Osterlehrgang 2007 in Troisdorf - Deutscher JKA-Karate-Bund e.V.

Karate und Karate-Do: Wettkampfsport und Kampfkunst zwischen Tradition und Moderne
richtiger Schritt in Richtung Tradition – aber es ginge
noch einen Schritt weitern nämlich in Richtung auf
Funakoshi selbst, der gegen Karate als Sport war.
Doch dieser "Traditions-Fundamentalismus" im Karate
fände eigentlich erst sein Ende im Rückgriff auf die
Lehre des Shaolin-Quanfa / Shorinji-Kempo (s.o.). Im
Disput der Positionen des Karate zwischen
Wettkampfsport und Weg-Kamfkunst soll hier weder das
Eine noch das Andere lobgepriesen oder verteufelt werden
– allein es wird empfohlen, der Sache wahrhaft auf
den Grund zu gehen. Die Erfahrungen im Wettkampf
und seine psychologischen wie körperlichen Strapazen
machen einen Menschen sicher nicht dümmer, sondern
ganz bestimmt reifer. Karatetechniken unter hohem
Stress anzuwenden, und zwar erfolgreich, ist sicher eine
Leistung, ein Können, das ein fortgeschrittener Karateka
zu bringen in der Lage sein sollte – und sei es in der Not
(auf der Strasse). Auch ist nicht von der Hand zu weisen,
dass Karate als Sport (wie jeder "gute" Sport") gerade
für Kinder und Jugendliche eine altersgerechte und sozial
anerkannte Möglichkeit der Sozialisation, Bildung und
Integration darstellen kann. Der Umgang mit Regeln,
Werten und Normen, mit Partnern und sportlichen
Gegnern, mit Sieg und Niederlage, erleben und lernen
von Fairplay und Teamgeist sowie die körperliche
Betätigung und das Beherrschen seines Körpers sind
sicher hilfreiche und wichtige Erfahrungen und fördern
die Entwicklung von bedeutsamen Kompetenzen. So
kann natürlich Karate als Sport seinen großen
Stellenwert in unserer Kultur ohne Frage behaupten.
Es ist richtig aber auch, dass neben der Äußeren Schule
einer Kampfkunst (Omote) immer auch (Okuden) eine
Rolle spielt: vertieftes Wissen und Verstehen der
Wesensgehalte der "Inneren Schule" und
Auseinandersetzung mit dem hinter der Bewegung, der
Form und Technik stehenden Werte und Inhalte. Zen,
Zazen, Mondo, Shu-ha-ri, Ishin-Denshin, Dojo,
Meridianstimulation, Shiatsu, Chakra-Arbeit, Atem- und
Hatha-Yoga, Taiji, Qi-Gong, Aspekte der Traditionellen
Chinesischen Medizin (TCM) und Heilkunst,
Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus als Philosophie
und spirituelle Methoden sind originäre elementare
Eckpfeiler einer nicht an modern-westlich objektivierbarmessbarer
Leistung sondern am Ursprung der esoterischen
(d.h. tiefsinnig-hintergründigen) wie authentischeffektiven
indo-sino-japanischen Kampfkunst anknüpfenden
Version - und Vision - des Karate als "Traditionelles
Karate-Do".
Wie oberflächlich und gleichsam skurril wirken dagegen
Neuerfindungen wie "Karate-Aerobics" ("Te-Bo") für
Bauch, Beine und Po oder das so genannte "Sound-
Karate", das im hippigen Teccnobeat als "nicht-schlagendes
Karate" und Rhythmische Kampfsport-Gymnastik
zwecks staatlich geforderter Verharmlosung daherkommt
und an Staatsschulen angeboten wird, alles nur, um
Karate als Fun- und Fitness-Sportprogramm noch
populärer zu machen. All das ungeachtet der dadurch
nur noch weiteren Verflachung, Verfremdung und syste-
matischen Mutierung des originären Wesens des Karate-
Do. Auch eine nur auf Show-Effekt abzielende Kickenund-Boxen-
oder bunte Gala-Veranstaltung zählt zu den
(meist lukrativen) Karate-Mutationen der Moderne und
hat so gut wie nichts mehr von dem, was Karate ehemals
als Kampf- und Lebenskunst Karate-Do mal gewesen
war.
Auch die oft und immer öfter festzustellenden Reduktion
des Karate auf reine Selbstverteidigung ist nur eine
ziemlich abstrakte Miniaturausgabe des ganzheitlich
Möglichen in Ausübung der Kunst, und, man sollte es
auch eingestehen, andere darauf spezialisierte
Kampfkünste (wie z.B. *ing *ung-Stile) können das doch
eh besser. Selbstverteidigung ist nicht erstes Ziel der
Ausübung. "Karate ni sente nashi"!
6. Stilloses Einheits-Karate ?
Es kann eigentlich allen, die sich ernsthaft mit "ihrem"
Karate oder Karate-Do befassen nur daran gelegen sein,
ihr spezielles Lehrsystem und die darin enthaltenen
Besonderheiten wie stiltypischen Eigenarten zu würdigen
und zu pflegen. Kein Stil (Ryu) , kein Dojo, kein Lehrer
oder Sensei ist wie ein anderer.
Neben dem weitverbreiteten Shotokan, das zu den größten
und bekanntesten Stilrichtungen zählt, gibt es die
großen Stile des Goju-, Wado- und Shito-Ryu, aber
daneben einige hundert andere. Auch in Deutschland
gibt es neben diesen bedeutsamen und gut organisierten
wie verbandsmässig vertretenen Stilen viele Karateoder
auch Kempo/Kenpo- und amerikanische
Stilrichtungen sowie einige Misch-Stile; oft nur kleine,
zuweilen nur aus ein paar Dojos bestehend.
Doch die erfolgreiche Isolierung klassischer Karatestile
geht im Kontext der olympischen Ausrichtung unvermindert,
verstärkt weiter: Ungeachtet der ursprünglichen
Vielfalt im Karatedo und des besonderen, auch kulturellen
und historischen Wertes der einzelnen Stilrichtungen
"arbeitet" der im DSB aktive Karateverband energisch an
seinem erklärten Ziel, nämlich "an der Einheit des Karate
in Deutschland". Das aber ähnelt dem Abholzen des
Urwaldes, um dort einheitlichen EU-Gen-Mais anzubauen.
Die "Einheit des Karate", an der hier der nachhaltig
gearbeitet wird, ist aber kein wünschenswerter Fortschritt
- oder einer in die falsche Richtung. Das neumodische
Verbandskonzept des neuen - im wahrsten Sinne - stillosen,
sog. "Stiloffenen Karate" ist da nur ein konsequenter
Schritt in Richtung des Verfalls in ein rein sportlicholympischen
Einheitskarate - zum Nachteil der ursprünglichen
umfassenden Ausbildung der Karateka und auch
der Originalität und individuellen Besonderheit der verschiedenen
Stile der Welt.
Die Idee eines stiloffenen, einheitlichen Karate ohne
eigenes Profil, Lehrsystem, ohne eigene Geschichte,
spezifische Trainingsschwerpunkte und Meister würde
der bunte Reichtum an Stilen mit samt ihren individuellen
Ausprägungen verarmen, die paradiesische (durchaus
manchmal auch bizarre) Vielfalt zur langweiligen
Wüste der Stillosigkeit veröden. Jeder mag seinen Stil
JKA-Karate 49