt immer noch etwas drin<br />
für eine Lehrstelle. Bei ihm ist das ausserordentlich schnell gegangen. Es könnte sein, dass ich ihn immer<br />
noch betreue.<br />
Heranführung an die Berufswahl<br />
-Das (Berufskundeunterricht in der 2.Oberstufe) ist eine fixe Wochenstunde, die wir haben, …wo wir dann<br />
das Lehrmittel durcharbeiten.<br />
- Das Lehrmittel „Wegweiser zur Berufswahl“ sehe ich für meine Schüler als das Geeignete. Es ist<br />
weniger kopflastig, hat ein paar Bilder und ist farbig. Aus den Lehrmitteln nehme ich nur punktuell Sachen<br />
raus.<br />
- ...dazu haben wir auch zwei fixe Schnupperlehren während diesem (2.Oberstufe) Jahr.<br />
- So werden sie von der ersten Sek an unverbindlich mit dem Thema konfrontiert. Sie hören auch, wie es<br />
den anderen mit ersten Erfahrungen ergeht.<br />
- Sie müssen sich in der ersten Oberstufe ja noch nicht entscheiden, aber es geht darum, sie langsam an<br />
das Thema „Berufswahl“ heranzuführen.<br />
Berufswahl<br />
-Das Lehrmittel „Wegweiser zur Berufswahl“ sehe ich für meine Schüler als das Geeignete. Es ist<br />
weniger kopflastig, hat ein paar Bilder und ist farbig. Aus den Lehrmitteln nehme ich nur punktuell Sachen<br />
raus. Mit meinen Schülern braucht einfach alles mehr Zeit, insbesondere das Bewerbungsschreiben.<br />
Zeitpunkt<br />
- Es fängt eigentlich anfangs 2. Oberstufe, 2. Sekundarstufe Kleinklasse, an mit Berufskundeunterricht.<br />
- Meine Erfahrung ist, dass meine Schüler für alles sehr lange brauchen. Darum fange ich den<br />
Berufswahlprozess früh genug an. Wenn ich ältere Schüler habe, schaue ich, dass die jüngeren aus der<br />
1. Oberstufe auch mithören.<br />
- Sicher ist, dass man mit diesen Schülern früh beginnt, wenn möglich bereits in der ersten Sek.<br />
- Ich hatte einen Schüler, der war 2 m gross. Den habe ich bereits in der 1. Oberstufe schnuppern<br />
geschickt.<br />
71
Jugendl. Mentoring (JM)<br />
Heranführung an die Berufswahl<br />
-In der ersten Oberstufe war ich an verschiedenen Orten. Wir hatten dort die Berufserkundigungswoche.<br />
Berufswahl<br />
- Einen Multicheck habe ich gemacht und bin dort ziemlich darunter gekommen. Ich habe nur gut im<br />
Vorstellungsvermögen abgeschnitten, das andere war mir ein bisschen zu schwierig.<br />
Zeitpunkt<br />
- In der 2. Oberstufe habe ich das erste Mal angefangen nach Lehrstellen zu suchen. Dann gegen Ende<br />
der zweiten hatte ich noch keine, dann hat’s schon geheissen, Mentoring. Bin dann ins Mentoring<br />
gegangen.<br />
Individuelle Förderung<br />
M Persönliche Begleitung<br />
- Ich helfe diesen Kindern zu eruieren, wo das Problem liegt.<br />
- ...habe ihn auch selber besucht. Dies ist mir ein Anliegen.<br />
- Er wollte das lernen, und ich konnte ihm relativ gut über diesen Beruf Auskunft geben.<br />
- Ich bin ja auch angewiesen, dass er Vertrauen hat zu mir. Das muss er auch spüren. In der Regel haben<br />
wir per E-Mail Kontakt.<br />
- So konnte ich auch bei R. mithelfen, schauen, was sich da alles anbieten könnte.<br />
- Ich bin sehr pünktlich und gewissenhaft. Wir machen miteinander ab, wer welche Aufgaben übernimmt;<br />
was er machen muss und was ich machen muss.<br />
- Den Jungen habe ich in der Schnupperlehre besucht.<br />
- Da sehe ich das Mentoring als Chance. Das die dann jemanden haben – nebst der Lehrerin, die für<br />
solche Leute natürlich der Inbegriff für den Staat ist – der ihnen hilft. Das ist mir hier speziell aufgefallen.<br />
Obwohl es nur ein kurzes Gastspiel war, haben sie das ausserordentlich geschätzt. Im Vergleich zu Q.,<br />
bei dem der Vater nicht mal an die Besprechung kam. Es ist eine gute Hilfe, die man annehmen kann.<br />
Zeitliche Ressourcen<br />
- Einen, in der Regel nur einen. Und das ist natürlich das Schöne gegenüber dem Lehrer. Ein Lehrer<br />
muss auf 15, 20 schauen. Ich kann mich mit diesem Jungen alleine beschäftigen<br />
- Ich fand das immer eine der vornehmsten Aufgaben Kinder zu begleiten. Aber das Schöne ist jetzt<br />
natürlich, dass ich einen allein habe. Ich kann mich mit ihm auseinandersetzen. Ich kann ihm stapelweise<br />
Unterlagen schicken. Auch R. hat von mir 20, 30 Arbeitsplätze bekommen, wo er eine Lehre machen<br />
könnte. Und auf einmal sieht er dann, dass es da ja eigentlich viele Möglichkeiten gibt.<br />
- Ich habe ihm zugesichert, wenn er Probleme hat, kann er sich bei mir melden.<br />
- Mein Job geht eigentlich so lange bis die Probezeit fertig ist, dann bin ich wieder entlassen von meiner<br />
Pflicht. In der Regel sage ich den Kindern aber, dass sie – wenn sie Probleme hätten – bis zum Schluss<br />
der Lehre mit mir darüber berichten können.<br />
LPM Persönliche Begleitung<br />
- Bei zwei Schülern stehe ich an. Der eine wird einfach nicht aktiv; dem sage ich, mach das, mach das,<br />
mach das. Das ist jetzt alles ein bisschen schleppend.<br />
- Ich mache die Erfahrung, dass gerade Kleinklässler – also andere auch – Kleinklässler bräuchten<br />
jemanden, der sie an der Hand nimmt und klar sagt, jetzt machst du das und jetzt das und wenn sie’s<br />
nicht machen, ihnen auf die Füsse stehen.<br />
- Ich sehe das Mentoring als sehr wertvoll an.<br />
Zeitliche Ressourcen<br />
- Die Unterstützung, die meine Schüler brauchen, könnte ich aus zeitlichen Gründen gar nicht leisten.<br />
- Der Mentor übernimmt aus meiner Sicht im weitesten Sinne die Elternrolle. Er ist berufswahltechnisch<br />
näher am Geschehen als die Eltern und hat zudem mehr Zeit.<br />
JM Persönliche Begleitung<br />
- Und dort wo ich jetzt die Lehrstelle habe, das ist ein Ort, den mir mein Mentor empfohlen hat. Er hat mir<br />
einige aus dem Suchfeld in der Umgebung herausgesucht.<br />
- Ich war eigentlich auch froh über den Mentor, dass er gekommen ist, dort wo ich am Schnuppern war<br />
- Der Mentor war wirklich die wichtigste Person.<br />
Zeitliche Ressourcen<br />
72
Förderung der Selbst- und Sozialkompetenzen<br />
M Selbstbewusstsein<br />
- Sie haben oft ein geschädigtes Selbstwertgefühl. Dann muss man sie ein bisschen aufbauen und ihnen<br />
den Glauben geben, dass sie eigentlich schon etwas können.<br />
- (Förderung der Selbst- und Sozialkompetenzen) Nein, das mache ich eigentlich nicht. Es kommt darauf<br />
an, wie stark ich mich mit ihnen einlasse. Eigentlich kann ich gar nicht so viel machen. Ich kann ihr<br />
Selbstwertgefühl stärken. Ich kann ein paar Wege aufzeigen, die es auch für sie gibt. Das zeichne ich<br />
vielmals auf. Oder ich kann auch aus dem Leben eines anderen erzählen, wie es dem gegangen ist. Oder<br />
sogar aus der eigenen Erfahrung heraus. Ich habe selber eine Lebensgeschichte, die nicht immer gerade<br />
verlaufen ist. So kann ich auch auf so etwas hinweisen.<br />
- (Üben von Bewerbungsgesprächen) Was ich immer sage ist, „du musst keine Angst haben“. Es geht<br />
immer ums Selbstwertgefühl. Meistens ist das bei ihnen total im Keller unten. Das Selbstwertgefühl kann<br />
ich ihnen versuchen zu vermitteln, damit sie wieder an sich glauben. Denn das ist das Allerwichtigste,<br />
wenn sie da den Rank finden. Ich sage ihnen natürlich auch, in der Schule müssten sie gut aufpassen, sie<br />
müssten dort wieder mehr einhaken. Ich höre manchmal von Lehrern oder sehe Zeugnisse und sage, mit<br />
dem kommst du nicht gerade weit. Und dann merkt man, dass die Jungen eine starke Unterstützung<br />
brauchen.<br />
Auftreten<br />
- Das ist jetzt auch einer, der ist schwach, aber ganz lieb. (Lehre als Gärtner absolviert)<br />
- (den Start erleichtern) Ja, ja, und das Gute etwas zeigen. Oftmals sind das Kinder, die eher etwas<br />
verhalten sind, auch R.. Das ist nicht der, der direkt aus dem Busch rauskommt. Den muss man ein<br />
bisschen holen. Wenn der dort steht, der spricht ja kein Wort. Dann muss man halt sagen, der kommt<br />
schon, der ist etwa verhalten. So kann man die Kinder schon unterstützen.<br />
- Der läuft überall mit dem Trainer herum und hat das Gefühl, man lege ihm alles bereit.<br />
- …und dann hat er noch gemeint, er müsse über die Lehrerin blöde Sprüche machen, die hätte ihm<br />
nichts zu sagen. Das war so ein Fall, den ich nachher aufgegeben habe.<br />
Arbeitshaltung<br />
- Der Junge ist den ganzen Tag alleine. Liegt im Nest... macht die Nacht zum Tag und umgekehrt. In der<br />
Nacht spielt er Kriegsspiele. Als er mir seine E-Mail-Adresse gab, stand „kampfsauxx“. Ich musste ihm<br />
sagen, dass er mit so einer Mail-Adresse keine Stelle bekäme.<br />
- Dann war das aber ein derart fauler Kerl. Der Vater schenkte ihm mit 16 ein Töffli. Er war zu faul um die<br />
Prüfung zu machen.<br />
- Wenn einer den Willen nicht mehr hat, eine Leistung zu erbringen, dann mach ich nicht mehr mit.<br />
- (Mentoring bei fehlender Motivation) Ich versuche schon… wenn ich spüre, dass ein gewisser Erfolg...,<br />
also ich übernehme schon einen, der total im Sack hängt. Das mache ich schon. Aber dann muss ich<br />
spüren, dass ein Wille da ist. Und nicht, dass sie mich am Schluss noch ausnützen. Wenn ich das spüre,<br />
dann ist fertig.<br />
- Vielmals haben die eine Bauernschläue, unsere Realschüler. Das sind nicht immer die dümmsten.<br />
-R. wird da seine grosse Mühe haben geometrische Zeichnungen zu machen. Ich habe ihm gesagt,<br />
schau, jetzt weisst du genau worum es geht in deinem Beruf. Jetzt musst du dich reinknien. Jetzt gibt es<br />
keine Widerstände mehr gegen den Lehrer oder gegen irgendetwas. Jetzt musst du tatsächlich die Zeit<br />
noch nutzen, um da dahinter zu gehen. Ich denke, es löst auch etwas aus. Es ist nicht nur ein Spiegel.<br />
Wenn er ein bisschen schlau ist – das kann vielleicht auch in einer Besprechung bei mir sein - sieht er,<br />
was für Konsequenzen das hat. Es ist nicht alles verloren. Er weiß jetzt vielleicht, wo er ansetzen muss.<br />
- Seine Nachtübungen sind im Vordergrund gestanden. Das wird dann schwierig, das übersteigt dann<br />
meine Möglichkeiten. Ich bin kein Psychiater.<br />
Selbstständigkeit<br />
- Eben auch solche Sachen, wenn sie die erste Enttäuschung erleben. Dann muss man ihnen klar sagen,<br />
schau..., du darfst nicht Sachen machen, bei denen du im Vornherein weisst, dass du an zweiter Stelle<br />
bist. Das geht nicht, auch wenn er noch Fähigkeiten hätte. Aber als vielleicht nicht der Beste in der<br />
Schule, steht der immer hinten an. Oder…, du darfst dich nicht andauernd in solche Situationen begeben.<br />
Dann haut es dir jedes Mal eins auf den Deckel. Du musst dort einsteigen, wo du einen Erfolg, wo du eine<br />
Chance, haben kannst.<br />
- Der Vater war so blöd und brachte ihn am Morgen jeweils an den Schnupperlehrplatz. In aller Frühe fuhr<br />
er ihn nach G. runter, nur weil der Bursche zu faul war, mit dem Velo dort runter zu fahren, obwohl dies<br />
eigentlich sehr gut gehen würde.<br />
Selbsteinschätzung<br />
- (Schwächen thematisieren) Ja, ja, auf jeden Fall. Man darf da nicht irgendetwas vormachen. Aber man<br />
muss auch zeigen, dass er durchaus noch eine Chance hat.<br />
- Manchmal haben sie so hehre Gedanken (Überschätzung der Fähigkeiten) auch von zu Hause aus. Der<br />
Vater von R. zum Beispiel ist Informatiker. Der hätte gerne, dass der Junge einen renommierten Beruf<br />
macht.<br />
73
LPM Selbstbewusstsein<br />
- Die Beziehungsebene ist für meine Schüler sehr wichtig, ich versuche ihnen immer wieder den Rücken<br />
zu stärken.<br />
Auftreten<br />
Arbeitshaltung<br />
- Dieses Thema verbinde ich oft mit dem Unterricht. Z.B. das Thema Verbindlichkeit. Ich weise viel darauf<br />
hin, dass dies eine Fähigkeit ist, die sie nachher brauchen, weil der Lehrmeister das voraussetzt. Dies ist<br />
ein Dauerthema.<br />
- Jugendliche mit fehlender Motivation, solche die nicht selber etwas fürs Finden einer Lehrstelle tun<br />
wollen, sind beim Mentoring am falschen Platz. Sie müssen selber ja sagen zum Mentoring und auch<br />
wollen.<br />
Selbstständigkeit<br />
- Die müssen sie selber suchen, ja. Da müssen sie selber weibeln.<br />
Selbsteinschätzung<br />
- Bei Kleinklassenschülern stimmt die eigene Wahrnehmung oftmals nicht mit der Realität überein. Sie<br />
erzählen dann, wie super die Schnupperlehre war, wie gut alles gelaufen ist. Wenn man dann den Bericht<br />
der Schnupperlehre liest, merke ich, dass da grosse Diskrepanzen vorhanden sind.<br />
- Also ich bin dafür, dass man einem Kind die Realität aufzeigt. Ich bin dafür, ehrlich zu sein.<br />
- Für mich war es klar, dass der Kundenkontakt bei ihr kaum funktionieren würde.<br />
JM Selbstbewusstsein<br />
- Und ich hab mich gefreut auf die Berufswahl. Aber ich hatte etwas Angst, dass ich keine Lehrstelle<br />
bekomme. Interessiert habe ich mich schon.<br />
- Das war für mich ein um so grösserer Punkt, eine Lehrstelle zu finden. Denn Absagen habe ich schon<br />
bekommen. Die Absagen waren teilweise begründet, teilweise unbegründet. Das sind auch solche<br />
Sachen. Vielleicht nehmen sie einen anderen. Dort wo ich war, dort hatte ich noch zwei weitere<br />
Konkurrenten. Ja, und die haben sich nicht so gut angestellt wie ich. Das war mein Glück. Dort wo ich<br />
gewesen bin, zählt eher das Mitarbeiten und ob man teamfähig ist. Nicht mal ein Sek-E-Schüler könne<br />
schon alles machen.<br />
Es hat sich auch ziemlich gelohnt. Vorher bin ich die Sache sehr scheu angegangen.<br />
Auftreten<br />
- Und vom Mentoren habe ich eigentlich ziemlich gute Ratschläge bekommen, wie z.B. jeden Morgen<br />
„Guten Morgen“ zu sagen. Also Sachen, die guten Eindruck machen.<br />
Arbeitshaltung<br />
- Auch dass ich Termine einhalte, die ich mit ihm abgemacht habe. Wenn ich die Termine nicht einhalte,<br />
dann habe ich meinen Vertrag nicht eingehalten; was zum Glück nie vorgekommen ist. Ich habe die<br />
Termine immer eingehalten.<br />
Selbstständigkeit<br />
- Dann habe ich dort angerufen.<br />
- (Teamfähigkeit, Selbstständigkeit in der Schule) Ja, im Werken. Dort gehört auch das „den anderen<br />
helfen“ dazu. Man bekommt dann auch Hilfe zurück, wenn man den anderen hilft. So ist man teamfähig.<br />
Ja, das ist schon gut.<br />
- Gut, mal zu arbeiten, selber Geld zu verdienen.<br />
Selbsteinschätzung<br />
- Ich arbeite lieber mit den Händen und merkte, dort begabt zu sein.<br />
Realbegegnungen<br />
M Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />
- Es ging darum, dass er überhaupt wieder in einen normalen Arbeitsprozess reinkommt. Ich habe ihm<br />
eine Arbeit gesucht, bei der er wieder mal schaffen kann.<br />
- Ich musste ihm dies (Arbeitsbeginn) aber drei, vier Tage im Voraus sagen, damit er seinen Rhythmus<br />
ändern konnte.<br />
Berufserkundungen<br />
- Ich habe ihm dann eine Schnupperlehrstelle organisiert, und am Dienstag war er schon krank. (...) Dann<br />
hat sich herausgestellt, dass er von Anfang an falsche Vorstellungen hatte. Er musste die Stossstange<br />
feilen, und dies war sehr heilsam.<br />
- Er konnte dort einen Monat lang arbeiten.<br />
74
- Ich konnte ihm eine zweitägige Schnupperlehre organisieren. Ich sagte ihm, er müsse unbedingt mal<br />
praktisch sehen, was man in diesem Beruf so machen müsse. Er träumt nur vom Mac und Computer und<br />
Gestaltungsprogrammen, usw. Irgendwie habe ich das Gefühl, er hätte falsche Vorstellungen.<br />
Vorbereitung und Reflexion<br />
- (Schnupperlehren vorbereiten und reflektieren) Nein. Also ich frage natürlich im Gespräch wieder wie’s<br />
gegangen ist. Oder ich mache Besuche in den Schnupperlehren.<br />
- Sie schicken mir manchmal Bewerbungen, um zu schauen, ob es so gut ist. Dann mache ich vielleicht<br />
noch kleine Korrekturen, und dann ist es gut. Schaue schon ein bisschen, dass der Aufbau gut ist.<br />
LPM Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />
Berufserkundungen<br />
- Wobei die erste Woche eigentlich eine Berufserkundigung ist, dort sind sie dann eine Woche lang<br />
zwischen einem und drei Tagen an verschiedenen Orten. Die zweite Woche ist im zweiten Semester, wo<br />
sie während 5 Tagen – das ist das Ziel, das man aber nicht immer ganz so umsetzen kann – am gleichen<br />
Ort sind. So lernen sie nicht nur verbal Arbeitssituationen kennen.<br />
- Betriebe verlangen dort zum Teil schon Bewerbungen. Schnupperbewerbungen gibt’s immer mehr. Es<br />
ist tendenziell immer ein bisschen am Raufgehen. Aber sie finden schon etwas, wenn sie suchen.<br />
- Ich nehme mir Zeit, den Schülern in den Schnupperlehren Besuche abzustatten.<br />
- Berufserkundigungen und Schnupperlehren sind sehr wichtig um Erfahrungen zu machen.<br />
Vorbereitung und Reflexion<br />
- Die Vor- und Nachbereitung von Schnupperlehren kann ganz individuell sein. Aber auch im<br />
Klassenverband erzählen sie einander, wo sie hingehen und auf welchen Beruf sie sich vorbereiten. Das<br />
Erlebte erzählen sie dann auch nach der Schnupperlehre. Für Details muss man ihnen die Würmer aber<br />
etwas aus der Nase ziehen. Wenn ich mit ihnen 1:1 auswerte - gerade wenn die Wahrnehmungsebenen<br />
nicht übereinstimmen - müssen nicht alle zuhören<br />
JM Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />
- Ist immer das gleiche…<br />
Berufserkundungen<br />
- Dann bin ich in S. schnuppern gegangen und diese Woche hat mir eigentlich sehr zugesagt. Ich habe<br />
dann eine Anfrage geschickt und auch eine Bestätigung bekommen. Es ist ein Ort, den ich eher per Zufall<br />
genommen habe, weil beim anderen, bei dem ich immer angerufen habe, niemand abgenommen hat.<br />
- Ich musste eine Schnupperbewerbung schreiben. War alles schön gewesen. Zwei Wochen konnte ich<br />
schnuppern gehen. Habe auch gut mitgearbeitet – hat es geheissen. Das war wirklich Zufall, dass ich dort<br />
schnuppern war. Es war gut, dass ich die Stelle dort auf dem Zettel bekommen habe.<br />
- Ja, dort (im Detailhandel) war ich auch schnuppern; aber nur einen Tag.<br />
- Den Schreiner habe ich zwei Tage gemacht. War ein Fehler, weil ich den Beruf nicht so gern gemacht<br />
habe, und ich’s gesehen habe. Auf dem Metallbau habe ich alles sehr gerne gemacht, z.B. das<br />
Schweissen, Löten und das Zusammenbauen.<br />
- Ich habe in Schreiner und Wärmedämmungen...<br />
- In der ersten Oberstufe war ich an verschiedenen Orten. Wir hatten dort die Berufserkundigungswoche.<br />
- ...war ich eine Woche lang verteilt an einigen Stellen gewesen.<br />
Vorbereitung und Reflexion<br />
- Man konnte auch der Klasse mitteilen, was man dort alles gemacht hat. Wir mussten auch einen Zettel<br />
ausfüllen von wann bis wann. Und dann gab’s noch einen anderen Zettel, auf diesen konnte der<br />
Beaufsichtigende aufschreiben; Verhalten gut, schlecht oder sehr gut. Da war ich auch gut, trotz<br />
Schüchternheit.<br />
Alternativen<br />
M Alternative Berufe<br />
- Dann gibt’s eine Ansammlung von vielen verschiedenen – übrigens auch der R., der wollte quer durch<br />
alles durch, vom Metzger bis zum... Also wirklich, alles Mögliche hat der mir aufgezählt, was er gerne<br />
