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Gruppendiskussion in zwei Welten: Gute Gründe für "schlechte

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<strong>Gute</strong> <strong>Gründe</strong> <strong>für</strong> <strong>schlechte</strong> Praktiken (11.06.2004/04) 2<br />

1. Marktforschung hat e<strong>in</strong>en <strong>schlechte</strong>n Ruf<br />

Der Normalbürger assoziiert mit Marktforschung die so genannten „Baggerer“, die e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Fußgängerzonen auflauern; triste und<br />

chaotische Teststudios, <strong>in</strong> denen man 45 M<strong>in</strong>uten oder noch länger ausgefragt wird (und dann als Dank e<strong>in</strong>e Tube Zahnpasta oder<br />

ähnliches bekommt); oder unangenehme Anrufer, die sich nur abschütteln lassen, wenn man rechtzeitig wieder auflegt. E<strong>in</strong> ähnlich<br />

<strong>schlechte</strong>s Image besitzt die Marktforschung bei den meisten Sozialwissenschaftlern und Methodologen. Sie verb<strong>in</strong>den mit Marktfor-<br />

schung Qualifizierungen wie ‚opportunistisch’ oder quick and dirty’ – auf jeden Fall etwas, was e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung, e<strong>in</strong>en Qualitätsun-<br />

terschied oder e<strong>in</strong>e Verfälschung gegenüber dem zünftigen Vorgehen der gestandenen Sozialforschung zum Ausdruck br<strong>in</strong>gt. Die<br />

Marktforschung ersche<strong>in</strong>t neben ihrer ehrbaren und aufrechten Schwester wie e<strong>in</strong> gefallenes Mädchen.<br />

Wir wollen <strong>in</strong> diesem Referat nicht beweisen, dass die Marktforschung besser ist als ihr Ruf. Wir me<strong>in</strong>en aber, dass sie <strong>in</strong> ihrem Kon-<br />

text gesehen und entsprechend gewürdigt zu werden verdient. Wenn dies geschieht, versteht man nicht nur, dass es im Garf<strong>in</strong>-<br />

kel’schen S<strong>in</strong>ne durchaus ‚gute <strong>Gründe</strong>’ <strong>für</strong> die ‚verme<strong>in</strong>tlich’ <strong>schlechte</strong>n Praktiken gibt. Man erkennt darüber h<strong>in</strong>aus, dass sich aus<br />

der Rekonstruktion der Praxis der qualitativen Markforschung <strong>in</strong>teressante Rückschlüsse auf die Funktionsweise und die Darstellungs-<br />

und Analysepraktiken der zünftigen Sozialforschung ziehen lassen. Indem wir den Blick öffnen <strong>für</strong> die besondere Leistungsfähigkeit<br />

qualitativer Marktforschung <strong>in</strong> ihrem Sett<strong>in</strong>g, werden wir – so ganz nebenbei - auf e<strong>in</strong>ige bislang wenig thematisierte Schwächen auf-<br />

seiten der so selbstsicheren Sozialforscher und Methodologen stoßen.<br />

In se<strong>in</strong>er berühmten Arbeit befasst sich Harold Garf<strong>in</strong>kel (1967) mit den aus wissenschaftlicher Sicht defizitären Aufzeichnungsprakti-<br />

ken <strong>in</strong> Kl<strong>in</strong>iken. Die Probleme, die sich <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en Sozialforscher angesichts der „offensichtlichen“ und befremdlichen Unvollständigkeit<br />

und Vagheit von Krankenakten ergeben, betrachtet er als „normale, natürliche Probleme“. Solche „Normalen Probleme“ dürfen nicht<br />

mit allgeme<strong>in</strong>en methodologischen Problemen verwechselt werden. Die Normalität ergibt sich aus der funktionalen Verb<strong>in</strong>dung zwi-<br />

schen der Beschaffenheit der Akten und jenem sozialen System, welches die Akten sowohl erzeugt als auch <strong>in</strong> ihnen dokumentiert<br />

wird. Wollte man versuchen „normalen Probleme“ endgütig zu bewältigen, würde man sich damit nicht nur enorme Schwierigkeiten<br />

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