Manuskript - WDR 5
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Die großen Volkskrankheiten<br />
Von Thomas Liesen<br />
Redaktion: Ulrich Horstmann<br />
Tiefenblick, 07.10.2012<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das Vergessen<br />
O-Ton 1:<br />
„Ich werde heute einen Test mit Ihnen machen. Ich werde Ihnen jetzt 10 Worte vorlegen,<br />
ich möchte sie bitten, die zunächst laut vorzulesen. Anschließend werde ich sie bitten, die<br />
10 Wörter wieder zu erinnern. Los geht’s.“<br />
„Königin, Gras, Arm, Hütte...“<br />
Sprecher:<br />
Universitätsklinikum Frankfurt, Klinik für Psychiatrie. Yvonne Herber macht einen so<br />
genannten Wortlisten-Test. Er ist Teil einer psychologischen Untersuchung, die klären<br />
soll: Schwindet ihr Gedächtnis? Die Ärzte haben einen schlimmen Verdacht: Die erst 42<br />
jährige könnte an einer Demenz leiden, vielleicht sogar an Alzheimer. Ein<br />
ungewöhnlicher Fall.<br />
O-Ton 1 (Fortsetzung):<br />
„Jetzt möchte ich sie bitten, die Worte zu erinnern.“<br />
„Königin, Hütte... War ein Strand dabei?“<br />
Musik<br />
Atmo Uhrticken<br />
Dieses <strong>Manuskript</strong> ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.<br />
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen<br />
Genehmigung des <strong>WDR</strong>.<br />
1
ANSAGE<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das Vergessen<br />
Ein Feature von Thomas Liesen<br />
Tiefenblick, 07.10.2012<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
Sprecher:<br />
Noch vor einem halben Jahr hat die Frankfurterin nicht ansatzweise geahnt, was einmal auf<br />
sie zukommt. Auch wenn seit geraumer Zeit immer deutlicher wurde, dass mit ihr etwas<br />
nicht stimmt. Ihr Ehemann Hans Herber:<br />
O-Ton Hans Herber:<br />
Sie hat im Einkauf gearbeitet und dann ging sehr viel daneben. Und da ich im selben<br />
Unternehmen bin, habe ich auch immer ein bisschen Feedback bekommen, was so Sache ist.<br />
Die Beurteilungen wurden schlechter, die Kollegen haben mir das eine oder andere<br />
geschildert, bei Bestellungen wurde hier und da was vergessen und ich denke, das war auch<br />
für die Yvonne so mit das Schwierigste. Das ist auch ne schwere Zeit, wenn man gar nicht<br />
weiß, wo man so dran ist.<br />
Sprecher:<br />
Sie selbst hat ihre Probleme anfangs kaum wahrgenommen.<br />
O-Ton Yvonne Herber:<br />
Alles, was unter die Erde verbaut wurde, das habe ich eingekauft, verhandelt, war schon ein<br />
anspruchsvoller Job. Und ich habe mit drei Männern in einem Büro gesessen und da hat<br />
keiner mal gesagt: Yvonne, da mußt du noch mal nachgucken oder da hast du was vergessen.<br />
Ich habe es lange nicht gewusst.<br />
Sprecher:<br />
Auch zuhause wird es für Yvonne Herber immer schwieriger, den Alltag zu bewältigen. Sie<br />
verlegt ihr Handy, verliert Schlüssel, Kreditkarten, vergisst Termine, die sie für sich oder<br />
ihren 12 jährigen Sohn Marc ausgemacht hat. Yvonnes geistiger Abbau trifft die Familie<br />
völlig unvorbereitet.<br />
O-Ton Hans Herber:<br />
Na, da war ich oft natürlich sehr entnervt, weil auch hier halt nix mehr funktioniert hat. Man<br />
ist ja da allein auf sich gestellt. Wenn man von der Arbeit kommt, und das und das und jenes<br />
hat nicht mehr funktioniert und geklappt und man weiß nicht warum. Dann ist man natürlich<br />
extrem entnervt.<br />
Dieses <strong>Manuskript</strong> ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.<br />
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen<br />
Genehmigung des <strong>WDR</strong>.<br />
2
Sprecher:<br />
Die Situation auf der Arbeit wird schließlich untragbar.<br />
Tiefenblick, 07.10.2012<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
O-Ton Hans Herber:<br />
Bis zu dem Punkt, wo ich einen Anruf bekommen habe, dass die Yvonne die Passwörter<br />
