Osterlehrgang 2007 in Troisdorf - Deutscher JKA-Karate-Bund e.V.
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<strong>Karate</strong> und <strong>Karate</strong>-Do:<br />
Wettkampfsport und Kampfkunst zwischen Tradition und Moderne<br />
Spricht man heute ganz allgeme<strong>in</strong> von "<strong>Karate</strong>" empf<strong>in</strong>den<br />
- und wissen - die Leute unterschiedlich, worum es<br />
geht. Längst kann man hier nicht e<strong>in</strong>vernehmlich von<br />
e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Konzept darüber ausgehen, was mit<br />
dem Begriff "<strong>Karate</strong>" geme<strong>in</strong>t ist. Ganz verschieden s<strong>in</strong>d<br />
die Ideen, Ideologien, aber auch Techniken und<br />
Praktiken – der Aktiven oder der mutmaßlich e<strong>in</strong>igermaßen<br />
sachverständigen Laien oder (Vor-)Urteile von<br />
nur am Rande Interessenten.<br />
Dass "<strong>Karate</strong>" ke<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dliches Konstrukt<br />
von Etwas ist, das über die Vorstellung, dass es sich um<br />
e<strong>in</strong>e überlieferte fernöstliche Methode von vor allem<br />
schnellen und wuchtigen wie präzisen Schlag-, Stoß-,<br />
Tritt- und Blocktechniken handelt, h<strong>in</strong>aus geht, oder die<br />
schon speziellere Frage, ob Hebel und Würfe oder auch<br />
Würgegriffe und Nervenpunkttechniken und die<br />
Anwendung von urtümlichen Waffen (Kobudo) auch zum<br />
<strong>Karate</strong> gehören, hat mehrere Gründe:<br />
1. Ch<strong>in</strong>a-Hand / Leere Hand ?<br />
Nicht nur, weil dieser Begriff als solcher schon zu Beg<strong>in</strong>n<br />
se<strong>in</strong>er Entstehung <strong>in</strong> Japan von der ursprünglichen<br />
Bedeutung als Name und Kennzeichnung für die<br />
Kampfkunst ("Te"), aus Ch<strong>in</strong>a, (wörtlich "Tang-Hand",<br />
"Kara" <strong>in</strong> re<strong>in</strong> japanischer und "To" <strong>in</strong> s<strong>in</strong>o-japanischer<br />
Lesung) im Verlauf se<strong>in</strong>er Geschichte durch simple<br />
Verwendung e<strong>in</strong>es anderen, neuen Schriftzeichens bzw.<br />
Ideogramms für das im Klangbild aber gleich gebliebene<br />
japanische "Kara" e<strong>in</strong>fach umgedeutet wurde: Fortan<br />
wurde aus der "Ch<strong>in</strong>a-Hand" die japanische "leere<br />
Hand".<br />
Dies ist, wie wir wissen, auf den als Begründer (Soke)<br />
des modernen <strong>Karate</strong> geltenden Funakoshi vom<br />
Inselreich Ryukyu mit se<strong>in</strong>er Haupt<strong>in</strong>sel Ok<strong>in</strong>awa (*<br />
1868; † 1957) zurückzuführen, der zu Beg<strong>in</strong>n des 20.<br />
Jahrhunderts die bis dah<strong>in</strong> stets im Geheimen tra<strong>in</strong>ierte<br />
Kampfkunst systematisch <strong>in</strong> die japanische Öffentlichkeit<br />
brachte. Dar<strong>in</strong> liegt, wenn man so will, ebenso e<strong>in</strong>e<br />
Anspielung auf die "Leere" im Zen-Buddhismus, dem<br />
Funakoshi zugewandt war, wie auf die Tatsache, dass<br />
diese Kunst eben auch mit leerer Hand, also primär<br />
unbewaffnet ausgeübt wird. Aber darüber lässt ich natürlich<br />
streiten...<br />
Funakoshi soll jedenfalls sowohl die alten Systeme des<br />
Shor<strong>in</strong>-Ryu (Shuri-Te) als auch Shorei-Ryu (Naha-Te)<br />
gemeistert haben. Se<strong>in</strong> dann im Wesentlichen auf dem<br />
ok<strong>in</strong>awaischen Matusmura Shor<strong>in</strong> Ryu Kara Te basierender<br />
neuer, eigener <strong>Karate</strong>-Weg (der 1922 zuerst von ihm<br />
als "Ryu Kyu Kempo <strong>Karate</strong>" publiziert und später, 1925,<br />
"Rentan Gosh<strong>in</strong> <strong>Karate</strong> Jutsu" genannt, aber ausdrücklich<br />
nicht als "Stil" verstanden wurde) fand seit dem -<br />
unter Rückgriff auf se<strong>in</strong>en Künstlernamen "Shoto", unter<br />
dem er Gedichte schrieb - schließlich die heute wohl<br />
