Gruppendiskussion in zwei Welten: Gute Gründe für "schlechte
Gruppendiskussion in zwei Welten: Gute Gründe für "schlechte
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<strong>Gute</strong> <strong>Gründe</strong> <strong>für</strong> <strong>schlechte</strong> Praktiken (11.06.2004/04) 18<br />
6. Interaktive Datenproduktion vor Ort<br />
In sozialwissenschaftlichen <strong>Gruppendiskussion</strong>en wird e<strong>in</strong>e gewisse E<strong>in</strong>heitlichkeit und Kohärenz der Gruppenme<strong>in</strong>ung angestrebt.<br />
Zum<strong>in</strong>dest versucht man möglichst günstige Bed<strong>in</strong>gungen <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Selbstläufigkeit des Gruppengeschehens zu schaffen. Wichtig <strong>für</strong><br />
die Zwecke der Marktforschung ist h<strong>in</strong>gegen, dass die erhobenen Daten im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er breiten Abbildung des Marktes empfunden<br />
werden können. Daher ist allzu große Kohärenz <strong>in</strong> den Ergebnissen problematisch. Ziel des Moderators ist es deshalb, möglichst viel<br />
nutzbare Varianz zu schaffen. In Marktforschungsgruppendiskussionen geht es deshalb eher um die Evozierung verallgeme<strong>in</strong>erbarer<br />
E<strong>in</strong>zelme<strong>in</strong>ungen.<br />
In Marktforschungsgruppendiskussionen betätigt sich der Moderator gleichsam als Kohärenzunterbecher. Er generiert durch bestimm-<br />
te Fragetechniken und Ratifizierungen frei stehende E<strong>in</strong>zelme<strong>in</strong>ungen. Die besondere Kunst der Beteiligten (also nicht nur des Mode-<br />
rators) besteht diesbezüglich dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Menge von E<strong>in</strong>zelme<strong>in</strong>ungen zu elizitieren ohne dass die Unterschiede zwischen diesen E<strong>in</strong>-<br />
zelme<strong>in</strong>ungen sogleich als Dissens <strong>in</strong>terpretiert bzw. <strong>in</strong>teraktiv bearbeitet werden müssen. Moderatoren wie Gruppenmitglieder s<strong>in</strong>d<br />
an der Aufgabe der Sicherung und Sichtbarmachung dessen orientiert, was als Datum (Me<strong>in</strong>ung, Bewertung, Übere<strong>in</strong>kunft etc.) gel-<br />
ten soll – sei es <strong>für</strong> unmittelbare Zuhörer, sei es <strong>für</strong> die spätere Berichtslegung.<br />
Der <strong>in</strong>teraktive Charakter der Datenproduktion <strong>in</strong> <strong>Gruppendiskussion</strong>en zeigt sich auch dar<strong>in</strong> (wie <strong>in</strong> ähnlich ansetzenden konversati-<br />
onsanalytische Untersuchungen zum Interview; vgl. Maynard et al. 2002), dass die Gruppenmitglieder von den Moderatoren wie von<br />
ihren Kollegen nicht bzw. nicht nur „Individuen“ adressiert werden, sondern als Repräsentanten e<strong>in</strong>er bestimmten Perspektive, Mit-<br />
gliedschaftskategorie oder Situationsrolle (als ‚members of ‚broader’ categories’). Auch die Teilnehmer selbst sprechen von sich nicht<br />
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