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DAS SCHWEIZER SCHNEESPORTMAGAZIN

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WM-SPECIAL<br />

ERIKA-HESS-FESTSPIELE<br />

Viele Verlierer, eine Gewinnerin:<br />

Erika Hess dominiert 1982 die<br />

WM in Schladming und sorgt<br />

nebst Wetterkapriolen, Verletzungspech<br />

und Krankheitsfällen<br />

für positive Nachrichten im<br />

Schweizer Team.<br />

Vieles lief verkehrt, aber am Schluss kam doch<br />

alles richtig heraus: Bei den Erika-Hess-Festspielen<br />

in Schladming weinte sogar der Himmel.<br />

Und er schüttelte das Programm durcheinander,<br />

bis es für die Schweizer optimal<br />

passte. Erstmals seit zwölf Jahren gab es wieder<br />

«echtes» WM-Gold und total fünf Medaillen.<br />

Es schneite und regnete in Schladming.<br />

Schon vor WM-Beginn. Eine Stunde vor der Eröffnungszeremonie<br />

berieten sich Peter Müller<br />

und Toni Bürgler, ob sie mit einem Rollkragen-<br />

Pulli oder einem Hemd mit Pullover einlaufen<br />

sollten. Maria Walliser sass auf der Treppe des<br />

Teamhotels «Kolb» und wartete auf die Hüte,<br />

die noch eintreffen sollten. Müller klagte: «Wir<br />

sehen aus wie Kartoffelsäcke.»<br />

Einzelne Medien kritisierten. Es sei höchste<br />

Zeit, dass der Chef Rolf Hefti endlich eintreffe.<br />

Dieser lag zu Hause in Elm mit Grippe und Fieber<br />

im Bett. Stellvertreter und Abfahrtschef<br />

Karl Frehsner hörte das nicht gerne. Lautstark<br />

verlas er den Journalisten die Leviten und drohte:<br />

«Ich kann auch eklig sein.»<br />

Zoe Haas hatte Geburtstag. Und bekam ein<br />

Telegramm. Sie las es auf der Treppe, stolperte<br />

und stürzte – Bänderriss. Sie musste nach Hause.<br />

Der Verband wollte sie durch Annemarie<br />

Bischofberger ersetzten. Das NKES, das Natio-<br />

Offizielle Sponsoren<br />

> Text: Richard Hegglin<br />

> Foto: Erik Vogelsang<br />

DA WEINTE SOGAR DER HIMMEL<br />

nale Komitee für Spitzensport, legte das Veto<br />

ein. Sowas gab es damals noch.<br />

Das Wetter spielt nicht mit. Es schneite und<br />

regnete weiter in Schladming. Nur gerade die<br />

Kombi-Abfahrt der Frauen mit dem «Doppelsieg»<br />

von Maria Walliser und Doris de Agostini<br />

ging über die Bühne. Alle fluchten über dieses<br />

Kombinationsrennen. Was soll dieser Wettkampf?<br />

Früher wurden Abfahrts- und Slalom-<br />

Resultate zusammengezählt, ein Koeffizient<br />

ermittelt – und schwupps stand ein Kombinationssieger<br />

fest. Das IOC akzeptierte diesen<br />

Wettkampf aber nicht und vergab an Olympischen<br />

Spielen keine Medaillen. Um die Kombination<br />

olympiawürdig zu machen, wurde er neu<br />

an Weltmeisterschaften erstmals als separater<br />

Wettkampf ausgetragen.<br />

Inzwischen ging der nasse Schneefall in<br />

Bindfadenregen über. Die Kombi-Abfahrt der<br />

Männer fiel buchstäblich ins Wasser. Auch die<br />

Spezialabfahrt der Frauen musste abgesagt<br />

werden. Und am andern Tag auch jene der Männer.<br />

Beide Rennen wurden um eine Woche ans<br />

Ende der WM verlegt. Der «Zainer-Bauer» hätte<br />

einen Fluch über Schladming gelegt. Hans<br />

Pitzer, wie er mit bürgerlichem Namen hiess,<br />

war ein Geistheiler. Er wurde geholt, wenn eine<br />

Kuh im Stall krank war oder ein Pferd lahmte.<br />

Auch Warzen konnte er wegbeten.<br />

Der «Zainer-Bauer» hatte sich auch für die<br />

WM stark gemacht – und dafür gebetet. Als<br />

Schladming sie bekam, liess man ihn schnöde<br />

links liegen. Im OK bekam er keine Funktion.<br />

Danach fand in Schladming nie mehr ein reguläres<br />

Rennen statt. 1979 wäre der Deutsche<br />

Sepp Ferstl beinahe stranguliert worden, als<br />

just bei seiner Zieldurchfahrt das Zielband<br />

runterstürzte. Das Rennen musste abgebrochen<br />

werden. Auch die WM-Hauptprobe fiel dem<br />

Regen zum Opfer. Und jetzt gings an der WM im<br />

selben Stil weiter.<br />

Digitaler Grossflächendruck<br />

Erika Hess erstürmt das Podest. Irgendwann<br />

fanden Petrus oder der «Zainer-Bauer» Erbarmen.<br />

Am fünften Wettkampftag konnte es endlich<br />

richtig losgehen. Und es ging los – vor allem<br />

für eine. Erika Hess fuhr einen überzeugenden<br />

Kombi-Slalom und holte ihre erste Goldmedaille<br />

– der erste «echte» WM-Titel seit Annerösli<br />

Zryd und Bernhard Russi 1970, wenn man die<br />

Doppel-Medaillen an Olympischen Spielen nicht<br />

berücksichtigt. Die Basis zu den Erika-Hess-<br />

Festspielen war gelegt.<br />

Die 20-jährige Nidwaldnerin holte darauf<br />

auch die Titel im Riesenslalom und Slalom und<br />

wurde die erste dreifache Weltmeisterin der<br />

Nachkriegszeit. «Damit habe ich mehr erreicht<br />

als ich mir jemals erträumte», staunte sie über<br />

sich selbst.<br />

Dagegen verblasste alles andere, zumal bei<br />

den Männern zwei Athleten Medaillen holten,<br />

die vielerorts schon abgeschrieben waren.<br />

Peter Lüscher, Weltcup-Gesamtsieger 1979,<br />

dem seither nicht mehr viel gelungen war, errang<br />

hinter Michel Vion Silber in der Kombination,<br />

Conradin Cathomen Silber in der Abfahrt.<br />

Cathomen war sogar zwischenzeitlich auf den<br />

122. Rang der FIS-Liste zurückgefallen. Dem<br />

Regen sei Dank: Wäre die Abfahrt nicht verschoben<br />

worden, hätte Cathomen gar nicht<br />

starten dürfen. Dank einem Sieg in der testhalber<br />

gefahrenen Kombinationsabfahrt qualifizierte<br />

er sich auf Kosten von Guschti Oehrli für<br />

die WM-Abfahrt, in der Harti Weirather mit<br />

seinem Triumph das Gasteberland von einer<br />

Pleite verschonte. Es war Österreichs einziger<br />

Titel.<br />

Auch im Schweizer Team gab es einige Verlierer.<br />

Einer wurde von Cheftrainer Hefti explizit<br />

erwähnt: «Von Pirmin Zurbriggen hätte ich etwas<br />

mehr erwartet.» Seine Zeit kam noch – wie<br />

jene von Peter Müller, Maria Walliser oder<br />

Michela Figini. <<br />

30 <strong>DAS</strong> WM-SPECIAL-SONDERHEFT VON SNOWACTIVE FEBRUAR 2013

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