parTU 14 - Liberale Mitte - Technische Universität Berlin
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Alumni-Magazin der<br />
<strong>Technische</strong>n <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong><br />
10. Jahrgang · Nr. <strong>14</strong> · Dezember 2009<br />
par<br />
T<br />
Bin ich wirklich ich?<br />
Zivile Sicherheitsforschung<br />
an der TU <strong>Berlin</strong>
Editorial<br />
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Alumni,<br />
Wirtschaftskrise – das war das Schlagwort des zurückliegenden<br />
Jahres, und es wird wohl auch im kommenden Jahr eine zentrale<br />
Vokabel bleiben. Eng damit verbunden ist die Angst, den Arbeitsplatz<br />
zu verlieren. Auch wenn ein Hochschulstudium kein<br />
absoluter Garant für einen Arbeitsplatz ist, so bieten sich Akademikerinnen<br />
und Akademikern nach wie vor die besten Zukunftschancen.<br />
Studien belegen es immer wieder.<br />
Jedes Jahr verlassen rund 2000 Absolventinnen und Absolventen<br />
die TU <strong>Berlin</strong>. Wie gestaltet sich ihr Einstieg ins Berufsleben?<br />
In welchen Berufs- und Tätigkeitsfeldern arbeiten sie?<br />
Baut die berufliche Tätigkeit auf die Inhalte des Studiums auf?<br />
Welche Erwartungen haben Arbeitgeber? Und wie beurteilen<br />
die Absolventinnen und Absolventen im Rückblick ihr Studium<br />
und ihre Studienbedingungen? Dies sind die Inhalte der ersten<br />
universitätsweiten Absolventenbefragung, die die TU <strong>Berlin</strong> in<br />
Kooperation mit dem Internationalen Zentrum für Hochschulforschung<br />
INCHER-Kassel im Wintersemester 2009/10 durchführt.<br />
Befragt werden Absolventinnen und Absolventen, die ihr<br />
Studium zwischen dem Wintersemester 2007/08 und dem Sommersemester<br />
2008 beendet haben. Ziel der Befragung ist unter<br />
anderem, Studienbedingungen und -angebote gegebenenfalls<br />
den Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen und die Angebote<br />
zum Erwerb von Schlüsselkompetenzen weiter zu entwickeln.<br />
Wir sind gespannt auf die Antworten der jungen Berufseinsteigerinnen<br />
und -einsteiger, von denen bereits viele Mitglied<br />
im nationalen Alumniprogramm sind.<br />
Aber nicht nur junge Absolventinnen und Absolventen melden<br />
sich zum Alumniprogramm an, sondern auch jene, deren<br />
Studienabschluss bereits viele Jahre zurückliegt. Das zeigt uns,<br />
dass das Interesse an der Alma Mater bei vielen ein Leben lang<br />
besteht. Insgesamt haben sich in den vergangenen zwölf Monaten<br />
1200 neue Mitglieder im nationalen Alumniprogramm<br />
angemeldet. Somit gehören unserem Netzwerk erstmals mehr<br />
als 20 000 Alumni an. Dazu kommen weitere 3700 Alumni, die<br />
sich online auf der globalen Business-Plattform Xing in der<br />
vom Alumniteam moderierten TU-Alumnigruppe vernetzen<br />
und dort ebenfalls regelmäßig News aus der TU <strong>Berlin</strong> erhalten.<br />
Die Alumnidatenbank, aber auch das Xing-Portal sind für<br />
uns wichtige Instrumentarien des Austauschs und der Kontaktaufnahme<br />
mit Ihnen, liebe Alumni. Wir freuen uns über Ihre<br />
Bereitschaft, unsere Arbeit zu unterstützen, und können ein<br />
schönes Resümee ziehen: TU-Alumni sind sympathisch! Dies<br />
spüren wir nicht nur bei dem umfangreichen Telefon- und Mailkontakt,<br />
sondern gerade auch bei Ihrem Engagement, als Autorin<br />
oder Autor für unsere Publikationen zur Verfügung zu stehen<br />
oder als Referentin oder Referent die verschiedensten Veranstaltungen<br />
der TU <strong>Berlin</strong> zu unterstützen. Selten haben wir<br />
von Ihnen eine Absage erhalten, und die Zusammenarbeit war<br />
stets unkompliziert und erfolgreich.<br />
Die Geduld einer bestimmten Alumnigruppe haben wir in<br />
diesem Jahr besonders auf die Probe gestellt: Diejenigen Alumni,<br />
die eine Alumnimailbox nutzen, wurden vom IT-Dienstleistungszentrum<br />
(TUBIT) beziehungsweise vom Alumniteam<br />
mehrfach kontaktiert, da die Mailboxen in das Alumniportal<br />
integriert werden sollten. Wir möchten uns an dieser Stelle angesichts<br />
zeitweiliger technischer Einschränkungen für das Verständnis<br />
der Mailboxnutzerinnen und -nutzer bedanken. Der<br />
Prozess ist mittlerweile abgeschlossen und die Wogen haben<br />
sich geglättet. Der neue Alumnimailserver verrichtet zuverlässig<br />
seinen Dienst – rund 5000 Zugriffe pro Woche können wir<br />
hier verzeichnen.<br />
Wir möchten Sie weiterhin auf Ihrem beruflichen Weg begleiten<br />
und bieten Ihnen mit unserem Alumniprogramm die Möglichkeit<br />
der Vernetzung sowohl mit der <strong>Universität</strong> als auch mit<br />
anderen Alumni. Nutzen Sie unsere Angebote! Zunächst aber<br />
wünschen wir Ihnen viel Spaß bei der Lektüre der vorliegenden<br />
<strong>parTU</strong>-Ausgabe. Sie weckt hoffentlich ebenfalls Ihr Interesse<br />
an unserem Netzwerk.<br />
Das Alumniteam wünscht Ihnen schöne Weihnachten und<br />
ein frohes neues Jahr.<br />
Ihre<br />
Dr. Kristina R. Zerges<br />
Leiterin des Referats für Presse und Information sowie des<br />
nationalen Alumniprogramms der TU <strong>Berlin</strong>
Inhalt<br />
Neues aus der TU <strong>Berlin</strong><br />
2 Alte Pracht und neue Prächtigkeit<br />
Die TU <strong>Berlin</strong> feiert das 125-jährige Jubiläum ihres Hauptgebäudes<br />
mit einer Ausstellung zur Geschichte der Architektur<br />
des Bauwerkes und zeigt Gemälde einer <strong>Berlin</strong>er Künstlergruppe<br />
4–6 Wissenschaft und Forschung<br />
Fast 100 Millionen Drittmittel im Jahr 2008 · <strong>Universität</strong> meldet<br />
48 Erfindungen an · Zwei neue DFG-Graduiertenkollegs an der<br />
<strong>Universität</strong> · Lord Stern erhält die Ehrendoktorwürde · Neue<br />
Stiftungsprofessur „Analytische Röntgenphysik“ · Spitzenpreis<br />
für Spitzenforscherinnen · Elektronenmikroskop zieht in ein<br />
hochmodernes Gebäude · Neuer Sonderforschungsbereich<br />
und hochdotierte EU-Forschungspreise · 19 Stockwerke für die<br />
Forschung · Ein Experimentalhaus für die Lehre<br />
7 <strong>Universität</strong> und Gesellschaft<br />
Die TU <strong>Berlin</strong> als Integrationspunkt für einen starken<br />
Wissenschaftsstandort in <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />
Titelthema: Zivile Sicherheitsforschung an der TU <strong>Berlin</strong><br />
8 Mobil zu telefonieren kann gefährlich sein …<br />
… im Internet zu surfen auch. Jean-Pierre Seifert erforscht,<br />
wie man Angriffe in der digitalen Welt abwehrt<br />
10 Bin ich wirklich ich?<br />
Wissenschaftler entwickeln Methoden, um Menschen und<br />
Dinge sicher zu identifizieren<br />
11 Das elektronische Kennzeichen<br />
Lästige Behördengänge werden irgendwann Vergangenheit<br />
sein. Dafür forscht Ilja Radusch an der Sicherheit der<br />
digitalen Kommunikation<br />
13 Effizienz ist nicht die Lösung allein<br />
Neue Strategien sollen die Verwundbarkeit globaler Logistiknetze<br />
verringern<br />
<strong>14</strong> Wenn eine Katastrophe die andere auslöst<br />
Forschung zur Simulation von Kaskadeneffekten beim Ausfall<br />
von Infrastrukturen<br />
15 Sicher online – Informationsportal für Nutzer<br />
Welche Entscheidung schützt das Netzwerk?<br />
Forschung<br />
16 „An Bildern schleppt ihr hin und her …“<br />
Beutekunst – Restitutionen und Emotionen in historischer<br />
Perspektive<br />
Titelbild und Fotos: TU-Pressestelle/Dahl<br />
Entrepreneur<br />
21 Software für Sonnenenergie<br />
Gerhard Valentin liefert aus <strong>Berlin</strong> Programme, mit denen<br />
Solaranlagen überall auf der Welt berechnet werden<br />
22 „mikado“ ist anders als andere<br />
Seit 26 Jahren ist die Firma mit sozialem Gewissen auf dem<br />
IT-Markt erfolgreich<br />
24 Ein Haus voller Ideen<br />
Die Gründungswerkstatt bietet jungen Teams die Infrastruktur<br />
für den Start in die Selbstständigkeit<br />
26 Teamtraining beim Iglubau nach Eskimo-Art<br />
Normalerweise kosten Hobbys Geld. Alexander Klaußner aber<br />
hat die Sache umgedreht und finanziert sich mit ihnen sein<br />
Leben<br />
Alumni heute<br />
27 Radikal neu denken<br />
Philipp Oswalt, Direktor der Bauhaus-Stiftung Dessau, über<br />
die aktuelle Bedeutung dieser Epoche und die Schwierigkeit,<br />
Grenzen zu überschreiten<br />
29 „Ich bin für alles bis zur Grasnarbe zuständig“<br />
Werner Dauben sucht für Gazprom nach unterirdischen<br />
Speicherstätten<br />
30 Mehr als drei Tassen mit Zwiebel muster<br />
und ein Mops<br />
Christian Kurtzke will das etwas betuliche Image des<br />
Meissener Porzellans verändern<br />
32 Arbeiten im Untergrund<br />
Der Bauingenieur Jens Neugebauer ist Herr über die Kanäle<br />
bei den <strong>Berlin</strong>er Wasserbetrieben<br />
33–34 Mit 4000 Euro nach New York, Sydney, Paris<br />
Was Erwin-Stephan-Presiträger mit ihrem Preisgeld<br />
unter nommen haben: Management im „Big Apple“ ·<br />
Elektronenmikroskopie in „Down under“ · Archivrecherche<br />
an der Seine<br />
Meldungen<br />
36–39 Fakultäten intern · TU intern · TU extern · Impressum<br />
Profil<br />
40 Hochschulen müssen praxisorientierter ausbilden<br />
Herbert K. Haas, Vorsitzender des Vorstandes des<br />
Versicherungskonzerns Talanx<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 1
NeUes aUs Der TU BerliN<br />
Palast der Wissenschaft<br />
Bücher, sagt man, haben ihr Schicksal. Gilt das auch für Häuser?<br />
Anfang November 2009 beging die TU <strong>Berlin</strong> das 125-jährige<br />
Jubiläum ihres Hauptgebäudes mit einem Festakt, und<br />
Prof. Dr. Kurt Kutzler, Präsident der TU <strong>Berlin</strong>, eröffnete fei-<br />
Zwischen Tradition und Nachkriegsmoderne<br />
„Aufbruch zur Langen Nacht“ heißt das jüngste Gemälde von Matthias Koeppel, das am 13. November<br />
enthüllt wurde. Es stellt nicht nur die Eröffnung der „Langen Nacht der Wissenschaften“<br />
an der TU <strong>Berlin</strong> durch den Präsidenten Kurt Kutzler in den <strong>Mitte</strong>lpunkt, sondern auch das markante<br />
Hauptgebäude. Damit schlägt Koeppel die Brücke von der Gemälde- zur Architekturausstellung<br />
anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des TU-Hauptgebäudes (bis 13. Dezember täglich<br />
von 10 bis 20 Uhr, TU-Hauptgebäude, Straße des 17. Juni 135). Der Begleitkatalog zur Architekturausstellung<br />
(ISBN 978-3-7983-2183-0) ist im <strong>Universität</strong>sverlag erschienen.<br />
Die Ausstellung in der <strong>Universität</strong>sbibliothek ist noch bis zum 30. Januar 2010 zu sehen im Ausstellungsforum<br />
der Bibliothek, Fasanenstraße 88, 10623 <strong>Berlin</strong>, montags bis freitags von 8 bis 22<br />
Uhr, samstags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt für beide Ausstellungen ist frei.<br />
www.tu-berlin.de/?id=70944, www.tu-berlin.de/?id=70978<br />
Alte Pracht und<br />
Die TU <strong>Berlin</strong> feiert das 125-jährige Jubiläum<br />
zur Geschichte der Architektur des Bauwerkes<br />
erlich im Lichthof die Ausstellung „125 Jahre Hauptgebäude<br />
der TU <strong>Berlin</strong>. Spannung zwischen Tradition und Nachkriegsmoderne“.<br />
Der Blick in die Geschichte zeigt nicht nur, welche<br />
erstaunliche Metamorphose diese Immobilie vollzogen hat, die<br />
Ausstellung findet auch zu einem Zeitpunkt statt, da – dank<br />
des Konjunkturprogramms II der Bundesregierung – 2010 ein<br />
Jahrzehnt umfassender Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten<br />
im und am Hauptgebäude beendet werden kann. Diese<br />
Arbeiten bedeuten zugleich die eingreifendste<br />
Veränderung am <strong>Universität</strong>sgebäude<br />
seit Abschluss von Wiederaufbau<br />
(1953) und Neubau (1968).<br />
Das Ausstellungsdesign, entwickelt<br />
von Burkhard Lüdtke, Leiter der TU-Modellbauabteilung,<br />
und seiner Mitarbeiterin<br />
Annette Maria Müller, spiegelt die derzeitige<br />
Bausituation und gibt der Schau die<br />
Aura einer „Werkstattsituation“. Die Präsentation,<br />
initiiert durch den TU-Abteilungsleiter<br />
Hans Joachim Rieseberg, zeigt<br />
die „Schichten der Geschichte“. Im Fokus<br />
befindet sich aber dezidiert die Zeit zwischen<br />
1946 bis 2010. Die Schau umfasst<br />
drei wichtige Phasen: den Wiederaufbau<br />
nach 1946, den Neubau der Nordfassade<br />
in den Sechzigerjahren und die jüngsten<br />
Modernisierungen.<br />
Mehrere Modelle zeigen sehr anschaulich<br />
Teilansichten des <strong>Universität</strong>sgebäudes<br />
in Gegenwart und Zukunft. Diese Modelle<br />
sind den fünf Stationen der Ausstellung<br />
zugeordnet. Dort werden in Bild und<br />
Text die historischen Metamorphosen der<br />
einzelnen Gebäudeteile des Hauses – die<br />
Eingangshalle, der Lichthof, der Altbau,<br />
der Neubau und das Audimax – präsentiert.<br />
Der Schauteil zeigt mehr als 150 his-<br />
torische und aktuelle Fotos, diverse Dokumente,<br />
Zeichnungen und Baupläne, die<br />
von Annette Maria Müller zusammengestellt<br />
wurden.<br />
Die Ausstellung widmet sich zugleich<br />
wichtigen historischen Ereignissen, für<br />
die der „Palast der Wissenschaften“ Hülle<br />
oder Kulisse bildete. Das Spektrum reicht<br />
von den Festen in wilhelminischer Zeit,<br />
wo mit patriotischem Pomp die <strong>Technische</strong><br />
Hochschule, die Vorgängereinrichtung<br />
der TU <strong>Berlin</strong>, eingeweiht und den<br />
technischen Hochschulen in Preußen als<br />
ersten technischen Hochschulen im Deut-<br />
2 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: © Matthias Koeppel
neue Prächtigkeit<br />
ihres Hauptgebäudes mit einer Ausstellung<br />
und zeigt Gemälde einer <strong>Berlin</strong>er Künstlergruppe<br />
schen Reich 1899 im Lichthof durch Kaiser Wilhelm II. das Promotionsrecht<br />
verliehen wurde, über die Inszenierung faschistischer<br />
Machtentfaltung in Gestalt der Militärparaden auf der<br />
Ost-West-Achse bis zum Wiederaufbau nach 1945.<br />
Mit der Ausstellungseröffnung reiht sich die TU <strong>Berlin</strong> in<br />
die Veranstaltungsreihe zum <strong>Berlin</strong>er Wissenschaftsjahr 2010<br />
ein. Anlass sind die Jubiläen von fünf Einrichtungen. So feiert<br />
unter anderem die Staatsbibliothek zu <strong>Berlin</strong> ihre Gründung<br />
vor 350 Jahren, die Charité ihre vor 300 Jahren, die Humboldt-<br />
<strong>Universität</strong> ihr 200-jähriges Jubiläum, und die TU <strong>Berlin</strong> ehrt<br />
Konrad Zuse, dessen 100. Geburtstag sich 2010 jährt. Zusammen<br />
mit dem Deutschen Technikmuseum und anderen Partnern<br />
erinnert sie an den Erfinder des Computers, der an der <strong>Technische</strong>n<br />
Hochschule studiert hatte. Auch die <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />
begeht mit einer Ausstellung ihr 125-jähriges Bestehen.<br />
Die Schau „125 Jahre Wissen im Zentrum – die <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />
der <strong>Technische</strong>n <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong>“ schlägt den<br />
Bogen von den Anfängen der Bibliothek mit beeindruckendem<br />
Lesesaal bis zu den digitalen Angeboten der Gegenwart, den<br />
Web 2.0-Services, den elektronischen Büchern und Datenbanken.<br />
Auch Sonderabteilungen der Bibliothek wie die Sammlung<br />
der Gartenbaubücherei mit wertvollen Büchern und prachtvollen<br />
Stichen aus allen Epochen werden in den Fokus gerückt.<br />
Foto: © Johannes Grützke<br />
HANs CHrIsTIAN FörsTer<br />
„Rettet euch aus der Kläglichkeit: Werdet Schüler der Neuen<br />
Prächtigkeit!“ – Als sich im Jahr 1973 mit diesem Appell die<br />
vier <strong>Berlin</strong>er Maler Johannes Grützke (*1937), Matthias Koeppel<br />
(*1937), Manfred Bluth (1926–2002) und Karlheinz Ziegler<br />
(1935–2008) zur „Schule der Neuen Prächtigkeit“ zusammenschlossen,<br />
war nicht nur der Name, den sich die Künstlergruppe<br />
gegeben hatte, ein Affront: Auch das ästhetische Programm,<br />
nämlich gegenständlich (wenn auch in ironischer Brechung) zu<br />
malen, passte so gar nicht in eine Zeit, die sich scharf gegen den<br />
„Realismus in der Kunst“ wandte. 36 Jahre nach diesem Ereignis<br />
findet an der TU <strong>Berlin</strong> nun die erste große Werkschau dieser<br />
Künstlergruppe statt. Initiiert wurde sie vom Präsidenten der TU<br />
<strong>Berlin</strong> und gefördert von der Gesellschaft von Freuden der TU<br />
<strong>Berlin</strong>. Die Ausstellung „Die Schule der Neuen Prächtigkeit –<br />
Der Blick zurück nach vorn: die Gemälde einer Künstlergruppe:<br />
Bluth – Grützke – Koeppel – Ziegler“ zeigt Gemälde aller<br />
vier Maler von ihren Anfängen bis in die heutige Zeit. Die Kraft<br />
der Provokation und die Schärfe der Satire haben sich die Künstler<br />
durch alle Zeitströmungen hindurch bis heute erhalten – in<br />
ihren Gemälden und skurrilen Selbstinszenierungen. Ihre Aktivitäten<br />
waren immer, auch in politischer<br />
Hinsicht, anstößig, und immer<br />
warfen sie aus schrägem Winkel<br />
ein bezeichnendes Licht auf die gesellschaftliche<br />
Wirklichkeit. sn<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 3<br />
NeUes aUs Der TU BerliN<br />
Kampf dem rechten Winkel<br />
erste große Werkschau<br />
Die Ausstellung ist noch bis zum 13. Dezember 2009 in der TU<br />
<strong>Berlin</strong>, Straße des 17. Juni 135, im Hauptgebäude in den Galerien<br />
am Lichthof zu sehen. Dort wird auch das Gemälde „Vor der Walpurgisnacht“<br />
(siehe Bild links) von Johannes Grützke gezeigt. Am<br />
13. Dezember endet die Werkschau mit einer Finissage um 11 Uhr.<br />
Das Buch zur Ausstellung „Die Schule der Neuen Prächtigkeit.<br />
Grützke, Koeppel, Bluth, Ziegler. Gemälde und Dokumente einer<br />
Künstlergruppe“ ist im Nicolai-Verlag erschienen. Dort werden die<br />
Akteure, die Aktivitäten, die ästhetischen Positionen und künstlerischen<br />
Hervorbringungen der „Schule der Neuen Prächtigkeit“ in<br />
sieben Essays historisch eingeordnet und ästhetisch gewürdigt. Der<br />
umfangreiche Abbildungsteil mit Bildern aller vier Künstler präsentiert<br />
herausragende Beispiele ihrer Malerei – in ihren Gemeinsamkeiten<br />
und Unterschieden.<br />
www.tu-berlin.de/?id=69391
NeUes aUs Der TU BerliN<br />
Wissenschaft und Forschung<br />
Fast 100 Millionen Drittmittel im Jahr 2008<br />
Im Jahr 2008 konnte die TU<br />
<strong>Berlin</strong> insgesamt 98,8 Millionen<br />
Euro Drittmittel von öffentlichen<br />
und privaten <strong>Mitte</strong>lgebern<br />
einwerben. Das bedeutet<br />
ein Plus von rund 22 Prozent<br />
beziehungsweise 17,5 Millionen<br />
Euro gegenüber dem Vorjahr.<br />
Mit dieser Leistung setzen<br />
die Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler den positiven<br />
Trend der Vorjahre erneut<br />
fort. Durchschnittlich konnten<br />
pro Professur an der TU <strong>Berlin</strong><br />
322 822 Euro eingeworben werden.<br />
Der bundesweite Durchschnitt<br />
lag im Jahr 2006 bei<br />
107 600 Euro. Die Drittmittelzahl<br />
zeigt die Attraktivität der<br />
TU <strong>Berlin</strong> als ausgewiesene<br />
Forschungsuniversität. In den vergangenen Jahren gehörte die<br />
TU <strong>Berlin</strong> bundesweit immer zu den zehn besten <strong>Universität</strong>en<br />
(ohne medizinische Einrichtungen) bei der Drittmitteleinwerbung.<br />
Mit Abstand das meiste Geld floss im Jahr 2008 mit rund<br />
36 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG) an die TU <strong>Berlin</strong>. Dies bedeutet einen Zuwachs von 54<br />
<strong>Universität</strong> meldet 48 erfindungen an<br />
Im vergangenen Jahr sind der ipal Gesellschaft für Patentverwertung<br />
<strong>Berlin</strong> 48 Erfindungen von den Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftlern der TU <strong>Berlin</strong> zur Prüfung<br />
und Bearbeitung übergeben worden. Damit liegt die TU<br />
<strong>Berlin</strong> unter den <strong>Berlin</strong>er Hochschulen an zweiter Stelle hinter<br />
der Charité, die 59 Erfindungen anmeldete. Insgesamt<br />
4 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />
Prozent im Vergleich zum Jahr 2007. Erheblich mehr <strong>Mitte</strong>l haben<br />
die Fakultäten und Einrichtungen der TU <strong>Berlin</strong> zudem vom<br />
Bund (rund 21 Millionen Euro, 23 Prozent mehr als im Vorjahr)<br />
und von privaten <strong>Mitte</strong>lgebern (rund 20 Millionen Euro, fünf<br />
Prozent Zuwachs) eingeworben. Von der Europäischen Union<br />
flossen wieder rund 13 Millionen Euro. stt<br />
Zwei neue DFG-Graduiertenkollegs an der TU <strong>Berlin</strong><br />
Die TU <strong>Berlin</strong> hat von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG) zwei neue Graduiertenkollegs bewilligt bekommen. Das<br />
Graduiertenkolleg „Kollektive Dynamik im Nichtgleichgewicht<br />
in kondensierter Materie und biologischen Systemen“ befindet<br />
sich am Institut für Theoretische Physik. Sein Sprecher ist Prof.<br />
Dr. Holger Stark, Leiter des Fachgebietes Statistische Physik weicher<br />
Materie und biologischer Systeme. Es wird in einer ersten<br />
Förderphase von viereinhalb Jahren mit circa 4,7 Millionen Euro<br />
finanziert. Die Forschungsthemen reichen vom Transport wechselwirkender<br />
Elektronen im Nichtgleichgewicht durch Halbleiter-<br />
Quantenpunkte bis hin zu Biofilmen und Neuronen im Gehirn.<br />
Das Graduiertenkolleg „Verarbeitung sensorischer Informatio-<br />
waren im Jahr 2008 bei der ipal 169 Erfindungsmeldungen<br />
eingegangen. Von den 48 Erfindungen an der TU <strong>Berlin</strong> sind<br />
elf zum Patent angemeldet worden, zehn beim Deutschen<br />
Patentamt, eine beim europäischen. Die TU <strong>Berlin</strong> kann zudem<br />
auf drei Patentverkäufe und fünf Lizenzvereinbarungen<br />
verweisen. sn<br />
nen in neuronalen Systemen“ wird von Prof. Dr. Klaus Obermayer,<br />
Leiter des Fachgebietes Neuronale Informationsverarbeitung<br />
am Institut für Softwaretechnik und Theoretische Informatik,<br />
koordiniert und auch für viereinhalb Jahre mit zwei Millionen<br />
Euro gefördert. In dem Kolleg werden Konzepte und Methoden<br />
aus den Forschungsgebieten maschinelles Lernen, theoretische<br />
Neurobiologie und Systemneurobiologie kombiniert, um neuronale<br />
Informationsverarbeitung im Zusammenhang mit Wahrnehmungsprozessen<br />
zu untersuchen. An dem ebenfalls von der DFG<br />
bewilligten Kolleg „Serviceorientierte Architekturen zur Integration<br />
softwaregestützter Prozesse am Beispiel des Gesundheitswesens<br />
und der Medizintechnik“ ist die TU <strong>Berlin</strong> beteiligt. sn<br />
Foto: TU-Pressestelle/Dahl
Wissenschaft und Forschung<br />
Lord stern erhält die ehrendoktorwürde<br />
Für seine wegweisenden<br />
Forschungen auf dem<br />
Gebiet des Klimawandels<br />
ist Professor Lord<br />
Nicholas Stern die Ehrendoktorwürde<br />
der TU<br />
<strong>Berlin</strong> verliehen worden.<br />
Der renommierte<br />
Ökonom der London<br />
School of Economics<br />
nahm die Auszeichnung<br />
am 4. November 2009<br />
von TU-Präsident Prof.<br />
Dr. Kurt Kutzler und<br />
Prof. Dr. Rudolf Schäfer,<br />
Dekan der Fakultät<br />
