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Brief an die Freunde der GGE Nr. 21 - Geistliche Gemeinde ...

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<strong>GGE</strong>-Thema<br />

Das „Seelenheil“ als Anliegen <strong>der</strong> Theologie<br />

In den späteren Jahrhun<strong>der</strong>ten jedoch ging <strong>die</strong>ses Bewusstsein<br />

<strong>der</strong> Heilkraft nach und nach verloren. Das Christentum etablierte<br />

sich als Lehre. Der Verkündigungsauftrag erhielt Priorität<br />

gegenüber dem Heilungsauftrag. Ziel <strong>der</strong> christlichen Verkündigung<br />

war das „Seelenheil“ <strong>der</strong> Menschen, das zeitliche Wohl<br />

wurde demgegenüber stark relativiert.<br />

Geför<strong>der</strong>t wurde <strong>die</strong>se Entwicklung durch mehrere Faktoren, <strong>die</strong><br />

hier stichwortartig gen<strong>an</strong>nt werden:<br />

� Die Vertreter des jungen Christentums fühlten sich verpflichtet,<br />

„konkurrenzfähig“ mit philosophischen Systemen zu<br />

werden und das Christentum als intellektuell ver<strong>an</strong>twortbar<br />

darzustellen. Dadurch bekam <strong>die</strong> christliche Lehre ein Übergewicht<br />

gegenüber dem Christentum als lebensverän<strong>der</strong>nde<br />

Kraft. Die von Jesus berichteten Heilungen wurden zunehmend<br />

spiritualisiert.<br />

� Unter dem Einfluss <strong>der</strong> griechischen Philosophie entwickelte<br />

das Christentum eine welt- und leibverneinende Tendenz.<br />

� Die Medizin erzielte im Laufe <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te große Fortschritte,<br />

be<strong>an</strong>spruchte <strong>die</strong> alleinige Kompetenz für <strong>die</strong> „Leibsorge“<br />

und überließ <strong>die</strong> „Seelsorge“ <strong>der</strong> Theologie. Entsprechend<br />

<strong>die</strong>ser Entwicklung interpretierten <strong>die</strong> Christen den<br />

Heilungsauftrag Jesu als Auftrag zur Fürsorge für Kr<strong>an</strong>ke und<br />

Notleidende. Unter dem Einfluss des Christentums entst<strong>an</strong>den,<br />

vor allem im Mittelalter, zahlreich christliche Hospitäler zur<br />

Pflege kr<strong>an</strong>ker und alter Menschen.<br />

In neuerer Zeit wird<br />

<strong>die</strong> Theologie von verschiedener<br />

Seite <strong>an</strong> ihre<br />

therapeutische Dimension<br />

erinnert, werden<br />

Stimmen laut, <strong>die</strong> <strong>an</strong> <strong>die</strong><br />

Heilkraft des Glaubens<br />

erinnern.<br />

Die Descart’sche Trennung<br />

von Leib und Seele im 17.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t zementierte <strong>die</strong>se<br />

Entwicklung, <strong>die</strong> dualistische<br />

Sicht des Menschen<br />

schrieb den Rückzug <strong>der</strong><br />

Theologie aus dem Gebiet<br />

des Heilens fest. Dazu kam<br />

noch <strong>die</strong> Entwicklung weiterer<br />

Disziplinen mit dem<br />

Anspruch, den Menschen zu<br />

heilen. Die Psychotherapie<br />

etablierte sich für <strong>die</strong> Heilung<br />

<strong>der</strong> Seele, <strong>die</strong> Soziologie<br />

für <strong>die</strong> Heilung gestörter<br />

sozialer Beziehungen des<br />

Menschen. So schien das Terrain<br />

des Heilens aufgeteilt<br />

unter verschiedenen wissenschaftlichen<br />

Disziplinen, <strong>die</strong><br />

jeweils einen Teilaspekt <strong>der</strong><br />

Menschen betrachten.<br />

Die Wie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong> heilenden<br />

Dimension des Glaubens<br />

In neuerer Zeit jedoch wird <strong>die</strong> Theologie von verschiedener Seite<br />

<strong>an</strong> ihre therapeutische Dimension erinnert, werden Stimmen<br />

laut, <strong>die</strong> <strong>an</strong> <strong>die</strong> Heilkraft des Glaubens erinnern und <strong>der</strong> Theologie<br />

bzw. <strong>der</strong> Religion im Feld <strong>der</strong> therapeutischen Disziplinen<br />