machen würde. Dann muss man das schon ein bisschen kanalisieren.<br />
- Heute müssen die Kinder sowieso wissen, ich muss Alternativen haben. Das gibt’s nicht, dass man nur<br />
Fähigkeiten für einen Beruf hat.<br />
Der Junge, der jetzt als Polygraph da ist, der hat gemerkt, dass er da nicht nur etwas malen und zeichnen<br />
kann. Dass er da vor einer Kiste hockt und Fehler korrigiert. Einfach, dass er das konkret erlebt. Und<br />
wenn er das erlebt hat, dann kann man wieder darüber reden und über die Erfahrungen schauen. Und<br />
wenn jemand hartnäckig an etwas bleibt, dann muss man vielleicht die Fähigkeiten noch abwägen. Wenn<br />
es jetzt einer ist, der bei der Auswahl immer hinten anstehen muss, dann muss er sich dessen bewusst<br />
sein, dass das für ihn nicht gut ist. Und dann muss er vielleicht einen anderen Weg gehen. Ich hatte in der<br />
75
Schule mal einen, der wollte Polygraph werden. Aber der hatte die Fähigkeiten für diesen Beruf nicht.<br />
Jetzt ist er Schriftenmaler geworden. Schriftenmaler ist heute ein Job, wo sie diese Reklametafeln<br />
machen. Es läuft alles über den Computer. Alles hat mit Schriften zu tun. An und für sich ist es ganz<br />
etwas ähnliches. Er gestaltet und arbeitet mit dem Computer. Sie haben so eine Einrichtung, mit der man<br />
vom Computer aus die Buchstaben gleich direkt ausschneidet oder gestaltet. Dann müssen sie’s nachher<br />
noch praktisch übertragen, an ein Auto oder an eine Tafel oder was auch immer. Und der ist total<br />
glücklich.<br />
-Du musst unten anfangen. Du musst vielleicht einen anderen Weg gehen als deine Kollegen. Mache<br />
zuerst das.<br />
Level der Ausbildung<br />
- Dass sie aus welchen Gründen auch immer, aber sehr oft unter dem Druck der Eltern- nicht akzeptieren<br />
können, dass sie nicht so gut sind.<br />
- Dann muss er es ausprobieren.<br />
Brückenangebote<br />
- Sie hat ihm z.B. den Zugang zum 10. Schuljahr verweigert. Für mich eine absolute Frechheit; einen<br />
Jungen, bei dem man sieht, dass er es dringend nötig hätte, sprachlich nochmals eine Chance zu<br />
bekommen, nicht zu empfehlen. Das ist für mich absolut nicht nachvollziehbar.<br />
Unrealistische Berufswünsche<br />
- Dann ist das von irgendwoher eine fixe Idee, die ihm einmal jemand untergejubelt hat. Das kann es<br />
durchaus geben. Und wenn er das hat, dann muss man es ihn vielleicht ausprobieren lassen – wie der<br />
Carrosseriespengler.<br />
- Ich sagte ihm, er müsse unbedingt mal praktisch sehen, was man in diesem Beruf so machen müsse.<br />
- Ja, und das ist vielleicht eine Gefahr, die diese Kinder manchmal haben (zu hoch einsteigen).<br />
- (Schüler muss selber merken, dass der Beruf nichts für ihn ist) Ja, auf jeden Fall. Er muss das ja<br />
irgendwie erfahren, wenn er an dem hängt. Eigentlich mache ich nichts anderes, als das was ich vorher<br />
als Reallehrer gemacht habe. Ich habe das auch damals schon ernst genommen.<br />
- Manchmal muss man sie aber auch von einer Traumvorstellung wegbringen.<br />
- Der erste, den ich hatte, hatte so eine Traumvorstellung. Er war am Autosalon – wo ihm der Glanz und<br />
Glimmer imponiert hat – und wollte Autocarosserie-Spengler werden.<br />
Arbeitsmarktsituation<br />
- Berufe im ganzen Bereich von Bau, Sanitär, Heizung, Lüftung und Klima haben einen sehr guten<br />
Modulaufbau. Die fangen mit einem Modul an; das sind zweijährige Attestlehren, und sobald die<br />
Jugendlichen auch in der Schule spüren, dass es geht, kommen sie tatsächlich einen Schritt weiter. Und<br />
so sehe ich auch für einfache Kinder durchaus eine Chance.<br />
LPM Alternative Berufe<br />
- Wenn du das machst und erfolgreich abschliessen kannst, dann hast du etwas in der Hand, dann hast<br />
du etwas geleistet, und du kannst dich jederzeit weiterentwickeln.<br />
Level der Ausbildung<br />
- Und da sagen wir ihnen schon, dass ihr Berufsfeld im Bereich der Attestausbildungen liegt. Eine<br />
Volllehre sehe ich bei keinem von meinen Schülern. Da haben sie einfach den Stoff nicht. Sie haben den<br />
Stoff nicht, und sie haben die geistliche Beweglichkeit nicht, den Stoff einer Volllehre aufzunehmen. Und<br />
da sehe ich, das ist ganz ein schwieriger Prozess.<br />
- Ganz heikel wird es, wenn ich mir Gedanken mache, ob die freie Marktwirtschaft für einen Schüler<br />
überhaupt das Richtige ist. In solchen Fällen muss ich mir gut überlegen, ob dieses Thema sich eher<br />
kontraproduktiv auswirken würde. Manchmal sind sie aber auch froh, zu erfahren, dass eine IV-Anlehre<br />
ebenfalls eine Möglichkeit wäre.<br />
- Die Eltern haben das Gefühl, in Ausnahmefällen gehe es dann trotzdem, und ihr Kind ist der<br />
Ausnahmefall. Das Kind selber denkt das auch. Da kommst du als Lehrer manchmal in eine schwierige<br />
Rolle. Du kommst in die Rolle, dass du der Böse bist, der ihr Kind abwertet. (250) Da kommt man<br />
manchmal ein wenig in den Clinch mit den Schülern und mit den Eltern.<br />
- …und ich zeige meinen Schülern als Klasse realistische Berufsmöglichkeiten auf. Im Einzelfall musst du<br />
aber sehr behutsam vorgehen.<br />
Brückenangebote<br />
- Eigentlich ist der Zug schon ziemlich abgefahren, und dann ist dann aufs Mal das Brückenangebot ein<br />
Thema.<br />
Unrealistische Berufswünsche<br />
- Meine Schüler lernen oft, indem sie eben solche Erfahrungen machen.<br />
- Der schlechte Fall ist, du setzest die Stufe, die Messlatte, zu hoch an. Du bist überfordert, dir stellt es<br />
76
völlig ab, du verlierst die Lehrstelle, hast dann einen Riesenfrust und stürzest ab. Das versuche ich zu<br />
vermitteln.<br />
- Man kann sehr viel Geschirr zerschlagen, wenn man solche Berufswünsche einfach auszuschlagen<br />
versucht.<br />
- Wenn ich dies so kommuniziert hätte, hätten diese Eltern aber Widerstand geboten. Sie ging dann als<br />
Floristin schnuppern und bekam eine entsprechende Rückmeldung. Ich bin sicher, dass sie so auf die<br />
richtige Schiene gekommen ist. Sie wird jetzt Hauswirtschaftspraktikerin. Meine Schüler lernen oft, in dem<br />
sie eben solche Erfahrungen machen. Man kann sehr viel Geschirr zerschlagen, wenn man solche<br />
Berufswünsche einfach auszuschlagen versucht. Grundsätzlich bin ich aber eher hart und zeige meinen<br />
Schülern als Klasse realistische Berufsmöglichkeiten auf. Im Einzelfall musst du aber sehr behutsam<br />
vorgehen.<br />
Arbeitsmarktsituation<br />
- Zwischen dieser und der IV-Anlehre hat sich aus meiner Sicht eine Kluft aufgetan, die vorher mit der<br />
Anlehre nicht derart gross war. Nicht alle meine Schüler würden eine Attestlehre schaffen. Diese sind<br />
heute auf die schwächeren G-Schüler und nur noch auf einen Teil der Kleinklassenschüler zugeschnitten.<br />
JM Alternative Berufe<br />
- Der Witz ist, am Anfang wollte ich Detailhandel machen. Das hat mir am Schluss nicht mehr so<br />
zugesagt, wegen den Arbeitszeiten, die man hat. Dann habe ich Metallbau genommen, und das hat mir<br />
ziemlich gut gefallen. Ich habe gesucht und bin an einigen Stellen gewesen.<br />
- Und der Mentor war mehr ein Ratschlaggeber, z.B. was ich machen soll, Metzger oder Formgiesser.<br />
Auch andere Sachen, die mit Händen und Arbeit zu tun hatten, z.B. Dachdecker. Ich war ziemlich stark<br />
fixiert auf Metallbau. Und es hat sich auch gelohnt, dort zu suchen.<br />
Level der Ausbildung<br />
Brückenangebote<br />
- Gegen den Schluss, als es ein bisschen happig geworden ist, hat es geheissen, ich sollte das<br />
10.Schuljahr machen. Ich habe nicht aufgegeben, und gerade etwa zwei Tage später habe ich die<br />
Zusage für die Lehrstelle bekommen.<br />
Unrealistische Berufswünsche<br />
Arbeitsmarktsituation<br />
Netzwerke<br />
M Betriebe und/oder Brückenangebote<br />
- Ich gehe auch in den Lehrbetrieb um zu schauen wie es läuft. Vielfach sind das auch Beziehungen, die<br />
ich nutzen kann, mit Leuten, die ich kenne.<br />
- Derjenige, der Logistiker machte, der konnte die Lehre an einem Ort machen, an dem ich mit Leuten<br />
befreundet war. Er rief mich dann einmal an und fragte mich, was ich mit diesem Burschen zu tun hätte,<br />
was ich als Mentor da mache? Der Jugendliche hat als Referenz mich als Mentor angegeben. Ich bin<br />
dann mit dem Lehrmeister zusammengekommen und habe ihm ein bisschen erklärt, was ich mit dem<br />
Burschen mache. Er hat sich dafür interessiert und ich sicherte ihm zu, dass ich bei allfälligen<br />
Schwierigkeiten in der Schule auch noch mithelfen würde. Möglicherweise war das der Grund, dass er<br />
überhaupt die Lehre dort machen konnte. Ich bin dann immer wieder mit diesen Leuten<br />
zusammengekommen und habe mich erkundigt wie’s ihm geht...<br />
- Und der konnte auch dort die Lehre machen, weil der Chef wusste, da ist der P. im Hintergrund, wenn<br />
es dem Burschen nicht gut geht.<br />
- Diese Kontakte sind wirklich ganz wichtig, ja. Die hat der Lehrer vielleicht nicht.<br />
- Der braucht einfach gute Betreuung. Und da habe ich einen Männerchorkollegen angefragt. Ich weiss,<br />
der hat schon mal einen Autisten angestellt, der kaum ein Wort gesprochen hat und jetzt schon 20 Jahre<br />
dort ist. Es ist eine Riesengärtnerei und der Autist fährt Auto und macht das super. Der Chef hat an ihn<br />
geglaubt, ihm geholfen und ihn immer etwas betreut. Solche Leute braucht es.<br />
- Der Chef, der ja gesagt hat, hat ihn getestet und nach der Schnupperlehre gesagt, doch, er würde es<br />
probieren. Es ist absolut nicht gegangen. Er musste den Vertrag auflösen. In der Probezeit musste ich<br />
dann mit dem Vater antreten. Das ist dann natürlich peinlich für mich, wenn ich jemandem einen so<br />
unterjuble.<br />
- Der eine Lehrmeister hat mir so (beim Schnupperlehrbesuch) seine halbe Lebensgeschichte erzählt.<br />
Und das ist gar nicht schlecht. Wenn ich den Leuten dort zuhören kann, ergibt sich manchmal ein guter<br />
Kontakt und das kommt dann den Kindern wieder zugute. Ja, wenn ich das richtig machen möchte, dann<br />
gehe ich vorbei. Weil ich genau weiss, dass es diese Kinder alleine nicht schaffen. Sie brauchen noch<br />
jemanden, der ein bisschen für sie redet<br />
- Das 10. Schuljahr zum Beispiel, wo ich mit dem mir bekannten Schulleiter telefonieren kann und ich ihm<br />
sagen kann, du, kannst du nicht schauen, dass der noch reinkommt. Connection ist ein grosser Teil.<br />
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- Ich habe ja mehr oder weniger flexible Zeiten und habe mit diesem Chef sicher noch etwa eine halbe<br />
Stunde gesprochen. (435) Er hat mir dann alles ein bisschen erklärt. Vielleicht hat ihm das Eindruck<br />
gemacht, dass jemand für diesen Jungen schaut. Der ist nicht einfach alleine dagestanden. Ich will diesen<br />
Leuten manchmal auch etwas ans Sozialgewissen appellieren. Wir brauchen auch solche, sonst fallen sie<br />
zwischen Stühle und Bänke. Ich muss sagen, da gibt es sehr viele Leute, die solchen Sachen gegenüber<br />
offen sind.<br />
- Da habe ich meinen „Pfadikollegen“, der mithalf. Einer, der eine Schreinerei hat, und bereit war,<br />
mitzumachen.<br />
- Ich kenne den Leiter des 10. Schuljahres, und ich hätte den Jungen schon reingebracht.<br />
Berufsberatung<br />
-Sie müssen ja beim Berufsberater gewesen sein. Dazu braucht es die Empfehlung des Lehrers oder des<br />
Berufsberaters, dass das Mentoring eine Lösung wäre.<br />
Schule/Unterstützungsprogramm<br />
- Ich schaue allerdings, dass ich mit dem Lehrer sofort in Kontakt komme. Auch U. war froh, dass er noch<br />
jemanden hat, der ihm etwas hilft.<br />
- Ich kenne den Leiter des 10.Schuljahres, und ich hätte den Jungen schon reingebracht. Ich hatte dann<br />
noch Kontakt zur Lehrerin und habe ihr signalisiert, sie solle dem H.B. noch einen schönen Gruss<br />
ausrichten - damit sie realisiert, dass ich auch vom Metier komme.<br />
- Aber eigentlich möchte ich mich mit den Burschen auf einer neutralen Ebene bewegen. Darum begegne<br />
ich ihnen auch im Café. Der Jugendliche muss irgendwie spüren, dass ich nicht unter dem gleichen<br />
Deckmäntelchen wie die Eltern oder wie der Lehrer bin. Ich bin wirklich einer, der aus dem ganzen Zeugs<br />
raus kommt.<br />
Eltern<br />
- Da bin ich dann noch Betreuer vom Vater geworden. Bei einer Einladung zu sich nach Hause hat mich<br />
der Vater so in Beschlag genommen mit seinen Sorgen, dass ich gar nicht mehr mit dem Jungen redete.<br />
Da muss ich einfach sagen, das kann ich nicht. Es ist wichtig, dass ich mich abgrenze.<br />
- Bei R. hat der Vater Bewerbungen geschrieben für den Jungen, was natürlich absolut nicht mehr<br />
identisch war. Das muss man dann in Gesprächen den Eltern sagen.<br />
- Er hat Lehrstellen irgendwo in A. hinten gesucht. Da musste ich sagen, das geht doch einfach nicht. Wie<br />
kommst du denn dort hin? Auch mit den Eltern muss ich solches besprechen. Jetzt hat er einen Job<br />
gleich hinter dem Hügel. Dort kann er mit dem Velo hinfahren, kein Problem.<br />
Weitere Kooperationspartner<br />
-Es gibt zudem ein Case Management, das das Ganze noch verstärkt macht, auch während der<br />
Berufsbildung.<br />
- Es ist eine Kombination zwischen Gewerbeverband und Berufsbildungsamt. Ich muss sagen, das spürt<br />
man, dass die zusammenarbeiten und füreinander denken. Ich finde es schön, dass auch der<br />
Gewerbeverband merkt, das ist für uns auch noch wichtig.<br />
LPM Betriebe und/oder Brückenangebote<br />
- Er hat ganz andere Kontakte zu den regionalen Betrieben als ich. Er kann auch eine gute Referenz für<br />
die Schüler sein. Auch die Betriebe zeigen Vertrauen in ihn und indirekt auch in den Schüler. Ein gutes<br />
Wort für einen Schüler einzubringen, hat eine riesige Wirkung<br />
Berufsberatung<br />
- Wir machen zum Thema Berufsfindung und Lehrstellensuche einen Elternabend in der zweiten<br />
Sekundarschule Kleinklasse. Da habe ich bis jetzt eigentlich immer jemanden vom BIZ eingeladen, der<br />
Berufsberater kommt und jemand vom Mentoring kommt.<br />
Schule/Unterstützungsprogramm<br />
- Das merke ich auch, wenn ich mich für einen Schüler stark mache. Manchmal bin ich als Lehrer aber<br />
nicht der richtige dazu. Für einen Schüler, der in der Schule negativ auffällt, kann ich mich nicht mit gutem<br />
Gewissen bei einem Betrieb stark machen. Der Mentor ist neutral, und der Schüler hat im Umgang mit<br />
ihm nochmals die Chance, sich von einer besseren Seite zu zeigen.<br />
Eltern<br />
- Ganz wichtig ist die Elternarbeit. Wir können davon ausgehen, dass tendenziell die Eltern von<br />
Kleinklässlern auch eher ein bisschen unsicher sind oder halt auch nicht sehr „zupackig“. Und das ist ein<br />
Thema bei dem ich an Grenzen stosse.<br />
- Vielleicht noch eine Seitenklammer, was die Eltern betrifft. Mir ist es wichtig, dass die Leute gut<br />
informiert sind.<br />
- Das muss immer wieder in jedem Elterngespräch thematisiert werden. Die Eltern meiner Schüler<br />
können nicht behaupten, dass sie das nicht gewusst hätten oder dass sie dieses Wissen nicht<br />
mitbekommen haben. Aber das umzusetzen - dort liegt ein riesiger Knackpunkt.<br />
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Weitere Kooperationspartner<br />
- Er ist auch beim Case Management angemeldet. Ein neues Angebot, das ihr wahrscheinlich kennt. Das<br />
Case Management ist auch etwas Neues für mich, mit dem muss ich jetzt auch zuerst Erfahrungen<br />
machen. Und ich mache die Erfahrung, dass sie ihn weitergeben an das Mentoring.<br />
- Ein Schüler der Oberstufe kann bei der IV die Situation schildern und so allenfalls das Recht auf eine IV-<br />
Lehre bekommen, ohne vorher den IV-Status gehabt zu haben.<br />
JM Betriebe und/oder Brückenangebote<br />
- ...der Mentor hatte auch am Donnerstag ein Gespräch mit dem Lehrmeister, den ich jetzt habe. Von<br />
dem Gespräch habe ich gar nichts mitbekommen. Ich war in der Zeit noch in der Werkstatt.<br />
Berufsberatung<br />
- Wir hatten einen gemeinsamen Elternabend an dem alle Eltern und Kinder gekommen sind. Die<br />
Fürsprecherin vom Mentoring war auch dort. Der Chef vom BIZ war auch da. Er hat es uns empfohlen<br />
und uns über das Thema Mentoring aufgeklärt und über Lernhilfen, um die Lücken zu füllen.<br />
Eltern<br />
-Meine Eltern haben gesagt, ich solle lieber selber etwas machen.<br />
Aussenperspektive<br />
M Schule<br />
- Ich merke auch, dass da eine Lehrerin ist, die Schwierigkeiten hat mit diesem Jungen. Ich kann’s nicht<br />
begreifen. Ich habe einen ganz feinen Eindruck von diesem Jungen. Ich habe noch nie einen so<br />
anständigen, friedlichen, zuvorkommenden Burschen gehabt. Ich kann nicht genau sagen, was die<br />
Schwierigkeit zwischen ihm und der Lehrerin war.<br />
- Sie hat gesagt, er sei sehr schwach in Mathe. Ich habe das Gefühl, das ist jetzt einer, der das Heu nicht<br />
auf der gleichen Bühne hat wie sie. Das gibt’s manchmal.<br />
- Aber wenn man es in der Schule einmal verkachelt hat, dann kann man’s einfach nicht mehr recht<br />
geradebiegen, und dann ist so eine Hilfe von aussen nicht schlecht.<br />
- Dem Lehrer glauben sie (die Eltern) es nicht, oder sie glauben es niemandem. Ich kann’s dann etwas<br />
korrigieren.<br />
Eltern<br />
- Und vielmals merke ich auch, dass auch gespannte Verhältnisse zu den Eltern da sind. Der Glaube der<br />
Eltern an den Lehrer ist nicht mehr so super, einfach ein Spannungsverhältnis. Dann wird auch am<br />
Mittagstisch darüber gesprochen, wird über den Lehrer runtergezogen, und das ist auch für die Schüler<br />
nicht mehr so gut.<br />
- Ja, ja, ein bisschen von zu Hause wegnehmen ist auch nicht schlecht. Vielfach stehen auch so<br />
ehrgeizige Väter dahinter, die nicht akzeptieren können, dass ihr Kind nicht die Intelligenz mitbringt, die<br />
sie vermeintlich haben. Oder vielmal sehe ich, dass die Frauen – ja nichts gegen Frauen – aber die<br />
Mütter relativ einfache Gemüter sind. Der Vater ist irgendwo in der Informatikbranche und die Mutter<br />
macht ein bisschen Handarbeiten zu Hause. Ein relativ grosses Gefälle. Bei R. ist es ähnlich. Die Mutter<br />
ist vermutlich die, die ihm die Liebe zu Hause gibt. Der Vater hackt immer ein bisschen auf ihm rum. Er<br />
sagt ihm jeweils, wenn er nach Hause kommt, was er zu tun hat oder nicht tun sollte. Ich muss schon<br />
sagen, man sieht sofort hinter die Fassade. Und sonst frage ich manchmal ein bisschen durch die Blume<br />
LPM Schule<br />
- Der Mentor kommt von aussen. Er sieht den Jugendlichen unvoreingenommen.<br />
- Und dort (Bewusstsein, dass eine Volllehre nicht möglich sein wird) springt das Mentoring eigentlich ein.<br />
Ich mache so die Erfahrung, dass die Mentoren eigentlich das gleiche erzählen wie ich. Es ist aber<br />
doppelt so gut! In dem Sinn, dass es einfach von einer anderen Seite her nochmals kommt. Unabhängig<br />
kommt jemand von aussen und sagt, schau, ich bin ein freiwilliges Angebot.<br />
JM<br />
Eltern<br />
Wirtschaftsnähe<br />
M Bezug zur Wirtschaft<br />
