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Gruppendiskussion in zwei Welten: Gute Gründe für "schlechte

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<strong>Gute</strong> <strong>Gründe</strong> <strong>für</strong> <strong>schlechte</strong> Praktiken (11.06.2004/04) 20<br />

ten, wo<strong>für</strong> bewährte <strong>in</strong>haltanalytische, hermeneutische oder anderweitig rekonstruktive Techniken zur Verfügung stehen. In der Litera-<br />

tur zum <strong>Gruppendiskussion</strong>sverfahren im Marktforschungsbereich tendiert man umgekehrt dazu, den Analyseprozess zu trivialisieren<br />

und e<strong>in</strong>e unproblematische „E<strong>in</strong>sichtigkeit“ der <strong>Gruppendiskussion</strong> vor und h<strong>in</strong>ter dem E<strong>in</strong>wegspiegel zu unterstellen. Beide Gruppen<br />

vertreten mit jeweils unterschiedlichen Vorzeichen die Fiktion des transparenten Fensters.<br />

Diese Fiktion, Sue Wilk<strong>in</strong>son (2004) spricht sogar von der „transparent-w<strong>in</strong>dow-theory“, läuft auf die Unterstellung h<strong>in</strong>aus, dass e<strong>in</strong>e<br />

geschickt bestückte und gut (das kann auch bedeuten: konsequent gar nicht 10 ) moderierte <strong>Gruppendiskussion</strong> e<strong>in</strong>en „Durchblick“ auf<br />

Me<strong>in</strong>ungen, Erfahrungen und Realitäten von Teilnehmern bzw. Teilnehmergruppen erlauben würde. Selbst bei schwierigen Themen<br />

können so Analytiker und ggf. auch weitere Zuschauer die ausgewählten Vertreter von Märkten, Generationen und Milieus <strong>in</strong> legitimer<br />

und strukturierter Weise belauschen („structured eavesdropp<strong>in</strong>g“; Powney 1988). Wie die Teilnehmer, d.h. Moderatoren und Grup-<br />

penmitglieder es aber geme<strong>in</strong>sam anstellen, die Transparenz dieser Fensterscheibe herzustellen und <strong>in</strong> ihrer Durchlässigkeit zu do-<br />

sieren, wie sie also ihre „Belauschbarkeit“ herstellen, bliebt dabei allerd<strong>in</strong>gs ungeklärt. 11 Anders als die Vertreter der Fiktion von der<br />

transparenten Fensterscheibe schlagen wir vor, die <strong>Gruppendiskussion</strong> als e<strong>in</strong>en sozialen Kontext eigener Art zu verstehen. Das be-<br />

deutet sie selbst zum Untersuchungsgegenstand zu machen, und nicht nur als Dokument <strong>für</strong> etwas zu behandeln, was außerhalb<br />

liegt. E<strong>in</strong> solcher Perspektivenwechsel gäbe dem Gruppengespräch e<strong>in</strong>en anderen epistemologischen Status und auch den “Resulta-<br />

ten” e<strong>in</strong>en anderen S<strong>in</strong>n: <strong>Gruppendiskussion</strong>en wäre demnach kunstvolle Arrangements des <strong>in</strong>teraktiven Erzeugens und Dokumentie-<br />

rens mehr oder weniger direkt ‚zitierfähiger’ Daten, Me<strong>in</strong>ungen und Bewertungen über bestimmte ausgewählte Aspekte und Bereiche<br />

von Wirklichkeit.<br />

10 Kompetentes Moderatorenverhalten kann nach dem Verständnis maßgeblicher deutscher Autoren nämlich auch dar<strong>in</strong> bestehen nach der Initiierung<br />

des Kommunikationsprozesses sich soweit unsichtbar zu machen, dass die <strong>Gruppendiskussion</strong> abläuft, als ob der Moderator gar nicht anwesend<br />

wäre und das Geschehen sich e<strong>in</strong>em ‚normalen’ Gespräch annähert. (Loos/ Schäffer 2001: 13) Dies ist natürlich selbst e<strong>in</strong>e – <strong>schlechte</strong> –<br />

Fiktion.<br />

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