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parTU 14 - Liberale Mitte - Technische Universität Berlin

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Alumni-Magazin der<br />

<strong>Technische</strong>n <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong><br />

10. Jahrgang · Nr. <strong>14</strong> · Dezember 2009<br />

par<br />

T<br />

Bin ich wirklich ich?<br />

Zivile Sicherheitsforschung<br />

an der TU <strong>Berlin</strong>


Editorial<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Alumni,<br />

Wirtschaftskrise – das war das Schlagwort des zurückliegenden<br />

Jahres, und es wird wohl auch im kommenden Jahr eine zentrale<br />

Vokabel bleiben. Eng damit verbunden ist die Angst, den Arbeitsplatz<br />

zu verlieren. Auch wenn ein Hochschulstudium kein<br />

absoluter Garant für einen Arbeitsplatz ist, so bieten sich Akademikerinnen<br />

und Akademikern nach wie vor die besten Zukunftschancen.<br />

Studien belegen es immer wieder.<br />

Jedes Jahr verlassen rund 2000 Absolventinnen und Absolventen<br />

die TU <strong>Berlin</strong>. Wie gestaltet sich ihr Einstieg ins Berufsleben?<br />

In welchen Berufs- und Tätigkeitsfeldern arbeiten sie?<br />

Baut die berufliche Tätigkeit auf die Inhalte des Studiums auf?<br />

Welche Erwartungen haben Arbeitgeber? Und wie beurteilen<br />

die Absolventinnen und Absolventen im Rückblick ihr Studium<br />

und ihre Studienbedingungen? Dies sind die Inhalte der ersten<br />

universitätsweiten Absolventenbefragung, die die TU <strong>Berlin</strong> in<br />

Kooperation mit dem Internationalen Zentrum für Hochschulforschung<br />

INCHER-Kassel im Wintersemester 2009/10 durchführt.<br />

Befragt werden Absolventinnen und Absolventen, die ihr<br />

Studium zwischen dem Wintersemester 2007/08 und dem Sommersemester<br />

2008 beendet haben. Ziel der Befragung ist unter<br />

anderem, Studienbedingungen und -angebote gegebenenfalls<br />

den Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen und die Angebote<br />

zum Erwerb von Schlüsselkompetenzen weiter zu entwickeln.<br />

Wir sind gespannt auf die Antworten der jungen Berufseinsteigerinnen<br />

und -einsteiger, von denen bereits viele Mitglied<br />

im nationalen Alumniprogramm sind.<br />

Aber nicht nur junge Absolventinnen und Absolventen melden<br />

sich zum Alumniprogramm an, sondern auch jene, deren<br />

Studienabschluss bereits viele Jahre zurückliegt. Das zeigt uns,<br />

dass das Interesse an der Alma Mater bei vielen ein Leben lang<br />

besteht. Insgesamt haben sich in den vergangenen zwölf Monaten<br />

1200 neue Mitglieder im nationalen Alumniprogramm<br />

angemeldet. Somit gehören unserem Netzwerk erstmals mehr<br />

als 20 000 Alumni an. Dazu kommen weitere 3700 Alumni, die<br />

sich online auf der globalen Business-Plattform Xing in der<br />

vom Alumniteam moderierten TU-Alumnigruppe vernetzen<br />

und dort ebenfalls regelmäßig News aus der TU <strong>Berlin</strong> erhalten.<br />

Die Alumnidatenbank, aber auch das Xing-Portal sind für<br />

uns wichtige Instrumentarien des Austauschs und der Kontaktaufnahme<br />

mit Ihnen, liebe Alumni. Wir freuen uns über Ihre<br />

Bereitschaft, unsere Arbeit zu unterstützen, und können ein<br />

schönes Resümee ziehen: TU-Alumni sind sympathisch! Dies<br />

spüren wir nicht nur bei dem umfangreichen Telefon- und Mailkontakt,<br />

sondern gerade auch bei Ihrem Engagement, als Autorin<br />

oder Autor für unsere Publikationen zur Verfügung zu stehen<br />

oder als Referentin oder Referent die verschiedensten Veranstaltungen<br />

der TU <strong>Berlin</strong> zu unterstützen. Selten haben wir<br />

von Ihnen eine Absage erhalten, und die Zusammenarbeit war<br />

stets unkompliziert und erfolgreich.<br />

Die Geduld einer bestimmten Alumnigruppe haben wir in<br />

diesem Jahr besonders auf die Probe gestellt: Diejenigen Alumni,<br />

die eine Alumnimailbox nutzen, wurden vom IT-Dienstleistungszentrum<br />

(TUBIT) beziehungsweise vom Alumniteam<br />

mehrfach kontaktiert, da die Mailboxen in das Alumniportal<br />

integriert werden sollten. Wir möchten uns an dieser Stelle angesichts<br />

zeitweiliger technischer Einschränkungen für das Verständnis<br />

der Mailboxnutzerinnen und -nutzer bedanken. Der<br />

Prozess ist mittlerweile abgeschlossen und die Wogen haben<br />

sich geglättet. Der neue Alumnimailserver verrichtet zuverlässig<br />

seinen Dienst – rund 5000 Zugriffe pro Woche können wir<br />

hier verzeichnen.<br />

Wir möchten Sie weiterhin auf Ihrem beruflichen Weg begleiten<br />

und bieten Ihnen mit unserem Alumniprogramm die Möglichkeit<br />

der Vernetzung sowohl mit der <strong>Universität</strong> als auch mit<br />

anderen Alumni. Nutzen Sie unsere Angebote! Zunächst aber<br />

wünschen wir Ihnen viel Spaß bei der Lektüre der vorliegenden<br />

<strong>parTU</strong>-Ausgabe. Sie weckt hoffentlich ebenfalls Ihr Interesse<br />

an unserem Netzwerk.<br />

Das Alumniteam wünscht Ihnen schöne Weihnachten und<br />

ein frohes neues Jahr.<br />

Ihre<br />

Dr. Kristina R. Zerges<br />

Leiterin des Referats für Presse und Information sowie des<br />

nationalen Alumniprogramms der TU <strong>Berlin</strong>


Inhalt<br />

Neues aus der TU <strong>Berlin</strong><br />

2 Alte Pracht und neue Prächtigkeit<br />

Die TU <strong>Berlin</strong> feiert das 125-jährige Jubiläum ihres Hauptgebäudes<br />

mit einer Ausstellung zur Geschichte der Architektur<br />

des Bauwerkes und zeigt Gemälde einer <strong>Berlin</strong>er Künstlergruppe<br />

4–6 Wissenschaft und Forschung<br />

Fast 100 Millionen Drittmittel im Jahr 2008 · <strong>Universität</strong> meldet<br />

48 Erfindungen an · Zwei neue DFG-Graduiertenkollegs an der<br />

<strong>Universität</strong> · Lord Stern erhält die Ehrendoktorwürde · Neue<br />

Stiftungsprofessur „Analytische Röntgenphysik“ · Spitzenpreis<br />

für Spitzenforscherinnen · Elektronenmikroskop zieht in ein<br />

hochmodernes Gebäude · Neuer Sonderforschungsbereich<br />

und hochdotierte EU-Forschungspreise · 19 Stockwerke für die<br />

Forschung · Ein Experimentalhaus für die Lehre<br />

7 <strong>Universität</strong> und Gesellschaft<br />

Die TU <strong>Berlin</strong> als Integrationspunkt für einen starken<br />

Wissenschaftsstandort in <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />

Titelthema: Zivile Sicherheitsforschung an der TU <strong>Berlin</strong><br />

8 Mobil zu telefonieren kann gefährlich sein …<br />

… im Internet zu surfen auch. Jean-Pierre Seifert erforscht,<br />

wie man Angriffe in der digitalen Welt abwehrt<br />

10 Bin ich wirklich ich?<br />

Wissenschaftler entwickeln Methoden, um Menschen und<br />

Dinge sicher zu identifizieren<br />

11 Das elektronische Kennzeichen<br />

Lästige Behördengänge werden irgendwann Vergangenheit<br />

sein. Dafür forscht Ilja Radusch an der Sicherheit der<br />

digitalen Kommunikation<br />

13 Effizienz ist nicht die Lösung allein<br />

Neue Strategien sollen die Verwundbarkeit globaler Logistiknetze<br />

verringern<br />

<strong>14</strong> Wenn eine Katastrophe die andere auslöst<br />

Forschung zur Simulation von Kaskadeneffekten beim Ausfall<br />

von Infrastrukturen<br />

15 Sicher online – Informationsportal für Nutzer<br />

Welche Entscheidung schützt das Netzwerk?<br />

Forschung<br />

16 „An Bildern schleppt ihr hin und her …“<br />

Beutekunst – Restitutionen und Emotionen in historischer<br />

Perspektive<br />

Titelbild und Fotos: TU-Pressestelle/Dahl<br />

Entrepreneur<br />

21 Software für Sonnenenergie<br />

Gerhard Valentin liefert aus <strong>Berlin</strong> Programme, mit denen<br />

Solaranlagen überall auf der Welt berechnet werden<br />

22 „mikado“ ist anders als andere<br />

Seit 26 Jahren ist die Firma mit sozialem Gewissen auf dem<br />

IT-Markt erfolgreich<br />

24 Ein Haus voller Ideen<br />

Die Gründungswerkstatt bietet jungen Teams die Infrastruktur<br />

für den Start in die Selbstständigkeit<br />

26 Teamtraining beim Iglubau nach Eskimo-Art<br />

Normalerweise kosten Hobbys Geld. Alexander Klaußner aber<br />

hat die Sache umgedreht und finanziert sich mit ihnen sein<br />

Leben<br />

Alumni heute<br />

27 Radikal neu denken<br />

Philipp Oswalt, Direktor der Bauhaus-Stiftung Dessau, über<br />

die aktuelle Bedeutung dieser Epoche und die Schwierigkeit,<br />

Grenzen zu überschreiten<br />

29 „Ich bin für alles bis zur Grasnarbe zuständig“<br />

Werner Dauben sucht für Gazprom nach unterirdischen<br />

Speicherstätten<br />

30 Mehr als drei Tassen mit Zwiebel muster<br />

und ein Mops<br />

Christian Kurtzke will das etwas betuliche Image des<br />

Meissener Porzellans verändern<br />

32 Arbeiten im Untergrund<br />

Der Bauingenieur Jens Neugebauer ist Herr über die Kanäle<br />

bei den <strong>Berlin</strong>er Wasserbetrieben<br />

33–34 Mit 4000 Euro nach New York, Sydney, Paris<br />

Was Erwin-Stephan-Presiträger mit ihrem Preisgeld<br />

unter nommen haben: Management im „Big Apple“ ·<br />

Elektronenmikroskopie in „Down under“ · Archivrecherche<br />

an der Seine<br />

Meldungen<br />

36–39 Fakultäten intern · TU intern · TU extern · Impressum<br />

Profil<br />

40 Hochschulen müssen praxisorientierter ausbilden<br />

Herbert K. Haas, Vorsitzender des Vorstandes des<br />

Versicherungskonzerns Talanx<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 1


NeUes aUs Der TU BerliN<br />

Palast der Wissenschaft<br />

Bücher, sagt man, haben ihr Schicksal. Gilt das auch für Häuser?<br />

Anfang November 2009 beging die TU <strong>Berlin</strong> das 125-jährige<br />

Jubiläum ihres Hauptgebäudes mit einem Festakt, und<br />

Prof. Dr. Kurt Kutzler, Präsident der TU <strong>Berlin</strong>, eröffnete fei-<br />

Zwischen Tradition und Nachkriegsmoderne<br />

„Aufbruch zur Langen Nacht“ heißt das jüngste Gemälde von Matthias Koeppel, das am 13. November<br />

enthüllt wurde. Es stellt nicht nur die Eröffnung der „Langen Nacht der Wissenschaften“<br />

an der TU <strong>Berlin</strong> durch den Präsidenten Kurt Kutzler in den <strong>Mitte</strong>lpunkt, sondern auch das markante<br />

Hauptgebäude. Damit schlägt Koeppel die Brücke von der Gemälde- zur Architekturausstellung<br />

anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des TU-Hauptgebäudes (bis 13. Dezember täglich<br />

von 10 bis 20 Uhr, TU-Hauptgebäude, Straße des 17. Juni 135). Der Begleitkatalog zur Architekturausstellung<br />

(ISBN 978-3-7983-2183-0) ist im <strong>Universität</strong>sverlag erschienen.<br />

Die Ausstellung in der <strong>Universität</strong>sbibliothek ist noch bis zum 30. Januar 2010 zu sehen im Ausstellungsforum<br />

der Bibliothek, Fasanenstraße 88, 10623 <strong>Berlin</strong>, montags bis freitags von 8 bis 22<br />

Uhr, samstags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt für beide Ausstellungen ist frei.<br />

www.tu-berlin.de/?id=70944, www.tu-berlin.de/?id=70978<br />

Alte Pracht und<br />

Die TU <strong>Berlin</strong> feiert das 125-jährige Jubiläum<br />

zur Geschichte der Architektur des Bauwerkes<br />

erlich im Lichthof die Ausstellung „125 Jahre Hauptgebäude<br />

der TU <strong>Berlin</strong>. Spannung zwischen Tradition und Nachkriegsmoderne“.<br />

Der Blick in die Geschichte zeigt nicht nur, welche<br />

erstaunliche Metamorphose diese Immobilie vollzogen hat, die<br />

Ausstellung findet auch zu einem Zeitpunkt statt, da – dank<br />

des Konjunkturprogramms II der Bundesregierung – 2010 ein<br />

Jahrzehnt umfassender Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten<br />

im und am Hauptgebäude beendet werden kann. Diese<br />

Arbeiten bedeuten zugleich die eingreifendste<br />

Veränderung am <strong>Universität</strong>sgebäude<br />

seit Abschluss von Wiederaufbau<br />

(1953) und Neubau (1968).<br />

Das Ausstellungsdesign, entwickelt<br />

von Burkhard Lüdtke, Leiter der TU-Modellbauabteilung,<br />

und seiner Mitarbeiterin<br />

Annette Maria Müller, spiegelt die derzeitige<br />

Bausituation und gibt der Schau die<br />

Aura einer „Werkstattsituation“. Die Präsentation,<br />

initiiert durch den TU-Abteilungsleiter<br />

Hans Joachim Rieseberg, zeigt<br />

die „Schichten der Geschichte“. Im Fokus<br />

befindet sich aber dezidiert die Zeit zwischen<br />

1946 bis 2010. Die Schau umfasst<br />

drei wichtige Phasen: den Wiederaufbau<br />

nach 1946, den Neubau der Nordfassade<br />

in den Sechzigerjahren und die jüngsten<br />

Modernisierungen.<br />

Mehrere Modelle zeigen sehr anschaulich<br />

Teilansichten des <strong>Universität</strong>sgebäudes<br />

in Gegenwart und Zukunft. Diese Modelle<br />

sind den fünf Stationen der Ausstellung<br />

zugeordnet. Dort werden in Bild und<br />

Text die historischen Metamorphosen der<br />

einzelnen Gebäudeteile des Hauses – die<br />

Eingangshalle, der Lichthof, der Altbau,<br />

der Neubau und das Audimax – präsentiert.<br />

Der Schauteil zeigt mehr als 150 his-<br />

torische und aktuelle Fotos, diverse Dokumente,<br />

Zeichnungen und Baupläne, die<br />

von Annette Maria Müller zusammengestellt<br />

wurden.<br />

Die Ausstellung widmet sich zugleich<br />

wichtigen historischen Ereignissen, für<br />

die der „Palast der Wissenschaften“ Hülle<br />

oder Kulisse bildete. Das Spektrum reicht<br />

von den Festen in wilhelminischer Zeit,<br />

wo mit patriotischem Pomp die <strong>Technische</strong><br />

Hochschule, die Vorgängereinrichtung<br />

der TU <strong>Berlin</strong>, eingeweiht und den<br />

technischen Hochschulen in Preußen als<br />

ersten technischen Hochschulen im Deut-<br />

2 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: © Matthias Koeppel


neue Prächtigkeit<br />

ihres Hauptgebäudes mit einer Ausstellung<br />

und zeigt Gemälde einer <strong>Berlin</strong>er Künstlergruppe<br />

schen Reich 1899 im Lichthof durch Kaiser Wilhelm II. das Promotionsrecht<br />

verliehen wurde, über die Inszenierung faschistischer<br />

Machtentfaltung in Gestalt der Militärparaden auf der<br />

Ost-West-Achse bis zum Wiederaufbau nach 1945.<br />

Mit der Ausstellungseröffnung reiht sich die TU <strong>Berlin</strong> in<br />

die Veranstaltungsreihe zum <strong>Berlin</strong>er Wissenschaftsjahr 2010<br />

ein. Anlass sind die Jubiläen von fünf Einrichtungen. So feiert<br />

unter anderem die Staatsbibliothek zu <strong>Berlin</strong> ihre Gründung<br />

vor 350 Jahren, die Charité ihre vor 300 Jahren, die Humboldt-<br />

<strong>Universität</strong> ihr 200-jähriges Jubiläum, und die TU <strong>Berlin</strong> ehrt<br />

Konrad Zuse, dessen 100. Geburtstag sich 2010 jährt. Zusammen<br />

mit dem Deutschen Technikmuseum und anderen Partnern<br />

erinnert sie an den Erfinder des Computers, der an der <strong>Technische</strong>n<br />

Hochschule studiert hatte. Auch die <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />

begeht mit einer Ausstellung ihr 125-jähriges Bestehen.<br />

Die Schau „125 Jahre Wissen im Zentrum – die <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />

der <strong>Technische</strong>n <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong>“ schlägt den<br />

Bogen von den Anfängen der Bibliothek mit beeindruckendem<br />

Lesesaal bis zu den digitalen Angeboten der Gegenwart, den<br />

Web 2.0-Services, den elektronischen Büchern und Datenbanken.<br />

Auch Sonderabteilungen der Bibliothek wie die Sammlung<br />

der Gartenbaubücherei mit wertvollen Büchern und prachtvollen<br />

Stichen aus allen Epochen werden in den Fokus gerückt.<br />

Foto: © Johannes Grützke<br />

HANs CHrIsTIAN FörsTer<br />

„Rettet euch aus der Kläglichkeit: Werdet Schüler der Neuen<br />

Prächtigkeit!“ – Als sich im Jahr 1973 mit diesem Appell die<br />

vier <strong>Berlin</strong>er Maler Johannes Grützke (*1937), Matthias Koeppel<br />

(*1937), Manfred Bluth (1926–2002) und Karlheinz Ziegler<br />

(1935–2008) zur „Schule der Neuen Prächtigkeit“ zusammenschlossen,<br />

war nicht nur der Name, den sich die Künstlergruppe<br />

gegeben hatte, ein Affront: Auch das ästhetische Programm,<br />

nämlich gegenständlich (wenn auch in ironischer Brechung) zu<br />

malen, passte so gar nicht in eine Zeit, die sich scharf gegen den<br />

„Realismus in der Kunst“ wandte. 36 Jahre nach diesem Ereignis<br />

findet an der TU <strong>Berlin</strong> nun die erste große Werkschau dieser<br />

Künstlergruppe statt. Initiiert wurde sie vom Präsidenten der TU<br />

<strong>Berlin</strong> und gefördert von der Gesellschaft von Freuden der TU<br />

<strong>Berlin</strong>. Die Ausstellung „Die Schule der Neuen Prächtigkeit –<br />

Der Blick zurück nach vorn: die Gemälde einer Künstlergruppe:<br />

Bluth – Grützke – Koeppel – Ziegler“ zeigt Gemälde aller<br />

vier Maler von ihren Anfängen bis in die heutige Zeit. Die Kraft<br />

der Provokation und die Schärfe der Satire haben sich die Künstler<br />

durch alle Zeitströmungen hindurch bis heute erhalten – in<br />

ihren Gemälden und skurrilen Selbstinszenierungen. Ihre Aktivitäten<br />

waren immer, auch in politischer<br />

Hinsicht, anstößig, und immer<br />

warfen sie aus schrägem Winkel<br />

ein bezeichnendes Licht auf die gesellschaftliche<br />

Wirklichkeit. sn<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 3<br />

NeUes aUs Der TU BerliN<br />

Kampf dem rechten Winkel<br />

erste große Werkschau<br />

Die Ausstellung ist noch bis zum 13. Dezember 2009 in der TU<br />

<strong>Berlin</strong>, Straße des 17. Juni 135, im Hauptgebäude in den Galerien<br />

am Lichthof zu sehen. Dort wird auch das Gemälde „Vor der Walpurgisnacht“<br />

(siehe Bild links) von Johannes Grützke gezeigt. Am<br />

13. Dezember endet die Werkschau mit einer Finissage um 11 Uhr.<br />

Das Buch zur Ausstellung „Die Schule der Neuen Prächtigkeit.<br />

Grützke, Koeppel, Bluth, Ziegler. Gemälde und Dokumente einer<br />

Künstlergruppe“ ist im Nicolai-Verlag erschienen. Dort werden die<br />

Akteure, die Aktivitäten, die ästhetischen Positionen und künstlerischen<br />

Hervorbringungen der „Schule der Neuen Prächtigkeit“ in<br />

sieben Essays historisch eingeordnet und ästhetisch gewürdigt. Der<br />

umfangreiche Abbildungsteil mit Bildern aller vier Künstler präsentiert<br />

herausragende Beispiele ihrer Malerei – in ihren Gemeinsamkeiten<br />

und Unterschieden.<br />

www.tu-berlin.de/?id=69391


NeUes aUs Der TU BerliN<br />

Wissenschaft und Forschung<br />

Fast 100 Millionen Drittmittel im Jahr 2008<br />

Im Jahr 2008 konnte die TU<br />

<strong>Berlin</strong> insgesamt 98,8 Millionen<br />

Euro Drittmittel von öffentlichen<br />

und privaten <strong>Mitte</strong>lgebern<br />

einwerben. Das bedeutet<br />

ein Plus von rund 22 Prozent<br />

beziehungsweise 17,5 Millionen<br />

Euro gegenüber dem Vorjahr.<br />

Mit dieser Leistung setzen<br />

die Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler den positiven<br />

Trend der Vorjahre erneut<br />

fort. Durchschnittlich konnten<br />

pro Professur an der TU <strong>Berlin</strong><br />

322 822 Euro eingeworben werden.<br />

Der bundesweite Durchschnitt<br />

lag im Jahr 2006 bei<br />

107 600 Euro. Die Drittmittelzahl<br />

zeigt die Attraktivität der<br />

TU <strong>Berlin</strong> als ausgewiesene<br />

Forschungsuniversität. In den vergangenen Jahren gehörte die<br />

TU <strong>Berlin</strong> bundesweit immer zu den zehn besten <strong>Universität</strong>en<br />

(ohne medizinische Einrichtungen) bei der Drittmitteleinwerbung.<br />

Mit Abstand das meiste Geld floss im Jahr 2008 mit rund<br />

36 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) an die TU <strong>Berlin</strong>. Dies bedeutet einen Zuwachs von 54<br />

<strong>Universität</strong> meldet 48 erfindungen an<br />

Im vergangenen Jahr sind der ipal Gesellschaft für Patentverwertung<br />

<strong>Berlin</strong> 48 Erfindungen von den Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftlern der TU <strong>Berlin</strong> zur Prüfung<br />

und Bearbeitung übergeben worden. Damit liegt die TU<br />

<strong>Berlin</strong> unter den <strong>Berlin</strong>er Hochschulen an zweiter Stelle hinter<br />

der Charité, die 59 Erfindungen anmeldete. Insgesamt<br />

4 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />

Prozent im Vergleich zum Jahr 2007. Erheblich mehr <strong>Mitte</strong>l haben<br />

die Fakultäten und Einrichtungen der TU <strong>Berlin</strong> zudem vom<br />

Bund (rund 21 Millionen Euro, 23 Prozent mehr als im Vorjahr)<br />

und von privaten <strong>Mitte</strong>lgebern (rund 20 Millionen Euro, fünf<br />

Prozent Zuwachs) eingeworben. Von der Europäischen Union<br />

flossen wieder rund 13 Millionen Euro. stt<br />

Zwei neue DFG-Graduiertenkollegs an der TU <strong>Berlin</strong><br />

Die TU <strong>Berlin</strong> hat von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) zwei neue Graduiertenkollegs bewilligt bekommen. Das<br />