-Die Frau S., die ihn vermittelt hat, wusste, dass ich ursprünglich in diesem Beruf tätig war. Das gab<br />
natürlich eine gute Verknüpfung. Er wollte das lernen, und ich konnte ihm relativ gut über diesen Beruf<br />
Auskunft geben.<br />
- Manchmal muss man markieren, dass man von der Sache etwas versteht, nicht dass man einfach in<br />
eine Ecke gedrückt wird.<br />
- Man sagt manchmal, man sei da in so einem Filz drin. Aber es gibt natürlich auch ein gutes, wichtiges<br />
79
Beziehungsnetz. Es läuft sehr viel über das Beziehungsnetz.<br />
- Wobei ich dies auch als langjähriger Reallehrer in der Region machen konnte.<br />
Wissen über Berufe<br />
- Das Know-how, das man als Reallehrer hat, spielt natürlich auch eine grosse Rolle.<br />
- Und dann habe ich natürlich auch wieder Informationen von früher, wo ich nachschauen kann. So wird<br />
man fündig. Dann findet man irgendwo etwas. So konnte ich auch bei R. mithelfen, schauen, was sich da<br />
alles anbieten könnte.<br />
- Und ich informiere mich, was es heute braucht als Logistiker, was die genau machen.<br />
- Schriftenmaler ist heute ein Job, wo sie diese Reklametafeln machen. Es läuft alles über den Computer.<br />
Alles hat mit Schriften zu tun. Sie haben so eine Einrichtung, mit der man vom Computer aus die<br />
Buchstaben gleich direkt ausschneidet oder gestaltet. Dann müssen sie es nachher noch praktisch<br />
übertragen, an ein Auto oder an eine Tafel oder was auch immer.<br />
- Ich finde das noch schön, dann kann ich mein Know-how noch etwas brauchen.<br />
LPM Bezug zur Wirtschaft<br />
Wissen über Berufe<br />
JM Bezug zur Wirtschaft<br />
Wissen über Berufe<br />
Finanzen<br />
M Finanzen<br />
-Wir arbeiten ja ehrenamtlich. Ich bekomme nichts dafür. Es gibt ein Spesenreglement, aber das ist derart<br />
kompliziert, dass es mir stinkt das Zeug auszufüllen. Das habe ich einmal gemacht. Es ist aber zu<br />
vernachlässigen. Jede Fahrt könnte ich aufschreiben.<br />
LPM Finanzen<br />
Der Mentor macht das gratis – er verdient ja nichts.<br />
JM Finanzen<br />
80
7 Inhaltanalyse der Interviews aus dem LIFT-Projekt<br />
Projektleiter LIFT (PL)<br />
Schulleiterin (SLL)<br />
Frühzeitiger Beginn mit der Berufswahlvorbereitung<br />
Heranführung an die Berufswahl<br />
- Vor das Projekt startet, noch vor den Sommerferien, gibt es eine Information. Ich gehe dann in die<br />
entsprechenden Klassen die in Frage kommen, Ende erste Oberstufe. Ich informiere was dieses Projekt<br />
ist, dann können sich die Schüler mal Gedanken machen. Sie kennen das Projekt auch, es hat im<br />
Moment einen guten Namen in der Schule, es gibt Schüler, die an meine Türe klopfen und sagen: „Sie,<br />
warum darf ich nicht ins LIFT?“ (in slawischem Akzent) Das ist ja ein gutes Zeichen. Dann mache ich<br />
einen Outdoor-Tag<br />
- Und so kann ich beobachten, wer geeignet ist, bei wem es sich lohnt, wen kann man in das Projekt<br />
aufnehmen. Eine gewisse Grundhaltung muss vorhanden sein damit es funktioniert. Auch den Willen zu<br />
haben, mal über seine Grenzen hinaus zu gehen. Dann habe ich einen Grundstock an Schülern die mal<br />
einsteigen. Mit denen arbeite ich dann während einer Bewährungsphase.<br />
Berufswahl<br />
- Ich klammere Berufswahl, Berufssuche und Bewerbung aus, das liegt nicht in meiner Kompetenz, das<br />
überlasse ich dem Lehrer und eben dem IMPULSIS. Dort sind so die Überschneidungen, die es halt<br />
gibt.<br />
- Man könnte immer, aber eine Sek A ist in der Regel fit genug, dass sie in der Lage sind, sich selber um<br />
eine Lehrstelle zu kümmern, oder sollten es jedenfalls.<br />
- (BW präsent?) Ein Schüler aus dem letzten Projekt, hat mich angerufen und gefragt, warum sein<br />
Kollege aus dem gleichen Schulhaus aus einer B-Klasse nicht mitmachen dürfe. Es wird draussen bei<br />
Jugendlichen diskutiert.<br />
Zeitpunkt<br />
- Also, sie sagen, es beginne im siebten Schuljahr, das wäre schön und gut. (Pause) Ich habe sie ab<br />
den Sommerferien bis zu den Herbstferien und dann ein Jahr. Also von Herbstferien zu Herbstferien<br />
gehen sie an einen WAP und dann habe ich sie noch bis zu den Weihnachtsferien. Aber da betreue ich<br />
sie einfach nur noch so, da mache ich eine Art von Aprés-LIFT.<br />
- „Das Gelingen von LIFT setzt eine frühe Selektion im ersten Semester der Sek-I-Stufe zwingend<br />
voraus“. Ja, ja, die Veränderung des Schülers ist dort einfach massiv. Dort sind halt alle noch... (I:<br />
Primarschüler) Ja, und dort passt noch jeder und dann fangen sie sich an zu entwickeln. Und im zweiten<br />
fangen sie an zu rebellieren und es sieht einfach ganz anders aus. Also man kann das (LIFT) schon so<br />
früh machen, aber das Bild wird sich dann einfach zwangsweise verändern.<br />
- Also Berufswahl, ich merke, im Vorfeld kann man das einfliessen lassen. Das geht ja da rein um die<br />
Selektion fürs LIFT. Einen Schüler anfangs Erste zu selektionieren, damit er dann irgendwann in der<br />
Zweiten mitmacht, das ist ein Jahr Spanne dazwischen oder noch mehr. Da sehe ich den Grund nicht,<br />
Berufswahl, finde ich, dort kann man früh anfangen. So früh wie es geht, nicht dass sie sich etwas so<br />
früh entscheiden müssten, aber dass sie früh viele Ideen bekommen. Ah, Handwerkliche Berufe,<br />
Büroberufe, Sachen anschauen, Berufsmessen besuchen, nichts hindert die Schüler daran, dies zu<br />
machen und einfach mal eine Idee zu bekommen.<br />
- Das wird dann auch mit den Lehrern diskutiert, und ich sage wie sie sich benommen hat, dass sie<br />
wenig Interesse zeigt, sie zieht kaum die Jacke aus, wenn sie bei mir in der Stunde sitzt, streckt selten<br />
auf, beteiligt nicht. Wenn ich merke, dass sie eigentlich noch nicht reif ist, sollte sie den Platz besser<br />
jemandem anderen frei lassen.<br />
- Den meisten Schülern, wenn ich sie bekomme, ist der Mehrwert und ihre Zukunft völlig egal. Das ist so<br />
eine Floskel, die man sich so aus der Sicht eines Erwachsenen vorstellt.<br />
Berufswahl<br />
- Wir haben drei Sachen die parallel laufen. Das eine ist die Berufswahl bei den Klassenlehrpersonen.<br />
Dann haben wir in der dritten Oberstufe IMPULSIS, und als drittes in der zweiten Oberstufe den<br />
Jahrgang LIFT der beginnt und bis Dezember der dritten Klasse läuft. Es sind nur C-Schüler drin, ich<br />
sage, das sind diejenigen, die auch am meisten Unterstützung brauchen, die es sowieso schwierig<br />
haben, einen Beruf zu lernen und ich denke, P. kann denen etwas mitgeben, das die anderen einfach so<br />
selbstverständlich mitbringen oder einfacher lernen.<br />
- (Frage, ob Berufswahl durch LIFT präsenter geworden sei) Ich denke einfach bei den Lehrern, die<br />
mittendrin sind. Ich würde sagen, es wäre zu optimistisch gesagt, dass sich eine Sek A gross für LIFT<br />
interessieren würde. (...) Also ich denke in der Sek C ist es schon sehr präsent.<br />
81
Lehrperson LIFT (LPL)<br />
Jugendlicher LIFT (JL)<br />
Heranführung an die Berufswahl<br />
- Sowohl der P. wie auch die Frau A. hatten das Projekt bei den Schülern bereits vorbereitet. Also es<br />
wurde nicht einfach festgelegt, ab dann habt ihr das, sondern es wurde wirklich eingeführt und neugierig<br />
gemacht.<br />
Berufswahl<br />
- Und ich denke, wenn ich ihnen trocken eine gestellte Situation gebracht hätte, anhand eines Textes im<br />
Unterricht, Berufswahl, dann wären sie nicht mehr halb so interessiert gewesen. Also das hat wirklich<br />
eine tolle Wirkung bis jetzt.<br />
- Es ist einfach so, dass die Berufswahl einen grossen Stellenwert einnimmt. Im Unterricht insgesamt, im<br />
Deutsch, überall wird das eingebaut, sonst ist das gar nicht zu schaffen. Und da merke ich, sie nehmen<br />
das dann ernster. Da kommt das dann rüber, merkt man, ah, die sind jetzt ganz anders. Und bei denen,<br />
die LIFT nicht machen, eben nicht so, da ist es nach wie vor eben recht beliebig, die sind dann<br />
gleichgültiger.<br />
- Die Vorbereitung, wie man sich am Arbeitsplatz verhalten sollte, worauf man achten sollte, die<br />
Pünktlichkeit, die Werte, die ja wichtig sind, das ist etwas, das vor allem im LIFT behandelt wird.<br />
Behandelt im Sinne von trainieren.<br />
- Und die Berufswahl konzentriert sich vor allem auf ihren Interessenkompass, also auf alles das was im<br />
Berufswahltagebuch steht, erarbeitet wird, alles was für sie wichtig ist. Alles was sie auch für den<br />
Stellwerktest, das Standortgespräch brauchen. Das muss ja alles vorbereitet sein. Und sie sind nicht in<br />
der Lage, wenn ich jetzt sagen würde, du musst ein Dossier zusammenstellen, das und das muss drin<br />
sein, bis dann und dann gibst du mir das ab, das funktioniert nicht, das geht überhaupt nicht. Das muss<br />
alles im Unterricht gemacht werden. Jetzt kommen wir dann zum Schreiben einer Bewerbung,<br />
Lebenslauf vorschreiben am PC, das sind Sachen, die dann ja beim LIFT nicht im Zentrum stehen. So<br />
teilt sich das dann.<br />
- Aber ich orientiere mich z.B. in der Mathematik oder in der Geometrie am Multicheck, das müsst ihr<br />
dann können, oder das müsst ihr euch dann merken. Es gibt einen grossen Teil, die von vielen Sachen<br />
schon etwas gehört haben, aber sich eigentlich gar nicht mehr richtig erinnern können. (...) Aber die<br />
Schüler haben Schwierigkeiten mit solchen Tests. Es bildet dann nicht das ab, was sie insgesamt<br />
können. Die Gedächtnisleistung und die Verbindung, ist die Aufgabe eine andere als sie es gelernt<br />
haben, dann können sie es schon wieder nicht, das ist ganz schwierig. Und ich denke in vielen<br />
praktischen Dingen schaffen sie es, weil sie die Verbindung herstellen können, ihr Interesse ist auch<br />
dabei.<br />
Zeitpunkt<br />
- Also sicher nicht gleich ab der ersten Klasse (Unterricht um den LIFT-Kern), aber ab der zweiten. Die<br />
dritte wird dann sowieso anders gestaltet, aber ab der zweiten Klasse. Das sind so die Sachen, die mir<br />
durch den Kopf gegangen sind.<br />
- Es fängt ja an mit dem Berufswahltag für die ersten Klassen im April. Dann ist weiter das LIFT<br />
eingeführt worden, das ist im Grunde der direkte Einstieg gewesen, das ist eigentlich was gut ist, das<br />
macht neugierig für die zweite Klasse dann, was alles auf sie zukommt. Also nicht erst mit der zweiten<br />
anfangen, ich find das schon in der ersten wichtig. Gleich am Anfang kann man das nicht. Da gibt es so<br />
viel, sie sind dann erst mal damit beschäftigt, ob sie in die nächste Stufe wieder wechseln, das ist erst<br />
mal zentral, das beschäftigt sie. Am Anfang, wenn sie sich vorstellen, dann frage ich sie, was sie werden<br />
möchten, dann ist es in dem Sinn aber noch nicht Berufswahl, das ist einfach mal die Interessen<br />
kennenzulernen.<br />
Heranführung an die Berufswahl<br />
- (Outdoor-Tag?) Ah, dort, das war ein sehr lässiger Tag. Da haben wir einen Parcours gemacht, da<br />
musste man z.B. von der Klasse ein Kind nehmen, ans Seil binden, das hat mir auch sehr gefallen.<br />
Berufswahl<br />
- Also, das LIFT-Projekt gefällt mir sehr. Es hilft auch für die Lehrstellensuche. Wenn man<br />
Schwierigkeiten hat, z.B. weil wir Sek C Schüler sind.<br />
- Ich mache es zu Hause (Bewerbungen schreiben). In der Schule machen wir es vielleicht etwas später.<br />
Aber zu Hause geht es schneller und besser. Und ich habe Onkels, verschiedene, die auch hier eine<br />
Lehre gemacht haben. Gelernt haben wir es einmal, aber das war vielleicht nicht so richtig, für die<br />
Schnupperlehre. Aber jetzt habe ich es richtig gemacht, in der Schule haben wir es nicht 100% gelernt.<br />
Aber jetzt bin ich es zu Hause am Lernen. Die Onkel helfen mir.<br />
- (Bewerbungsgespräche übt ihr auch in der Schule?) Nein, das machen wir mit Herrn P.<br />
Vorstellungsgespräche, Telefongespräche und alles machen wir bei ihm.<br />
Zeitpunkt:<br />
- (Beginnst du schon in diesem Jahr mit der Lehrstellensuche?) Ja, genau, ich fange ein bisschen früher<br />
an, besser früher als später.<br />
82
Individuelle Förderung<br />
PL Persönliche Begleitung<br />
- Dort entstehen auch immer wieder Thematiken, was im Moment aktuell ist, was gerade das Problem<br />
ist. Dort liegt auch die Schwierigkeit des Projekts einen Plan erstellen zu können. Die Schüler folgen<br />
diesem Plan nämlich nicht, die bringen andere Probleme mit als ich wahrscheinlich in einem Plan hätte.<br />
Dort gilt es für mich individuell auf die Thematiken einzugehen, die dann gerade kommen.<br />
- Sie gehen arbeiten und am Freitagmorgen bespreche ich mit ihnen wie es gelaufen ist.<br />
- Andere wichtige Punkte sind für mich Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Aufmerksamkeit, Respekt,<br />
Teamfähigkeit, ein lösungsorientiertes Denken. Alles was ich mache, kann ich unter diesen Begriffen<br />
versorgen.<br />
- Die Lektion der Klasse gebe ich sowieso, aber es sind dann natürlich noch so Einzelgeschichten<br />
notwendig, für die ich mir einfach Zeit nehmen muss. Und das mache ich eigentlich auch. Ich habe ein<br />
Mädchen, das an einem WAP war, an den sie nicht mehr gehen wollte, weil es viele Männer gegeben<br />
habe, die sie permanent anschauten. Und das kannst du nicht in der Klasse diskutieren, das geht nicht.<br />
Das musst du ernst nehmen<br />
- Als ich mich dann aber selber mal in einen 15/16jährigen zurückversetzte, musste ich sagen, dass ich<br />
das auch nicht konnte. Ich verlange sehr viel von ihnen. Sie haben mir auch letzte Woche gesagt, ich sei<br />
der strengste Lehrer den sie haben, aber ich merke, dass sie gerne kommen. Ich spüre, sie suchen eine<br />
Grenze und brauchen das auch. Auf die Frage, was denn bei den anderen Lehrern anders sei, sagten<br />
sie spannenderweise, dass diese sofort rumschreien würden. Ich schreie nie, das macht keinen Sinn.<br />
Ich realisiere, dass sie einfach zumachen wenn ich schreie. Wenn man aber ruhig bleibt, das Problem<br />
des Gegenübers wahrnimmt und sie als Jugendliche ernst nimmt, schätzen sie es enorm. Ihr Alter<br />
zwischen Kind und Erwachsene, mit all ihren Problemen, die sie mitbringen, ist enorm, und dann<br />
müssen sie noch eine Lehrstelle suchen, das ist eigentlich verrückt.<br />
- Wenn du dich einfach mal hinsetzt und fragst wo denn eigentlich das Problem sei, wo er denn<br />
eigentlich hinwolle, wie die Lösung aussehen solle, sie zum Denken animieren, nicht einfach vorkauen,<br />
was sie machen sollen.<br />
- Ja, was soll ich ihn dort jetzt rausnehmen, er fühlt sich dort wohl, kann Erfahrungen sammeln, da bin<br />
ich in der Lage, individuell zu reagieren.<br />
- Es ist so, sie kommen irgendwann und sagen, sie müssten sich bewerben, und am Anfang habe ich<br />
auch noch gesagt, gut, komm, wir machen das, sitzen zusammen. Der Plan ist aber so, dass in diesem<br />
Schulhaus die Lehrer die Berufswahl unterrichten, das Bewerbungsverfahren, das<br />
Bewerbungsschreiben. Ich lese es aber gerne mit den Schülern durch, sage wie es auf mich wirkt. Ich<br />
biete mich auch als Referenz an, aber das ganze Bewerbungsverfahren, das ist eine Schnittstelle, in die<br />
ich mich nicht zu sehr einmischen sollte. Denn für das gibt es eben das andere Projekt, IMPULSIS, die<br />
sind auch an der Schule, die sind dann für das da. Das bin dann nicht ich, ich habe eigentlich auch sonst<br />
genügend Programmpunkte, an denen wir arbeiten.<br />
- Aber da betreue ich sie einfach nur noch so, da mache ich eine Art von Aprés-LIFT. Das heisst,<br />
Umgang mit Druck, denn jetzt steigt der Druck an, jetzt kommen die ersten Absagen. Was machen sie<br />
dann, so individuelle Betreuung, was dann halt gerade ansteht. Das lasse ich offen, da habe ich wenig<br />
Rahmen, was ich dann noch mit ihnen mache.<br />
- Dann habe ich noch den Mentalcoach und im letzten Jahr den Mentaltrainer gemacht. Das sind<br />
natürlich alles Methoden, die ich einfliessen lasse. Ich mache mit solchen Klassen inzwischen vermehrt<br />
mentale Reisen. Man kann es sich zwar kaum vorstellen, dass ein 2m Albaner irgendwann die Augen zu<br />
macht und zum Lamm wird, aber es ist so. Mentale Reisen, Zielvisualisierung, sich vorstellen, wie sie<br />
irgendwann einen Lehrvertrag unterschreiben. Bei solchen Sachen merke ich dann auch teils wie müde<br />
diese Schüler sind. Wie sie es unheimlich schätzen, wenn man so Entspannungsgeschichten macht.<br />
- Wenn es an den WAP gut läuft, kann ich noch andere Programmpunkte einfliessen lassen. Wir<br />
schauen z.B. mal das Thema Geld an, was macht ihr, wenn ihr mal einen Lohn habt, was kostet das<br />
Leben.<br />
- Der WAP ist die Praxis und bei mir bekommen sie das Werkzeug und mit diesem Werkzeug müssen<br />
sie üben gehen.<br />
- Ja, ich schätze die Arbeit in der Gruppe auch, weil ich plötzlich ganz viele Mitdenkende habe, die<br />
Feedbacks geben können. Gerade bei Rollenspielen ist eine Gruppe immer wertvoll.<br />
- Ich habe halt die Schüler, die diskutieren noch gerne mit mir. Aber Sie, ich habe es so und so. Und<br />
dann kann ich sagen, schau, du nimmst mich jetzt nicht ernst. Doch, doch! Gut, Moment, ich stelle den<br />
Fall dar und frage die Klasse. Und dann hat er nicht meine Meinung, sondern die Klassenmeinung. Ich<br />
bin Metaebene, ich spiele dort dann gar keine Rolle, es geht dann um das was die Allgemeinheit meint.<br />
Und dann sagen sie, das ist der Fakt, so wirkst du. Es geht nicht um mich, um mich geht es nie. Es geht<br />
um das was du machst und wie du wirkst. So bekommen sie viele gute Feedbacks.<br />
- Einmal ist sicher die Zuverlässigkeit, die mit einer Klasse das Thema war. Die Frage, wieso das wichtig<br />
ist, was ist es überhaupt, warum ist es schwierig, dass sie sich auch immer selber ein Bild davon<br />
machen können, warum ein Chef überhaupt interessiert ist an einem zuverlässigen Mitarbeiter. Das<br />
mache ich eigentlich mit den meisten Beurteilungspunkten, dass das in irgendeiner Form mal<br />
thematisiert wird. Geld, das habe ich ja schon gesagt, dass wir dort noch etwas machen. Umgang,<br />
Respekt, Höflichkeit, das sind Themen. Oder Telefongespräche sind etwas, Durchhaltevermögen,<br />
83
lösungsorientiertes Denken, all diese Punkte habe ich mit einer Klasse irgendwann mal thematisiert.<br />
Und das ist eigentlich alles zusätzlich zu den Besprechungen der WAP. Auch schon habe ich<br />
Visionstage gemacht, wo bin ich in 15 Jahren? (...) Die Idee ist, wenn ich weiss, wo ich in 15 Jahren sein<br />
möchte, dann muss ich zurückbuchstabieren. Und dann gibt es ja eigentlich heute schon eine Aktion die<br />
ich machen kann, damit mein Traum, oder mein Ding in 15 Jahren realisiert wird. So die Erfahrung 15<br />
Jahre voraus war nicht für alle einfach.<br />
- Das probieren sie zwar die ganze Zeit wenn sie da sind, das per du, aber wenn wir dann am Schluss<br />
Duzis machen, können sie es nicht.<br />
- Ich weise keine Leute ab. Es ist aber natürlich auch eine Frage der Menge. Ein Schüler aus dem<br />
Pilotprojekt ist auch nochmals vorbei gekommen, der hatte ein Tief in seiner Lehre, der wollte eine halbe<br />