VI Planen Bauen Umwelt,<br />
entgegen. Es sei<br />
das Verdienst von Lord<br />
Stern, sagte Prof. Dr.<br />
Kurt Kutzler anlässlich<br />
der Verleihung, das Thema Ökonomie des Klimawandels<br />
auf der Agenda der internationalen Diskussion platziert zu<br />
haben. Auch seien seine Arbeiten eine wesentliche Grundlage<br />
dafür gewesen, dass an der TU <strong>Berlin</strong> die Michael-Otto-Professur<br />
„Ökonomie des Klimawandels“ eingerichtet<br />
wurde, die mit ihrem Profil bislang weltweit einmalig sei.<br />
Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, der die Professur innehat, hielt<br />
die Laudatio auf Lord Stern. Die Ehrung erfolgte im Rah-<br />
Neue stiftungsprofessur<br />
„Analytische röntgenphysik“<br />
Die Physikerin Prof. Dr. Birgit Kanngießer ist auf die neue Stiftungsprofessur<br />
„Analytische Röntgenphysik“ berufen worden.<br />
Die Professur wurde von 13 in- und ausländischen Unternehmen,<br />
der TSB Technologiestiftung <strong>Berlin</strong> und der TU <strong>Berlin</strong> initiiert<br />
und ist am Institut für Optik und Atomare Physik angesiedelt.<br />
Die Stiftung ist mit 650 000 Euro ausgestattet. Von 2009 bis<br />
2011 wird die Professur über den Masterplan „Wissen schafft<br />
Zukunft“ des <strong>Berlin</strong>er Senats finanziert. Die TSB Technologiestiftung<br />
<strong>Berlin</strong> wird sich von 2012 bis 2016 mit einer Zuwendung<br />
engagieren. Ab 2017 soll dann die Stiftungsprofessur in<br />
eine Regelprofessur umgewandelt werden. Das Neue an dieser<br />
Stiftungsprofessur ist, dass nicht nur ein Großunternehmen als<br />
Stifter fungiert, sondern sich 13 Firmen, unter denen auch kleine<br />
und mittelständische regionale Unternehmen sind, zusammenschlossen<br />
und eine gemeinnützige Stiftung gründeten. Birgit<br />
Kanngießer studierte Physik, Astronomie und Philosophie<br />
in Bonn und ist Inhaberin des renommierten Röntgenpreises der<br />
Justus-Liebig-<strong>Universität</strong> Gießen. sn<br />
Foto: london school of economics<br />
men der 1. Climate Lecture,<br />
die Lord Stern mit seinem<br />
Vortrag „The Economics of<br />
Climate Change“ eröffnete.<br />
Die Climate Lecture ist eine<br />
neue Vorlesungsreihe zum<br />
Thema Klimawandel, die<br />
die TU <strong>Berlin</strong>, das Potsdam-<br />
Institut für Klimafolgenforschung<br />
und Vattenfall zusammen<br />
ins Leben gerufen<br />
haben. Stern hatte 2006 als<br />
Berater der britischen Regierung<br />
den sogenannten<br />
„Stern-Report“ vorgelegt<br />
und darin aufgezeigt, dass<br />
Klimaschutz ökonomisch<br />
sinnvoll und finanzierbar<br />
ist. In dem Report führte er<br />
den Nachweis, dass die Kosten<br />
für frühzeitig getroffene<br />
Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen geringer seien<br />
als die Kosten der Umweltschäden, die durch Nichthandeln<br />
entstünden. sn<br />
Die Pressestelle der TU <strong>Berlin</strong> hat im internet die 1. Climate<br />
lecture dokumentiert und Materialien, reden sowie Filme<br />
zum Download bereitgestellt.<br />
www.tu-berlin.de/?id=70989<br />
spitzenpreis für<br />
spitzenforscherinnen<br />
Gleich drei Professuren aus dem Professorinnen-Programm von<br />
Bund und Ländern wurden im Februar an die TU <strong>Berlin</strong> vergeben.<br />
Es war die höchstmögliche Anzahl, die eine <strong>Universität</strong> erhalten<br />
konnte. Damit gehört die TU <strong>Berlin</strong> bundesweit zu den<br />
erfolgreichsten Hochschulen, die sich in diesem Programm beworben<br />
haben. Die Professuren gingen an die Mathematikerin<br />
Olga Holtz, die Physikerin Sabine Klapp und die Kunsthistorikerin<br />
Bénédicte Savoy.<br />
Das Professorinnen-Programm, das innerhalb von fünf Jahren<br />
200 neue Stellen für Professorinnen schaffen soll, will hoch<br />
qualifizierte und talentierte Wissenschaftlerinnen in Spitzenpositionen<br />
in Wissenschaft und Forschung bringen. Auch soll die<br />
Anzahl der Professorinnen an deutschen Hochschulen deutlich<br />
erhöht werden. Finanziert wird das Professorinnen-Programm<br />
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis 2011<br />
mit 75 Millionen Euro. Die Länder beteiligen sich anteilig an<br />
dem 150-Millionen-Euro-Programm. An der TU <strong>Berlin</strong> forschen<br />
und lehren derzeit 267 Professoren und 47 Professorinnen. sn<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 5<br />
NeUes aUs Der TU BerliN
NeUes aUs Der TU BerliN<br />
Wissenschaft und Forschung<br />
elektronenmikroskop zieht in ein hochmodernes Gebäude<br />
19 stockwerke<br />
für die Forschung<br />
Direkt an der Straße des 17. Juni, zwischen dem Mathematik-<br />
und dem Architekturgebäude, plant die TU <strong>Berlin</strong> ein neues<br />
Forschungszentrum für Maschinenbau und Informatik. Dafür<br />
schrieb die <strong>Berlin</strong>er Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen<br />
Architekturwettbewerb aus. Die Pläne der schulz & schulz<br />
Architekten gmbH aus Leipzig, die einen 19-stöckigen Neubau<br />
entwarf und den Wettbewerb gewonnen hat, wurden zur weiteren<br />
Ausarbeitung und Realisierung empfohlen. Ziel des Wettbewerbs<br />
war es, einen gestalterisch anspruchsvollen Entwurf für<br />
diesen städtebaulich wichtigen Ort zu erhalten. sn<br />
6 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />
Die TU <strong>Berlin</strong> baut eigens für die Anschaffung eines hochmodernen Transmissionselektronenmikroskops<br />
ein neues Gebäude. Das neue Elektronenmikroskopie-<br />
Gebäude wird höchsten technischen Standards genügen, die für die Installation eines<br />
hochsensiblen wissenschaftlichen Instrumentes wie eines Transmissionselektronenmikroskops<br />
erforderlich sind. Verantwortlich für den Bau ist das Gebäude- und<br />
Dienstemanagement der TU <strong>Berlin</strong> unter Leitung von Hans Joachim Rieseberg. Das<br />
Richtfest fand am 17. November 2009 auf dem Campus der TU <strong>Berlin</strong> statt. 3,5 Millionen<br />
Euro investiert die <strong>Universität</strong> in den Bau. Die Konzeption der Haustechnik<br />
ermöglicht es, dass die Temperatur in den Mikroskopräumen innerhalb einer halben<br />
Stunde nur um 0,1 Grad Celsius schwankt. Um mechanische Vibrationen zu minimieren,<br />
wurde der Boden mittels 122 bis zu zehn Meter tiefen Pfählen verfestigt. Im<br />
späten Frühjahr nächsten Jahres soll das Gebäude eingeweiht werden. sn<br />
Neuer sonderforschungsbereich und hochdotierte<br />
eU-Forschungspreise<br />
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einen<br />
neuen Sonderforschungsbereich/Transregio zur Optimierung<br />
von chemischen Prozessketten unter Federführung<br />
der TU <strong>Berlin</strong> bewilligt. Das Vorhaben „Integrierte chemische<br />
Prozesse in flüssigen Mehrphasensystemen“ von <strong>Berlin</strong>er,<br />
Dortmunder und Magdeburger Forscherinnen und<br />
Forschern wird mit acht Millionen Euro für vier Jahre gefördert.<br />
Sprecher ist Prof. Dr.-Ing. Matthias Kraume vom<br />
Institut für Prozess- und Verfahrenstechnik. Außerdem ist<br />
die TU <strong>Berlin</strong> an einem weiteren neu bewilligten Sonderforschungsbereich<br />
beteiligt.<br />
Erfolgreich war die TU <strong>Berlin</strong> auch bei der Verleihung<br />
der „ERC Advanced Grant 2009“ durch den Europäischen<br />
Forschungsrat. Gleich zwei der hochdotierten und renommierten<br />
Preise gingen in diesem Jahr an Wissenschaftler<br />
der TU <strong>Berlin</strong>. Professor Christian Oliver Paschereit, Leiter<br />
des Fachgebietes Experimentelle Strömungsmechanik,<br />
erhielt mehr als 3,1 Millionen Euro. Paschereit will eine in-<br />
novative Verbrennungstechnologie entwickeln, die auf der<br />
Eindüsung großer Mengen von Wasserdampf basiert. Damit<br />
soll die Effizienz von Gasturbinen um bis zu 15 Prozent<br />
erhöht werden. Der Mathematik-Professor Günter M. Ziegler<br />
bekam 1,85 Millionen Euro für sein Forschungsprojekt<br />
zu den Phänomenen der „Diskretisierung“. Dahinter verbirgt<br />
sich die Modellierung von kontinuierlichen Prozessen<br />
und Strukturen mit mathematischen Methoden, damit sie<br />
der Analyse und Berechnung im Computer zugänglich gemacht<br />
werden können.<br />
Mit drei Millionen Euro werden die Forschungen zu<br />
„Multi-Organ-Bioreaktoren im Chipformat“ von Prof. Dr.<br />
Roland Lauster, Leiter des Fachgebietes Medizinische Biotechnologie,<br />
finanziert. Das Forschungsvorhaben gehört zu<br />
jenen sechs Projekten, die in der dritten Runde des GO-Bio-<br />
Wettbewerbs (Gründungsoffensive Biotechnologie) für eine<br />
Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung ausgewählt wurden. sn<br />
ein experimentalhaus<br />
für die Lehre<br />
Am 30. September 2009 erfolgte der Spatenstich für das Experimentalhaus,<br />
das die TU <strong>Berlin</strong> mit 300 000 Euro finanziert. Das<br />
Haus soll demonstrieren, wie sich zeitgemäße und funktionale<br />
Architektur mit dem neuesten Stand der Gebäude- und Klimatechnik<br />
verbinden lässt. Es ist das Ergebnis einer Kooperation<br />
verschiedenster TU-Fachgebiete und wird einer hochqualitativen<br />
Lehre im Bereich regenerativer Energietechniken zugutekommen.<br />
Entworfen hat das 130 Quadratmeter große Gebäude<br />
aus Glas und Holz in Form eines „C“ die TU-Architekturstudentin<br />
Gertraud Zwiens. sn<br />
Foto: Nöfer Gesellschaft von architekten mbH
<strong>Universität</strong> und Gesellschaft<br />
Die TU <strong>Berlin</strong> als Integrationspunkt für einen starken<br />
Wissenschaftsstandort in <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />
Die TU <strong>Berlin</strong> und die <strong>Universität</strong> der Künste mit ihren rund<br />
32 000 Studierenden sowie mehreren Tausend Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftlern in technischen und künstlerischen<br />
Disziplinen sind ein Beleg dafür, dass der Wissenschaftsstandort<br />
<strong>Berlin</strong>-Charlottenburg schon heute ein Leuchtturm ist. Diese<br />
Rahmenbedingungen sind ideal für die weitere Ansiedlung<br />
renommierter außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, innovativer<br />
Start-ups und kleiner Firmen ebenso wie forschungsintensiver<br />
Unternehmen aus verschiedenen Technologiefeldern<br />
und einer internationalen Kunst- und Kulturszene. Wichtige Verbände<br />
und Institutionen wie die VDI/VDE Innovation + Technik<br />
GmbH, die Technologiestiftung <strong>Berlin</strong> oder die Industrie- und<br />
Handelskammer <strong>Berlin</strong> haben bereits ihren Sitz in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft. In diesem pulsierenden Netzwerk spielt die TU<br />
<strong>Berlin</strong> mit ihren innovativen Kooperationsformen und Vernetzungsstrategien<br />
eine bedeutende Rolle. Sie soll verstärkt werden<br />
mit dem Projekt „Nachhaltige Vitalisierung des kreativen Quartiers<br />
um den Campus <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg“, kurz „Navi“. Es<br />
ist eine Initiative des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, der<br />
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung <strong>Berlin</strong> zusammen mit<br />
der Adlershof Projekt GmbH, der TU <strong>Berlin</strong> und der <strong>Universität</strong><br />
der Künste <strong>Berlin</strong> mit dem Ziel, die Internationalität und die<br />
Lebensqualität des Bezirks mit wirtschaftlicher Innovationskraft<br />
und kreativer Experimentierfreude zu kombinieren.<br />
So kann die TU <strong>Berlin</strong> mit ihren wissenschaftlichen Potenzialen<br />
in den Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
und im Engineering einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung liefern.<br />
Mit ihrem Fächerspektrum schlägt sie Brücken zwischen<br />
Grundlagenforschung wie der Nanophotonik und der Optoelektronik<br />
bis hin zu den Endtechnologien der Informationstechnik.<br />
Eine hohe Start-up-Quote bezeugt zudem die Innovationsfähigkeit.<br />
Der TU <strong>Berlin</strong> sind über 900 Gründerinnen und Gründer<br />
Foto: TU-Pressestelle<br />
bekannt, 25 Prozent im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien.<br />
Bilaterale Partnerschaften mit führenden<br />
Weltunternehmen wie beispielsweise mit der Telekom AG oder<br />
der Daimler AG münden in exzellente Forschungs- und Entwicklungsleistungen,<br />
die am Standort entstehen.<br />
Herausragendes Beispiel für neue Kooperationsformen ist<br />
das European Center for Information and Communication Technologies.<br />
Es vernetzt die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten<br />
der TU <strong>Berlin</strong> mit der Fraunhofer-Gesellschaft, der Deutschen<br />
Telekom AG, der Daimler AG und der Opera Software AG.<br />
Die Zusammenarbeit, der direkte Austausch und die Anbindung<br />
weiterer ansässiger Forschungseinrichtungen decken in idealer<br />
Weise die Wertschöpfungskette im Innovationszyklus ab.<br />
Auch die Fraunhofer-Gesellschaft als führende Organisation<br />
für anwendungsorientierte Forschung in Europa ist in Charlottenburg<br />
vertreten. Allein vier Institute haben sich in der Nähe der TU<br />
<strong>Berlin</strong> angesiedelt. Sie bilden mit ihrer wissenschaftlichen Ausrichtung<br />
die ideale Ergänzung zur <strong>Universität</strong>, und sie sind eng<br />
über Professuren und Projekte mit ihr verbunden. So werden neuartige<br />
Materialien, Produkte und innovative Anwendungen entwickelt,<br />
die durch die Interdisziplinarität der Forschung schnell<br />
Marktreife erlangen. Eindrucksvolles Beispiel für eine gelungene<br />
Vernetzung der TU <strong>Berlin</strong> mit der Industrie ist die Gründung<br />
der „Deutsche Telekom Laboratories“. Im April 2004 wurden ihre<br />
Forschungslabore auf dem TU-Campus eröffnet. Inzwischen befindet<br />
sich am Ernst-Reuter-Platz die zentrale Forschungs- und<br />
Entwicklungseinheit des Unternehmens. Damit bündelt die Deutsche<br />
Telekom AG ihr Know-how in einem innovativen Umfeld.<br />
Weitere Informationen finden Sie im Internet<br />
www.navi-bc.de<br />
DANIeLA LANGe<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 7<br />
NeUes aUs Der TU BerliN<br />
Blick auf den Campus<br />
der TU <strong>Berlin</strong> am<br />
ernst-reuter-Platz
TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />
Zivile sicherheitsforschung an der TU <strong>Berlin</strong><br />
sicherheit in Warenketten, biometrische erkennungssysteme<br />
oder Vertrauenswürdigkeit in iT-gestützten Medizinsystemen<br />
sind drei aktuelle Themen aus der sicherheitsforschung<br />
an der TU <strong>Berlin</strong>. Mehr als 40 relevante Fachgebiete<br />
an 18 TU-instituten befassen sich derzeit mit solchen<br />
und ähnlichen Forschungsinhalten. Daraus soll ein starkes<br />
Kompetenzfeld entstehen, das seinen Fokus ausschließlich<br />
auf zivile sicherheitsforschung legt.<br />
Mobil zu<br />
telefonieren kann<br />
gefährlich sein …<br />
… im Internet zu surfen auch. Jean-Pierre seifert<br />
erforscht, wie man Angriffe in der digitalen Welt abwehrt<br />
Wenn Forscher etwas Wichtiges entdecken, dann veröffentlichen<br />
sie das meist so schnell wie möglich. Denn wer eine bahnbrechende<br />
Erkenntnis als Erster publik macht, hängt die Konkurrenz<br />
ab und beweist sich als guter Wissenschaftler. Insofern<br />
ist Jean-Pierre Seifert ein ungewöhnlicher Forscher. Gerade die<br />
aufregendsten Entdeckungen, die er macht, hält er am längsten<br />
unter Verschluss. „Meine Mitarbeiter und ich veröffentlichen<br />
unsere Forschungsergebnisse häufig erst dann, wenn sie schon<br />
nicht mehr aktuell sind“, sagt er.<br />
Seifert leitet an der TU <strong>Berlin</strong> das Fachgebiet „Security in Telecommunications“<br />
(Sicherheit in der Datenfernübertragung).<br />
Das gleiche Fachgebiet leitet er auch an den Deutsche Telekom<br />
Laboratories, dem Forschungsinstitut der Deutschen Telekom<br />
an der TU <strong>Berlin</strong>. Jean-Pierre Seifert und seine Mitarbeiter erkunden,<br />
wie man die digitale Welt noch sicherer machen kann.<br />
Sie wollen verhindern, dass Datendiebe über das Internet auf<br />
fremde Computer zugreifen, dass Kriminelle das Mobilfunknetz<br />
missbrauchen oder dass Unterhaltungselektronik von Betrügern<br />
manipuliert wird. „Wir suchen nach Sicherheitslücken<br />
in elektronischen Geräten“, beschreibt Seifert, „und arbeiten gemeinsam<br />
mit den Herstellern daran, diese Lücken zu schließen.“<br />
Das ist der Grund, warum sein Team so vorsichtig ist, wenn es<br />
um die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen geht. Finden<br />
die Wissenschaftler eine Sicherheitslücke, dann machen sie<br />
das erst öffentlich, nachdem das Leck gestopft ist. Kriminelle<br />
haben dann keine Chance mehr, die Schwachstelle auszunutzen.<br />
Im vergangenen Sommer hat Seiferts Team in der Fachwelt<br />
für Aufsehen gesorgt. Collin Mulliner und Charlie Miller wiesen<br />
nach, dass man Kurznachrichten (SMS) dazu missbrauchen<br />
kann, Mobiltelefone zu sabotieren. Die beiden Forscher versendeten<br />
spezielle SMS, die im Empfängertelefon das Betriebssys-<br />
8 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />
Neben der Vernetzung in der TU <strong>Berlin</strong> wird auch die Kooperation<br />
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft noch weiter<br />
ausgebaut.<br />
Derzeitige Partner sind unter anderem die Fraunhofer Gesellschaft,<br />
die Bundesdruckerei, das Deutsche Zentrum für<br />
luft- und raumfahrt und Unternehmen aus der automobilbranche.<br />
angedacht sind auch neue Graduierten- und studienmöglichkeiten.<br />
stt<br />
tem veränderten. Das bewirkte einen Ausfall sämtlicher Funktionen<br />
des Geräts, einen „denial-of-service“. Die betroffenen<br />
Telefone konnten nicht mehr benutzt werden. Mehr noch: Mit<br />
Hilfe der schädlichen SMS gelang es Mulliner und Miller, fremde<br />
Software auf die Telefone aufzuspielen und diese Software<br />
per Fernsteuerung auszuführen. „Dadurch können Angreifer<br />
ein Mobiltelefon aus der Ferne übernehmen, ohne dass der Besitzer<br />
des Geräts etwas dagegen machen kann“, erläutert Seifert,<br />
„sie können das infizierte Telefon zum Beispiel dazu bringen,<br />
eine 0190-Nummer anzurufen.“<br />
Mulliner und Miller nutzten eine Sicherheitslücke im Betriebssystem<br />
der Telefone aus. Die Schwachstelle existierte bei<br />
Geräten, die massenhaft in Gebrauch sind: iPhones sowie Telefone<br />
mit den Betriebssystemen „Windows Mobile“ oder „Android“.<br />
Selbstverständlich experimentierten die beiden Forscher<br />
unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Sie testeten ihre Angriffe<br />
an eigenen Geräten, die sie vom Mobilfunknetz trennten.<br />
Dadurch bestand nicht die Gefahr, dass sich die schädlichen<br />
SMS unkontrolliert verbreiten.<br />
Die Hersteller der betroffenen Produkte haben umgehend<br />
auf die Experimente reagiert. Apple, Google und die Firma HTC<br />
brachten innerhalb weniger Wochen neue Software-Aktualisierungen<br />
heraus, um die Sicherheitslücken zu schließen. „Das war<br />
für uns natürlich eine große Anerkennung unserer Forschungsarbeit“,<br />
freut sich Seifert.<br />
Ein weiteres Thema, das er und sein Team bearbeiten, ist die<br />
Sicherheit von Basisstationen für den Mobilfunk. Eine Basisstation<br />
dient als „Ansprechpartner“ für die Mobiltelefone in der<br />
Umgebung. Sie stellt eine Verbindung zu diesen Telefonen her,<br />
nimmt deren Gespräche entgegen und leitet sie weiter, und sie<br />
sorgt für einen guten Funkempfang. „Seit Kurzem gibt es Basisstationen<br />
am Markt zu kaufen, und das ist ein großes Sicherheitsrisiko“,<br />
warnt Seifert. Gelänge es Kriminellen, eine solche<br />
Station in Betrieb zu nehmen, dann würden sich alle Mobiltelefone<br />
aus dem Umkreis selbstständig bei dieser Station anmelden.<br />
Die Kriminellen können dann die eingehenden Gespräche<br />
abhören, illegale Produktwerbung vertreiben oder den Mobilfunk<br />
in der Umgebung ganz lahmlegen. „Jede Minute, in der<br />
das Netz nicht funktioniert, ist eine Katastrophe“, erläutert Seifert,<br />
„die Notrufe funktionieren nicht mehr, der Netzbetreiber<br />
verliert Einnahmen, und Angreifer können schädliche Software<br />
auf die betroffenen Telefone aufspielen.“<br />
Der normale Nutzer merkt es nicht, wenn nebenan eine illegale<br />
Basisstation eingeschaltet wird. Auch der Netzbetreiber<br />
bekommt davon zunächst nichts mit. Das macht die Sache<br />
so gefährlich. Zurzeit gibt es keine Möglichkeit, sich davor zu
Jean-Pierre seifert sucht nach lecks in der<br />
Datenübertragung<br />
schützen. Deshalb bauen Seifert und seine Mitarbeiter ein<br />
Labor auf, in dem sie den Missbrauch von Basisstationen<br />
untersuchen wollen – und wie man ihn<br />
verhindern kann. Das Labor mit der Bezeichnung<br />
„Base Station Lab“ ist drei mal drei Meter<br />
groß und vom Mobilfunknetz komplett abgeschirmt.<br />
Die Forscher werden darin zahlrei-<br />
Mit diesen verschiedenen<br />
smart-Phones führt das<br />
Team von Jean-Pierre seifert<br />
Versuche zur sicherheit im<br />
Mobilfunk durch<br />
Fotos: TU-Pressestelle/Dahl<br />
TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />
che Basisstationen und Telefone testen. So schnell wie möglich<br />
sollen die Ergebnisse zu mehr Sicherheit im Mobilfunk führen.<br />
„Moderne elektronische Geräte bergen viele Risiken, von<br />
denen die Benutzer nichts wissen“, mahnt Seifert. Ein Beispiel<br />
hierfür seien WLAN-Router – Geräte, die eine drahtlose Verbindung<br />
zum Internet herstellen. WLAN-Router haben ein Benutzermenü,<br />
das sich über den Internetbrowser aufrufen lässt.<br />
In dem Menü kann man die Einstellungen des Routers ändern.<br />
Viele Nutzer wissen nicht, dass sie das Menü mit einem Passwort<br />
schützen können. Infolgedessen ändern sie das voreingestellte<br />
Passwort nicht oder richten erst gar kein Passwort ein.<br />
Das macht es Betrügern leicht, von außen auf den Router zuzugreifen.<br />
„Der Angreifer kann dann mit Ihrem Router alles Mögliche<br />
anstellen wie zum Beispiel massenhaft Spam-E-Mails verschicken“,<br />
warnt Seifert. „Diese Dinge geschehen dann in Ihrem<br />
Namen, denn Sie sind für Ihren Router verantwortlich.“<br />
Um sich gegen solche Angriffe zu wehren, sollten Besitzer von<br />
WLAN-Routern die Einstellungen ihres Geräts unbedingt mit<br />
einem eigenen Passwort schützen.<br />
Als Wissenschaftler will Seifert künftig vor allem die Grundlagenforschung<br />
vorantreiben. Eine große Herausforderung sieht<br />
er darin, zu ergründen, was an Sicherheit überhaupt erreichbar<br />
ist angesichts immer neuer Bedrohungen in der digitalen Welt.<br />
„Bei dem Stellenwert, den heute das Thema Sicherheit in der Telekommunikation<br />
einnimmt, möchte ich dieses Forschungsgebiet<br />
als ein Grundlagenfach in der Informatik etablieren“, umreißt<br />
er sein langfristiges Ziel. FrANK sCHUBerT<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 9
TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />
Bin ich wirklich ich?<br />
Wissenschaftler entwickeln Methoden, um Menschen und Dinge<br />
sicher zu identifizieren<br />
Wir leben im Zeitalter der Passwörter: Bürocomputer, EC-<br />
Karte, Online-Banking, E-Mail-Konten, Internetforen, Online-<br />
Shopping – sie alle verlangen vom Nutzer, dass er sich mit einem<br />
Kennwort ausweist. Da kommen schnell einige Dutzend<br />
Zeichenfolgen zusammen, die man sich merken muss – aber oft<br />
genug vergisst. Und der Effekt, den die neuen Informationstechnologien<br />
eigentlich haben sollen, nämlich den Alltag zu vereinfachen,<br />
verkehrt sich ins Gegenteil.<br />
Hinter dem Ärger mit den Passwörtern steht ein grundsätzliches<br />
Problem: Wie weise ich in der digital vernetzten Welt<br />
nach, dass ich wirklich ich bin? Kommt diese E-Mail wirklich<br />
von dem Absender, der in der Signatur steht? Ist jener Internetnutzer<br />
wirklich der, für den er sich ausgibt? Jörg Krüger forscht<br />
an solchen Fragen. Er leitet das Fachgebiet Industrielle Automatisierungstechnik<br />
an der TU <strong>Berlin</strong>. Zugleich ist er Geschäfts-<br />
führer des Fraunhofer-Innovationsclusters „Sichere Identität“.<br />
An dem Cluster beteiligen sich fünf Fraunhofer-Institute, fünf<br />
Hochschulen (darunter die TU <strong>Berlin</strong>) und zwölf Wirtschaftsunternehmen.<br />
Finanziert wird das Projekt zunächst über drei<br />
Jahre mit zehn Millionen Euro.<br />
„Wir arbeiten an zwei großen Aufgaben: den Personalausweisen<br />
der Zukunft und dem sicheren Nachweis von Identitäten<br />
in der künftigen Kommunikation“, erklärt Krüger. Die Forscher<br />
im Innovationscluster haben unter anderem eine fälschungssichere<br />
Chipkarte mit farbigen Passfotos entwickelt. „Die elektronischen<br />
Schaltungen in der Karte basieren auf Kunststoff, daher<br />
hat ein Betrüger keine Möglichkeit, sie von außen nachzuvollziehen“,<br />
erklärt Krüger, „es ist fast unmöglich, den Chip aus<br />
der Karte zu lösen und zwecks Fälschung in eine andere Karte<br />
einzusetzen.“ Eine weitere Entwicklung, die Chipkarten sicherer<br />
machen soll, sind kleine Bildschirme auf den Karten. Die Wis-<br />
senschaftler arbeiten an biegsamen Monitoren in Briefmarkengröße,<br />
die aus organischen Leuchtdioden bestehen, dünn wie<br />
eine Folie sind und sich auf die Chipkarten kleben lassen. „So<br />
ein Bildschirm kann auf dem Personalausweis das Gesicht des<br />
Besitzers zeigen, und zwar nicht nur von vorn wie beim Passbild,<br />
sondern aus allen möglichen Richtungen“, erläutert Krüger.<br />
Der Besitzer könne sich auf dem Bildschirm auch anzeigen<br />
lassen, welche Informationen auf der Karte gespeichert sind,<br />
um so mehr Kontrolle über die Verbreitung seiner persönlichen<br />
Daten zu bekommen.<br />
„Es gibt bereits erste Chipkarten-Prototypen mit eingebauten<br />
Displays“, sagt Krüger, „aber wir müssen sie robuster machen,<br />
damit sie es zum Beispiel überstehen, wenn sie mal versehentlich<br />
in die Waschmaschine geraten.“ Mit fälschungssicheren<br />
Chipkarten ist es auch denkbar, dass man sich irgendwann<br />
keine Passwörter mehr merken muss: Man weist sich dann am<br />
PC nur noch mit seiner Karte aus. Aber nicht nur für Menschen<br />
ist eine sichere Identität wichtig, auch für Erzeugnisse.<br />
Produktpiraterie verursacht in Deutschland einen immensen<br />
wirtschaftlichen Schaden. Deshalb wird es immer wichtiger,<br />
Produkte zuverlässig zu erkennen und in Warenketten vollständig<br />
zu verfolgen. Oft gefälscht würden Auto-Ersatzteile,<br />
Markenkleidung, Schreibgeräte, Parfüms, Arzneimittel oder<br />
teure Werkzeuge. Krüger und seine Kollegen arbeiten deshalb<br />
an einem mobilen System, das gefälschte Produkte automatisch<br />
erkennt, etwa bei Zollkontrollen. Eine Kamera nimmt Bilder<br />
des Objekts auf, die im Computer ausgewertet werden.<br />
Bei Abweichungen vom Originalprodukt schlägt das System<br />
Alarm. „Eine ähnliche Technik wird bereits erfolgreich eingesetzt,<br />
um gefälschte Gemälde aufzuspüren“, sagt Krüger.<br />
FrANK sCHUBerT<br />
10 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: TU-Pressestelle/Dahl
Is am quo in net quisitas<br />
atectem?<br />
Cae venderitat officiis ipidUptiatemqui sum autatem non pa con renis dolorporepro<br />
conecati omnistem qui ut assi comnim qui cum<br />
Das<br />
elektronische<br />
Kennzeichen<br />
Lästige Behördengänge werden<br />
irgendwann Vergangenheit sein.<br />
Dafür forscht Ilja radusch an der<br />
sicherheit der digitalen Kommunikation<br />
Vor zwei Jahren hat Ilja Radusch einen Gebrauchtwagen auf<br />
seinen Namen umgemeldet. „Ich hatte Glück, denn ich musste<br />
nicht lange warten“, erinnert sich der 33-jährige promovierte<br />
Informatiker. Dennoch dauerte es drei Stunden, bis in der Behörde<br />
alle Formulare abgegeben und die Nummernschilder besorgt<br />
waren. Dazu kam noch die Fahrzeit von seiner Wohnung<br />
in <strong>Berlin</strong>-<strong>Mitte</strong> zur Kfz-Zulassungsstelle in Kreuzberg und zurück,<br />
sodass er insgesamt vier Stunden mit dem Behördengang<br />
beschäftigt war.<br />
„So ein Prozedere kann in Zukunft in zehn Minuten vom<br />
heimischen Schreibtisch aus erledigt werden“, sagt Ilja Radusch,<br />
der als Informatiker genau an diesem Thema am Fachgebiet<br />
für Offene Kommunikationssysteme der <strong>Technische</strong>n<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong> und am Fraunhofer-Institut FOKUS forscht.<br />
Er entwirft auch gleich ein Szenario, wie eine Kfz-Anmeldung<br />
im Jahr 2020 ablaufen könnte: Herr Mustermann hat einen Gebrauchtwagen<br />
gekauft. Nun will er das Auto auf seinen Namen<br />
anmelden und setzt sich dafür an seinen Computer. Auf der Internetseite<br />
der Zulassungsstelle wird er zunächst gebeten, sich<br />
zu identifizieren. Dafür schiebt Herr Mustermann seinen elektronischen<br />
Personalausweis in ein Lesegerät an seinem Rechner.<br />
Foto: GDV<br />
TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />
Als Nächstes muss er den elektronischen Fahrzeugschein einlesen<br />
und die dazugehörende PIN eintippen. Beides hat er beim<br />
Autokauf vom Verkäufer übergeben bekommen. Wenige Minuten<br />
später erhält Herr Mustermann eine verschlüsselte E-Mail<br />
von der Kfz-Zulassungsstelle, in der steht, dass der Wagen nun<br />
auf seinen Namen angemeldet ist. Außerdem wird ihm das neue<br />
Auto-Kennzeichen mitgeteilt. Neugierig geht Herr Mustermann<br />
zu seinem Auto, und tatsächlich: Das neue Kennzeichen ist bereits<br />
von der Behörde per Funk auf seinen Wagen übertragen<br />
worden und wird von außen gut sichtbar vom elektronischen<br />
Nummernschild angezeigt.<br />
Bis dieses Szenario wahr wird, muss noch viel geforscht<br />
werden. Der elektronische Personalausweis (von Informatikern<br />
„ePA“ abgekürzt) ist schon marktreif, er wird bereits Anfang<br />
2010 eingeführt. Elektronischer Fahrzeugschein und elektronisches<br />
Nummernschild müssen erst noch entwickelt werden.<br />
Für seine Vision der Online-Kfz-Zulassung muss Ilja Radusch<br />
zwei Forschungsfelder zusammenbringen, die derzeit viele<br />
Informatiker faszinieren und beschäftigen. Das ist zum einen<br />
das sogenannte E-Government. Hinter diesem Begriff verbirgt<br />
sich die Idee, dass alle Behörden in Zukunft mit den Bürgern<br />
hauptsächlich digital kommunizieren und auch die Ämter untereinander<br />
ihre Daten elektronisch austauschen. Im Kleinen gibt<br />
es bereits zahlreiche E-Government-Projekte. So müssen Steuererklärungen<br />
seit einigen Jahren mit dem Elster-Programm online<br />
zum Finanzamt übertragen werden. Doch bisher gibt es noch<br />
keinen Standard, mit dem alle Behörden arbeiten und ihre Daten<br />
austauschen können. Daran forscht eine Nachbarabteilung im<br />
Fraunhofer-Institut, mit der Ilja Radusch eng zusammenarbeitet.<br />
Das zweite Forschungsfeld, das bei der Online-Kfz-Zulassung<br />
eine wichtige Rolle spielt, ist die Car-to-X-Technologie.<br />
Mit diesem Begriff fassen Informatiker alle Verfahren zusammen,<br />
bei denen ein Auto mit seiner Umgebung kommuniziert.<br />
Ilja Radusch ist überzeugt, dass die Car-to-X-Kommunikation<br />
das Autofahren revolutionieren wird. „Das ist derzeit wie das<br />
Internet vor 40 Jahren, bei dem man damals auch noch nicht absehen<br />
konnte, was es heute alles für Anwendungen geben wird.“<br />
Die Vision der Car-to-X-Forscher ist es, dass in gar nicht mehr<br />
so ferner Zukunft ein Auto nicht nur seinen eigenen Radar nutzt,<br />
um seine Umgebung zu erkunden, sondern auch vom Auto, das<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 11
TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />
Julia Ullrich und ilja<br />
radusch programmieren<br />
die „On Board<br />
Units“ für die Kommunikation<br />
zwischen verschiedenen<br />
Fahrzeugen<br />
zehn Kilometer vornweg fährt, gewarnt wird, dass Gegenstände<br />
auf der Straße liegen. Da alle Fahrzeuge ihren Ort und ihre Geschwindigkeit<br />
an die Umgebung mitteilen, wissen die Verkehrsleitstellen<br />
von jedem Stau, sobald er sich bildet. Die Ampel teilt<br />
dem Auto mit, dass sie in zehn Sekunden auf Rot schaltet, und<br />
das Verkehrschild funkt an den Tachodisplay, dass nur 30 Stundenkilometer<br />
erlaubt sind. Auf diese Weise soll es – so hoffen<br />
die Forscher – eines Tages möglich sein, dass keine tödlichen<br />
Verkehrsunfälle mehr entstehen.<br />
Damit in Zukunft eine Zulassungsstelle bei der Online-Kfz-<br />
Anmeldung das Kennzeichen per Funk zum Auto übertragen<br />
kann, ist auch die Car-to-X-Technologie nötig. Mit dem elektro-<br />
nischen Kennzeichen weist die Behörde dem Wagen eine sichere<br />
Identität zu. Und mit dieser Identität können dann alle Car-to-<br />
X-Anwendungen genutzt werden. Hier zeigt sich aber ein großes<br />
Problem der neuen Technik: Auf der einen Seite muss jedes<br />
Auto und jede Ampel exakt identifizierbar sein, damit das System<br />
fälschungssicher ist. Ilja Radusch macht das Problem an einem<br />
Beispiel deutlich: „Ein Lausbub könnte mit falschen Daten<br />
ein System ohne sichere Identitäten überlisten und damit erreichen,<br />
dass ein Stau auf der Autobahn signalisiert wird, und alle<br />
Fahrzeuge damit auf eine Umgehungsstraße lenken.“ Deshalb<br />
muss sichergestellt sein, dass alle Auto-Identitäten tatsächlich<br />
existieren und auch fälschungssicher geortet werden können.<br />
Kommunikationsszenarien der Zukunft<br />
Das hier beschriebene Projekt und andere anwendungen<br />
werden von den TU-Fachgebieten Offene Kommunikationssysteme,<br />
architekturen der Vermittlungsknoten<br />
und entwurf und Testen von Telekommunikationssystemen<br />
innerhalb des Forschungsvorhabens „sichere identitäten<br />
für Kommunikationsszenarien der Zukunft“ (si-KUZ)<br />
Doch wenn alle Fahrzeuge geortet werden können, dann wäre es<br />
für Behörden ein Leichtes, Autofahrer zu überwachen – ein Szenario,<br />
das nicht nur Datenschützer grausen lässt. Auch Car-to-<br />
X-Entwickler wollen das nicht, schließlich sollen Autos mit der<br />
neuen Technik ohne schlechtes Image verkauft werden können.<br />
Es braucht also ein System, bei dem das Auto auf der einen<br />
Seite eindeutig identifizierbar ist, aber dennoch anonym bleibt.<br />
Eine unlösbare Aufgabe für die Informatiker? Ilja Radusch kennt<br />
eine Lösung: Jedem Auto werden mehr als 1000 Pseudonyme zugewiesen.<br />
Ein Wagen meldet sich im Car-to-X-Netzwerk jeweils<br />
mit einem zufällig ausgewählten Pseudonym an, das nach kurzer<br />
Zeit durch ein neues Pseudonym ersetzt wird. Eine zentrale<br />
Stelle verwaltet die Pseudonyme und stellt sicher, dass wirklich<br />
niemand herausfinden kann, wer sich hinter welchem Pseudonym<br />
verbirgt. Dadurch können weder eine Behörde noch der<br />
eifersüchtige Ehemann überwachen, wo man gerade hinfährt.<br />
Noch hat die Arbeitsgruppe um Ilja Radusch zu tun, das<br />
System zur Verwaltung und Verteilung solcher Pseudonyme zu<br />
programmieren. Denn zunächst muss geklärt werden, welche<br />
Behörden zuständig sind, ob das Projekt europa- oder gar weltweit<br />
koordiniert werden muss und mit welchem Funk, also Radio<br />
oder Mobilfunk, gearbeitet werden soll. Dennoch ist Ilja Radusch<br />
zuversichtlich, dass sie bereits <strong>Mitte</strong> 2010 einen Prototyp<br />
präsentieren können. rAGNAr VoGT<br />
untersucht. „si-KUZ“ wird vom <strong>Berlin</strong>er senat mit 380 000 euro<br />
aus dem europäischen Fonds für regionale entwicklung gefördert.<br />
insgesamt fließen über zwei Jahre 790 000 euro in das Vorhaben.<br />
es ist eingebettet in die Forschungen des Fraunhoferinnovationsclusters<br />
„sichere identitäten“, an dem die TU <strong>Berlin</strong><br />
beteiligt ist. sn<br />
12 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: TU-Pressestelle/Dahl
effizienz ist nicht die<br />
Lösung allein<br />
Neue strategien sollen die Verwundbarkeit globaler Logistiknetze verringern<br />
In der Logistik geht es im Kern darum, die Versorgung sicherzustellen<br />
– also die richtigen Güter zum richtigen Zeitpunkt zum<br />
richtigen Ort zu bringen. Das soll kostengünstig, schnell und<br />
mit hoher Qualität erfolgen. Um diese Ziele zu erreichen, hat<br />
man sich lange darauf konzentriert, alles effizient zu gestalten,<br />
etwa indem Prozesse verschlankt wurden und der Takt von Anlieferungen<br />
eng an die Produktion gebunden wurde. Durch eine<br />
Fertigung an einem einzigen zentralen Standort, statt verteilt<br />
über mehrere Regionen, wurden zwar Größenvorteile erschlossen,<br />
gleichzeitig aber Flexibilität eingebüßt. Durch Auslagerung<br />
von Wertschöpfungsschritten und eine allgemeine Globalisierung<br />
von Wertschöpfung sind zudem immer komplexere und<br />
damit schwieriger zu kontrollierende Logistiknetze entstanden.<br />
„All diese Trends haben die Verwundbarkeit der Logistikketten<br />
erhöht“, sagt Andreas Wieland vom Fachgebiet Internationale<br />
Logistiknetze, das von der Schweizer Kühne-Stiftung gefördert<br />
wird. Unter der Leitung von Professor Carl Marcus Wallenburg<br />
erforscht er dort Strategien, mit denen die Verwundbarkeit in<br />
global ausgerichteten Lieferketten minimiert werden kann.<br />
Wie wichtig dies ist, zeigt das folgende Beispiel: Ein Blitzschlag<br />
löste einen Brand bei einem Chip-Hersteller im US-Bundesstaat<br />
New Mexico aus. Durch den Brand wurde die Fertigungsanlage<br />
ebenso wie die bereits produzierten und gelagerten<br />
Chips durch Staub und Löschwasser zerstört. Zwei Handy-Hersteller<br />
wurden von diesem Werk aus versorgt. Während<br />
das eine Unternehmen keinen Ersatzhersteller hatte und<br />
zudem viel Zeit verstrich, bis das Top-Management von<br />
dem Vorfall erfuhr, war das andere Unternehmen in der<br />
Lage, schnell mit einer Umgestaltung des Produkts auf<br />
die Havarie zu reagieren. Auch fanden sich alternative<br />
Lieferanten für die dringend benötigten<br />
Chips. Während der erste Hersteller<br />
(Ericsson) Verluste in dreistelliger<br />
Millionenhöhe hinnehmen<br />
musste, konnte der andere (Nokia)<br />
seinen Marktanteil sogar erhöhen.<br />
Der Fall lehrt, dass insbesondere<br />
zwei Strategien<br />
im Logistiknetz<br />
verankert<br />
sein müssen,<br />
um für derartige<br />
Vorfälle ge-<br />
Foto: pixelio.de/Oliver Haja<br />
TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />
rüstet zu sein: einerseits Agilität im Sinne einer schnellen Reaktionsfähigkeit<br />
und andererseits Robustheit im Sinne von verlässlichen<br />
Partnern und bewussten Redundanzen.<br />
Natürlich kostet es die Unternehmen zusätzlich Geld, agil<br />
und robust zu sein. Und nicht immer ist es auch sinnvoll, hohe<br />
Investitionen zu tätigen, um genau über diese Fähigkeiten verfügen<br />
zu können. So sind bestimmte Standorte, Produktarten<br />
und Prozesse angreifbarer als andere. „Eine Firma, die Nudeln<br />
herstellt, wird eine andere Sicherheitsstrategie verfolgen als der<br />
Hersteller von Hochleistungsrechnern“, sagt Wieland.<br />
Gegenstand der Forschung ist es, sowohl die richtigen Lösungen<br />
für jeden Anwendungsfall zu finden als auch deren Umsetzung.<br />
Denn der Kostendruck gerade auf kleinere und mittelgroße<br />
Unternehmen und deren Abhängigkeit von großen<br />
Kunden zwingen diese oft, Risiken auszuklammern und auf Sicherheitspuffer<br />
zu verzichten. Allmählich setzt sich jedoch in<br />
großen Unternehmen die Erkenntnis durch, dass sie durch derartige<br />
Sicherheitslücken bei ihren Lieferanten selbst betroffen<br />
sein können. Sicherheitsmanagement muss sich somit auf das<br />
gesamte Logistiknetz beziehen. Insbesondere Lieferanten sollten<br />
daher bei der Risikobewertung mit einbezogen werden. Um<br />
erfolgreich sein zu können, setzen Unternehmen daher zunehmend<br />
auf eine ganzheitliche Betrachtung von Logistiksicherheit.<br />
ArNDT sosTADT<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 13
TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />
eine perfekte<br />
Kommunikation ist<br />
im Katastrophenfall<br />
das a und O<br />
Wenn eine Katastrophe die<br />
andere auslöst<br />
Forschung zur simulation von Kaskadeneffekten beim Ausfall von Infrastrukturen<br />
Zuverlässige Versorgungsinfrastrukturen für Strom, Gas, Wasser<br />
und Fernwärme sind im Alltag eine Selbstverständlichkeit.<br />
Im Katastrophenfall – ausgelöst etwa durch extreme Naturereignisse<br />
– können sie sich aufgrund gegenseitiger Abhängigkeiten<br />
und Beeinflussungen jedoch als besonders anfällig erweisen.<br />
Die Krisenmanager der Betreiber sind Spezialisten für<br />
ihr jeweiliges Netz. Sobald jedoch mehrere Versorgungssysteme<br />
betroffen sind, besteht selbst bei kleineren Defekten die Gefahr<br />
von Domino- oder Kaskadeneffekten, das heißt, Ausfälle<br />
in einzelnen Systemen können sich gegenseitig bedingen oder<br />
verstärken, wenn die Reaktionen der Betreiber nicht aufeinander<br />
abgestimmt sind. Die Folgen dieser wechselseitigen Beeinflussung<br />
sind weder erfasst noch existieren angemessene Kommunikationswege<br />
im Krisenfall. Eine erfolgreiche Koordination<br />
zwischen den Betreibern stellt unter Zeitdruck und sich ständig<br />
ändernden Rahmenbedingungen im Katastrophenfall eine<br />
enorme Herausforderung dar. Die Erfahrung zeigt, dass auch<br />
bei kleineren Schadensfällen gerade an den Schnittstellen zwischen<br />
den Betreibern folgenreiche Probleme entstehen können,<br />
wenn Eindämmungsbemühungen an anderer Stelle krisenverstärkend<br />
wirken.<br />
Ausgangspunkt des Forschungsprojektes „Simulation von<br />
Kaskadeneffekten beim Ausfall von Versorgungsinfrastrukturen“<br />
(SIMKAS-3D) sind deshalb Havarie-Szenarien bei <strong>Berlin</strong>er<br />
Infrastrukturbetreibern, die sich durch die Wechselwirkun-<br />
gen der Versorgungsinfrastrukturen<br />
zu Katastrophen ausweiten<br />
und damit zu massiven Gefahren<br />
für die Bevölkerung werden können.<br />
Das Vorhaben gehört zum<br />
Programm „Forschung für die<br />
zivile Sicherheit“ des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung<br />
(BMBF). Es beschäftigt<br />
sich mit seinen übergreifenden<br />
Analysen und Szenarien, Simulationen,<br />
Praxistests und Trainings<br />
bezogen auf die verschiedenen<br />
Infrastrukturen, einer bislang<br />
einzigartigen Kombination<br />
von interdependenten Versorgungsinfrastrukturen<br />
und dem<br />
3-D-Stadtmodell von <strong>Berlin</strong> vor<br />
allem mit Problemen der Prävention<br />
und Früherkennung von<br />
Kaskadeneffekten. Ziel ist es,<br />
die Akteure zu befähigen, Krisen<br />
durch möglichst zeitnahe Maßnahmen<br />
zu bewältigen.<br />
Die Prävention und Früherkennung<br />
von Kaskadeneffekten<br />
hinsichtlich des Ausfalls von Infrastrukturen erfolgt auf der<br />
Grundlage intensiver Systemanalysen sowie durch Simulationen<br />
auf der Basis von Geoinformation. Die gemeinsame Modellierung<br />
von <strong>Berlin</strong>er Infrastrukturdaten, dem 3-D-Stadtmodell<br />
von <strong>Berlin</strong> und die geoinformationstechnische Verarbeitung<br />
der wechselseitigen Abhängigkeiten der Infrastrukturen<br />
stellen die Grundlage dafür dar, dass durch eine im Projekt zu<br />
entwickelnde Simulationssoftware eine Vorhersage von Ausfällen,<br />
Kaskaden und Schäden ermöglicht wird. Die Ergebnisse<br />
dienen dazu, Handlungsempfehlungen für politische und fachspezifische<br />
Entscheidungsträger zu formulieren und sektorübergreifende<br />
Trainings für den Katastrophenschutz zu entwickeln.<br />
Die Übertragung der Methoden und Technologien auf andere<br />
Städte im Anschluss an das Projekt wird angestrebt.<br />
Das Verbundvorhaben wird am Zentrum für Technik und<br />
Gesellschaft der TU <strong>Berlin</strong> von Dr. Leon Hempel koordiniert.<br />
Weitere Mitglieder des Konsortiums sind das Institut für Geodäsie<br />
und Geoinformationstechnik der TU <strong>Berlin</strong> unter Leitung<br />
von Prof. Thomas H. Kolbe, das „Inter 3 Institut für Ressourcenmanagement“,<br />
DHI-WASY und das Institut für Migrations-<br />
und Sicherheitsstudien sowie die Praxispartner <strong>Berlin</strong>er Wasserbetriebe,<br />
Vattenfall Europe sowie die Netzgesellschaft <strong>Berlin</strong>-Brandenburg.<br />
An der Realisierung sind darüber hinaus die<br />
Senatsinnenverwaltung sowie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung<br />
beteiligt. MArIe BArTeLs<br />
<strong>14</strong> <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: <strong>Berlin</strong>er Feuerwehr
sicher online – Informationsportal für Nutzer<br />
Ob Online-Banking, Surfen oder E-Mails versenden – die virtuelle<br />
Welt ist voller Unwägbarkeiten und Unsicherheiten. Wie<br />
das reale Leben auch. Das Bundesverbraucherministerium hat<br />
deshalb im Sommer 2009 ein neues Informationsportal gestartet,<br />
das Verbraucherinnen und Verbraucher<br />
über die sichere Computereinstellung<br />
und Internetnutzung umfassend und<br />
verständlich informiert.<br />
„Verbraucher sicher online“<br />
heißt das Portal und<br />
ist unter www.verbraucher-sicher-online.dezugänglich.<br />
Entwickelt<br />
und umgesetzt hat es<br />
ein Team der Fakultät<br />
IV Elektrotechnik und<br />
Informatik der TU<br />
<strong>Berlin</strong> unter Leitung<br />
von Prof. Dr. Bernd<br />
Lutterbeck vom Fachgebiet<br />
„Informatik und<br />
Gesellschaft“ und Prof.<br />
Dr. Hans-Ulrich Heiß vom<br />
Fachgebiet „Kommunikations-<br />
und Betriebssysteme“.<br />
In den vergangenen Jahren hat<br />
die Computer- und Internetnutzung<br />
in Deutschland stetig zugenommen. Immer<br />
Fotos: pixelio.de/antje Delater, TU-Pressestelle/Dahl<br />
TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />
mehr Verbraucherinnen und Verbraucher verfügen über einen<br />
leistungsfähigen Computer und breitbandigen Internetzugang.<br />