Graduiertenkolleg „Kollektive Dynamik im Nichtgleichgewicht<br />

in kondensierter Materie und biologischen Systemen“ befindet<br />

sich am Institut für Theoretische Physik. Sein Sprecher ist Prof.<br />

Dr. Holger Stark, Leiter des Fachgebietes Statistische Physik weicher<br />

Materie und biologischer Systeme. Es wird in einer ersten<br />

Förderphase von viereinhalb Jahren mit circa 4,7 Millionen Euro<br />

finanziert. Die Forschungsthemen reichen vom Transport wechselwirkender<br />

Elektronen im Nichtgleichgewicht durch Halbleiter-<br />

Quantenpunkte bis hin zu Biofilmen und Neuronen im Gehirn.<br />

Das Graduiertenkolleg „Verarbeitung sensorischer Informatio-<br />

waren im Jahr 2008 bei der ipal 169 Erfindungsmeldungen<br />

eingegangen. Von den 48 Erfindungen an der TU <strong>Berlin</strong> sind<br />

elf zum Patent angemeldet worden, zehn beim Deutschen<br />

Patentamt, eine beim europäischen. Die TU <strong>Berlin</strong> kann zudem<br />

auf drei Patentverkäufe und fünf Lizenzvereinbarungen<br />

verweisen. sn<br />

nen in neuronalen Systemen“ wird von Prof. Dr. Klaus Obermayer,<br />

Leiter des Fachgebietes Neuronale Informationsverarbeitung<br />

am Institut für Softwaretechnik und Theoretische Informatik,<br />

koordiniert und auch für viereinhalb Jahre mit zwei Millionen<br />

Euro gefördert. In dem Kolleg werden Konzepte und Methoden<br />

aus den Forschungsgebieten maschinelles Lernen, theoretische<br />

Neurobiologie und Systemneurobiologie kombiniert, um neuronale<br />

Informationsverarbeitung im Zusammenhang mit Wahrnehmungsprozessen<br />

zu untersuchen. An dem ebenfalls von der DFG<br />

bewilligten Kolleg „Serviceorientierte Architekturen zur Integration<br />

softwaregestützter Prozesse am Beispiel des Gesundheitswesens<br />

und der Medizintechnik“ ist die TU <strong>Berlin</strong> beteiligt. sn<br />

Foto: TU-Pressestelle/Dahl


Wissenschaft und Forschung<br />

Lord stern erhält die ehrendoktorwürde<br />

Für seine wegweisenden<br />

Forschungen auf dem<br />

Gebiet des Klimawandels<br />

ist Professor Lord<br />

Nicholas Stern die Ehrendoktorwürde<br />

der TU<br />

<strong>Berlin</strong> verliehen worden.<br />

Der renommierte<br />

Ökonom der London<br />

School of Economics<br />

nahm die Auszeichnung<br />

am 4. November 2009<br />

von TU-Präsident Prof.<br />

Dr. Kurt Kutzler und<br />

Prof. Dr. Rudolf Schäfer,<br />

Dekan der Fakultät<br />

VI Planen Bauen Umwelt,<br />

entgegen. Es sei<br />

das Verdienst von Lord<br />

Stern, sagte Prof. Dr.<br />

Kurt Kutzler anlässlich<br />

der Verleihung, das Thema Ökonomie des Klimawandels<br />

auf der Agenda der internationalen Diskussion platziert zu<br />

haben. Auch seien seine Arbeiten eine wesentliche Grundlage<br />

dafür gewesen, dass an der TU <strong>Berlin</strong> die Michael-Otto-Professur<br />

„Ökonomie des Klimawandels“ eingerichtet<br />

wurde, die mit ihrem Profil bislang weltweit einmalig sei.<br />

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, der die Professur innehat, hielt<br />

die Laudatio auf Lord Stern. Die Ehrung erfolgte im Rah-<br />

Neue stiftungsprofessur<br />

„Analytische röntgenphysik“<br />

Die Physikerin Prof. Dr. Birgit Kanngießer ist auf die neue Stiftungsprofessur<br />

„Analytische Röntgenphysik“ berufen worden.<br />

Die Professur wurde von 13 in- und ausländischen Unternehmen,<br />

der TSB Technologiestiftung <strong>Berlin</strong> und der TU <strong>Berlin</strong> initiiert<br />

und ist am Institut für Optik und Atomare Physik angesiedelt.<br />

Die Stiftung ist mit 650 000 Euro ausgestattet. Von 2009 bis<br />

2011 wird die Professur über den Masterplan „Wissen schafft<br />

Zukunft“ des <strong>Berlin</strong>er Senats finanziert. Die TSB Technologiestiftung<br />

<strong>Berlin</strong> wird sich von 2012 bis 2016 mit einer Zuwendung<br />

engagieren. Ab 2017 soll dann die Stiftungsprofessur in<br />

eine Regelprofessur umgewandelt werden. Das Neue an dieser<br />

Stiftungsprofessur ist, dass nicht nur ein Großunternehmen als<br />

Stifter fungiert, sondern sich 13 Firmen, unter denen auch kleine<br />

und mittelständische regionale Unternehmen sind, zusammenschlossen<br />

und eine gemeinnützige Stiftung gründeten. Birgit<br />

Kanngießer studierte Physik, Astronomie und Philosophie<br />

in Bonn und ist Inhaberin des renommierten Röntgenpreises der<br />

Justus-Liebig-<strong>Universität</strong> Gießen. sn<br />

Foto: london school of economics<br />

men der 1. Climate Lecture,<br />

die Lord Stern mit seinem<br />

Vortrag „The Economics of<br />

Climate Change“ eröffnete.<br />

Die Climate Lecture ist eine<br />

neue Vorlesungsreihe zum<br />

Thema Klimawandel, die<br />

die TU <strong>Berlin</strong>, das Potsdam-<br />

Institut für Klimafolgenforschung<br />

und Vattenfall zusammen<br />

ins Leben gerufen<br />

haben. Stern hatte 2006 als<br />

Berater der britischen Regierung<br />

den sogenannten<br />

„Stern-Report“ vorgelegt<br />

und darin aufgezeigt, dass<br />

Klimaschutz ökonomisch<br />

sinnvoll und finanzierbar<br />

ist. In dem Report führte er<br />

den Nachweis, dass die Kosten<br />

für frühzeitig getroffene<br />

Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen geringer seien<br />

als die Kosten der Umweltschäden, die durch Nichthandeln<br />

entstünden. sn<br />

Die Pressestelle der TU <strong>Berlin</strong> hat im internet die 1. Climate<br />

lecture dokumentiert und Materialien, reden sowie Filme<br />

zum Download bereitgestellt.<br />

www.tu-berlin.de/?id=70989<br />

spitzenpreis für<br />

spitzenforscherinnen<br />

Gleich drei Professuren aus dem Professorinnen-Programm von<br />

Bund und Ländern wurden im Februar an die TU <strong>Berlin</strong> vergeben.<br />

Es war die höchstmögliche Anzahl, die eine <strong>Universität</strong> erhalten<br />

konnte. Damit gehört die TU <strong>Berlin</strong> bundesweit zu den<br />

erfolgreichsten Hochschulen, die sich in diesem Programm beworben<br />

haben. Die Professuren gingen an die Mathematikerin<br />

Olga Holtz, die Physikerin Sabine Klapp und die Kunsthistorikerin<br />

Bénédicte Savoy.<br />

Das Professorinnen-Programm, das innerhalb von fünf Jahren<br />

200 neue Stellen für Professorinnen schaffen soll, will hoch<br />

qualifizierte und talentierte Wissenschaftlerinnen in Spitzenpositionen<br />

in Wissenschaft und Forschung bringen. Auch soll die<br />

Anzahl der Professorinnen an deutschen Hochschulen deutlich<br />

erhöht werden. Finanziert wird das Professorinnen-Programm<br />

vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis 2011<br />

mit 75 Millionen Euro. Die Länder beteiligen sich anteilig an<br />

dem 150-Millionen-Euro-Programm. An der TU <strong>Berlin</strong> forschen<br />

und lehren derzeit 267 Professoren und 47 Professorinnen. sn<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 5<br />

NeUes aUs Der TU BerliN


NeUes aUs Der TU BerliN<br />

Wissenschaft und Forschung<br />

elektronenmikroskop zieht in ein hochmodernes Gebäude<br />

19 stockwerke<br />

für die Forschung<br />

Direkt an der Straße des 17. Juni, zwischen dem Mathematik-<br />

und dem Architekturgebäude, plant die TU <strong>Berlin</strong> ein neues<br />

Forschungszentrum für Maschinenbau und Informatik. Dafür<br />

schrieb die <strong>Berlin</strong>er Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen<br />

Architekturwettbewerb aus. Die Pläne der schulz & schulz<br />

Architekten gmbH aus Leipzig, die einen 19-stöckigen Neubau<br />

entwarf und den Wettbewerb gewonnen hat, wurden zur weiteren<br />

Ausarbeitung und Realisierung empfohlen. Ziel des Wettbewerbs<br />

war es, einen gestalterisch anspruchsvollen Entwurf für<br />

diesen städtebaulich wichtigen Ort zu erhalten. sn<br />

6 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />

Die TU <strong>Berlin</strong> baut eigens für die Anschaffung eines hochmodernen Transmissionselektronenmikroskops<br />

ein neues Gebäude. Das neue Elektronenmikroskopie-<br />

Gebäude wird höchsten technischen Standards genügen, die für die Installation eines<br />

hochsensiblen wissenschaftlichen Instrumentes wie eines Transmissionselektronenmikroskops<br />

erforderlich sind. Verantwortlich für den Bau ist das Gebäude- und<br />

Dienstemanagement der TU <strong>Berlin</strong> unter Leitung von Hans Joachim Rieseberg. Das<br />

Richtfest fand am 17. November 2009 auf dem Campus der TU <strong>Berlin</strong> statt. 3,5 Millionen<br />

Euro investiert die <strong>Universität</strong> in den Bau. Die Konzeption der Haustechnik<br />

ermöglicht es, dass die Temperatur in den Mikroskopräumen innerhalb einer halben<br />

Stunde nur um 0,1 Grad Celsius schwankt. Um mechanische Vibrationen zu minimieren,<br />

wurde der Boden mittels 122 bis zu zehn Meter tiefen Pfählen verfestigt. Im<br />

späten Frühjahr nächsten Jahres soll das Gebäude eingeweiht werden. sn<br />

Neuer sonderforschungsbereich und hochdotierte<br />

eU-Forschungspreise<br />

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einen<br />

neuen Sonderforschungsbereich/Transregio zur Optimierung<br />

von chemischen Prozessketten unter Federführung<br />

der TU <strong>Berlin</strong> bewilligt. Das Vorhaben „Integrierte chemische<br />

Prozesse in flüssigen Mehrphasensystemen“ von <strong>Berlin</strong>er,<br />

Dortmunder und Magdeburger Forscherinnen und<br />

Forschern wird mit acht Millionen Euro für vier Jahre gefördert.<br />

Sprecher ist Prof. Dr.-Ing. Matthias Kraume vom<br />

Institut für Prozess- und Verfahrenstechnik. Außerdem ist<br />

die TU <strong>Berlin</strong> an einem weiteren neu bewilligten Sonderforschungsbereich<br />

beteiligt.<br />

Erfolgreich war die TU <strong>Berlin</strong> auch bei der Verleihung<br />

der „ERC Advanced Grant 2009“ durch den Europäischen<br />

Forschungsrat. Gleich zwei der hochdotierten und renommierten<br />

Preise gingen in diesem Jahr an Wissenschaftler<br />

der TU <strong>Berlin</strong>. Professor Christian Oliver Paschereit, Leiter<br />

des Fachgebietes Experimentelle Strömungsmechanik,<br />

erhielt mehr als 3,1 Millionen Euro. Paschereit will eine in-<br />

novative Verbrennungstechnologie entwickeln, die auf der<br />

Eindüsung großer Mengen von Wasserdampf basiert. Damit<br />

soll die Effizienz von Gasturbinen um bis zu 15 Prozent<br />

erhöht werden. Der Mathematik-Professor Günter M. Ziegler<br />

bekam 1,85 Millionen Euro für sein Forschungsprojekt<br />

zu den Phänomenen der „Diskretisierung“. Dahinter verbirgt<br />

sich die Modellierung von kontinuierlichen Prozessen<br />

und Strukturen mit mathematischen Methoden, damit sie<br />

der Analyse und Berechnung im Computer zugänglich gemacht<br />

werden können.<br />

Mit drei Millionen Euro werden die Forschungen zu<br />

„Multi-Organ-Bioreaktoren im Chipformat“ von Prof. Dr.<br />

Roland Lauster, Leiter des Fachgebietes Medizinische Biotechnologie,<br />

finanziert. Das Forschungsvorhaben gehört zu<br />

jenen sechs Projekten, die in der dritten Runde des GO-Bio-<br />

Wettbewerbs (Gründungsoffensive Biotechnologie) für eine<br />

Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und<br />

Forschung ausgewählt wurden. sn<br />

ein experimentalhaus<br />

für die Lehre<br />

Am 30. September 2009 erfolgte der Spatenstich für das Experimentalhaus,<br />

das die TU <strong>Berlin</strong> mit 300 000 Euro finanziert. Das<br />

Haus soll demonstrieren, wie sich zeitgemäße und funktionale<br />

Architektur mit dem neuesten Stand der Gebäude- und Klimatechnik<br />

verbinden lässt. Es ist das Ergebnis einer Kooperation<br />

verschiedenster TU-Fachgebiete und wird einer hochqualitativen<br />

Lehre im Bereich regenerativer Energietechniken zugutekommen.<br />

Entworfen hat das 130 Quadratmeter große Gebäude<br />

aus Glas und Holz in Form eines „C“ die TU-Architekturstudentin<br />

Gertraud Zwiens. sn<br />

Foto: Nöfer Gesellschaft von architekten mbH


<strong>Universität</strong> und Gesellschaft<br />

Die TU <strong>Berlin</strong> als Integrationspunkt für einen starken<br />

Wissenschaftsstandort in <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />

Die TU <strong>Berlin</strong> und die <strong>Universität</strong> der Künste mit ihren rund<br />

32 000 Studierenden sowie mehreren Tausend Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftlern in technischen und künstlerischen<br />

Disziplinen sind ein Beleg dafür, dass der Wissenschaftsstandort<br />

<strong>Berlin</strong>-Charlottenburg schon heute ein Leuchtturm ist. Diese<br />

Rahmenbedingungen sind ideal für die weitere Ansiedlung<br />

renommierter außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, innovativer<br />

Start-ups und kleiner Firmen ebenso wie forschungsintensiver<br />

Unternehmen aus verschiedenen Technologiefeldern<br />

und einer internationalen Kunst- und Kulturszene. Wichtige Verbände<br />

und Institutionen wie die VDI/VDE Innovation + Technik<br />

GmbH, die Technologiestiftung <strong>Berlin</strong> oder die Industrie- und<br />

Handelskammer <strong>Berlin</strong> haben bereits ihren Sitz in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft. In diesem pulsierenden Netzwerk spielt die TU<br />

<strong>Berlin</strong> mit ihren innovativen Kooperationsformen und Vernetzungsstrategien<br />

eine bedeutende Rolle. Sie soll verstärkt werden<br />

mit dem Projekt „Nachhaltige Vitalisierung des kreativen Quartiers<br />

um den Campus <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg“, kurz „Navi“. Es<br />

ist eine Initiative des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, der<br />

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung <strong>Berlin</strong> zusammen mit<br />

der Adlershof Projekt GmbH, der TU <strong>Berlin</strong> und der <strong>Universität</strong><br />

der Künste <strong>Berlin</strong> mit dem Ziel, die Internationalität und die<br />

Lebensqualität des Bezirks mit wirtschaftlicher Innovationskraft<br />

und kreativer Experimentierfreude zu kombinieren.<br />

So kann die TU <strong>Berlin</strong> mit ihren wissenschaftlichen Potenzialen<br />

in den Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

und im Engineering einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung liefern.<br />

Mit ihrem Fächerspektrum schlägt sie Brücken zwischen<br />

Grundlagenforschung wie der Nanophotonik und der Optoelektronik<br />

bis hin zu den Endtechnologien der Informationstechnik.<br />

Eine hohe Start-up-Quote bezeugt zudem die Innovationsfähigkeit.<br />

Der TU <strong>Berlin</strong> sind über 900 Gründerinnen und Gründer<br />

Foto: TU-Pressestelle<br />

bekannt, 25 Prozent im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien.<br />

Bilaterale Partnerschaften mit führenden<br />

Weltunternehmen wie beispielsweise mit der Telekom AG oder<br />

der Daimler AG münden in exzellente Forschungs- und Entwicklungsleistungen,<br />

die am Standort entstehen.<br />

Herausragendes Beispiel für neue Kooperationsformen ist<br />

das European Center for Information and Communication Technologies.<br />

Es vernetzt die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten<br />

der TU <strong>Berlin</strong> mit der Fraunhofer-Gesellschaft, der Deutschen<br />

Telekom AG, der Daimler AG und der Opera Software AG.<br />

Die Zusammenarbeit, der direkte Austausch und die Anbindung<br />

weiterer ansässiger Forschungseinrichtungen decken in idealer<br />

Weise die Wertschöpfungskette im Innovationszyklus ab.<br />

Auch die Fraunhofer-Gesellschaft als führende Organisation<br />

für anwendungsorientierte Forschung in Europa ist in Charlottenburg<br />

vertreten. Allein vier Institute haben sich in der Nähe der TU<br />

<strong>Berlin</strong> angesiedelt. Sie bilden mit ihrer wissenschaftlichen Ausrichtung<br />

die ideale Ergänzung zur <strong>Universität</strong>, und sie sind eng<br />

über Professuren und Projekte mit ihr verbunden. So werden neuartige<br />

Materialien, Produkte und innovative Anwendungen entwickelt,<br />

die durch die Interdisziplinarität der Forschung schnell<br />

Marktreife erlangen. Eindrucksvolles Beispiel für eine gelungene<br />

Vernetzung der TU <strong>Berlin</strong> mit der Industrie ist die Gründung<br />

der „Deutsche Telekom Laboratories“. Im April 2004 wurden ihre<br />

Forschungslabore auf dem TU-Campus eröffnet. Inzwischen befindet<br />

sich am Ernst-Reuter-Platz die zentrale Forschungs- und<br />

Entwicklungseinheit des Unternehmens. Damit bündelt die Deutsche<br />

Telekom AG ihr Know-how in einem innovativen Umfeld.<br />

Weitere Informationen finden Sie im Internet<br />

www.navi-bc.de<br />

DANIeLA LANGe<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 7<br />

NeUes aUs Der TU BerliN<br />

Blick auf den Campus<br />

der TU <strong>Berlin</strong> am<br />

ernst-reuter-Platz


TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />

Zivile sicherheitsforschung an der TU <strong>Berlin</strong><br />

sicherheit in Warenketten, biometrische erkennungssysteme<br />

oder Vertrauenswürdigkeit in iT-gestützten Medizinsystemen<br />

sind drei aktuelle Themen aus der sicherheitsforschung<br />

an der TU <strong>Berlin</strong>. Mehr als 40 relevante Fachgebiete<br />

an 18 TU-instituten befassen sich derzeit mit solchen<br />

und ähnlichen Forschungsinhalten. Daraus soll ein starkes<br />

Kompetenzfeld entstehen, das seinen Fokus ausschließlich<br />

auf zivile sicherheitsforschung legt.<br />

Mobil zu<br />

telefonieren kann<br />

gefährlich sein …<br />

… im Internet zu surfen auch. Jean-Pierre seifert<br />

erforscht, wie man Angriffe in der digitalen Welt abwehrt<br />

Wenn Forscher etwas Wichtiges entdecken, dann veröffentlichen<br />

sie das meist so schnell wie möglich. Denn wer eine bahnbrechende<br />

Erkenntnis als Erster publik macht, hängt die Konkurrenz<br />

ab und beweist sich als guter Wissenschaftler. Insofern<br />

ist Jean-Pierre Seifert ein ungewöhnlicher Forscher. Gerade die<br />

aufregendsten Entdeckungen, die er macht, hält er am längsten<br />

unter Verschluss. „Meine Mitarbeiter und ich veröffentlichen<br />

unsere Forschungsergebnisse häufig erst dann, wenn sie schon<br />

nicht mehr aktuell sind“, sagt er.<br />

Seifert leitet an der TU <strong>Berlin</strong> das Fachgebiet „Security in Telecommunications“<br />

(Sicherheit in der Datenfernübertragung).<br />

Das gleiche Fachgebiet leitet er auch an den Deutsche Telekom<br />

Laboratories, dem Forschungsinstitut der Deutschen Telekom<br />

an der TU <strong>Berlin</strong>. Jean-Pierre Seifert und seine Mitarbeiter erkunden,<br />

wie man die digitale Welt noch sicherer machen kann.<br />

Sie wollen verhindern, dass Datendiebe über das Internet auf<br />

fremde Computer zugreifen, dass Kriminelle das Mobilfunknetz<br />

missbrauchen oder dass Unterhaltungselektronik von Betrügern<br />

manipuliert wird. „Wir suchen nach Sicherheitslücken<br />

in elektronischen Geräten“, beschreibt Seifert, „und arbeiten gemeinsam<br />

mit den Herstellern daran, diese Lücken zu schließen.“<br />

Das ist der Grund, warum sein Team so vorsichtig ist, wenn es<br />

um die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen geht. Finden<br />

die Wissenschaftler eine Sicherheitslücke, dann machen sie<br />

das erst öffentlich, nachdem das Leck gestopft ist. Kriminelle<br />

haben dann keine Chance mehr, die Schwachstelle auszunutzen.<br />

Im vergangenen Sommer hat Seiferts Team in der Fachwelt<br />

für Aufsehen gesorgt. Collin Mulliner und Charlie Miller wiesen<br />

nach, dass man Kurznachrichten (SMS) dazu missbrauchen<br />

kann, Mobiltelefone zu sabotieren. Die beiden Forscher versendeten<br />

spezielle SMS, die im Empfängertelefon das Betriebssys-<br />

8 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />

Neben der Vernetzung in der TU <strong>Berlin</strong> wird auch die Kooperation<br />

zwischen Wissenschaft und Wirtschaft noch weiter<br />

ausgebaut.<br />

Derzeitige Partner sind unter anderem die Fraunhofer Gesellschaft,<br />

die Bundesdruckerei, das Deutsche Zentrum für<br />

luft- und raumfahrt und Unternehmen aus der automobilbranche.<br />

angedacht sind auch neue Graduierten- und studienmöglichkeiten.<br />

stt<br />

tem veränderten. Das bewirkte einen Ausfall sämtlicher Funktionen<br />

des Geräts, einen „denial-of-service“. Die betroffenen<br />

Telefone konnten nicht mehr benutzt werden. Mehr noch: Mit<br />

Hilfe der schädlichen SMS gelang es Mulliner und Miller, fremde<br />

Software auf die Telefone aufzuspielen und diese Software<br />

per Fernsteuerung auszuführen. „Dadurch können Angreifer<br />

ein Mobiltelefon aus der Ferne übernehmen, ohne dass der Besitzer<br />

des Geräts etwas dagegen machen kann“, erläutert Seifert,<br />

„sie können das infizierte Telefon zum Beispiel dazu bringen,<br />

eine 0190-Nummer anzurufen.“<br />

Mulliner und Miller nutzten eine Sicherheitslücke im Betriebssystem<br />

der Telefone aus. Die Schwachstelle existierte bei<br />

Geräten, die massenhaft in Gebrauch sind: iPhones sowie Telefone<br />

mit den Betriebssystemen „Windows Mobile“ oder „Android“.<br />

Selbstverständlich experimentierten die beiden Forscher<br />

unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Sie testeten ihre Angriffe<br />

an eigenen Geräten, die sie vom Mobilfunknetz trennten.<br />

Dadurch bestand nicht die Gefahr, dass sich die schädlichen<br />

SMS unkontrolliert verbreiten.<br />

Die Hersteller der betroffenen Produkte haben umgehend<br />

auf die Experimente reagiert. Apple, Google und die Firma HTC<br />

brachten innerhalb weniger Wochen neue Software-Aktualisierungen<br />

heraus, um die Sicherheitslücken zu schließen. „Das war<br />

für uns natürlich eine große Anerkennung unserer Forschungsarbeit“,<br />

freut sich Seifert.<br />

Ein weiteres Thema, das er und sein Team bearbeiten, ist die<br />

Sicherheit von Basisstationen für den Mobilfunk. Eine Basisstation<br />

dient als „Ansprechpartner“ für die Mobiltelefone in der<br />

Umgebung. Sie stellt eine Verbindung zu diesen Telefonen her,<br />

nimmt deren Gespräche entgegen und leitet sie weiter, und sie<br />

sorgt für einen guten Funkempfang. „Seit Kurzem gibt es Basisstationen<br />

am Markt zu kaufen, und das ist ein großes Sicherheitsrisiko“,<br />

warnt Seifert. Gelänge es Kriminellen, eine solche<br />

Station in Betrieb zu nehmen, dann würden sich alle Mobiltelefone<br />

aus dem Umkreis selbstständig bei dieser Station anmelden.<br />

Die Kriminellen können dann die eingehenden Gespräche<br />

abhören, illegale Produktwerbung vertreiben oder den Mobilfunk<br />

in der Umgebung ganz lahmlegen. „Jede Minute, in der<br />

das Netz nicht funktioniert, ist eine Katastrophe“, erläutert Seifert,<br />

„die Notrufe funktionieren nicht mehr, der Netzbetreiber<br />

verliert Einnahmen, und Angreifer können schädliche Software<br />

auf die betroffenen Telefone aufspielen.“<br />

Der normale Nutzer merkt es nicht, wenn nebenan eine illegale<br />

Basisstation eingeschaltet wird. Auch der Netzbetreiber<br />

bekommt davon zunächst nichts mit. Das macht die Sache<br />

so gefährlich. Zurzeit gibt es keine Möglichkeit, sich davor zu


Jean-Pierre seifert sucht nach lecks in der<br />

Datenübertragung<br />

schützen. Deshalb bauen Seifert und seine Mitarbeiter ein<br />

Labor auf, in dem sie den Missbrauch von Basisstationen<br />

untersuchen wollen – und wie man ihn<br />

verhindern kann. Das Labor mit der Bezeichnung<br />

„Base Station Lab“ ist drei mal drei Meter<br />

groß und vom Mobilfunknetz komplett abgeschirmt.<br />

Die Forscher werden darin zahlrei-<br />

Mit diesen verschiedenen<br />

smart-Phones führt das<br />

Team von Jean-Pierre seifert<br />

Versuche zur sicherheit im<br />

Mobilfunk durch<br />

Fotos: TU-Pressestelle/Dahl<br />

TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />

che Basisstationen und Telefone testen. So schnell wie möglich<br />

sollen die Ergebnisse zu mehr Sicherheit im Mobilfunk führen.<br />

„Moderne elektronische Geräte bergen viele Risiken, von<br />

denen die Benutzer nichts wissen“, mahnt Seifert. Ein Beispiel<br />

hierfür seien WLAN-Router – Geräte, die eine drahtlose Verbindung<br />

zum Internet herstellen. WLAN-Router haben ein Benutzermenü,<br />

das sich über den Internetbrowser aufrufen lässt.<br />

In dem Menü kann man die Einstellungen des Routers ändern.<br />

Viele Nutzer wissen nicht, dass sie das Menü mit einem Passwort<br />

schützen können. Infolgedessen ändern sie das voreingestellte<br />

Passwort nicht oder richten erst gar kein Passwort ein.<br />

Das macht es Betrügern leicht, von außen auf den Router zuzugreifen.<br />

„Der Angreifer kann dann mit Ihrem Router alles Mögliche<br />

anstellen wie zum Beispiel massenhaft Spam-E-Mails verschicken“,<br />

warnt Seifert. „Diese Dinge geschehen dann in Ihrem<br />

Namen, denn Sie sind für Ihren Router verantwortlich.“<br />

Um sich gegen solche Angriffe zu wehren, sollten Besitzer von<br />

WLAN-Routern die Einstellungen ihres Geräts unbedingt mit<br />

einem eigenen Passwort schützen.<br />

Als Wissenschaftler will Seifert künftig vor allem die Grundlagenforschung<br />

vorantreiben. Eine große Herausforderung sieht<br />

er darin, zu ergründen, was an Sicherheit überhaupt erreichbar<br />

ist angesichts immer neuer Bedrohungen in der digitalen Welt.<br />

„Bei dem Stellenwert, den heute das Thema Sicherheit in der Telekommunikation<br />

einnimmt, möchte ich dieses Forschungsgebiet<br />

als ein Grundlagenfach in der Informatik etablieren“, umreißt<br />

er sein langfristiges Ziel. FrANK sCHUBerT<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 9


TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />

Bin ich wirklich ich?<br />

Wissenschaftler entwickeln Methoden, um Menschen und Dinge<br />

sicher zu identifizieren<br />

Wir leben im Zeitalter der Passwörter: Bürocomputer, EC-<br />

Karte, Online-Banking, E-Mail-Konten, Internetforen, Online-<br />

Shopping – sie alle verlangen vom Nutzer, dass er sich mit einem<br />

Kennwort ausweist. Da kommen schnell einige Dutzend<br />

Zeichenfolgen zusammen, die man sich merken muss – aber oft<br />

genug vergisst. Und der Effekt, den die neuen Informationstechnologien<br />

eigentlich haben sollen, nämlich den Alltag zu vereinfachen,<br />

verkehrt sich ins Gegenteil.<br />

Hinter dem Ärger mit den Passwörtern steht ein grundsätzliches<br />

Problem: Wie weise ich in der digital vernetzten Welt<br />

nach, dass ich wirklich ich bin? Kommt diese E-Mail wirklich<br />

von dem Absender, der in der Signatur steht? Ist jener Internetnutzer<br />

wirklich der, für den er sich ausgibt? Jörg Krüger forscht<br />

an solchen Fragen. Er leitet das Fachgebiet Industrielle Automatisierungstechnik<br />

an der TU <strong>Berlin</strong>. Zugleich ist er Geschäfts-<br />

führer des Fraunhofer-Innovationsclusters „Sichere Identität“.<br />

An dem Cluster beteiligen sich fünf Fraunhofer-Institute, fünf<br />

Hochschulen (darunter die TU <strong>Berlin</strong>) und zwölf Wirtschaftsunternehmen.<br />

Finanziert wird das Projekt zunächst über drei<br />

Jahre mit zehn Millionen Euro.<br />

„Wir arbeiten an zwei großen Aufgaben: den Personalausweisen<br />

der Zukunft und dem sicheren Nachweis von Identitäten<br />

in der künftigen Kommunikation“, erklärt Krüger. Die Forscher<br />

im Innovationscluster haben unter anderem eine fälschungssichere<br />

Chipkarte mit farbigen Passfotos entwickelt. „Die elektronischen<br />

Schaltungen in der Karte basieren auf Kunststoff, daher<br />

hat ein Betrüger keine Möglichkeit, sie von außen nachzuvollziehen“,<br />

erklärt Krüger, „es ist fast unmöglich, den Chip aus<br />

der Karte zu lösen und zwecks Fälschung in eine andere Karte<br />

einzusetzen.“ Eine weitere Entwicklung, die Chipkarten sicherer<br />

machen soll, sind kleine Bildschirme auf den Karten. Die Wis-<br />

senschaftler arbeiten an biegsamen Monitoren in Briefmarkengröße,<br />

die aus organischen Leuchtdioden bestehen, dünn wie<br />

eine Folie sind und sich auf die Chipkarten kleben lassen. „So<br />

ein Bildschirm kann auf dem Personalausweis das Gesicht des<br />

Besitzers zeigen, und zwar nicht nur von vorn wie beim Passbild,<br />

sondern aus allen möglichen Richtungen“, erläutert Krüger.<br />

Der Besitzer könne sich auf dem Bildschirm auch anzeigen<br />

lassen, welche Informationen auf der Karte gespeichert sind,<br />

um so mehr Kontrolle über die Verbreitung seiner persönlichen<br />

Daten zu bekommen.<br />

„Es gibt bereits erste Chipkarten-Prototypen mit eingebauten<br />

Displays“, sagt Krüger, „aber wir müssen sie robuster machen,<br />

damit sie es zum Beispiel überstehen, wenn sie mal versehentlich<br />

in die Waschmaschine geraten.“ Mit fälschungssicheren<br />

Chipkarten ist es auch denkbar, dass man sich irgendwann<br />

keine Passwörter mehr merken muss: Man weist sich dann am<br />

PC nur noch mit seiner Karte aus. Aber nicht nur für Menschen<br />

ist eine sichere Identität wichtig, auch für Erzeugnisse.<br />

Produktpiraterie verursacht in Deutschland einen immensen<br />

wirtschaftlichen Schaden. Deshalb wird es immer wichtiger,<br />

Produkte zuverlässig zu erkennen und in Warenketten vollständig<br />

zu verfolgen. Oft gefälscht würden Auto-Ersatzteile,<br />

Markenkleidung, Schreibgeräte, Parfüms, Arzneimittel oder<br />

teure Werkzeuge. Krüger und seine Kollegen arbeiten deshalb<br />

an einem mobilen System, das gefälschte Produkte automatisch<br />

erkennt, etwa bei Zollkontrollen. Eine Kamera nimmt Bilder<br />

des Objekts auf, die im Computer ausgewertet werden.<br />

Bei Abweichungen vom Originalprodukt schlägt das System<br />

Alarm. „Eine ähnliche Technik wird bereits erfolgreich eingesetzt,<br />

um gefälschte Gemälde aufzuspüren“, sagt Krüger.<br />

FrANK sCHUBerT<br />

10 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: TU-Pressestelle/Dahl


Is am quo in net quisitas<br />

atectem?<br />

Cae venderitat officiis ipidUptiatemqui sum autatem non pa con renis dolorporepro<br />

conecati omnistem qui ut assi comnim qui cum<br />

Das<br />

elektronische<br />

Kennzeichen<br />

Lästige Behördengänge werden<br />

irgendwann Vergangenheit sein.<br />

Dafür forscht Ilja radusch an der<br />

sicherheit der digitalen Kommunikation<br />

Vor zwei Jahren hat Ilja Radusch einen Gebrauchtwagen auf<br />

seinen Namen umgemeldet. „Ich hatte Glück, denn ich musste<br />

nicht lange warten“, erinnert sich der 33-jährige promovierte<br />

Informatiker. Dennoch dauerte es drei Stunden, bis in der Behörde<br />

alle Formulare abgegeben und die Nummernschilder besorgt<br />

waren. Dazu kam noch die Fahrzeit von seiner Wohnung<br />

in <strong>Berlin</strong>-<strong>Mitte</strong> zur Kfz-Zulassungsstelle in Kreuzberg und zurück,<br />

sodass er insgesamt vier Stunden mit dem Behördengang<br />

beschäftigt war.<br />

„So ein Prozedere kann in Zukunft in zehn Minuten vom<br />

heimischen Schreibtisch aus erledigt werden“, sagt Ilja Radusch,<br />

der als Informatiker genau an diesem Thema am Fachgebiet<br />

für Offene Kommunikationssysteme der <strong>Technische</strong>n<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong> und am Fraunhofer-Institut FOKUS forscht.<br />

Er entwirft auch gleich ein Szenario, wie eine Kfz-Anmeldung<br />

im Jahr 2020 ablaufen könnte: Herr Mustermann hat einen Gebrauchtwagen<br />

gekauft. Nun will er das Auto auf seinen Namen<br />

anmelden und setzt sich dafür an seinen Computer. Auf der Internetseite<br />

der Zulassungsstelle wird er zunächst gebeten, sich<br />

zu identifizieren. Dafür schiebt Herr Mustermann seinen elektronischen<br />

Personalausweis in ein Lesegerät an seinem Rechner.<br />

Foto: GDV<br />

TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />

Als Nächstes muss er den elektronischen Fahrzeugschein einlesen<br />

und die dazugehörende PIN eintippen. Beides hat er beim<br />

Autokauf vom Verkäufer übergeben bekommen. Wenige Minuten<br />

später erhält Herr Mustermann eine verschlüsselte E-Mail<br />

von der Kfz-Zulassungsstelle, in der steht, dass der Wagen nun<br />

auf seinen Namen angemeldet ist. Außerdem wird ihm das neue<br />

Auto-Kennzeichen mitgeteilt. Neugierig geht Herr Mustermann<br />

zu seinem Auto, und tatsächlich: Das neue Kennzeichen ist bereits<br />

von der Behörde per Funk auf seinen Wagen übertragen<br />

worden und wird von außen gut sichtbar vom elektronischen<br />

Nummernschild angezeigt.<br />

Bis dieses Szenario wahr wird, muss noch viel geforscht<br />

werden. Der elektronische Personalausweis (von Informatikern<br />

„ePA“ abgekürzt) ist schon marktreif, er wird bereits Anfang<br />

2010 eingeführt. Elektronischer Fahrzeugschein und elektronisches<br />

Nummernschild müssen erst noch entwickelt werden.<br />

Für seine Vision der Online-Kfz-Zulassung muss Ilja Radusch<br />

zwei Forschungsfelder zusammenbringen, die derzeit viele<br />

Informatiker faszinieren und beschäftigen. Das ist zum einen<br />

das sogenannte E-Government. Hinter diesem Begriff verbirgt<br />

sich die Idee, dass alle Behörden in Zukunft mit den Bürgern<br />

hauptsächlich digital kommunizieren und auch die Ämter untereinander<br />

ihre Daten elektronisch austauschen. Im Kleinen gibt<br />

es bereits zahlreiche E-Government-Projekte. So müssen Steuererklärungen<br />

seit einigen Jahren mit dem Elster-Programm online<br />

zum Finanzamt übertragen werden. Doch bisher gibt es noch<br />

keinen Standard, mit dem alle Behörden arbeiten und ihre Daten<br />

austauschen können. Daran forscht eine Nachbarabteilung im<br />

Fraunhofer-Institut, mit der Ilja Radusch eng zusammenarbeitet.<br />

Das zweite Forschungsfeld, das bei der Online-Kfz-Zulassung<br />

eine wichtige Rolle spielt, ist die Car-to-X-Technologie.<br />

Mit diesem Begriff fassen Informatiker alle Verfahren zusammen,<br />

bei denen ein Auto mit seiner Umgebung kommuniziert.<br />

Ilja Radusch ist überzeugt, dass die Car-to-X-Kommunikation<br />

das Autofahren revolutionieren wird. „Das ist derzeit wie das<br />

Internet vor 40 Jahren, bei dem man damals auch noch nicht absehen<br />

konnte, was es heute alles für Anwendungen geben wird.“<br />

Die Vision der Car-to-X-Forscher ist es, dass in gar nicht mehr<br />

so ferner Zukunft ein Auto nicht nur seinen eigenen Radar nutzt,<br />

um seine Umgebung zu erkunden, sondern auch vom Auto, das<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 11


TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />

Julia Ullrich und ilja<br />

radusch programmieren<br />

die „On Board<br />

Units“ für die Kommunikation<br />

zwischen verschiedenen<br />

Fahrzeugen<br />

zehn Kilometer vornweg fährt, gewarnt wird, dass Gegenstände<br />

auf der Straße liegen. Da alle Fahrzeuge ihren Ort und ihre Geschwindigkeit<br />

an die Umgebung mitteilen, wissen die Verkehrsleitstellen<br />

von jedem Stau, sobald er sich bildet. Die Ampel teilt<br />

dem Auto mit, dass sie in zehn Sekunden auf Rot schaltet, und<br />

das Verkehrschild funkt an den Tachodisplay, dass nur 30 Stundenkilometer<br />

erlaubt sind. Auf diese Weise soll es – so hoffen<br />

die Forscher – eines Tages möglich sein, dass keine tödlichen<br />

Verkehrsunfälle mehr entstehen.<br />

Damit in Zukunft eine Zulassungsstelle bei der Online-Kfz-<br />

Anmeldung das Kennzeichen per Funk zum Auto übertragen<br />

kann, ist auch die Car-to-X-Technologie nötig. Mit dem elektro-<br />

nischen Kennzeichen weist die Behörde dem Wagen eine sichere<br />

Identität zu. Und mit dieser Identität können dann alle Car-to-<br />

X-Anwendungen genutzt werden. Hier zeigt sich aber ein großes<br />

Problem der neuen Technik: Auf der einen Seite muss jedes<br />

Auto und jede Ampel exakt identifizierbar sein, damit das System<br />

fälschungssicher ist. Ilja Radusch macht das Problem an einem<br />

Beispiel deutlich: „Ein Lausbub könnte mit falschen Daten<br />

ein System ohne sichere Identitäten überlisten und damit erreichen,<br />

dass ein Stau auf der Autobahn signalisiert wird, und alle<br />

Fahrzeuge damit auf eine Umgehungsstraße lenken.“ Deshalb<br />

muss sichergestellt sein, dass alle Auto-Identitäten tatsächlich<br />

existieren und auch fälschungssicher geortet werden können.<br />

Kommunikationsszenarien der Zukunft<br />

Das hier beschriebene Projekt und andere anwendungen<br />

werden von den TU-Fachgebieten Offene Kommunikationssysteme,<br />

architekturen der Vermittlungsknoten<br />

und entwurf und Testen von Telekommunikationssystemen<br />

innerhalb des Forschungsvorhabens „sichere identitäten<br />

für Kommunikationsszenarien der Zukunft“ (si-KUZ)<br />

Doch wenn alle Fahrzeuge geortet werden können, dann wäre es<br />

für Behörden ein Leichtes, Autofahrer zu überwachen – ein Szenario,<br />

das nicht nur Datenschützer grausen lässt. Auch Car-to-<br />

X-Entwickler wollen das nicht, schließlich sollen Autos mit der<br />

neuen Technik ohne schlechtes Image verkauft werden können.<br />

Es braucht also ein System, bei dem das Auto auf der einen<br />

Seite eindeutig identifizierbar ist, aber dennoch anonym bleibt.<br />

Eine unlösbare Aufgabe für die Informatiker? Ilja Radusch kennt<br />

eine Lösung: Jedem Auto werden mehr als 1000 Pseudonyme zugewiesen.<br />

Ein Wagen meldet sich im Car-to-X-Netzwerk jeweils<br />

mit einem zufällig ausgewählten Pseudonym an, das nach kurzer<br />

Zeit durch ein neues Pseudonym ersetzt wird. Eine zentrale<br />

Stelle verwaltet die Pseudonyme und stellt sicher, dass wirklich<br />

niemand herausfinden kann, wer sich hinter welchem Pseudonym<br />

verbirgt. Dadurch können weder eine Behörde noch der<br />

eifersüchtige Ehemann überwachen, wo man gerade hinfährt.<br />

Noch hat die Arbeitsgruppe um Ilja Radusch zu tun, das<br />

System zur Verwaltung und Verteilung solcher Pseudonyme zu<br />

programmieren. Denn zunächst muss geklärt werden, welche<br />

Behörden zuständig sind, ob das Projekt europa- oder gar weltweit<br />

koordiniert werden muss und mit welchem Funk, also Radio<br />

oder Mobilfunk, gearbeitet werden soll. Dennoch ist Ilja Radusch<br />

zuversichtlich, dass sie bereits <strong>Mitte</strong> 2010 einen Prototyp<br />

präsentieren können. rAGNAr VoGT<br />

untersucht. „si-KUZ“ wird vom <strong>Berlin</strong>er senat mit 380 000 euro<br />

aus dem europäischen Fonds für regionale entwicklung gefördert.<br />

insgesamt fließen über zwei Jahre 790 000 euro in das Vorhaben.<br />

es ist eingebettet in die Forschungen des Fraunhoferinnovationsclusters<br />

„sichere identitäten“, an dem die TU <strong>Berlin</strong><br />

beteiligt ist. sn<br />

12 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: TU-Pressestelle/Dahl


effizienz ist nicht die<br />

Lösung allein<br />

Neue strategien sollen die Verwundbarkeit globaler Logistiknetze verringern<br />

In der Logistik geht es im Kern darum, die Versorgung sicherzustellen<br />

– also die richtigen Güter zum richtigen Zeitpunkt zum<br />

richtigen Ort zu bringen. Das soll kostengünstig, schnell und<br />

mit hoher Qualität erfolgen. Um diese Ziele zu erreichen, hat<br />

man sich lange darauf konzentriert, alles effizient zu gestalten,<br />

etwa indem Prozesse verschlankt wurden und der Takt von Anlieferungen<br />

eng an die Produktion gebunden wurde. Durch eine<br />

Fertigung an einem einzigen zentralen Standort, statt verteilt<br />

über mehrere Regionen, wurden zwar Größenvorteile erschlossen,<br />

gleichzeitig aber Flexibilität eingebüßt. Durch Auslagerung<br />

von Wertschöpfungsschritten und eine allgemeine Globalisierung<br />

von Wertschöpfung sind zudem immer komplexere und<br />

damit schwieriger zu kontrollierende Logistiknetze entstanden.<br />

„All diese Trends haben die Verwundbarkeit der Logistikketten<br />

erhöht“, sagt Andreas Wieland vom Fachgebiet Internationale<br />

Logistiknetze, das von der Schweizer Kühne-Stiftung gefördert<br />

wird. Unter der Leitung von Professor Carl Marcus Wallenburg<br />

erforscht er dort Strategien, mit denen die Verwundbarkeit in<br />

global ausgerichteten Lieferketten minimiert werden kann.<br />

Wie wichtig dies ist, zeigt das folgende Beispiel: Ein Blitzschlag<br />

löste einen Brand bei einem Chip-Hersteller im US-Bundesstaat<br />

New Mexico aus. Durch den Brand wurde die Fertigungsanlage<br />

ebenso wie die bereits produzierten und gelagerten<br />

Chips durch Staub und Löschwasser zerstört. Zwei Handy-Hersteller<br />

wurden von diesem Werk aus versorgt. Während<br />

das eine Unternehmen keinen Ersatzhersteller hatte und<br />

zudem viel Zeit verstrich, bis das Top-Management von<br />

dem Vorfall erfuhr, war das andere Unternehmen in der<br />

Lage, schnell mit einer Umgestaltung des Produkts auf<br />

die Havarie zu reagieren. Auch fanden sich alternative<br />

Lieferanten für die dringend benötigten<br />

Chips. Während der erste Hersteller<br />

(Ericsson) Verluste in dreistelliger<br />

Millionenhöhe hinnehmen<br />

musste, konnte der andere (Nokia)<br />

seinen Marktanteil sogar erhöhen.<br />

Der Fall lehrt, dass insbesondere<br />

zwei Strategien<br />

im Logistiknetz<br />

verankert<br />

sein müssen,<br />

um für derartige<br />

Vorfälle ge-<br />

Foto: pixelio.de/Oliver Haja<br />

TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />

rüstet zu sein: einerseits Agilität im Sinne einer schnellen Reaktionsfähigkeit<br />

und andererseits Robustheit im Sinne von verlässlichen<br />

Partnern und bewussten Redundanzen.<br />

Natürlich kostet es die Unternehmen zusätzlich Geld, agil<br />

und robust zu sein. Und nicht immer ist es auch sinnvoll, hohe<br />

Investitionen zu tätigen, um genau über diese Fähigkeiten verfügen<br />

zu können. So sind bestimmte Standorte, Produktarten<br />

und Prozesse angreifbarer als andere. „Eine Firma, die Nudeln<br />

herstellt, wird eine andere Sicherheitsstrategie verfolgen als der<br />

Hersteller von Hochleistungsrechnern“, sagt Wieland.<br />

Gegenstand der Forschung ist es, sowohl die richtigen Lösungen<br />

für jeden Anwendungsfall zu finden als auch deren Umsetzung.<br />

Denn der Kostendruck gerade auf kleinere und mittelgroße<br />

Unternehmen und deren Abhängigkeit von großen<br />

Kunden zwingen diese oft, Risiken auszuklammern und auf Sicherheitspuffer<br />

zu verzichten. Allmählich setzt sich jedoch in<br />

großen Unternehmen die Erkenntnis durch, dass sie durch derartige<br />

Sicherheitslücken bei ihren Lieferanten selbst betroffen<br />

sein können. Sicherheitsmanagement muss sich somit auf das<br />

gesamte Logistiknetz beziehen. Insbesondere Lieferanten sollten<br />

daher bei der Risikobewertung mit einbezogen werden. Um<br />

erfolgreich sein zu können, setzen Unternehmen daher zunehmend<br />

auf eine ganzheitliche Betrachtung von Logistiksicherheit.<br />

ArNDT sosTADT<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 13


TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />

eine perfekte<br />

Kommunikation ist<br />

im Katastrophenfall<br />

das a und O<br />

Wenn eine Katastrophe die<br />

andere auslöst<br />

Forschung zur simulation von Kaskadeneffekten beim Ausfall von Infrastrukturen<br />

Zuverlässige Versorgungsinfrastrukturen für Strom, Gas, Wasser<br />

und Fernwärme sind im Alltag eine Selbstverständlichkeit.<br />

Im Katastrophenfall – ausgelöst etwa durch extreme Naturereignisse<br />

– können sie sich aufgrund gegenseitiger Abhängigkeiten<br />

und Beeinflussungen jedoch als besonders anfällig erweisen.<br />

Die Krisenmanager der Betreiber sind Spezialisten für<br />

ihr jeweiliges Netz. Sobald jedoch mehrere Versorgungssysteme<br />

betroffen sind, besteht selbst bei kleineren Defekten die Gefahr<br />

von Domino- oder Kaskadeneffekten, das heißt, Ausfälle<br />

in einzelnen Systemen können sich gegenseitig bedingen oder<br />

verstärken, wenn die Reaktionen der Betreiber nicht aufeinander<br />

abgestimmt sind. Die Folgen dieser wechselseitigen Beeinflussung<br />

sind weder erfasst noch existieren angemessene Kommunikationswege<br />

im Krisenfall. Eine erfolgreiche Koordination<br />

zwischen den Betreibern stellt unter Zeitdruck und sich ständig<br />

ändernden Rahmenbedingungen im Katastrophenfall eine<br />

enorme Herausforderung dar. Die Erfahrung zeigt, dass auch<br />

bei kleineren Schadensfällen gerade an den Schnittstellen zwischen<br />

den Betreibern folgenreiche Probleme entstehen können,<br />

wenn Eindämmungsbemühungen an anderer Stelle krisenverstärkend<br />

wirken.<br />

Ausgangspunkt des Forschungsprojektes „Simulation von<br />

Kaskadeneffekten beim Ausfall von Versorgungsinfrastrukturen“<br />

(SIMKAS-3D) sind deshalb Havarie-Szenarien bei <strong>Berlin</strong>er<br />

Infrastrukturbetreibern, die sich durch die Wechselwirkun-<br />

gen der Versorgungsinfrastrukturen<br />

zu Katastrophen ausweiten<br />

und damit zu massiven Gefahren<br />

für die Bevölkerung werden können.<br />

Das Vorhaben gehört zum<br />

Programm „Forschung für die<br />

zivile Sicherheit“ des Bundesministeriums<br />

für Bildung und Forschung<br />

(BMBF). Es beschäftigt<br />

sich mit seinen übergreifenden<br />

Analysen und Szenarien, Simulationen,<br />

Praxistests und Trainings<br />

bezogen auf die verschiedenen<br />

Infrastrukturen, einer bislang<br />

einzigartigen Kombination<br />

von interdependenten Versorgungsinfrastrukturen<br />

und dem<br />

3-D-Stadtmodell von <strong>Berlin</strong> vor<br />

allem mit Problemen der Prävention<br />

und Früherkennung von<br />

Kaskadeneffekten. Ziel ist es,<br />

die Akteure zu befähigen, Krisen<br />

durch möglichst zeitnahe Maßnahmen<br />

zu bewältigen.<br />

Die Prävention und Früherkennung<br />

von Kaskadeneffekten<br />

hinsichtlich des Ausfalls von Infrastrukturen erfolgt auf der<br />

Grundlage intensiver Systemanalysen sowie durch Simulationen<br />

auf der Basis von Geoinformation. Die gemeinsame Modellierung<br />

von <strong>Berlin</strong>er Infrastrukturdaten, dem 3-D-Stadtmodell<br />

von <strong>Berlin</strong> und die geoinformationstechnische Verarbeitung<br />

der wechselseitigen Abhängigkeiten der Infrastrukturen<br />

stellen die Grundlage dafür dar, dass durch eine im Projekt zu<br />

entwickelnde Simulationssoftware eine Vorhersage von Ausfällen,<br />

Kaskaden und Schäden ermöglicht wird. Die Ergebnisse<br />

dienen dazu, Handlungsempfehlungen für politische und fachspezifische<br />

Entscheidungsträger zu formulieren und sektorübergreifende<br />

Trainings für den Katastrophenschutz zu entwickeln.<br />

Die Übertragung der Methoden und Technologien auf andere<br />

Städte im Anschluss an das Projekt wird angestrebt.<br />

Das Verbundvorhaben wird am Zentrum für Technik und<br />

Gesellschaft der TU <strong>Berlin</strong> von Dr. Leon Hempel koordiniert.<br />

