Brief an die Freunde der GGE Nr. 21 - Geistliche Gemeinde ...
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<strong>GGE</strong>-Thema<br />
Dr. Beate Jakob (Tübingen):<br />
Heilung<br />
– eine wesentliche Dimension<br />
des christlichen Glaubens<br />
Das Thema Heilung hat in <strong>der</strong> <strong>GGE</strong> einen hohen Stellenwert. Bei vielen Gottes<strong>die</strong>nsten, Kongressen und Seminaren erleben<br />
Menschen körperliche Heilung und Gottes übernatürliches Eingreifen in ihr Leben. Das Thema hat in den letzten Jahren auch<br />
verstärkt <strong>die</strong> Aufmerksamkeit von Medizinern gewonnen. So erschien im letzten Jahr ein Arbeitsheft des Ev<strong>an</strong>gelischen Missionswerkes<br />
(Hamburg) über <strong>die</strong> heilende Kraft des Glaubens. Wir drucken nachfolgend einen Beitrag von Dr. Beate Jakob.<br />
Ein erweitertes Verständnis von Heilung<br />
Jesu Heilungen Kr<strong>an</strong>ker wollen mehr bewirken als das Freiwerden<br />
von einem körperlichen Symptom, immer und in erster Linie<br />
geht es um <strong>die</strong> Heilung <strong>der</strong> Beziehung des Menschen zu Gott.<br />
Heilung ist das „Beseitigen einer Not“ in Bezug auf verschiedene<br />
Dimensionen des menschlichen Lebens. Deshalb können wir den<br />
Begriff „Heilung“ für das H<strong>an</strong>deln Jesu über das Heilen von körperlichen<br />
und seelischen Kr<strong>an</strong>kheiten hinaus ausweiten. Wenn<br />
Menschen durch Jesus mit <strong>der</strong> heilenden Nähe Gottes in Berührung<br />
kommen, werden sie verän<strong>der</strong>t, werden sie eine neue Schöpfung<br />
(vgl. 2. Kor 5,17). Kein Bereich des menschlichen Lebens ist<br />
vom Erbarmen Gottes, von seiner erlösenden Zuwendung ausgenommen.<br />
Heilung bezieht sich auf alle Dimensionen des<br />
menschlichen Lebens, <strong>die</strong> Leiblichkeit ist eingeschlossen. Die<br />
Heilung körperlicher Not ist ein wichtiger Aspekt des heilenden<br />
H<strong>an</strong>delns Jesu, aber relativ in Bezug auf <strong>die</strong> tiefere Heilung, <strong>die</strong><br />
Erlösung des Menschen durch <strong>die</strong> Heilung seiner Beziehung zu<br />
Gott.<br />
Heilung - eine neu zu definierende<br />
Dimension des Glaubens<br />
Wie können wir heute <strong>an</strong>gemessen und verständlich von Heilung<br />
als einer wesentlichen Dimension des christlichen Glaubens<br />
reden? Wie können wir den biblischen Befund in den Kontext des<br />
dritten Jahrtausends übersetzen? Jesus hat uns den Heiligen Geist<br />
als Tröster, als Beist<strong>an</strong>d gegeben (Joh 14,16). Das Wirken Jesu<br />
geht durch <strong>die</strong> Präsenz des Geistes weiter. Heilung durch den<br />
Glauben können wir deshalb beschreiben als das Wirken und <strong>die</strong><br />
Erfahrung <strong>der</strong> Kraft Gottes, des Heiligen Geistes in <strong>der</strong> Welt, in<br />
allen Dimensionen des menschlichen Lebens. Die Welt und je<strong>der</strong><br />
Mensch werden durch das Wirken des Geistes zu einer neuen<br />
Schöpfung.<br />
Die Heilung des g<strong>an</strong>zen Menschen<br />
Die Heilkraft des Glaubens betrifft zunächst und in erster Linie<br />
<strong>die</strong> geistliche o<strong>der</strong> spirituelle Dimension des Menschen. Da <strong>der</strong><br />
Mensch nach unserem heutigen <strong>an</strong>thropologischen Verständnis<br />
eine Einheit und unteilbare G<strong>an</strong>zheit ist, wird <strong>der</strong> Mensch als<br />