weltweit größte Verbreitung e<strong>in</strong>er <strong>Karate</strong>richtung als<br />
"Shotokan"- <strong>Karate</strong>.<br />
44 <strong>JKA</strong>-<strong>Karate</strong><br />
Dr. Jörg- M. Wolters, Shoto-Kempo-Kai Kampfkunst-Akademie<br />
Ohne dies hier kritisieren und die mittlerweile ja h<strong>in</strong>reichend<br />
durch Bewährung voll bestätigte Berechtigung<br />
bestreiten zu wollen, bleibt mit der "Japanisierung" der<br />
ursprünglichen Kunst mit ch<strong>in</strong>esischen (auch früheren<br />
<strong>in</strong>dischen) Wurzeln die Frage offen, ob nicht auch damit<br />
nicht nur e<strong>in</strong>e eigenständige, erfolgreiche und wertvolle<br />
japanisch geprägte Kunst (wie viele) entstanden, sondern<br />
- auch - e<strong>in</strong> Verlust der orig<strong>in</strong>ären technischen und<br />
Wesens-Inhalte von Quanfa (ch<strong>in</strong>.) oder Kempo (jap.)<br />
e<strong>in</strong>getreten ist. Dies ist e<strong>in</strong>e eher rhetorische Frage.<br />
Unstrittig ist ja die ch<strong>in</strong>esische Herkunft der<br />
Faustkampfkunst aus den Wurzeln des "Shaol<strong>in</strong>-<br />
Quanfa", (jap. "Shor<strong>in</strong>ji-Kempo") und se<strong>in</strong> Bezug zum<br />
Chan-/Zen-Buddhismus und legendären Urvater aller<br />
Kampfkünste, dem buddhistischen Mönch Puti Damo<br />
(ch<strong>in</strong>.), oder Daruma Taishi (jap.) bzw., bekannter,<br />
Bodhidharma (<strong>in</strong>d.) aus Süd<strong>in</strong>dien, der im 6.Jhd. dem<br />
Shaol<strong>in</strong>-Kloster vorstand. Er soll mit se<strong>in</strong>en gymnastischen<br />
Übungen der von ihm entwickelten sogenannten<br />
"18-Hände-Buddhas" ("Sho-pa-lo-han-sho") die entscheidenden<br />
Grundlagen für die zuerst körperliche aber auch<br />
bewegungsmeditative Ausbildung der Klosterschüler und<br />
Mönche <strong>in</strong> Shaol<strong>in</strong> sowie daraus (<strong>in</strong> der Not ebenso wie<br />
aus neugieriger Forschung und nicht zuletzt per Zufall)<br />
entwickelter effektiver Kampftechniken gewesen se<strong>in</strong>.<br />
Man wird also vermuten dürfen, dass viel philosophisches<br />
und auch psychologisches Wissen um die<br />
Kampfkünste sowie mentale wie gesundheitliche<br />
Aspekte des "Wushu" (jap. "Bujutsu") und später des<br />
vom Zen geprägten "Wudao" (jap. "Budo") verloren<br />
gegangen ist, ja hat gehen müssen – und neuerd<strong>in</strong>gs<br />
wieder mühselig zu rekapitulieren versucht wird. Die<br />
diesbezügliche Unterscheidung zwischen Omote und<br />
Okuden, also die vordergründige und die esoterische<br />
(verborgene, unsichtbare) Lehre <strong>in</strong> der Kampfkunst im<br />
S<strong>in</strong>ne des Shu-Ha-Ri, der auf letztlich meisterliche<br />
Freiheit durch Wissen und Verstehen angelegten Lehre,<br />
hebt ja genau ab auf diese bedeutsame Unterscheidung<br />
zwischen nur oberflächlicher ("Shu") und essentieller,<br />
vertiefter ("Ha") wie transzendierender ("Ri")<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem entweder nur oder mehr<br />
äusseren (körperlichen) Bewegungssystem oder eben<br />
auch <strong>in</strong>neren (geistigen), spirituellen Wesen der<br />
Kampfkunst.<br />
2. Shotokan / Shotokai ?<br />
Und schon taucht jetzt e<strong>in</strong> nächstes mögliches<br />
Missverständnis und damit e<strong>in</strong> wesentlicher Grund zu<br />
unterschiedlicher Auffassung über das "wahre" <strong>Karate</strong><br />
auf, denn an der Anerkennung von <strong>Karate</strong> als e<strong>in</strong>e nationale<br />
Kampfkunst und der nur mit e<strong>in</strong>igen weiteren<br />
Abweichungen vom Orig<strong>in</strong>al möglichen, aber zur<br />
Etablierung <strong>in</strong> Japan notwendigen "Japanisierung" <strong>in</strong> den<br />
Folgejahren waren am Ende nicht unwesentlich ausgerechnet<br />
jene Schüler von Funakoshi beteiligt, mit denen