dreimal am Tag vergessen hat, ich soll sie mal rausnehmen aus der ganzen Sache. Habe ich<br />
dann auch getan. Ich habe sie dann auch in die Uniklinik gebracht. Da war sie total am Boden.<br />
Sprecher:<br />
Yvonne ist nur noch niedergeschlagen und antriebslos. Beide haben Angst, eine Depression<br />
könnte die Ursache für Yvonnes Probleme sein. Sie wenden sich an die Uniklinik Frankfurt.<br />
Der Psychiater Dr. David Prvulovic untersucht Yvonne Herber.<br />
O-Ton Dr. David Prvulovic:<br />
Sie kam ursprünglich eher wegen Depressionen und dann wurde festgestellt, dass sie ja<br />
deswegen depressiv geworden ist, weil sie so viele Schwierigkeiten am Arbeitsplatz hat. Und<br />
dann haben wir uns gefragt: Warum hat sie denn diese Schwierigkeiten? Und dann wurde<br />
festgestellt, dass sie entsprechend kognitive Defizite hat, Gedächtnisdefizite, aufgrund dessen<br />
sie ja diese Dinge gar nicht mehr machen kann, die sie normalerweise von sich erwartet und<br />
die auch andere von ihr erwarten.<br />
Atmo Uhrticken<br />
O-Ton (Test Fortsetzung): „Motor...Hütte habe ich auch schon“.<br />
„Ok. Gut.“<br />
O-Ton Yvonne Herber:<br />
Ja, wie ein Loch. Irgendwie, so. Es kommt einfach nicht mehr zurück das Wort mit der Zeit.<br />
Ziemlich kurzfristig sage ich mal so. Ich bin der Meinung, dass es das Kurzzeitgedächtnis ist.<br />
Sprecher:<br />
Die exakte Diagnose lautet schließlich: Morbus Alzheimer, die häufigste Demenzform.<br />
Um sicher zu gehen, haben die Ärzte bei Yvonne Herber sämtliche<br />
Untersuchungsmethoden angewandt, die heute zur Verfügung stehen. Tomographien<br />
lieferten Bilder vom Gehirn. Sie zeigten, dass Yvonnes Hirn in einer bestimmten Region<br />
anfängt zu schrumpfen, im so genannte Hippocampus - typisch für Alzheimer. Die Ärzte<br />
untersuchten ihr Hirnwasser und identifizierten darin verdächtige Eiweißmuster, die<br />
ebenfalls charakteristisch für Alzheimer sind. Es besteht daher nach Ansicht von David<br />
Prvulovic daher kaum ein Zweifel. Auch wenn Yvonne Herber erst 42 ist und damit alles<br />
andere als eine Routinepatientin.<br />
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Tiefenblick, 07.10.2012<br />
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Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
O-Ton David Prvulovic:<br />
In solchen Fällen, in denen man auch Parallelen zu sich selbst finden kann, also man ist ja<br />
in einem ähnlichen Alter, geht es einem schon besonders nahe, das muss man offen<br />
zugeben und ich denke dementsprechend sensibel geht man dann auch mit solchen<br />
Patienten auch um.<br />
Sprecher:<br />
Alzheimer liegt vor, wenn im Gehirn typische Ablagerungen zu finden sind. Zum einen<br />
die so genannten Plaques, bestehend aus einem Eiweiß namens Beta-Amyloid. Zum<br />
anderen finden sich längliche Ablagerungen, die Tangles. Ob Yvonne Herber diese<br />
Ablagerungen im Gehirn hat, lässt sich nur durch eine Obduktion feststellen - also erst<br />
nach dem Tod. Doch Bruchstücke genau jener Plaques und Tangles finden sich im<br />
Nervenwasser von Yvonne, ein deutlicher Hinweis auf Alzheimer, trotz ihres<br />
ungewöhnlich jungen Alters. Nur jeder 50zigste bekommt die Erkrankung so früh. Die<br />
meisten sind 60 Jahre oder älter.<br />
Musik<br />
O-Ton:<br />
„Mir geht es darum, dass ich jetzt einige Aufgaben mit ihnen machen möchte, die sich vor<br />
allem mit dem Gedächtnis befassen.“<br />
„Ja.“<br />
Sprecher:<br />
Jürgen Haube ist 69. In der Gedächtnisambulanz der Uniklinik Bonn wird geprüft, wie<br />
weit sein Alzheimer fortgeschritten ist. Auch er soll sich 10 Worte merken.<br />
O-Ton Jürgen Haube:<br />
Teller, Hund, Lampe...<br />
Sprecher:<br />
Jürgen Haube war 59, als ihn sein Gedächtnis erstmals im Stich ließ. Mittlerweile lebt er<br />
10 Jahre mit Alzheimer.<br />
O-Ton Jürgen Haube:<br />
Apfel, Brief... Ist irgendwie weg.<br />