Stunde mit mir zusammensitzen, brauchte eine Motivationsspritze. Und dann tu ich nicht schwierig.<br />
Dann setzten wir uns eine halbe Stunde zusammen. Es ist dann auch ein Geben und Nehmen. Er ist<br />
letztens mal mit noch zwei anderen Lehrlingen hergekommen, dort habe ich so wie „Lehrlinge im<br />
Interview“ gemacht.<br />
Zeitressourcen<br />
- Du sprichst etwas an (9 Schüler in einer Gruppe), wo ich immer wieder im Clinch bin, wo ich auch mit<br />
meinen Stunden haushalten muss. Die Lektion der Klasse gebe ich sowieso, aber es sind dann natürlich<br />
noch so Einzelgeschichten notwendig, für die ich mir einfach Zeit nehmen muss. Und das mache ich<br />
eigentlich auch. Ich habe ein Mädchen, das an einem WAP war, an den sie nicht mehr gehen wollte weil<br />
es viele Männer gegeben hätte, die sie permanent anschauen. Und das kannst du nicht in der Klasse<br />
diskutieren, das geht nicht. Das musst du ernst nehmen, das heisst ich habe nun eine Riesenarbeit am<br />
WAP, weil die das wissen müssen. Wenn das Mädchen dasitzt und weint bestimmt sie wie lange sie Zeit<br />
braucht und nicht ich. Da brauche ich Zeit, Lösungen vorzuschlagen und das gehört halt einfach dazu.<br />
- Mit jeder Klasse je eine Stunde. Am Freitagmorgen, zuerst die eine, dann die andere.<br />
- Ja, das wird unterschätzt (Kontakt zu Betrieben aufrecht erhalten ist zeitintensiv). Und das merken die<br />
Schulen auch, das ist der Punkt, der Angst macht, wie komme ich zu diesen WAP? Wer macht das?<br />
- Ich sehe aber auch, dass der Lehrer heute einen 200%-Job hat. Er wäre eigentlich für die<br />
Fachkompetenz eingestellt, dann bekommt er aber viele Schüler, auf die er nicht vorbereitet ist, diese<br />
Fachkompetenz aufzunehmen, das heisst, er macht auch noch die Arbeit der Eltern, und dazu kümmert<br />
er sich nun noch um Reformen, die ihm das Leben erschweren. Und so wundert es mich nicht, dass ein<br />
Lehrer nach zwei Klassenzügen wieder aufhört, weil er keine Lust mehr hat, es verbläst ihn.<br />
- Eben, im Moment machen das pensionierte Lehrkräfte, das Projekt wird zum Teil noch den Lehrern<br />
übergestülpt, du musst jetzt, und ich weiss nicht, ob dies dann zu einer guten Qualität beisteuert.<br />
- Ansonsten sind sie glaube ich recht froh, dass es sie nicht tangiert, also dass nicht noch mehr Arbeit<br />
hineinverlegt wird, weil es etwas ist, das nebenher autonom läuft, sie zwischendurch einfach einen<br />
Statusabgleich bekommen.<br />
- Ich sage beispielsweise auch mittendrin, gut, das Thema WAP kann ich nicht besprechen, wenn ihr so<br />
unterwegs sind. Was ist los? Und dann kommen Sachen auf den Tisch, die sie loswerden müssen,<br />
damit sie weitermachen können. Und das nützt nichts, wenn ich an meinem Plan hängen bleiben<br />
möchte, ich kann nachher die Berichte lesen wenn ich wissen möchte wie es läuft, oder beim WAP<br />
anrufen. Aber wenn etwas brennt, dann muss das raus. Und bei mir haben sie die Plattform und du (L)<br />
hast keine Zeit dafür. Du hast deine Fächer, die du unterrichten musst<br />
SLL Persönliche Begleitung<br />
- Es gab natürlich schon eine grosse Aufruhr als das aufgelöst wurde. Die sind dann plötzlich integriert<br />
worden (Kleinklasse in Oberschule). Und Kleinklasse hatten wir etwa 8 Schüler und jetzt hast du die<br />
irgendwo in einer 15er-Gruppe drin. Und gerade auch beim Wechsel, mit der Zeit weisst du nicht mehr<br />
wer eigentlich ein Kleinklassenschüler gewesen wäre, das sind dann einfach alles C-Schüler. Jetzt habe<br />
ich immer genau sagen können, wer ist im C ein Kleinklassenschüler, und dann musste man wirklich<br />
auch sagen, teils sind sie wirklich zu wenig gefördert worden in einem C, wo man wirklich sagen musste,<br />
in einer Kleinklasse wären die besser gefördert worden. (...) Teils Schüler schaffen es problemlos ins C<br />
integriert zu werden und teils halt eben nicht. Und das ist ein Riesenverlust.<br />
- Ich habe bis jetzt noch keine Schülerin oder Schüler auf dem WAP besucht, das möchte ich gerne<br />
noch machen. Um ihnen zu zeigen, dass das für mich auch etwas ganz Wichtiges ist<br />
LPL Persönliche Begleitung<br />
- Erstmal Standart als Ausgangssituation, dann entwickelt sich das ja unterschiedlich. Es gibt welche,<br />
die haben das Blatt das nächste Mal sowieso nicht da oder finden es nicht. Und dann hat man nur ein<br />
paar, mit denen man das weitermachen kann, mit den anderen dann später. Aber erstmals fange ich das<br />
mit der ganzen Klasse an.<br />
- Das individuelle entwickelt sich so. Erstmal sind die Aufgaben für alle gleich. Sie machen auch die<br />
Schnupperlehren zu unterschiedlichen Zeitpunkten, sie geben mir Materialien ab, ich krieg das ja ganz<br />
unterschiedlich. Die eine Hälfte hat jetzt Schnupperlehren gemacht, die andere Hälfte nicht, das muss<br />
ich dann individuell bestreiten.<br />
84
- Das ist eben das, was ich so bewundere an dem ganzen Projekt. Diese Qualitäten so einschätzen zu<br />
können, kann ich gar nicht. Ich habe ja diese Verbindung nicht dazu, also ich kann schon sehen, wo<br />
jemand gut ist, aber ich kann nicht sagen, was braucht der jetzt genau, da drin musst du ihn jetzt<br />
bestärken. Das sehe ich so nebenbei. Das ist etwas ganz wertvolles.<br />
Zeitressourcen<br />
- Ja, ich muss wirklich sagen, wenn es das nicht gäbe und ich wüsste, was da alles gemacht werden<br />
müsste, ich würde immer denken, das leistest du ja gar nicht. Da machst du irgendwas nicht, was du<br />
eigentlich machen müsstest. Das ist natürlich Entlastung, zeigt einem selbst auch, worauf man noch<br />
mehr achten muss. Das ist wirklich unwahrscheinlich wichtig.<br />
JL Persönliche Betreuung<br />
- (Besprechung des WAP) Oder wir gehen zu ihm und sagen, es ist nicht gut gelaufen.<br />
- (Geht ihr mit Problemen zu Herrn P.?) Ja, manchmal. Oder man kann auch alleine mit ihm reden.<br />
Förderung der Selbst- und Sozialkompetenzen<br />
PL Selbstbewusstsein<br />
- Aber davor (bei einem Telefongespräch zu intervenieren) haben sie Angst und diese Angst muss man<br />
nehmen. Und er macht dann Erfahrungen, dass er auch etwas sagen darf, und dass er damit Erfolg<br />
haben wird.<br />
- Und dann geht’s weiter ans Gespräch, hinsetzen und bei einem solchen, zwar noch humanen,<br />
Gespräch merken, dass man nicht gefressen wird, ein Bewerbungsgespräch ist nicht so schlimm.<br />
- Sie merken, wenn wir dranbleiben, dann gibt es einen Erfolg. (Outdoor-Tag, Team)<br />
- Aber man setzt halt dort an, wo es am meisten Sinn macht. Weil mit dem was sie fachlich mitnehmen,<br />
werden sie keine Lehre finden. Sie müssen andere Wege finden, sie haben alle einen guten Kern, diese<br />
C-Schüler, das sind alles Gute, echt lässige Leute und kleine Menschen. Sie werden aber in dieses<br />
Schema reingedrückt – ich bin schlecht in der Schule – und dadurch wird sehr vieles kaputt gemacht.<br />
- Ich probiere dreimonatige Phasen zu machen, so dass sie den Bewerbungsprozess immer von Neuem<br />
starten müssen, dass sie Routine bekommen im Bewerben, im Präsentieren, im sich Hinsetzen, im<br />
Gespräch, so dass die Angst sinkt und die Sicherheit steigt.<br />
- ich gebe ihr aber nochmals die Chance und ich glaube auch, dass sie es knackt. Das kommt gut.<br />
- Ja, es sind ein bisschen mehr Jungen. Mädchen habe ich auch. Sie möchte ich gerne dazu bringen,<br />
dass sie sich auch vermehrt für sich interessieren. Weil viele sind noch mit der Haltung unterwegs, ich<br />
heirate irgendwann sowieso, das bekommen sie so ein bisschen mit. Die Jungs müssen natürlich ihre<br />
Karriere machen und bei den Mädchen kommt es gar nicht drauf an, die heiraten sowieso. Auch dort<br />
wieder ihr Bewusstsein wecken, dass sie ja auch Wünsche und auch eine Lehrstelle haben dürfen. Das<br />
ist dort das Ziel.<br />
- Er hat irgendwann erlickt, dass er Anerkennung bekommt, wenn er gute Noten macht. Das ist klar,<br />
irgendwann hast du die dann später in einem Coaching, wenn sie merken, dass sie die Anerkennung<br />
von Aussen suchen. Und jetzt hat er plötzlich das Werkzeug gemerkt, wie er besser werden kann. In der<br />
Mathe war er relativ stark, ich habe noch selten so einen Kopfrechner wie ihn gesehen, hat sich einen<br />
Schnitt von 5.4 ausgerechnet und der Lehrer hat ihm auf eine 5 abgerundet, das mit einem speziellen<br />
Grund. Wenn er mit einer 5.5 in die Lehre geht, wo es dann schwieriger wird, wird er enttäuscht sein,<br />
wenn er diese Note nicht mehr hinbekommt. Also er hat mir zwei Gründe genannt, die für mich noch<br />
nachvollziehbar sind, aber für ihn als Schüler war das ein riesiger Frust. Jetzt habe ich eine 5.5 und der<br />
schreibt mir eine 5 rein.<br />
Auftreten<br />
- Als Beispiel etwas, das nicht unbedingt die WAP betrifft, ihnen aber auch dort helfen wird. Sie haben<br />
ein unglaubliches Thema mit der Aggression. Ich habe viele slawische Schüler, die dieses Potential<br />
haben und sie müssen lernen, wie sie damit umgehen. Grundsätzlich ist ja Aggression nichts<br />
Schlechtes. Sie können aber nicht einfach damit rumschlagen, sondern müssen lernen, dies zu<br />
kontrollieren. Und als Beispiel, wie so eine Lektion, die ich mit ihnen mache, aussieht, ist, dass wir das<br />
ganz klar thematisieren. Ich brachte die letzten drei Male Bilder mit sehr aggressiven Szenen mit. Und<br />
dort merke ich, wenn eine Diskussion entbrennt, dass es sie wahnsinnig interessiert, dann sind sie<br />
wirklich ganz fest dabei. Ich hatte ein Bild dabei mit Neonazis und dort wollten sie ganz viel wissen. Und<br />
dann ist natürlich die Frage gekommen, ob ich auch so einer bin (P. hat eine Glatze). Das ist ein Thema,<br />
das sie interessiert und sie wollen lernen wie sie die Aggression als wertvolles Werkzeug nutzen<br />
können. Wir haben darüber diskutiert ob es etwas Gutes oder etwas Schlechtes sei. Anhand der Bilder<br />
haben sie sofort gesagt, dass eine Schlägerei meist in der nächsten endet und zu nichts führt und so<br />
haben sie es als Erstes mal als etwas Schlechtes angesehen. Dann habe ich ein Bild von einem<br />
Karatekämpfer gezeigt, der fünf Betonblöcke durchschlägt. Ich habe die Frage in die Runde geworfen,<br />
ob er dies auch ohne Aggression könnte? Und sie merkten, nein, wahrscheinlich nicht, wenn der Pfupf<br />
fehlt, könnte er das nicht. So haben realisiert, dass Aggression gut ist, aber ich muss es kontrolliert dort<br />
einsetzen wo ich es wirklich brauche. Das bewegte viel in ihnen.<br />
- Ich übernehme sie ja zwischen Sommer- und Herbstferien und mache die Schüler in dieser Zeit<br />
eigentlich nur fit, damit sie in der Lage sind, ein Telefon zu führen. Das ist der dritte Klassenzug den ich<br />
habe, und ich musste diese Telefongeschichte immer mehr auf die Basis zurückbrechen. Weil ich<br />
85
merkte, dass ganz Grundlegendes fehlt. Ihr müsst euch vorstellen, dass wenn man so einen Schüler<br />
anruft, dann macht’s – wenn er überhaupt abnimmt – „äh?“. Und mir ist schon wichtig, dass sie<br />
irgendwann ihre Persönlichkeit entwickeln und ihren Namen sagen. Sagt den Namen! Das ist wichtig.<br />
Wenn euch ein Lehrmeister wegen eines Bewerbungsgesprächs anruft und ihr „äh?“ sagt, dann habt ihr<br />
schon verloren. Irgendwann habe ich zum Telefongespräch eine Checkliste mit einfachsten<br />
Grundsätzen erstellt. Ich habe gemerkt, dass einige zu Hause vielleicht noch zwei, drei Brüder haben,<br />
die teils im gleichen Zimmer wohnen. Dort drin herrscht Lärm und so sind sie gar nicht in der Lage, ein<br />
ruhiges Telefongespräch zu führen. Sie müssen sich also zuerst eine Plattform schaffen, sagen, Leute,<br />
ich muss ein Telefon machen, ich brauche das Zimmer für die nächste Viertelstunde für mich alleine. Ein<br />
Blatt Papier bereitlegen, sich die Ziele des Telefongesprächs klar überlegen, ich muss ein Termin<br />
haben, der mir passt. Der Betrieb sagt dann vielleicht, ja, ist gut, am Mittwochmorgen um 10.00 Uhr<br />
treffen wir uns. Der Schüler sagt ok, hängt ab und realisiert erst dann, am Mittwochmorgen habe ich ja<br />
Schule. Das heisst er muss während des Gesprächs intervenieren und sagen, Entschuldigung, am<br />
Mittwochmorgen habe ich Schule, ich könnte am Nachmittag. Kein Betrieb wird dann sagen, das sei ein<br />
frecher Kerl. (...) Das geht weiter über: stellt euch ein Glas Wasser bereit, geht vorher aufs WC, nehmt<br />
beim Sprechen eine richtige Sitzposition ein. Das mach ich intensiv in Rollenspielen. Ich setze den<br />
Schüler hinten hin, ich rufe dann an und die Klasse gibt ein Feedback wie es gewirkt hat. Und wenn der<br />
Schüler hinten natürlich schon so (liegend) im Stuhl sitzt, hörst du das sofort. Es ist dann verblüffend,<br />
wie die Klasse das realisiert und ihm oder natürlich immer auch ihr feedbacked. Ich sage dann auch, wie<br />
es gewirkt hat und bin da relativ hart in solchen Gesprächen. Wenn einer seinen Namen nicht sagt,<br />
weise ich ihn darauf hin. Ich versuche es wirklich realistisch zu machen. Mit dieser Checkliste, diesem<br />
Paket verteilen wir die WAP.<br />
- Auch Aufmerksamkeit. Da geht es auch um Geschichten wie Respekt. Es fällt ihnen beispielsweise<br />
wahnsinnig schwer, wenn jemand von seinem Erlebnis am WAP erzählt, das halten die fast nicht aus.<br />
Respekt zu zollen und zuzuhören, das ist unglaublich schwierig.<br />
- Dann mache ich einen Outdoor-Tag. Das machte ich natürlich viel mit Firmen, so die klassische<br />
Erlebnispädagogik. Ich mache draussen im Wald Teambildungsübungen, Posten. Es gilt in einem<br />
anderen Umfeld diese Posten zu absolvieren. Diese kann man nur bestehen, wenn man im Team<br />
arbeitet. Einzelbrödler hat es immer, aber die werden diese Aufgaben nicht packen. Das heisst sie<br />
müssen kommunizieren. Ich treibe sie manchmal an ihre Grenzen. Sie gehen nämlich die ganzen<br />
Phasen durch. Sie probieren einfach mal, machen immer wieder Fehler, merken, dass es nicht geht, ich<br />
bin dann hart und verlange, dass sie wieder an den Anfang gehen und dableiben, bis sie es geschafft<br />
haben. Dann kommt die belustigte Phase, wo sie alles witzig finden, was ich mit ihnen mache, dann<br />
werden sie hässig, weil es nicht geht und dann kommt die Phase, wo sie sich nochmals<br />
zusammenraufen und am Schluss ein Erfolgserlebnis haben.<br />
- Und wenn der Lehrer so gekommen ist, dann hat ihm dieser Schüler eines zurückgegeben. Und dann<br />
musste ich ihm auch sagen, dass ihn das nicht weiterbringe, das kostet Energie, aber weder der Lehrer<br />
noch der Schüler kommen weiter. Mit dem Lehrer konnte ich nicht arbeiten, aber mit dem Schüler. Und<br />
so haben wir angefangen, Strategien zu entwickeln. Seine bildliche Strategie war, wenn der Lehrer<br />
kommt, dann soll der Schüler nicht so (?) machen, sondern den Lehrer ins Leere laufen lassen. Was<br />
bedeutet das? Wenn der Lehrer kommt und ihn anzündet, und sagt x, jetzt hast du wieder dies und das,<br />
sagen, ok, ich habe ihre Worte gehört, ich werde mir dies zu Hause überlegen. Einfach den Wind aus<br />
den Segeln nehmen, keine Diskussionen ansetzen.<br />
- Und auch immer ein Anker, also Anker heisst für mich, ein Ereignis zu schaffen in der kurzen Zeit, die<br />
ich habe, dass sie sich nachher an das Gelernte erinnern. Wir haben viel gemacht zum Thema, wie sie<br />
wieder zu einem Team zusammenkommen können, ein Zusammenschweissen. Wie können sie ihren<br />
Umgang untereinander verändern. Und dann hat jeder so Vorschläge gemacht, ich könnte das und das<br />
und das Ganze waren bis jetzt nur Worte und Floskeln, aber wie manifestiere ich das? Ich habe dann<br />
einen Kreis gebildet, diese Übung kennt ihr bestimmt auch, ich habe dann ein Seil mitgenommen, wo<br />
einer etwas sagt, wofür er steht, hat das Seil weiter gegeben und am Schluss hat es einen Stern<br />
gegeben. Und dieser Stern muss tragfähig sein für das ganze Team. Und jeder konnte Anlauf nehmen<br />
und in dieses Netz reinspringen. Die Leute mussten das Seil halten, das ist also eine Frage von<br />
Vertrauen und was bin ich bereit um ihnen zu geben. Und dann kam der Moment, als sie sagten: Und<br />
jetzt Sie! (lachen) Da kannst du nicht zurückkrebsen, aber es hat wunderbar gehalten.<br />
- Und zu Bewerbungsgesprächen kommt dann ein Training, und im Moment habe ich gerade Umgang.<br />
Und Floskeln. Sie haben nämlich so einen reduzierten Wortschatz entwickelt. So zu allem, das irgendwo<br />
ist, sagen sie ziemlich schnell „halt die Fresse“. Und das bedeutet so viel, das heisst „könntest du mal<br />
bitte ruhig sein, ich bin noch nicht fertig mit ausreden“ oder „sei jetzt ruhig“.<br />
- Also ein ganz banales Beispiel, wenn sie es sich nicht gewohnt sind, reinzukommen und die Jacke<br />
auszuziehen und zu fragen, wo kann ich diese aufhängen. Stellt euch jetzt mal ein solches<br />
Bewerbungsgespräch vor. Die Jacke nicht auszuziehen macht den Eindruck, eigentlich möchte sie<br />
gleich wieder gehen. Die hat noch etwas abgemacht, will so rasch wie möglich dieses Gespräch<br />
durchwürgen. Sich Zeit zu nehmen, bereit zu sein, Anstand, Respekt, das zollt von Respekt, von<br />
Kinderstube, wenn du so einfach simple Sachen wieder weckst.<br />
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- Der Lehrer hat es einfach, er schmeisst ihn einfach raus. Aber irgendwo bleibt er hangen. Ich habe<br />
einen Schüler, bei dem ist es wirklich nur Einstellungssache, der ist derart negativ eingestellt allem<br />
gegenüber, er sieht sich konstant als Opfer, und das ist die Einstellung die er im Kopf hat. Die muss er<br />
umstellen und wenn er das schafft, dann ist der Rest gar keine Sache mehr. Er gehört natürlich zu<br />
denen, die nicht wirklich wollen, aber das heisst nicht, dass ich ihn deswegen gleich aus dem Projekt<br />
rausstelle. Ich merke, dass es sich für ihn schon noch irgendwie lohnt, das immer wieder zu<br />
thematisieren. „Du bist es, nein, es ist nicht dein Lehrer, du bist es. Das ist nicht dein WAP, du bist es.<br />
Ich bin es auch nicht, ich bin auch nicht der Böse, ich will einfach, dass du deinen Auftrag erfüllst.<br />
Umsetzen musst du es, die Einstellung dazu hast auch du und mich interessiert dein ‚Aber’ eigentlich<br />
nicht.“ Das sind so ganz klassische mentale Geschichten.<br />
- Da ist die Qualität der Bewerbung, des Auftretens, wie sitzt er im Stuhl, lässt er die Jacke an, zieht er<br />
sie aus, hat er möglicherweise noch den Stöpsel im Ohr. Weil jeder Betrieb, der einen C-Schüler<br />
einstellt, weiss, dass er fachliche Schwächen hat, kann dieser nur mit seinem Auftreten gewinnen. Er<br />
stellt so einen Schüler nicht ein, weil er fachlich stark ist, sonst würde er einen B- oder A-Schüler<br />
nehmen. Aber das heisst, der Schüler muss mit anderen Kompetenzen brillieren und Schüler wie E.<br />
oder viele andere, die wir haben, die machen das einfach. Die sind so dran, die kommen in einen<br />
Prozess hinein, wo sie sich nach vorne schaffen.<br />