Weitere Mitglieder des Konsortiums sind das Institut für Geodäsie<br />

und Geoinformationstechnik der TU <strong>Berlin</strong> unter Leitung<br />

von Prof. Thomas H. Kolbe, das „Inter 3 Institut für Ressourcenmanagement“,<br />

DHI-WASY und das Institut für Migrations-<br />

und Sicherheitsstudien sowie die Praxispartner <strong>Berlin</strong>er Wasserbetriebe,<br />

Vattenfall Europe sowie die Netzgesellschaft <strong>Berlin</strong>-Brandenburg.<br />

An der Realisierung sind darüber hinaus die<br />

Senatsinnenverwaltung sowie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung<br />

beteiligt. MArIe BArTeLs<br />

<strong>14</strong> <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: <strong>Berlin</strong>er Feuerwehr


sicher online – Informationsportal für Nutzer<br />

Ob Online-Banking, Surfen oder E-Mails versenden – die virtuelle<br />

Welt ist voller Unwägbarkeiten und Unsicherheiten. Wie<br />

das reale Leben auch. Das Bundesverbraucherministerium hat<br />

deshalb im Sommer 2009 ein neues Informationsportal gestartet,<br />

das Verbraucherinnen und Verbraucher<br />

über die sichere Computereinstellung<br />

und Internetnutzung umfassend und<br />

verständlich informiert.<br />

„Verbraucher sicher online“<br />

heißt das Portal und<br />

ist unter www.verbraucher-sicher-online.dezugänglich.<br />

Entwickelt<br />

und umgesetzt hat es<br />

ein Team der Fakultät<br />

IV Elektrotechnik und<br />

Informatik der TU<br />

<strong>Berlin</strong> unter Leitung<br />

von Prof. Dr. Bernd<br />

Lutterbeck vom Fachgebiet<br />

„Informatik und<br />

Gesellschaft“ und Prof.<br />

Dr. Hans-Ulrich Heiß vom<br />

Fachgebiet „Kommunikations-<br />

und Betriebssysteme“.<br />

In den vergangenen Jahren hat<br />

die Computer- und Internetnutzung<br />

in Deutschland stetig zugenommen. Immer<br />

Fotos: pixelio.de/antje Delater, TU-Pressestelle/Dahl<br />

TiTelTHeMa ZiVile siCHerHeiTsFOrsCHUNG<br />

mehr Verbraucherinnen und Verbraucher verfügen über einen<br />

leistungsfähigen Computer und breitbandigen Internetzugang.<br />

Internetaktivitäten wie E-Mail, Homebanking, Online-Shopping<br />

gehören inzwischen zum selbstverständlichen Teil<br />

des Alltags vieler. Mit den im Informationsportal<br />

zur Verfügung gestellten Informationen<br />

können die Nutzerinnen und<br />

Nutzer die nötigen Vorkehrungen<br />

treffen, um sich sicher im Internet<br />

zu bewegen. Neben<br />

Artikeln werden gezielt<br />

Screencasts, interaktive<br />

Videos und Diashows<br />

eingesetzt, um Schritt<br />

für Schritt durch die<br />

Einstellungen auf dem<br />

Computer oder in Internetdiensten<br />

zu führen.<br />

Diese Anleitungen<br />

werden sukzessive für<br />

alle relevanten Betriebssysteme<br />

(Windows, Mac<br />

OS X, Linux usw.) und Anwendungen<br />

wie Webbrowser<br />

(Firefox, Safari, Internet Explorer)<br />

erstellt. stt/sn<br />

Welche entscheidung schützt das Netzwerk?<br />

Tansu alpcan<br />

www.verbraucher-sicher-online.de<br />

Regelmäßige Updates von Computerprogrammen, die Installierung<br />

einer Firewall oder eines Antivirenprogramms – das alles<br />

sind Instrumente, um IT-Netzwerke vor Angriffen zu schützen.<br />

Doch all diese Werkzeuge bergen Vor- und Nachteile für die Sicherheit<br />

des Computersystems. Es sind also Entscheidungen zu<br />

fällen, welchen Schutz Unternehmen, aber auch Privatpersonen<br />

wählen sollten. Genau da setzt die Forschung von Prof. Dr. Tansu<br />

Alpcan ein, der an den Deutsche Telekom Laboratories, dem<br />

An-Institut der TU <strong>Berlin</strong>, forscht und der jetzt als Juniorprofessor<br />

an die Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik der TU<br />

<strong>Berlin</strong> für das Fachgebiet „Autonome Sicherheit“ berufen wurde.<br />

Es ist eine von drei Juniorprofessuren an der TU <strong>Berlin</strong>, die von<br />

der Deutschen Telekom finanziert werden. „Ich forsche daran,<br />

mathematische Modelle zu entwickeln, die den Prozess darüber,<br />

welche Sicherheitsentscheidungen zu treffen sind, um ein Netzwerk<br />

immer effektiver vor Angriffen zu schützen, auf gesicherte<br />

Erkenntnisse stellen. Denn noch immer werden viele Entscheidungen<br />

dazu intuitiv getroffen und beruhen nicht auf verifizierbarem<br />

Wissen“, erklärt Tansu Alpcan. Dabei sollen nicht nur die<br />

Entscheidungsprozesse, die in den Händen eines Unternehmens<br />

liegen, optimiert und formalisiert werden, sondern auch die, welche<br />

die IT-Systeme zunehmend automatisch treffen sollen. sn<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 15


FOrsCHUNG<br />

„An Bildern schleppt<br />

Beutekunst –<br />

restitutionen und<br />

emotionen in<br />

historischer<br />

Perspektive<br />

Von Bénédicte savoy<br />

Anfang des Jahres ging in Paris ein Ereignis zu Ende, das<br />

die Kunstwelt magnetisierte und in der Presse weltweit<br />

als Auktion des Jahrhunderts bezeichnet wurde: Die sagenumwobene<br />

Kunstsammlung des Modeschöpfers Yves Saint-Laurent<br />

und seines Lebensgefährten Pierre Bergé wurde in einer<br />

spektakulär inszenierten Schau im Grand Palais zum ersten<br />

Mal öffentlich gezeigt und gleichzeitig durch das Auktionshaus<br />

Christie’s in alle Welt verstreut. Alles, was in der Welt der<br />

Sammler Rang und Namen hat, kam nach Paris, um das Ereignis<br />

zu verfolgen. Das Pariser Publikum strömte drei Tage lang<br />

bis tief in die Nacht in den gläsernen Palast. In diesem Märchen<br />

von Geld und Glamour sorgte allerdings eine Meldung für Polemik:<br />

Die Volksrepublik China (gleichsam als böse Fee in diesem<br />

Märchen auftretend) forderte die Rückgabe zweier Bronzeköpfe<br />

aus dem 18. Jahrhundert (eine Maus und ein Kaninchen darstellend),<br />

die im Jahre 1860 im Zuge der Plünderung des Sommerpalastes<br />

in Peking durch die französische und die britische Armee<br />

aus China verschwunden waren. Der Sammler Pierre Bergé<br />

verweigerte die Rückgabe, er verlangte als Preis für die Tierköpfe<br />

die „Freiheit Tibets“. <strong>14</strong>9 Jahre nach den Ereignissen entfachte<br />

diese – zugegebenermaßen nicht sehr geschickte, beziehungsweise<br />

sehr französische – Antwort (universaler Anspruch auf<br />

Kunst und Freiheit) einen Sturm des Zornes und der Empörung<br />

in der chinesischen Presse. Dies ist ein sehr aktuelles Beispiel<br />

für das Langzeitgedächtnis der Opfer von Kunstraub und für die<br />

nicht heilen wollende Wunde des Verlustes. Ein Motiv, das uns<br />

schon aus der Antike überliefert ist. Es geht im Folgenden nicht<br />

darum, den Raub und die Restitution von Kunstwerken als an-<br />

16 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: TU-Pressestelle/Dahl


ihr hin und her …“<br />

thropologische Konstante seit der Antike zu schildern – dafür<br />

ist das Thema viel zu komplex und viel zu interessant. Es geht<br />

vielmehr darum, in der gebotenen Kürze einige immer wiederkehrende<br />

Motive in den Debatten um Raub und Restitutionen<br />

zu skizzieren.<br />

Recht und<br />

Rache: die<br />

lange Dauer<br />

des Verlustes<br />

Irgendwann im 18. Jahrhundert<br />

vor Christus, oder gar im 19. Jahrhundert,<br />

entführte der elamitische<br />

Herrscher Kuter-Nahhunte I. eine<br />

babylonische Statue der Fruchtbarkeits-<br />

und Siegesgöttin Nanaja in<br />

seine Hauptstadt. Und irgendwann, nach vielen Jahrhunderten<br />

und einer großen militärischen Aktion, kam die Statue in ihre<br />

Heimat zurück. Das wissen wir vom Assyrerkönig Assurbanipal,<br />

der im 7. Jahrhundert vor Christus die Statue zurückholte<br />

und der auf einer uns überlieferten Inschrift mitteilte:<br />

„Nanaja, die 1635 Jahre gezürnt hatte, Nanaja, die<br />

fortgezogen war und sich in Elam, einer ihr unwürdigen<br />

Stätte, niedergelassen hatte, betraute mich mit ihrer<br />

Heimführung.“<br />

Zwischen der Wegnahme der Statue und ihrer Rückkehr nach<br />

Babylon waren nicht weniger als 1300 Jahre vergangen. Ein unerhört<br />

eindrucksvolles Beispiel für das Langzeitgedächtnis der<br />

Opfer von Kunstraub.<br />

Heute, vierundsechzig Jahre nach Beendigung des 2. Weltkrieges,<br />

meinen einige (vielleicht zu Recht), dass man über die<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 17<br />

FOrsCHUNG<br />

Von Napoleon nach der<br />

schlacht bei Jena und<br />

auerstedt 1806 nach<br />

Paris verschleppt, wurde<br />

die Quadriga von<br />

Blüchers Truppen 18<strong>14</strong><br />

wieder zurück nach<br />

<strong>Berlin</strong> gebracht.<br />

Daraus entstand im<br />

Volksmund die<br />

„retourkutsche“


FOrsCHUNG<br />

Scheußlichkeit mancher Ereignisse Gras wachsen lassen könnte.<br />

In Sachen Beutekunst reichen aber sechs Jahrzehnte offensichtlich<br />

nicht. Hier scheinen die Wunden nicht heilen zu wollen.<br />

Die in Deutschland seit fünfzehn Jahren auf die russische Beutekunst<br />

des 2. Weltkriegs leuchtenden Scheinwerfer der Öffentlichkeit,<br />

die immer wiederkehrenden Kontroversen um die Rückgabe<br />

unrechtmäßig erworbener Museumsstücke aus jüdischem<br />

Besitz, die regelmäßigen Gefechte um die Rückführung von Bücherbeständen<br />

aus Polen, Fernsehsendungen mit Publikumsbeteiligung<br />

etc. zeugen davon: Kriegsbedingt abhandengekommene<br />

Kulturgüter lösen kollektive Emotionen aus, die sich mit<br />

der Zeit so gut wie nicht besänftigen lassen. Im Gegenteil. Statt<br />

Linderung scheint die historische Distanz Verhärtung zu bringen,<br />

statt Annäherung Verbissenheit und Misstrauen. Die Beutekunst<br />

der Vergangenheit – nicht nur die des 2. Weltkriegs – ist<br />

sicherlich die große kulturpolitische Herausforderung der Zukunft,<br />

zumindest des 21. Jahrhunderts. Umso verwunderlicher<br />

ist es, dass es dem Thema nach wie vor an historischer Tiefe<br />

fehlt, auch wenn in den vergangenen fünf Jahren neue Veröffentlichungen,<br />

vor allem aber auch eine Reihe historischer Ausstellungen<br />

weltweit (Paris, Stockholm, Moskau, <strong>Berlin</strong>) neue<br />

Erkenntnisse gebracht haben.<br />

Dass in der Antike der Raub von Kult- und Kunstobjekten<br />

gang und gäbe war, ist bekannt. Dass die zum Teil brutale,<br />

massive und nicht rückgängig gemachte Aneignung von Kulturgütern<br />

fremder Völker auch zu eindrucksvollen kulturhistorischen<br />

Befruchtungen führte (nicht zuletzt im alten Rom), sitzt<br />

im allgemeinen Bewusstsein fest. Dass aber schon in der Antike<br />

sowohl das Motiv der Vergeltung von Kunstraub als auch<br />

das der Rückgabe, der Wiederherstellung des ursprünglichen<br />

Zustands, eine Schlüsselrolle spielten, verdient sicherlich einige<br />

Aufmerksamkeit. In Agamemnon zum Beispiel, dem ersten<br />

Stück der Orestie von Aischylos aus dem 5. Jahrhundert vor<br />

Christus, wird ganz allgemein auf die Gefahren hingewiesen,<br />

denen die Räuber von Kultgegenständen und fremden Reichtümern<br />

sich aussetzen. Zu Beginn des Stückes warnt Klytaimnestra<br />

vor den verhängnisvollen Folgen einer Beraubung der Schätze<br />

von Troja durch den Sieger. Die Botschaft ist klar: Wenn der<br />

Sieger die Tempel der Besiegten nicht respektiert und es trotz des<br />

Sieges auch noch zu Beutezügen kommt, werden sich die Götter<br />

an dem Sieger rächen. Hier steht der Kultwert der begehrten<br />

Gegenstände im <strong>Mitte</strong>lpunkt. Die entführten personifizierten<br />

Götter sorgen selber für Rache oder sie beauftragen einen<br />

mächtigen Sterblichen mit ihrer Rückführung. Dabei spielt die<br />

Zeit der Menschen keine Rolle, sondern die ewige Zeit der Götter<br />

– deswegen wird die Erinnerung an die sakrilege Wegnahme<br />

durch Feindeshand von Generation zu Generation gepflegt<br />

und weitergetragen.<br />

Bildpropaganda<br />

und Erinnerungen<br />

Das Beute relief<br />

am Titus-<br />

bogen in rom<br />

Was aber, so fragt man<br />

sich zu Recht, haben<br />

solche Ereignisse aus der Antike,<br />

die ja den Kultwert der<br />

entführten Gegenstände im <strong>Mitte</strong>lpunkt hatten, mit dem modernen<br />

Raub an Werken zu tun, die wegen ihres Kunstwerts, ihres<br />

ästhetischen – und sicherlich auch ökonomischen – Gewichts,<br />

von einer besiegten Hauptstadt zu der Hauptstadt eines Siegers<br />

verschleppt wurden? Die Verwandtschaft dieser Formen von<br />

Raub, die man aus historischer Rücksicht zunächst lieber nicht<br />

in Verbindung setzen möchte, stellt sich heraus, wenn man sich<br />

die bildliche Form ihrer Überlieferung betrachtet. Erinnerungsgeschichte<br />

und Emotionen hängen sehr mit visuellen Affekten,<br />

mit dem symbolischen Gehalt von Bildern zusammen – in vielen<br />

Fällen mehr als mit Rechtfertigungsprosa. Eine der frühesten,<br />

sichtbarsten und eindrucksvollsten ikonografischen Fixierungen<br />

der antiken Kunstraubpraxis und der Legitimation von<br />

Kunstraub stellt sicherlich das sogenannte Beuterelief im Durchgang<br />

des Titusbogens in Rom dar. Das monumentale Bildwerk<br />

entstand Ende des 1. Jahrhunderts in Erinnerung an die Eroberung<br />

Jerusalems durch den Kaiser Titus. Es zeigt eine Gruppe<br />

von lebensgroßen Soldaten, die mit prächtigen Beutestücken<br />

durch ein Bogenmonument ziehen. Die im Triumph mitgeführten<br />

Geräte waren zuvor im Tempel von Jerusalem aufgestellt:<br />

Kultgegenstände also, darunter der siebenarmige Leuchter, die<br />

Menorah. Das Relief liest sich wie eine Parole: Beute und Bogenmonument<br />

charakterisieren den Triumph des Kaisers Titus.<br />

Etwa 18 Jahrhunderte später, im Jahre 1813, erinnerte man<br />

sich im napoleonischen Frankreich an den Titusbogen. Eine<br />

18 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: privat


großartige Prunkvase aus Sèvres-Porzellan wurde von „Napoleons<br />

Auge“, Dominique-Vivant Denon, in Auftrag gegeben.<br />

Sie veranschaulicht die Permanenz des Kunstraubmotivs deutlich.<br />

Diese Vase erinnert an die Ankunft der 1796 von Frankreich<br />

in Rom eroberten Kunstgegenstände: Die Laokoongruppe,<br />

der Apoll von Belvedere, die Venus Medici, diese Ikonen der<br />

Antikenrezeption um 1800, ziehen auf offenen Wagen an bürgerlich<br />

gekleideten Zuschauern vorbei. Zwischen den Wagen<br />

tragen verschiedene Männergruppen weitere Beutestücke auf<br />

Tragbahren – die auffälligsten unter ihnen auf der Schulter. Die<br />

bildliche Anlehnung an das Beuterelief des Titusbogens ist unverkennbar.<br />

Bis auf ein wesentliches Detail: Während der antike<br />

Beutezug durch einen von Pferden bekrönten Triumphbogen<br />

geführt wurde, durchschreiten die modernen Kunstentführer ein<br />

mit folgenden Inschriften gekennzeichnetes Tor. Links: „Musée<br />

Napoléon“. Rechts: „Musée“. Deutlicher lässt sich der Sieg der<br />

musealen Institution nicht schildern. Die translatio imperii ist<br />

zugunsten der allgemeinen bürgerlichen Öffentlichkeit erfolgt.<br />

Es ist der Sieg des Museums.<br />

Was hier auf visueller und symbolischer Ebene in das kollektive<br />

Bewusstsein eindrang, waren das Motiv des Triumphes und<br />

die damit zusammenhängende Demütigung des Beraubten. Ob<br />

diese Beraubten (in der Antike) in ihrer religiösen Identität oder<br />

(um 1800) in ihrer Identität als Menschen der Aufklärung, die in<br />

der Kunst ein <strong>Mitte</strong>l der Erziehung und des Fortschrittes sahen,<br />

verletzt waren, spielt hier keine wesentliche Rolle. Kunst war seit<br />

dem Ende des 18. Jahrhunderts ohnehin Gegenstand einer säkularisierten<br />

Religion geworden: die Kunstreligion, deren Tempel<br />

die Museen waren. In Sachen Kunstraub spielt seit der Antike,<br />

mehr als der Kultwert oder der Bildungswert der beraubten<br />

Kunstwerke, ihr Ewigkeitswert, ihre generationsübergreifende<br />

Lebensdauer die identitätsstiftende Rolle. Das erklärt die Langwierigkeit<br />

der Emotionen, die mit dem Verlust ausgelöst wurden.<br />

Mit dem Raub von Kunstwerken und Bibliotheken wird<br />

nämlich nicht nur das Recht verletzt, sondern auch eine emotionale<br />

Wunde geschlagen, die sich schwer oder gar nicht schließen<br />

lässt. Das formulierten schon Beobachter des napoleoni-<br />

im sommer 1945 feiert man in Florenz die rückkehr<br />

ausgelagerter Kunstwerke. Die deutsche Wehrmacht<br />

hatte sie nach südtirol abtransportieren lassen<br />

schen Kunstraubs hundert Jahre vor der Haager Konvention in<br />

zahlreichen Aufsätzen und Journalen: Wenn der Sieger einem<br />

„überwundenen Volke Werke der Litteratur und Kunst“ entreißt,<br />

schrieb zum Beispiel ein Philosoph namens Heydenreich<br />

im Jahre 1798, kündigt er dem Besiegten „die Verewigung seines<br />

Hasses und seiner Rache an; denn so lange die besiegte Nation<br />

Foto: privat<br />

dauert, wird auch ihre Kränkung über jenen Verlust dauern, der<br />

alle Jahrhunderte hindurch nicht ersetzt werden kann“.<br />

Es ist vor diesem Hintergrund bezeichnend, dass man schon<br />

seit dem vierten Jahrhundert vor Christus von spektakulären<br />

Restitutionen von Kunstgegenständen hört, die von ihrem angestammten<br />

Platz entführt worden waren und die nach vielen<br />

Jahrzehnten, ja manchmal Jahrhunderten, restituiert oder wieder<br />

genommen wurden. Diese Art politisch motivierter Restitutionen<br />

oder Rücknahme von geraubten Kulturgegenständen<br />

gehört zu den stärksten Konstanten in der Geschichte des<br />

Kunstraubes, von der Antike über die napoleonische Zeit bis<br />

hin zum 20. Jahrhundert. Davon zeugen zahlreiche, nicht zuletzt<br />

bildliche Quellen. So zum Beispiel die Darstellung der Rückkehr<br />

der vier Pferde von San Marco aus Venedig, die Frankreich<br />

1798 nach Paris verbracht hatte und die 1815 von Österreich<br />

an Venedig zurückgegeben wurden. Oder auch die Fotografie<br />

aus dem Sommer 1945, die die feierliche Rückkehr von ausgelagerten<br />

Kunstwerken nach Florenz dokumentiert. Ein Konvoi<br />

amerikanischer Lastkraftwagen trifft in der Stadt ein. Eine italienische<br />

und eine amerikanische Flagge schmücken das erste<br />

Fahrzeug, in dem sich Kunstwerke befinden, die einige Monate<br />

zuvor vom sogenannten „Kunstschutz“ der deutschen Wehrmacht<br />

– mit welcher Absicht auch immer – von der Toskana<br />

nach Südtirol abtransportiert worden waren, darüber hinaus<br />

eine deutlich sichtbare Aufschrift: „Le opere d’arte fiorentine<br />

tornano dall’Alto Adige alla loro sede“ [Die Florentiner Kunstwerke<br />

kehren von Alto Adige zurück in ihre Heimat]. Ein abgelehnter<br />

Beschriftungsvorschlag soll gelautet haben: „Die Florentiner<br />

Schätze, die durch die Deutschen gestohlen wurden,<br />

werden durch die Amerikaner zurückgestellt.“ Hier, wie auch<br />

im Falle der Pferde von Venedig, wird in aller Deutlichkeit die<br />

Rolle des Erretters mit dem Motiv der Restitution in Verbindung<br />

gebracht – gleichzeitig aber auch die Grauzone zwischen<br />

Raub und Rettung, verantwortungsvoller Bergung und feindlicher<br />

Aneignung von Kunstschätzen in Kriegszeiten beleuchtet.<br />

Veränderte<br />

Kunstgeografie<br />

und das Projekt<br />

der europäischen<br />

Zivilisation<br />

Als Napoleon 1815 aus Europa<br />

verbannt wurde, gab<br />

die Frage nach der Rücknahme<br />

der von ihm in Paris angehäuften<br />

Kunstwerke Anlass zu<br />

einer hitzigen Diskussion in<br />

Deutschland. Es ging um die<br />

angebrachte Form der Neu-<br />

konfiguration der kulturellen Geografie Europas nach dem napoleonischen<br />

Experiment der maximalen Zentralisation des europäischen<br />

Kulturerbes in Paris. Im Auftrag von Preußens Regierung<br />

wurde 18<strong>14</strong> kein Geringerer als Johann Wolfgang von<br />

Goethe gebeten, sich über die Neuverteilung der an Preußen<br />

restituierten Kunstwerke zu äußern. Warum Goethe? Für Goethe<br />

und die aufgeklärten Kreise des 18. Jahrhunderts war die Kunst<br />

ein Allgemeingut der Menschheit. Dieses kosmopolitische Ideal<br />

wurde um 1800 von der Aneignungspraxis der Franzosen in Frage<br />

gestellt. Um die Beschlagnahmungen im Ausland zu rechtfertigen,<br />

hatten die Franzosen die Kunst ja nicht mehr als ein Eigentum<br />

der Menschheit, sondern als ein Produkt der Freiheit dargestellt.<br />

Und damit theoretisch das „befreite“ Frankreich zum<br />

erbberechtigten Land der gesamten abendländischen Kultur gemacht.<br />

Also (aus deutscher Sicht) zum Generalpächter der Zivilisation.<br />

Da kam eine absolute Antinomie zutage zwischen Kosmopolitismus<br />

und Nationalismus. Der Barbar war in den Augen<br />

der Deutschen derjenige, der das kosmopolitische Kunstdenken<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 19<br />