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Tiefenblick, 07.10.2012<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
Sprecher:<br />
Er ist einem mittleren Stadium der Demenz angekommen. Nicht nur sein Gedächtnis<br />
leidet, sein ganzes Wesen verändert sich. Für seine Frau Helga ist es ein Abschied auf<br />
Raten.<br />
O-Ton Helga Haube:<br />
Wenn ich dann schon mal mit ihm spreche, er gibt zwar Antwort, aber der ist wie so eine<br />
lebende Hülle. Von Jahr zu Jahr wird man dann natürlich auch deprimierter. Er veränderte<br />
sich auch, total wesensverändert, er ist ja ein ganz anderer Mensch geworden.<br />
Sprecher:<br />
Besonders zu schaffen macht ihr seine zunehmende Aggression.<br />
O-Ton Helga Haube:<br />
Der war nicht mehr kritikfähig. Die winzigste Kleinigkeit, jedes Mal ein Vulkanausbruch.<br />
Dann habe ich gedacht, das ist ja auch nicht normal. Dann habe ich mir das eine Zeit lang<br />
angeguckt, man hat auch dann manchmal so ein komisches Gefühl. Da haben gute Freunde<br />
schon gesagt: muss man aufpassen, dass er dir nichts tut, wie die Leute denn so sind. Das<br />
konnte ich mir jetzt nicht so vorstellen, aber man kriegt schon so ein komisches Gefühl<br />
wenn jemand so total ausrastet.<br />
Sprecher:<br />
Pillen sollen seine Aggression lindern. Obendrein bekommt Jürgen Haube so genannte<br />
Anti-Dementiva. Sie greifen in seinen Gehirnstoffwechsel ein, indem sie die Konzentration<br />
von Botenstoffen im Gehirn erhöhen. Die verbliebenen Nervenzellen können dann besser<br />
miteinander kommunizieren. Das verzögert den geistigen Verfall maximal um etwa ein<br />
Jahr. Prof. Frank Jessen, Alzheimerforscher von der Uniklinik Bonn und Jürgen Haubes<br />
Arzt:<br />
O-Ton Prof. Frank Jessen:<br />
Also es gibt nicht eine Therapie gegen Alzheimer, aber es gibt eine Therapie, die bei<br />
Alzheimerpatienten eine Stabilisierung und manchmal auch eine Verbesserung der<br />
geistigen Leistungsfähigkeit erreichen kann. Das sind zugelassene Medikamente, die gibt<br />
es seit über 10 Jahren auf dem Markt, die werden auch überall empfohlen in den Leitlinien.<br />
Das sind allerdings keine Medikamente, die die Alzheimerkrankheit an sich grundlegend<br />
aufhalten, stoppen oder heilen könnten. Das gibt es nicht heutzutage.<br />
Sprecher:<br />
Wenig Hoffnung also, dass sich der Zustand von Jürgen Haube noch einmal verbessern<br />
wird. Das Zusammenleben mit ihrem Mann bleibt daher für Helga Haube eine enorme<br />
Belastung. Sie ist vor allem einsam.<br />
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Tiefenblick, 07.10.2012<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
O-Ton Helga Haube:<br />
Irgendwann ist er ausgezogen, von heute auf morgen nimmt der auf einmal seinen Plümo,<br />
ich denke, was haben wir denn jetzt? Das ist bestimmt jetzt schon 2 1/2 Jahre her oder<br />
noch länger. Er sagte, so, jetzt schlafe ich auch mal auf der Couch. Tja habe ich gedacht.<br />
Aber dabei ist es bei geblieben. Er ist dann nicht mehr zurück gekommen.<br />
Sprecher:<br />
Zum Glück kann ihr Mann noch alleine in Köln spazieren gehen. Täglich dreht er seine<br />
Runde im Viertel. Für Helga Haube ist es wertvolle Zeit zum durchatmen. Doch nicht<br />
immer verläuft alles reibungslos.<br />
O-Ton:<br />
Helga: Wenn er hier in seinem Viertel bleibt, ist ok. Wo warst du denn zuletzt, in Aachen?<br />
Jürgen: Ja, irgendwann bin ich mal in Aachen gelandet.<br />
Helga: Da rief die Polizei an: Ihr Mann ist hier. In Aachen? Ja, ihr Mann ist hier.<br />
Jürgen: Da bin ich mit dem Fahrrad hingefahren.<br />
Helga: Dat glaube ich aber jetzt nicht. Wir wissen nicht, wie er hingekommen ist, die<br />
haben ihn wieder zurück gebracht, Keine Ahnung. Er war in Aachen.<br />
Sprecher:<br />
Im fortgeschrittenen Alzheimerstadium ist bereits ein Fünftel des Gehirns zerstört. Die<br />