Internetaktivitäten wie E-Mail, Homebanking, Online-Shopping<br />
gehören inzwischen zum selbstverständlichen Teil<br />
des Alltags vieler. Mit den im Informationsportal<br />
zur Verfügung gestellten Informationen<br />
können die Nutzerinnen und<br />
Nutzer die nötigen Vorkehrungen<br />
treffen, um sich sicher im Internet<br />
zu bewegen. Neben<br />
Artikeln werden gezielt<br />
Screencasts, interaktive<br />
Videos und Diashows<br />
eingesetzt, um Schritt<br />
für Schritt durch die<br />
Einstellungen auf dem<br />
Computer oder in Internetdiensten<br />
zu führen.<br />
Diese Anleitungen<br />
werden sukzessive für<br />
alle relevanten Betriebssysteme<br />
(Windows, Mac<br />
OS X, Linux usw.) und Anwendungen<br />
wie Webbrowser<br />
(Firefox, Safari, Internet Explorer)<br />
erstellt. stt/sn<br />
Welche entscheidung schützt das Netzwerk?<br />
Tansu alpcan<br />
www.verbraucher-sicher-online.de<br />
Regelmäßige Updates von Computerprogrammen, die Installierung<br />
einer Firewall oder eines Antivirenprogramms – das alles<br />
sind Instrumente, um IT-Netzwerke vor Angriffen zu schützen.<br />
Doch all diese Werkzeuge bergen Vor- und Nachteile für die Sicherheit<br />
des Computersystems. Es sind also Entscheidungen zu<br />
fällen, welchen Schutz Unternehmen, aber auch Privatpersonen<br />
wählen sollten. Genau da setzt die Forschung von Prof. Dr. Tansu<br />
Alpcan ein, der an den Deutsche Telekom Laboratories, dem<br />
An-Institut der TU <strong>Berlin</strong>, forscht und der jetzt als Juniorprofessor<br />
an die Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik der TU<br />
<strong>Berlin</strong> für das Fachgebiet „Autonome Sicherheit“ berufen wurde.<br />
Es ist eine von drei Juniorprofessuren an der TU <strong>Berlin</strong>, die von<br />
der Deutschen Telekom finanziert werden. „Ich forsche daran,<br />
mathematische Modelle zu entwickeln, die den Prozess darüber,<br />
welche Sicherheitsentscheidungen zu treffen sind, um ein Netzwerk<br />
immer effektiver vor Angriffen zu schützen, auf gesicherte<br />
Erkenntnisse stellen. Denn noch immer werden viele Entscheidungen<br />
dazu intuitiv getroffen und beruhen nicht auf verifizierbarem<br />
Wissen“, erklärt Tansu Alpcan. Dabei sollen nicht nur die<br />
Entscheidungsprozesse, die in den Händen eines Unternehmens<br />
liegen, optimiert und formalisiert werden, sondern auch die, welche<br />
die IT-Systeme zunehmend automatisch treffen sollen. sn<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 15
FOrsCHUNG<br />
„An Bildern schleppt<br />
Beutekunst –<br />
restitutionen und<br />
emotionen in<br />
historischer<br />
Perspektive<br />
Von Bénédicte savoy<br />
Anfang des Jahres ging in Paris ein Ereignis zu Ende, das<br />
die Kunstwelt magnetisierte und in der Presse weltweit<br />
als Auktion des Jahrhunderts bezeichnet wurde: Die sagenumwobene<br />
Kunstsammlung des Modeschöpfers Yves Saint-Laurent<br />
und seines Lebensgefährten Pierre Bergé wurde in einer<br />
spektakulär inszenierten Schau im Grand Palais zum ersten<br />
Mal öffentlich gezeigt und gleichzeitig durch das Auktionshaus<br />
Christie’s in alle Welt verstreut. Alles, was in der Welt der<br />
Sammler Rang und Namen hat, kam nach Paris, um das Ereignis<br />
zu verfolgen. Das Pariser Publikum strömte drei Tage lang<br />
bis tief in die Nacht in den gläsernen Palast. In diesem Märchen<br />
von Geld und Glamour sorgte allerdings eine Meldung für Polemik:<br />
Die Volksrepublik China (gleichsam als böse Fee in diesem<br />
Märchen auftretend) forderte die Rückgabe zweier Bronzeköpfe<br />
aus dem 18. Jahrhundert (eine Maus und ein Kaninchen darstellend),<br />
die im Jahre 1860 im Zuge der Plünderung des Sommerpalastes<br />
in Peking durch die französische und die britische Armee<br />
aus China verschwunden waren. Der Sammler Pierre Bergé<br />
verweigerte die Rückgabe, er verlangte als Preis für die Tierköpfe<br />
die „Freiheit Tibets“. <strong>14</strong>9 Jahre nach den Ereignissen entfachte<br />
diese – zugegebenermaßen nicht sehr geschickte, beziehungsweise<br />
sehr französische – Antwort (universaler Anspruch auf<br />
Kunst und Freiheit) einen Sturm des Zornes und der Empörung<br />
in der chinesischen Presse. Dies ist ein sehr aktuelles Beispiel<br />
für das Langzeitgedächtnis der Opfer von Kunstraub und für die<br />
nicht heilen wollende Wunde des Verlustes. Ein Motiv, das uns<br />
schon aus der Antike überliefert ist. Es geht im Folgenden nicht<br />
darum, den Raub und die Restitution von Kunstwerken als an-<br />
16 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: TU-Pressestelle/Dahl
ihr hin und her …“<br />
thropologische Konstante seit der Antike zu schildern – dafür<br />
ist das Thema viel zu komplex und viel zu interessant. Es geht<br />
vielmehr darum, in der gebotenen Kürze einige immer wiederkehrende<br />
Motive in den Debatten um Raub und Restitutionen<br />
zu skizzieren.<br />
Recht und<br />
Rache: die<br />
lange Dauer<br />
des Verlustes<br />
Irgendwann im 18. Jahrhundert<br />
vor Christus, oder gar im 19. Jahrhundert,<br />
entführte der elamitische<br />
Herrscher Kuter-Nahhunte I. eine<br />
babylonische Statue der Fruchtbarkeits-<br />
und Siegesgöttin Nanaja in<br />
seine Hauptstadt. Und irgendwann, nach vielen Jahrhunderten<br />
und einer großen militärischen Aktion, kam die Statue in ihre<br />
Heimat zurück. Das wissen wir vom Assyrerkönig Assurbanipal,<br />
der im 7. Jahrhundert vor Christus die Statue zurückholte<br />
und der auf einer uns überlieferten Inschrift mitteilte:<br />
„Nanaja, die 1635 Jahre gezürnt hatte, Nanaja, die<br />
fortgezogen war und sich in Elam, einer ihr unwürdigen<br />
Stätte, niedergelassen hatte, betraute mich mit ihrer<br />
Heimführung.“<br />
Zwischen der Wegnahme der Statue und ihrer Rückkehr nach<br />
Babylon waren nicht weniger als 1300 Jahre vergangen. Ein unerhört<br />
eindrucksvolles Beispiel für das Langzeitgedächtnis der<br />
Opfer von Kunstraub.<br />
Heute, vierundsechzig Jahre nach Beendigung des 2. Weltkrieges,<br />
meinen einige (vielleicht zu Recht), dass man über die<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 17<br />
FOrsCHUNG<br />
Von Napoleon nach der<br />
schlacht bei Jena und<br />
auerstedt 1806 nach<br />
Paris verschleppt, wurde<br />
die Quadriga von<br />
Blüchers Truppen 18<strong>14</strong><br />
wieder zurück nach<br />
<strong>Berlin</strong> gebracht.<br />
Daraus entstand im<br />
Volksmund die<br />
„retourkutsche“
FOrsCHUNG<br />
Scheußlichkeit mancher Ereignisse Gras wachsen lassen könnte.<br />
In Sachen Beutekunst reichen aber sechs Jahrzehnte offensichtlich<br />
nicht. Hier scheinen die Wunden nicht heilen zu wollen.<br />
Die in Deutschland seit fünfzehn Jahren auf die russische Beutekunst<br />
des 2. Weltkriegs leuchtenden Scheinwerfer der Öffentlichkeit,<br />
die immer wiederkehrenden Kontroversen um die Rückgabe<br />
unrechtmäßig erworbener Museumsstücke aus jüdischem<br />
Besitz, die regelmäßigen Gefechte um die Rückführung von Bücherbeständen<br />
aus Polen, Fernsehsendungen mit Publikumsbeteiligung<br />
etc. zeugen davon: Kriegsbedingt abhandengekommene<br />
Kulturgüter lösen kollektive Emotionen aus, die sich mit<br />
der Zeit so gut wie nicht besänftigen lassen. Im Gegenteil. Statt<br />
Linderung scheint die historische Distanz Verhärtung zu bringen,<br />
statt Annäherung Verbissenheit und Misstrauen. Die Beutekunst<br />
der Vergangenheit – nicht nur die des 2. Weltkriegs – ist<br />
sicherlich die große kulturpolitische Herausforderung der Zukunft,<br />
zumindest des 21. Jahrhunderts. Umso verwunderlicher<br />
ist es, dass es dem Thema nach wie vor an historischer Tiefe<br />
fehlt, auch wenn in den vergangenen fünf Jahren neue Veröffentlichungen,<br />
vor allem aber auch eine Reihe historischer Ausstellungen<br />
weltweit (Paris, Stockholm, Moskau, <strong>Berlin</strong>) neue<br />
Erkenntnisse gebracht haben.<br />
Dass in der Antike der Raub von Kult- und Kunstobjekten<br />
gang und gäbe war, ist bekannt. Dass die zum Teil brutale,<br />
massive und nicht rückgängig gemachte Aneignung von Kulturgütern<br />
fremder Völker auch zu eindrucksvollen kulturhistorischen<br />
Befruchtungen führte (nicht zuletzt im alten Rom), sitzt<br />
im allgemeinen Bewusstsein fest. Dass aber schon in der Antike<br />
sowohl das Motiv der Vergeltung von Kunstraub als auch<br />
das der Rückgabe, der Wiederherstellung des ursprünglichen<br />
Zustands, eine Schlüsselrolle spielten, verdient sicherlich einige<br />
Aufmerksamkeit. In Agamemnon zum Beispiel, dem ersten<br />
Stück der Orestie von Aischylos aus dem 5. Jahrhundert vor<br />
Christus, wird ganz allgemein auf die Gefahren hingewiesen,<br />
denen die Räuber von Kultgegenständen und fremden Reichtümern<br />
sich aussetzen. Zu Beginn des Stückes warnt Klytaimnestra<br />
vor den verhängnisvollen Folgen einer Beraubung der Schätze<br />
von Troja durch den Sieger. Die Botschaft ist klar: Wenn der<br />
Sieger die Tempel der Besiegten nicht respektiert und es trotz des<br />
Sieges auch noch zu Beutezügen kommt, werden sich die Götter<br />
an dem Sieger rächen. Hier steht der Kultwert der begehrten<br />
Gegenstände im <strong>Mitte</strong>lpunkt. Die entführten personifizierten<br />
Götter sorgen selber für Rache oder sie beauftragen einen<br />
mächtigen Sterblichen mit ihrer Rückführung. Dabei spielt die<br />
Zeit der Menschen keine Rolle, sondern die ewige Zeit der Götter<br />
– deswegen wird die Erinnerung an die sakrilege Wegnahme<br />
durch Feindeshand von Generation zu Generation gepflegt<br />
und weitergetragen.<br />
Bildpropaganda<br />
und Erinnerungen<br />
Das Beute relief<br />
am Titus-<br />
bogen in rom<br />
Was aber, so fragt man<br />
sich zu Recht, haben<br />
solche Ereignisse aus der Antike,<br />
die ja den Kultwert der<br />
entführten Gegenstände im <strong>Mitte</strong>lpunkt hatten, mit dem modernen<br />
Raub an Werken zu tun, die wegen ihres Kunstwerts, ihres<br />
ästhetischen – und sicherlich auch ökonomischen – Gewichts,<br />
von einer besiegten Hauptstadt zu der Hauptstadt eines Siegers<br />
verschleppt wurden? Die Verwandtschaft dieser Formen von<br />
Raub, die man aus historischer Rücksicht zunächst lieber nicht<br />
in Verbindung setzen möchte, stellt sich heraus, wenn man sich<br />
die bildliche Form ihrer Überlieferung betrachtet. Erinnerungsgeschichte<br />
und Emotionen hängen sehr mit visuellen Affekten,<br />
mit dem symbolischen Gehalt von Bildern zusammen – in vielen<br />
Fällen mehr als mit Rechtfertigungsprosa. Eine der frühesten,<br />
sichtbarsten und eindrucksvollsten ikonografischen Fixierungen<br />
der antiken Kunstraubpraxis und der Legitimation von<br />
Kunstraub stellt sicherlich das sogenannte Beuterelief im Durchgang<br />
des Titusbogens in Rom dar. Das monumentale Bildwerk<br />
entstand Ende des 1. Jahrhunderts in Erinnerung an die Eroberung<br />
Jerusalems durch den Kaiser Titus. Es zeigt eine Gruppe<br />
von lebensgroßen Soldaten, die mit prächtigen Beutestücken<br />
durch ein Bogenmonument ziehen. Die im Triumph mitgeführten<br />
Geräte waren zuvor im Tempel von Jerusalem aufgestellt:<br />
Kultgegenstände also, darunter der siebenarmige Leuchter, die<br />
Menorah. Das Relief liest sich wie eine Parole: Beute und Bogenmonument<br />
charakterisieren den Triumph des Kaisers Titus.<br />
Etwa 18 Jahrhunderte später, im Jahre 1813, erinnerte man<br />
sich im napoleonischen Frankreich an den Titusbogen. Eine<br />
18 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: privat
großartige Prunkvase aus Sèvres-Porzellan wurde von „Napoleons<br />
Auge“, Dominique-Vivant Denon, in Auftrag gegeben.<br />
Sie veranschaulicht die Permanenz des Kunstraubmotivs deutlich.<br />
Diese Vase erinnert an die Ankunft der 1796 von Frankreich<br />
in Rom eroberten Kunstgegenstände: Die Laokoongruppe,<br />
der Apoll von Belvedere, die Venus Medici, diese Ikonen der<br />
Antikenrezeption um 1800, ziehen auf offenen Wagen an bürgerlich<br />
gekleideten Zuschauern vorbei. Zwischen den Wagen<br />
tragen verschiedene Männergruppen weitere Beutestücke auf<br />
Tragbahren – die auffälligsten unter ihnen auf der Schulter. Die<br />
bildliche Anlehnung an das Beuterelief des Titusbogens ist unverkennbar.<br />
Bis auf ein wesentliches Detail: Während der antike<br />
Beutezug durch einen von Pferden bekrönten Triumphbogen<br />
geführt wurde, durchschreiten die modernen Kunstentführer ein<br />
mit folgenden Inschriften gekennzeichnetes Tor. Links: „Musée<br />
Napoléon“. Rechts: „Musée“. Deutlicher lässt sich der Sieg der<br />
musealen Institution nicht schildern. Die translatio imperii ist<br />
zugunsten der allgemeinen bürgerlichen Öffentlichkeit erfolgt.<br />
Es ist der Sieg des Museums.<br />
Was hier auf visueller und symbolischer Ebene in das kollektive<br />
Bewusstsein eindrang, waren das Motiv des Triumphes und<br />
die damit zusammenhängende Demütigung des Beraubten. Ob<br />
diese Beraubten (in der Antike) in ihrer religiösen Identität oder<br />
(um 1800) in ihrer Identität als Menschen der Aufklärung, die in<br />
der Kunst ein <strong>Mitte</strong>l der Erziehung und des Fortschrittes sahen,<br />
verletzt waren, spielt hier keine wesentliche Rolle. Kunst war seit<br />
dem Ende des 18. Jahrhunderts ohnehin Gegenstand einer säkularisierten<br />
Religion geworden: die Kunstreligion, deren Tempel<br />
die Museen waren. In Sachen Kunstraub spielt seit der Antike,<br />
mehr als der Kultwert oder der Bildungswert der beraubten<br />
Kunstwerke, ihr Ewigkeitswert, ihre generationsübergreifende<br />
Lebensdauer die identitätsstiftende Rolle. Das erklärt die Langwierigkeit<br />
der Emotionen, die mit dem Verlust ausgelöst wurden.<br />
Mit dem Raub von Kunstwerken und Bibliotheken wird<br />
nämlich nicht nur das Recht verletzt, sondern auch eine emotionale<br />
Wunde geschlagen, die sich schwer oder gar nicht schließen<br />
lässt. Das formulierten schon Beobachter des napoleoni-<br />
im sommer 1945 feiert man in Florenz die rückkehr<br />
ausgelagerter Kunstwerke. Die deutsche Wehrmacht<br />
hatte sie nach südtirol abtransportieren lassen<br />
schen Kunstraubs hundert Jahre vor der Haager Konvention in<br />
zahlreichen Aufsätzen und Journalen: Wenn der Sieger einem<br />
„überwundenen Volke Werke der Litteratur und Kunst“ entreißt,<br />
schrieb zum Beispiel ein Philosoph namens Heydenreich<br />
im Jahre 1798, kündigt er dem Besiegten „die Verewigung seines<br />
Hasses und seiner Rache an; denn so lange die besiegte Nation<br />
Foto: privat<br />
dauert, wird auch ihre Kränkung über jenen Verlust dauern, der<br />
alle Jahrhunderte hindurch nicht ersetzt werden kann“.<br />
Es ist vor diesem Hintergrund bezeichnend, dass man schon<br />
seit dem vierten Jahrhundert vor Christus von spektakulären<br />
Restitutionen von Kunstgegenständen hört, die von ihrem angestammten<br />
Platz entführt worden waren und die nach vielen<br />
Jahrzehnten, ja manchmal Jahrhunderten, restituiert oder wieder<br />
genommen wurden. Diese Art politisch motivierter Restitutionen<br />
oder Rücknahme von geraubten Kulturgegenständen<br />
gehört zu den stärksten Konstanten in der Geschichte des<br />
Kunstraubes, von der Antike über die napoleonische Zeit bis<br />
hin zum 20. Jahrhundert. Davon zeugen zahlreiche, nicht zuletzt<br />
bildliche Quellen. So zum Beispiel die Darstellung der Rückkehr<br />
der vier Pferde von San Marco aus Venedig, die Frankreich<br />
1798 nach Paris verbracht hatte und die 1815 von Österreich<br />
an Venedig zurückgegeben wurden. Oder auch die Fotografie<br />
aus dem Sommer 1945, die die feierliche Rückkehr von ausgelagerten<br />
Kunstwerken nach Florenz dokumentiert. Ein Konvoi<br />
amerikanischer Lastkraftwagen trifft in der Stadt ein. Eine italienische<br />
und eine amerikanische Flagge schmücken das erste<br />
Fahrzeug, in dem sich Kunstwerke befinden, die einige Monate<br />
zuvor vom sogenannten „Kunstschutz“ der deutschen Wehrmacht<br />
– mit welcher Absicht auch immer – von der Toskana<br />
nach Südtirol abtransportiert worden waren, darüber hinaus<br />
eine deutlich sichtbare Aufschrift: „Le opere d’arte fiorentine<br />
tornano dall’Alto Adige alla loro sede“ [Die Florentiner Kunstwerke<br />
kehren von Alto Adige zurück in ihre Heimat]. Ein abgelehnter<br />
Beschriftungsvorschlag soll gelautet haben: „Die Florentiner<br />
Schätze, die durch die Deutschen gestohlen wurden,<br />
werden durch die Amerikaner zurückgestellt.“ Hier, wie auch<br />
im Falle der Pferde von Venedig, wird in aller Deutlichkeit die<br />
Rolle des Erretters mit dem Motiv der Restitution in Verbindung<br />
gebracht – gleichzeitig aber auch die Grauzone zwischen<br />
Raub und Rettung, verantwortungsvoller Bergung und feindlicher<br />
Aneignung von Kunstschätzen in Kriegszeiten beleuchtet.<br />
Veränderte<br />
Kunstgeografie<br />
und das Projekt<br />
der europäischen<br />
Zivilisation<br />
Als Napoleon 1815 aus Europa<br />
verbannt wurde, gab<br />
die Frage nach der Rücknahme<br />
der von ihm in Paris angehäuften<br />
Kunstwerke Anlass zu<br />
einer hitzigen Diskussion in<br />
Deutschland. Es ging um die<br />
angebrachte Form der Neu-<br />
konfiguration der kulturellen Geografie Europas nach dem napoleonischen<br />
Experiment der maximalen Zentralisation des europäischen<br />
Kulturerbes in Paris. Im Auftrag von Preußens Regierung<br />
wurde 18<strong>14</strong> kein Geringerer als Johann Wolfgang von<br />
Goethe gebeten, sich über die Neuverteilung der an Preußen<br />
restituierten Kunstwerke zu äußern. Warum Goethe? Für Goethe<br />
und die aufgeklärten Kreise des 18. Jahrhunderts war die Kunst<br />
ein Allgemeingut der Menschheit. Dieses kosmopolitische Ideal<br />
wurde um 1800 von der Aneignungspraxis der Franzosen in Frage<br />
gestellt. Um die Beschlagnahmungen im Ausland zu rechtfertigen,<br />
hatten die Franzosen die Kunst ja nicht mehr als ein Eigentum<br />
der Menschheit, sondern als ein Produkt der Freiheit dargestellt.<br />
Und damit theoretisch das „befreite“ Frankreich zum<br />
erbberechtigten Land der gesamten abendländischen Kultur gemacht.<br />
Also (aus deutscher Sicht) zum Generalpächter der Zivilisation.<br />
Da kam eine absolute Antinomie zutage zwischen Kosmopolitismus<br />
und Nationalismus. Der Barbar war in den Augen<br />
der Deutschen derjenige, der das kosmopolitische Kunstdenken<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 19<br />
FOrsCHUNG
FOrsCHUNG<br />
Manches exponat<br />
im wiedereröffneten<br />
Neuen Museum<br />
in <strong>Berlin</strong> trägt den<br />
Verweis, dass es nur<br />
eine Kopie ist und<br />
sich das Original in<br />
russland befindet<br />
Europas, das bis dahin als Ideal der Zivilisation gegolten hatte,<br />
durch ein neues Zivilisationsmuster, nämlich ein nationales ersetzte.<br />
Nun sollte Goethe 1815 seine Meinung äußern über die<br />
Frage, ob Kunstwerke an einem einzigen Ort konzentriert oder<br />
über das gesamte Territorium zerstreut werden sollten. Seine<br />
Antwort war klar, er plädierte dafür, „daß die Kunstwerke und<br />
Altertümer vielverbreitet, jede Stadt die ihrigen behalte und bekomme,<br />
nur daß dabei geltend gemacht und ein <strong>Mitte</strong>lpunkt<br />
gegeben würde, wovon aus über das Ganze gewacht würde“.<br />
Mit dieser Position stand Goethe – und er war um 1815 nicht<br />
der Einzige, der für „Zerstreuung“ plädierte – gegen den Geist<br />
des 19. Jahrhunderts, der die Zentralisierung des nun als „national“<br />
empfundenen Kulturerbes in einigen wenigen monumentalen<br />
Hauptstadtmuseen vorantreiben sollte. Eine Diskussion,<br />
die heute angesichts der deutschen Beutekunstbestände in den<br />
entlegenen Provinzmuseen der ehemaligen Sowjetunion noch<br />
höchst aktuell erscheint. Und die der patriotische „Rheinische<br />
Merkur“ schon im August 1815 auf den Punkt gebracht hatte:<br />
„In der Kunst ist gerade die Zerstreuung, wo die Werke<br />
wie in einen Sternenhimmel verbreitet sind, das wahrhaft<br />
Belebende und Erquickliche, während jede Anhäufung<br />
nur zu Üppigkeit und ästhetischem Luxus leitet.“<br />
Als Fritz Milkau, damals Direktor der <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />
in Breslau, im Jahre 1915 von den deutschen Rücknahmeplänen<br />
von Handschriften in Paris erfuhr, schrieb er an den Generaldirektor<br />
der <strong>Berlin</strong>er Staatsbibliothek diese nüchternen Worte:<br />
„Ich komme nicht über die Überlegung hinweg, dass<br />
nach dem Krieg auch wieder Frieden kommt, und dass<br />
die Wiederherstellung des internationalen Verkehrs von<br />
Bibliothek zu Bibliothek wichtiger ist als eine, im ganzen<br />
betrachtet, doch unwesentliche Verschiebung des Handschriftenbesitzes.“<br />
Diese im nationalistisch-propagandistisch erhitzten Kontext<br />
des Ersten Weltkrieges mutig genommene Stellung wirkt wie<br />
ein Echo auf den berühmten Vierzeiler „Museen“, den Goethe<br />
1816 mitten in der deutschen Restitutionsdebatte der Jahre nach<br />
dem Wiener Kongress schrieb:<br />
„An Bildern schleppt ihr hin und her<br />
Verlornes und Erworbnes<br />
Und bei dem Senden kreuz und quer<br />
Was bleibt uns denn? Verdorbnes!“<br />
Und reagierte nicht Victor Hugo 1861 mit folgenden Worten auf<br />
die Plünderung des Sommerpalastes in Peking:<br />
„Eines Tages sind zwei Banditen in den Sommerpalast<br />
eingedrungen. Der eine plünderte, der andere legte Feuer.<br />
Manchmal ist der Sieg ein Dieb, wie es scheint. Die<br />
Zerstörung des Sommerpalastes im großen Stile ging zu<br />
gleichen Teilen auf das Konto beider Sieger. […] Große<br />
Tat, fette Beute. Der eine der beiden Sieger stopfte sich<br />
die Taschen voll; als der andere dies sah, füllte er sich<br />
die Truhen. Und lachend, Arm in Arm, kehrten sie nach<br />
Europa zurück. Dies ist die Geschichte der zwei Banditen.<br />
Wir Europäer sind die Zivilisierten, und für uns<br />
sind die Chinesen die Barbaren. Hier sieht man nun,<br />
was die Zivilisation der Barbarei angetan hat. […] Ich<br />
hoffe, dass der Tag kommen wird, wo das befreite und<br />
gereinigte Frankreich dem beraubten China die Beute<br />
zurückgeben wird.“<br />
Wir merken: Ob um 1816 poetisch, 1861 polemisch oder 1915<br />
verwaltungstechnisch formuliert: Die Sorgen unserer Vorfahren<br />
sind auch unsere Sorgen. Eine zivilisatorische Sorge und Verantwortung.<br />
Die Autorin ist Professorin für Kunstgeschichte an der TU <strong>Berlin</strong><br />
und gilt als ausgewiesene Kennerin der europäischen Museumsgeschichte.<br />
Im Jahr 2000 hatte sie zum napoleonischen<br />
Kunstraub in Deutschland promoviert.<br />
20 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: staatliche Museen zu <strong>Berlin</strong>, achim Kleuker
software für sonnenenergie<br />
Gerhard Valentin liefert aus <strong>Berlin</strong> Programme, mit denen solaranlagen<br />
überall auf der Welt berechnet werden<br />
Die Grundlagen des Unternehmens „Valentin EnergieSoftware“<br />