g<strong>an</strong>zer durch das Wirken des Heiligen Geistes verän<strong>der</strong>t. Körperliche<br />
und seelische Kr<strong>an</strong>kheiten können, müssen jedoch nicht,<br />
geheilt o<strong>der</strong> gebessert werden.<br />
Heilung von Beziehungen<br />
Wenn Gott heilt, erhalten Menschen, <strong>die</strong> in verschiedener Hinsicht<br />
ihre Gebrochenheit erfahren und dar<strong>an</strong> leiden, Kraft zum<br />
Leben. In heutiger Terminologie können wir sagen: Durch <strong>die</strong><br />
Heilkraft des Glaubens werden Beziehungen geheilt: <strong>die</strong> Beziehung<br />
des Menschen zu Gott, zur Welt und zu sich selbst. 1 Die<br />
Erfahrung <strong>der</strong> heilenden Nähe Gottes k<strong>an</strong>n heute, wie schon zur<br />
Zeit Jesu, Erstaunliches bewirken: Menschen erfahren sich als von<br />
Gott geliebt und werden dadurch fähig, sich selbst mit all ihren<br />
Begrenzungen <strong>an</strong>zunehmen und zu lieben. Körperliche Symptome<br />
werden gebessert o<strong>der</strong> geheilt. Wo Streit herrscht, wird Friede<br />
möglich. Menschen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Schöpfung nur als Medium für <strong>die</strong><br />
Erfüllung eigener Bedürfnisse gesehen haben, entdecken ihre Ver<strong>an</strong>twortung<br />
für <strong>die</strong> Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung und gehen sorgsam<br />
mit ihr um.<br />
Heilung <strong>an</strong>gesichts von Leiden<br />
Beate Jakob<br />
Durch <strong>die</strong>ses erweiterte, vieldimensionale Verständnis von Heilung<br />
wird es möglich, den Begriff Heilung auch auf das Leid und<br />
das Leiden auszuweiten. Heilung in <strong>die</strong>sem weiteren Sinne k<strong>an</strong>n<br />
sich auch d<strong>an</strong>n ereignen, wenn Menschen von unabän<strong>der</strong>lichen<br />
körperlichen o<strong>der</strong> seelischen Leiden betroffen werden. Für Menschen<br />
mit chronischen Leiden, für Menschen, <strong>die</strong> in dauerhaft<br />
schwierigen Beziehungen leben, k<strong>an</strong>n es befreiend und erlösend,<br />
„heilend“ im tiefsten Sinne sein, wenn sie <strong>die</strong> Annahme durch<br />
Gott und durch ihre Mitmenschen trotz o<strong>der</strong> gerade in ihrem<br />
Leiden erfahren. Das Gebet um Heilung bei schweren körperlichen<br />
Leiden k<strong>an</strong>n seine Erhörung darin finden, dass <strong>die</strong> Betroffenen<br />
zu einem inneren Frieden finden und Kraft bekommen,<br />
sich mit ihren Beschränkungen auszusöhnen und mit ihnen zu<br />
leben. Wenn durch <strong>die</strong> Erfahrung eines Verlustes <strong>der</strong> Sinn des<br />
Lebens in Frage gestellt wird, bedeutet „Heilung“, Kraft zum<br />
Weiterleben und eine neue Sinnperspektive zu bekommen. Hei-<br />
1<br />
Vgl. hierzu zum Beispiel Ulrich Eibach: Artikel Gesundheit und Kr<strong>an</strong>kheit in: Ev<strong>an</strong>gelisches Lexikon für Theologie und <strong>Gemeinde</strong> Bd. 2,hrsg.<br />
Von H. Burkhardt und U. Swarat, Wuppertal/Zürich 1993<br />
2<br />
Christi<strong>an</strong> Medical Commission, World Council of Churches (Hg.): Healing <strong>an</strong>d Wholeness. The Churches’ Role in Health.<br />
The Report of a Study by the Christi<strong>an</strong> Medical Commission, World Council<br />
3<br />
Zitiert nach Ulrich Eibach: Heilung für den g<strong>an</strong>zen Menschen? G<strong>an</strong>zheitliches Denken als Herausfor<strong>der</strong>ung von Theologie und Kirche<br />
(Theologie in Seelsorge, Beratung und Diakonie, Bd. 1), Neukirchen-Vluyn 1991, 28