Forscher wollen daher die Erkrankung viel früher erkennen, um besser helfen zu können.<br />
Dazu brauchen sie Alzheimerpatienten als Testpersonen. Wie Jürgen Haube. Oder wie<br />
Yvonne Herber.<br />
Geräusch MRT<br />
Sprecher:<br />
Universitätsklinik Frankfurt, Klinik für Psychiatrie. Yvonne Herber ist soeben auf einem<br />
beweglichen Schlitten in die Röhre eines Magnetresonanztomographen gefahren. Der<br />
Psychiater und Forschungsleiter Dr. David Prvulovic beobachtet sie durch eine<br />
Glasscheibe. Er sitzt im Nachbarraum, vor ihm ein riesiges Pult mit Knöpfen, Reglern und<br />
Anzeigen.<br />
O-Ton Dr. David Prvulovic:<br />
Bitte den Kopf noch mal um drei Grad nach rechts drehen.<br />
Sprecher:<br />
David Prvulovic hat den Verdacht, das besondere, mit Hilfe des MRT messbare<br />
Nervenaktivitäten Vorboten von Alzheimer sein könnten. Doch um das beweisen zu können,<br />
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Tiefenblick, 07.10.2012<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
müsste er unendlich viel Geduld aufbringen. Denn er müsste abwarten, ob Probanden, bei<br />
denen er verdächtige Nervenimpulse misst, wirklich einmal Alzheimer bekommen. Doch<br />
diesen Weg kann man abkürzen. Helfen sollen dabei ganz besondere Alzheimerpatienten,<br />
Menschen, die ein Alzheimergen in sich tragen. Drei solcher Alzheimergene sind bekannt.<br />
Trägt ein Patient nur eines dieser Gene, weiß David Prvulovic von Anfang an: In ihm tickt<br />
eine Art Alzheimer-Uhr, präzise und unaufhaltsam. Und schon viele Jahre, bevor das<br />
Gedächtnis anfängt zu schwinden. Ein Glücksfall für die Forschung.<br />
O-Ton Dr. David Prvulovic:<br />
Diese Demenzformen haben den Vorteil, dass man durch eine relativ einfache genetische<br />
Untersuchung tatsächlich zu jedem beliebigen Lebenszeitalter, also rein theoretisch direkt<br />
nach der Geburt sagen kann: Dieser Mensch hat diese genetische Veränderung und wir<br />
wissen, dass diese genetische Veränderung zu 100 Prozent zu einer Demenz führen wird und<br />
man kann sogar das Alter, in der diese Demenz eintritt, relativ genau berechnen … auf plus<br />
minus wenige Jahre.<br />
Sprecher:<br />
Diese Patienten erkranken meist sehr früh, schon um die 40 – wie Yvonne Herber. David<br />
Prvulovic glaubt nun, dass sie eines der Alzheimergene tragen könnte. Ein Gentest gäbe<br />
Aufschluss. Und er wird Yvonne fragen, ob sie einem solchen Test zustimmt.<br />
Atmo MRT<br />
O-Ton Dr. David Prvulovic:<br />
Mit Hilfe von solchen Menschen, wenn sie an diesen wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
teilnehmen, wird es möglich sein, diese Biomarker noch viel schneller zu validieren und sie<br />
als hilfreiches Instrument zu etablieren.<br />
Atmo Krankenhausflur<br />
Sprecher:<br />
Doch so interessant das Ergebnis für seine Forschung wäre, es ist auch ein ethisch äußerst<br />
heikles Unterfangen. Denn die Kinder der Betroffenen können das Gen geerbt haben, also<br />
auch Marc, der 12 jährige Sohn von Yvonne.<br />
O-Ton Dr. David Prvulovic:<br />
Man muss auch eine Gefühl dafür haben als Arzt, ob so eine Information jemanden in die<br />
Verzweiflung treiben würde, möglicherweise könnte jemand, der psychisch labil ist, sich<br />
sogar was antun. Das muss man schon einschätzen und den Patienten auch gut beraten, was<br />
diese genetische Untersuchung betrifft, aber das tun wir auch.<br />
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Tiefenblick, 07.10.2012<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
Sprecher:<br />
Yvonne und Hans Herber haben bereits einen Termin für die genetische Beratung. In der<br />
Zwischenzeit versuchen sie, einen halbwegs normalen Familienalltag aufrecht zu erhalten.<br />
Der 12 jährigen Sohn Marc weiß über die Erkrankung der Mutter bescheid.<br />
O-Ton Hans Herber:<br />