8 ÖRK: Auftrag zu heilen. Stu<strong>die</strong>n des Ökumenischen Rates <strong>Nr</strong>. 3. Genf 1979, 37-39<br />

12<br />

ihren Platz zuweisen wollen. Bedeutend in <strong>die</strong>sem Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

war eine 1964 vom Ökumenischen Rat <strong>der</strong> Kirchen (ÖRK)<br />

und vom Lutherischen Weltbund (LWB) nach Tübingen einberufenen<br />

Konsultation, <strong>die</strong> fragte, inwieweit sich ein christlichmedizinischer<br />

Dienst vom Dienst säkularer Institutionen unterscheide.<br />

Als ein Ergebnis <strong>die</strong>ser Konsultation wurde formuliert: „Die<br />

christliche Kirche hat eine beson<strong>der</strong>e Aufgabe auf dem Gebiet des<br />

Heilens.“ Der heilende Dienst wird als Aufgabe <strong>der</strong> <strong>Gemeinde</strong> als<br />

g<strong>an</strong>zer gesehen und <strong>der</strong>en heilendes H<strong>an</strong>deln so beschrieben:<br />

„Die <strong>Gemeinde</strong> wirkt heilend, indem sie jeden einzelnen mit<br />

Liebe umfängt, indem sie durch praktische Taten aufzeigt, dass<br />

sie sich um jeden Menschen bemüht, und indem sie Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Teilhabe <strong>an</strong> <strong>der</strong> Sendung Christi schafft.“ 8<br />

Dieser Text geht von einem erweiterten Verständnis von Heilung<br />

aus. In einer christlichen <strong>Gemeinde</strong> sollen <strong>die</strong> Menschen<br />

fürein<strong>an</strong><strong>der</strong> Sorge tragen, das Leben mitein<strong>an</strong><strong>der</strong> teilen und fürein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />

Vermittler <strong>der</strong> heilenden Nähe Gottes sein.<br />

Dialog und Kooperation<br />

zwischen den heilenden Disziplinen<br />

Die Kirche, <strong>die</strong> ihre Heilkraft wie<strong>der</strong> entdeckt, muss nicht in Konkurrenz<br />

zu den <strong>an</strong><strong>der</strong>en heilenden Disziplinen treten. Vielmehr<br />

geht es um eine gegenseitige Befruchtung, um den Dialog und <strong>die</strong><br />

Kooperation zugunsten <strong>der</strong> Menschen. Als Beispiel sei auf <strong>die</strong><br />

Wichtigkeit des Dialogs zwischen <strong>der</strong> Medizin und <strong>der</strong> Theologie<br />

hingewiesen: In den Praxen <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>gelassenen Ärzte kommen<br />

viele und zunehmend mehr Menschen mit körperlichen Symptomen,<br />

<strong>die</strong> sich diagnostisch nicht befriedigend einordnen lassen<br />

und auf eine Therapie nur sehr schlecht <strong>an</strong>sprechen. Es ist richtig,<br />

alle Möglichkeiten <strong>der</strong> naturwissenschaftlichen Medizin<br />

<strong>an</strong>zuwenden, um <strong>die</strong>sen Patienten Erleichterung zu verschaffen.<br />

Darüber hinaus aber bräuchten <strong>die</strong>se Menschen oft mehr: Viele<br />

leiden im Grunde dar<strong>an</strong>, keine Antwort auf ihre existentiellen<br />

Fragen zu haben, keinen Sinn in ihrem Leben zu sehen und keine<br />

sie tragende Gemeinschaft zu haben. Wenn <strong>die</strong>se kr<strong>an</strong>kmachenden<br />

Faktoren <strong>an</strong>gesprochen werden und <strong>der</strong> Patient den christlichen<br />

Glauben als tragend und heilend kennen lernt o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong><br />

entdeckt, werden therapieresistente körperliche Symptome oft<br />

deutlich gebessert o<strong>der</strong> geheilt.<br />

Sehnsucht nach Heilung<br />

und Offenheit für Religion<br />

Die Wie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong> heilenden Dimension des christlichen<br />

Glaubens ist für <strong>die</strong> pastorale Praxis von großer Bedeutung. Kir-<br />

Foto: KNA-BILD

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