FOrsCHUNG


FOrsCHUNG<br />

Manches exponat<br />

im wiedereröffneten<br />

Neuen Museum<br />

in <strong>Berlin</strong> trägt den<br />

Verweis, dass es nur<br />

eine Kopie ist und<br />

sich das Original in<br />

russland befindet<br />

Europas, das bis dahin als Ideal der Zivilisation gegolten hatte,<br />

durch ein neues Zivilisationsmuster, nämlich ein nationales ersetzte.<br />

Nun sollte Goethe 1815 seine Meinung äußern über die<br />

Frage, ob Kunstwerke an einem einzigen Ort konzentriert oder<br />

über das gesamte Territorium zerstreut werden sollten. Seine<br />

Antwort war klar, er plädierte dafür, „daß die Kunstwerke und<br />

Altertümer vielverbreitet, jede Stadt die ihrigen behalte und bekomme,<br />

nur daß dabei geltend gemacht und ein <strong>Mitte</strong>lpunkt<br />

gegeben würde, wovon aus über das Ganze gewacht würde“.<br />

Mit dieser Position stand Goethe – und er war um 1815 nicht<br />

der Einzige, der für „Zerstreuung“ plädierte – gegen den Geist<br />

des 19. Jahrhunderts, der die Zentralisierung des nun als „national“<br />

empfundenen Kulturerbes in einigen wenigen monumentalen<br />

Hauptstadtmuseen vorantreiben sollte. Eine Diskussion,<br />

die heute angesichts der deutschen Beutekunstbestände in den<br />

entlegenen Provinzmuseen der ehemaligen Sowjetunion noch<br />

höchst aktuell erscheint. Und die der patriotische „Rheinische<br />

Merkur“ schon im August 1815 auf den Punkt gebracht hatte:<br />

„In der Kunst ist gerade die Zerstreuung, wo die Werke<br />

wie in einen Sternenhimmel verbreitet sind, das wahrhaft<br />

Belebende und Erquickliche, während jede Anhäufung<br />

nur zu Üppigkeit und ästhetischem Luxus leitet.“<br />

Als Fritz Milkau, damals Direktor der <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />

in Breslau, im Jahre 1915 von den deutschen Rücknahmeplänen<br />

von Handschriften in Paris erfuhr, schrieb er an den Generaldirektor<br />

der <strong>Berlin</strong>er Staatsbibliothek diese nüchternen Worte:<br />

„Ich komme nicht über die Überlegung hinweg, dass<br />

nach dem Krieg auch wieder Frieden kommt, und dass<br />

die Wiederherstellung des internationalen Verkehrs von<br />

Bibliothek zu Bibliothek wichtiger ist als eine, im ganzen<br />

betrachtet, doch unwesentliche Verschiebung des Handschriftenbesitzes.“<br />

Diese im nationalistisch-propagandistisch erhitzten Kontext<br />

des Ersten Weltkrieges mutig genommene Stellung wirkt wie<br />

ein Echo auf den berühmten Vierzeiler „Museen“, den Goethe<br />

1816 mitten in der deutschen Restitutionsdebatte der Jahre nach<br />

dem Wiener Kongress schrieb:<br />

„An Bildern schleppt ihr hin und her<br />

Verlornes und Erworbnes<br />

Und bei dem Senden kreuz und quer<br />

Was bleibt uns denn? Verdorbnes!“<br />

Und reagierte nicht Victor Hugo 1861 mit folgenden Worten auf<br />

die Plünderung des Sommerpalastes in Peking:<br />

„Eines Tages sind zwei Banditen in den Sommerpalast<br />

eingedrungen. Der eine plünderte, der andere legte Feuer.<br />

Manchmal ist der Sieg ein Dieb, wie es scheint. Die<br />

Zerstörung des Sommerpalastes im großen Stile ging zu<br />

gleichen Teilen auf das Konto beider Sieger. […] Große<br />

Tat, fette Beute. Der eine der beiden Sieger stopfte sich<br />

die Taschen voll; als der andere dies sah, füllte er sich<br />

die Truhen. Und lachend, Arm in Arm, kehrten sie nach<br />

Europa zurück. Dies ist die Geschichte der zwei Banditen.<br />

Wir Europäer sind die Zivilisierten, und für uns<br />

sind die Chinesen die Barbaren. Hier sieht man nun,<br />

was die Zivilisation der Barbarei angetan hat. […] Ich<br />

hoffe, dass der Tag kommen wird, wo das befreite und<br />

gereinigte Frankreich dem beraubten China die Beute<br />

zurückgeben wird.“<br />

Wir merken: Ob um 1816 poetisch, 1861 polemisch oder 1915<br />

verwaltungstechnisch formuliert: Die Sorgen unserer Vorfahren<br />

sind auch unsere Sorgen. Eine zivilisatorische Sorge und Verantwortung.<br />

Die Autorin ist Professorin für Kunstgeschichte an der TU <strong>Berlin</strong><br />

und gilt als ausgewiesene Kennerin der europäischen Museumsgeschichte.<br />

Im Jahr 2000 hatte sie zum napoleonischen<br />

Kunstraub in Deutschland promoviert.<br />

20 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: staatliche Museen zu <strong>Berlin</strong>, achim Kleuker


software für sonnenenergie<br />

Gerhard Valentin liefert aus <strong>Berlin</strong> Programme, mit denen solaranlagen<br />

überall auf der Welt berechnet werden<br />

Die Grundlagen des Unternehmens „Valentin EnergieSoftware“<br />

hängen viel enger mit der vormals besonderen politischen Situation<br />

<strong>Berlin</strong>s zusammen, als man das bei einer Firma vermuten<br />

würde, die mit Niederlassungen in Deutschland und Kalifornien<br />

Software für nachhaltige Energie überallhin auf der Welt<br />

liefert. Wo sonst sollte das Bundesforschungsministerium Ende<br />

der 1970er-Jahre große Solaranlagen bauen, wenn nicht im Westen<br />

der damals geteilten Stadt, die wie eine Insel mitten in der<br />

DDR lag? Hightech sollte die Wirtschaftskraft der Stadt stärken.<br />

Und wer anders als der Pionier der erneuerbaren Energien<br />

Rolf Hanitsch von der TU <strong>Berlin</strong> hätte die damals noch revolutionären<br />

Solarwärme-Anlagen wissenschaftlich begleiten sollen?<br />

Rolf Hanitsch wiederum stellt den jungen Ingenieur Gerhard<br />

Valentin ein, der die Messtechnik für diese Anlagen betreuen<br />

soll.<br />

Daneben soll der Ingenieur aber auch noch ein Computerprogramm<br />

schreiben, das solche Solaranlagen simuliert und so<br />

die Herstellung erleichtert. Computer sind damals noch Maschinen,<br />

die große Räume füllen, Windows ist noch nicht erfunden,<br />

programmiert wird mit einer heute fast vergessenen Sprache<br />

namens „FORTRAN“. „Also büffelte ich erst einmal Programmiersprachen<br />

und schrieb dann alle Programme“, erinnert<br />

sich Gerhard Valentin an diese Pioniertage. Nach der Promotion<br />

gründet er 1988 seine eigene Firma mit genau einem Mitarbeiter,<br />

nämlich ihm selbst. Ein erster großer Auftrag lässt den Ein-<br />

Mann-Betrieb genau dort weitermachen, wo er an der TU <strong>Berlin</strong><br />

angefangen hat: Für ein Großunternehmen der Wohnungswirtschaft<br />

übernimmt Gerhard Valentin die messtechnische Betreuung<br />

und Entwicklung von Solaranlagen. Wie viel Energie liefert<br />

eine solche Anlage, bei welchen Temperaturen läuft sie? Diese<br />

Daten stellt das Ingenieurbüro bereit.<br />

Die Wiedervereinigung 1990 aber bringt ganz neue Aufgaben.<br />

Der <strong>Berlin</strong>er Senat will die antiquierten und höchst umweltbelastenden<br />

Braunkohleheizanlagen der Plattenbauten im<br />

Osten auf moderne Technik umstellen. Der Auftrag für die Konzeption<br />

geht an Gerhard Valentin. In dieser Zeit erinnert sich<br />

auch das Bundesumweltministerium an das lange nicht mehr<br />

genutzte „FORTRAN“-Programm. Ob man das nicht so umschreiben<br />

könne, dass es auf den Anfang der 1990er-Jahre gerade<br />

aufkommenden PCs läuft? Aber klar, meint Gerhard Valentin<br />

und macht sich an die Arbeit. 1993 heißt das Programm<br />

„T*SOL“, läuft noch heute auf jedem Windows-Rechner und<br />

plant die Wärmeversorgung mit Solarthermie für Einfamilienhäuser<br />

und ganze Stadtviertel gleichermaßen.<br />

Damals arbeitet bereits seit zwei Jahren ein weiterer Ingenieur<br />

in der Firma. Heute hat „Valentin EnergieSoftware“<br />

im Energieforum in <strong>Berlin</strong>-Friedrichshain rund 30 Mitarbeiter.<br />

1998 bringen sie das Programm „PV*SOL“ für Solarstrom<br />

auf den Markt, das Programm „CO2PRA“ optimiert<br />

seit 1999 Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung. Kunden sind<br />

große Heizanlagen-Hersteller, Installateure und Energiebera-<br />

Foto: TU-Pressestelle/Dahl<br />

ter; die Hälfte des Umsatzes wird längst im Ausland gemacht.<br />

Auch in Australien und Tibet nutzen Kunden das Know-how<br />

und die Software, die es längst neben Deutsch und Englisch<br />

auch noch in Französisch, Italienisch und Spanisch gibt. Und<br />

der junge Ingenieur der 1980er-Jahre ist heute Manager, der<br />

die Programme seiner Firma zwar immer noch hervorragend<br />

kennt – nur zu deren Entwicklung kommt er heute nicht mehr.<br />

roLAND KNAUer<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 21<br />

eNTrePreNeUr<br />

Gerhard Valentin machte sich vor mehr als 20 Jahren selbstständig<br />

Kontakt<br />

Valentin energie<br />

software GmbH,<br />

stralauer Platz 34,<br />

10243 <strong>Berlin</strong>,<br />

Tel.: 030/58 84 39-0<br />

Fax: 030/58 84 39-11<br />

info@valentin.de<br />

www.valentin.de


eNTrePreNeUr<br />

Mathematiker, Informatiker, Linguist und<br />

Firmengründer: Reimund Reiter<br />

„mikado“ ist anders<br />

als andere<br />

seit 26 Jahren ist die Firma mit sozialem Gewissen auf dem IT-Markt erfolgreich<br />

22 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />

Vielleicht liegt es am verspielten Firmennamen, vielleicht am<br />

philosophischen Background des Firmen-Mitbegründers Reimund<br />

Reiter: Die Atmosphäre in den lichten Büroräumen in<br />

dem Gewerbehof an der Bülowstraße 66, an der Grenze zwischen<br />

Schöneberg und Kreuzberg, ist eine besondere. Freundliche<br />

Gesichter, eine offene Küche, und mit den Kolleginnen und<br />

Kollegen, die schon länger dabei sind, ist der Chef per Du. „Die<br />

Arbeit soll ja schließlich auch Spaß machen“, sagt Reimund<br />

Reiter, als wäre das in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation<br />

in Deutschland ganz selbstverständlich. Auch „mikado“ hat<br />

während des 26-jährigen Bestehens Höhen und Tiefen erlebt,<br />

ihr soziales Gewissen haben sich die Geschäftsführer Wolfgang<br />

Dürr und Reimund Reiter jedoch immer bewahrt.<br />

Gegründet wurde die „mikado systemhaus gmbh“ 1983.<br />

Reimund Reiter, der seit 1972 zunächst Germanistik und Philosophie<br />

an der FU <strong>Berlin</strong> studiert hatte, wechselte 1975 an die<br />

<strong>Technische</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong>, um sich den Fächern Mathematik,<br />

Informatik und Linguistik zu widmen. „Die Linguistik hatte<br />

es mir schon immer angetan und bestärkte mich darin, Mathematik<br />

zu studieren“, erinnert sich der gebürtige Saarländer,<br />

den eher die theoretischen, philosophischen Fragen der Mathematik<br />

interessierten. Bei der Firma, in der er nach seinem Studium<br />

als Informatiker in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung<br />

arbeitete, lernte er die vier weiteren „mikado“-Gründer<br />

kennen. Ihre gemeinsame Idee: mittelständischen Unternehmen<br />

Software und PC-Netzwerke maßschneidern. „Die damalige<br />

Zeit war die Geburtsstunde der sogenannten Mikro- oder Personal-Computer“,<br />

sagt Reiter, der als Triebfeder für die Selbstständigkeit<br />

„die üblichen Gründe“ nennt: „Wir wollten einfach<br />

nicht mehr fremdbestimmt arbeiten, sondern für unsere eigene<br />

Firma.“<br />

Die Anfänge der GbR waren bescheiden: Einige verdienten<br />

noch als Angestellte anderer Betriebe Geld und unterstützten die<br />

anderen Gründer, die bereits für das eigene Unternehmen Programme<br />

schrieben wie etwa Datenbankanwendungen für Speditionen.<br />

1986 zählte die Firma bereits acht Mitarbeiter, Ende<br />

der 80er-Jahre spezialisierte sich „mikado“ zunehmend auf<br />

Netzwerke, arbeitete mit dem späteren Marktführer auf diesem<br />

Gebiet, „Novell“, zusammen und akquirierte Anfang der 90er-<br />

Jahre die ersten Großkunden wie die AOK, die Landesbausparkasse<br />

Ost, das Bundesgesundheitsamt und die Schering AG.<br />

Die Mitarbeiterzahl stieg im Jahr 1991 auf 37 Angestellte.<br />

„In den 90er-Jahren wuchsen wir rasant auf bis zu 70 Angestellte,<br />

belieferten unsere Kunden auch mit der kompletten<br />

Hardware und boten den entsprechenden Service dazu an“, berichtet<br />

Reiter. Damit hatte sich die Firma, die über zu wenig Eigenkapital<br />

verfügte, übernommen. „Wir besannen uns wieder<br />

auf unsere Stärken und sind seit der Neuorientierung wieder reine<br />

Dienstleister“, sagt Reiter. Teile der Firma wurden verkauft,<br />

auch an eigene Mitarbeiter. Mit 15 Angestellten und einer gehörigen<br />

Portion Pioniergeist startete „mikado“ neu durch. Die<br />

Foto: TU-Pressestelle/Dahl


Einrichtung, der Aufbau und die Pflege von Netzwerken wurden<br />

die Spezialität des <strong>Berlin</strong>er Unternehmens. „Außerdem legten<br />

wir unseren Focus auf die Sicherheit innerhalb von Netzwerken“,<br />

erläutert Reiter. Mit dem Network-Access-Control-Tool<br />

„macmon“ entwickeln die Experten von „mikado“ auch wieder<br />

Software. Das System schützt Netzwerke vor Datendiebstahl<br />

und erkennt unzulässige Fremdsysteme in Firmennetzwerken.<br />

„Mit diesem Tool können sich unsere Kunden vor Industriespionage<br />

und Manipulationen schützen“, sagt Reiter, der bereits<br />

seit 1984 für das Controlling, die Finanzen und das Marketing<br />

verantwortlich ist. Eine weitere Innovation ist „macmon energy“,<br />

ein System, das alle Rechner eines Netzwerkes zentral abschalten<br />

und so helfen kann, Energie zu sparen.<br />

„Mikado“ beschäftigt heute wieder 50 Mitarbeiter. Zehn<br />

Mitarbeiter sind übrigens unter 25, weitere acht unter 35 Jahre<br />

alt und 26 Prozent der Belegschaft sind weiblich. Einmal im<br />

Monat wird im Plenum mit allen Mitarbeitern diskutiert, einmal<br />

im Jahr wird auf Firmenkosten ein Wochenende gemeinsam<br />

verbracht.<br />

Während der vergangenen 26 Jahre hat sich „mikado“ überzeugend<br />

für den Nachwuchs der IT-Branche eingesetzt. „Wir<br />

bilden seit Ende der 80er-Jahre aus, derzeit beschäftigen wir<br />

sechs Azubis“, berichtet der Vater zweier Kinder. „Selbst in<br />

schwierigen Zeiten kommen hier unaufgefordert Waschkörbe<br />

voller Bewerbungen an. Da mussten wir einfach etwas tun“, erzählt<br />

er. Die Azubis brächten frischen Wind und neue Ideen mit.<br />

Etwa die, ausrangierte Computer wieder flottzumachen und sie<br />

Schulen zur Verfügung zu stellen. Unterstützt wird „mikado“<br />

dabei von seinen Kunden: der KfW, der IBB, der AOK und der<br />

Hermes Hausverwaltung AG, die die alten Rechner zur Verfügung<br />

stellen. „Unsere Azubis betreuen dann solche Projekte.<br />

Und wir wissen: Wer mit Lehrern und Schülern umgehen kann,<br />

der kann später auch unsere Kunden betreuen“, sagt Reiter.<br />

Auch das Computerprojekt für Senioren managen die Azubis.<br />

Gute Erfahrungen habe man auch mit Studierenden gemacht,<br />

die ihre Diplomarbeit in Kooperation mit „mikado“ geschrieben<br />

haben. Gefragt, welchen Rat Reimund Reiter jungen<br />

Firmengründern heute geben würde, muss er nicht lange<br />

nachdenken: „Sie sollten betriebswirtschaftliche Grundlagen<br />

mitbringen, Bilanzen lesen und einen Businessplan erstellen<br />

können. Auch buchhalterische Kenntnisse sind von Vorteil.“<br />

ANDreA PUPPe<br />

Foto: pixelio.de/wrw <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 23<br />

eNTrePreNeUr<br />

Kontakt<br />

mikado ag<br />

Bülowstraße 66,<br />

10783 <strong>Berlin</strong>,<br />

Tel.: 030/2 17 90-0,<br />

Fax :030/2 17 90-2 00,<br />

info@mikado.de<br />

www.mikado.de


eNTrePreNeUr<br />

in ihrer Gründungswerkstatt mitten auf dem Campus stellt die<br />

TU <strong>Berlin</strong> Gründerteams räume zur Verfügung. Dort haben sie<br />

die Möglichkeit, ihren Weg in die selbstständigkeit vorzubereiten.<br />

sie können ein ausgestattetes Büro nutzen, sich mit anderen<br />

Gründern und Gründerinnen austauschen und werden in<br />

ihrem Gründungsprozess durch den TU-Gründungsservice begleitet.<br />

Die angehenden Unternehmerinnen und Unternehmer<br />

können bis zu 18 Monate in der Gründungswerkstatt bleiben,<br />

bevor sie den schritt der Gründung vollziehen. <strong>parTU</strong> stellt die<br />

Teams vor, die zurzeit Mieter in der Werkstatt sind.<br />

Team: Brightside Games<br />

Gründer: Thomas Bedenk,<br />

Johannes Giering,<br />

Volker seeker<br />

Branche: software-entwicklung<br />

Das Unternehmen entwickelt zurzeit das Internetspiel „Zeit²“ (www.zeit2.com), das als<br />

Prototyp schon mehrfach für seine innovativen Spielmechaniken ausgezeichnet wurde.<br />

„Zeit²“ ist ein actiongeladenes Geschicklichkeitsspiel mit taktischen Elementen und integrierten<br />

Zeitreisen als interaktives Element.<br />

www.brightside-games.com<br />

Team: PLeYoNe<br />

Gründer: Duc Tung Vu, Trang Duy Nguyen,<br />

Quang Duy Phan<br />

Branche: Internet, Multimedia<br />

Die Geschäftsidee ist die Entwicklung einer Multimedia-Wissensdatenbank<br />

(MWD) und einer Community-Plattform, maßgeschneidert<br />

für Computerspieler. Das Neue an dieser Plattform liegt in der dahinter<br />

liegenden Wissensdatenbank, in der der Nutzer sein Wissen<br />

über das Spiel selbst modellieren und über die er Gleichgesinnte beziehungsweise<br />

Spielgegner finden kann.<br />

Team: Virtenio<br />

Gründer: Henri Kretschmer, Heiko Herzberg,<br />

stefan Ziegler, Torsten Hüter,<br />

Thomas Henn<br />

Branche: soft-/Hardware-entwicklung<br />

Das Gründungsvorhaben „Virtenio“ betreibt die Konzeption und Umsetzung<br />

einer virtuellen Maschine für drahtlose Sensorknoten. Mit dieser<br />

lassen sich Sensorknoten komfortabel in der Programmiersprache<br />

„Java“ programmieren. Der Ansatz ermöglicht es, komplexe dezentrale<br />

Anwendungen der Datenerfassung und Steuerung, wie sie beispielsweise<br />

in der Gebäudeautomatisierung auftreten, schneller und fehlerfreier<br />

umzusetzen. www.virtenio.de<br />

ein Haus<br />

Die Gründungswerkstatt<br />

Infrastruktur für den start<br />

24 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Fotos: TU-Pressestelle/??????


voller Ideen<br />

bietet jungen Teams die<br />

in die selbstständigkeit<br />

Fotos: TU-Pressestelle/??????<br />

Team: komoot<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 25<br />

eNTrePreNeUr<br />

Gründer: Daniel Gard, Markus und Tobias<br />

Branche: Navigation<br />

Team: sTATIoN-5<br />

Gründer: Anton Georg schenkel,<br />

Chi seng Phung<br />

Branche: Gesundheitswesen<br />

Hallermann, Jan Torben Heuer,<br />

Christoph Lingg, Jonas spengler<br />

„Komoot“ entwickelt Produkte zur individuellen Outdoor-<br />

Navigation. Mit diesen können Sportlerinnen und Sportler<br />

sowie Touristen ihre persönlichen Outdoor-Erlebnisse online<br />

sowie mobil mit ihrem GPS-fähigen Mobiltelefon planen<br />

und durchführen. Dabei werden alle streckenrelevanten<br />

Informationen zur Verfügung gestellt.<br />

www.komoot.de<br />

STATION-5 ist eine modulare medizinische Einrichtung auf Containerbasis<br />

für abgelegene Gebiete zum Beispiel in Schwellen- und Entwicklungsländer.<br />

Ausgehend vom Basismodul einer Arztpraxis mit Labor<br />

kann STATION-5 zu einem medizinischen Zentrum mit beispielsweise<br />

Geburtshilfe und OP erweitert werden. Das Gründungsteam befasst<br />

sich derzeit mit der konkreten Entwicklung und Umsetzung des Prototyps<br />

STATION-5.<br />

Team: Plattform erneuerbare energien<br />

Gründer: Christoph Birkner,<br />

Boris Heinz, sebastian scheibe<br />

Branche: erneuerbare energien und<br />

Internet<br />

Erarbeitet wird ein Web-Portal zur interaktiven Energiesystemberatung.<br />

Über das Web-Portal erhalten Immobilienbesitzer<br />

eine unabhängige und umfassende Beratung<br />

zu umweltfreundlichen Energiesystemen. Dazu ermittelt<br />

ein Algorithmus aus allen am Markt verfügbaren umweltverträglichen<br />

Energiesystemen wie zum Beispiel Erdwärme<br />

und Photovoltaik diejenigen, die am besten die technischen<br />

Anforderungen, lokalen Umwelt- und Förderbedingungen<br />

sowie Präferenzen des Immobilienbesitzers<br />

erfüllen. Während des interaktiven Beratungsprozesses<br />

wird der Endverbraucher zusätzlich mit den notwendigen<br />

Dienstleistern, wie Installateuren und Banken, vernetzt.<br />

www.ensys.tu-berlin.de<br />

www.gruendung.tu-berlin.de<br />

Die Vorgänger<br />

Folgende Teams haben den<br />

Service der Gründungswerkstatt<br />

genutzt und sich mittlerweile<br />

als Firma gegründet:<br />

Blue On Shop<br />

www.blueonshop.de<br />

Viardi Interactive<br />

www.viardi.eu<br />

FIKO<br />

www.fiko-ihk.de<br />

Citypendler<br />

www.citypendler.de<br />

Monopluqx<br />

www.monopluqx.de<br />

Musiqtogo<br />

www.musiqtogo.de


eNTrePreNeUr<br />

Teamtraining<br />

beim<br />

Iglubau nach<br />

eskimo-Art<br />

Normalerweise kosten Hobbys Geld.<br />

Alexander Klaußner aber hat die<br />

sache umgedreht und finanziert<br />

sich mit ihnen sein Leben<br />

26 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />

Manchmal können sich Studium und Freizeit in die Quere kommen.<br />

Manchmal, wie bei Alexander Klaußner, ergänzen sie sich<br />

zu einem Berufsbild. Wenn Klaußner, 1994 bis 2001 Student im<br />

Fach Wirtschaftsingenieurwesen an der TU <strong>Berlin</strong>, am Freitag<br />

nach einer langen Seminarwoche nach Hause kam, packte er<br />

damals oft seine Sachen und fuhr noch einmal los: ins österreichische<br />

Ötztal, um seine Wochenenden auf wilden Flüssen oder<br />

an steilen Berghängen zu verbringen. „Rafting, Canyoning oder<br />

Skifahren waren für mich der ideale Ausgleich zum Studium“,<br />

erinnert sich Klaußner. Am Sonntagabend kam er zurück nach<br />

<strong>Berlin</strong>, wo er sich schon im Studium auf Unternehmensgründung<br />

und -führung spezialisierte. Heute verbindet Alexander<br />

Klaußner Hobby und Beruf: Er leitet drei Outdoor-Unternehmen,<br />

die unter anderem Kanutouren, Übernachtungen in einem<br />

Schneehotel und Überlebenstraining im Eis anbieten.<br />

Die ersten Firmen gründete Klaußner noch während des<br />

Studiums gemeinsam mit Kommilitonen. Sie boten sich als Stipendienvermittler<br />