Marc haben wir von Anfang an aufgeklärt, haben wir auch nicht versucht, ihm das irgendwie<br />
zu verheimlichen, haben immer klar gesagt, was die Mama hat, dass sie vergesslich ist und<br />
dass das auch schlimmer werden kann und ich glaube, der Mark ist auch in der Lage, das<br />
einzuordnen und damit umzugehen. Macht wenig Sinn, ihm da irgendwas vorzulügen, denn<br />
die Realität kommt ja früher oder später. Ich glaube, so fährt er besser.<br />
Sprecher:<br />
Marc spürt, dass sich etwas auf den Kopf stellt. Er muss für seine Mutter da sein, für sie<br />
mitdenken, muss auf sie achten, nicht umgekehrt.<br />
O-Ton Marc:<br />
Wenn wir zum Beispiel einkaufen sind, dann habe ich zum Beispiel den Einkaufszettel in der<br />
Hand und dann wir gehen gemeinsam das alles durch. So Sachen zum Beispiel.<br />
Sprecher:<br />
Die junge Familie versucht, den Raum, den die Krankheit einnimmt, nicht übermächtig<br />
werden zu lassen. Und sie halten zusammen. Hans stärkt Yvonne und macht ihr Mut, wann<br />
immer es nötig ist. Und genauso Marc.<br />
O-Ton Hans Herber:<br />
Er ist extrem süß, wenn die Yvonne irgendwelche Probleme hat, versucht er sie eher zu<br />
unterstützen, das ist nicht schlimm und kümmert sich schon. Er weiß, dass Yvonne diese<br />
Schwäche hat und da versucht er schon... Auch wenn sie manchmal wie Hund und Katze sind,<br />
ist er auch sehr fürsorglich dann, wenn es ihr schlecht geht.<br />
Sprecher:<br />
Doch Yvonne und Marc verbindet möglicherweise noch mehr. Wenn Yvonne ein Alzheimer-<br />
Gen trägt, dann möglicherweise auch Marc. Der Gentest wird nun darüber Aufschluss geben.<br />
O-Ton Hans Herber:<br />
Für uns war das eigentlich eine selbstverständliche Sache. Das dient uns auch, diese<br />
Untersuchung. Wir arbeiten da ja auch sehr gut zusammen mit der Uniklinik. Das ist schon<br />
eine gute Sache, dass wir dann Klarheit haben, ob das von den Genen kommt, wie auch<br />
immer. Das passt schon.<br />
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Tiefenblick, 07.10.2012<br />
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Sprecher:<br />
So wichtig die Daten von Patienten wie Yvonne Herber für die Früherkennung von Alzheimer<br />
sind – Millionen Menschen haben bereits Demenz im fortgeschrittenem Stadium. Auch sie<br />
hoffen auf ein Heilmittel. Zahlreiche Forscher und auch die Pharmaindustrie suchen mit<br />
Hochdruck nach erfolgversprechenden Substanzen. Die meisten sollen vor allem eines<br />
erreichen: Die Ablagerungen im Gehirn beseitigen, die den Zelltod auslösen. Und das seien<br />
die Plaques, jene rundlichen Eiweißklumpen aus dem Stoff namens Beta-Amyloid - so die<br />
Theorie der meisten Forscher. Auch der Arzt von Jürgen Haube, Prof. Frank Jessen von der<br />
Uniklinik Bonn, hält diesen Ansatz für plausibel.<br />
O-Ton Frank Jessen:<br />
Das Amyloid ist der wesentliche Faktor bei der Alzheimererkrankung, ohne Amyloid keine<br />
Alzheimererkrankung. Deswegen liegt es zunächst mal auf der Hand, Amyloid anzugehen, als<br />
Behandlungsziel.<br />
Sprecher:<br />
Frank Jessen leitet eine Studie, in der ein neues Medikament gegen die Alzheimer-Plaques<br />
getestet werden soll. Es sind spezielle Antikörper gegen Beta-Amyloid, gewonnen aus<br />
menschlichem Blut. Und dafür sucht er Patienten.<br />
O-Ton Yvonne Herber:<br />
Wir saßen morgens am Frühstückstisch und da war ein Aufruf im Radio. Leute können sich<br />
melden in der Uni Bonn, Telefonnummer. Und dann habe ich da angerufen und dann haben<br />
wir auch direkt Glück Termin gemacht und so ist das entstanden. Und dann haben wir uns<br />
bereit erklärt, an der Studie mitzumachen.<br />
Sprecher:<br />
Tatsächlich erweist sich Jürgen Haube als ideale Testperson. Denn er ist bis auf seine Demenz<br />
gesund und mit 69 auch noch vergleichsweise jung. Über ein halbes Jahr soll er nun<br />