Arbeitshaltung<br />
- Wenn man aber mal hinschaut was die Statistik über die Lehrlinge sagt, die nach drei Monaten<br />
aufhören, dann hören sie auf, weil sie merken, dass es anstrengend ist, die Beine tun weh wenn man<br />
den ganzen Tag steht, der Chef tadelt einen, wenn man eine Viertelstunde zu spät komme. Das sind<br />
Gründe warum Lehrlinge aufhören. Die haben nach den ersten drei Monaten alle durchgebissen, die<br />
sind alle noch dran, ich habe mit vereinzelten noch Kontakt. Natürlich gibt es Auf und Abs, aber die<br />
beissen das durch. Und rückwirkend darf man glaube ich sagen, hat es einen Link zum Projekt.<br />
- Dies dauert mindestens drei Monate. So beginnen sie, wenn es ihnen langweilig wird, wenn sie z.B.<br />
letzte Woche das gleiche WC schon mal geputzt haben, Durchhaltewillen und Standfestigkeit zu<br />
entwickeln. Und was ich mit ihnen auch fest trainiere, ist die königliche Haltung auch zu beschissener<br />
Arbeit. Ich schaue mit ihnen jeweils einen Film. Vielleicht kennt ihr den Film „Der Prinz aus Zamunda“?<br />
Es gibt doch die Situation, wo er als Königssohn in die Staaten geht um seine Frau zu suchen, und dort<br />
nimmt er einen Job in einem McDonalds an. Und dort putzt er doch in seiner königlichen Haltung den<br />
Boden, was einfach nicht zusammen passt. Es ist aber genau das, wenn sie anfangen in einer solchen<br />
Haltung zu arbeiten und auch unterschwellige Arbeit so zu erledigen. Dann könnte der Chef sagen, halt,<br />
was machst du da, mit einer solchen Haltung hast du eine bessere Arbeit verdient. Das hängt dann auch<br />
stark mit der eigenen Einstellung zusammen, welche die Schüler entwickeln. Und das ist einer der<br />
grössten Punkte, an denen ich arbeite.<br />
- Und dort wo sie sich entschieden haben, müssen sie dann auch drei Monate durchbeissen.<br />
- Zuverlässigkeit ist klar, ich will diese WAP-Zettel regelmässig sehen. Wenn die nicht kommen, wissen<br />
sie, dass ich den Chef anrufen werde. Wenn sie mir aber sagen, ich war dort, habe aber den Zettel<br />
vergessen, heisst das für mich, er war nicht dort, und das wissen die Schüler. Ich werde anrufen und je<br />
nachdem wie oft das vorkommt, zieht dies den Verlust des WAP mit sich.<br />
- Pünktlichkeit ist etwas, das ich einfach möchte, dass sie sich daran gewöhnen.<br />
- Dann mache ich nochmals drei Monate mit ihr, aber sie ist auf Bewährung. Also jetzt muss sie Gas<br />
geben und inzwischen hat sie es auch verstanden, die gibt jetzt anders Gas! Eben, es ist auch gut, dass<br />
solche Sachen passieren.<br />
Selbstständigkeit<br />
- Ich glaube, oder ich hoffe, dass sie auch mit Lehrern viel ausprobieren. Ich höre sie oft sagen, „ja, der<br />
Lehrer hat wieder“, sie schlüpfen dann so in eine Opferhaltung. So lange der Lehrer ein „Tubel“ ist,<br />
müssen sie sich nicht bewegen, haben eine Ausrede, dass sie Aufgaben nicht machen, nicht lernen.<br />
Solche Sachen zu thematisieren ist dann auch wieder spannend. Dann kann man sagen, gut, wenn du<br />
in fünf Jahren merkst, es funktioniert nicht, hast keine Lehre, wo auch immer du bist, reicht dir dann die<br />
Ausrede, der Lehrer sei schuld oder wäre es dann nicht gut, zurückschauen zu können und zu sagen,<br />
ich habe es trotz des Lehrers geknackt, gepackt. So werden sie in ihre Selbstverantwortung<br />
zurückgeworfen, was ihnen manchmal natürlich auch ein bisschen stinkt, aber darin erkennen sie auch<br />
ein wenig ihr Erfolgspotential.<br />
- Das Vertragskonzept, welches das Projekt am Anfang vorgesehen hatte, habe ich eigentlich über den<br />
Haufen geworfen, damit ich weniger Arbeit habe und dass der Schüler mehr Selbstverantwortung<br />
übernehmen müssen. Das heisst der Schüler füllt am WAP den Vertrag aus, die Zeiten werden<br />
abgemacht, der Lohn wird abgemacht, welche Tage, bis wann. Und jedesmal wenn mich ein Schüler<br />
fragt, bis wann er dann eigentlich arbeiten müsse, kann ich sagen, das wisse ich nicht, er solle auf dem<br />
Vertrag nachschauen, das ist in deiner Verantwortung. Da gab es Schüler, die gefragt haben, welchen<br />
Vertrag ich meine. Die haben den Vertrag einfach nicht ausgefüllt, und erlebten so eine unklare Situation<br />
weil sie nicht wussten wann sie nach Hause dürfen. Die sind bis 19.00 Uhr im Betrieb gestanden und<br />
getrauten sich nicht zu fragen, ob sie gehen dürften. Aber es war super, dass das passiert ist. So konnte<br />
ich der Schülerin sagen, jetzt gehst du zu deinem Chef und sagst ihm, du würdest gerne den Vertrag<br />
ausfüllen damit du das mit ihm klären kannst. Solche kleine, feine Erfahrungen sammeln sich an. Und<br />
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die Schüler merken es gar nicht, weil sie daran wachsen. Das ist sehr wertvoll.<br />
- Anfangs Jahr musste ich einen raustun, dem ich eine Telefonnummer in die Hände gedrückt habe und<br />
gesagt, er solle da anrufen. Ich habe zwei Monate lang eine Ausrede an der anderen bekommen warum<br />
er es noch nicht gemacht hat. Das ist dann auch so ein Punkt, wo das lösungsorientierte Denken ins<br />
Spiel kommt. Ich muss keine Ausreden haben, das interessiert mich nie. Die probiere ich möglichst gar<br />
nicht anzuhören, sondern sage ihm, du hattest einen Auftrag, wenn das nicht geht, dann melde dich<br />
vorher bei mir und nicht nachher. Vorher kann alles sein, wie geht’s? Keine Akku mehr, kein Geld auf<br />
dem Handy, dann schreibst du ein Mail. Es ist alles egal, dann suchen wir zusammen eine Lösung, aber<br />
nicht nachher, sondern vorher. Sie wissen das, wir arbeiten auch danach. Das ist für sie aber ganz<br />
schwierig umzusetzen. Da merke ich, dass das auch eine grosse Forderung ist, die ich will. Aber sie<br />
probieren das zum Teil schon.<br />
- Ich könnte jetzt die Zeit aufwenden mich mit diesen Eltern hinzusetzen. Für mich ist es aber wertvoller,<br />
wenn ich es schaffe, dass der Schüler das selber macht. Es wird ab und zu ein Schüler gegeben haben,<br />
der seinen Vater an einen neutralen Ort eingeladen hat, in ein Café und sagt, er müsse etwas mit dir<br />
besprechen, gehen wir am Samstagnachmittag irgendwo einen Kaffee trinken. So dass er den Rahmen<br />
vorgibt und er nicht sagt, er möchte eine Lehre machen, wenn es eskaliert, wenn sie schon Krach zu<br />
Hause haben. Sondern, dass sie irgendwo hingehen, wo der Vater auch nicht laut werden kann. Und<br />
dann Sätze formuliert wie „Papa, ich hab dich gern, aber ich brauche jetzt deine Unterstützung, weisst<br />
du, in der Lehre läuft das so in der Schweiz, ich möchte diese Lehre machen, das bringt mich weiter,<br />
dann habe ich diese Möglichkeiten. Das ist mein Ziel, dass sie anfangen für ihre Wünsche einzustehen...<br />
(I: Das ist aber schwierig für sie.) Ja, das ist es. Aber irgendwann müssen sie das, und ich will ihnen<br />
diese Arbeit nicht abnehmen.<br />
- Es muss so kommen, dass sie sagen, weisst du, jetzt brauche ich deine Hilfe. Und kein Vater wird<br />
sagen, wenn er meine Hilfe braucht, dann gebe ich sie ihm nicht. – Das hatte ich bis jetzt einmal. Dort<br />
ging es um eine Lösung, die 1200 Fr. im Jahr gekostet hätte, er hatte noch einen Tag Zeit, diese Lösung<br />
zu unterschreiben, fand dann aber, nein, das mache er nicht, 1200 Fr. seien zu viel. Er war aber der<br />
Stiefvater, sagt vielleicht auch noch etwas. – Es geht wirklich darum, die Schüler zu stärken.<br />
- Mir geht es schon darum, dass E. nach Hause geht und sagt, hei, das ist das was ich mache. Da<br />
müssen sie sich zu Hause auch eine Plattform schaffen, und den Eltern erklären, was sie eigentlich<br />
gerne möchten, für ihre Herzenswünsche einstehen.<br />
SLL Auftreten<br />
- Und bei diesem Mädchen... es ist etwas ganz, ganz einfaches, aber das merke ich auch als<br />
Lehrperson, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass sie die Jacke ausziehen, die haben das<br />
Gefühl, sie könnten mit der dick gepolsterten Winterjacke werken, „sie ich habe kalt“, und das war bei<br />
diesem Mädchen ein Problem, dass sie einfach die Jacke nicht auszieht. Ich muss sagen, das sind<br />
Kleinigkeiten, aber diese Kleinigkeiten können dann eben dazuführen, dass jemand sagt, ich nehme<br />
dich nicht.<br />
- Das verrückte ist manchmal, dass ich denke, ich sehe, so behaupte ich von mir, noch relativ viel. Aber<br />
es gibt ganz viele Lehrpersonen, die das nicht sehen. Ich merke auch – ich sage so diese<br />
Tussitäschchen – die ziehen sie bei mir auch nicht mehr aus. So kannst du nicht arbeiten. Oder sie<br />
ziehen bereits schon die Jacke an, nehmen das Tussitäschchen raus zum Aufräumen. Das hat beim<br />
Aufräumen einfach nichts zu tun. Da muss ich sagen „Stopp“, wieder „jekami“, wir sind noch nicht am<br />
Gehen und jetzt wird zuerst noch die Arbeit fertig gemacht.<br />
LPL Selbstbewusstsein<br />
- Das hat alles gut funktioniert, es gab zumindest am Anfang keine Probleme. Und wenn die Schüler<br />
zurückkamen, haben sie berichtet was sie gemacht haben. Wenn sie berichtet hatten, hat man ihnen die<br />
Freude immer angesehen. Mich hat es vor allem gefreut – das läuft ja noch immer so, nur habe ich es<br />
am Anfang stärker erfahren von den Schülern – wie sie bestärkt wurden in ihren (?), auch wie sie<br />
versucht haben zu telefonieren, wie ihnen Mut gemacht wird für ihren Beruf oder wie sie in Situationen<br />
gebracht wurden, wo sie sich entscheiden sollten, wenn du etwas erreichen und Erfolge haben willst,<br />
dann musst du bereit sein zu verzichten.<br />
- Es ist wirklich so, dass man sie irgendwo hinbringen muss, hinstellen muss. Das führt dann zum Erfolg,<br />
alles andere hat keinen Sinn, das ist vergeudete Energie, du bist frustriert weil du immer wieder sagen<br />
musst, da warst du wieder nicht, und das hast du wieder nicht. Es ist immer wieder das gleiche und das<br />
demoralisiert sie. Das habe ich jetzt gelernt, im Grunde muss man es gar nicht versuchen. Es ist besser<br />
wenn man sagt, das, das, das und das.<br />
Auftreten<br />
- Es gab dann allerdings auch Schüler, die in der Lektion selbst so komische Sachen gemacht haben,<br />
dass sie dann erst gar nicht in Betracht kamen. Die entweder gemerkt haben, aha, hier ist jetzt<br />
irgendwie Schluss, ich muss jetzt etwas tun, oder die Schüler nehmen das nach wie vor nicht ernst.<br />
Dann hab ich gehört, „dann mach ich das eben nicht“. Das sind aber wirklich völlige Ausnahmen. Also<br />
von dieser Klasse sind es insgesamt eine Schülerin und zwei Schüler. Also der grösste Teil der Klasse,<br />
von den 11 Schülern – also die, die jetzt über längere Zeit krank waren, die konnten da nicht mehr<br />
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teilnehmen.<br />
- (Frage, inwiefern sich das LIFT auf das Verhalten in der Klasse auswirkt) Im Verhalten selbst nicht, die<br />
die komische Sachen machen, machen dies nach wie vor.<br />
- Das deckt sich ziemlich, diejenigen, die im LIFT nicht teilnehmen, oder ausgeschlossen worden sind,<br />
das sind dann die, die beim anderen negatives Verhalten oder eben keine Ergebnisse zeigen.<br />
- Es gibt eben die, die wirklich Probleme haben mit der Schule, die in der Schule so negative Erfahrung<br />
gemacht haben, dass sie da wahrscheinlich nie rauskommen aus diesem Denken und Befinden. Die<br />
dann aber bei der Arbeit merken, das interessiert mich ja, die zeigen, was sie können, die gestärkt<br />
werden, die fit sind eigentlich. Da ändert sich etwas, das merke ich dann auch im Verhalten, wenn ich<br />
dann sage, verändere das mal, da, schau mal, das funktioniert nicht, da musst du dich ganz anders<br />
verhalten.<br />
Arbeitshaltung<br />
- Also wenn ich darüber nachdenke wie es jetzt gelaufen ist, was ich von den Schülern höre, dann bin<br />
ich eigentlich der Meinung, dass LIFT in den Schulen für die C-Schüler noch einen viel wichtigeren<br />
Stellenwert haben müsste. Und ich würde fast soweit gehen, um zu sagen, dass im Grunde der<br />
Unterricht um so einen Kern wie es das LIFT darstellt, kopiert sein müsste. Ich sehe so viele<br />
Schwierigkeiten bei den Jugendlichen, weil sie so eine negative Einstellung zur Schule haben, dem<br />
könnte man aus dem Weg gehen, wenn man das anders gestalten würde. Und LIFT könnte so ein Kern<br />
davon sein.<br />
- Da muss ich wieder wie mit den schulischen Dingen, Druck ausüben, da werden Strafen angedroht,<br />
und das ist ja das, was wir insgesamt nicht wollten. Aber bei einigen kann man nicht anders arbeiten.<br />
Also ich denke, wenn es so einen Stand erreicht hat, dann will ich es doch wenigstens noch mit einem<br />
gewissen Druck versuchen. Anstatt es so laufen zu lassen und dann kommt überhaupt nichts.<br />
- Und dann diejenigen, bei denen ich die Hoffnung hatte, und dachte, wenn das jetzt anfängt, dann<br />
können sie auch das zeigen, was sie können, aber es passiert nichts, es geht weiter in die negative<br />
Richtung, wieder in eine andere negative Richtung als es sonst war. Unzuverlässigkeit, Unpünktlichkeit,<br />
also alles das kommt dann noch, was sonst nicht so auffiel, was gerade neben den schlechten<br />
Leistungen nicht so da war.<br />
Selbstständigkeit<br />
- Und das hat mir einfach gezeigt, dass das Schüler sind, denen man ganz viel anbieten muss, sonst<br />
finden sie sich da nicht zurecht. Da sieht man eben, wie wichtig es wirklich ist, dass man ihnen sagt, hier<br />
ist ein Platz, probier das mal aus, mach das mal. Und das funktioniert dann tatsächlich. Und sie<br />
empfinden es nicht als Zuteilung, das sind die wenigsten, die sagen, das wollte ich eigentlich gar nicht<br />
machen, das sind die, die auch sonst Schwierigkeiten machen. Von denen, die nachdenken können,<br />
kommen keine solchen Reaktionen.<br />
- (Frage, ob die Schnupperlehren selbst organisiert werden müssen) Ich sage nur, bis dann musst du<br />
mir etwas vorweisen, möchte ich was sehen.<br />
- Also eine Schülerin ist dann alleine hingefahren (zur BIZ-Sprechstunde), weil der Grossvater gesagt<br />
hatte, wenn deine Eltern nicht können weil sie arbeiten, dann geh doch selbst und das hat sie dann auch<br />
gemacht.<br />
Selbsteinschätzung<br />
- Ja, das ist auch ein Teil des Stellwerkgesprächs. Sie müssen eine Selbsteinschätzung anfertigen und<br />
dann sehe ich, wie das mit der Einschätzung übereinstimmt, die ich gegeben habe. Und sie verstehen<br />
im Grunde, oder sie merken selbst, ok, ich hab da etwas angegeben, wie ich es selbst gerne hätte, ich<br />
sehe mich eigentlich so, wie ich gerne wäre. Und sie merken dann auch, ja, Sie haben ja eigentlich<br />
Recht. Das ist schon, dass sie es selbst merken, ich möchte es ja eigentlich gerne so, was müsste ich<br />
denn jetzt machen. Und so diese Überlegung haben sie vorher gar nicht hingekriegt und wenn man das<br />
dann auf die Berufswahl übertragen kann, ist das natürlich... ok, das ist das, was ich dranbleiben will, da<br />
fehlt aber noch ganz schön was. Wenn es in ihnen arbeitet, dann habe ich Hoffnung.<br />
JL Selbstbewusstsein<br />
- Am ersten Tag hatte ich an einem Mittwoch ein Vorstellungsgespräch und sie hat dann gesagt, ich<br />
könne direkt am nächsten Mittwoch anfangen, wenn ich wolle. Ich habe angefangen, es war alles super.<br />
Ausser am ersten Tag, da habe ich – wie soll ich sagen? – gezittert was da wohl kommt, aber nachher<br />
ist alles super gelaufen.<br />
- (Dann gehst du jetzt voller Zuversicht auf die Lehrstellensuche?) Ja.<br />
Auftreten<br />
- (auf die Frage, ob in der Klasse über den WAP erzählt wird) In der Klasse nicht, jeder hat nämlich sein<br />
eigenes Ding und es interessiert nicht, was der andere macht, jeder will das Beste für sich.<br />
- Das Thema, dass wir uns nicht fertig machen (nicht gegenseitig runtermachen), diszipliniert sind, nicht<br />
beleidigen, nicht auslachen, anständig bleiben. Ja, also wir lernen viele Sachen, das wir für die<br />
Lehrstelle brauchen können.<br />
- (Hat dir noch etwas speziell gut gefallen?) Ja, dass wir uns nun alle bei den Firmen bedankt haben, wir<br />
haben alle eine Foto für den WAP gemacht, das wollten sie. Sie hatten Freude.<br />
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- Ja, das ist für unsere Klasse ein sehr grosser Vorteil, weil manchmal jemand gemobbt, ausgelacht<br />
wird, und das tut jetzt gut. Man merkt das, vor den Sportferien hat jeder jeden ausgelacht, der ist dumm.<br />
Jetzt, seit wir das Thema ein wenig angefangen haben, läuft es viel besser. Manchmal gibt es vielleicht<br />
einen Ausrutscher, aber es läuft viel besser als vorher.<br />
Arbeitshaltung<br />
- Es gefällt mir sehr. Ausser wenn es mal schönes Wetter ist, aber auch wenn es dann „anscheisst“<br />
muss ich trotzdem hin gehen, gut mitmachen. Ja, sonst gefällt’s mir sehr gut.<br />
- (auf die Frage, ob es auch etwas gäbe, das ihm nicht so gefällt) Ja, ja, aber trotzdem machen! Trotz<br />
schönem Wetter, nachher kann ich raus.<br />
- Ausreden finden, warum wir nicht gegangen sind, sagen, ich hätte den Finger verstaucht oder sagen,<br />
es hätte einen „angeschissen“, keine Ausreden suchen.<br />
Selbstständigkeit<br />
- (Und du hast alles selbst organisiert um diesen Platz zu bekommen?) Ja.<br />
- Also das telefonieren war kein Problem. Als ich anrief, wusste sie ein wenig wer ich bin, der Herr P. hat<br />
vielleicht auch etwas gesagt. Sie sagte, sie hätte mein Telefon erwartet.<br />
Selbsteinschätzung<br />
- (Ihr sprecht auch über Stärken und Schwächen?) Ja, ja, das auch. Ich muss noch daran arbeiten,<br />
andere nicht auszulachen! Ich hätte das so oder so abgewöhnen müssen, ob im LIFT oder nicht. Ich<br />
kann ja nicht einfach jemanden in der Lehre auslachen, wenn ich mit jemandem arbeite, der anders<br />
aussieht.<br />
Realbegegnungen<br />
PL Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />
- Sie durften schon sehr viele Erfahrungen aus dem Projekt mitnehmen. Das führt uns zu dem, was das<br />
Projekt überhaupt macht. Sie haben natürlich diese Wochenarbeitsplätze (WAP) besucht, was ja das<br />
Zentrale am Ganzen ist. Der WAP ist ein lokaler Betrieb, der bereit ist, einem Jugendlichen jeden<br />
Mittwochnachmittag oder Samstagmorgen die Möglichkeit zu bieten, dass er arbeiten kann.<br />
- Bei den WAP können sie ein Stück weit auch mitbestimmen, wo sie hingehen möchten, halt im<br />
Rahmen des Möglichen. Ich habe Grössenordnung zwischen 20 und 30 WAP, die ich betreue. Und<br />
Schüler habe ich momentan 19, die sich dann einfach auf diese Plätze verteilen müssen.<br />
- Dann haben sie diese Verträge und fangen an zu arbeiten. Das sind dann qualitativ nicht immer<br />
Gewaltsarbeiten. Das lustige ist, ich habe einen, der arbeitet im Pflegeheim auf der Verwaltung, und der<br />
hat immer gestürmt er wolle dort hin und immer gefragt, wann er denn endlich anfange im<br />
Verwaltungsrat... Nicht gerade im Verwaltungsrat, aber der macht seinen Job dort prima.<br />
- Bei den WAP gibt es einfach die Möglichkeit, dass ein Betrieb sieht, wie ein C-Schüler arbeitet. Dann<br />