an oder starteten ein Internetportal, in dem<br />

die Lebensmittelbranche über ihre Produkte informieren konnte.<br />

„Solche Projekte sind zwar nach einer Weile eingeschlafen,<br />

aber wir haben gelernt, dass wir Ideen umsetzen können, wenn<br />

wir sie verfolgen“, sagt der 36-Jährige heute. Nach dem Studium<br />

wurde er Unternehmensberater – und blieb seinen Outdoor-<br />

Hobbys treu. Nebenbei promovierte er an der European Business<br />

School über „Führungsverhalten in Abhängigkeit von der<br />

Unternehmenslebensphase“.<br />

Diese Führungsstrategien kann Klaußner seit sieben Jahren<br />

selbst erproben: Ein Outdoor-Unternehmen, für das er als Berater<br />

gearbeitet hatte, suchte damals eine Nachfolge für die Geschäftsführung.<br />

Klaußner und ein Freund stiegen ein und machen<br />

seitdem mit der „Natur pur Outdoorsports GmbH“ ihre eigene<br />

Begeisterung für Rafting und Klettern zum Beruf. Vor drei<br />

Jahren kam die „Ötztaler Outdoorsports GmbH“ dazu, über die<br />

etwa Firmen ein Teamtraining im Hochseilgarten buchen können.<br />

Durch das Klettern oder gemeinsames Floßbauen sollen die<br />

Mitarbeiter als Gruppe zusammenwachsen, erklärt Klaußner.<br />

Und vor einem Jahr startete er das bislang ungewöhnlichste Unternehmen:<br />

Seine „Schneedorf GmbH“ betreibt von Dezember<br />

bis April auf 2000 Meter Höhe ein Igludorf im Ötztal, in dem 40<br />

Betten zur Verfügung stehen. Romantische Candle-Light-Dinner<br />

können hier ebenso gebucht werden wie Workshops, in dem<br />

Teams sich fit machen fürs Überleben im Eis beim gemeinsamen<br />

Iglubauen nach Eskimo-Art.<br />

Diese drei Firmen beschäftigen mittlerweile etwa 40 Mitarbeiter.<br />

2010 will Klaußner das nächste Unternehmen gründen:<br />

Es soll alle Outdoor-Angebote speziell für Firmenzwecke bündeln<br />

– beispielsweise als Assessmentcenter, in dem sich Bewerber<br />

im Kanu oder bei einer Wanderung beweisen müssen.<br />

Zunächst aber steht der Winter im Schneedorf an: „Es gibt<br />

inzwischen nichts mehr, was mich überraschen könnte“, sagt<br />

Klaußner. Im letzten Jahr habe es allein zwölf Verlobungen im<br />

Dorf gegeben. Immer wieder kommen Spezialwünsche von den<br />

Kunden: Ein Liebespaar will ein Iglu, in dem 100 Rosen drapiert<br />

sind. Ein Firmenchef will gemeinsam mit seinen Angestellten<br />

eine Eisskulptur schnitzen. „Silvester ist schon lange ausgebucht“,<br />

berichtet Klaußner stolz. „Valentinstag wird es auch<br />

bald sein.“ TINA roHoWsKI<br />

Weitere Informationen finden Sie im Internet<br />

www.schneedorf.com<br />

www.outdoor-parcours.com<br />

www.rafting-canyoning.de<br />

Fotos s. 24/25: TU-Pressestelle/Dahl; s. 26: privat


adikal neu denken<br />

Philipp oswalt, Direktor der Bauhaus-stiftung Dessau, über die aktuelle Bedeutung<br />

dieser epoche und die schwierigkeit, Grenzen zu überschreiten<br />

Herr Professor Oswalt, Sie sind Anfang des Jahres für fünf Jahre<br />

als Direktor der Bauhaus-Stiftung Dessau berufen worden. Was<br />

wollen Sie in diesen fünf Jahren erreicht haben?<br />

Die Aufgabe einer neuen Leitung ist es, neue Impulse zu geben.<br />

Generell sollte das Haus mehr Außenwirkung entfalten, sich intensiver<br />

dem historischen Bauhaus widmen, sich mehr in den<br />

heutigen Diskurs hierzulande einmischen. Dazu wird auch die<br />

Hinwendung zur Bauhaus-Stadt Dessau gehören – samt besserer<br />

touristischer Erschließung. Zum anderen will ich das Haus<br />

mehr zu einer offenen Plattform machen und auch stärker Kooperationen<br />

suchen. Ich sehe mich nicht als Nachlassverwalter<br />

– der Charme der Dessauer Einrichtung gegenüber Weimar<br />

und <strong>Berlin</strong> ist ja gerade, dass neben der Befassung mit dem Erbe<br />

auch die Auseinandersetzung mit der Gegenwart essenziell ist.<br />

Dieses Jahr haben wir zum Beispiel mit viel Erfolg eine Summer<br />

School mit ausländischen Hochschulen gestartet.<br />

Sie haben zuvor das internationale Projekt „Shrinking Cities –<br />

Schrumpfende Städte“ geleitet. Ist Ihre neue Aufgabe beruflich<br />

ein Bruch oder bedeutet sie Kontinuität?<br />

Ich sehe sie durchaus als thematische Fortführung. In meiner<br />

neuen Tätigkeit wird mich das Thema weiter beschäftigen, in<br />

ganz unterschiedlicher Hinsicht: Ganz praktisch mit der Internationalen<br />

Bauausstellung IBA Stadtumbau 2010, aber auch<br />

themenerweiternd mit Fragen des Klimawandels. An der IBA<br />

beteiligen sich 19 schrumpfende Städte des Landes, die jeweils<br />

lokale Handlungsmodelle für den Stadtumbau realisieren. Während<br />

wir uns im Projekt „Schrumpfende Städte“ konzeptionell<br />

den Fragen genähert haben, geht es hier um die Realisierung<br />

von konkreten Maßnahmen in den Klein- und <strong>Mitte</strong>lstädten<br />

Sachsen-Anhalts mit den dortigen Akteuren. Abgesehen von<br />

den inhaltlichen Fragen gibt es auch Kontinuitäten bezüglich<br />

der Arbeitsweise bei meiner neuen Tätigkeit. Die Befassung<br />

mit gesellschaftlich drängenden Fragen, das Zusammenführen<br />

verschiedenster Disziplinen aus Kunst und Wissenschaft, die<br />

internationale Vernetzung – all dies war wichtig beim Projekt<br />

„Schrumpfende Städte“ und ist es jetzt auch bei der Arbeit in<br />

der Stiftung.<br />

Wofür steht für Sie das Bauhaus?<br />

Das Bauhaus war für mich seit meiner Studentenzeit eine wichtige<br />

Orientierungsmarke mit dem Ideal, die Aufgaben der Zeit<br />

mit modernen <strong>Mitte</strong>ln und einer gesellschaftlichen Verantwortung<br />

gestalterisch gut und innovativ zu lösen. Dieses Programm<br />

ist heute ebenso relevant wie damals. Eine spezifische Ästhetik,<br />

gar ein Bauhaus-Stil, interessiert mich hingegen weniger, weil<br />

mich Stilfragen im Allgemeinen nicht so interessieren. Mich reizen<br />

die Arbeitsweise und die Programmatik. Dazu gehört das<br />

Foto: Yvonne Tenschert, 2009, stiftung Bauhaus Dessau<br />

Verständnis, Gestaltung als gesellschaftliche Aufgabe zu sehen.<br />

Hinzu kommen die Transdisziplinarität und die Bereitschaft zur<br />

Radikalität, die Dinge grundsätzlich und radikal neu zu denken.<br />

Sie sind Architekt. Was würde aus Ihrer Sicht radikal neu zu<br />

denken – bezogen auf die Architektur – heute mit Blick auf das<br />

noch vor uns liegende 21. Jahrhundert bedeuten?<br />

Radikalität im Denken heißt heute sicher etwas anderes als zu<br />

Zeiten des historischen Bauhauses. Das Bauhaus, wie es 1919<br />

gegründet wurde, ist als Reaktion auf das politische und humanitäre<br />

Desaster des Ersten Weltkriegs zu verstehen. Solch einen<br />

dramatischen Einschnitt haben wir heute zum Glück nicht. Die<br />

entscheidenden Prozesse ereignen sich schleichend, wie der Klimawandel,<br />

aber auch der demografische Wandel, die vor allem<br />

längerfristig wirken. Gerade hier aber, angesichts schleichender<br />

Probleme, brauchen wir eine neue Radikalität im Denken.<br />

Ich glaube, dass wir zwar übermäßig auf medial dramatisch<br />

inszenierbare Ereignisse wie Terror-Anschläge reagieren, dass<br />

wir aber eine mangelnde Sensibilität haben für langfristige Prozesse.<br />

Worin sich das äußern könnte, ist zum Beispiel die Zusammenführung<br />

unterschiedlicher Professionen, eine gemeinsame<br />

Arbeit, wie sie bereits das Bauhaus praktizierte. Das halte<br />

ich nach wie vor für wesentlich – und viel zu selten praktiziert.<br />

Auch die Internationalität der Autorenschaften im Bauhaus ist<br />

beispielhaft. All das sind Aspekte, die immer noch große Gültigkeit<br />

haben und die wir auf zeitgenössische Fragen anwenden<br />

müssen.<br />

Dabei ist die Autonomie der Disziplinen zu hinterfragen. Da<br />

gibt es Architektur, dort Politik, hier Design – so funktioniert<br />

die Welt nicht. Zusammenhänge zu erschließen, Synergien zu<br />

entdecken und zu nutzen – das heißt für mich Radikalität im<br />

Denken. Nehmen Sie zum Beispiel unsere Konferenz zur Finanzkrise,<br />

die wir im November im Bauhaus veranstalteten: Da untersuchten<br />

wir die Zusammenhänge zwischen Finanzkrise, Bauwirtschaft<br />

und Architektur – nichts davon ist heute vereinzelt<br />

denkbar; und eben deshalb kann auch nur angemessen reagieren,<br />

wer die Zusammenhänge in den Blick nimmt.<br />

Anlässlich des 90-jährigen Bauhaus-Jubiläums in diesem Jahr<br />

haben Sie einen Essay-Band herausgegeben, der sich mit den<br />

Kontroversen um das Bauhaus von 1919 bis heute beschäftigt.<br />

Welche Erkenntnisse haben Sie durch diese Arbeit hinsichtlich<br />

der Rezeptionsgeschichte des Bauhauses gewonnen?<br />

Wesentlich am Bauhaus war die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher<br />

Positionen, die stets im fruchtbaren Widerstreit lagen. Das<br />

Bauhaus als eine der Ikonen der Moderne war von Anfang an<br />

umstritten, in internen Auseinandersetzungen ebenso wie durch<br />

Kritik oder Anfeindungen von außen. Und mit dem Ende des<br />

Bauhauses war es mit dem Streit keineswegs vorbei. In diesen<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 27<br />

alUMNi HeUTe


alUMNi HeUTe<br />

Philipp Oswalt,<br />

Direktor der stiftung<br />

Bauhaus Dessau<br />

Auseinandersetzungen offenbaren sich Idee und Ideologie des<br />

Bauhauses wie nirgendwo sonst. Hier werden die programmatischen<br />

Grundfragen der Moderne deutlich. Es zeigt sich, dass<br />

es ebenso wenig die Moderne wie das Bauhaus gibt, sondern<br />

unterschiedliche, widersprüchliche und gar gegensätzliche Strömungen<br />

und Positionen: die Bauhäuser.<br />

Und wohl kaum eine andere kulturelle Bewegung durchlief<br />

ein solches Kaleidoskop politischer Instrumentalisierung.<br />

In diesen Kontroversen spiegelt sich das Verhältnis von Politik<br />

zur Kultur im 20. Jahrhundert und damit auch die Geschichte<br />

deutscher Identitätskonstruktionen.<br />

Eine Aufgabe der Stiftung Bauhaus Dessau sei es, sagen Sie,<br />

sich in Projekten vor dem Hintergrund des Bauhaus-Erbes mit<br />

der Gegenwart auseinanderzusetzen. Können Sie ein konkretes<br />

Projekt nennen, in dem dies geschieht?<br />

Diese Aufgabe der Stiftung haben ja bereits meine beiden Vorgänger<br />

wahrgenommen, indem sie von der Stiftung aus stadtplanerische<br />

Projekte betrieben haben. Ich werde hier andere Akzente<br />

setzen. Ich sehe die Stiftung primär als Bildungsinstitution.<br />

So beschäftigten wir uns – wie bereits erwähnt – in diesem<br />

Herbst in einer Konferenz mit dem Einfluss der Finanzmärkte<br />

auf das Bauwesen. <strong>Mitte</strong>lfristig möchte ich mich mit der Stiftung<br />

unter anderem Fragen des Klimawandels widmen.<br />

Zur Person<br />

Philipp Oswalt, geboren 1964 in Frankfurt/Main, studierte architektur an der TU <strong>Berlin</strong><br />

und der Hochschule der Künste in <strong>Berlin</strong>. Bevor er sich 1998 als architekt selbstständig<br />

machte, arbeitete er in dem renommierten architekturbüro „Office for Metropolitan<br />

architecture/rem Koolhaas, rotterdam“. Von 2002 bis 2008 leitete er das Projekt<br />

„schrumpfende städte“, ein Vorhaben der Kulturstiftung des Bundes in Zusammenarbeit<br />

unter anderem mit der Bauhaus-stiftung Dessau, deren Direktor er seit März<br />

dieses Jahres ist. an der <strong>Universität</strong> Kassel lehrt er seit 2006 als Professor für architekturtheorie<br />

und entwerfen. Philipp Oswalt ist autor und Herausgeber mehrerer Publikationen.<br />

sein jüngstes Buch „Bauhaus streit“ ist im Hatje Cantz Verlag erschienen<br />

und kostet 20 euro. sn<br />

Am Bauhaus Dessau gibt es eine Postgraduierten-Ausbildung.<br />

Was sind Ziel und Inhalt dieser Ausbildung und auf welche Resonanz<br />

stößt sie?<br />

Inhaltlich geht es in der Bauhaus-Akademie, der zurzeit vor allem<br />

das einjährige Kolleg und, mit etwas anderer Ausrichtung,<br />

die Sommerschule zugeordnet sind, um eine transdisziplinäre<br />

berufliche Weiterbildung, die Forschung und Gestaltung eng<br />

aneinanderkoppelt. Die klaren Grenzen zwischen den an der<br />

Stadtgestaltung beteiligten Disziplinen lösen sich immer weiter<br />

auf. Wir versuchen in der Akademie, die Vermittlung von<br />

Methoden und Strategien mit ihrer Anwendung in der Praxis<br />

zu verbinden.<br />

Jedes Jahr haben wir etwa 20 Kollegiaten, die für zwei Semester<br />

ans Bauhaus kommen. Wir haben viele Teilnehmer aus<br />

Süd- und Nordamerika und Asien, etwa Indien und Brasilien;<br />

die Europäer sind eher in der Minderzahl. Sie alle haben eine<br />

abgeschlossene Ausbildung, ob als Architekt, Künstler oder Sozialwissenschaftler.<br />

Das Kolleg ist immer einem Thema gewidmet.<br />

Im ersten Semester steht die Analyse im Vordergrund, meist<br />

anhand zweier internationaler Beispiele. Im zweiten Semester<br />

folgt dann die Formulierung von Handlungsstrategien, immer<br />

auch verknüpft mit realen Interventionen vor Ort. Im Nachgang<br />

entstehen dann meist auch ein Buch und eine Ausstellung.<br />

Bestehen zwischen der Stiftung Bauhaus Dessau und der TU<br />

<strong>Berlin</strong> wissenschaftliche Kooperationen?<br />

In diesem Jahr haben wir erstmals mit dem Center for Metropolitan<br />

Studies im Rahmen unserer Postgraduierten-Ausbildung<br />

zusammengearbeitet. Ich selber habe immer wieder bei<br />

verschiedenen Projekten mit einzelnen Wissenschaftlern der TU<br />

<strong>Berlin</strong> kooperiert.<br />

DAs GesPräCH FüHrTe sYBILLe NITsCHe<br />

28 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: Doreen ritzau, 2009, stiftung Bauhaus Dessau


„Ich bin für alles bis zur<br />

Grasnarbe zuständig“<br />

Werner Dauben sucht für Gazprom nach unterirdischen speicherstätten<br />

Auf der Suche ist Werner Dauben schon sein ganzes Berufsleben<br />

lang. Allerdings nicht nach seinem Traumjob – den hat er längst<br />

gefunden. Sondern nach Schätzen, die selbst Experten nur mühsam<br />

zutage bringen können: Dauben, der von 1986 bis 1993<br />

Geologie und Geophysik an der TU <strong>Berlin</strong> studiert hat, forscht<br />

nach Erdgas, Erdöl oder unterirdischen Speicherräumen für die<br />

Energieträger. „Explorations- und Entwicklungsgeologe“ nennt<br />

sich sein Beruf offiziell. „Mittlerweile bin ich für alles bis zur<br />

Grasnarbe zuständig“, ist Daubens Übersetzung nach 16 Jahren<br />

im Beruf. Für das Suchen und Erschließen von Lagerstätten<br />

ist er heute bei Gazprom Germania verantwortlich, einem<br />

Tochterunternehmen des russischen Versorgers Gazprom: Dort<br />

beschäftigt er sich mit Geologie, Geophysik sowie Lagerstätten-<br />

und Untertage-Technik.<br />

Der 45-Jährige interessierte<br />

sich schon als Abiturient<br />

für Erdgas, Erdöl und Erze –<br />

und kam deshalb an die TU<br />

<strong>Berlin</strong>. Ihre Anfänge als Bergakademie<br />

im 18. Jahrhundert<br />

prägen die Hochschule bis<br />

heute. Dauben konnte unter<br />

anderem Veranstaltungen<br />

am Institut für Lagerstättenforschung<br />

und Rohstoffkunde<br />

besuchen. Später folgte ein<br />

Auslandsjahr an der University<br />

of Oklahoma in den USA,<br />

die als eine der führenden<br />

Nachwuchsschmieden für<br />

die Erdgas- und Erdölindustrie<br />

gilt. Auch nach dem Studium<br />

zog es den gebürtigen<br />

Mönchengladbacher in die<br />

weite Welt: Er arbeitete für die<br />

Preussag AG an Projekten in<br />

Albanien, Ecuador und Neuseeland<br />

und ging für mehrere<br />

Jahre nach Venezuela.<br />

Eine Kampagne zur Erdgas-<br />

oder Erdölexploration<br />

startet meist mit einer Ausschreibung: Ein Unternehmen vermutet<br />

beispielsweise ein Gasfeld und sucht Partner. Daubens<br />

Aufgabe ist es heute, sich die Projektdaten genauer anzuschauen:<br />

Wie groß könnte das Gasfeld sein? Wie lange würde eine<br />

Erkundung dauern? Und: Wie hoch wird am Ende der Profit<br />

sein? Dann entscheidet die Firmenleitung über eine Beteiligung.<br />

„Heute simuliert man vieles mit 3-D-Modellen“, sagt Dauben.<br />

Am Computer werden dann virtuelle Bohrungen vorgenommen.<br />

Das Programm ermittelt beispielsweise, wie sich die Gasproduktion<br />

und der Druck verändern. Zwischen Projektbeginn und<br />

Foto: privat<br />

ersten Gasgewinnen können bei einer großen Lagerstätte, die<br />

rund 50 Milliarden Kubikmeter Gas enthält, zehn Jahre liegen.<br />

Dafür folgen rund 20 Jahre Förderung.<br />

Doch Dauben sucht nicht nur nach Gas. Derzeit prüft er für<br />

Gazprom Germania, wo sich geologische Strukturen als Erdgasspeicher<br />

eignen. Bis 2012, wenn die Ostsee-Pipeline von Russland<br />

nach Deutschland fertig ist, muss das ankommende Gas<br />

möglichst nah an der Ostseeküste gespeichert werden. Seit zwei<br />

Jahren ist Dauben deshalb in Mecklenburg-Vorpommern auf<br />

der Suche nach unterirdischen Porenspeichern, die wie eine Art<br />

Schwamm aus Stein in ihren Hohlräumen das Gas aufnehmen<br />

könnten. Durch Bohrungen ermittelt er, ob Speichergesteine und<br />

dichte Deckschichten vorhanden sind. LKW mit Rüttelplatten<br />

fahren über den Boden, sodass sich anhand der reflektierten<br />

Schallwellen der geologische Aufbau der Erdschichten darstellen<br />

lässt. Auch mit kleinen Sprengungen und anschließenden seismischen<br />

Messungen erkundet der Geologe ein Gebiet.<br />

Bislang hat das Team eine kleine Erdgasfalle in Hinrichshagen<br />

gefunden, die aber nicht ausreichen wird. Dauben setzt seine<br />

Hoffnung ins nächste Jahr: Dann startet eine neue Suchkampagne,<br />

die vier bis sechs Gasfallen im Nordosten prüft. Dauben<br />

weiß: „Man braucht Ausdauer in diesem Geschäft.“<br />

TINA roHoWsKI<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 29<br />

alUMNi HeUTe<br />

Werner Dauben bei<br />

seismischen Messungen<br />

in Mecklenburg-Vorpommern;<br />

im<br />

Hintergrund sind die<br />

lkw mit den rüttelplatten<br />

zu sehen


alUMNi HeUTe<br />

Mehr als drei Tassen mit<br />

Zwiebelmuster und ein Mops<br />

Christian Kurtzke will das etwas betuliche Image des Meissener Porzellans verändern<br />

30 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />

Zehn Arbeitstage braucht es, bis die 3000 Blüten die Schneeballblütenvase<br />

zieren. Jede wird einzeln und per Hand auf den<br />

Korpus des etwa 70 Zentimeter hohen Gefäßes gesetzt. Und<br />

wenn nach dem Brennen und Bemalen das 17 000 Euro teure<br />

Kunstwerk aus purem Meissener Porzellan dann funkelt und<br />

strahlt, ist am Ende das Marketing, die Inszenierung doch alles.<br />

Christian Kurtzke weiß das. Und er inszeniert. Mit zurückhaltend<br />

bekleideten mediterranen Schönheiten, mit aufwändigen<br />

Präsentationen einer neuen Schmuckkollektion in Mailand und<br />

<strong>Berlin</strong>, mit eigens für die Frankfurter Buchmesse angefertigten<br />

Porträts chinesischer Schriftsteller auf Meissener Porzellantafeln<br />

und mit goldenen Manschettenknöpfen für Barak Obama.<br />

Amerikas Präsident hatte sie im Sommer dieses Jahres während<br />

seines Besuches in Dresden geschenkt bekommen. Das alles<br />

soll Begehrlichkeiten wecken nach dem weißen Gold mit den<br />

berühmten gekreuzten kobaltblauen Schwertern.<br />

Die gewollt Aufmerksamkeit erheischende Attitüde ist neu<br />

für die Meissener Porzellan-Manufaktur. So neu wie Christian<br />

Kurtzke an der Spitze des traditionsreichen Unternehmens. Vor<br />

einem Jahr übernahm er als Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

die Leitung der ältesten Porzellanmanufaktur Europas, die im<br />

Jahr 1710 gegründet worden war. Meist spricht Christian Kurtzke<br />

jedoch von Europas erster Porzellanmanufaktur. Vielleicht,<br />

weil es frischer klingt, mehr dem Hier und Jetzt zugewandt. Weniger<br />

betulich und betagt. Außerdem lässt sich so einfacher der<br />

Bogen schlagen zu einer anderen Tatsache, dass die Manufaktur<br />

auch in Sachen Bekanntheitsgrad der Primus unter allen Luxusmanufakturen<br />

in Deutschland ist.<br />

Kurtzke hat wahrlich einen Schatz anvertraut bekommen: ein<br />

in 300 Jahren gewachsenes kunsthandwerkliches und künstlerisches<br />

Können, das jedes Stück aus der Manufaktur einzigartig<br />

werden lässt in seiner ästhetischen Ausdruckskraft und seiner<br />

Perfektion, und das, gerade weil alles noch immer manuell gefertigt<br />

und bemalt wird. Selbst die Schwerter werden per Hand<br />

aufgezeichnet. (Warum ist die Manufaktur eigentlich noch nicht<br />

zum Unesco-Welterbe erklärt worden? – Noch hat hier keiner<br />

die Absicht, die Brücken abzubauen zu dem, was die Manufaktur<br />

ganz wesentlich ausmacht – die manuelle Fertigung.)<br />

150 000 Erzeugnisse von der Miniaturfigur bis zur Groß-<br />

Zur Person<br />

Dr.-ing. Christian Kurtzke (Foto) studierte elektrotechnik und Telekommunikation<br />

an der TU <strong>Berlin</strong>. Für herausragende studienleistungen wurde er<br />

mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem erwin-stephan-Preis der<br />

TU <strong>Berlin</strong>. Dort und am Heinrich-Hertz-institut promovierte er auch. in Führungspositionen<br />

verschiedener Großkonzerne und mittelständischer Unternehmen<br />

sammelte er umfangreiche erfahrungen im Management. er arbeitete<br />

für siemens in Deutschland und für die Boston Consulting Group in<br />

den Usa. Bevor er die Geschäftsführung der Porzellanmanufaktur in Meißen<br />

übernahm, war er als Geschäftsleiter für die Neuausrichtung eines Großküchenanbieters<br />

verantwortlich. er ist inhaber mehrerer internationaler Technologie-Patente<br />

und autor des Buches „Das wissensbasierte Unternehmen“.


plastik gehören zum Repertoire. So ist zum Beispiel der Weißkopfseeadler,<br />

das Wappentier der USA, in der amerikanischen<br />

Botschaft in <strong>Berlin</strong> aus Meissener Porzellan und der berühmte<br />

Dresdener Fürstenzug ist es auch. Und doch ist die öffentliche<br />

Wahrnehmung der Manufaktur besonders in Deutschland<br />

stark reduziert „auf drei Kaffeetassen mit Zwiebelmuster“ und<br />

einen Mops. Aber die Manufaktur ist nicht die immerwährende<br />

Vervielfältigung einer Tasse. „Sie ist viel mehr, war es schon<br />

immer, nur ist das außerhalb eines Kreises von Kennern kaum<br />

bekannt“, sagt der 40-jährige gebürtige <strong>Berlin</strong>er. Eine merkwürdige<br />