monatlich eine Infusion bekommen. Dann werden Tests zeigen, ob sich sein geistiger Verfall<br />
stoppen ließ.<br />
Atmo Krankenhausflur<br />
Sprecher:<br />
Gedächtnisambulanz der Uniklinik Frankfurt. Yvonne Herber hat heute einen Termin zur<br />
Blutabnahme für den Gentest. Ihr Arzt David Prvulovic hat ihnen den Test angeboten. Keine<br />
einfach Entscheidung für Hans und Yvonne.<br />
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O-Ton Hans Herber:<br />
Als ich das mit dem Gentest erfahren habe, habe ich mir gar nicht so richtige Gedanken drum<br />
gemacht, aber jetzt wird mir dann schon bewusst, dass das schon für mich ein Schlag wäre,<br />
also wenn es jetzt heißen würde, es ist eine genetische Sache, es ist vererbbar, dann hätte ich<br />
natürlich ein Problem zusätzlich, dann hätte ich eine weitere Angst in mir drin haben, weil das<br />
wäre fatal.<br />
O-Ton:<br />
Yvonne: Na ja, ich habe vorwiegend Angst, hoffentlich bekommt er’s nicht.<br />
Hans: Sollte dieser Befund negativ sein, dann ist es ja relativ sicher, dass der Mark das nicht<br />
bekommt. Ansonsten hätten wir schon ein komisches Gefühl...<br />
O-Ton Dr. David Prvulovic:<br />
Wir müssen uns an die formalen Voraussetzungen halten und die sehen vor, dass nach dem<br />
Gendiagnostik-Gesetz auch eine Einverständniserklärung von ihnen unterschrieben wird, dass<br />
sie freiwillig dem zustimmen, dass diese Genanalyse gemacht wird. Und sie sind damit<br />
einverstanden, dass das Untersuchungsmaterial dann auch weiter für wissenschaftliche<br />
Zwecke eingesetzt werden kann und dann auch weiter bei uns aufbewahrt werden kann.<br />
Dann würde ich sie bitten, ihr Einverständnis hier mit einer Unterschrift anzuzeigen. Ok,<br />
vielen Dank.<br />
Atmo Vorbereitung Blutabnahme (Klappern, Handschuhe anziehen)<br />
Dann geben sie mir doch mal bitte ihren linken Arm. Geht’s noch?<br />
Ja<br />
Wir sind auch fertig. So, mal fest drauf drücken, bitte.<br />
Sprecher:<br />
David Prvulovic wird das Blut jetzt an die Universität Gießen schicken, dort ist ein Labor, das<br />
auf solche Analysen spezialisiert ist. Jetzt heißt es erst einmal Warten, einige Wochen<br />
vermutlich. Eine schwierige Zeit für die Herbers.<br />
O-Ton Hans Herber:<br />
Von daher habe ich schon ein klein bisschen Angst, wobei diese Früherkennung und wenn<br />
man das wüsste, die Forschung weiter läuft dann auch viel mehr Möglichkeiten hätte, den<br />
Marc zu schützen, das wäre ja auch wiederum gut.<br />
Atmo Autofahrt<br />
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Vergessen<br />
Sprecher:<br />
Der Tag der Wahrheit für das Ehepaar Haube. Sie fahren zur Uniklinik Bonn. Jürgen Haube<br />
hat ein halbes Jahr lang an der Studie mit dem neuen, aus Blutkonserven gewonnen<br />
Medikament teilgenommen. Er wird heute abschließend getestet. Eine<br />
Magnetresonanztomographie des Gehirn wird zeigen, ob die Antikörper aus menschlichem<br />
Blut den weiteren Tod von Nervenzellen und den Abbau von Hirnsubstanz stoppen konnte.<br />
Geräusch MRT<br />
O-Ton Frank Jessen:<br />
Jetzt kommt der Helm über das Gesicht. Und jetzt fahre ich sie langsam rein.<br />
Sprecher:<br />
Im Nebenraum beobachtet Frank Jessen zusammen mit Helga Haube wie einzelne<br />
Schnittbilder von Jürgens Gehirn auf einem Bildschirm sichtbar werden. Gestochen scharf<br />
zeichnen sich die einzelnen Hirnwindungen ab.<br />
O-Ton Frank Jessen:<br />
Und wenn man weiter runterguckt, dann kann ich Ihnen auch die Struktur zeigen, die<br />
besonders für das Gedächtnis verantwortlich ist. Das ist diese Struktur hier das nennt man<br />
Hippocampus. Das ist die Struktur, die bei Demenzerkrankungen besonders früh betroffen ist<br />
und die besonders für die Gedächtnisbildung zuständig ist. Hier sieht man auf dem Bild bei<br />
ihrem Mann, dass diese Struktur kleiner geworden ist.<br />
Sprecher:<br />