kann es durchaus sein, dass daraus eine Lehre resultiert, obwohl er ihn fachlich wahrscheinlich nie<br />
genommen hätte, wenn er sich beworben hätte. Das sind so angenehme Nebeneffekte, die dann zum<br />
Teil einfach einen WAP kosten. Der ist dann einfach weg, weil er einen Lehrling einstellt, aber das ist ja<br />
dann egal, ich kann wieder etwas Neues suchen. Aber für einen Schüler ist wieder eine Möglichkeit<br />
aufgegangen, und das ist grandios.<br />
- Ja, das ist zwischen 5 und 8 Fr. Der Sinn ist, dass für ihre Arbeit eine Gegenleistung kommen darf,<br />
aber es sollte nicht so viel sein, dass das Geld die Motivation ist. Der Fünflieber ist ok, dann haben sie<br />
am Mittwochnachmittag zwischen 15 und 20 Fr. verdient. Das ist lässig, das gibt im Monat vielleicht so<br />
etwa 80 Fr. Das ist dann aber noch nicht die Motivation, arbeiten zu gehen. Sie merken schon, dass sie<br />
dort viel lernen.<br />
- Ich versuche, dass sie alle drei Monate einen neuen WAP bekommen. Es gibt Ausnahmefälle, ich habe<br />
einen Schüler, wenn ich ihm den Platz wegnehmen würde, wäre der zu Tode betrübt. Ich habe ihn ins<br />
Pflegeheim getan, wobei er am Anfang zweifelte, das er in der Pflege mit alten Leuten arbeiten könne.<br />
Ich habe ihn motiviert, es zu versuchen da ich glaubte, das wäre noch lässig für ihn. Dann ist er<br />
gegangen und inzwischen sagt er, er hätte dort drin seinen Beruf gefunden. Da hatte ich eine gute<br />
Intuition, dass ich ihn dorthin steckte. Ja, was soll ich ihn dort jetzt rausnehmen, er fühlt sich dort wohl,<br />
kann Erfahrungen sammeln, da bin ich in der Lage, individuell zu reagieren.<br />
- Ein Mädchen bekam z.B. ein schlechtes Feedback, bei ihr ging es nämlich darum Tücher<br />
zusammenzulegen und die haben eine genaue Vorgabe wie die zusammengelegt sein müssen, weil die<br />
ansonsten in diesem Schrank nicht Platz hätten. Und jedes Tüchlein, das sie zusammenlegte, mussten<br />
sie wieder aufmachen. Genau. Also A, mache ich jetzt den WAP wieder verrückt, und die Leute sind<br />
hässig auf sie, und sie macht jetzt die Erfahrung was es heisst ein schlechtes Feedback zu bekommen.<br />
Sie sagen, das was du bei uns gearbeitet hast, können wir nicht brauchen. Und so spürt sie, wie sich<br />
das anfühlt, wenn man schlechte Arbeit leistet. Und sie hat ein Zeugnis bekommen, das würde ich<br />
keinem Dossier beilegen. Diese Erfahrung ist ganz wichtig.<br />
- Auch aus der Sicht des Lehrbetriebs, der diese Schüler anschaut und sieht, wie bitte,<br />
Mittwochnachmittag, während einem Jahr hat der zum Arbeiten investiert während eben die anderen im<br />
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Einkaufszentrum hangen, das sagt extrem viel aus.<br />
- Auch diese Interviews mit den Lehrlingen, ich möchte wie vermehrt versuchen, die Jungen reinzuholen<br />
für so kleine Teilaufgaben, für kleine Projekte. Sie sagen nämlich, sie würden gerne etwas machen, ruf<br />
mich an, wenn du etwas hast.<br />
- Das heisst, ich habe Lehrlinge eingeladen, ich habe Klassen eingeladen, die Lehrlinge haben aus dem<br />
Lehrlingsalltag erzählt. Wenn ich erzähle, sie müssten sich anstrengen in der Lehre, dann hat das keine<br />
Qualität, aber die, die sind jetzt voll drin.<br />
Berufserkundungen<br />
- Das Ziel ist nicht der Beruf. Also das was sie dort machen, hat nicht einmal viel mit einem reellen<br />
Berufsbild zu tun, sie werden nämlich direkt zum Arbeiten eingesetzt. Der Betriebspraktiker in Kloten<br />
kann z.B. wischen, usw., aber an die richtigen Arbeiten kommt er noch nicht ran. Ich habe auch<br />
Detailhandelsplätze an der Bahnhofstrasse und das finden sie natürlich lässig. Die arbeiten in einem<br />
Lager und sehen nie einen Kunden, und das ist ja eigentlich nicht Detailhandel. Im Hintergrund wirken,<br />
Sachen, die man im Detailhandel aber auch wirklich machen muss und wenn sie nachher einen Job in<br />
diesem Bereich bekommen, kennen sie das bereits, Backoffice, Aufarbeiten, all die Arbeiten kennen sie<br />
dann schon, und das ist dann auch wertvoll. Aber es geht nicht darum den Beruf kennenzulernen,<br />
sondern Erfahrungen zu machen, im Arbeiten, im Umgang mit Erwachsenen, mit anderen Leuten und all<br />
die anderen Punkte wie Zuverlässigkeit.<br />
Vorbereitung und Reflexion<br />
- Sie gehen arbeiten und am Freitagmorgen bespreche ich mit ihnen wie es gelaufen ist.<br />
- Ja, im Rahmen natürlich. Zuerst hatte ich die Betriebe ausgeschrieben, kurz gesagt, was welcher<br />
macht, und die Schüler hatten dann eine A,B,C-Wahl. Und ich versuche natürlich auch jedem seinen<br />
Favoriten zuzuteilen. Für mich ist klar, wenn sie etwas zugeteilt bekommen, dann haben sie keine Lust,<br />
dahin zu gehen, aber wenn sie selber auswählen können, dann ist’s gut.<br />
- Sie wissen, der WAP ist von mir informiert worden, da ruft dann ein Schüler an, der sich vielleicht<br />
schlecht artikulieren kann, dann wissen die schon Bescheid. Sie haben ja nicht immer so einfache<br />
Namen, so Inder zum Beispiel. Dann rufen sie an und machen eigentlich nur den Termin ab. Dann<br />
geht’s weiter als würden sie das erste Mal das Prozedere eines Bewerbungsgesprächs üben. Zwischen<br />
Sommer- und Herbstferien haben sie das zum ersten Mal gemacht und haben so die erste Erfahrung<br />
überhaupt mit der Wirtschaft gemacht.<br />
- Am Anfang haben wir immer nur die Schüler gehört, sie haben dann erzählt. Als Beispiel haben wir<br />
während zwei Monaten von einem Schüler die besten Geschichten gehört was der an seinem WAP alles<br />
erlebt hat. Als ich dann irgendwann dort angerufen habe, hiess es, der sei in diesen zwei Monaten nicht<br />
einmal auf der Matte gestanden. Das ist Lehrgeld. Dann mussten wir Kontrollsysteme einführen. Sie<br />
müssen mir jetzt jede Woche jedesmal wenn sie am WAP gewesen sind einen Zettel bringen, den sie<br />
unterschreiben lassen müssen und eine kurze Beurteilung beinhaltet. Damit ich weiss, wo wir ungefähr<br />
stehen, ob ich intervenieren muss oder nicht.<br />
- Vom Betrieb bekommt der Schüler nach den drei Monaten natürlich ein Referenzschreiben. Das<br />
machen sie entweder so wie sie es für die gehenden Mitarbeiter immer machen, oder sie können es als<br />
Download auf meiner Website holen, dann können sie so eine dreiseitige Kreuzchengeschichte machen,<br />
wenn sie merken, dass sie nicht so viel Zeit dafür haben. Den können sie ausdrucken und mit dem<br />
Schüler rasch durchgehen. Und das sind die wertvollsten Dokumente, wenn sie das einem Dossier<br />
beilegen, und der Lehrbetrieb sieht, dass der jeden Mittwochnachmittag arbeiten ging statt in der Badi<br />
oder am Bahnhof rumzuhängen, sagt das enorm viel über einen Schüler aus und erhöht so auch seine<br />
Chance, dass er etwas bekommt.<br />
SLL Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />
- Und ich erhoffe mir schon, ich hoffe auch, dass sich diese Schüler draussen positiv zeigen können und<br />
unter Umständen, gerade dadurch dass sie gute Arbeit geleistet haben, zu einer Lehrstelle kommen.<br />
- (Frage: ob die WAP nicht in den Schulunterricht integriert werden könnten) Ich denke mir, das ist<br />
durchaus ok und gut, also ich unterstütze dies sehr, die sollen etwas dafür tun. Also ich meine alles auf<br />
dem Silbertablett zu servieren und sagen, du kommst... nein, es muss auch dort ein Engagement<br />
spürbar sein. Sie sollen wie auch erkennen, es ist positiv, wenn ich das mache. Und ganz banal gesagt,<br />
und vielleicht sind einige auch froh, dass sie wissen was machen an einem Mittwochnachmittag oder...<br />
Also ich war am Samstag wieder im grossen Einkaufszentrum, es ist ein Graus, wie viele ihre Freizeit<br />
dort verbringen. Der Sinn und die Gestaltung ihrer Freizeit. (...) Es könnte natürlich wie eine falsche<br />
Motivation sein, wenn das während des Schulunterrichts ist. Ich gehe, weil es einfach easier ist als<br />
Mathe zu büffeln. Also das kann ja nicht sein. (...) Denn die gehen auch wenn sie frei haben, nicht Ski<br />
fahren. Sie können nicht Ski fahren, und haben sehr wahrscheinlich nicht die finanziellen Möglichkeiten<br />
dazu. Ihre Freizeitbeschäftigung wird wahrscheinlich gamen, Fernsehen und das Einkaufzentrum sein.<br />
- Oder ich sage noch etwas Unterstützendes weil ich Werken unterrichte. Letztes Jahr habe ich an einer<br />
solchen Sitzung gehört, wo hat der Schüler ein Defizit? Und dann habe ich gesagt, komm, jetzt<br />
überlegen wir uns gleich im Werken Fragen, was könntest du den Lehrmeister fragen, wenn du so einen<br />
Auftrag bekommst? Und dann haben wir das ein paar Mal durchgespielt. Was geht dir jetzt im Kopf vor,<br />
wenn ich sage, du sollest den 10er-Bohrer rausnehmen. Du kannst dir ja überlegen, wo du etwas<br />
91
Bohren musst, wieso ein 10er-Loch bohren, x solche Sachen. Welchen Bohrer brauche ich? Einfach<br />
solche Sachen, bei denen ich denke, ist mein Werken sehr nahe an dem, was die Schüler draussen<br />
machen.<br />
LPL Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />
- Am Anfang war das aber besonders stark, sie wollten wissen, was da auf sie zukommt. Sie wollten<br />
dann am liebsten auch gleich arbeiten gehen, das war das, was sie auch besonders interessierte, das<br />
auszuprobieren.<br />
- Als dann die WAP anliefen, waren sie ungeduldig. Es hat sich dann auch noch etwas hingezogen. (...)<br />
Und die Schüler konnten es kaum erwarten, dass sie einsteigen können.<br />
- Und mich dort mit diesen Arbeitern (? 173) das Anleiten mal zu erteilen, das ist mir ganz wichtig.<br />
Insgesamt, nachdem sie jetzt einige Zeit gearbeitet haben, stelle ich fest, dass die Arbeit, überhaupt das<br />
ganze Unternehmen bei ihnen einen ungeheuer wichtigen Stellenwert hat. Es steht im Grunde von allen<br />
Sachen ganz oben.<br />
- Wenn ich sage, dass die Hausaufgaben bis dann und dann zu machen sind, höre ich, ja wie soll ich<br />
das schaffen, am Mittwoch habe ich den WAP<br />
Berufserkundungen<br />
- Es ist auch so gewesen, als die Klasse jetzt eine Schnupperlehre machen sollte in den Sportferien,<br />
haben viele versucht, über ihren WAP etwas zu bekommen. Die sehen keine Möglichkeit irgendwohin zu<br />
gehen, haben viel zu viele Hemmungen und das war für sie dann so etwas wie ein Rettungsanker. Ich<br />
habe dann gesagt, den gleichen Platz könnten sie aber nicht nehmen, das kennen sie ja, das macht ja<br />
keinen Sinn. Und dann haben sie tatsächlich gefragt, wo könnten sie in dem Betrieb noch woanders hin<br />
wo sie noch was anderes kennenlernen? Das haben sie dann auch gemacht, oder zwei Schüler<br />
zumindest.<br />
- Es gibt den Berufswahltag, der hier im April stattfindet, da werden Berufe vorgestellt. Und das ist auch<br />
für die, die kein LIFT haben, und für die ersten Klassen, wichtig, mit Leuten aus dem Berufsfeld<br />
zusammenzukommen und einfach zu sehen – am Anfang wird ja meist etwas erklärt und dann können<br />
sie praktisch was ausprobieren - wie verhalten sie sich jetzt, wie reagieren diese Leute jetzt drauf. Und<br />
dann können sie schon mal eine Reaktion bekommen, die sie nicht erwartet haben und das überrascht<br />
sie (die Lehrbetriebe) dann.<br />
- Sie haben teilweise eine Schnupperlehre gemacht, die ihnen ein Verwandter besorgen konnte, oder<br />
die sie über LIFT erreichen konnten. Es ist dann nicht immer das gewesen, wo sie sich sagen, jetzt<br />
probiere ich das eben mal aus, Detailhandelsassistentin, wie das eigentlich ist.<br />
JL Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />
- Es hilft auch sehr viel, zu sehen wie es in der Arbeitswelt ist, das gefällt mir sehr.<br />
- Ja schon nicht die Spannendsten Berufe. Couverts aufmachen, laminieren, kopieren, manchmal so<br />
Dossiers zusammenstellen. Also jetzt nicht die spannendsten auf einmal. Später wird es dann immer<br />
spannender und spannender. Aber es gefällt mir sehr.<br />
- Ich solle am Mittwoch um 14.00 Uhr zum Vorstellungsgespräch kommen. Dort war ich. Hat sie mir ein<br />
bisschen gezeigt wie es ist, es ist ein vertraulicher Job, ich darf draussen nicht darüber sprechen. So<br />
habe ich schon in etwa gewusst wie es geht.<br />
- Das Pflegeheim? Nein, habe ich nicht gekannt.<br />
Berufserkundungen<br />
- Ja, schon zwei. Die habe ich selber gesucht und beide sind sehr gut gelaufen. Ich habe gesehen, dass<br />
Detailhandel Fachrichtung Schuhe mir nicht gefällt. Schon nach zwei Tagen. Ich musste es durchziehen<br />
und trotzdem ist die Beurteilung sehr gut ausgefallen.<br />
Vorbereitung und Reflexion<br />
- Nach drei Monaten bekommt man so eine Beurteilung wie wir gewesen sind. Wir bekommen jeden<br />
Mittwoch, nachdem wir ca. 3 Stunden gearbeitet haben, einen kurzen Bericht (?) Nach drei Monaten<br />
bekommen wir eine Originale (?), wie wir gewesen sind, wie wir gearbeitet haben und so.<br />
- Ja, das machen wir bei Herrn P. Es gibt eine Beurteilung und er fragt wie es gewesen sei. Das machen<br />
wir jede Woche.<br />
Alternativen<br />
PL Unrealistische Berufswünsche<br />
- Sie getrauen sich nicht mehr, ihre Träume zu leben. Also ich verbringe viel Zeit damit, zu fragen, was<br />
sie denn überhaupt machen wollen. „Was soll ich, ich bin ja im C.“ Nach etwa 20 Minuten und sagen,<br />
jetzt komme die gute Fee bei der du einen Wunsch frei hast, dann sagen sie „KV“ und laufen rot an. Ah,<br />
cool, das ist ja schon mal ein Wunsch. Und wenn sie einen Wunsch haben, das als Ziel setzen, wer<br />
sagt, dass ein C-Schüler dieses Ziel nicht erreicht? Das ist dieses Angstdenken der Erwachsenen, dass<br />
sie nachher nichts haben. Aber eine Zielsetzung ist etwas Grandioses, wenn man merkt, das ist sein<br />
Ziel, dann kann man dorthin arbeiten. Mir ist ja auch klar, und dem Schüler auch, dass er nach einem C<br />
nicht ins KV kann. Aber er kann irgendein Praktikum machen oder eine Lehre machen, die er nachher<br />
machen kann. Dann schafft er und schafft er und dann kann er nachher noch so etwas anhängen. Im<br />
ersten Pilotprojekt hatte ich genau so einen Schüler. Wollte KV, chancenlos, hat dann durch den WAP<br />
92
SLL<br />
die Möglichkeit bekommen, eine Lehre als Automechaniker zu machen. Und irgendwann hat er ein<br />
Blitzen in den Augen bekommen, weil er merkte, Automech, KV, wenn er diese Grundlagen in der<br />
Schweiz gelernt hat, dann geht er zurück in den Kosovo und eröffnet seine eigene Autogarage weil er<br />
das ganze Werkzeug hat. Ob er sein Ziel unterwegs ändert, sagt, mir gefällt Automech so gut, dass ich<br />
dort dran bleibe, das ist egal. Aber er hat eine Motivation zum Einsteigen, und diese Motivation kommt<br />
nicht von Aussen, die hat er selber geschaffen. Immer dieses Kaputtmachen von Wünschen, das<br />
frustriert mich teilweise.<br />
Arbeitsmarktsituation<br />
- Die Tatsache, dass wenn ein Schüler kommt, der so kommunizieren kann, wie er das halt inzwischen<br />
macht, der wird sein Dossier persönlich vorbeibringen und sagen, schauen Sie, das ist mein Dossier, ich<br />
habe mir Zeit genommen, bin extra vorbeigekommen damit Sie mich sehen, ich habe Schwächen, ich<br />
habe schulisch die und die Probleme – und wenn so einer reinkommt, dann leckt sich ein Zürcher<br />
Betrieb, der sich normalerweise C-Schüler gewohnt ist, die Finger ab, das ist Sahne. Aus meiner Sicht<br />
gehört E. zu dieser Kategorie, der noch ungefähr wählen kann, was er nehmen kann. Er gehört nicht zu<br />
denen, die dann irgendwann noch eine Anschlusslösung brauchen, sondern er ist jetzt schon<br />
selbstständig dran, bewirbt sich, und, und, und. Also ich bin sicher, er sendet dort die Botschaft aus, ich<br />
will eine Lehrstelle und er wird sie haben, er wird sie finden.<br />
- Schaut aber mal diese 100 Bewerbungen an – ich kenn die auch. In meinem ersten LIFT-Projekt hatte<br />
ich einen Schüler mit 80 Bewerbungen und 79 Absagen. Die letzte Bewerbung war dann noch irgendwie<br />
eine Vitamin-B-Geschichte, aber dann schaust du mal genauer hin. Der war so was von desinteressiert,<br />
das tönt zwar nach viel Arbeit, aber das waren einfach die Inserate, die ihm Mami hingelegt hat und er<br />
am Abend jeweils noch rasch die Adresse auf dem Bewerbungsschreiben geändert hat. Er wusste nicht<br />
was das für ein Betrieb war, es war so eine Flucht in Aktion hinein. Sich selber mit dem Gefühl<br />
überrumpeln, ich habe ja etwas gemacht. Hat er aber nicht, es hatte dort nämlich einige in dieser<br />
Klasse, die sich sehr bewusst mit vier, fünf Firmen auseinandergesetzt haben und dort drei Zusagen<br />
erhielten. Wisst ihr, es gilt zu differenzieren, was wirklich Arbeit ist und was Schönreden.<br />
LPL Alternativen<br />
- Ich kann das noch nicht so genau sagen, aber wenn ich mal von der Negativvariante ausgehe, bin ich<br />
mir sicher, dass zwei oder drei wirklich eine Lehre anfangen. Also mehr, von den Leistungen her<br />
gesehen, die sie für den Beruf benötigen, welchen sie machen wollten, für den sie sich interessieren, für<br />
den sie sich ins Zeug legen würden, von den Leistungen her nicht mehr als drei. Alle anderen sind weit<br />
davon entfernt.<br />
Level der Ausbildung<br />
- Damit sie von einer anderen Seite nochmals hören, welche Chancen haben sie denn eigentlich? Was<br />
sie mit einem C-Abschluss eigentlich alles machen können, komm ich überhaupt in einen EFZ-Beruf<br />
(eidg. Fähigkeitszeugnis) rein über EBA (eigd. Berufsattest)? Das hören sie dann dort viel genauer. Und<br />
sie berichten mir dann auch, sie kommen zurück und sagen, ja, das ist so und so und jetzt weiss ich das<br />
und das.<br />
Unrealistische Berufswünsche<br />
- Bis zum Stellwerktest habe ich diese laufen lassen. Häufig sind besonders die Mädchen unsicher mit<br />
der Wahl, die schliessen sich zusammen und haben den gleichen Berufswunsch, also die denken, sie<br />
machen mal am besten alles zusammen. Und dann kommt das zustande, und dann kommen dann halt<br />
Berufswünsche vor, bei denen ich sagen muss, das kommt eigentlich gar nicht in Frage. Ich sage dann,<br />
da in dem Fach musst du noch besonders zulegen, ich will sie nicht desillusionieren. Aber jetzt mit dem<br />
Stellwerktest ist ja deutlich geworden, dass sie so weit davon entfernt sind, dass man wirklich sagen<br />
kann, das holst du nicht auf, das geht gar nicht. Und so habe ich es dann auch gesagt. Im Moment<br />
reagieren sie dann nicht weiter, sie sind dann, ja, man merkt, die Stimmung ist natürlich dann hin, die<br />
Eltern nicken dann einfach und mehr passiert erstmal nicht. Man merkt dann, es arbeitet in ihnen. Die<br />
Zeit danach sind sie nachdenklich oder apathisch sogar. Das ist dann natürlich auch wieder schade.<br />
Aber irgendwann muss ich ihnen ja klar machen, du musst dich jetzt anders orientieren, bei dir kommt<br />
es darauf an, dass wir überhaupt etwas finden, es wird nicht so sein, dass du dir das aussuchen kannst,<br />