hängen viel enger mit der vormals besonderen politischen Situation<br />
<strong>Berlin</strong>s zusammen, als man das bei einer Firma vermuten<br />
würde, die mit Niederlassungen in Deutschland und Kalifornien<br />
Software für nachhaltige Energie überallhin auf der Welt<br />
liefert. Wo sonst sollte das Bundesforschungsministerium Ende<br />
der 1970er-Jahre große Solaranlagen bauen, wenn nicht im Westen<br />
der damals geteilten Stadt, die wie eine Insel mitten in der<br />
DDR lag? Hightech sollte die Wirtschaftskraft der Stadt stärken.<br />
Und wer anders als der Pionier der erneuerbaren Energien<br />
Rolf Hanitsch von der TU <strong>Berlin</strong> hätte die damals noch revolutionären<br />
Solarwärme-Anlagen wissenschaftlich begleiten sollen?<br />
Rolf Hanitsch wiederum stellt den jungen Ingenieur Gerhard<br />
Valentin ein, der die Messtechnik für diese Anlagen betreuen<br />
soll.<br />
Daneben soll der Ingenieur aber auch noch ein Computerprogramm<br />
schreiben, das solche Solaranlagen simuliert und so<br />
die Herstellung erleichtert. Computer sind damals noch Maschinen,<br />
die große Räume füllen, Windows ist noch nicht erfunden,<br />
programmiert wird mit einer heute fast vergessenen Sprache<br />
namens „FORTRAN“. „Also büffelte ich erst einmal Programmiersprachen<br />
und schrieb dann alle Programme“, erinnert<br />
sich Gerhard Valentin an diese Pioniertage. Nach der Promotion<br />
gründet er 1988 seine eigene Firma mit genau einem Mitarbeiter,<br />
nämlich ihm selbst. Ein erster großer Auftrag lässt den Ein-<br />
Mann-Betrieb genau dort weitermachen, wo er an der TU <strong>Berlin</strong><br />
angefangen hat: Für ein Großunternehmen der Wohnungswirtschaft<br />
übernimmt Gerhard Valentin die messtechnische Betreuung<br />
und Entwicklung von Solaranlagen. Wie viel Energie liefert<br />
eine solche Anlage, bei welchen Temperaturen läuft sie? Diese<br />
Daten stellt das Ingenieurbüro bereit.<br />
Die Wiedervereinigung 1990 aber bringt ganz neue Aufgaben.<br />
Der <strong>Berlin</strong>er Senat will die antiquierten und höchst umweltbelastenden<br />
Braunkohleheizanlagen der Plattenbauten im<br />
Osten auf moderne Technik umstellen. Der Auftrag für die Konzeption<br />
geht an Gerhard Valentin. In dieser Zeit erinnert sich<br />
auch das Bundesumweltministerium an das lange nicht mehr<br />
genutzte „FORTRAN“-Programm. Ob man das nicht so umschreiben<br />
könne, dass es auf den Anfang der 1990er-Jahre gerade<br />
aufkommenden PCs läuft? Aber klar, meint Gerhard Valentin<br />
und macht sich an die Arbeit. 1993 heißt das Programm<br />
„T*SOL“, läuft noch heute auf jedem Windows-Rechner und<br />
plant die Wärmeversorgung mit Solarthermie für Einfamilienhäuser<br />
und ganze Stadtviertel gleichermaßen.<br />
Damals arbeitet bereits seit zwei Jahren ein weiterer Ingenieur<br />
in der Firma. Heute hat „Valentin EnergieSoftware“<br />
im Energieforum in <strong>Berlin</strong>-Friedrichshain rund 30 Mitarbeiter.<br />
1998 bringen sie das Programm „PV*SOL“ für Solarstrom<br />
auf den Markt, das Programm „CO2PRA“ optimiert<br />
seit 1999 Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung. Kunden sind<br />
große Heizanlagen-Hersteller, Installateure und Energiebera-<br />
Foto: TU-Pressestelle/Dahl<br />
ter; die Hälfte des Umsatzes wird längst im Ausland gemacht.<br />
Auch in Australien und Tibet nutzen Kunden das Know-how<br />
und die Software, die es längst neben Deutsch und Englisch<br />
auch noch in Französisch, Italienisch und Spanisch gibt. Und<br />
der junge Ingenieur der 1980er-Jahre ist heute Manager, der<br />
die Programme seiner Firma zwar immer noch hervorragend<br />
kennt – nur zu deren Entwicklung kommt er heute nicht mehr.<br />
roLAND KNAUer<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 21<br />
eNTrePreNeUr<br />
Gerhard Valentin machte sich vor mehr als 20 Jahren selbstständig<br />
Kontakt<br />
Valentin energie<br />
software GmbH,<br />
stralauer Platz 34,<br />
10243 <strong>Berlin</strong>,<br />
Tel.: 030/58 84 39-0<br />
Fax: 030/58 84 39-11<br />
info@valentin.de<br />
www.valentin.de
eNTrePreNeUr<br />
Mathematiker, Informatiker, Linguist und<br />
Firmengründer: Reimund Reiter<br />
„mikado“ ist anders<br />
als andere<br />
seit 26 Jahren ist die Firma mit sozialem Gewissen auf dem IT-Markt erfolgreich<br />
22 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />
Vielleicht liegt es am verspielten Firmennamen, vielleicht am<br />
philosophischen Background des Firmen-Mitbegründers Reimund<br />
Reiter: Die Atmosphäre in den lichten Büroräumen in<br />
dem Gewerbehof an der Bülowstraße 66, an der Grenze zwischen<br />
Schöneberg und Kreuzberg, ist eine besondere. Freundliche<br />
Gesichter, eine offene Küche, und mit den Kolleginnen und<br />
Kollegen, die schon länger dabei sind, ist der Chef per Du. „Die<br />
Arbeit soll ja schließlich auch Spaß machen“, sagt Reimund<br />
Reiter, als wäre das in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation<br />
in Deutschland ganz selbstverständlich. Auch „mikado“ hat<br />
während des 26-jährigen Bestehens Höhen und Tiefen erlebt,<br />
ihr soziales Gewissen haben sich die Geschäftsführer Wolfgang<br />
Dürr und Reimund Reiter jedoch immer bewahrt.<br />
Gegründet wurde die „mikado systemhaus gmbh“ 1983.<br />
Reimund Reiter, der seit 1972 zunächst Germanistik und Philosophie<br />
an der FU <strong>Berlin</strong> studiert hatte, wechselte 1975 an die<br />
<strong>Technische</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong>, um sich den Fächern Mathematik,<br />
Informatik und Linguistik zu widmen. „Die Linguistik hatte<br />
es mir schon immer angetan und bestärkte mich darin, Mathematik<br />
zu studieren“, erinnert sich der gebürtige Saarländer,<br />
den eher die theoretischen, philosophischen Fragen der Mathematik<br />
interessierten. Bei der Firma, in der er nach seinem Studium<br />
als Informatiker in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung<br />
arbeitete, lernte er die vier weiteren „mikado“-Gründer<br />
kennen. Ihre gemeinsame Idee: mittelständischen Unternehmen<br />
Software und PC-Netzwerke maßschneidern. „Die damalige<br />
Zeit war die Geburtsstunde der sogenannten Mikro- oder Personal-Computer“,<br />
sagt Reiter, der als Triebfeder für die Selbstständigkeit<br />
„die üblichen Gründe“ nennt: „Wir wollten einfach<br />
nicht mehr fremdbestimmt arbeiten, sondern für unsere eigene<br />
Firma.“<br />
Die Anfänge der GbR waren bescheiden: Einige verdienten<br />
noch als Angestellte anderer Betriebe Geld und unterstützten die<br />
anderen Gründer, die bereits für das eigene Unternehmen Programme<br />
schrieben wie etwa Datenbankanwendungen für Speditionen.<br />
1986 zählte die Firma bereits acht Mitarbeiter, Ende<br />
der 80er-Jahre spezialisierte sich „mikado“ zunehmend auf<br />
Netzwerke, arbeitete mit dem späteren Marktführer auf diesem<br />
Gebiet, „Novell“, zusammen und akquirierte Anfang der 90er-<br />
Jahre die ersten Großkunden wie die AOK, die Landesbausparkasse<br />
Ost, das Bundesgesundheitsamt und die Schering AG.<br />
Die Mitarbeiterzahl stieg im Jahr 1991 auf 37 Angestellte.<br />
„In den 90er-Jahren wuchsen wir rasant auf bis zu 70 Angestellte,<br />
belieferten unsere Kunden auch mit der kompletten<br />
Hardware und boten den entsprechenden Service dazu an“, berichtet<br />
Reiter. Damit hatte sich die Firma, die über zu wenig Eigenkapital<br />
verfügte, übernommen. „Wir besannen uns wieder<br />
auf unsere Stärken und sind seit der Neuorientierung wieder reine<br />
Dienstleister“, sagt Reiter. Teile der Firma wurden verkauft,<br />
auch an eigene Mitarbeiter. Mit 15 Angestellten und einer gehörigen<br />
Portion Pioniergeist startete „mikado“ neu durch. Die<br />
Foto: TU-Pressestelle/Dahl
Einrichtung, der Aufbau und die Pflege von Netzwerken wurden<br />
die Spezialität des <strong>Berlin</strong>er Unternehmens. „Außerdem legten<br />
wir unseren Focus auf die Sicherheit innerhalb von Netzwerken“,<br />
erläutert Reiter. Mit dem Network-Access-Control-Tool<br />
„macmon“ entwickeln die Experten von „mikado“ auch wieder<br />
Software. Das System schützt Netzwerke vor Datendiebstahl<br />
und erkennt unzulässige Fremdsysteme in Firmennetzwerken.<br />
„Mit diesem Tool können sich unsere Kunden vor Industriespionage<br />
und Manipulationen schützen“, sagt Reiter, der bereits<br />
seit 1984 für das Controlling, die Finanzen und das Marketing<br />
verantwortlich ist. Eine weitere Innovation ist „macmon energy“,<br />
ein System, das alle Rechner eines Netzwerkes zentral abschalten<br />
und so helfen kann, Energie zu sparen.<br />
„Mikado“ beschäftigt heute wieder 50 Mitarbeiter. Zehn<br />
Mitarbeiter sind übrigens unter 25, weitere acht unter 35 Jahre<br />
alt und 26 Prozent der Belegschaft sind weiblich. Einmal im<br />
Monat wird im Plenum mit allen Mitarbeitern diskutiert, einmal<br />
im Jahr wird auf Firmenkosten ein Wochenende gemeinsam<br />
verbracht.<br />
Während der vergangenen 26 Jahre hat sich „mikado“ überzeugend<br />
für den Nachwuchs der IT-Branche eingesetzt. „Wir<br />
bilden seit Ende der 80er-Jahre aus, derzeit beschäftigen wir<br />
sechs Azubis“, berichtet der Vater zweier Kinder. „Selbst in<br />
schwierigen Zeiten kommen hier unaufgefordert Waschkörbe<br />
voller Bewerbungen an. Da mussten wir einfach etwas tun“, erzählt<br />
er. Die Azubis brächten frischen Wind und neue Ideen mit.<br />
Etwa die, ausrangierte Computer wieder flottzumachen und sie<br />
Schulen zur Verfügung zu stellen. Unterstützt wird „mikado“<br />
dabei von seinen Kunden: der KfW, der IBB, der AOK und der<br />
Hermes Hausverwaltung AG, die die alten Rechner zur Verfügung<br />
stellen. „Unsere Azubis betreuen dann solche Projekte.<br />
Und wir wissen: Wer mit Lehrern und Schülern umgehen kann,<br />
der kann später auch unsere Kunden betreuen“, sagt Reiter.<br />
Auch das Computerprojekt für Senioren managen die Azubis.<br />
Gute Erfahrungen habe man auch mit Studierenden gemacht,<br />
die ihre Diplomarbeit in Kooperation mit „mikado“ geschrieben<br />
haben. Gefragt, welchen Rat Reimund Reiter jungen<br />
Firmengründern heute geben würde, muss er nicht lange<br />
nachdenken: „Sie sollten betriebswirtschaftliche Grundlagen<br />
mitbringen, Bilanzen lesen und einen Businessplan erstellen<br />
können. Auch buchhalterische Kenntnisse sind von Vorteil.“<br />
ANDreA PUPPe<br />
Foto: pixelio.de/wrw <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 23<br />
eNTrePreNeUr<br />
Kontakt<br />
mikado ag<br />
Bülowstraße 66,<br />
10783 <strong>Berlin</strong>,<br />
Tel.: 030/2 17 90-0,<br />
Fax :030/2 17 90-2 00,<br />
info@mikado.de<br />
www.mikado.de
eNTrePreNeUr<br />
in ihrer Gründungswerkstatt mitten auf dem Campus stellt die<br />
TU <strong>Berlin</strong> Gründerteams räume zur Verfügung. Dort haben sie<br />
die Möglichkeit, ihren Weg in die selbstständigkeit vorzubereiten.<br />
sie können ein ausgestattetes Büro nutzen, sich mit anderen<br />
Gründern und Gründerinnen austauschen und werden in<br />
ihrem Gründungsprozess durch den TU-Gründungsservice begleitet.<br />
Die angehenden Unternehmerinnen und Unternehmer<br />
können bis zu 18 Monate in der Gründungswerkstatt bleiben,<br />
bevor sie den schritt der Gründung vollziehen. <strong>parTU</strong> stellt die<br />
Teams vor, die zurzeit Mieter in der Werkstatt sind.<br />
Team: Brightside Games<br />
Gründer: Thomas Bedenk,<br />
Johannes Giering,<br />
Volker seeker<br />
Branche: software-entwicklung<br />
Das Unternehmen entwickelt zurzeit das Internetspiel „Zeit²“ (www.zeit2.com), das als<br />
Prototyp schon mehrfach für seine innovativen Spielmechaniken ausgezeichnet wurde.<br />
„Zeit²“ ist ein actiongeladenes Geschicklichkeitsspiel mit taktischen Elementen und integrierten<br />
Zeitreisen als interaktives Element.<br />
www.brightside-games.com<br />
Team: PLeYoNe<br />
Gründer: Duc Tung Vu, Trang Duy Nguyen,<br />
Quang Duy Phan<br />
Branche: Internet, Multimedia<br />
Die Geschäftsidee ist die Entwicklung einer Multimedia-Wissensdatenbank<br />
(MWD) und einer Community-Plattform, maßgeschneidert<br />
für Computerspieler. Das Neue an dieser Plattform liegt in der dahinter<br />
liegenden Wissensdatenbank, in der der Nutzer sein Wissen<br />
über das Spiel selbst modellieren und über die er Gleichgesinnte beziehungsweise<br />
Spielgegner finden kann.<br />
Team: Virtenio<br />
Gründer: Henri Kretschmer, Heiko Herzberg,<br />
stefan Ziegler, Torsten Hüter,<br />
Thomas Henn<br />
Branche: soft-/Hardware-entwicklung<br />
Das Gründungsvorhaben „Virtenio“ betreibt die Konzeption und Umsetzung<br />
einer virtuellen Maschine für drahtlose Sensorknoten. Mit dieser<br />
lassen sich Sensorknoten komfortabel in der Programmiersprache<br />
„Java“ programmieren. Der Ansatz ermöglicht es, komplexe dezentrale<br />
Anwendungen der Datenerfassung und Steuerung, wie sie beispielsweise<br />
in der Gebäudeautomatisierung auftreten, schneller und fehlerfreier<br />
umzusetzen. www.virtenio.de<br />
ein Haus<br />
Die Gründungswerkstatt<br />
Infrastruktur für den start<br />
24 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Fotos: TU-Pressestelle/??????
voller Ideen<br />
bietet jungen Teams die<br />
in die selbstständigkeit<br />
Fotos: TU-Pressestelle/??????<br />
Team: komoot<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 25<br />
eNTrePreNeUr<br />
Gründer: Daniel Gard, Markus und Tobias<br />
Branche: Navigation<br />
Team: sTATIoN-5<br />
Gründer: Anton Georg schenkel,<br />
Chi seng Phung<br />
Branche: Gesundheitswesen<br />
Hallermann, Jan Torben Heuer,<br />
Christoph Lingg, Jonas spengler<br />
„Komoot“ entwickelt Produkte zur individuellen Outdoor-<br />
Navigation. Mit diesen können Sportlerinnen und Sportler<br />
sowie Touristen ihre persönlichen Outdoor-Erlebnisse online<br />
sowie mobil mit ihrem GPS-fähigen Mobiltelefon planen<br />
und durchführen. Dabei werden alle streckenrelevanten<br />
Informationen zur Verfügung gestellt.<br />
www.komoot.de<br />
STATION-5 ist eine modulare medizinische Einrichtung auf Containerbasis<br />
für abgelegene Gebiete zum Beispiel in Schwellen- und Entwicklungsländer.<br />
Ausgehend vom Basismodul einer Arztpraxis mit Labor<br />
kann STATION-5 zu einem medizinischen Zentrum mit beispielsweise<br />
Geburtshilfe und OP erweitert werden. Das Gründungsteam befasst<br />
sich derzeit mit der konkreten Entwicklung und Umsetzung des Prototyps<br />
STATION-5.<br />
Team: Plattform erneuerbare energien<br />
Gründer: Christoph Birkner,<br />
Boris Heinz, sebastian scheibe<br />
Branche: erneuerbare energien und<br />
Internet<br />
Erarbeitet wird ein Web-Portal zur interaktiven Energiesystemberatung.<br />
Über das Web-Portal erhalten Immobilienbesitzer<br />
eine unabhängige und umfassende Beratung<br />
zu umweltfreundlichen Energiesystemen. Dazu ermittelt<br />
ein Algorithmus aus allen am Markt verfügbaren umweltverträglichen<br />
Energiesystemen wie zum Beispiel Erdwärme<br />
und Photovoltaik diejenigen, die am besten die technischen<br />
Anforderungen, lokalen Umwelt- und Förderbedingungen<br />
sowie Präferenzen des Immobilienbesitzers<br />
erfüllen. Während des interaktiven Beratungsprozesses<br />
wird der Endverbraucher zusätzlich mit den notwendigen<br />
Dienstleistern, wie Installateuren und Banken, vernetzt.<br />
www.ensys.tu-berlin.de<br />
www.gruendung.tu-berlin.de<br />
Die Vorgänger<br />
Folgende Teams haben den<br />
Service der Gründungswerkstatt<br />
genutzt und sich mittlerweile<br />
als Firma gegründet:<br />
Blue On Shop<br />
www.blueonshop.de<br />
Viardi Interactive<br />
www.viardi.eu<br />
FIKO<br />
www.fiko-ihk.de<br />
Citypendler<br />
www.citypendler.de<br />
Monopluqx<br />
www.monopluqx.de<br />
Musiqtogo<br />
www.musiqtogo.de
eNTrePreNeUr<br />
Teamtraining<br />
beim<br />
Iglubau nach<br />
eskimo-Art<br />
Normalerweise kosten Hobbys Geld.<br />
Alexander Klaußner aber hat die<br />
sache umgedreht und finanziert<br />
sich mit ihnen sein Leben<br />
26 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />
Manchmal können sich Studium und Freizeit in die Quere kommen.<br />
Manchmal, wie bei Alexander Klaußner, ergänzen sie sich<br />
zu einem Berufsbild. Wenn Klaußner, 1994 bis 2001 Student im<br />
Fach Wirtschaftsingenieurwesen an der TU <strong>Berlin</strong>, am Freitag<br />
nach einer langen Seminarwoche nach Hause kam, packte er<br />
damals oft seine Sachen und fuhr noch einmal los: ins österreichische<br />
Ötztal, um seine Wochenenden auf wilden Flüssen oder<br />
an steilen Berghängen zu verbringen. „Rafting, Canyoning oder<br />
Skifahren waren für mich der ideale Ausgleich zum Studium“,<br />
erinnert sich Klaußner. Am Sonntagabend kam er zurück nach<br />
<strong>Berlin</strong>, wo er sich schon im Studium auf Unternehmensgründung<br />
und -führung spezialisierte. Heute verbindet Alexander<br />
Klaußner Hobby und Beruf: Er leitet drei Outdoor-Unternehmen,<br />
die unter anderem Kanutouren, Übernachtungen in einem<br />
Schneehotel und Überlebenstraining im Eis anbieten.<br />
Die ersten Firmen gründete Klaußner noch während des<br />
Studiums gemeinsam mit Kommilitonen. Sie boten sich als Stipendienvermittler<br />
an oder starteten ein Internetportal, in dem<br />
die Lebensmittelbranche über ihre Produkte informieren konnte.<br />
„Solche Projekte sind zwar nach einer Weile eingeschlafen,<br />
aber wir haben gelernt, dass wir Ideen umsetzen können, wenn<br />
wir sie verfolgen“, sagt der 36-Jährige heute. Nach dem Studium<br />
wurde er Unternehmensberater – und blieb seinen Outdoor-<br />
Hobbys treu. Nebenbei promovierte er an der European Business<br />
School über „Führungsverhalten in Abhängigkeit von der<br />
Unternehmenslebensphase“.<br />
Diese Führungsstrategien kann Klaußner seit sieben Jahren<br />
selbst erproben: Ein Outdoor-Unternehmen, für das er als Berater<br />
gearbeitet hatte, suchte damals eine Nachfolge für die Geschäftsführung.<br />
Klaußner und ein Freund stiegen ein und machen<br />
seitdem mit der „Natur pur Outdoorsports GmbH“ ihre eigene<br />
Begeisterung für Rafting und Klettern zum Beruf. Vor drei<br />
Jahren kam die „Ötztaler Outdoorsports GmbH“ dazu, über die<br />
etwa Firmen ein Teamtraining im Hochseilgarten buchen können.<br />
Durch das Klettern oder gemeinsames Floßbauen sollen die<br />
Mitarbeiter als Gruppe zusammenwachsen, erklärt Klaußner.<br />
Und vor einem Jahr startete er das bislang ungewöhnlichste Unternehmen:<br />
Seine „Schneedorf GmbH“ betreibt von Dezember<br />
bis April auf 2000 Meter Höhe ein Igludorf im Ötztal, in dem 40<br />
Betten zur Verfügung stehen. Romantische Candle-Light-Dinner<br />
können hier ebenso gebucht werden wie Workshops, in dem<br />
Teams sich fit machen fürs Überleben im Eis beim gemeinsamen<br />
Iglubauen nach Eskimo-Art.<br />
Diese drei Firmen beschäftigen mittlerweile etwa 40 Mitarbeiter.<br />
2010 will Klaußner das nächste Unternehmen gründen:<br />
Es soll alle Outdoor-Angebote speziell für Firmenzwecke bündeln<br />
– beispielsweise als Assessmentcenter, in dem sich Bewerber<br />
im Kanu oder bei einer Wanderung beweisen müssen.<br />
Zunächst aber steht der Winter im Schneedorf an: „Es gibt<br />
inzwischen nichts mehr, was mich überraschen könnte“, sagt<br />
Klaußner. Im letzten Jahr habe es allein zwölf Verlobungen im<br />
Dorf gegeben. Immer wieder kommen Spezialwünsche von den<br />
Kunden: Ein Liebespaar will ein Iglu, in dem 100 Rosen drapiert<br />
sind. Ein Firmenchef will gemeinsam mit seinen Angestellten<br />
eine Eisskulptur schnitzen. „Silvester ist schon lange ausgebucht“,<br />
berichtet Klaußner stolz. „Valentinstag wird es auch<br />
bald sein.“ TINA roHoWsKI<br />
Weitere Informationen finden Sie im Internet<br />
www.schneedorf.com<br />
www.outdoor-parcours.com<br />
www.rafting-canyoning.de<br />
Fotos s. 24/25: TU-Pressestelle/Dahl; s. 26: privat
adikal neu denken<br />
Philipp oswalt, Direktor der Bauhaus-stiftung Dessau, über die aktuelle Bedeutung<br />
dieser epoche und die schwierigkeit, Grenzen zu überschreiten<br />
Herr Professor Oswalt, Sie sind Anfang des Jahres für fünf Jahre<br />
als Direktor der Bauhaus-Stiftung Dessau berufen worden. Was<br />
wollen Sie in diesen fünf Jahren erreicht haben?<br />
Die Aufgabe einer neuen Leitung ist es, neue Impulse zu geben.<br />
Generell sollte das Haus mehr Außenwirkung entfalten, sich intensiver<br />
dem historischen Bauhaus widmen, sich mehr in den<br />
heutigen Diskurs hierzulande einmischen. Dazu wird auch die<br />
Hinwendung zur Bauhaus-Stadt Dessau gehören – samt besserer<br />
touristischer Erschließung. Zum anderen will ich das Haus<br />
mehr zu einer offenen Plattform machen und auch stärker Kooperationen<br />
suchen. Ich sehe mich nicht als Nachlassverwalter<br />
– der Charme der Dessauer Einrichtung gegenüber Weimar<br />
und <strong>Berlin</strong> ist ja gerade, dass neben der Befassung mit dem Erbe<br />
auch die Auseinandersetzung mit der Gegenwart essenziell ist.<br />
Dieses Jahr haben wir zum Beispiel mit viel Erfolg eine Summer<br />
School mit ausländischen Hochschulen gestartet.<br />
Sie haben zuvor das internationale Projekt „Shrinking Cities –<br />
Schrumpfende Städte“ geleitet. Ist Ihre neue Aufgabe beruflich<br />
ein Bruch oder bedeutet sie Kontinuität?<br />
Ich sehe sie durchaus als thematische Fortführung. In meiner<br />
neuen Tätigkeit wird mich das Thema weiter beschäftigen, in<br />
ganz unterschiedlicher Hinsicht: Ganz praktisch mit der Internationalen<br />
Bauausstellung IBA Stadtumbau 2010, aber auch<br />
themenerweiternd mit Fragen des Klimawandels. An der IBA<br />
beteiligen sich 19 schrumpfende Städte des Landes, die jeweils<br />
lokale Handlungsmodelle für den Stadtumbau realisieren. Während<br />
wir uns im Projekt „Schrumpfende Städte“ konzeptionell<br />
den Fragen genähert haben, geht es hier um die Realisierung<br />
von konkreten Maßnahmen in den Klein- und <strong>Mitte</strong>lstädten<br />
Sachsen-Anhalts mit den dortigen Akteuren. Abgesehen von<br />
den inhaltlichen Fragen gibt es auch Kontinuitäten bezüglich<br />
der Arbeitsweise bei meiner neuen Tätigkeit. Die Befassung<br />
mit gesellschaftlich drängenden Fragen, das Zusammenführen<br />
verschiedenster Disziplinen aus Kunst und Wissenschaft, die<br />
internationale Vernetzung – all dies war wichtig beim Projekt<br />
„Schrumpfende Städte“ und ist es jetzt auch bei der Arbeit in<br />
der Stiftung.<br />
Wofür steht für Sie das Bauhaus?<br />
Das Bauhaus war für mich seit meiner Studentenzeit eine wichtige<br />
Orientierungsmarke mit dem Ideal, die Aufgaben der Zeit<br />
mit modernen <strong>Mitte</strong>ln und einer gesellschaftlichen Verantwortung<br />
gestalterisch gut und innovativ zu lösen. Dieses Programm<br />
ist heute ebenso relevant wie damals. Eine spezifische Ästhetik,<br />
gar ein Bauhaus-Stil, interessiert mich hingegen weniger, weil<br />
mich Stilfragen im Allgemeinen nicht so interessieren. Mich reizen<br />
