August-Ausgabe des BEK-Forum - Bremische Evangelische Kirche
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praktisch<br />
Bei Missbrauch und Gewalt: Konsequent handeln!<br />
texte & fotos<br />
Matthias Dembski<br />
Was tun, wenn das Wohl eines Kin<strong>des</strong> gefährdet ist?<br />
Wenn durch seelische, körperliche oder sexuelle Gewalt<br />
seine gesunde Entwicklung bedroht ist? – Gefahren<br />
für das Wohlergehen von Kindern sind für alle<br />
Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ein Thema.<br />
Nicht nur aufgrund aktueller Medienschlagzeilen über<br />
Fälle von Missbrauch und Vernachlässigung müssen<br />
die Träger, auch die <strong>Kirche</strong>, aktiv werden. Die aktuelle<br />
Gesetzeslage fordert von alle freien Trägern der Kinder-<br />
und Jugendhilfe Konzepte, wie sie Kinder schützen<br />
(Prävention) und was sie im Fall von Übergriffen<br />
und Verwahrlosung tun. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />
(§ 8a) hat dazu geführt, dass alle Bun<strong>des</strong>länder<br />
mit den Jugendhilfe-Trägern Rahmenvereinbarungen<br />
geschlossen haben, die das körperliche und seelische<br />
Wohl von Kindern schützen sollen.<br />
In der <strong>Bremische</strong>n <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> betrifft diese<br />
Aufgabe alle Arbeitsbereiche, die mit Kindern und Jugendlichen<br />
zu tun haben: Das sind vor allem die Kitas<br />
und die Kinder- und Jugendarbeit in den Gemeinden.<br />
Beide Arbeitsbereiche müssen sich damit auseinanderzusetzen,<br />
wie das Wohl von Kindern geschützt werden<br />
kann.<br />
14 <strong>BEK</strong> <strong>Forum</strong> <strong>August</strong> 2010<br />
Wer das Wohl von Kindern – ob im Kindergarten oder<br />
in der Jugendarbeit – schützen will, muss zwei Richtungen<br />
gleichzeitig im Auge behalten.<br />
Gefährungen von Außen: Was ist zu tun, wenn mir als<br />
Jugendmitarbeiter oder als Erzieherin im Kindergarten<br />
bei einem Kind Hinweise auffallen, die auf eine Gefährung<br />
z.B. durch Gewalt oder Missbrauch außerhalb<br />
der Einrichtung hindeuten könnten?<br />
Gefährdungen von Innen: Wo verletzen Mitarbeitende<br />
bzw. Kollegen Grenzen? Was ist zu tun, wenn ich innerhalb<br />
meiner Kita oder Betreuergruppe Verhaltensweisen<br />
beobachte, die nicht in Ordnung sind, die auf<br />
Missbrauch durch Kollegen hindeuten könnten? Dazu<br />
gehört auch, wie ich mit dem unbestimmten Gefühl<br />
umgehe, dass es eine unangemessene Nähe zwischen<br />
betreuten Kindern und Pädagogen oder anderen Aufsichtspersonen<br />
gibt.<br />
Eine Rahmenvereinbarung mit dem Lan<strong>des</strong>jugendamt<br />
Bremen verpflichtet alle freien Träger der Jugendarbeit,<br />
also auch das Lan<strong>des</strong>jugendpfarramt und den<br />
Kita-Lan<strong>des</strong>verband der <strong>Bremische</strong>n <strong>Evangelische</strong>n<br />
<strong>Kirche</strong>, geeignete Maßnahmen zum Schutz von Kindern<br />
und Jugendlichen zu ergreifen, um sexueller Gewalt<br />
vorzu beugen und im Fall eines Übergriffs richtig<br />
zu handeln.<br />
Jugendarbeit: Klare Grenzen ziehen<br />
Das Lan<strong>des</strong>jugendpfarramt arbeitet derzeit noch an<br />
seinem Leitfaden zur Kin<strong>des</strong>wohlsicherung für die<br />
<strong>Evangelische</strong> Jugend Bremen. Voraussichtlich im März<br />
2011 läuft ein Fachtag zum Thema „Nähe und Distanz<br />
in der Kinder- und Jugendarbeit“. Außerdem wird das<br />
Thema Sexuelle Gewalt und Prävention in Mitarbeiterschulungen<br />
verstärkt thematisiert. „Bei der Jugendleitercard-Schulung<br />
beschäftigen sich Jugendliche auch<br />
mit den Fragen, was Kin<strong>des</strong>wohlgefährung ist, was im<br />
Falle bestimmter Beobachtungen zu tun ist“, erläutert<br />
Jugendbildungsreferent Uli Ruback. Vor allem lernten<br />
die Ehrenamtlichen, hinzuschauen und das eigene wie<br />
das Verhalten anderer offen zu hinterfragen. „Ehrenamtliche<br />
Teamer sind oft nur zwei Jahre älter als die<br />
von ihnen Betreuten. Da sind der Austausch über Nähe<br />
und Distanz, wie auch klare Grenzziehungen wichtig.“<br />
Natürlich lebe Jugendarbeit von Beziehungen und<br />
Vertrauen. „Wir wollen keine sterile Jugendarbeit, sondern<br />
bei aller Vorsicht auch altersgemäße Spielräume<br />
ermöglichen.“<br />
Beobachtungen offen hinterfragen<br />
Das kritische Hinterfragen müsse bereits bei sexistischen<br />