was du willst, wichtig ist, dass du überhaupt arbeiten kannst und du willst ja arbeiten. Anders kann man<br />
gar nicht reden. Und ich denke jetzt sind durch das Stellwerk die Gespräche ganz anders gewesen. Das<br />
kann die ganze Berufswahl, ja, es kann sie insgesamt demotivieren und demoralisieren, so dass sie<br />
insgesamt keine Lust mehr haben. Dann kriegt man sie ganz schwer.<br />
Arbeitsmarktsituation<br />
- Das kriegen sie dann vor allem mit im Zusammenhang mit dem BIZ, da sind Schülersprechstunden, wo<br />
sie dann hingehen können, da stelle ich die Schüler frei.<br />
JL Alternative Berufe<br />
- Ja, das war der Detailhandel. Aber seit ich im LIFT-Projekt bin, möchte ich ins Büro. Wenn ich im Büro<br />
nichts finde, mache ich Detailhandel. Aber wenn ich etwas im Büro finde, habe ich Lust zuerst zwei<br />
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Jahre das zu machen und dann eine Weiterbildung, KV B Profil. Wenn Büro geht, mach ich das und<br />
sonst Detailhandel. Wir hatten letzten Freitag ein Elterngespräch, ich musste mich entscheiden, in<br />
welchem Bereich ich nächstes Jahr mehr Fächer habe, so für Büro, Verwaltung, Wirtschaft.<br />
Level der Ausbildung<br />
- Der Lehrer hat z.B. gefragt, was möchtet ihr gerne machen, wie man das machen kann, wenn man<br />
eher schwach ist kann man EBA machen. Viele gute Tipps, die wir so mitnehmen können.<br />
Netzwerke<br />
PL Betriebe und/oder Brückenangebote<br />
- Ich konnte am Anfang noch nicht allen einen WAP geben, weil sie teils auch eine verschobene<br />
Wahrnehmung haben. Wenn einer so dasteht und das Gefühl hat, er bekäme den besten Platz, dann<br />
muss ich das gut abschätzen. Ich habe nämlich gemerkt, dass die Pflege der WAP harte Knochenarbeit<br />
ist. Es ist unglaublich streng bis man einen Platz hat, der „ja“ sagt und Schüler beschäftigt. Da haben wir<br />
am Anfang des Pilotprojekts natürlich Lehrgeld bezahlt. Man hatte viele WAP, fragte jeden an, die<br />
sagten teilweise zu, dann wurden sie lange nicht informiert, dann ist man mit Schülern gekommen, die<br />
Schüler machten dann halt irgendwas, so machte man die WAP verrückt, sie sagten dann auch, dass<br />
sie aussteigen würden, wenn es so weitergehe. Dort ist regelmässiger Kontakt unheimlich wichtig. Man<br />
muss sich vor allem auch dann melden wenn es gut läuft. Wenn es nicht gut läuft bekomme ich dies<br />
inzwischen auch mit.<br />
- Es ist wichtig, dass der Betrieb merkt, dass sein Aufwand gering bleibt.<br />
- Und dort geht es ja auch darum, am WAP aufzuzeigen, schaut, was ihr da macht, ist wertvoll. Und sagt<br />
es ihr ja auch, versucht nichts zu beschönigen, du bist eine Liebe und eine Gute, sondern fadengerade.<br />
- Und der WAP ist ja auch Entlastung. Wenn ich nach drei Monaten sage, wir nehmen sie raus, dann<br />
schicke ich dort jemanden hin, der auch wirklich eine Hilfe sein wird.<br />
- Ich werde sie beobachten, ich werde den WAP darüber informieren wen sie bekommen (das Mädchen,<br />
das nicht gut gearbeitet hat.)<br />
- Und da, mit dem WAP-Koordinator, das ist dann der, der die WAP pflegt, akquiriert und alles. Da<br />
schlagen sie ja vor, irgendeinen Pensionierten zu nehmen. Oder Lehrpersonen mit Interesse an KMU<br />
oder Lehrpersonen mit einem Teilpensum. Wird sich zeigen, wie sich dies seriös umsetzen lässt. Ich<br />
meine, die Pflege der WAP ist so heikel, und muss so regelmässig gemacht werden, dass das nicht<br />
einfach jemand im Nebenamt machen kann, ich erkenne da ein Schadenpotential.<br />
- Die Besprechung wenn man nach drei Monaten einen WAP abgeschlossen hat, das ist etwas<br />
zwischen Lehrbetrieb und Schülern, da halte auch ich mich raus. Ich interveniere nur, wenn etwas schief<br />
läuft, wenn sie nicht kommen und ansonsten soll diese Verantwortung der Schüler komplett<br />
übernehmen. Das ist wirklich die Idee, das heisst auch das Gespräch dort, das wird wie in einer Lehre,<br />
zwischen dem Betrieb und dem Schüler stattfinden.<br />
Schule<br />
- Ich habe gemerkt, dass es nun etwa drei Jahre brauchte, bis sich das Projekt in der Schule etabliert<br />
hat, dass sich die Leute daran gewöhnt haben, dass da etwas ist. Die Schulleitung musste sich daran<br />
gewöhnen, auch finanziell musste sich die Schule daran gewöhnen. In der Schulleitung ist jemand<br />
neues dazugekommen – Frau B., mit ihr werdet ihr nachher noch sprechen können – und sie ist<br />
natürlich genial, sie ist meine Bezugsperson in der Schule. Ich informiere sie immer auch, so dass sie<br />
alles ein wenig mitbekommt, dass nichts entgleisen könnte. Mit den Lehrern selbst stehe ich sporadisch<br />
in Kontakt, ich weiss, wie sehr der Lehrer selber belastet ist. Das heisst, ich informiere ihn wenn nötig<br />
wöchentlich über Vorfälle. Vor oder nach den entsprechenden Ferien sitzen wir alle zusammen und<br />
besprechen die letzte Periode. Schauen, für wen das Projekt Sinn macht, ob man jemand Neues<br />
dazunehmen muss, hat es Schüler, für die das Projekt wichtiger wäre? Dort mach ich immer ein Update.<br />
Ich sehe sie auch immer wieder im Lehrerzimmer, da entstehen immer wieder schnell Austausche.<br />
- Die Frage (Zusammenarbeit mit der Schule) ist berechtigt, die Frage ist unglaublich wichtig, weil auch<br />
das Ausspielen durch die Schüler genutzt wird. „Sie, der Herr S. hat das gesagt“ und bei ihm sagt er<br />
etwas anderes. Und wenn der Austausch nicht da ist, dann bist du chancenlos, sie finden die Lücken<br />
und nutzen sie.<br />
- Beim Austausch selber habe ich am Anfang des Projektes noch wöchentlich ein, zwei Sätze über jeden<br />
Schüler geschrieben, ich habe so eine Art einfaches Journal entwickelt. Dies gab ich dann den Lehrern,<br />
wobei ich merkte, dass sie dieses gar nicht lesen. Also eine Zusammenfassung am Schluss ist<br />
wichtiger, zusammensitzen und das besprechen ist viel, viel wertvoller.<br />
- Das (schlechte Arbeit am WAP) wird dann auch mit den Lehrern diskutiert, und ich sage wie sie sich<br />
benommen hat, dass sie wenig Interesse zeigt, sie zieht kaum die Jacke aus, wenn sie bei mir in der<br />
Stunde sitzt, streckt selten auf, beteiligt nicht.<br />
- Bei der Diskussion mit dem Lehrer haben wir überlegt, was passiert, wenn wir sie aus dem Projekt<br />
nehmen, dann ist nicht mehr viel.<br />
- Dort entsteht so eine heikle Zone. Das ist so eine Schnittstelle wo die Absprache mit den Lehrpersonen<br />
noch besser werden muss (Frage, ob er mit den Schülern Bewerbungen schreibt).<br />
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- Was die Probleme allenfalls sein könnten, ist auch das Zusatzprogramm, Lehrpersonen, die ihre<br />
Schüler aus der Klasse geben müssen, je nach Lehrperson kann es da unterschiedliche Reaktionen<br />
geben, der Klassenlehrer hat nicht mehr einfach die ganze Gruppe bei sich. Und vielleicht ein Stückchen<br />
weit auch Abgrenzungsprobleme, wer denn genau was macht. Die alljährliche politische Frage, braucht<br />
es IMPULSIS, braucht es LIFT parallel.<br />
- Lehrpersonen, wenn ich die informiere, einen Statusabgleich mache, da hole ich Frau B. (SLL) gerne<br />
dazu, da ist sie ein Teil davon. Das ist aus meiner Sicht wichtig.<br />
- Dort war noch die Situation mit Frau A., dass auch jemand dabei war, die auch permanent im<br />
Schulhaus war und so hat so ein bisschen ein Abgleich stattgefunden. Wie gut die Qualität ist, kann ich<br />
so nicht sagen. Im Moment bin ich froh, dass ich das so lösen kann. Im Moment weiss ich nämlich<br />
genau, dass ich alle Fäden in der Hand habe, ich weiss haargenau, wo was passiert. Von aussen her<br />
sieht es aus, als würde dies viel zu tun geben, das ist so, aber so kann ich auch ganz viele Verluste an<br />
Informationen vermeiden, die erst über Drittpersonen zu mir kommen. Ich bin der direkte Bezug<br />
überallhin und das hilft.<br />
- Für mich ist es natürlich lässig, dieses Projekt an einem Ort machen zu können, wo du merkst dass sie<br />
auch dahinter stehen, wo du Lehrer und Schüler hast, die mitmachen. Ich habe ja sogar das Glück, ein<br />
eigenes Zimmer zu haben. Einen Raum den ich habe und sie kommen dann zu mir. Das ist auch noch<br />
ein Punkt, ich komme nicht zu ihnen rein, so als Fremdkörper, sondern man trifft sich so neutral wieder.<br />
- Informationen, habe ich gemerkt, hätten dort mehr fliessen müssen um ihnen auch ein bisschen mehr<br />
Sicherheit zu geben.<br />
Eltern<br />
- Natürlich muss ich es thematisieren (wenn Eltern ihre Kinder nicht unterstützen, unsere Kultur nicht<br />
verstehen). Ich habe gemerkt und auch gelesen, dass in diesem Kulturkreis (slawisch) Lehrstellen eine<br />
Armutslösung sind. Das heisst du gehst in irgendeinen Betrieb, dann zeigt dir einer rasch wie es geht<br />
und dann arbeitest du. Das assoziieren sie mit „Lehrstelle“. In diesen Ländern geht man studieren. Ein<br />
solches Studium kann man aber nicht mit einem Studium in der Schweiz vergleichen. Und das<br />
interessiert sie einfach nicht. Also, dann sind jetzt diese Schüler da und die müssen eine Lehre machen,<br />
und dann denken sie, was, eine Lehre, mein Sohn, mein König zu Hause, der muss in eine Lehre<br />
gehen? Das geht nicht. Ich könnte jetzt die Zeit aufwenden mich mit diesen Eltern hinzusetzen. (...) Und<br />
es hätte auch wenig Qualität, wenn ich mich hinsetzte, das wäre sehr aufwendig, wahrscheinlich noch<br />
mit einem Dolmetscher, und würde anfangen zu erklären, warum der Junge eine Lehre machen müsse.<br />
Dann nicken sie, sind einverstanden, gehen nach Hause und es läuft dann trotzdem wieder anders. Es<br />
muss von ihm (vom Jugendlichen) kommen, es muss von der emotionalen Ebene kommen.<br />
- Die Eltern treffe ich nie. E.s Eltern sind irgendwann mit dem Lehrer zusammengesessen, zu dritt haben<br />
sie dieses Projekt angeschaut und alle haben unterschrieben. Und ich habe mit E. zu tun. Elternarbeit ist<br />
ein bisschen ein Thema, wenn du das betreiben möchtest, dann brauchst du gleich das doppelte<br />
Budget. Bei einigen, bei E. jetzt nicht, bin ich einfach nur froh, wenn mir die Eltern nicht reinfunken.<br />
Weitere Kooperationspartner<br />
- Das ist dann wie z.B. IMPULSIS. Die sind auch da, aber eher gegen den Schluss, wenn es um die<br />
Lehrstellensuche geht, um die Erstellung des Bewerbungsdossiers, usw.<br />
- Ich habe dann im Zusammenhang mit IMPULSIS, IMPULSIS ist ja auf mich zugekommen und hat<br />
gefragt, ob wir nicht eine gemeinsame Plattform schaffen könnten, wo auch ein Austausch mit der<br />
Berufsberatung stattfindet. Ich habe das eigentlich noch eine interessante Idee gefunden, habe das<br />
auch mit der Schulleitung diskutiert. Die hat dann aufgrund der klaren Abgrenzung, was ich noch<br />
verstehe, gefunden, lieber nicht. Mach, dein Auftrag ist klar, meine Schnittstelle ist einfach, wenn ein<br />
Schüler ins IMPULSIS geht, kann ich sie informieren, das ist der Schüler, so sieht es aus, also einen<br />
Status abgeben, aber diese Symbiose findet nicht statt. Die ist nicht, oder noch nicht gewünscht. Ich<br />
merke schon, dass auch die Lehrer zum Teil die Sachen vermischen, wenn man dann plötzlich noch<br />
zusammenhockt und zusammen auftritt, dann ist es völlig unklar. Von daher finde ich es im Moment ok<br />
so.<br />
SLL Schule/Unterstützungsprogramme<br />
- Ich begleite nämlich nur ein wenig, übergebe sehr viel Verantwortung an P.<br />
- Der Vorteil ist, dass es jetzt an die Schulleitung angegliedert ist, weil viele Probleme sowieso mit der<br />
Schulleitung besprochen werden müssen. Ich bin in ein gut funktionierendes Projekt hineingerutscht,<br />
das ich einfach von aussen etwas begleiten kann.<br />
- Und das mit den Lehrpersonen, das ist auch etwas, das glaube ich so langsam kommt, das du (P) mit<br />
dem Lehrer H. noch weniger gemacht hast...<br />
- Und es ist schon so, in diesem Jahr haben wir zwei neue Lehrpersonen, die LIFT so gar noch nicht so<br />
gut kennen und ich wie sage, ich möchte dabei sein um auch Fragen klären zu können. Und wenn es<br />
um einzelne Schüler geht – häufig machen ja diejenigen Probleme, die auch im Schulbetrieb Probleme<br />
machen. Ich erfahre auch als Schulleiterin gute Sachen und zum Teil reagiere ich auch. Es kam nun<br />
schon zweimal vor, dass ich in meiner Position gleich nachgedoppelt habe und gesagt habe, he, wir<br />
haben über dich gesprochen und eins sag ich dir, ein Verhalten bewirkt, dass du ausgeschlossen wirst<br />
und ich werde dies voll unterstützen. Und beim einen ist es jetzt recht gut. Und bei der zweiten habe ich<br />
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nun einen Vertrag gemacht und sie hat mir gestern bestätigt, dass sie es bis jetzt eingehalten hätte, aber<br />
ich muss dann noch die andere Seite fragen, ob das so auch stimmt. Aber ich sehe, dass ich mit relativ<br />
wenig Aufwand so einen Klassenlehrer oder auch dich unterstützen kann. Ich denke, wenn sie hören,<br />
dass es nicht nur LIFT ist, nicht nur der P. der dort drin ist, sondern da kommt eine Schulleiterin und<br />
weiss, dass ein Schüler das und das nicht macht...<br />
- Vielleicht ist es auch einfacher, oder eher anders, wenn du in ein Schulhaus hineinkommst und sagst,<br />
dieses LIFT-Projekt haben wir seit mehren Jahren und sie kommen so rein. Weil im andern Jahr mit den<br />
Lehrerinnen M. und B., die waren vorher schon da und dann ist irgendwann LIFT dazugekommen. Ich<br />
sage, die haben vielleicht wie mehr Fragen oder andere Fragen, kritischere Fragen und dort ist es vor<br />
allem auch im die Stunden gegangen.<br />
Weitere Kooperationspartner<br />
- Von der Funktion her bin ich von der Schule QUIMS-Beauftragte, das heisst Qualitätssicherung in<br />
multikulturellen Schulen, und LIFT ist da ein Teilprojekt drin.<br />
- Und sie (IMPULSIS) machen auch Elterngespräche, sie machen also eine recht enge Betreuung mit<br />
dieser Schülerin, einfach zur Unterstützung der Lehrperson.<br />
- Ich weiss gar nicht, ob IMPULSIS ein kantonales Projekt ist, ich meine das wird einfach in den<br />
verschiedenen Schulgemeinden angeboten. Das ist auch eine Dienstleistung, die wir einkaufen. Ein bis<br />
drei Personen kommen an einem Halbtag hier rein, und man geht dort ganz konkret bei der<br />
Lehrstellensuche Hilfe holen. Also sie gehen nicht so weit wie das LIFT geht. Und ich sage mal, der<br />
Vorteil ist auch, dass es nicht nur auf die C-Schüler beschränkt ist, sondern es ist auch für die B- und A-<br />
Schüler. Es ist für Schülerinnen und Schülern, die Mühe haben, und das kann durchaus sein, dass eine<br />
Sek-A-Schülerin Mühe hat, die sich vielleicht schlecht verkauft, die noch in die falsche Berufsrichtung<br />
geht. Und das wird dort besprochen. (...) Aber eben, es ist weitergefasst, A, B und C, und klar sagt man,<br />
B und C müssten mehr haben als die Sek A, wo es vielleicht einfacher ist. Und wir sagen, eine Sek C,<br />
die bisher im LIFT war, zwar Pech gehabt hat, aber engagiert ist, darf durchaus noch ins IMPULSIS<br />
gehen, aber ein Sek-C-Schüler, der einfach ein fauler ist, der sich nicht engagiert und vielleicht noch<br />
nicht reif ist, dann möchte man diese IMPULSIS-Plätze einfach für jemand anderen frei behalten, wo die<br />
Chancen bestehen.<br />
LPL Betriebe und/oder Brückenangebote<br />
- Ich stelle mir da ungeheuer schwierig vor, die Plätze überhaupt erst zu bekommen. Also wenn ich<br />
bedenke, dass ich das machen müsste, dann würde ich kapitulieren, glaube ich, da würden mir einfach<br />
die Erfahrungen fehlen.<br />
- Und sie merken, dass man mit dem Lehrern sprechen kann, das ist ja ganz normal, das setzt dann<br />
auch etwas in Bewegung. Aber einen anderen Kontakt über das LIFT-Projekt hinaus gibt es eigentlich<br />
nicht. (am Berufswahltag)<br />
- (Frage, ob die LP von Betrieben schon über Schüler befragt wurde) Also bis jetzt haben sie das nicht.<br />
Berufsberatung<br />
- Der erste Elternabend im Schuljahr war verbunden mit dem Informationsabend im BIZ.<br />
- Das kriegen sie dann vor allem mit im Zusammenhang mit dem BIZ, da sind Schülersprechstunden, wo<br />
ich die Schüler freistelle, wo sie dann hingehen können. Sie sind da schon sehr oft gewesen, sie<br />
besprechen das gerne, holen dort Rat. Gehen dort auch mit den Eltern zusammen, das ist ein Angebot.<br />
Einige gehen dort aber auch nach mehrmaligen schriftlichen Aufforderungen nicht hin, nicht mit den<br />
Eltern zusammen.<br />
- Ja, wenn ich es dreimal dann versucht habe, dann schicke ich sie verstärkt in die Sprechstunde der<br />
Berufsberatung hier in der Schule. Im BIZ haben sie die Infothek, können Filme anschauen, da können<br />
sie viel mehr machen, das nutzen sie nicht. Die Berufsberatung kommt hierher und dann können sie<br />
Fragen stellen. Vor allem die, die noch nicht hingegangen sind, kriegen einen Termin, schreib ich auf<br />
und dann müssen sie dann gehen. Das lege ich einfach fest. Und wenigstens haben sie dann das<br />
gemacht.<br />
Schule/Unterstützungsprogramme<br />
- Sie haben mir im November berichtet wie es abläuft, denn ich sollte wenn möglich nicht in den<br />
Unterricht mitkommen damit P. wirklich eine Beziehung zu ihnen aufbauen kann und die Schüler nicht<br />
durch den Kontakt zu anderen Lehrpersonen durcheinander gebracht werden.<br />
- Da gab es vorher keinen Austausch. Ich mache das jetzt auch das erste Mal mit der Berufswahl, LIFT<br />
ist für mich auch neu gewesen. Wir treffen uns und machen Auswertung. P. sagt dann wie weit er ist,<br />
spricht über die Schüler und führt auch ganz genau aus, gibt Einschätzungen schriftlich, das ist sehr<br />
wertvoll für mich, weil ich das dann in meine Einschätzung einfliessen lassen kann fürs<br />
Standortgespräch.<br />
Eltern<br />
- Das ist schwierig, da spreche ich mit den Eltern, jetzt sind die Standortgespräche gewesen, ich<br />
verdeutliche ihnen die Situation, die Eltern merken, dass da jetzt was Grundsätzliches nicht stimmt. Ja,<br />
und die Jugendlichen, die versprechen in der Regel, „ich mach das dann“. Dann frag ich, bis wann? Und<br />
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dann kommt schon keine Reaktion. Ich nehme an, es geht jetzt so weiter, ich muss einfach Termine<br />
setzen, wenn das dann wieder nicht eingehalten wird. Mit den Eltern kann man nicht anders reden, sie<br />
nehmen es dann nicht so ernst, also, die kann man dann nicht so motivieren, dass man ihnen klarmacht,<br />
das ist dein Leben, das verstehen sie einfach nicht.<br />
- Der erste Elternabend im Schuljahr war verbunden mit dem Informationsabend im BIZ in K. und da<br />
sind aus zwei Klassen zwei Elternteile gekommen. Und von einem Schüler die Schwester, also<br />
wenigstens das. Das von 20 die hätten kommen müssen. Der Schulleiter war da, die dritte Sek sollte<br />
eingeführt werden. Sie wissen es alle nicht. Sie kommen zum Standortgespräch und müssen sich von<br />
den Kindern erklären lassen, was denn jetzt eigentlich Sache ist. Sie können es ja gar nicht wissen, das<br />