Jetzt bleibt nur eine Frage: Hat Jürgen Haube überhaupt das Medikament bekommen? Denn<br />
ein Viertel der Versuchsteilnehmer bekam - ohne es zu wissen - nur ein Scheinpräparat, ein<br />
Placebo. Frank Jessen bittet Helga und Jürgen Haube nach der Untersuchung in sein<br />
Sprechzimmer.<br />
O-Ton 37 Frank Jessen:<br />
Zunächst mal haben sie das Medikament bekommen...Es war die Frage, kriegt ein Patient ein<br />
Placebo oder das echte Medikament. Ein Teil der Patienten hat nur Placebo erhalten.<br />
Insgesamt ist das Ergebnis der Studie, das was sie im Prinzip auch selbst erlebt haben: dass<br />
das Medikament nicht den gewünschten Erfolg gezeigt hat.<br />
Mit anderen Worten: Die Patienten, die das Placebo bekommen haben, haben sich genau so<br />
entwickelt wie die Patienten, die das Medikament bekommen haben.<br />
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Sprecher:<br />
54 Patienten haben an der Studie teilgenommen. Bei keinem hat sich die Krankheit aufhalten<br />
lassen.<br />
Musik<br />
O-Ton Helga Haube:<br />
Wir haben es probiert, wir nehmen es so, wie es ist. Wir versuchen alles, wir haben alles<br />
gemacht, was man in der heutigen Zeit machen kann. Das war’s jetzt.<br />
O-Ton Frank Jessen:<br />
Für mich persönlich ist hier auch eine Enttäuschung spürbar, zumal ich sehr viel auf dieses<br />
Therapieprinzip gesetzt habe. Ich denke, für jeden Arzt, der in diesem Studienfeld tätig ist,<br />
waren die letzten 5 Jahre große Enttäuschungen. Vor 6, 7, 8 Jahren, mit den neuen<br />
Behandlungskonzepten hatte man gedacht, Alzheimer ist geheilt, das war der Tenor. Und das<br />
ist alles ganz herbe enttäuscht worden. Also jeder einzelne und die ganze Szene, wenn man<br />
das so sagen kann, ist massiv enttäuscht und auch in gewissem Umfang ratlos.<br />
Sprecher:<br />
Die Studie von Frank Jessen reiht sich ein in eine lange Reihe gescheiterter Studien, die alle<br />
Amyloid-Plaques als Angriffsziel hatten. Jüngstes Beispiel: Der Pharmariese Johnson &<br />
Johnson gab August 2012 bekannt, man habe Versuche mit einem Medikament, das sich<br />
gegen die Plaques richtet, wegen Erfolglosigkeit eingestellt. Nach eigenen Angaben beschert<br />
das der Firma 300 bis 400 Millionen Dollar Verlust. Immer mehr Forscher schwenken daher<br />
um und glauben nun, dass Amyloid nur ein Glied einer längeren Ursachenkette sein kann.<br />
Wie lang diese Kette ist, weiß niemand. Das so genannte Tau-Eiweiß gehört wahrscheinlich<br />
dazu. Es bildet auffällige längliche Ablagerungen in den Nervenzellen von Alzheimer-<br />
Patienten, die Tangles. Entzündungen sind ebenfalls ein Faktor, der Alzheimer vorantreibt,<br />
glauben einige Forscher. Doch wie bringt man jetzt all dies zusammen, um am Ende wirklich<br />
die Heilung zu erreichen? Frank Jessen:<br />
O-Ton Frank Jessen:<br />
Meine Meinung dazu ist, dass wir aktuell die Patienten zu spät behandeln. Wenn man sich das<br />
Gehirn eines auch leicht Demenzkranken anguckt, dann ist es in weiten Teilen kaputt. Man<br />
muss früher behandeln, man muss die Erkrankung deutlich vorher erkennen, bevor eine<br />
Demenz vorliegt, und dann wird man – so ist mein Gefühl – auch mit Amyloid-Substanzen<br />
weiter kommen.<br />
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12
Tiefenblick, 07.10.2012<br />
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Vergessen<br />
Sprecher:<br />
Genau diese Früherkennung möchte man an der Uniklinik Frankfurt vorantreiben. Mit Hilfe<br />
von Yvonne Herber. Nach nunmehr fast sechs Monaten Wartezeit ist endlich der Gentest<br />
ausgewertet. Hans und Yvonne Herber haben einen Termin an der Universität Gießen.<br />
O-Ton Yvonne Herber:<br />
Gemischte Gefühle. Ich hoffe, dass der Marc es nicht kriegt, das ist mir das Wichtigste.<br />
Sprecher:<br />
Das Ergebnis mitteilen wird Prof. Ulrich Müller, der Leiter Humangenetik.<br />
O-Ton Ulrich Müller:<br />