Mischung aus Bescheidenheit und Selbstgenügsamkeit hat<br />

dazu geführt, dass in der Vergangenheit nach außen zu wenig<br />

kommuniziert wurde. „Zwar hat auch uns die Krise voll erfasst;<br />

in Russland zum Beispiel haben sich die Umsätze gedrittelt.<br />

Aber auch ohne Krise kämen wir nicht umhin, neue Kunden zu<br />

erschließen und für die bestehenden den Service zu erhöhen“,<br />

resümiert der TU-Alumnus knapp.<br />

Christian Kurtzke will die Porzellanmanufaktur zu der führenden<br />

Manufaktur für Luxusgüter in Europa machen. Im asiatischen<br />

Markt in Taiwan und Japan traditionell gut verankert,<br />

hat sie auf dem heimischen Kontinent nicht den Stellenwert, den<br />

er sich wünscht. Es ist ein extrem ehrgeiziges Ziel, denn Porzellan<br />

ist im Zuge der Industrialisierung zu einem Material für<br />

Alltagsgüter geworden und von daher längst kein Stoff der Begierde<br />

mehr. Kurtzke aber muss diese Begehrlichkeiten für das<br />

Meissener Porzellan wieder wecken.<br />

Er tut es mit einer neuen Werbekampagne, die die Wahrnehmung<br />

des Porzellans nach außen verändern soll – als ein Gut,<br />

das unverzichtbarer Bestandteil eines modernen luxuriösen Lebensstils<br />

ist –, und mit neuen Produkten. Eine Schmuckkollektion<br />

aus Gold, Porzellan und Brillanten wurde auf den Markt<br />

gebracht. Und in den Werkstätten und Laboren arbeiten die Mitarbeiter<br />

unter dem Leiter der künstlerischen Porzellan-Wandgestaltung<br />

auf Hochtouren an einer Linie für die gehobene Innenausstattung,<br />

die das gewohnte liebliche Bild der Manufaktur<br />

von üppiger Blütenmalerei in den Grundfesten erschüttert.<br />

Wolfgang Krause freut das Staunen seines Gastes, und da er etwas<br />

an den Schauspieler Joachim Król erinnert, meint man auf<br />

seinem lächelnden Gesichtsausdruck den Satz zu lesen: „Wir<br />

können auch anders!“ Da werden geometrische Landschaften<br />

von edler, eleganter Anmutung entworfen, die auf einer einzigen<br />

Porzellantafel gründen, deren Grundmaß 7,5 mal 7,5 Zentimeter<br />

ist und, multipliziert mit den unterschiedlichsten Faktoren, unendliche<br />

Varianten an Größe und Form bereithält. Experimentiert<br />

wird mit glatten und reliefartigen Oberflächen, unifarben,<br />

gemustert oder auch mit Tupfern floraler Verspieltheit. Die Porzellantafeln<br />

sind als Wandgestaltung für Hotels, Restaurants,<br />

Läden, öffentliche Gebäude, Villen und Yachten gedacht.<br />

Mögen auch die Skeptiker Kurtzke auf diesen neuen Wegen<br />

folgen, weniger plausibel erscheint manchem, dass unter dem<br />

Logo der gekreuzten Schwerter Exponate auf den Markt kommen,<br />

die weder in der Manufaktur gefertigt worden sind noch<br />

sonst irgendwie aus Porzellan bestehen. Sein Ansatz, mit Geschmeiden<br />

aus Gold und Brillanten „Begehrlichkeiten für das<br />

Porzellan“ zu wecken, überzeugt noch nicht jeden. „Sowohl mit<br />

der Auflage einer neuen Schmuckkollektion als auch mit einem<br />

verstärkten Engagement im Bereich der gehobenen Innenausstattung<br />

kehre ich zu den Anfängen der Manufaktur zurück. Die<br />

Idee, über Schmuck die Aufmerksamkeit für das Porzellan zu<br />

gewinnen, stammt vom Erfinder selbst. Johann Friedrich Böttger<br />

engagierte den Hofgoldschmied, ließ ihn Ringe und Ketten<br />

entwerfen und lenkte so das Interesse bei Hofe auf das Porzel-<br />

Fotos: TU-Pressestelle/Dahl<br />

lan“, argumentiert Kurtzke. Und dass das Porzellan nicht zur<br />

Herstellung von Geschirr gedacht war, sondern zur prunkvollen<br />

Ausstattung der Schlösser Augusts des Starken, sei leider auch<br />

in Vergessenheit geraten.<br />

Es wird schnell klar: Sowohl Christian Kurtzke als auch Wolfgang<br />

Krause definieren Tradition anders als vielleicht mancher<br />

Liebhaber des Meissener Porzellans. Für beide heißt Tradition<br />

– neben der Bewahrung des einmaligen kunsthandwerklichen<br />

Erbes – , innovativ zu sein, „weil Johann Friedrich Böttger von<br />

Beginn an innovativ war – schließlich hat er das erste europäische<br />

Porzellan erfunden<br />

– und die Manufaktur in<br />

ihrer langen Geschichte<br />

immer innovativ geblieben<br />

ist“, sagt Kurtzke.<br />

Wie sonst sei es zu interpretieren,<br />

dass an den<br />

150 000 Produkten vom<br />

Teller bis zur Skulptur<br />

die verschiedensten<br />

Stilepochen in Design<br />

und Dekor ablesbar seien<br />

vom Barock bis hin<br />

zum Art déco der berühmten<br />

Börner-Vasen.<br />

Die Künstler der Manufaktur,<br />

so Kurtzke, hätten<br />

sich immer mit dem<br />

Zeitgeist auseinandergesetzt<br />

und eine eigene<br />

künstlerische Antwort<br />

gefunden. (Ja, auch Porzellanköpfe<br />

von Marx,<br />

Engels, Lenin und Thälmann<br />

gehören dazu.)<br />

Bei Wolfgang Krause<br />

nährt sich sein Traditionsverständnis<br />

noch<br />

aus seinem stupenden<br />

Wissen über die Vorzüge<br />

des Materials und<br />

der Fertigung in einer<br />

Manufaktur, sodass er<br />

schwer nachvollziehen<br />

kann, warum Neues<br />

der Manufaktur schaden<br />

sollte. Außerdem ist<br />

er zu sehr Künstler, als dass er in dem Porzellan nicht ein Material<br />

sehen würde, das er nach seinem Willen formt.<br />

Meissens Antwort auf veränderte Lebensstile und Essgewohnheiten<br />

im Bereich der Tischkultur, einem Segment also,<br />

mit dem die Manufaktur so stark verknüpft wird, ist in dem sogenannten<br />

„Flagshipstore“ in <strong>Berlin</strong> Unter den Linden zu sehen.<br />

In der <strong>Mitte</strong> des Raumes steht nicht das 36-teilige Kaffeeservice<br />

für die Großfamilie, sondern in Szene gesetzt sind Espressotassen,<br />

sachlich-elegant designte Teeschalen, dezent bemalt mit einem<br />

Drachen, Schalen für Müsli, Teller für Pasta und Sets für<br />

Sushi. Ganz weltoffen also. So weltoffen, wie August der Starke<br />

sich 1710 zeigte, als er die Gründung der Königlichen Porzellan-Manufaktur<br />

verkündete. Das Dekret erließ er in vier Sprachen<br />

– in Deutsch, Lateinisch, Französisch und Holländisch.<br />

sYBILLe NITsCHe<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 31<br />

alUMNi HeUTe<br />

Die Manufaktur<br />

im nächsten Jahr begeht die staatliche Porzellan-Manufaktur<br />

Meissen ihr 300-jähriges Jubiläum. Die drei Geschäftssäulen<br />

sind die gehobene innenausstattung für<br />

Hotels, restaurants, öffentliche Gebäude und den privaten<br />

sektor, luxuriöse Tischkultur sowie das wiederbelebte<br />

segment schmuck und accessoires. in der Manufaktur<br />

sind 800 Mitarbeiter beschäftigt, davon 350 im künstlerischen<br />

Bereich. eigentümer der Manufaktur ist der Freistaat<br />

sachsen. Der abbau des Kaolins, jenes Grundstoffes<br />

für die Porzellanherstellung, erfolgt übrigens in einem eigenen<br />

Bergwerk nahe Meißen.


alUMNi HeUTe<br />

Arbeiten im Untergrund<br />

Der Bauingenieur Jens Neugebauer ist Herr über die Kanäle<br />

bei den <strong>Berlin</strong>er Wasserbetrieben<br />

Gummistiefel und Bauhelm gehören ins Gepäck, wenn Jens<br />

Neugebauer eine „seiner“ Baustellen besucht. Und meistens<br />

geht es tief hinab, wie in der Baugrube am Kiehlufer im <strong>Berlin</strong>er<br />

Bezirk Neukölln. Dort haben die <strong>Berlin</strong>er Wasserbetriebe<br />

(BWB) den Ersatzneubau eines Abwasserrohres unter dem<br />

Neuköllner Schifffahrtskanal in Auftrag gegeben. „Wir unterqueren<br />

den Kanal mit einem Stahlbetonvortriebsrohr, das ei-<br />

nen Außendurchmesser von zwei Metern hat“, erläutert der Ingenieur.<br />

Hier werden anschließend zwei Abwasserrohre mit einem<br />

Innendurchmesser von 25 und 100 Zentimeter eingezogen,<br />

die künftig das Regen- und Schmutzwasser der Umgebung ableiten.<br />

Sie sind so konzipiert, dass zwischen Oberlauf und Unterlauf<br />

ein Höhenunterschied besteht: „So kann das Abwasser<br />

anschließend im freien Gefälle abfließen“, sagt Neugebauer.<br />

Besonders stolz ist der Leiter des Bereiches Bau, Kanäle und<br />

Hausanschlüsse der BWB auf das Bauverfahren, den Mikrotunnelbau.<br />

In <strong>Berlin</strong> gehört er seit mittlerweile 25 Jahren zur Standardbauweise.<br />

Neugebauer hat dessen Entwicklung während<br />

seiner beruflichen Laufbahn intensiv begleitet.<br />

Als einer der Pioniere des Mikrotunneling, so berichtet Neugebauer,<br />

gilt der frühere Leiter des Unternehmensbereiches Netze<br />

der BWB, Knut Möhring, auch er ein TU-Absolvent. „Bereits<br />

1984 wurde in <strong>Berlin</strong> von den damaligen Entwässerungswerken<br />

der weltweit erste vollautomatisch gesteuerte Rohrvortrieb für<br />

Vortriebsrohre mit einem Innendurchmesser von 25 Zentimetern<br />

ausgeführt“, sagt Neugebauer. Parallel dazu wurden Hausanschluss-Vortriebsmaschinen<br />

entwickelt. Mit diesen Maschinen<br />

war es möglich, komplett unterirdisch verschiedene Grundstücke<br />

sternförmig an die Straßenkanäle anzuschließen. „Diese<br />

kostensparende Bauweise wird in Fachkreisen ,<strong>Berlin</strong>er Bauweise‘<br />

genannt“, berichtet der Ingenieur.<br />

Die Grundlagen für seinen verantwortungsvollen Beruf erwarb<br />

Neugebauer, der viel lieber von seiner Arbeit als über sich<br />

selbst spricht, von 1965 bis 1974 an der TU <strong>Berlin</strong> während seines<br />

Studiums des Konstruktiven Ingenieurbaus. „Meine Einführungsveranstaltung<br />

erlebte ich in einem völlig überfüllten<br />

Hörsaal. Die Professoren trugen noch Talare und ich glaube, ich<br />

hatte mir einen Schlips umgebunden“, erinnert er sich. Damals<br />

war uneingeschränkter Herrscher an einem Lehrstuhl der Professor.<br />

„Dann kam lange nichts, und dann kam der 1. Oberassistent“,<br />

beschreibt er die Hierarchie vor den Studentenprotesten<br />

der späten 60er- und frühen 70er-Jahre. „1968 waren wir<br />

hochschulpolitisch aktiv und wollten an der TU <strong>Berlin</strong> etwas<br />

verändern. Deshalb wurden Vorlesungen bestreikt“, erzählt er.<br />

Als Jens Neugebauer sein Studium erfolgreich beendet hatte,<br />

herrschte in Deutschland eine Baurezession. „Deshalb beschloss<br />

ich, Gewerbelehrer zu werden“, sagt der 63-Jährige und<br />

schrieb sich für ein pädagogisches Studium an seiner Uni ein.<br />

Parallel arbeitete er als Statiker und Prüfstatiker in verschiedenen<br />

Ingenieurbüros und absolvierte in Abendkursen eine Zusatzausbildung<br />

als Schweißfachingenieur. Dann lockte eine<br />

Stelle als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Baukonstruktion<br />

und Festigkeit der TU <strong>Berlin</strong>.<br />

Bevor Jens Neugebauer am 1. April 1989 bei den <strong>Berlin</strong>er<br />

Wasserbetrieben in leitender Position anfing, hat er circa zehn<br />

Jahre in einem <strong>Berlin</strong>er Unternehmen für Tief- und Rohrleitungsbau,<br />

das insbesondere auf dem Gebiet Rohrvortriebe tätig<br />

war, gearbeitet. Wenn Neugebauer heute in 16 Meter Tiefe<br />

in der Baugrube steht, dann macht ihm keiner etwas vor. Aufmerksam<br />

mustert er die 80 Zentimeter dicken Schlitzbetonwände,<br />

die das Grundwasser aus der Baugrube fernhalten. Drei bis<br />

vier Rohre pro Tag schiebt die Maschine unter dem Neuköllner<br />

Schifffahrtskanal hindurch. Aber diese Technik spart nicht nur<br />

Kosten, sie ist mittlerweile auch weltweit Standard. Daran hat<br />

der <strong>Berlin</strong>er Jens Neugebauer sein Berufsleben lang mitgearbeitet.<br />

ANDreA PUPPe<br />

32 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: TU-Pressestelle/Dahl


Mit 4000 euro nach<br />

New York, sydney, Paris<br />

Was erwin-stephan-Preisträger mit ihrem Preisgeld unternommen haben<br />

Am 7. Februar 1992 vergab der damalige TU-Präsident Prof.<br />

Dr. Manfred Fricke erstmals den Erwin-Stephan-Preis an zwölf<br />

TU-Absolventinnen und TU-Absolventen. Bis heute wird der<br />

Preis jährlich zweimal vergeben. Somit sind in den vergangenen<br />

Jahren rund 250 Absolventinnen und Absolventen in den Genuss<br />

der 4000 Euro gekommen. Die jährliche Anzahl der Preisträger<br />

schwankt und ist abhängig von der Höhe der Zinserträge,<br />

aus denen die Prämie finanziert wird. Möglich wurde diese Auszeichnung<br />

durch Dr. Erwin Stephan. Der Diplomingenieur, der<br />

1974 starb, war technischer Leiter der Raboma-Maschinenfabrik<br />

und dort maßgeblich für die Weiterentwicklung einer Bohrmaschine<br />

für große Werkstücke verantwortlich. 1955 ernannte<br />

Management im „Big Apple“<br />

Foto: privat<br />

ihn die TU <strong>Berlin</strong> zum Ehrendoktor. Nach seinem Tode überließ<br />

er sein Vermögen zunächst seiner Frau Helene; als diese 1988<br />

starb, ging das Geld, wie Stephan es in seinem Testament verfügt<br />

hatte, an die TU <strong>Berlin</strong>. Sie konnte über die Verwendung<br />

des Geldes frei entscheiden und gründete im Jahr 1990 die Helene-und<br />

Erwin-Stephan-Stiftung. Angesichts der langen Studienzeiten<br />

vieler Studierender entschied man sich, einen Preis<br />

auszuloben, der diejenigen ehrt, die ihr Studium schneller und<br />

mit hervorragenden Leistungen abschließen. Um die Mobilität<br />

der Absolventen zu fördern, verband man die Vergabe des Preisgeldes<br />

mit der Auflage, davon einen Auslandsaufenthalt zu finanzieren.<br />

BeTTINA KLoTZ<br />

Vor rund zehn Jahren schloss Dr. Christian<br />

Kluge sein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens<br />

mit der Note „Sehr gut“ an<br />

der TU <strong>Berlin</strong> ab. Er benötigte dazu nur zehn<br />

Semester und war rund vier Semester schneller<br />

als seine Kommilitonen. Damit erfüllte er<br />

die Kriterien des Erwin-Stephan-Preises, der,<br />

verglichen mit anderen Auszeichnungen für<br />

Hochschulabschlüsse, mit 4000 Euro recht<br />

hoch dotiert ist. „Mir hat das Preisgeld einen<br />

mehrmonatigen Forschungsaufenthalt<br />

an der Columbia University in New York ermöglicht“,<br />

sagt Christian Kluge, der im Anschluss<br />

an sein Studium mit der Promotion<br />

an der TU-Fakultät Wirtschaft und Management<br />

begann und in den USA Wissenschaftler<br />

und Unternehmer zum Thema Kooperationsmanagement<br />

befragt hat. Schon während des<br />

Studiums verbrachte er ein Jahr an der École<br />

de Management in Lyon im Rahmen eines<br />

Doppeldiplomprogamms. „Meine Lust auf<br />

fremde Länder habe ich auf jeden Fall durch<br />

diese Aufenthalte weiter gestärkt. Wenn sich<br />

beruflich die Situation ergeben sollte, eine<br />

Position im Ausland anzutreten, wäre ich absolut<br />

nicht abgeneigt“, so Kluge, der heute<br />

als Leiter Multiprojekt controlling Fahrzeuge<br />

im Bereich Forschung und Entwicklung bei<br />

BMW in München arbeitet. „Der Erwin-Stephan-Preis<br />

ist so etwas wie das Salz in der<br />

Suppe. Toll, dass die TU <strong>Berlin</strong> diesen Preis<br />

vergibt, damit kann sie sich auch von anderen<br />

Unis absetzen und schafft einen Anreiz<br />

für Leistung“, findet Kluge. bk<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 33<br />

alUMNi HeUTe


alUMNi HeUTe<br />

elektronenmikroskopie in „Down under“<br />

„Mir hat der Preis die Teilnahme an<br />

einem Kurs zur Elektronenmikroskopie<br />

an der <strong>Universität</strong> in Sydney ermöglicht“,<br />

erzählt Nora Bergmann,<br />

die im Jahr 2005 den Erwin-Stephan-<br />

Preis bekam, nachdem sie ihr Biotechnologiestudium<br />

nach neun Semestern<br />

mit Auszeichnung beendet hatte. Einen<br />

Teil des Studiums absolvierte sie<br />

an der Dongseo University in Busan,<br />

Südkorea. Bereits im Studium forschte<br />

Nora Bergmann auf dem Gebiet der<br />

Zellbiologie und vertiefte diese Forschung<br />

bei ihrer Promotion am Max-<br />

Delbrück-Centrum, wo sie heute noch<br />

als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig<br />

ist. „Elektronenmikroskopie ist ein<br />

wichtiges Werkzeug für meine Arbeit.<br />

Der Kurs in Sydney bot mir die Möglichkeit,<br />

Probenvorbereitungen für die Elektronenmikroskopie zu erlernen. Ich habe die Electron Microscope Unit (EMU) der<br />

University of Sydney gewählt, da sie einen ausgezeichneten Ruf besitzt und mit modernster Technologie ausgestattet ist“, sagt<br />

die Wissenschaftlerin, die ohne das Preisgeld diesen Kurs nicht hätte finanzieren können. „Drei Aspekte finde ich an dieser Auszeichnung<br />

besonders gut: Erstens fordert der Preis einem Mobilität ab, zweitens fördert er das internationale wissenschaftliche<br />

Arbeiten, drittens macht sich eine solche Auszeichnung immer gut im Lebenslauf als Annerkennung für erbrachte Leistungen“,<br />

fasst Nora Bergmann ihre Erfahrungen zusammen. bk<br />

Archivrecherche an der seine<br />

Auch Dr. Bernhard von Hülsen leistete der Erwin-Stephan-Preis<br />

Hilfe bei den Vorarbeiten zu seiner Promotion. „Vor dem Abschluss<br />

hatte ich mir keine konkreten Gedanken über meine Zukunft gemacht“,<br />

erinnert er sich. Es war Prof. Dr. Reinhard Rürup, der ihm<br />

den Vorschlag unterbreitete, zum Thema des deutsch-französischen<br />

Kulturtransfers zu promovieren. Immerhin hatte Bernhard von Hülsen<br />

sein Studium der Geschichte und der Kunst- und Musikwissenschaft,<br />

das er zeitweise an der Université Pierre Mendès France in<br />

Grenoble absolvierte, nach nur neun Semestern mit einer glatten<br />

1,0 beendet. Für diese Leistung wurde er im Sommer 1998 mit dem<br />

Erwin-Stephan-Preis ausgezeichnet. „Die Idee, zu promovieren, hat<br />

mir sehr gefallen. Damit konnte ich sinnvoll an mein Studium anschließen<br />

und sogar davon leben. Mit dem Preisgeld war ich rund<br />

fünf Monate in Paris und Straßburg, um hier in verschiedenen Archiven<br />

zu recherchieren. Diese Recherche war wichtig für die Themenfindung<br />

und für den Einstieg in die Dissertation.“ Als er die<br />

Promotion im Jahr 2002 beendete, arbeitete er zunächst als Volontär<br />

am Deutschen Historischen Museum. „Ich war der festen Überzeugung,<br />

zukünftig als Historiker zu arbeiten. Ich wollte Kurator<br />

werden“, sagt von Hülsen, der jedoch bereits parallel zum Studium<br />

in der Musikbranche bei Festivals und Musikproduktionen jobbte.<br />

Als sein Volontariat beim Museum zu Ende war, bot sich ihm die<br />

Gelegenheit, bei der AVE Gesellschaft für Fernsehproduktion mbH<br />

die Produktion von Klassiksendungen zu betreuen. Bernhard von<br />

Hülsen nahm das Angebot an. Heute ist er Chefredakteur in der<br />

Fernsehproduktionsfirma, die Talkshows, anspruchsvolle Unterhaltungs-<br />

und Kultursendungen ebenso wie Reportagen und Dokumentationen<br />

aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft<br />

produziert. bk<br />

34 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Fotos: privat, TU-Pressestelle/Dahl


T Gesellschaft<br />

Wer sind wir?<br />

von<br />

Freunden der<br />

<strong>Technische</strong>n<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Bei uns engagieren sich studierende, ehemalige,<br />

Absolventen und Absolventinnen, Professoren und<br />

Professorinnen, Industrie- und Wirtschaftsunternehmen<br />

sowie Persönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen<br />

Bereichen, weil sie sich der TU <strong>Berlin</strong><br />

verbunden fühlen. Durch ihre Arbeit möchten sie<br />

die Bedingungen für Forschung und Lehre an der<br />

TU <strong>Berlin</strong> verbessern und die <strong>Universität</strong> in ihrem<br />

Ansehen stärken – national und international.<br />

Wir, die Gesellschaft von<br />

Freunden der TU <strong>Berlin</strong> e.V.<br />

• verbinden Wirtschaft und Wissenschaft und<br />

fördern den Dialog zwischen <strong>Universität</strong>,<br />

Wirtschaft und Gesellschaft<br />

• fördern die inneruniversitäre Begegnung und<br />

den Kontakt zu den Alumni der TU <strong>Berlin</strong><br />

• regen zum Dialog über Innovationsfelder in der<br />

Forschung an<br />

• unterstützen junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen,<br />

etwa deren Teilnahme an<br />

Kongressen und Tagungen im In- und Ausland<br />

• fördern studentische Projekte<br />

• unterstützen und helfen bei Veranstaltungen an<br />

der TU <strong>Berlin</strong><br />

• vergeben Preise und Auszeichnungen an<br />

Diplomanden, Doktoranden und studierende<br />

• unterstützen die <strong>Universität</strong> in ihrer Wirkung<br />

nach innen und außen<br />

Wir brauchen auch sie<br />

Werden sie Mitglied in der<br />

Gesellschaft von Freunden<br />

der <strong>Technische</strong>n <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong> e.V.<br />

Vorstandsvorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Jürgen starnick<br />

Präsident des Verwaltungsrats: Dr. Manfred Gentz<br />

Geschäftsstelle: Vera Tosović-Lüdtke<br />

straße des 17. Juni 135, 10623 <strong>Berlin</strong>, raum H1044/45; sekr. H 06<br />