geht ja gar nicht. Das wird in der Schulleitung überlegt, wie man das anders machen könnte. Wie kriegt<br />
man die Eltern an den Elternabend?<br />
- Das ist nicht das Problem, dass sie es (Deutsch) nicht könnten. Sie sind der Meinung, es ist irgendwie<br />
nicht so wichtig, es wird schon irgendwie laufen. Und dann kommt noch dazu, dass die meisten Eltern<br />
solch unterqualifizierte Arbeiten haben, dass sie spätabends arbeiten müssen, die gehen putzen, oder<br />
auf den Bau, die kommen wirklich spät nach Hause. Das ist wirklich schwierig. Sie kommen wirklich nur<br />
im allergrössten Notfall, wenn es für sie wichtig ist. Wenn ich sage, jetzt fliegt er von der Schule, dann<br />
kommen sie. (558) Das kann ich auch ein Stück verstehen, weil sie da nicht ständig fehlen können, sie<br />
haben Angst, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren.<br />
Weitere Kooperationspartner<br />
- Es gibt noch eine Möglichkeit, und da bin ich auch sehr froh bei einer ganz schwachen Schülerin, wo<br />
auch die Mutter Erziehungsprobleme hat. Da gibt’s in der Gemeinde eine Sozialstelle und eine<br />
Betreuerin, die sich dann um die Mutter kümmert und die auch der Tochter helfen wird mit den<br />
Bewerbungen. Und das ist natürlich für die Mutter auch einfacher, wenn das von so einer Stelle kommt.<br />
Sie merkt, jetzt wird mir da geholfen, und das ist für eine Frau, eine Familie, die sich integrieren, sehr<br />
wichtig.<br />
JL Schule/Unterstützungsprogramme<br />
- Ja, wirklich nur bei ihm (P), der Lehrer weiss nicht viel über LIFT.<br />
Eltern<br />
- Meine Eltern sagen, es sei ein sehr gutes Projekt, das einem in der Lehre helfen kann. Es ist ein sehr<br />
wichtiges Projekt. Ich solle es auch ernst nehmen, nicht hingehen und Blödsinn machen und bis jetzt<br />
waren alle meine Beurteilungen sehr gut! (Sie unterstützen dich also?) Ja.<br />
Aussenperspektive<br />
PL Schule<br />
- Ich habe viele Schüler, die sagen, ich sei eigentlich der einzige, mit dem sie sprechen können. Der<br />
Lehrer hält einen Monolog, zu Hause geht’s nicht und bei Kollegen holen sie keine wertvollen<br />
Informationen.<br />
- Solche Projekte, solche Thematiken wie z.B. Sozialkompetenz outzusourcen, ist für mich einfach eine<br />
sehr gute Methode, es muss nicht die Einzige sein, aber ich finde es extrem sinnvoll.<br />
- Ja, die Konsequenz ist schon so. Ich realisiere, J. hat mal gesagt, irgendwann habe ich gesagt, jetzt<br />
müsse ich etwas machen, jetzt habt ihr etwas verbockt, jetzt muss ich euch Konsequenzen spüren<br />
lassen. Was soll ich machen? Es ging konkret um eine Schülerin, der sagte dann, machen Sie doch<br />
einen Eintrag. Nein, Einträge bringen mir nichts. J. hat dann gesagt, ja, genau, die bringen nämlich gar<br />
nichts. Sagt mir eine Schülerin, man muss irgendetwas bieten, das ihnen weh tut und wenn es der<br />
Verlust des Wochenarbeitsplatzes ist oder den Verlust des Projektplatzes, dann ist es das. Und das ist<br />
dann nicht ein Schüler, der verloren hat, sondern die letzte Lehre gezogen hat in dem Projekt. Wenn er<br />
merkt, aha, ich kann auch etwas verlieren, oh, das tut weh. Das ist dann für mich die letzte Möglichkeit<br />
die ich noch habe. Aber es ist dann nicht einfach ein Schüler, der verloren ist. Und ich habe letzthin<br />
erfahren, ich sei der strengste Lehrer.<br />
- Ja, das hat wahrscheinlich auch ein wenig mit dem Abstand zu tun. Ich sehe die einmal in der Woche,<br />
ich kann mir Zeit nehmen, zu denken, was die jetzt brauchen. Und wenn du diese Schüler jeden Tag<br />
hast, ist es extrem schwer dort Distanz zu gewinnen, in die Metaebene zu gehen und zu fragen, was<br />
brauchen sie genau.<br />
- Diese negative Sicht kenne ich nicht. Ich kenne die fachlichen Stärken nicht. Ich sehe nur Verhalten.<br />
Ich nehme Muster war, ich sehe wie sie heute miteinander unterwegs sind, momentan sind da viele<br />
Aggressionen. Gut, was ist los?<br />
- Und der Schüler L. hat dort (beim Lehrlings-Interview) ein Satz gesagt, als er gesehen hat wie die<br />
Schüler sich benehmen. „He, Leute, ihr seid im C, ihr seid am untersten Punkt und macht einander<br />
gegenseitig fertig. Ihr solltet euch gegenseitig unterstützen!“ Das sind glaube ich Aussagen, die bei den<br />
Jungen schon angekommen sind.<br />
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SLL Schule<br />
- Und zum Teil, wenn ich dir (P) zuhöre, höre ich heraus, dass du in deiner Position anders mit den<br />
Schülern sprechen kannst als wir Lehrpersonen. Ich reagiere auch drauf und sage, deine Kleidung<br />
gefällt mir nicht unbedingt. Ein banales Beispiel, ein C-Schüler hat am letzten Donnerstag die Hose<br />
wirklich unter dem Po gehabt und ich habe ihm ganz sachlich gesagt, dass ich eigentlich keine Lust<br />
habe, deine Unterhosen anzuschauen. Da weiss ich, dass das nicht alle Lehrpersonen so sagen<br />
könnten, und bei dir (P) verlangt man es, du musst es und kannst es auch sehr, sehr direkt sagen. Das<br />
ist wie auch ein Vorteil, wenn es nicht Lehrpersonen sind.<br />
- Aber eben, es ist etwas anderes und es gibt auch auf eine andere Art eine Nähe. Und ich weiss nicht,<br />
wie fest du sie bestrafen musst, wenn du sie bestrafst, dann heisst das, du bist momentan<br />
ausgeschlossen. Aber sie wollen ja etwas und eine Bestrafung tut ihnen glaube ich einfach sehr, sehr<br />
weh wenn sie nicht mehr am Projekt teilnehmen dürften.<br />
LPL Schule<br />
- Wenn ich sage, dass die Hausaufgaben bis dann und dann zu machen sind, höre ich, ja wie soll ich<br />
das schaffen, am Mittwoch habe ich den WAP oder wenn sie eine Stunde nachsitzen müssen, kommt<br />
immer sofort, ich muss dahin. „Das können Sie überhaupt nicht von mir erwarten, ich muss dringend<br />
dahin“. Sie wollen das auch, es ist woanders angebunden als die Schule. Und das ist eben für C-Schüler<br />
wichtig.<br />
- Weil das ein ganz anderer Rahmen ist, hat das eine ganz andere Wirkung, fängt ganz anders bei den<br />
Schülern (Verhalten am Arbeitsplatz, Werte, Pünktlichkeit).<br />
- Ja, und als Lehrer rutschst du immer wieder in das Muster, du siehst alles was sie überhaupt nicht<br />
können. Also du stärkst natürlich auch, aber du kaust dann halt auch immer wieder das vor was Defizite<br />
sind. Mir geht’s dann so, dass ich sage, das kannst du jetzt, das ist schon besser, ABER... und dann<br />
sind die natürlich schon wieder... Das sind die Schwierigkeiten.<br />
- Und dann habe ich so auch noch die Aussensicht der Stimmung in der Klasse, so wie P. das<br />
insgesamt einschätzt, dass sie beispielsweise so aggressiv daher kommen. Das ist jetzt genau die<br />
Sache, die läuft, das hilft dann eben insgesamt auch noch.<br />
Eltern<br />
- Die Jugendlichen selbst, auch die Eltern, so beobachte ich, hören ganz anders zu, wenn ich sage, jetzt<br />
kommt die Einschätzung vom WAP, dann bekommen die ganz grosse Ohren. Man merkt, das hebt sich<br />
richtig ab, von dem was ich sonst einschätze.<br />
JL Schule<br />
- (Wie waren die Lehrlings-Interviews?) Ja, das hat sehr viel gebracht, die haben uns erzählt, wie es ist.<br />
Wenn es draussen schön ist, und jemand auch am Samstag bis 8 Uhr arbeiten muss, dann kann man<br />
nicht einfach sagen, man sei krank, da musst du trotzdem gehen. Und in der Schule geht es einen<br />
Zacken schneller und eben, dass wir uns nicht fertig machen sollen.<br />
Wirtschaftsnähe<br />
PL Bezug zur Wirtschaft<br />
- Wenn ihr auch hier unten schaut, wen sie vorschlagen als Modulleiter, wälzen sie das sehr stark auf<br />
Sozialpädagogen ab. Und ich merke, dass das zum Teil Sinn macht, was der Sozialpädagoge mitbringt<br />
ist sehr wertvoll im Umgang mit den Schülern, aber ein Hindernis, eine Barriere im Umgang mit der<br />
Wirtschaft. Es sind einfach zwei Paar Schuhe. Das muss gepflegt werden, man muss akquirieren, man<br />
geht vorbei, man ist Verkäufer, man setzt sich hin und verkauft den Schüler, man verkauft ein Projekt,<br />
zeigt, was man macht, und das ist nicht die Kernkompetenz eines Sozialpädagogen. Und da trennen<br />
sich unsere Meinungen.<br />
- Man hat schon einen Lehrstellenfahrplan, aber die Wirtschaft funktioniert anders als diese Pläne. Ich<br />
weiss selber, dass die ersten Evaluationen nach der ersten Sek stattfinden. Das ist so, und wenn man<br />
da den Fahrplan hat, ist es eine zweite. (?) Und ich weiss von C-Klassen, die werden im Sommer fertig,<br />
und dort haben drei Schüler aus der Klasse eine Lösung und das kann es nicht sein. Sie sehen nicht,<br />
dass die Wirtschaft anders funktioniert, das musste ich lernen.<br />
- und um es zu wiederholen, jemand, der auch weiss, wie die Wirtschaft funktioniert. Ich habe da ein<br />
paar Vorteile.<br />
- Ja, und ich kann’s euch sagen, die Lehre, die hat mich „angewidert“. Ich habe jeden Morgen um 6.45<br />
Uhr eingestempelt und ich bin nicht gerne gegangen. Irgendwann habe ich dann noch einen neuen<br />
Lehrmeister bekommen und das war so eine schwierige Zeit. Und das durchbeissen... Und aus der Sek<br />
heraus wusste ich nicht einmal was ich werden möchte. Ich machte dann noch das 10. Schuljahr. Also<br />
ich weiss wie es denen geht. Sich so für einen Beruf entscheiden...<br />
- Dann gehst du mal die Pfadi durchforsten, da hast du en masse solche Leute, die arbeiten gehen und<br />
einen pädagogischen Wert mitbringen. Und nicht nur den pädagogischen Wert, sondern auch den Wert<br />
ins Leben, um den geht es nämlich.<br />
SLL<br />
LPL<br />
98
JL<br />
Finanzen<br />
PL - Was ich etwas schade finde, ist die Art und Weise wie es verkauft wird. Es wird zu den von Bern<br />
vorgegebenen Preisen unter dem Wert verkauft. Es ist so ein bisschen ein Armutsdenken vorhanden,<br />
sie haben auch mal die Preise festgelegt, jährliche Kosten bei 10 bis 12 Jugendlichen, dass das 1500<br />
Fr. kostet. Und dann verlangen sie von einem Pensionierten, dass er diese WAP sauber akquiriert und<br />
pflegt, und die Diskussion zum Modulleiter aufrecht erhält. Ich bin da natürlich in ewigen Diskussionen<br />
verwickelt, weil sie mir immer sagen, ich sei viel zu teuer, aber ich weiss was ich habe, weiss, welchen<br />
Wert es hat. Wenn man schaut, dass ein Schüler so nachher in der Lage ist, sein Leben selber zu<br />
gestalten und nicht irgendwann im sozialen Netz hängen bleibt, dann hätte ich mit einem Schüler das<br />
Projekt locker finanziert. Aber ich weiss auch nicht, wie man das... Wenn sie von Bern von Ort zu Ort<br />
gehen und solche Preise und wie sie es organisieren könnten... Mir ist schon auch klar, die Schule hat<br />
kein Geld, und es müssen zuerst ein paar Beweise vorliegen, dass das Projekt funktioniert. Ich sehe<br />
einfach den Punkt, man kann so schon mal den Schuh reinhalten und zeigen, das Projekt funktioniert,<br />
aber wenn der Preis mal feststeht, dann steht er fest. Dann kannst du nicht mehr sagen, gut, von jetzt an<br />
kostet es doppelt so viel, oder noch mehr, das geht nicht. Das braucht Schulen wie hier, die sagen, wir<br />
finden das cool, wir finden das den Hammer, wir zahlen es und wir wissen, was wir haben.<br />
- Ja, das wird unterschätzt (Kontakt zu Betrieben aufrecht erhalten ist zeitintensiv). Und das merken die<br />
Schulen auch, das ist der Punkt, der Angst macht, wie komme ich zu diesen WAP? Wer macht das? Ja,<br />
und ich habe das Glück, dass die Schule einfach sagt, ich bekomme diese Zeit auch bezahlt, ich<br />
bekomme Geld dafür und kann es so seriös machen.<br />
SLL - Das heisst ein Teil des Lohnes, den wir bezahlen, bekommen wir vom Kanton. (QUIMS)<br />
- Ich sage einfach, was immer wieder ein Handicap ist, sind die Kosten. Das kann man wirklich sagen.<br />
Dort gab es auch Absprachen mit dem Sozialamt, denn wo landen nachher diese Schüler, die keine<br />
Lehrstelle haben? Also wie stehen die Kosten, wenn sie allenfalls anstehen, wenn sie keine Lehrstelle<br />
haben, oder wenn wie jetzt präventiv etwas unternehmen? Dies wurde verglichen.<br />
LPL<br />
JL<br />
99
8 Analyse der idealen Konzepte<br />
Frühzeitiger Beginn mit der Berufswahlvorbereitung<br />
Mentoring:<br />
- Lehrpersonen melden der Berufsberatung potentielle Jugendliche.<br />
- Die Jugendlichen befinden sich in einem fortgeschrittenen Berufswahlprozess und erfüllen die notwendige<br />
Voraussetzung, um in die Arbeitswelt einzutreten, sei es in ein Lehrverhältnis, Praktikum oder Arbeit.<br />
- Die zuständige Berufsberaterin oder der Berufsberater klärt die Voraussetzungen und entscheidet über die<br />
Anmeldung der Jugendlichen ins Mentoring-Programm.<br />
LIFT-Projekt:<br />
- Risikogruppen frühzeitig erfassen (ab der 1.Oberstufe).<br />
- Der Beginn im 7.Schuljahr ist ein Teil des Erfolges von LIFT.<br />
- Bei den avisierten Jugendlichen können nicht kurzfristig nachhaltige Veränderungen erzielt, sondern müssen<br />
über einen längeren Zeitraum erarbeitet und begleitet werden.<br />
- LIFT-Teilnehmende werden durch die Lehrperson selektioniert.<br />
Individuelle Förderung<br />
Mentoring:<br />
- Mentoring ist eine Förderbeziehung zwischen erfahrenen Persönlichkeiten (Mentorinnen und Mentoren) und<br />
jungen Menschen (Mentees). Zusammen bilden sie ein Tandem. Der Kern der Zusammenarbeit von Mentor und<br />
Mentee besteht aus der konkreten und breit abgestützten Unterstützungs- und Realisierungshilfe bei der Suche<br />
von Lehrstellen und/oder Praktikumsplätzen.<br />
- Mentorinnen und Mentoren begleiten Jugendliche bis zum geglückten Einstieg in die Lehre.<br />
- Es verlangt ein gewisses Mass an zeitlichen Ressourcen.<br />
LIFT-Projekt:<br />
- externe Fachperson (Kleingruppen-Coaching).<br />
- Sie (Modulleitungen) müssen in der Lage sein, mit Geduld und Einfühlungsvermögen Jugendliche mit<br />
Schwierigkeiten zu unterstützen und zu motivieren.<br />
- Das Projektteam NSW / LIFT bereitet die Jugendlichen in speziellen Zusatzlektionen auf die Einsätze vor und<br />
stellt eine professionelle Begleitung.<br />
- Standortgespräche werden in der Regel alle 3 Monate durchgeführt.<br />
Förderung der Selbst- und Sozialkompetenzen<br />
Mentoring:<br />
- Sie (Mentoren und Mentorinnen) motivieren bei Absagen und stärken das Durchhaltevermögen.<br />
- Sie (Mentoren und Mentorinnen) unterstützen Jugendliche bei der Entwicklung der nötigen Fertigkeiten, um<br />
zeitgerecht eine Lehrstelle antreten zu können.<br />
- Sie (Jugendliche) diskutieren und planen notwendige Teilschritte, um das vereinbarte Ziel zu erreichen.<br />
LIFT-Projekt:<br />
- Förderung von Selbst- und Sozialkompetenz.<br />
- Die Zusatzmodule zu Sozial- und Selbstkompetenz werden ein- bis zweimal wöchentlich in Kleingruppen<br />
durchgeführt.<br />
- Wichtige Themen im Modulunterricht sind die Vorbereitung auf den Wochenplatzeinsatz; wie trete ich auf / wie<br />
benehme ich mich / wie kleide ich mich; Durchhalten, wenn es schwierig wird am Wochenplatz; Festigung der<br />
sozialen Kompetenzen; wie kommuniziere ich; Umgang mit Geld.<br />
Realbegegnungen<br />
Mentoring:<br />
- Sie (Mentoren und Mentorinnen) ermöglichen den Jugendlichen erste Kontakte zur Arbeitswelt.<br />
- Durch die Teilnahme am Mentoring gewinnen junge Frauen und Männer schneller den Zugang zur Wirtschaft<br />
durch Einblicke in den Arbeitsalltag.<br />
- Mentoring Thurgau bietet Realisierungshilfe für Jugendliche, die über die schulischen und persönlichen<br />
Voraussetzungen für eine berufliche Grundbildung (Lehre, Attest, Anlehre) verfügen, aber keine entsprechende<br />
Lehrstelle finden.<br />
LIFT-Projekt:<br />
- Das Sammeln von praktischen Erfahrungen in der Arbeitswelt - im Rahmen von regelmässigen Einsätzen in<br />
lokalen KMU - ist ein Kernelement des Projektes.<br />
- Im Zentrum des LIFT-Konzepts stehen Wochenplätze für SchülerInnen der 7. bis 9. Klasse in KMU (kleine und<br />
mittlere Unternehmen) der Region.<br />
- Die Jugendlichen arbeiten über einen längeren Zeitraum jeweils 3-4 Stunden wöchentlich in Betrieben der<br />
Region.<br />
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- Grundsätzlich sind dies (Arbeiten an einem Wochenarbeitsplatz) einfache, praktische und leichte sich<br />
wiederholende Arbeiten wie z.B. einräumen, ordnen, auspacken, aufräumen, archivieren, reinigen usw.<br />
Alternativen<br />
Mentoring:<br />
- Sie (Mentoren und Mentorinnen) unterstützen Jugendliche auch bei der Suche nach Übergangslösungen.<br />
LIFT-Projekt:<br />
- keine Angaben<br />
Netzwerke<br />
Mentoring:<br />
- Mentoren sind vernetzt.<br />
- Erhöhung der Chancen bei der Lehrstellensuche durch die Nutzung des Beziehungsnetzes des Mentors.<br />
- Sie (Mentoren und Mentorinnen) initiieren bei Bedarf weiterführende Beratung bei Fachstellen.<br />
- Lehrerinnen und Lehrer melden interessierte Jugendliche der zuständigen regionalen Berufsberatungsstelle.<br />
- Die Anmeldung wird von der Berufsberatung an die Programmleitung weitergeleitet.<br />
- Die Teilnahme erfordert die Zustimmung der Eltern.<br />
- Im Triagegespräch mit der Projektleitung werden geeignete Mentees mit passenden Mentoren zu einem<br />
Tandem zusammengeführt.<br />
- Sie (Mentoren und Mentorinnen) werden regelmässig an Veranstaltungen eingeladen.<br />
LIFT-Projekt:<br />
- Enge Kooperation Schule – lokales Gewerbe.<br />
- Regelmässig werden die KMU telefonisch befragt, wie es läuft mit den Schülerinnen und Schüler am<br />
Wochenplatz.<br />
- Die Ansprechpartner an den Schulen sind die SchulleiterInnen und die jeweiligen Klassenlehrpersonen.<br />
- Eine gute Vernetzung mit dem lokalen oder regionalen Gewerbe ist von Vorteil.<br />
Aussenperspektive<br />
Mentoring:<br />
- keine Angaben<br />
LIFT-Projekt:<br />
- keine Angaben<br />
Wirtschaftsnähe<br />
Mentoring:<br />
- Mentoren und Mentorinnen stellen ihr Wissen über die Regeln und Wirkungsweisen der Arbeitswelt zur<br />
Verfügung.<br />
- Jugendliche erhalten nützliche Informationen aus erster Hand.<br />
- Mentorinnen und Mentoren stellen den Mentees ihre Lebens- und Berufserfahrung sowie ihr Beziehungsnetz in<br />
der Wirtschaft zur Verfügung.<br />
LIFT-Projekt:<br />
- Modulleitungen sollten Personen mit einem pädagogischen und sozialpädagogischen Hintergrund sein.<br />
-Modulleitungen sucht man vorwiegend im Kreis von Schulsozialarbeitenden, Lehrpersonen oder im Bereich<br />
Jugendarbeit mit Bezug zur Wirtschaft.<br />
- WAP-Koordinatoren können in den Bereichen Industrie/Gewerbe/KMU, dem Kreis von Pensionierten,<br />
Lehrpersonen mit Interesse an KMU oder Lehrpersonen mit einem Teilpensum gefunden werden.<br />
Finanzen<br />
Mentoring:<br />
- Das Engagement als Mentor oder Mentorin ist ehrenamtlich.<br />
LIFT-Projekt:<br />
- Lift wird durch die lokale Schule/Behörde finanziert.<br />
- Häufig können die anfallenden Kosten durch bereits bestehende Kostenstellen (Lektionenpools/Arbeitspensen)<br />
abgedeckt werden.<br />
- Andere lokale Stellen können bei der Finanzierung mithelfen.<br />
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