die Arbeitsweise und die Programmatik. Dazu gehört das<br />
Foto: Yvonne Tenschert, 2009, stiftung Bauhaus Dessau<br />
Verständnis, Gestaltung als gesellschaftliche Aufgabe zu sehen.<br />
Hinzu kommen die Transdisziplinarität und die Bereitschaft zur<br />
Radikalität, die Dinge grundsätzlich und radikal neu zu denken.<br />
Sie sind Architekt. Was würde aus Ihrer Sicht radikal neu zu<br />
denken – bezogen auf die Architektur – heute mit Blick auf das<br />
noch vor uns liegende 21. Jahrhundert bedeuten?<br />
Radikalität im Denken heißt heute sicher etwas anderes als zu<br />
Zeiten des historischen Bauhauses. Das Bauhaus, wie es 1919<br />
gegründet wurde, ist als Reaktion auf das politische und humanitäre<br />
Desaster des Ersten Weltkriegs zu verstehen. Solch einen<br />
dramatischen Einschnitt haben wir heute zum Glück nicht. Die<br />
entscheidenden Prozesse ereignen sich schleichend, wie der Klimawandel,<br />
aber auch der demografische Wandel, die vor allem<br />
längerfristig wirken. Gerade hier aber, angesichts schleichender<br />
Probleme, brauchen wir eine neue Radikalität im Denken.<br />
Ich glaube, dass wir zwar übermäßig auf medial dramatisch<br />
inszenierbare Ereignisse wie Terror-Anschläge reagieren, dass<br />
wir aber eine mangelnde Sensibilität haben für langfristige Prozesse.<br />
Worin sich das äußern könnte, ist zum Beispiel die Zusammenführung<br />
unterschiedlicher Professionen, eine gemeinsame<br />
Arbeit, wie sie bereits das Bauhaus praktizierte. Das halte<br />
ich nach wie vor für wesentlich – und viel zu selten praktiziert.<br />
Auch die Internationalität der Autorenschaften im Bauhaus ist<br />
beispielhaft. All das sind Aspekte, die immer noch große Gültigkeit<br />
haben und die wir auf zeitgenössische Fragen anwenden<br />
müssen.<br />
Dabei ist die Autonomie der Disziplinen zu hinterfragen. Da<br />
gibt es Architektur, dort Politik, hier Design – so funktioniert<br />
die Welt nicht. Zusammenhänge zu erschließen, Synergien zu<br />
entdecken und zu nutzen – das heißt für mich Radikalität im<br />
Denken. Nehmen Sie zum Beispiel unsere Konferenz zur Finanzkrise,<br />
die wir im November im Bauhaus veranstalteten: Da untersuchten<br />
wir die Zusammenhänge zwischen Finanzkrise, Bauwirtschaft<br />
und Architektur – nichts davon ist heute vereinzelt<br />
denkbar; und eben deshalb kann auch nur angemessen reagieren,<br />
wer die Zusammenhänge in den Blick nimmt.<br />
Anlässlich des 90-jährigen Bauhaus-Jubiläums in diesem Jahr<br />
haben Sie einen Essay-Band herausgegeben, der sich mit den<br />
Kontroversen um das Bauhaus von 1919 bis heute beschäftigt.<br />
Welche Erkenntnisse haben Sie durch diese Arbeit hinsichtlich<br />
der Rezeptionsgeschichte des Bauhauses gewonnen?<br />
Wesentlich am Bauhaus war die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher<br />
Positionen, die stets im fruchtbaren Widerstreit lagen. Das<br />
Bauhaus als eine der Ikonen der Moderne war von Anfang an<br />
umstritten, in internen Auseinandersetzungen ebenso wie durch<br />
Kritik oder Anfeindungen von außen. Und mit dem Ende des<br />
Bauhauses war es mit dem Streit keineswegs vorbei. In diesen<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 27<br />
alUMNi HeUTe
alUMNi HeUTe<br />
Philipp Oswalt,<br />
Direktor der stiftung<br />
Bauhaus Dessau<br />
Auseinandersetzungen offenbaren sich Idee und Ideologie des<br />
Bauhauses wie nirgendwo sonst. Hier werden die programmatischen<br />
Grundfragen der Moderne deutlich. Es zeigt sich, dass<br />
es ebenso wenig die Moderne wie das Bauhaus gibt, sondern<br />
unterschiedliche, widersprüchliche und gar gegensätzliche Strömungen<br />
und Positionen: die Bauhäuser.<br />
Und wohl kaum eine andere kulturelle Bewegung durchlief<br />
ein solches Kaleidoskop politischer Instrumentalisierung.<br />
In diesen Kontroversen spiegelt sich das Verhältnis von Politik<br />
zur Kultur im 20. Jahrhundert und damit auch die Geschichte<br />
deutscher Identitätskonstruktionen.<br />
Eine Aufgabe der Stiftung Bauhaus Dessau sei es, sagen Sie,<br />
sich in Projekten vor dem Hintergrund des Bauhaus-Erbes mit<br />
der Gegenwart auseinanderzusetzen. Können Sie ein konkretes<br />
Projekt nennen, in dem dies geschieht?<br />
Diese Aufgabe der Stiftung haben ja bereits meine beiden Vorgänger<br />
wahrgenommen, indem sie von der Stiftung aus stadtplanerische<br />
Projekte betrieben haben. Ich werde hier andere Akzente<br />
setzen. Ich sehe die Stiftung primär als Bildungsinstitution.<br />
So beschäftigten wir uns – wie bereits erwähnt – in diesem<br />
Herbst in einer Konferenz mit dem Einfluss der Finanzmärkte<br />
auf das Bauwesen. <strong>Mitte</strong>lfristig möchte ich mich mit der Stiftung<br />
unter anderem Fragen des Klimawandels widmen.<br />
Zur Person<br />
Philipp Oswalt, geboren 1964 in Frankfurt/Main, studierte architektur an der TU <strong>Berlin</strong><br />
und der Hochschule der Künste in <strong>Berlin</strong>. Bevor er sich 1998 als architekt selbstständig<br />
machte, arbeitete er in dem renommierten architekturbüro „Office for Metropolitan<br />
architecture/rem Koolhaas, rotterdam“. Von 2002 bis 2008 leitete er das Projekt<br />
„schrumpfende städte“, ein Vorhaben der Kulturstiftung des Bundes in Zusammenarbeit<br />
unter anderem mit der Bauhaus-stiftung Dessau, deren Direktor er seit März<br />
dieses Jahres ist. an der <strong>Universität</strong> Kassel lehrt er seit 2006 als Professor für architekturtheorie<br />
und entwerfen. Philipp Oswalt ist autor und Herausgeber mehrerer Publikationen.<br />
sein jüngstes Buch „Bauhaus streit“ ist im Hatje Cantz Verlag erschienen<br />
und kostet 20 euro. sn<br />
Am Bauhaus Dessau gibt es eine Postgraduierten-Ausbildung.<br />
Was sind Ziel und Inhalt dieser Ausbildung und auf welche Resonanz<br />
stößt sie?<br />
Inhaltlich geht es in der Bauhaus-Akademie, der zurzeit vor allem<br />
das einjährige Kolleg und, mit etwas anderer Ausrichtung,<br />
die Sommerschule zugeordnet sind, um eine transdisziplinäre<br />
berufliche Weiterbildung, die Forschung und Gestaltung eng<br />
aneinanderkoppelt. Die klaren Grenzen zwischen den an der<br />
Stadtgestaltung beteiligten Disziplinen lösen sich immer weiter<br />
auf. Wir versuchen in der Akademie, die Vermittlung von<br />
Methoden und Strategien mit ihrer Anwendung in der Praxis<br />
zu verbinden.<br />
Jedes Jahr haben wir etwa 20 Kollegiaten, die für zwei Semester<br />
ans Bauhaus kommen. Wir haben viele Teilnehmer aus<br />
Süd- und Nordamerika und Asien, etwa Indien und Brasilien;<br />
die Europäer sind eher in der Minderzahl. Sie alle haben eine<br />
abgeschlossene Ausbildung, ob als Architekt, Künstler oder Sozialwissenschaftler.<br />
Das Kolleg ist immer einem Thema gewidmet.<br />
Im ersten Semester steht die Analyse im Vordergrund, meist<br />
anhand zweier internationaler Beispiele. Im zweiten Semester<br />
folgt dann die Formulierung von Handlungsstrategien, immer<br />
auch verknüpft mit realen Interventionen vor Ort. Im Nachgang<br />
entstehen dann meist auch ein Buch und eine Ausstellung.<br />
Bestehen zwischen der Stiftung Bauhaus Dessau und der TU<br />
<strong>Berlin</strong> wissenschaftliche Kooperationen?<br />
In diesem Jahr haben wir erstmals mit dem Center for Metropolitan<br />
Studies im Rahmen unserer Postgraduierten-Ausbildung<br />
zusammengearbeitet. Ich selber habe immer wieder bei<br />
verschiedenen Projekten mit einzelnen Wissenschaftlern der TU<br />
<strong>Berlin</strong> kooperiert.<br />
DAs GesPräCH FüHrTe sYBILLe NITsCHe<br />
28 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: Doreen ritzau, 2009, stiftung Bauhaus Dessau
„Ich bin für alles bis zur<br />
Grasnarbe zuständig“<br />
Werner Dauben sucht für Gazprom nach unterirdischen speicherstätten<br />
Auf der Suche ist Werner Dauben schon sein ganzes Berufsleben<br />
lang. Allerdings nicht nach seinem Traumjob – den hat er längst<br />
gefunden. Sondern nach Schätzen, die selbst Experten nur mühsam<br />
zutage bringen können: Dauben, der von 1986 bis 1993<br />
Geologie und Geophysik an der TU <strong>Berlin</strong> studiert hat, forscht<br />
nach Erdgas, Erdöl oder unterirdischen Speicherräumen für die<br />
Energieträger. „Explorations- und Entwicklungsgeologe“ nennt<br />
sich sein Beruf offiziell. „Mittlerweile bin ich für alles bis zur<br />
Grasnarbe zuständig“, ist Daubens Übersetzung nach 16 Jahren<br />
im Beruf. Für das Suchen und Erschließen von Lagerstätten<br />
ist er heute bei Gazprom Germania verantwortlich, einem<br />
Tochterunternehmen des russischen Versorgers Gazprom: Dort<br />
beschäftigt er sich mit Geologie, Geophysik sowie Lagerstätten-<br />
und Untertage-Technik.<br />
Der 45-Jährige interessierte<br />
sich schon als Abiturient<br />
für Erdgas, Erdöl und Erze –<br />
und kam deshalb an die TU<br />
<strong>Berlin</strong>. Ihre Anfänge als Bergakademie<br />
im 18. Jahrhundert<br />
prägen die Hochschule bis<br />
heute. Dauben konnte unter<br />
anderem Veranstaltungen<br />
am Institut für Lagerstättenforschung<br />
und Rohstoffkunde<br />
besuchen. Später folgte ein<br />
Auslandsjahr an der University<br />
of Oklahoma in den USA,<br />
die als eine der führenden<br />
Nachwuchsschmieden für<br />
die Erdgas- und Erdölindustrie<br />
gilt. Auch nach dem Studium<br />
zog es den gebürtigen<br />
Mönchengladbacher in die<br />
weite Welt: Er arbeitete für die<br />
Preussag AG an Projekten in<br />
Albanien, Ecuador und Neuseeland<br />
und ging für mehrere<br />
Jahre nach Venezuela.<br />
Eine Kampagne zur Erdgas-<br />
oder Erdölexploration<br />
startet meist mit einer Ausschreibung: Ein Unternehmen vermutet<br />
beispielsweise ein Gasfeld und sucht Partner. Daubens<br />
Aufgabe ist es heute, sich die Projektdaten genauer anzuschauen:<br />
Wie groß könnte das Gasfeld sein? Wie lange würde eine<br />
Erkundung dauern? Und: Wie hoch wird am Ende der Profit<br />
sein? Dann entscheidet die Firmenleitung über eine Beteiligung.<br />
„Heute simuliert man vieles mit 3-D-Modellen“, sagt Dauben.<br />
Am Computer werden dann virtuelle Bohrungen vorgenommen.<br />
Das Programm ermittelt beispielsweise, wie sich die Gasproduktion<br />
und der Druck verändern. Zwischen Projektbeginn und<br />
Foto: privat<br />
ersten Gasgewinnen können bei einer großen Lagerstätte, die<br />
rund 50 Milliarden Kubikmeter Gas enthält, zehn Jahre liegen.<br />
Dafür folgen rund 20 Jahre Förderung.<br />
Doch Dauben sucht nicht nur nach Gas. Derzeit prüft er für<br />
Gazprom Germania, wo sich geologische Strukturen als Erdgasspeicher<br />
eignen. Bis 2012, wenn die Ostsee-Pipeline von Russland<br />
nach Deutschland fertig ist, muss das ankommende Gas<br />
möglichst nah an der Ostseeküste gespeichert werden. Seit zwei<br />
Jahren ist Dauben deshalb in Mecklenburg-Vorpommern auf<br />
der Suche nach unterirdischen Porenspeichern, die wie eine Art<br />
Schwamm aus Stein in ihren Hohlräumen das Gas aufnehmen<br />
könnten. Durch Bohrungen ermittelt er, ob Speichergesteine und<br />
dichte Deckschichten vorhanden sind. LKW mit Rüttelplatten<br />
fahren über den Boden, sodass sich anhand der reflektierten<br />
Schallwellen der geologische Aufbau der Erdschichten darstellen<br />
lässt. Auch mit kleinen Sprengungen und anschließenden seismischen<br />
Messungen erkundet der Geologe ein Gebiet.<br />
Bislang hat das Team eine kleine Erdgasfalle in Hinrichshagen<br />
gefunden, die aber nicht ausreichen wird. Dauben setzt seine<br />
Hoffnung ins nächste Jahr: Dann startet eine neue Suchkampagne,<br />
die vier bis sechs Gasfallen im Nordosten prüft. Dauben<br />
weiß: „Man braucht Ausdauer in diesem Geschäft.“<br />
TINA roHoWsKI<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 29<br />
alUMNi HeUTe<br />
Werner Dauben bei<br />
seismischen Messungen<br />
in Mecklenburg-Vorpommern;<br />
im<br />
Hintergrund sind die<br />
lkw mit den rüttelplatten<br />
zu sehen
alUMNi HeUTe<br />
Mehr als drei Tassen mit<br />
Zwiebelmuster und ein Mops<br />
Christian Kurtzke will das etwas betuliche Image des Meissener Porzellans verändern<br />
30 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />
Zehn Arbeitstage braucht es, bis die 3000 Blüten die Schneeballblütenvase<br />
zieren. Jede wird einzeln und per Hand auf den<br />
Korpus des etwa 70 Zentimeter hohen Gefäßes gesetzt. Und<br />
wenn nach dem Brennen und Bemalen das 17 000 Euro teure<br />
Kunstwerk aus purem Meissener Porzellan dann funkelt und<br />
strahlt, ist am Ende das Marketing, die Inszenierung doch alles.<br />
Christian Kurtzke weiß das. Und er inszeniert. Mit zurückhaltend<br />
bekleideten mediterranen Schönheiten, mit aufwändigen<br />
Präsentationen einer neuen Schmuckkollektion in Mailand und<br />
<strong>Berlin</strong>, mit eigens für die Frankfurter Buchmesse angefertigten<br />
Porträts chinesischer Schriftsteller auf Meissener Porzellantafeln<br />
und mit goldenen Manschettenknöpfen für Barak Obama.<br />
Amerikas Präsident hatte sie im Sommer dieses Jahres während<br />
seines Besuches in Dresden geschenkt bekommen. Das alles<br />
soll Begehrlichkeiten wecken nach dem weißen Gold mit den<br />
berühmten gekreuzten kobaltblauen Schwertern.<br />
Die gewollt Aufmerksamkeit erheischende Attitüde ist neu<br />
für die Meissener Porzellan-Manufaktur. So neu wie Christian<br />
Kurtzke an der Spitze des traditionsreichen Unternehmens. Vor<br />
einem Jahr übernahm er als Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
die Leitung der ältesten Porzellanmanufaktur Europas, die im<br />
Jahr 1710 gegründet worden war. Meist spricht Christian Kurtzke<br />
jedoch von Europas erster Porzellanmanufaktur. Vielleicht,<br />
weil es frischer klingt, mehr dem Hier und Jetzt zugewandt. Weniger<br />
betulich und betagt. Außerdem lässt sich so einfacher der<br />
Bogen schlagen zu einer anderen Tatsache, dass die Manufaktur<br />
auch in Sachen Bekanntheitsgrad der Primus unter allen Luxusmanufakturen<br />
in Deutschland ist.<br />
Kurtzke hat wahrlich einen Schatz anvertraut bekommen: ein<br />
in 300 Jahren gewachsenes kunsthandwerkliches und künstlerisches<br />
Können, das jedes Stück aus der Manufaktur einzigartig<br />
werden lässt in seiner ästhetischen Ausdruckskraft und seiner<br />
Perfektion, und das, gerade weil alles noch immer manuell gefertigt<br />
und bemalt wird. Selbst die Schwerter werden per Hand<br />
aufgezeichnet. (Warum ist die Manufaktur eigentlich noch nicht<br />
zum Unesco-Welterbe erklärt worden? – Noch hat hier keiner<br />
die Absicht, die Brücken abzubauen zu dem, was die Manufaktur<br />
ganz wesentlich ausmacht – die manuelle Fertigung.)<br />
150 000 Erzeugnisse von der Miniaturfigur bis zur Groß-<br />
Zur Person<br />
Dr.-ing. Christian Kurtzke (Foto) studierte elektrotechnik und Telekommunikation<br />
an der TU <strong>Berlin</strong>. Für herausragende studienleistungen wurde er<br />
mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem erwin-stephan-Preis der<br />
TU <strong>Berlin</strong>. Dort und am Heinrich-Hertz-institut promovierte er auch. in Führungspositionen<br />
verschiedener Großkonzerne und mittelständischer Unternehmen<br />
sammelte er umfangreiche erfahrungen im Management. er arbeitete<br />
für siemens in Deutschland und für die Boston Consulting Group in<br />
den Usa. Bevor er die Geschäftsführung der Porzellanmanufaktur in Meißen<br />
übernahm, war er als Geschäftsleiter für die Neuausrichtung eines Großküchenanbieters<br />
verantwortlich. er ist inhaber mehrerer internationaler Technologie-Patente<br />
und autor des Buches „Das wissensbasierte Unternehmen“.
plastik gehören zum Repertoire. So ist zum Beispiel der Weißkopfseeadler,<br />
das Wappentier der USA, in der amerikanischen<br />
Botschaft in <strong>Berlin</strong> aus Meissener Porzellan und der berühmte<br />
Dresdener Fürstenzug ist es auch. Und doch ist die öffentliche<br />
Wahrnehmung der Manufaktur besonders in Deutschland<br />
stark reduziert „auf drei Kaffeetassen mit Zwiebelmuster“ und<br />
einen Mops. Aber die Manufaktur ist nicht die immerwährende<br />
Vervielfältigung einer Tasse. „Sie ist viel mehr, war es schon<br />
immer, nur ist das außerhalb eines Kreises von Kennern kaum<br />
bekannt“, sagt der 40-jährige gebürtige <strong>Berlin</strong>er. Eine merkwürdige<br />
Mischung aus Bescheidenheit und Selbstgenügsamkeit hat<br />
dazu geführt, dass in der Vergangenheit nach außen zu wenig<br />
kommuniziert wurde. „Zwar hat auch uns die Krise voll erfasst;<br />
in Russland zum Beispiel haben sich die Umsätze gedrittelt.<br />
Aber auch ohne Krise kämen wir nicht umhin, neue Kunden zu<br />
erschließen und für die bestehenden den Service zu erhöhen“,<br />
resümiert der TU-Alumnus knapp.<br />
Christian Kurtzke will die Porzellanmanufaktur zu der führenden<br />
Manufaktur für Luxusgüter in Europa machen. Im asiatischen<br />
Markt in Taiwan und Japan traditionell gut verankert,<br />
hat sie auf dem heimischen Kontinent nicht den Stellenwert, den<br />
er sich wünscht. Es ist ein extrem ehrgeiziges Ziel, denn Porzellan<br />
ist im Zuge der Industrialisierung zu einem Material für<br />
Alltagsgüter geworden und von daher längst kein Stoff der Begierde<br />
mehr. Kurtzke aber muss diese Begehrlichkeiten für das<br />
Meissener Porzellan wieder wecken.<br />
Er tut es mit einer neuen Werbekampagne, die die Wahrnehmung<br />
des Porzellans nach außen verändern soll – als ein Gut,<br />
das unverzichtbarer Bestandteil eines modernen luxuriösen Lebensstils<br />
ist –, und mit neuen Produkten. Eine Schmuckkollektion<br />
aus Gold, Porzellan und Brillanten wurde auf den Markt<br />
gebracht. Und in den Werkstätten und Laboren arbeiten die Mitarbeiter<br />
unter dem Leiter der künstlerischen Porzellan-Wandgestaltung<br />
auf Hochtouren an einer Linie für die gehobene Innenausstattung,<br />
die das gewohnte liebliche Bild der Manufaktur<br />
von üppiger Blütenmalerei in den Grundfesten erschüttert.<br />
Wolfgang Krause freut das Staunen seines Gastes, und da er etwas<br />
an den Schauspieler Joachim Król erinnert, meint man auf<br />
seinem lächelnden Gesichtsausdruck den Satz zu lesen: „Wir<br />
können auch anders!“ Da werden geometrische Landschaften<br />
von edler, eleganter Anmutung entworfen, die auf einer einzigen<br />
Porzellantafel gründen, deren Grundmaß 7,5 mal 7,5 Zentimeter<br />
ist und, multipliziert mit den unterschiedlichsten Faktoren, unendliche<br />
Varianten an Größe und Form bereithält. Experimentiert<br />
wird mit glatten und reliefartigen Oberflächen, unifarben,<br />
gemustert oder auch mit Tupfern floraler Verspieltheit. Die Porzellantafeln<br />
sind als Wandgestaltung für Hotels, Restaurants,<br />
Läden, öffentliche Gebäude, Villen und Yachten gedacht.<br />
Mögen auch die Skeptiker Kurtzke auf diesen neuen Wegen<br />
folgen, weniger plausibel erscheint manchem, dass unter dem<br />
Logo der gekreuzten Schwerter Exponate auf den Markt kommen,<br />
die weder in der Manufaktur gefertigt worden sind noch<br />
sonst irgendwie aus Porzellan bestehen. Sein Ansatz, mit Geschmeiden<br />
aus Gold und Brillanten „Begehrlichkeiten für das<br />
Porzellan“ zu wecken, überzeugt noch nicht jeden. „Sowohl mit<br />
der Auflage einer neuen Schmuckkollektion als auch mit einem<br />
verstärkten Engagement im Bereich der gehobenen Innenausstattung<br />
kehre ich zu den Anfängen der Manufaktur zurück. Die<br />
Idee, über Schmuck die Aufmerksamkeit für das Porzellan zu<br />
gewinnen, stammt vom Erfinder selbst. Johann Friedrich Böttger<br />
engagierte den Hofgoldschmied, ließ ihn Ringe und Ketten<br />
entwerfen und lenkte so das Interesse bei Hofe auf das Porzel-<br />
Fotos: TU-Pressestelle/Dahl<br />
lan“, argumentiert Kurtzke. Und dass das Porzellan nicht zur<br />
Herstellung von Geschirr gedacht war, sondern zur prunkvollen<br />
Ausstattung der Schlösser Augusts des Starken, sei leider auch<br />
in Vergessenheit geraten.<br />
Es wird schnell klar: Sowohl Christian Kurtzke als auch Wolfgang<br />
Krause definieren Tradition anders als vielleicht mancher<br />
Liebhaber des Meissener Porzellans. Für beide heißt Tradition<br />
– neben der Bewahrung des einmaligen kunsthandwerklichen<br />
Erbes – , innovativ zu sein, „weil Johann Friedrich Böttger von<br />
Beginn an innovativ war – schließlich hat er das erste europäische<br />
Porzellan erfunden<br />
– und die Manufaktur in<br />
ihrer langen Geschichte<br />
immer innovativ geblieben<br />
ist“, sagt Kurtzke.<br />
Wie sonst sei es zu interpretieren,<br />
dass an den<br />
150 000 Produkten vom<br />
Teller bis zur Skulptur<br />
die verschiedensten<br />
Stilepochen in Design<br />
und Dekor ablesbar seien<br />
vom Barock bis hin<br />
zum Art déco der berühmten<br />
Börner-Vasen.<br />
Die Künstler der Manufaktur,<br />
so Kurtzke, hätten<br />
sich immer mit dem<br />
Zeitgeist auseinandergesetzt<br />
und eine eigene<br />
künstlerische Antwort<br />
gefunden. (Ja, auch Porzellanköpfe<br />
von Marx,<br />
Engels, Lenin und Thälmann<br />
gehören dazu.)<br />
Bei Wolfgang Krause<br />
nährt sich sein Traditionsverständnis<br />
noch<br />
aus seinem stupenden<br />
Wissen über die Vorzüge<br />
des Materials und<br />
der Fertigung in einer<br />
Manufaktur, sodass er<br />
schwer nachvollziehen<br />
kann, warum Neues<br />
der Manufaktur schaden<br />
sollte. Außerdem ist<br />
er zu sehr Künstler, als dass er in dem Porzellan nicht ein Material<br />
sehen würde, das er nach seinem Willen formt.<br />
Meissens Antwort auf veränderte Lebensstile und Essgewohnheiten<br />
im Bereich der Tischkultur, einem Segment also,<br />
mit dem die Manufaktur so stark verknüpft wird, ist in dem sogenannten<br />
„Flagshipstore“ in <strong>Berlin</strong> Unter den Linden zu sehen.<br />
In der <strong>Mitte</strong> des Raumes steht nicht das 36-teilige Kaffeeservice<br />
für die Großfamilie, sondern in Szene gesetzt sind Espressotassen,<br />
sachlich-elegant designte Teeschalen, dezent bemalt mit einem<br />
Drachen, Schalen für Müsli, Teller für Pasta und Sets für<br />
Sushi. Ganz weltoffen also. So weltoffen, wie August der Starke<br />
sich 1710 zeigte, als er die Gründung der Königlichen Porzellan-Manufaktur<br />
verkündete. Das Dekret erließ er in vier Sprachen<br />
– in Deutsch, Lateinisch, Französisch und Holländisch.<br />
sYBILLe NITsCHe<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 31<br />
alUMNi HeUTe<br />
Die Manufaktur<br />
im nächsten Jahr begeht die staatliche Porzellan-Manufaktur<br />
Meissen ihr 300-jähriges Jubiläum. Die drei Geschäftssäulen<br />
sind die gehobene innenausstattung für<br />
Hotels, restaurants, öffentliche Gebäude und den privaten<br />
sektor, luxuriöse Tischkultur sowie das wiederbelebte<br />
segment schmuck und accessoires. in der Manufaktur<br />
sind 800 Mitarbeiter beschäftigt, davon 350 im künstlerischen<br />
Bereich. eigentümer der Manufaktur ist der Freistaat<br />
sachsen. Der abbau des Kaolins, jenes Grundstoffes<br />
für die Porzellanherstellung, erfolgt übrigens in einem eigenen<br />
Bergwerk nahe Meißen.
