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Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.V.

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<strong>Magazin</strong> <strong>der</strong> <strong>Mütter</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Atomkraft</strong> e.V. 2010<br />

AUS DEM ELFENBEINTURM<br />

AUF DIE POLITISCHE BÜHNE<br />

Naturwissenschaft als Verpflichtung<br />

Zu seinem 80 Geburtstag hat Hans-<br />

Peter Dürr, Träger des Alternativen<br />

Nobelpreises und als Mitglied von<br />

Pugwash International auch des<br />

Friedensnobelpreises, ein neues<br />

Buch veröffent licht. Unter dem Titel<br />

„Warum es ums Ganze geht“ entwickelt<br />

Dürr eine Vision von einer<br />

gewaltfreien und gerechten Zukunft.<br />

Eine Vorstellung davon, dass<br />

es in einer Weltgemeinschaft durch -<br />

aus mög lich ist, verantwortungsvoll<br />

und human auf und mit unserer<br />

Erde zu leben. Diese Überzeugung<br />

hebt sich wohltuend ab von den vielen<br />

apokalyptischen Szenarien, die<br />

den drohen den Kollaps beschreiben.<br />

Zwar warnt <strong>der</strong> Autor und verschließt<br />

nicht die Augen vor den<br />

von Menschen gemachten Problemen<br />

unserer Zeit.<br />

Das Buch mit dem Untertitel Neues<br />

Denken für eine Welt im Umbruch<br />

liest sich wie ein sehr persönlicher,<br />

biografischer Bericht. Mit den<br />

schreck lichen Kindheitserlebnissen<br />

im 2. Weltkrieg, aus dem sein Vater<br />

als vermisst nicht mehr zurück kehrt.<br />

Vorzeitig gereift, aber auch misstrauisch<br />

<strong>gegen</strong>über allen politischen<br />

Ideen, will sich <strong>der</strong> Student ausschließlich<br />

mit Naturwissenschaften<br />

beschäftigen. Die Physik sei etwas,<br />

was man experimentell und mathematisch<br />

objektiv überprüfen könne,<br />

diesem Wissen kann er mehr vertrauen<br />

als den Appellen <strong>der</strong> Politiker. Zugleich<br />

hat <strong>der</strong> junge Wissenschaftler<br />

das große Glück, vermutlich als einer<br />

<strong>der</strong> ersten Austauschstudenten 1953<br />

ein Stipendium für ein Studium an<br />

<strong>der</strong> kalifornischen Universität von<br />

Berkeley zu erhalten. „Berkeley war<br />

damals einer <strong>der</strong> interessantesten<br />

und aufregendsten Studien-und Forschungsplätze<br />

in <strong>der</strong> Physik“, erinnert<br />

sich Dürr. Edward Teller, <strong>der</strong><br />

1934 aus dem nationalsozialistischen<br />

Deutschland fliehen musste,<br />

nimmt den jungen Deutschen ohne<br />

Vorbehalte als Doktorvater an.<br />

Damit aber gerät Dürr unversehens<br />

ins Zentrum <strong>der</strong> Forschung, die auf<br />

die militäri sche Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> atomaren Überlegenheit <strong>der</strong> USA<br />

gerichtet ist. Nicht von ungefähr wird<br />

Edward Teller <strong>der</strong> „Vater <strong>der</strong> Wasserstoffbombe“<br />

genannt, <strong>der</strong> als strikter<br />

Antikommunist noch bis in die 80er<br />

Jahre die Militärstrategie <strong>der</strong> USA<br />

voll und ganz unterstützt. Menschlich<br />

bleibt Hans-Peter Dürr dem Wissenschaftler<br />

Teller zeitlebens verbunden,<br />

von dessen politischer Haltung<br />

er sich deutlich distanziert. Was<br />

ihm während seiner Zeit in Kalifornien<br />

leicht fällt, da er sich ausschließlich<br />

mit Experimentalphysik beschäftigt<br />

und nicht in das Kernforschungsprogramm<br />

eingebunden ist.<br />

Frisch verheiratet tritt Dürr 1958 die<br />

Heimreise nach Deutschland an –<br />

und gerät mitten in die aufgeheizte<br />

politische Stimmung um eine mögliche<br />

militärische Aufrüstung mit<br />

Atom waffen. Bundeskanzler Konrad<br />

Adenauer ist ebenso ein<br />

Befürworter wie<br />

Franz Josef<br />

Strauß, <strong>der</strong><br />

1956 <strong>der</strong><br />

erste<br />

Atom-<br />

minister <strong>der</strong> Bundes republik wurde.<br />

Aber dieses Mal spielen die deutschen<br />

Naturwissenschaftler nicht<br />

mit: In <strong>der</strong> sogenannten „Göttinger<br />

Erklärung“ warnen 18 <strong>der</strong> renommiertesten<br />

deutschen Atomphysiker<br />

(darunter Werner Heisenberg, Otto<br />

Hahn, Max Born, Carl Friedrich von<br />

Weizsäcker) eindringlich und scharf<br />

vor einer <strong>der</strong> artigen Bewaffnung <strong>der</strong><br />

jungen Bundeswehr. Für Dürr, den<br />

29-jährigen Doktor <strong>der</strong> Physik, wird<br />

das die prägende Erfahrung: Wissenschaftler<br />

verlassen ihren Elfenbeinturm,<br />

um ihre Kompetenz in einer<br />

lebenswichtigen Debatte einzubringen.<br />

Für Dürr steht zunächst wie<strong>der</strong> die<br />

reine Lehre im Vor<strong>der</strong>grund. „Ich<br />

war einer, <strong>der</strong> den ganzen Tag über<br />

Physik nachdachte“, sagt er über<br />

sich selbst, angespornt vor allem<br />

durch seinen Vorgesetzten und<br />

Lehrer Werner Heisenberg. Doch<br />

die gesellschaftlichen und politischen<br />

Verhältnisse in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

zwingen auch ihn schließlich,<br />

Position zu beziehen. Als Direktor<br />

des Max-Planck-Instituts München<br />

erhält er 1975 einen Aufruf des<br />

damaligen Bundeskanzlers Helmut<br />

Schmidt (SPD): Er, Schmidt, brauche<br />

Vordenker<br />

Hans-Peter Dürr

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