Guten Tag, Müller mein Name.<br />
Herber: Hallo.<br />
Sprecher:<br />
Ulrich Müller fragt zunächst, ob in der Familie Alzheimer schon vorkam. Weder Hans noch<br />
Yvonne Herber konnten bei ihren Recherchen Verwandte finden, die den Verdacht auf eine<br />
erbliches Alzheimer stützen.<br />
O-Ton Ulrich Müller:<br />
Es spricht trotzdem einiges dafür, dass das der Fall ist, weil die Erkrankung bei Ihnen sehr<br />
früh ausgebrochen ist. Deswegen wurde ein genetischer Test bei ihnen durchgeführt.<br />
Tatsächlich ist eines dieser drei Gene verändert. Und damit ist das jetzt zumindest auch<br />
bewiesen, dass es eine der seltenen, monogenen, also nur von einem Gen abhängigen<br />
Erkrankungen ist.<br />
Hans Herber: Und das würde jetzt für den Marc bedeuten, für unseren Sohn?<br />
Arzt: Ja, das würde diese Situation bedeuten, also die 50-50 Wahrscheinlichkeit, dass er es<br />
geerbt hat oder dass er es nicht geerbt hat.<br />
Hans Herber: Also kann man jetzt in Bezug auf unseren Sohn nicht sagen, in welche<br />
Richtung das läuft?<br />
Arzt: Man kann es nicht sagen. Man kann es grundsätzlich testen, wenn man die Möglichkeit<br />
einer Behandlung hat. Das ist aber hier nicht der Fall.<br />
Dieses <strong>Manuskript</strong> ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.<br />
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen<br />
Genehmigung des <strong>WDR</strong>.<br />
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Tiefenblick, 07.10.2012<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
Hans Herber: Wollen wir uns erst mal entspannen, Yvonne, dass du Luft kriegst. Vielen<br />
Dank, nochmal.<br />
O-Ton Hans Herber:<br />
Man hat jetzt die Gewissheit, dass die Yvonne diese Krankheit definitiv hat, das ist Fakt jetzt<br />
durch diese Genanalyse. Bei dem Marc - steht offen. Ich geh mal davon aus, dass er es nicht<br />
bekommt. Und wie gesagt, die Forschung ist dran. Wenn er 18 ist, könnte er rein theoretisch<br />
diesen Test machen. Schauen wir mal. Da will ich ihn auch jetzt gar nicht mit konfrontieren,<br />
sinnlos, weil wie gesagt, ich bin der festen Überzeugung, dass er es nicht bekommt. Die<br />
Yvonne wird das jetzt auch verarbeiten, das Ergebnis, oder?<br />
Sprecher:<br />
Was den Herbers jetzt bleibt, ist Hoffnung. Vor allem Hoffnung auf Fortschritte in der<br />
Alzheimer-Forschung.<br />
O-Ton Hans Herber:<br />
Aus meiner Sicht wäre das Schönste, wenn wir diesen Krankheitsverlauf in dem Stadium so<br />
lange aufhalten könnten, wie nur denkbar. Das heißt, dass die Yvonne zwar die Krankheit hat,<br />
an diesem Punkt jetzt, aber dass sie jetzt wegen mir 10, 15 Jahre stagniert und dass bis dahin<br />
die Forschung vielleicht so weit ist, dass man ihr wieder helfen kann. Das wäre... Das ist ein<br />
Traum halt.<br />
Musik<br />
ABSAGE<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das Vergessen<br />
Ein Feature von Thomas Liesen<br />
Es sprachen:<br />
Isis Krüger und Hartmut Stanke<br />
Technische Realisation: Gertrudt Melcher und Barbara Göbel<br />
Regieassistenz: Patrizia Barba<br />
Regie: Detlev Ihnken<br />
Redaktion: Ulrich Horstmann<br />
Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks 2012.<br />
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Tiefenblick, 07.10.2012<br />
Die großen Volkskrankheiten<br />
Folge 2: Alzheimer: Hoffnung im Kampf gegen das<br />
Vergessen<br />
Am kommenden Sonntag geht es weiter mit unserer Serie „ Die großen Volkskrankheiten“<br />
und der Folge „Herzmedizin: Eine Erfolgsgeschichte ohne Happy End“.<br />
Nähere Angaben hält unsere Hotline bereit unter der Rufnummer 0221-<br />
56789 und dreimal die fünf. Weitere Informationen, den Download und das <strong>Manuskript</strong> zur<br />
Serie finden Sie unter <strong>WDR</strong> 5 de (ohne Punkt).<br />
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