alUMNi HeUTe<br />
Arbeiten im Untergrund<br />
Der Bauingenieur Jens Neugebauer ist Herr über die Kanäle<br />
bei den <strong>Berlin</strong>er Wasserbetrieben<br />
Gummistiefel und Bauhelm gehören ins Gepäck, wenn Jens<br />
Neugebauer eine „seiner“ Baustellen besucht. Und meistens<br />
geht es tief hinab, wie in der Baugrube am Kiehlufer im <strong>Berlin</strong>er<br />
Bezirk Neukölln. Dort haben die <strong>Berlin</strong>er Wasserbetriebe<br />
(BWB) den Ersatzneubau eines Abwasserrohres unter dem<br />
Neuköllner Schifffahrtskanal in Auftrag gegeben. „Wir unterqueren<br />
den Kanal mit einem Stahlbetonvortriebsrohr, das ei-<br />
nen Außendurchmesser von zwei Metern hat“, erläutert der Ingenieur.<br />
Hier werden anschließend zwei Abwasserrohre mit einem<br />
Innendurchmesser von 25 und 100 Zentimeter eingezogen,<br />
die künftig das Regen- und Schmutzwasser der Umgebung ableiten.<br />
Sie sind so konzipiert, dass zwischen Oberlauf und Unterlauf<br />
ein Höhenunterschied besteht: „So kann das Abwasser<br />
anschließend im freien Gefälle abfließen“, sagt Neugebauer.<br />
Besonders stolz ist der Leiter des Bereiches Bau, Kanäle und<br />
Hausanschlüsse der BWB auf das Bauverfahren, den Mikrotunnelbau.<br />
In <strong>Berlin</strong> gehört er seit mittlerweile 25 Jahren zur Standardbauweise.<br />
Neugebauer hat dessen Entwicklung während<br />
seiner beruflichen Laufbahn intensiv begleitet.<br />
Als einer der Pioniere des Mikrotunneling, so berichtet Neugebauer,<br />
gilt der frühere Leiter des Unternehmensbereiches Netze<br />
der BWB, Knut Möhring, auch er ein TU-Absolvent. „Bereits<br />
1984 wurde in <strong>Berlin</strong> von den damaligen Entwässerungswerken<br />
der weltweit erste vollautomatisch gesteuerte Rohrvortrieb für<br />
Vortriebsrohre mit einem Innendurchmesser von 25 Zentimetern<br />
ausgeführt“, sagt Neugebauer. Parallel dazu wurden Hausanschluss-Vortriebsmaschinen<br />
entwickelt. Mit diesen Maschinen<br />
war es möglich, komplett unterirdisch verschiedene Grundstücke<br />
sternförmig an die Straßenkanäle anzuschließen. „Diese<br />
kostensparende Bauweise wird in Fachkreisen ,<strong>Berlin</strong>er Bauweise‘<br />
genannt“, berichtet der Ingenieur.<br />
Die Grundlagen für seinen verantwortungsvollen Beruf erwarb<br />
Neugebauer, der viel lieber von seiner Arbeit als über sich<br />
selbst spricht, von 1965 bis 1974 an der TU <strong>Berlin</strong> während seines<br />
Studiums des Konstruktiven Ingenieurbaus. „Meine Einführungsveranstaltung<br />
erlebte ich in einem völlig überfüllten<br />
Hörsaal. Die Professoren trugen noch Talare und ich glaube, ich<br />
hatte mir einen Schlips umgebunden“, erinnert er sich. Damals<br />
war uneingeschränkter Herrscher an einem Lehrstuhl der Professor.<br />
„Dann kam lange nichts, und dann kam der 1. Oberassistent“,<br />
beschreibt er die Hierarchie vor den Studentenprotesten<br />
der späten 60er- und frühen 70er-Jahre. „1968 waren wir<br />
hochschulpolitisch aktiv und wollten an der TU <strong>Berlin</strong> etwas<br />
verändern. Deshalb wurden Vorlesungen bestreikt“, erzählt er.<br />
Als Jens Neugebauer sein Studium erfolgreich beendet hatte,<br />
herrschte in Deutschland eine Baurezession. „Deshalb beschloss<br />
ich, Gewerbelehrer zu werden“, sagt der 63-Jährige und<br />
schrieb sich für ein pädagogisches Studium an seiner Uni ein.<br />
Parallel arbeitete er als Statiker und Prüfstatiker in verschiedenen<br />
Ingenieurbüros und absolvierte in Abendkursen eine Zusatzausbildung<br />
als Schweißfachingenieur. Dann lockte eine<br />
Stelle als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Baukonstruktion<br />
und Festigkeit der TU <strong>Berlin</strong>.<br />
Bevor Jens Neugebauer am 1. April 1989 bei den <strong>Berlin</strong>er<br />
Wasserbetrieben in leitender Position anfing, hat er circa zehn<br />
Jahre in einem <strong>Berlin</strong>er Unternehmen für Tief- und Rohrleitungsbau,<br />
das insbesondere auf dem Gebiet Rohrvortriebe tätig<br />
war, gearbeitet. Wenn Neugebauer heute in 16 Meter Tiefe<br />
in der Baugrube steht, dann macht ihm keiner etwas vor. Aufmerksam<br />
mustert er die 80 Zentimeter dicken Schlitzbetonwände,<br />
die das Grundwasser aus der Baugrube fernhalten. Drei bis<br />
vier Rohre pro Tag schiebt die Maschine unter dem Neuköllner<br />
Schifffahrtskanal hindurch. Aber diese Technik spart nicht nur<br />
Kosten, sie ist mittlerweile auch weltweit Standard. Daran hat<br />
der <strong>Berlin</strong>er Jens Neugebauer sein Berufsleben lang mitgearbeitet.<br />
ANDreA PUPPe<br />
32 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: TU-Pressestelle/Dahl
Mit 4000 euro nach<br />
New York, sydney, Paris<br />
Was erwin-stephan-Preisträger mit ihrem Preisgeld unternommen haben<br />
Am 7. Februar 1992 vergab der damalige TU-Präsident Prof.<br />
Dr. Manfred Fricke erstmals den Erwin-Stephan-Preis an zwölf<br />
TU-Absolventinnen und TU-Absolventen. Bis heute wird der<br />
Preis jährlich zweimal vergeben. Somit sind in den vergangenen<br />
Jahren rund 250 Absolventinnen und Absolventen in den Genuss<br />
der 4000 Euro gekommen. Die jährliche Anzahl der Preisträger<br />
schwankt und ist abhängig von der Höhe der Zinserträge,<br />
aus denen die Prämie finanziert wird. Möglich wurde diese Auszeichnung<br />
durch Dr. Erwin Stephan. Der Diplomingenieur, der<br />
1974 starb, war technischer Leiter der Raboma-Maschinenfabrik<br />
und dort maßgeblich für die Weiterentwicklung einer Bohrmaschine<br />
für große Werkstücke verantwortlich. 1955 ernannte<br />
Management im „Big Apple“<br />
Foto: privat<br />
ihn die TU <strong>Berlin</strong> zum Ehrendoktor. Nach seinem Tode überließ<br />
er sein Vermögen zunächst seiner Frau Helene; als diese 1988<br />
starb, ging das Geld, wie Stephan es in seinem Testament verfügt<br />
hatte, an die TU <strong>Berlin</strong>. Sie konnte über die Verwendung<br />
des Geldes frei entscheiden und gründete im Jahr 1990 die Helene-und<br />
Erwin-Stephan-Stiftung. Angesichts der langen Studienzeiten<br />
vieler Studierender entschied man sich, einen Preis<br />
auszuloben, der diejenigen ehrt, die ihr Studium schneller und<br />
mit hervorragenden Leistungen abschließen. Um die Mobilität<br />
der Absolventen zu fördern, verband man die Vergabe des Preisgeldes<br />
mit der Auflage, davon einen Auslandsaufenthalt zu finanzieren.<br />
BeTTINA KLoTZ<br />
Vor rund zehn Jahren schloss Dr. Christian<br />
Kluge sein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens<br />
mit der Note „Sehr gut“ an<br />
der TU <strong>Berlin</strong> ab. Er benötigte dazu nur zehn<br />
Semester und war rund vier Semester schneller<br />
als seine Kommilitonen. Damit erfüllte er<br />
die Kriterien des Erwin-Stephan-Preises, der,<br />
verglichen mit anderen Auszeichnungen für<br />
Hochschulabschlüsse, mit 4000 Euro recht<br />
hoch dotiert ist. „Mir hat das Preisgeld einen<br />
mehrmonatigen Forschungsaufenthalt<br />
an der Columbia University in New York ermöglicht“,<br />
sagt Christian Kluge, der im Anschluss<br />
an sein Studium mit der Promotion<br />
an der TU-Fakultät Wirtschaft und Management<br />
begann und in den USA Wissenschaftler<br />
und Unternehmer zum Thema Kooperationsmanagement<br />
befragt hat. Schon während des<br />
Studiums verbrachte er ein Jahr an der École<br />
de Management in Lyon im Rahmen eines<br />
Doppeldiplomprogamms. „Meine Lust auf<br />
fremde Länder habe ich auf jeden Fall durch<br />
diese Aufenthalte weiter gestärkt. Wenn sich<br />
beruflich die Situation ergeben sollte, eine<br />
Position im Ausland anzutreten, wäre ich absolut<br />
nicht abgeneigt“, so Kluge, der heute<br />
als Leiter Multiprojekt controlling Fahrzeuge<br />
im Bereich Forschung und Entwicklung bei<br />
BMW in München arbeitet. „Der Erwin-Stephan-Preis<br />
ist so etwas wie das Salz in der<br />
Suppe. Toll, dass die TU <strong>Berlin</strong> diesen Preis<br />
vergibt, damit kann sie sich auch von anderen<br />
Unis absetzen und schafft einen Anreiz<br />
für Leistung“, findet Kluge. bk<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 33<br />
alUMNi HeUTe
alUMNi HeUTe<br />
elektronenmikroskopie in „Down under“<br />
„Mir hat der Preis die Teilnahme an<br />
einem Kurs zur Elektronenmikroskopie<br />
an der <strong>Universität</strong> in Sydney ermöglicht“,<br />
erzählt Nora Bergmann,<br />
die im Jahr 2005 den Erwin-Stephan-<br />
Preis bekam, nachdem sie ihr Biotechnologiestudium<br />
nach neun Semestern<br />
mit Auszeichnung beendet hatte. Einen<br />
Teil des Studiums absolvierte sie<br />
an der Dongseo University in Busan,<br />
Südkorea. Bereits im Studium forschte<br />
Nora Bergmann auf dem Gebiet der<br />
Zellbiologie und vertiefte diese Forschung<br />
bei ihrer Promotion am Max-<br />
Delbrück-Centrum, wo sie heute noch<br />
als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig<br />
ist. „Elektronenmikroskopie ist ein<br />
wichtiges Werkzeug für meine Arbeit.<br />
Der Kurs in Sydney bot mir die Möglichkeit,<br />
Probenvorbereitungen für die Elektronenmikroskopie zu erlernen. Ich habe die Electron Microscope Unit (EMU) der<br />
University of Sydney gewählt, da sie einen ausgezeichneten Ruf besitzt und mit modernster Technologie ausgestattet ist“, sagt<br />
die Wissenschaftlerin, die ohne das Preisgeld diesen Kurs nicht hätte finanzieren können. „Drei Aspekte finde ich an dieser Auszeichnung<br />
besonders gut: Erstens fordert der Preis einem Mobilität ab, zweitens fördert er das internationale wissenschaftliche<br />
Arbeiten, drittens macht sich eine solche Auszeichnung immer gut im Lebenslauf als Annerkennung für erbrachte Leistungen“,<br />
fasst Nora Bergmann ihre Erfahrungen zusammen. bk<br />
Archivrecherche an der seine<br />
Auch Dr. Bernhard von Hülsen leistete der Erwin-Stephan-Preis<br />
Hilfe bei den Vorarbeiten zu seiner Promotion. „Vor dem Abschluss<br />
hatte ich mir keine konkreten Gedanken über meine Zukunft gemacht“,<br />
erinnert er sich. Es war Prof. Dr. Reinhard Rürup, der ihm<br />
den Vorschlag unterbreitete, zum Thema des deutsch-französischen<br />
Kulturtransfers zu promovieren. Immerhin hatte Bernhard von Hülsen<br />
sein Studium der Geschichte und der Kunst- und Musikwissenschaft,<br />
das er zeitweise an der Université Pierre Mendès France in<br />
Grenoble absolvierte, nach nur neun Semestern mit einer glatten<br />
1,0 beendet. Für diese Leistung wurde er im Sommer 1998 mit dem<br />
Erwin-Stephan-Preis ausgezeichnet. „Die Idee, zu promovieren, hat<br />
mir sehr gefallen. Damit konnte ich sinnvoll an mein Studium anschließen<br />
und sogar davon leben. Mit dem Preisgeld war ich rund<br />
fünf Monate in Paris und Straßburg, um hier in verschiedenen Archiven<br />
zu recherchieren. Diese Recherche war wichtig für die Themenfindung<br />
und für den Einstieg in die Dissertation.“ Als er die<br />
Promotion im Jahr 2002 beendete, arbeitete er zunächst als Volontär<br />
am Deutschen Historischen Museum. „Ich war der festen Überzeugung,<br />
zukünftig als Historiker zu arbeiten. Ich wollte Kurator<br />
werden“, sagt von Hülsen, der jedoch bereits parallel zum Studium<br />
in der Musikbranche bei Festivals und Musikproduktionen jobbte.<br />
Als sein Volontariat beim Museum zu Ende war, bot sich ihm die<br />
Gelegenheit, bei der AVE Gesellschaft für Fernsehproduktion mbH<br />
die Produktion von Klassiksendungen zu betreuen. Bernhard von<br />
Hülsen nahm das Angebot an. Heute ist er Chefredakteur in der<br />
Fernsehproduktionsfirma, die Talkshows, anspruchsvolle Unterhaltungs-<br />
und Kultursendungen ebenso wie Reportagen und Dokumentationen<br />
aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft<br />
produziert. bk<br />
34 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Fotos: privat, TU-Pressestelle/Dahl
T Gesellschaft<br />
Wer sind wir?<br />
von<br />
Freunden der<br />
<strong>Technische</strong>n<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Bei uns engagieren sich studierende, ehemalige,<br />
Absolventen und Absolventinnen, Professoren und<br />
Professorinnen, Industrie- und Wirtschaftsunternehmen<br />
sowie Persönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen<br />
Bereichen, weil sie sich der TU <strong>Berlin</strong><br />
verbunden fühlen. Durch ihre Arbeit möchten sie<br />
die Bedingungen für Forschung und Lehre an der<br />
TU <strong>Berlin</strong> verbessern und die <strong>Universität</strong> in ihrem<br />
Ansehen stärken – national und international.<br />
Wir, die Gesellschaft von<br />
Freunden der TU <strong>Berlin</strong> e.V.<br />
• verbinden Wirtschaft und Wissenschaft und<br />
fördern den Dialog zwischen <strong>Universität</strong>,<br />
Wirtschaft und Gesellschaft<br />
• fördern die inneruniversitäre Begegnung und<br />
den Kontakt zu den Alumni der TU <strong>Berlin</strong><br />
• regen zum Dialog über Innovationsfelder in der<br />
Forschung an<br />
• unterstützen junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen,<br />
etwa deren Teilnahme an<br />
Kongressen und Tagungen im In- und Ausland<br />
• fördern studentische Projekte<br />
• unterstützen und helfen bei Veranstaltungen an<br />
der TU <strong>Berlin</strong><br />
• vergeben Preise und Auszeichnungen an<br />
Diplomanden, Doktoranden und studierende<br />
• unterstützen die <strong>Universität</strong> in ihrer Wirkung<br />
nach innen und außen<br />
Wir brauchen auch sie<br />
Werden sie Mitglied in der<br />
Gesellschaft von Freunden<br />
der <strong>Technische</strong>n <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong> e.V.<br />
Vorstandsvorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Jürgen starnick<br />
Präsident des Verwaltungsrats: Dr. Manfred Gentz<br />
Geschäftsstelle: Vera Tosović-Lüdtke<br />
straße des 17. Juni 135, 10623 <strong>Berlin</strong>, raum H1044/45; sekr. H 06<br />
Tel.: (030) 3<strong>14</strong>-2 37 58 · Fax (030) 3<strong>14</strong>-7 94 73<br />
sekretariat@freunde.tu-berlin.de<br />
www.tu-berlin.de/freunde<br />
Werden sie Partner,<br />
Förderer und Initiator<br />
für die TU <strong>Berlin</strong>
MelDUNGeN<br />
Fakultäten intern<br />
Nass – aber schön<br />
Das Einzige, was nicht mitgespielt hatte, war das Wetter.<br />
Am 10 Juli, dem Tag des Sommerfestes der Fakultät<br />
IV Elektrotechnik und Informatik, regnete es in<br />
Strömen. Neben interessanten Gesprächen standen<br />
die Präsentationen der Fachgebiete im <strong>Mitte</strong>lpunkt<br />
des Programms. Höhepunkt des Festes war die Gong-<br />
Show, in der rund 30 verschiedene Forschungsprojekte,<br />
Austauschprogramme und andere Initiativen vorgestellt<br />
wurden, oft in sehr humorvoller Weise. So erhielten<br />
die Gäste einen kurzweiligen Überblick über<br />
die vielfältigen Aktivitäten der Fakultätsmitglieder.<br />
Die TU-Alumni können sich aber nicht nur beim Sommerfest<br />
über ihre ehemalige Fakultät informieren, sondern<br />
auch über den Newsletter, den die Fakultät monatlich<br />
herausgibt und der über das Alumniprogramm<br />
verschickt wird. Wer noch nicht im Verteiler sein sollte,<br />
kann dies jederzeit nachholen. Einfach eine kurze Mail<br />
senden an alumni@tu-berlin.de<br />
Abschied vom Studium<br />
Bei der diesjährigen Absolventenfeier der Studiengänge<br />
Betriebs- und Volkswirtschaftslehre sowie Economics<br />
am 26. Juni 2009 feierte man nicht nur Abschied,<br />
sondern es wurden auch studentisches Engagement<br />
und ausgezeichnete wissenschaftliche Leistungen geehrt.<br />
Zum einen wurde Dr. Sebastian Lehnert mit dem<br />
BDO-Preis der Firma BDO Deutsche Warentreuhand<br />
Aktiengesellschaft ausgezeichnet. Mit dem mit 3000<br />
Euro dotierten Preis ehrt die Firma hervorragende Arbeiten,<br />
die an der TU <strong>Berlin</strong> auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre<br />
entstanden sind. Studierende,<br />
die sich in besonderem Maße für die Fakultät VII<br />
Wirtschaft und Management beziehungsweise für ihre<br />
Kommilitonen sozial engagiert haben, werden durch<br />
die Fakultät mit dem „Preis für besonderes studentisches<br />
Engagement“ geehrt. 500 Euro gibt es außerdem<br />
dazu. In diesem Jahr erhielt die Auszeichnung Philipp<br />
Rönnau. Der Student des Wirtschaftsingenieurwesens<br />
war unter anderem an der Gründung des WiWiCafés<br />
beteiligt, das ein wichtiger Treffpunkt für Studierende<br />
und studentischer Aktivitäten ist.<br />
Fakultätstag mit Ausstellung<br />
Ein besonderer Höhepunkt beim diesjährigen Fakultätstag<br />
Physik am 10. Juni 2009 war die Ausstellung<br />
„Geschichte der Physik an der TU <strong>Berlin</strong>“, die Dr. Jost<br />
Lemmerich konzipiert hatte und die am Fakultätstag<br />
eröffnet wurde. Lemmerich hat zahlreiche Unterlagen<br />
und Fotografien als Faksimiles aus diversen Archiven<br />
zusammengetragen. Dazu begleitet ein umfassender,<br />
auch für den Laien verständlicher Text den Besucher<br />
durch mehr als 100 Jahre Physik-Geschichte von 1879<br />
bis 1990. Im <strong>Mitte</strong>lpunkt stehen die Persönlichkeiten,<br />
die an der Geschichte der Physik sowohl an der Königlichen<br />
<strong>Technische</strong>n Hochschule <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />
als auch an der TU <strong>Berlin</strong> mitgewirkt haben. Gezeigt<br />
und erläutert werden darüber hinaus auch die wissenschaftlichen<br />
Erfolge oder ein Studienbuch eines Physik-Studenten<br />
aus den Sechzigerjahren. Die Ausstellung<br />
ist dauerhaft im Eugene-Paul-Wigner-Gebäude,<br />
Hardenbergstraße 36, 10623 <strong>Berlin</strong>, in der Galerie im<br />
1. Stock zu sehen.<br />
Kreuer-Alumni<br />
Sie sind alle Absolventinnen und Absolventen von<br />
Prof. Willy Kreuer, studierten in den Sechzigerjahren<br />
Architektur an der TU <strong>Berlin</strong>, und ihre Treffen haben<br />
eine lange Tradition. Seit 1976 veranstalten sie alle zwei<br />
Jahre ihr „Kreuer-Treffen“, zu dem rund 100 Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer zusammenkommen. Jedes<br />
Mal steht dabei eine andere Stadt auf dem Programm.<br />
In diesem Jahr war vom 8. bis zum 10. Mai 2009 <strong>Berlin</strong><br />
an der Reihe. Zum Auftakt konnten die Alumni ihren<br />
Blick über den TU-Campus schweifen lassen, denn<br />
am ersten Abend hatte man sich im 19. Stock in der<br />
Cafeteria des TU-Hochhauses am Ernst-Reuter-Platz<br />
getroffen. Aber nicht nur einen Ausblick, auch einen<br />
Einblick bekamen die Gäste: Prof. Dr.-Ing. Johannes<br />
Cramer, geschäftsführender Direktor des Instituts für<br />
Architektur, berichtete über Aktuelles aus Lehre und<br />
Forschung. Am Samstag und Sonntag wurde dann ein<br />
interessantes Besichtigungsprogramm absolviert, das<br />
seinen Schwerpunkt in der Architektur hatte.<br />
„Overseas Alumni Club“<br />
Bis in die letzten Winkel des TU-Hauptgebäudes konnten<br />
die Teilnehmer des „Overseas Alumni Club“-Treffens<br />
vorstoßen. Bevor sie am 11. Oktober 2009 zu ihrer<br />
alljährlichen Mitgliederversammlung zusammenkamen,<br />
führte sie Hans Joachim Rieseberg, Leiter des Gebäude-<br />
und Dienstemanagements der TU <strong>Berlin</strong>, durch<br />
das Haus, um bisherige und geplante bauliche Veränderungen<br />
zu erläutern. Außerdem zeigte er den rund 20<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Katakomben der<br />
Uni und den Geodätenstand, die normalerweise nicht<br />
öffentlich zugänglich sind. Dabei waren auch Studierende,<br />
die kürzlich erst von ihrem Auslandsaufenthalt<br />
zurückgekehrt waren und Gelegenheit haben sollten,<br />
den Verein kennenzulernen. Der „Overseas Alumni<br />
Club“ ist eine Vereinigung von circa 200 ehemaligen<br />
Studierenden, zumeist aus wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Fächern der TU <strong>Berlin</strong>, die ein Auslandssemester<br />
in einem Überseeland verbindet. Zur besseren Vernetzung<br />
gibt es „Overseasalumni“ demnächst auch als eigene<br />
Gruppe im Business-Netzwerk XING.<br />
Kontakt:<br />
philipp.lindemann@gmx.de<br />
www.overseasalumni.de<br />
Promotion in der Tasche<br />
Geschafft – und wieder haben rund 330 Absolventinnen<br />
und Absolventen der TU <strong>Berlin</strong> zwischen Juni 2008<br />
und Juni 2009 ihre Doktorarbeit und Habilitation erfolgreich<br />
abgeschlossen. Am 2. Juli wurden sie vom<br />
TU-Präsidenten traditionell zu einem Empfang an die<br />
TU <strong>Berlin</strong> eingeladen.<br />
Organisieren Sie ein Alumnitreffen?<br />
Sie wissen von einem geplanten Alumnitreffen? Oder<br />
Sie organisieren vielleicht selber eines? Dann nehmen<br />
Sie Kontakt mit uns auf. Wir helfen gerne bei der Suche<br />
nach „verschollenen“ Kommilitonen und berichten<br />
über Ihr Treffen. TU-Alumniteam: Bettina Klotz,<br />
Mona Niebur, Tel.: 030/3<strong>14</strong>-2 76 50/-7 88 27, E-Mail:<br />
alumni@tu-berlin.de<br />
36 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Fotos: a. Kührmann, Gerlind Gatzer, privat
Party der Wi-Ings<br />
Im Rahmen der akademischen Feier für die Absolventinnen<br />
und Absolventen des Wirtschaftsingenieurwesens<br />
im Lichthof des TU-Hauptgebäudes am 19. Juni<br />
2009 wurde zum wiederholten Male der Baumgarten-<br />
Wagon-Preis vergeben. Er zeichnet Personen oder Organisationen<br />
aus, die sich in besonderer Weise um das<br />
Wirtschaftsingenieurwesen an der TU <strong>Berlin</strong> verdient<br />
gemacht haben. In diesem Jahr wurde der Preis an die<br />
Global Engineering Teams (GET) des TU-Instituts für<br />
Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb vergeben. Hier<br />
wird in internationalen Projekten Studierenden- und<br />
Mitarbeiterteams in Partnerschaft mit <strong>Universität</strong>en<br />
aus Südafrika, Botswana, Brasilien und Chile interkulturelle<br />
Zusammenarbeit vermittelt. Im Anschluss an<br />
die traditionelle Feier fand die Party statt, organisiert<br />
von Luise Kranich und Christian Ruppert von der AG<br />
„Wi-Ing“. Rund 150 Gäste machten die erste „Wi-Ing-<br />
Feier“ zu einem gelungenen Event, das im kommenden<br />
Jahr wiederholt werden soll. Hilfreich bei der Organisation<br />
war übrigens die Event-Plattform „amiando“,<br />
die von TU-Alumnus Dennis von Ferenczy gegründet<br />
wurde und über die mittlerweile mehr als 70 000 Events<br />
weltweit organisiert worden sind.<br />
Wiedersehen in <strong>Berlin</strong><br />
„Alle haben die Gespräche sowie das Wiedersehen nach<br />
so langer Zeit genossen. Alte Kontakte wurden aufgefrischt,<br />
neue Kontakte bis hin zum beruflichen Austausch<br />
über das Treffen hinaus geknüpft. Es war spannend<br />
zu sehen, was die Teilnehmer aus ihrem Studium<br />
gemacht haben“, sagt Dirk Haase, der seine ehemaligen<br />
Kommilitonen des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen<br />
<strong>Mitte</strong> Oktober zu einem Treffen nach <strong>Berlin</strong><br />
eingeladen hatte. Rund 30 Alumni waren gekommen.<br />
Sie alle hatten 1993 begonnen zu studieren, und<br />
nach ihrem Abschluss war das Treffen für viele das erste<br />
Wiedersehen, von denen viele in Beratungsunternehmen<br />
arbeiten oder im Bereich Management mit einer<br />
stark betriebswirtschaftlichen Ausprägung aktiv sind.<br />
„Überraschend wenige arbeiten als Ingenieur und einige<br />
haben den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt“,<br />
erzählt Dirk Haase, der sich selbst vor vier Jahren in<br />
Hamburg mit einem Unternehmen für Markenstrategie<br />
und Werbung selbstständig gemacht hat. Etwa die<br />
Fotos: TU-PressestelleDahl (2), rapucation<br />
Hälfte der Teilnehmer hingegen ist in <strong>Berlin</strong> geblieben<br />
oder inzwischen wieder hierhin zurückgekehrt. Die beiden<br />
TU-Alumni Holger Reichert und Olaf Bartoschik<br />
engagieren sich neben ihrem eigentlichen, Job in der<br />
<strong>Berlin</strong>er Big-Band „Kameleon“ und gaben ein Konzert<br />
für die ehemaligen Kommilitonen.<br />
Networking für die<br />
Wissenschaftskarriere<br />
Networking wird großgeschrieben beim ProFil-Programm<br />
(Professionalisierung für Frauen in Forschung<br />
und Lehre), mit dem die TU <strong>Berlin</strong> gemeinsam mit der<br />
HU und FU <strong>Berlin</strong> seit 2004 hoch qualifizierte Wissenschaftlerinnen,<br />
die eine Professur anstreben, fördert.<br />
Seit Juli 2008 ist die <strong>Universität</strong> Potsdam der Kooperation<br />
beigetreten. Durch Mentoring, wissenschaftsspezifisch<br />
ausgerichtete Seminare und strategische Vernetzung<br />
unterstützt das ProFiL-Programm die Wissenschaftlerinnen<br />
bei der weiteren Planung ihrer Karriere<br />
und bereitet sie auf künftige Führungsaufgaben, die<br />
mit einer Professur einhergehen, vor. Da die Vernetzung<br />
innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft<br />
ein wichtiger Baustein des Programms darstellt, trifft<br />
man sich bei den verschiedensten Netzwerkveranstaltungen.<br />
Organisiert werden die Treffen von der wissenschaftlichen<br />
Koordinatorin des Programms, Dorothea<br />
Jansen. 225 Wissenschaftlerinnen verschiedener<br />
Fachgebiete haben ProFiL seit dem Start durchlaufen<br />
und die Ergebnisse können sich sehen lassen: 59 Frauen<br />
haben mittlerweile eine Professur inne, 41 haben beziehungsweise<br />
hatten eine Gast- oder Vertretungsprofessur.<br />
Weitere 59 haben ihre Habilitation erfolgreich<br />
abgeschlossen und 18 erhielten einen Ruf auf eine Juniorprofessur.<br />
Auch beim Einwerben von Drittmitteln<br />
waren viele bereits sehr erfolgreich.<br />
www.profil-programm.de<br />
TU <strong>Berlin</strong> gerappt<br />
Mit dem Song „Sommer am Ernst-Reuter-Platz“ wird<br />
im deutschen Hip-Hop erstmals der studentische Alltag<br />