Witzen beginnen. „Wir müssen unsere Wahrnehmung<br />
weiter schärfen. Das gilt auch für Beobachtungen<br />
von Auffälligkeiten, die ihre Ursache außerhalb<br />
der Jugendarbeit, zum Beispiel im Elternhaus, haben.“<br />
Auf Gemeindeebene gelte es, sichere Orte zu schaffen.<br />
Dafür sind konkrete Ansprechpartner mit offenem<br />
Ohr und Blick auf mögliche Ungereimtheiten unerlässlich.<br />
„Das ist besonders für jugendliche Freizeithelfer<br />
wichtig, wie der jüngste schlagzeilenträchtige Fall aus<br />
Osnabrück gezeigt hat. Kommunikationsstrukturen<br />
müssen offen sein und jede Gruppe braucht sensible<br />
Vertrauenspersonen, die Beobachtungen und Anfragen<br />
nicht abtun.“ Das Beschwerdemanagement muss<br />
in jeder Gruppe allen Teilnehmern und Begleitern bekannt<br />
sein.<br />
Sofortige Anzeige bei direkter Gefahr<br />
Beobachtungen sollten offen angesprochen, mit anderen<br />
Mitarbeitenden besprochen, notiert und ausgewertet<br />
werden. „Wo Gefahr im Verzug ist, muss der Verantwortliche<br />
Informationen natürlich nicht nur ernst<br />
nehmen und dokumentieren, sondern sofort handeln.“<br />
Das bedeutet: Das Amt für soziale Dienste muss umgehend<br />
informiert und gegebenenfalls Strafanzeige bei<br />
der Polizei gestellt werden. Das Jugendamt muss ebenfalls<br />
eingeschaltet werden, wenn Eltern Gespräche und<br />
Hilfsangebote ablehnen.<br />
So genannte „Gefährdungs- und Beobachtungsbögen“<br />
gibt es beim Lan<strong>des</strong>jugendpfarramt. Auf ihnen können<br />
Beobachtungen systematisch dokumentiert werden,<br />
um später einen Beleg in der Hand zu haben.<br />
Soll eine externe Fachkraft bei der Beurteilung eines<br />
Sachverhalts beraten, gibt es beim Lan<strong>des</strong>jugendpfarramt<br />
eine Telefon- und Adressenliste mit Kinderschutzorganisationen<br />
wie dem Mädchenhaus, Schattenriss<br />
oder dem Bremer Jungenbüro. „Bei einem Verdacht<br />
auf Missbrauch zum Beispiel im Elternhaus ist viel<br />
Fingerspitzengefühl nötig“, meint Uli Ruback. „Wenn<br />
sich Mitarbeitende unsicher sind, wie sie sich verhalten<br />
und einen Fall beurteilen sollen, empfiehlt es sich,<br />
eine erfahrene Fachkraft zur Beratung von Außen zu<br />
holen.“ Nur wenn das Kin<strong>des</strong>wohl dadurch nicht zusätzlich<br />
gefährdet ist, dürfen das Kind selbst und seine<br />
Eltern einbezogen werden.<br />
Intern unklare Situationen vermeiden<br />
Grundsätzlich gilt: Intern muss alles dafür getan werden,<br />
unklare Situationen gar nicht erst entstehen zu<br />
lassen. Bei gemischtgeschlechtlichen Gruppen sollte<br />
auf Freizeiten stets eine weibliche und ein männlicher<br />
Begleiter dabei sein. Die Eignung von Räumen muss<br />
auch unter dem Aspekt „Prävention“ vor der Nutzung<br />
z.B. für eine Freizeit geprüft werden. Vier-Augen-Gespräche<br />
mit Jugendlichen werden vorab im Team angekündigt<br />
und auch nur gleichgeschlechtlich geführt.<br />
„Niemand darf allein einsame Entscheidungen fällen,<br />
weil das einem evtentuellen Machtmissbrauch die Tür<br />
öffnet.“<br />
Kein Führungszeugnis für Ehrenamtliche<br />
Ehrenamtlich Aktive in der <strong>BEK</strong> sollen auch künftig<br />
kein Führungszeugnis vorlegen müssen. „Alle Jugendverbände<br />
lehnen diese Soll-Regelung ab, weil damit<br />
die Hürde für das Ehrenamt zu hoch wird“, erläutert<br />
Uli Ruback. Für hauptamtliche Jugendmitarbeiter muss<br />
hingegen bei der Einstellung der Nachweis vorgelegt<br />
werden, dass keine einschlägigen Vorstrafen vorliegen.<br />
„Wir denken aber darüber nach, eine Selbstverpflichtungserklärung<br />
mit einem Verhaltenscodex einzuführen,<br />
der Schutz vor Grenzverletzungen und sexueller<br />
Gewalt bieten soll. Diese Erklärung muss zumin<strong>des</strong>t<br />
von Hauptamtlichen unterschrieben werden. Für Ehrenamtliche<br />
kann auch das nur eine Soll-Vorschrift<br />
sein.“ In der bayerischen und hannoverschen Lan<strong>des</strong>kirche<br />
gibt es solche Erklärungen bereits.<br />
Uli Ruback sieht den geplanten Leitfaden, Mitarbeitendenschulungen,<br />
Fortbildungen für Hauptamtliche<br />
und etwaige Selbstverpflichtungserklärungen als „Gesamtprogramm“<br />
gegen Missbrauch und Gewalt: „Wir<br />
wollen sensibilisieren und die Wahrnehmung schärfen<br />
und damit vermeiden, dass es zu Übergriffen und<br />
Grenzverletzungen kommt.“