thematisiert und die Campusatmosphäre an der<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 37<br />
MelDUNGeN<br />
TU <strong>Berlin</strong> eingefangen. „Lass mich dein Kommilitone<br />
sein“ und „Immatrikulier mich in dein Herz“ rappt<br />
Robin Haefs, Texter und Sänger von „Rapucation“ zu<br />
den Beats von Vincent Stein, der Musikwissenschaft<br />
an der TU <strong>Berlin</strong> studiert. Sind Sie neugierig? Alumni<br />
aller Fakultäten und Jahrgänge können sich unter<br />
www.tu-berlin.de/?id=62985 den Song anhören. Und<br />
wenn Sie Ihr Handy auf den TU-Rap einstellen wollen,<br />
gibt es dort auch einen Klingelton.<br />
Alumni.Angel.Abend<br />
An der TU <strong>Berlin</strong> findet am 7. Dezember 2009 zum<br />
zweiten Mal der Alumni.Angel.Abend statt. Ziel der<br />
Veranstaltung, die vom TU-Gründungsservice in Zusammenarbeit<br />
mit dem nationalen Aluminiprogramm<br />
veranstaltet wird, ist es, Start-ups der TU <strong>Berlin</strong> mit<br />
erfahrenen Gründerinnen und Gründern zusammenzubringen.<br />
Ein Highlight des Abends ist die bereits<br />
im vergangenen Jahr durchgeführte Vorstellungsrunde<br />
„Gründerinnen und Gründer suchen Business-Angel“.<br />
Dort präsentieren fünf junge Teams, die noch im<br />
Gründungsprozess sind, Alumni-Gründern ihre Geschäftsidee.<br />
Wichtig ist aber auch die Netzwerkpflege.<br />
Daher hatte sich im vergangenen Jahr der Lichthof in<br />
eine Club-Lounge verwandelt, in der angehende Grün-<br />
derinnen und Gründer miteinander in Kontakt kamen.<br />
Moderierte Gesprächsrunden zu verschiedenen Themen<br />
regten zum weiteren Austausch an. In diesem Jahr<br />
findet der Alumni.Angel.Abend im Fakultätsforum des<br />
Architekturgebäudes, Straße des 17. Juni 152, 10623<br />
<strong>Berlin</strong>, um 18.30 Uhr statt.<br />
Neujahrsempfang des<br />
TU-Präsidenten<br />
Das Jahr 2009 neigt sich seinem Ende zu und natürlich<br />
stehen schon viele Termine für das kommende Jahr im<br />
Kalender. Der erste wichtige Termin für TU-Alumni<br />
könnte der 15. Januar 2010 sein. Da findet der Neujahrsempfang<br />
des Präsidenten der TU <strong>Berlin</strong>, Prof. Dr.<br />
Kurt Kutzler, statt, zu dem TU-Alumni herzlich eingeladen<br />
sind. Der Empfang beginnt um 15.00 Uhr im<br />
Lichthof des TU-Hauptgebäudes, Straße des 17. Juni<br />
135. Anmeldung unter alumni@tu-berlin.de<br />
TexTe VoN BeTTINA KLoTZ
MelDUNGeN<br />
TU intern<br />
Ehrenprofessur und<br />
Ehrendoktorwürde<br />
Am 8. Oktober 2009 wurde<br />
Prof. Dr. Kurt Kutzler, Präsident<br />
der TU <strong>Berlin</strong>, mit<br />
einer Ehrenprofessur der<br />
Jiao-Tong-<strong>Universität</strong> in<br />
Schanghai ausgezeichnet.<br />
Prof. Kutzler nahm die Ehrung<br />
von seinem Amtskollegen,<br />
Professor Zhang Jie, in<br />
der chinesischen Metropole<br />
entgegen. Die Ehrenprofessur gilt seinen großen Verdiensten<br />
um die deutsch-chinesische Zusammenarbeit<br />
in Forschung und Lehre beider <strong>Universität</strong>en. Ein Ergebnis<br />
dieser Kooperation sind drei Doppeldiplom-<br />
Verträge. Sie ermöglichen den chinesischen wie deutschen<br />
Studierenden an der jeweiligen Partneruniversität<br />
den Erwerb eines Diploms beider Hochschulen,<br />
eines sogenannten Doppeldiploms oder -masters. Die<br />
Shanghai-Jiao-Tong-<strong>Universität</strong> ist mit rund 38 000<br />
Studierenden und 480 Professoren eine der größten<br />
und renommiertesten <strong>Universität</strong>en Chinas. Am 20.<br />
November 2009 wurde Prof. Kutzler zudem die Ehrendoktorwürde<br />
der Moscow State Universy of Civil Engineering<br />
verliehen. pp/sn<br />
Kuratorium empfiehlt Martin<br />
Grötschel als neuen TU-Präsidenten<br />
Auf seiner Sitzung am 29. Oktober 2009 hat das Kuratorium<br />
der TU <strong>Berlin</strong> dem Erweiterten Akademischen<br />
Senat der <strong>Universität</strong> Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Martin<br />
Grötschel auf der Grundlage spezifischer Wahlkriterien<br />
zur Wahl für das Amt des neuen Präsidenten<br />
der TU <strong>Berlin</strong> empfohlen. Zuvor hatte der Akademische<br />
Senat auf seiner Sitzung am 21. Oktober Martin<br />
Grötschel und Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach als<br />
Kandidaten für das Amt nominiert. Das Kuratorium<br />
hielt beide Kandidaten für präsidiabel. Martin Grötschel<br />
ist Professor für Mathematik an der TU <strong>Berlin</strong><br />
und Vizepräsident des Konrad-Zuse-Zentrums für<br />
Informationstechnik <strong>Berlin</strong>. Der Leibniz-Preisträger<br />
wurde 2006 als erster Deutscher zum Generalsekretär<br />
der International Mathematical Union gewählt.<br />
Von 2002 bis 2008 leitete er das von der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft finanzierte Forschungszentrum<br />
MATHEON – Mathematik für Schlüsseltechnologien.<br />
Jörg Steinbach ist Professor für das Fachgebiet<br />
Anlagen- und Sicherheitstechnik an der TU<br />
<strong>Berlin</strong>. Von 1999 bis 2001 war er unter anderem Dekan<br />
der Fakultät III Prozesswissenschaften. Seit 2002<br />
ist er 1. Vizepräsident der TU <strong>Berlin</strong> und in dieser<br />
Funktion für Lehre, Studium und Berufungsangelegenheiten<br />
zuständig. Der Präsidentschaftsbewerber<br />
wird im ersten Wahlgang am 6. Januar 2010 in geheimer<br />
Wahl vom Erweiterten Akademischen Senat<br />
gewählt. Noch keine Stellungnahme gab das Kuratorium<br />
zu den Nominierungen für das Amt der 1. Vizepräsidentin<br />
beziehungsweise des 1. Vizepräsidenten<br />
38 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />
ab. Vom Akademischen Senat waren der Informatiker<br />
Prof. Dr. Hans-Ulrich Heiß im Team von Martin<br />
Grötschel und die Physikerin Prof. Dr. Ulrike Woggon<br />
im Team von Jörg Steinbach für das Amt nominiert<br />
worden. tz<br />
Sechs Neue in der acatech<br />
Prof. Dr. Ina Schieferdecker und Prof. Dr. Roland<br />
Thewes (Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik),<br />
Prof. Dr. Wolfgang König (Fakultät I Geisteswissenschaften),<br />
Prof. Dr. Brian Horsfield (Fakultät VI Planen<br />
Bauen Umwelt), Prof. Dr. Volker Mehrmann (Fakultät<br />
II Mathematik und Naturwissenschaften) sowie<br />
Prof. Dr.-Ing. Günther Seliger (Fakultät V Verkehrsund<br />
Maschinensysteme) wurden in diesem Jahr in die<br />
Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech<br />
aufgenommen. Mit der Wahl in die Akademie werden<br />
die Forscherinnen und Forscher für ihre herausragenden<br />
wissenschaftlichen Leistungen und ihre hohe<br />
Reputation geehrt. sn<br />
www.acatech.de<br />
Höchste Verdienste, höchste<br />
Auszeichnungen<br />
Herbert Reichel ist mit einer<br />
der höchsten Auszeichnungen<br />
des weltweit größten Berufsverbandes<br />
„Institute of<br />
Electrical and Electronics Engineers“<br />
geehrt worden, dem<br />
„Components, Packaging &<br />
Manufacturing Technology<br />
Award 2010“. Der TU-Professor<br />
und Leiter des Fraunhofer-Instituts<br />
für Zuverlässigkeit und Mikrointegration<br />
bekam den Preis für seine herausragenden Verdienste<br />
in Forschung und Lehre in der Mikroelektronik<br />
und Mikrosystemtechnik im Bereich der Aufbau- und<br />
Verbindungstechnik. sn<br />
Integriertes Logistiklabor auf<br />
dem Campus eröffnet<br />
Das Fachgebiet Logistik der TU <strong>Berlin</strong> eröffnete am<br />
3. Juni 2009 sein integriertes Logistiklabor. In der Versuchshalle<br />
im Reuleaux-Haus auf dem Süd-Campus<br />
befindet sich ein PC-Pool mit umfangreichem Software-Angebot<br />
zur Planung und Steuerung logistischer<br />
Prozesse und zur Simulation von Materialflusssystemen.<br />
Das Labor ist eine ideale Umgebung, um neue<br />
Technologien in der Logistik in einem praxisnahen<br />
Kontext zu erproben. Ein Beispiel dafür ist die „Radio<br />
Frequency Identification“ (RFID), eine Technologie,<br />
die es mit Hilfe elektromagnetischer Wellen ermöglicht,<br />
Gegenstände zu identifizieren und zu lokalisieren.<br />
Das eigentliche Herzstück der Versuchshalle ist<br />
jedoch ein neues, vom Fachgebiet Logistik konzipiertes<br />
und von der Firma Aberle Automation realisiertes Materialflusssystem.<br />
sn<br />
In die Leopoldina gewählt<br />
Prof. Anja Feldmann, Ph. D.,<br />
(Foto) und Prof. Günter M.<br />
Ziegler, Ph. D., sind 2009 in<br />
die Deutsche Akademie der<br />
Naturwissenschaften Leopoldina<br />
gewählt worden. Die<br />
Informatikerin ist Inhaberin<br />
einer Stiftungsprofessur an<br />
den Deutsche Telekom Laboratories,<br />
dem An-Institut der<br />
TU <strong>Berlin</strong>. Sie lehrt das Fachgebiet „Intelligent Networks<br />
and Management of Distributed Systems“. Günter<br />
M. Ziegler leitet das Fachgebiet „Diskrete Geometrie“<br />
und ist Leibnizpreisträger. Den Sektionen Informationswissenschaften<br />
und Mathematik gehören auch die<br />
TU-Professoren Holger Boche, Martin Grötschel und<br />
Peter Noll (im Ruhestand) an. sn<br />
Ausstellung „Beruf: Forscherin“<br />
Sie sind klug, sie sind witzig, sie sind erfolgreich: Zwölf<br />
von 50 Professorinnen aller Fakultäten der TU <strong>Berlin</strong><br />
werden in der Plakatausstellung der Pressestelle „Beruf:<br />
Forscherin“ vorgestellt. Mit der Ausstellung will<br />
die <strong>Universität</strong> ihre Professorinnen als Vorbilder für die<br />
Werbung von jungen Frauen für ein Studium der sogenannten<br />
MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften<br />
und Technik) verstärkt ins Blickfeld<br />
rücken. Die Ausstellung ist im Altbau des Hauptgebäudes,<br />
Straße des 17. Juni 135, 10623 <strong>Berlin</strong>, zu sehen. sn<br />
www.tu-berlin.de/?id=63210<br />
Beliebtester Wissenschaftsstandort<br />
Die TU <strong>Berlin</strong> war am 13. Juni 2009 erneut der größte<br />
Besuchermagnet während der „Langen Nacht der<br />
Wissenschaften“ in <strong>Berlin</strong> und Potsdam. Rund 66 000<br />
Mal öffneten sich die Türen in den 30 Wissenschaftshäusern<br />
der <strong>Universität</strong>. Das entspricht einer Steigerung<br />
um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das<br />
„Haus der Ideen/TU-Hauptgebäude“ erzielte mit fast<br />
18 000 Besuchen erneut den größten Besucherrekord<br />
in <strong>Berlin</strong> und Potsdam. Die Gesamtkoordination für<br />
die TU <strong>Berlin</strong> liegt in den Händen ihrer Pressestelle.<br />
Im nächsten Jahr findet die „Lange Nacht“ wegen des<br />
Wissenschaftsjahres 2010 bereits am 5. Juni statt. stt<br />
Auszeichnung für Kunsthistorikerin<br />
Prof. Dr. Bénédicte Savoy wurde von der <strong>Berlin</strong>-Brandenburgischen<br />
Akademie der Wissenschaften mit dem<br />
Walter de Gruyter-Preis für ihre herausragenden wissenschaftlichen<br />
Leistungen im Bereich der Geisteswissenschaften<br />
geehrt. Der mit 7500 Euro ausgestattete<br />
Preis wurde der Kunsthistorikerin der TU <strong>Berlin</strong><br />
am 13. November im Potsdam überreicht. Savoys Forschung<br />
widmet sich dem europäischen Kunst- und Kulturtransfer<br />
im 18. und 19. Jahrhundert sowie der Museums-<br />
und Sammlungsgeschichte. sn<br />
Fotos: TU-Pressestelle/Dahl (2), iZM Fraunhofer
TU extern<br />
Alt-TU-Präsident verstorben<br />
Am 5. Mai 2009 verstarb Prof.<br />
Dr.-Ing. Manfred Fricke.<br />
Prof. Fricke war von 1985 bis<br />
1993 Präsident der TU <strong>Berlin</strong>.<br />
Innerhalb der <strong>Universität</strong> und<br />
weit über <strong>Berlin</strong> hinaus galt er<br />
als wissenschaftlicher Experte<br />
für Flugsicherheitstechnik,<br />
Luftverkehr und Flughafenplanung.<br />
Darüber hinaus hatte<br />
er sich einen Namen als politischer Reformer gemacht.<br />
Manfred Fricke, 1936 geboren, studierte an der TU <strong>Berlin</strong><br />
Maschinenbau. Promotion und Habilitation folgten.<br />
1978 wurde er als Professor für Flugführung und Luftverkehr<br />
an die TU <strong>Berlin</strong> berufen. Er erhielt Ehrenprofessuren<br />
in China und Ungarn. 1994 wurde er mit dem<br />
Bundesverdienstkreuz 1. Klasse in Anerkennung seines<br />
hochschulreformerischen Engagements im wiedervereinigten<br />
Deutschland ausgezeichnet. Manfred Fricke<br />
starb im Alter von 73 Jahren in <strong>Berlin</strong>. sn<br />
Dominikanerpater erhält<br />
Bundesverdienstkreuz am Bande<br />
Mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande wurde der<br />
Dominikanerpater Dr. Karl Meyer (71) in diesem Jahr<br />
für sein Engagement, das Gedenken an die Opfer des<br />
Nationalsozialismus wachzuhalten, ausgezeichnet.<br />
Die Ehrung erfolgte auf Vorschlag von Hamburgs Erstem<br />
Bürgermeister Ole von Beust. Karl Meyer war in<br />
Busdorf bei Schleswig geboren worden, trat nach dem<br />
Abitur dem Dominikanerorden bei, promovierte in<br />
Hamburg im Fach Geschichte der Naturwissenschaften<br />
und war an der TU <strong>Berlin</strong> als Studentenseelsorger<br />
tätig. Von 1997 bis 2006 war er Prior des Dominikanerkonvents<br />
St. Johannis in Barmbeck. sn<br />
Gerhard Ertl wird Ehrenmitglied<br />
Für seine hervorragenden<br />
Verdienste um die <strong>Universität</strong><br />
hat die TU <strong>Berlin</strong> Prof.<br />
Dr. Dr. h. c. mult. Gerhard<br />
Ertl am 4. Dezember 2009 die<br />
Ehrenmitgliedschaft verliehen.<br />
Er gilt als einer der bedeutendsten<br />
Chemiker unserer<br />
Zeit. Für seine bahnbrechenden<br />
wissenschaftlichen<br />
Arbeiten auf dem Gebiet der heterogenen Katalyse<br />
wurde er im Jahr 2007 mit dem Nobelpreis für Chemie<br />
ausgezeichnet. Der 1936 geborene Ertl war von 1986 bis<br />
zu seiner Emeritierung im Jahr 2004 Direktor der Abteilung<br />
Physikalische Chemie am Fritz-Haber-Institut<br />
(FHI) der Max-Planck-Gesellschaft. Das FHI ist für die<br />
TU <strong>Berlin</strong> eine der wichtigsten strategischen außeruniversitären<br />
Forschungseinrichtungen. Zwischen beiden<br />
Wissenschaftsinstitutionen bestehen zahlreiche langjährige<br />
Kooperationen. bk<br />
Fotos: TU-Pressestelle/Dahl (2), Glaser, KMK<br />
Mitglied im Lenkungsrat<br />
Dr. Hubertus Erlen ist im Frühjahr 2009 in den Lenkungsrat<br />
Unternehmensfinanzierung des Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft und Technologie berufen<br />
worden. Die Mitglieder, die über besondere Erfahrungen<br />
in Wirtschafts- und Finanzfragen verfügen, sind<br />
unabhängig und haben die Aufgabe, die Tätigkeit des<br />
„Wirtschaftsfonds Deutschland“ mit Empfehlungen<br />
zu begleiten. Erlen studierte an der TU <strong>Berlin</strong> Verfahrenstechnik<br />
und ist seit 2008 Vorsitzender der Robert-Koch-Stiftung.<br />
Zuvor war er von 2001 bis 2006<br />
Vorstandsvorsitzender des <strong>Berlin</strong>er Pharmakonzerns<br />
Schering. sn<br />
Neuer Generalsekretär der<br />
Hochschulrektorenkonferenz<br />
Neuer Generalsekretär der<br />
Hochschulrektorenkonferenz<br />
und Leiter der HRK-<br />
Geschäftsstelle wurde am 1.<br />
Juli 2009 Dr. Thomas Kathöfer<br />
von der TU <strong>Berlin</strong>.<br />
Nach seiner Promotion als<br />
Wirtschaftsingenieur leitete<br />
er unter anderem die Verwaltung<br />
der TU-Fakultät Prozesswissenschaften<br />
und war strategischer Controller<br />
in der Struktur- und Entwicklungsplanung der TU <strong>Berlin</strong>.<br />
Daneben lehrte er an Bildungseinrichtungen im Inund<br />
Ausland, war als Gutachter für Industrie und Gewerbe<br />
tätig und leitete seit 2002 das Präsidialamt der<br />
TU <strong>Berlin</strong>. stt<br />
Schinkels Bauakademie<br />
als 3-D-Modell<br />
David Bornemann und Thomas Rox haben den Neuruppiner<br />
Schinkelpreis der Karl-Friedrich-Schinkel-<br />
Gesellschaft erhalten. Im Rahmen einer Studienarbeit<br />
unter Leitung des TU-Professors Jörg Albertz war die<br />
Schinkel’sche Bauakademie als 3-D-Modell rekonstruiert<br />
worden. Im Oktober dieses Jahres nun zeichnete die<br />
Neuruppiner Gesellschaft die beiden Vermessungsingenieure<br />
für ihre Idee und deren Umsetzung aus, das<br />
berühmte Bauwerk digital wiederauferstehen zu lassen.<br />
sn<br />
Ausgezeichnete<br />
Verfahrenstechnik<br />
Dr. Anja Drews wurde im September 2009 mit dem<br />
Arnold Eucken Preis geehrt, den der Verein Deutscher<br />
Ingenieure e.V. (VDI) vergibt. Mit dem mit 5000 Euro<br />
dotierten Preis zeichnet die Gesellschaft Verfahrenstechnik<br />
und Chemieingenieurwesen des VDI hervorragende<br />
und vielversprechende Nachwuchskräfte der<br />
Industrie und der Hochschulen aus. Die Verfahrenstechnikerin<br />
erhielt die Auszeichnung für ihre wissenschaftlichen<br />
Beiträge zur technischen Weiterentwick-<br />
Impressum<br />
<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 39<br />
MelDUNGeN<br />
lung von Membranprozessen. Das besondere Augenmerk<br />
der Wissenschaftlerin galt dem wirtschaftlichen<br />
Einsatz zur Fermentation und Abwasseraufbereitung.<br />
Dr. Anja Drews studierte Verfahrenstechnik an der TU<br />
<strong>Berlin</strong>, hier promovierte sie auch. Seit Oktober dieses<br />
Jahres ist sie Professorin für Verfahrenstechnik an der<br />
Hochschule für Technik und Wirtschaft <strong>Berlin</strong>. bk<br />
Bundesverdienstkreuz verliehen<br />
Erich Thies, Generalsekretär<br />
der Kultusministerkonferenz<br />
und Mitglied des Kuratoriums<br />
der TU <strong>Berlin</strong>, ist mit<br />
dem Bundesverdienstkreuz<br />
1. Klasse ausgezeichnet worden.<br />
Damit wurde sein vielfältiges<br />
Engagement für Bildung<br />
und Wissenschaft gewürdigt:<br />
Als Rektor der PH<br />
Heidelberg engagierte er sich für die Lehrerbildung.<br />
Nach der Wende trug Thies maßgeblich zur Gründung<br />
der Erziehungswissenschaft an der HU <strong>Berlin</strong> bei. Als<br />
Staatssekretär in der Wissenschaftsverwaltung gestaltete<br />
er die <strong>Berlin</strong>er Wissenschaft nach der Wende mit.<br />
sn<br />
<strong>parTU</strong> – Alumni-Magazin<br />
der <strong>Technische</strong>n <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Herausgeber: Presse- und Informationsreferat der<br />
TU <strong>Berlin</strong>, Straße des 17. Juni 135, 10623 <strong>Berlin</strong>,<br />
Tel.: 030/3<strong>14</strong>-2 29 19, Fax: 030/3<strong>14</strong>-2 39 09,<br />
E-Mail: pressestelle@tu-berlin.de,<br />
www.pressestelle.tu-berlin.de<br />
Redaktion/Texte: Dr. Kristina R. Zerges (tz)<br />
(verantw.), Stefanie Terp (stt) (CvD),<br />
Bettina Klotz (bk), Sybille Nitsche (sn)<br />
Fotograf: Ulrich Dahl<br />
WWW-Präsentation: Ulrike Friedrich<br />
Vertrieb: Ramona Ehret<br />
Gesamtherstellung: omnisatz GmbH, <strong>Berlin</strong>,<br />
Blücherstraße 22, 10961 <strong>Berlin</strong>,<br />
Tel.: 030/28 47 24 11-0<br />
Auflage: 16 500 · ISSN: <strong>14</strong>39-2887<br />
Erscheinungstermin: Dezember 2009, Nr. <strong>14</strong>, 10. Jg.<br />
Nachdruck nur bei Quellenangabe und Belegexemplar<br />
Beilagen: Dissertations- und Habilitationsschriften,<br />
Preisbeilage, Newsletter der Gesellschaft von<br />
Freunden der TU <strong>Berlin</strong> e.V.<br />
„Preis für das beste deutsche Hochschulmagazin“,<br />
verliehen von „Die Zeit“, der Hochschulrektorenkonferenz<br />
(HRK) und der Robert-Bosch-<br />
Stiftung, 2005, für das Publikationskonzept der<br />
TU-Pressestelle
PrOFil<br />
Hochschulen müssen<br />
praxisorientierter ausbilden<br />
Herbert K. Haas, Vorsitzender des Vorstandes des Versicherungskonzerns Talanx<br />
<strong>parTU</strong> befragt an dieser Stelle Absolventinnen und Absolventen<br />
der TU <strong>Berlin</strong>. Diesmal antwortet Herbert K. Haas, Vorstandsvorsitzender<br />
der Talanx AG.<br />
Würden Sie einem jungen Menschen raten, in der heutigen Zeit<br />
zu studieren?<br />
Auf alle Fälle. Eine solide Ausbildung, die<br />
anschließend durch ein akademisches Studium<br />
ergänzt wird, ist auch heute noch die<br />
ideale Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />
berufliche Karriere. Aber ich rate auch immer<br />
dazu, während des Studiums eine längere<br />
Zeit im Ausland zu verbringen, entweder<br />
an einer Hochschule oder als Praktikant<br />
in einem Unternehmen. Auch wenn heutige<br />
Generationen in einem politisch und wirtschaftlich<br />
stabilen Umfeld aufwachsen, sollten<br />
junge Menschen immer bedenken: Hab<br />
und Gut können schnell verloren gehen, aber<br />
das, was man im Kopf hat, kann einem niemand<br />
wegnehmen.<br />
Angenommen, Sie hätten noch einmal die Wahl, welche Fächer<br />
würden Sie heute belegen?<br />
Ich würde mich wieder für Betriebswirtschaft entscheiden, aber<br />
verbunden mit einem noch stärkeren Fokus auf Jura. Die Fähigkeit,<br />
komplexe Sachverhalte analytisch zu durchdringen und<br />
daraus, wenn nötig, Handlungsalternativen oder Lösungswege<br />
logisch abzuleiten – das brauchen Sie heute unbedingt für eine<br />
Position im Top-Management. Und das lässt sich am besten in<br />
jungen Jahren durch eine juristische Ausbildung erlernen. Dies<br />
verbunden mit der wirtschaftlichen, pragmatischen „Denke“ eines<br />
Betriebswirtes ist eine exzellente Kombination.<br />
Wenn Sie an Ihre Studienzeit denken: Welche Lebenserfahrung<br />
haben Sie damals gemacht?<br />
Nicht dem süßen Gift des „laissez-faire“ zu erliegen. Das soll<br />
aber nicht heißen, dass man nur noch seinen Lernstoff paukt. Es<br />
ist wichtig, auch mal über den Tellerrand seines Studiengangs<br />
zu schauen und das eine oder andere auszuprobieren. Dazu rate<br />
ich sogar dringend!<br />
Lebenslauf<br />
Herbert Haas, 1954 geboren, studierte von 1974 bis 1982 Betriebswirtschaftslehre an der TU<br />
<strong>Berlin</strong>. Nach dem studium arbeitete er beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen<br />
in der abteilung „Finanzaufsicht über schaden- und Unfall- sowie rückversicherungsunternehmen“.<br />
Daran schlossen sich Beschäftigungen bei verschiedenen Versicherungsunternehmen<br />
an. 1994 wurde er Mitglied des Vorstands der Hannover rückversicherung aG/e+s rückversicherung<br />
aG. 2002 wechselte Herbert Haas unter anderem in den Vorstand der Talanx aG, deren<br />
Vorstandsvorsitzender er seit 2006 ist.<br />
40 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />
Waren Ihnen Noten damals sehr wichtig?<br />
Während des Grundstudiums nicht, aber für das Hauptstudium<br />
und den Abschluss habe ich großen Wert auf gute Noten gelegt.<br />
An welche Situation erinnern Sie sich heute noch mit einem<br />
Schmunzeln?<br />
An meine allererste Vorlesung „Bürgerliches Recht“ an einem<br />
Montagmorgen um 8.00 Uhr. Von der schulischen Erfahrung<br />
geprägt, war ich schon um 7.45 Uhr im Hörsaal. Der war zu<br />
meiner Überraschung noch menschenleer. Etwas verunsichert<br />
habe ich mehrfach das Vorlesungsverzeichnis und den Raum<br />
überprüft, bis dann so gegen 8.10 Uhr die ersten Kommilitonen<br />
eintrafen. Und die lasen erst mal ihre Zeitungen und ließen sich<br />
auch durch das Erscheinen des Profs um 8.15 Uhr dabei nicht<br />
stören. Gegen 9.00 Uhr hatte sich der Saal gefüllt, und dann begannen<br />
die Ersten sich schon wieder aus der für zwei Stunden<br />
angesetzten Vorlesung zu verabschieden.<br />
Und woran denken Sie eher ungern?<br />
An das Essen in der Mensa und die aufdringlichen Anbieter der<br />
„roten Kampfblätter“.<br />
Welche Fähigkeiten sollten Absolventinnen und Absolventen in<br />
die Berufswelt mitbringen?<br />
Flexibilität und Mobilität, Kommunikations- und Teamfähigkeit,<br />
Einsatzwillen, Neugier und den Mut, auch einmal Fehler<br />
zu machen und daraus zu lernen.<br />
Wie sollte die deutsche Hochschullandschaft in 50 Jahren aussehen?<br />
Auch die deutsche Hochschullandschaft kann sich nicht der Globalisierung<br />
entziehen und muss sich dem internationalen Wettbewerb<br />
stellen. Wenn wir Forschenden, Lehrenden und Studierenden<br />
nicht die Voraussetzungen bieten können, die insbesondere angelsächsische<br />
Länder bieten, verlieren wir den „War for Talents“. Wir<br />
müssen uns mit den besten Hochschulen der Welt messen können.<br />
Dies erfordert entsprechende finanzielle <strong>Mitte</strong>l, die der Staat<br />
allein nicht mehr bereitstellen kann. Die zukünftige Hochschullandschaft<br />
wird sich noch sehr viel stärker mit der Wirtschaft verzahnen<br />
und sie wird praxisorientierter ausbilden müssen. Denn<br />
die Qualität einer Hochschule wird auch bestimmen, in welchem<br />
Umfang sie finanzielle <strong>Mitte</strong>l einwerben kann. Wir werden in den<br />
nächsten Jahrzehnten mit der Etablierung von privatwirtschaftlich<br />
geführten und orientierten Elite-<strong>Universität</strong>en eine ähnliche<br />
Entwicklung wie zum Beispiel in den USA erleben.<br />
Wie lautet Ihre Lebensmaxime?<br />
Carpe diem – nutze den Tag!<br />
Foto: Talanx aG
T<br />
TU <strong>Berlin</strong>, Presse- und Informationsreferat,<br />
www.tu-berlin.de, Telefon: (030) 3<strong>14</strong>-2 39 22<br />
T<br />
TU <strong>Berlin</strong>, Presse- und Informationsreferat,<br />
www.tu-berlin.de, Telefon: (030) 3<strong>14</strong>-2 39 22<br />
Matthias Koeppel<br />
Schneewittchen<br />
150 x 200 cm, Öl auf Leinwand, 1985<br />
Matthias Koeppel<br />
Aufbruch zur Langen Nacht<br />
200 x 200 cm, Öl auf Leinwand, 2009<br />
T<br />
TU <strong>Berlin</strong>, Presse- und Informationsreferat,<br />
www.tu-berlin.de, Telefon: (030) 3<strong>14</strong>-2 39 22<br />
T<br />
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www.tu-berlin.de, Telefon: (030) 3<strong>14</strong>-2 39 22<br />
Matthias Koeppel<br />
Ex Oriente Lux<br />
Die Nacht vom 9. November 1989 (1. Fassung)<br />
160 x 200 cm, Öl auf Leinwand, 1989<br />
Matthias Koeppel<br />
Mommsen – Ecke Leibnizstraße<br />
75 x 94 cm, Öl auf Leinwand, 1978