Tel.: (030) 3<strong>14</strong>-2 37 58 · Fax (030) 3<strong>14</strong>-7 94 73<br />

sekretariat@freunde.tu-berlin.de<br />

www.tu-berlin.de/freunde<br />

Werden sie Partner,<br />

Förderer und Initiator<br />

für die TU <strong>Berlin</strong>


MelDUNGeN<br />

Fakultäten intern<br />

Nass – aber schön<br />

Das Einzige, was nicht mitgespielt hatte, war das Wetter.<br />

Am 10 Juli, dem Tag des Sommerfestes der Fakultät<br />

IV Elektrotechnik und Informatik, regnete es in<br />

Strömen. Neben interessanten Gesprächen standen<br />

die Präsentationen der Fachgebiete im <strong>Mitte</strong>lpunkt<br />

des Programms. Höhepunkt des Festes war die Gong-<br />

Show, in der rund 30 verschiedene Forschungsprojekte,<br />

Austauschprogramme und andere Initiativen vorgestellt<br />

wurden, oft in sehr humorvoller Weise. So erhielten<br />

die Gäste einen kurzweiligen Überblick über<br />

die vielfältigen Aktivitäten der Fakultätsmitglieder.<br />

Die TU-Alumni können sich aber nicht nur beim Sommerfest<br />

über ihre ehemalige Fakultät informieren, sondern<br />

auch über den Newsletter, den die Fakultät monatlich<br />

herausgibt und der über das Alumniprogramm<br />

verschickt wird. Wer noch nicht im Verteiler sein sollte,<br />

kann dies jederzeit nachholen. Einfach eine kurze Mail<br />

senden an alumni@tu-berlin.de<br />

Abschied vom Studium<br />

Bei der diesjährigen Absolventenfeier der Studiengänge<br />

Betriebs- und Volkswirtschaftslehre sowie Economics<br />

am 26. Juni 2009 feierte man nicht nur Abschied,<br />

sondern es wurden auch studentisches Engagement<br />

und ausgezeichnete wissenschaftliche Leistungen geehrt.<br />

Zum einen wurde Dr. Sebastian Lehnert mit dem<br />

BDO-Preis der Firma BDO Deutsche Warentreuhand<br />

Aktiengesellschaft ausgezeichnet. Mit dem mit 3000<br />

Euro dotierten Preis ehrt die Firma hervorragende Arbeiten,<br />

die an der TU <strong>Berlin</strong> auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre<br />

entstanden sind. Studierende,<br />

die sich in besonderem Maße für die Fakultät VII<br />

Wirtschaft und Management beziehungsweise für ihre<br />

Kommilitonen sozial engagiert haben, werden durch<br />

die Fakultät mit dem „Preis für besonderes studentisches<br />

Engagement“ geehrt. 500 Euro gibt es außerdem<br />

dazu. In diesem Jahr erhielt die Auszeichnung Philipp<br />

Rönnau. Der Student des Wirtschaftsingenieurwesens<br />

war unter anderem an der Gründung des WiWiCafés<br />

beteiligt, das ein wichtiger Treffpunkt für Studierende<br />

und studentischer Aktivitäten ist.<br />

Fakultätstag mit Ausstellung<br />

Ein besonderer Höhepunkt beim diesjährigen Fakultätstag<br />

Physik am 10. Juni 2009 war die Ausstellung<br />

„Geschichte der Physik an der TU <strong>Berlin</strong>“, die Dr. Jost<br />

Lemmerich konzipiert hatte und die am Fakultätstag<br />

eröffnet wurde. Lemmerich hat zahlreiche Unterlagen<br />

und Fotografien als Faksimiles aus diversen Archiven<br />

zusammengetragen. Dazu begleitet ein umfassender,<br />

auch für den Laien verständlicher Text den Besucher<br />

durch mehr als 100 Jahre Physik-Geschichte von 1879<br />

bis 1990. Im <strong>Mitte</strong>lpunkt stehen die Persönlichkeiten,<br />

die an der Geschichte der Physik sowohl an der Königlichen<br />

<strong>Technische</strong>n Hochschule <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />

als auch an der TU <strong>Berlin</strong> mitgewirkt haben. Gezeigt<br />

und erläutert werden darüber hinaus auch die wissenschaftlichen<br />

Erfolge oder ein Studienbuch eines Physik-Studenten<br />

aus den Sechzigerjahren. Die Ausstellung<br />

ist dauerhaft im Eugene-Paul-Wigner-Gebäude,<br />

Hardenbergstraße 36, 10623 <strong>Berlin</strong>, in der Galerie im<br />

1. Stock zu sehen.<br />

Kreuer-Alumni<br />

Sie sind alle Absolventinnen und Absolventen von<br />

Prof. Willy Kreuer, studierten in den Sechzigerjahren<br />

Architektur an der TU <strong>Berlin</strong>, und ihre Treffen haben<br />

eine lange Tradition. Seit 1976 veranstalten sie alle zwei<br />

Jahre ihr „Kreuer-Treffen“, zu dem rund 100 Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer zusammenkommen. Jedes<br />

Mal steht dabei eine andere Stadt auf dem Programm.<br />

In diesem Jahr war vom 8. bis zum 10. Mai 2009 <strong>Berlin</strong><br />

an der Reihe. Zum Auftakt konnten die Alumni ihren<br />

Blick über den TU-Campus schweifen lassen, denn<br />

am ersten Abend hatte man sich im 19. Stock in der<br />

Cafeteria des TU-Hochhauses am Ernst-Reuter-Platz<br />

getroffen. Aber nicht nur einen Ausblick, auch einen<br />

Einblick bekamen die Gäste: Prof. Dr.-Ing. Johannes<br />

Cramer, geschäftsführender Direktor des Instituts für<br />

Architektur, berichtete über Aktuelles aus Lehre und<br />

Forschung. Am Samstag und Sonntag wurde dann ein<br />

interessantes Besichtigungsprogramm absolviert, das<br />

seinen Schwerpunkt in der Architektur hatte.<br />

„Overseas Alumni Club“<br />

Bis in die letzten Winkel des TU-Hauptgebäudes konnten<br />

die Teilnehmer des „Overseas Alumni Club“-Treffens<br />

vorstoßen. Bevor sie am 11. Oktober 2009 zu ihrer<br />

alljährlichen Mitgliederversammlung zusammenkamen,<br />

führte sie Hans Joachim Rieseberg, Leiter des Gebäude-<br />

und Dienstemanagements der TU <strong>Berlin</strong>, durch<br />

das Haus, um bisherige und geplante bauliche Veränderungen<br />

zu erläutern. Außerdem zeigte er den rund 20<br />

Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Katakomben der<br />

Uni und den Geodätenstand, die normalerweise nicht<br />

öffentlich zugänglich sind. Dabei waren auch Studierende,<br />

die kürzlich erst von ihrem Auslandsaufenthalt<br />

zurückgekehrt waren und Gelegenheit haben sollten,<br />

den Verein kennenzulernen. Der „Overseas Alumni<br />

Club“ ist eine Vereinigung von circa 200 ehemaligen<br />

Studierenden, zumeist aus wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fächern der TU <strong>Berlin</strong>, die ein Auslandssemester<br />

in einem Überseeland verbindet. Zur besseren Vernetzung<br />

gibt es „Overseasalumni“ demnächst auch als eigene<br />

Gruppe im Business-Netzwerk XING.<br />

Kontakt:<br />

philipp.lindemann@gmx.de<br />

www.overseasalumni.de<br />

Promotion in der Tasche<br />

Geschafft – und wieder haben rund 330 Absolventinnen<br />

und Absolventen der TU <strong>Berlin</strong> zwischen Juni 2008<br />

und Juni 2009 ihre Doktorarbeit und Habilitation erfolgreich<br />

abgeschlossen. Am 2. Juli wurden sie vom<br />

TU-Präsidenten traditionell zu einem Empfang an die<br />

TU <strong>Berlin</strong> eingeladen.<br />

Organisieren Sie ein Alumnitreffen?<br />

Sie wissen von einem geplanten Alumnitreffen? Oder<br />

Sie organisieren vielleicht selber eines? Dann nehmen<br />

Sie Kontakt mit uns auf. Wir helfen gerne bei der Suche<br />

nach „verschollenen“ Kommilitonen und berichten<br />

über Ihr Treffen. TU-Alumniteam: Bettina Klotz,<br />

Mona Niebur, Tel.: 030/3<strong>14</strong>-2 76 50/-7 88 27, E-Mail:<br />

alumni@tu-berlin.de<br />

36 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Fotos: a. Kührmann, Gerlind Gatzer, privat


Party der Wi-Ings<br />

Im Rahmen der akademischen Feier für die Absolventinnen<br />

und Absolventen des Wirtschaftsingenieurwesens<br />

im Lichthof des TU-Hauptgebäudes am 19. Juni<br />

2009 wurde zum wiederholten Male der Baumgarten-<br />

Wagon-Preis vergeben. Er zeichnet Personen oder Organisationen<br />

aus, die sich in besonderer Weise um das<br />

Wirtschaftsingenieurwesen an der TU <strong>Berlin</strong> verdient<br />

gemacht haben. In diesem Jahr wurde der Preis an die<br />

Global Engineering Teams (GET) des TU-Instituts für<br />

Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb vergeben. Hier<br />

wird in internationalen Projekten Studierenden- und<br />

Mitarbeiterteams in Partnerschaft mit <strong>Universität</strong>en<br />

aus Südafrika, Botswana, Brasilien und Chile interkulturelle<br />

Zusammenarbeit vermittelt. Im Anschluss an<br />

die traditionelle Feier fand die Party statt, organisiert<br />

von Luise Kranich und Christian Ruppert von der AG<br />

„Wi-Ing“. Rund 150 Gäste machten die erste „Wi-Ing-<br />

Feier“ zu einem gelungenen Event, das im kommenden<br />

Jahr wiederholt werden soll. Hilfreich bei der Organisation<br />

war übrigens die Event-Plattform „amiando“,<br />

die von TU-Alumnus Dennis von Ferenczy gegründet<br />

wurde und über die mittlerweile mehr als 70 000 Events<br />

weltweit organisiert worden sind.<br />

Wiedersehen in <strong>Berlin</strong><br />

„Alle haben die Gespräche sowie das Wiedersehen nach<br />

so langer Zeit genossen. Alte Kontakte wurden aufgefrischt,<br />

neue Kontakte bis hin zum beruflichen Austausch<br />

über das Treffen hinaus geknüpft. Es war spannend<br />

zu sehen, was die Teilnehmer aus ihrem Studium<br />

gemacht haben“, sagt Dirk Haase, der seine ehemaligen<br />

Kommilitonen des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen<br />

<strong>Mitte</strong> Oktober zu einem Treffen nach <strong>Berlin</strong><br />

eingeladen hatte. Rund 30 Alumni waren gekommen.<br />

Sie alle hatten 1993 begonnen zu studieren, und<br />

nach ihrem Abschluss war das Treffen für viele das erste<br />

Wiedersehen, von denen viele in Beratungsunternehmen<br />

arbeiten oder im Bereich Management mit einer<br />

stark betriebswirtschaftlichen Ausprägung aktiv sind.<br />

„Überraschend wenige arbeiten als Ingenieur und einige<br />

haben den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt“,<br />

erzählt Dirk Haase, der sich selbst vor vier Jahren in<br />

Hamburg mit einem Unternehmen für Markenstrategie<br />

und Werbung selbstständig gemacht hat. Etwa die<br />

Fotos: TU-PressestelleDahl (2), rapucation<br />

Hälfte der Teilnehmer hingegen ist in <strong>Berlin</strong> geblieben<br />

oder inzwischen wieder hierhin zurückgekehrt. Die beiden<br />

TU-Alumni Holger Reichert und Olaf Bartoschik<br />

engagieren sich neben ihrem eigentlichen, Job in der<br />

<strong>Berlin</strong>er Big-Band „Kameleon“ und gaben ein Konzert<br />

für die ehemaligen Kommilitonen.<br />

Networking für die<br />

Wissenschaftskarriere<br />

Networking wird großgeschrieben beim ProFil-Programm<br />

(Professionalisierung für Frauen in Forschung<br />

und Lehre), mit dem die TU <strong>Berlin</strong> gemeinsam mit der<br />

HU und FU <strong>Berlin</strong> seit 2004 hoch qualifizierte Wissenschaftlerinnen,<br />

die eine Professur anstreben, fördert.<br />

Seit Juli 2008 ist die <strong>Universität</strong> Potsdam der Kooperation<br />

beigetreten. Durch Mentoring, wissenschaftsspezifisch<br />

ausgerichtete Seminare und strategische Vernetzung<br />

unterstützt das ProFiL-Programm die Wissenschaftlerinnen<br />

bei der weiteren Planung ihrer Karriere<br />

und bereitet sie auf künftige Führungsaufgaben, die<br />

mit einer Professur einhergehen, vor. Da die Vernetzung<br />

innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft<br />

ein wichtiger Baustein des Programms darstellt, trifft<br />

man sich bei den verschiedensten Netzwerkveranstaltungen.<br />

Organisiert werden die Treffen von der wissenschaftlichen<br />

Koordinatorin des Programms, Dorothea<br />

Jansen. 225 Wissenschaftlerinnen verschiedener<br />

Fachgebiete haben ProFiL seit dem Start durchlaufen<br />

und die Ergebnisse können sich sehen lassen: 59 Frauen<br />

haben mittlerweile eine Professur inne, 41 haben beziehungsweise<br />

hatten eine Gast- oder Vertretungsprofessur.<br />

Weitere 59 haben ihre Habilitation erfolgreich<br />

abgeschlossen und 18 erhielten einen Ruf auf eine Juniorprofessur.<br />

Auch beim Einwerben von Drittmitteln<br />

waren viele bereits sehr erfolgreich.<br />

www.profil-programm.de<br />

TU <strong>Berlin</strong> gerappt<br />

Mit dem Song „Sommer am Ernst-Reuter-Platz“ wird<br />

im deutschen Hip-Hop erstmals der studentische Alltag<br />

thematisiert und die Campusatmosphäre an der<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 37<br />

MelDUNGeN<br />

TU <strong>Berlin</strong> eingefangen. „Lass mich dein Kommilitone<br />

sein“ und „Immatrikulier mich in dein Herz“ rappt<br />

Robin Haefs, Texter und Sänger von „Rapucation“ zu<br />

den Beats von Vincent Stein, der Musikwissenschaft<br />

an der TU <strong>Berlin</strong> studiert. Sind Sie neugierig? Alumni<br />

aller Fakultäten und Jahrgänge können sich unter<br />

www.tu-berlin.de/?id=62985 den Song anhören. Und<br />

wenn Sie Ihr Handy auf den TU-Rap einstellen wollen,<br />

gibt es dort auch einen Klingelton.<br />

Alumni.Angel.Abend<br />

An der TU <strong>Berlin</strong> findet am 7. Dezember 2009 zum<br />

zweiten Mal der Alumni.Angel.Abend statt. Ziel der<br />

Veranstaltung, die vom TU-Gründungsservice in Zusammenarbeit<br />

mit dem nationalen Aluminiprogramm<br />

veranstaltet wird, ist es, Start-ups der TU <strong>Berlin</strong> mit<br />

erfahrenen Gründerinnen und Gründern zusammenzubringen.<br />

Ein Highlight des Abends ist die bereits<br />

im vergangenen Jahr durchgeführte Vorstellungsrunde<br />

„Gründerinnen und Gründer suchen Business-Angel“.<br />

Dort präsentieren fünf junge Teams, die noch im<br />

Gründungsprozess sind, Alumni-Gründern ihre Geschäftsidee.<br />

Wichtig ist aber auch die Netzwerkpflege.<br />

Daher hatte sich im vergangenen Jahr der Lichthof in<br />

eine Club-Lounge verwandelt, in der angehende Grün-<br />

derinnen und Gründer miteinander in Kontakt kamen.<br />

Moderierte Gesprächsrunden zu verschiedenen Themen<br />

regten zum weiteren Austausch an. In diesem Jahr<br />

findet der Alumni.Angel.Abend im Fakultätsforum des<br />

Architekturgebäudes, Straße des 17. Juni 152, 10623<br />

<strong>Berlin</strong>, um 18.30 Uhr statt.<br />

Neujahrsempfang des<br />

TU-Präsidenten<br />

Das Jahr 2009 neigt sich seinem Ende zu und natürlich<br />

stehen schon viele Termine für das kommende Jahr im<br />

Kalender. Der erste wichtige Termin für TU-Alumni<br />

könnte der 15. Januar 2010 sein. Da findet der Neujahrsempfang<br />

des Präsidenten der TU <strong>Berlin</strong>, Prof. Dr.<br />

Kurt Kutzler, statt, zu dem TU-Alumni herzlich eingeladen<br />

sind. Der Empfang beginnt um 15.00 Uhr im<br />

Lichthof des TU-Hauptgebäudes, Straße des 17. Juni<br />

135. Anmeldung unter alumni@tu-berlin.de<br />

TexTe VoN BeTTINA KLoTZ


MelDUNGeN<br />

TU intern<br />

Ehrenprofessur und<br />

Ehrendoktorwürde<br />

Am 8. Oktober 2009 wurde<br />

Prof. Dr. Kurt Kutzler, Präsident<br />

der TU <strong>Berlin</strong>, mit<br />

einer Ehrenprofessur der<br />

Jiao-Tong-<strong>Universität</strong> in<br />

Schanghai ausgezeichnet.<br />

Prof. Kutzler nahm die Ehrung<br />

von seinem Amtskollegen,<br />

Professor Zhang Jie, in<br />

der chinesischen Metropole<br />

entgegen. Die Ehrenprofessur gilt seinen großen Verdiensten<br />

um die deutsch-chinesische Zusammenarbeit<br />

in Forschung und Lehre beider <strong>Universität</strong>en. Ein Ergebnis<br />

dieser Kooperation sind drei Doppeldiplom-<br />

Verträge. Sie ermöglichen den chinesischen wie deutschen<br />

Studierenden an der jeweiligen Partneruniversität<br />

den Erwerb eines Diploms beider Hochschulen,<br />

eines sogenannten Doppeldiploms oder -masters. Die<br />

Shanghai-Jiao-Tong-<strong>Universität</strong> ist mit rund 38 000<br />

Studierenden und 480 Professoren eine der größten<br />

und renommiertesten <strong>Universität</strong>en Chinas. Am 20.<br />

November 2009 wurde Prof. Kutzler zudem die Ehrendoktorwürde<br />

der Moscow State Universy of Civil Engineering<br />

verliehen. pp/sn<br />

Kuratorium empfiehlt Martin<br />

Grötschel als neuen TU-Präsidenten<br />

Auf seiner Sitzung am 29. Oktober 2009 hat das Kuratorium<br />

der TU <strong>Berlin</strong> dem Erweiterten Akademischen<br />

Senat der <strong>Universität</strong> Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Martin<br />

Grötschel auf der Grundlage spezifischer Wahlkriterien<br />

zur Wahl für das Amt des neuen Präsidenten<br />

der TU <strong>Berlin</strong> empfohlen. Zuvor hatte der Akademische<br />

Senat auf seiner Sitzung am 21. Oktober Martin<br />

Grötschel und Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach als<br />

Kandidaten für das Amt nominiert. Das Kuratorium<br />

hielt beide Kandidaten für präsidiabel. Martin Grötschel<br />

ist Professor für Mathematik an der TU <strong>Berlin</strong><br />

und Vizepräsident des Konrad-Zuse-Zentrums für<br />

Informationstechnik <strong>Berlin</strong>. Der Leibniz-Preisträger<br />

wurde 2006 als erster Deutscher zum Generalsekretär<br />

der International Mathematical Union gewählt.<br />

Von 2002 bis 2008 leitete er das von der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft finanzierte Forschungszentrum<br />

MATHEON – Mathematik für Schlüsseltechnologien.<br />

Jörg Steinbach ist Professor für das Fachgebiet<br />

Anlagen- und Sicherheitstechnik an der TU<br />

<strong>Berlin</strong>. Von 1999 bis 2001 war er unter anderem Dekan<br />

der Fakultät III Prozesswissenschaften. Seit 2002<br />

ist er 1. Vizepräsident der TU <strong>Berlin</strong> und in dieser<br />

Funktion für Lehre, Studium und Berufungsangelegenheiten<br />

zuständig. Der Präsidentschaftsbewerber<br />

wird im ersten Wahlgang am 6. Januar 2010 in geheimer<br />

Wahl vom Erweiterten Akademischen Senat<br />

gewählt. Noch keine Stellungnahme gab das Kuratorium<br />

zu den Nominierungen für das Amt der 1. Vizepräsidentin<br />

beziehungsweise des 1. Vizepräsidenten<br />

38 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />

ab. Vom Akademischen Senat waren der Informatiker<br />

Prof. Dr. Hans-Ulrich Heiß im Team von Martin<br />

Grötschel und die Physikerin Prof. Dr. Ulrike Woggon<br />

im Team von Jörg Steinbach für das Amt nominiert<br />

worden. tz<br />

Sechs Neue in der acatech<br />

Prof. Dr. Ina Schieferdecker und Prof. Dr. Roland<br />

Thewes (Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik),<br />

Prof. Dr. Wolfgang König (Fakultät I Geisteswissenschaften),<br />

Prof. Dr. Brian Horsfield (Fakultät VI Planen<br />

Bauen Umwelt), Prof. Dr. Volker Mehrmann (Fakultät<br />

II Mathematik und Naturwissenschaften) sowie<br />

Prof. Dr.-Ing. Günther Seliger (Fakultät V Verkehrsund<br />

Maschinensysteme) wurden in diesem Jahr in die<br />

Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech<br />

aufgenommen. Mit der Wahl in die Akademie werden<br />

die Forscherinnen und Forscher für ihre herausragenden<br />

wissenschaftlichen Leistungen und ihre hohe<br />

Reputation geehrt. sn<br />

www.acatech.de<br />

Höchste Verdienste, höchste<br />

Auszeichnungen<br />

Herbert Reichel ist mit einer<br />

der höchsten Auszeichnungen<br />

des weltweit größten Berufsverbandes<br />

„Institute of<br />

Electrical and Electronics Engineers“<br />

geehrt worden, dem<br />

„Components, Packaging &<br />

Manufacturing Technology<br />

Award 2010“. Der TU-Professor<br />

und Leiter des Fraunhofer-Instituts<br />

für Zuverlässigkeit und Mikrointegration<br />

bekam den Preis für seine herausragenden Verdienste<br />

in Forschung und Lehre in der Mikroelektronik<br />

und Mikrosystemtechnik im Bereich der Aufbau- und<br />

Verbindungstechnik. sn<br />

Integriertes Logistiklabor auf<br />

dem Campus eröffnet<br />

Das Fachgebiet Logistik der TU <strong>Berlin</strong> eröffnete am<br />

3. Juni 2009 sein integriertes Logistiklabor. In der Versuchshalle<br />

im Reuleaux-Haus auf dem Süd-Campus<br />

befindet sich ein PC-Pool mit umfangreichem Software-Angebot<br />

zur Planung und Steuerung logistischer<br />

Prozesse und zur Simulation von Materialflusssystemen.<br />

Das Labor ist eine ideale Umgebung, um neue<br />

Technologien in der Logistik in einem praxisnahen<br />

Kontext zu erproben. Ein Beispiel dafür ist die „Radio<br />

Frequency Identification“ (RFID), eine Technologie,<br />

die es mit Hilfe elektromagnetischer Wellen ermöglicht,<br />

Gegenstände zu identifizieren und zu lokalisieren.<br />

Das eigentliche Herzstück der Versuchshalle ist<br />

jedoch ein neues, vom Fachgebiet Logistik konzipiertes<br />

und von der Firma Aberle Automation realisiertes Materialflusssystem.<br />

sn<br />

In die Leopoldina gewählt<br />

Prof. Anja Feldmann, Ph. D.,<br />

(Foto) und Prof. Günter M.<br />

Ziegler, Ph. D., sind 2009 in<br />

die Deutsche Akademie der<br />

Naturwissenschaften Leopoldina<br />

gewählt worden. Die<br />

Informatikerin ist Inhaberin<br />

einer Stiftungsprofessur an<br />

den Deutsche Telekom Laboratories,<br />

dem An-Institut der<br />

TU <strong>Berlin</strong>. Sie lehrt das Fachgebiet „Intelligent Networks<br />

and Management of Distributed Systems“. Günter<br />

M. Ziegler leitet das Fachgebiet „Diskrete Geometrie“<br />

und ist Leibnizpreisträger. Den Sektionen Informationswissenschaften<br />

und Mathematik gehören auch die<br />

TU-Professoren Holger Boche, Martin Grötschel und<br />

Peter Noll (im Ruhestand) an. sn<br />

Ausstellung „Beruf: Forscherin“<br />

Sie sind klug, sie sind witzig, sie sind erfolgreich: Zwölf<br />

von 50 Professorinnen aller Fakultäten der TU <strong>Berlin</strong><br />

werden in der Plakatausstellung der Pressestelle „Beruf:<br />

Forscherin“ vorgestellt. Mit der Ausstellung will<br />

die <strong>Universität</strong> ihre Professorinnen als Vorbilder für die<br />

Werbung von jungen Frauen für ein Studium der sogenannten<br />

MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften<br />

und Technik) verstärkt ins Blickfeld<br />

rücken. Die Ausstellung ist im Altbau des Hauptgebäudes,<br />

Straße des 17. Juni 135, 10623 <strong>Berlin</strong>, zu sehen. sn<br />

www.tu-berlin.de/?id=63210<br />

Beliebtester Wissenschaftsstandort<br />

Die TU <strong>Berlin</strong> war am 13. Juni 2009 erneut der größte<br />

Besuchermagnet während der „Langen Nacht der<br />

Wissenschaften“ in <strong>Berlin</strong> und Potsdam. Rund 66 000<br />

Mal öffneten sich die Türen in den 30 Wissenschaftshäusern<br />

der <strong>Universität</strong>. Das entspricht einer Steigerung<br />

um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das<br />

„Haus der Ideen/TU-Hauptgebäude“ erzielte mit fast<br />

18 000 Besuchen erneut den größten Besucherrekord<br />

in <strong>Berlin</strong> und Potsdam. Die Gesamtkoordination für<br />

die TU <strong>Berlin</strong> liegt in den Händen ihrer Pressestelle.<br />

Im nächsten Jahr findet die „Lange Nacht“ wegen des<br />

Wissenschaftsjahres 2010 bereits am 5. Juni statt. stt<br />

Auszeichnung für Kunsthistorikerin<br />

Prof. Dr. Bénédicte Savoy wurde von der <strong>Berlin</strong>-Brandenburgischen<br />

Akademie der Wissenschaften mit dem<br />

Walter de Gruyter-Preis für ihre herausragenden wissenschaftlichen<br />

Leistungen im Bereich der Geisteswissenschaften<br />

geehrt. Der mit 7500 Euro ausgestattete<br />

Preis wurde der Kunsthistorikerin der TU <strong>Berlin</strong><br />

am 13. November im Potsdam überreicht. Savoys Forschung<br />

widmet sich dem europäischen Kunst- und Kulturtransfer<br />

im 18. und 19. Jahrhundert sowie der Museums-<br />

und Sammlungsgeschichte. sn<br />

Fotos: TU-Pressestelle/Dahl (2), iZM Fraunhofer


TU extern<br />

Alt-TU-Präsident verstorben<br />

Am 5. Mai 2009 verstarb Prof.<br />

Dr.-Ing. Manfred Fricke.<br />

Prof. Fricke war von 1985 bis<br />

1993 Präsident der TU <strong>Berlin</strong>.<br />

Innerhalb der <strong>Universität</strong> und<br />

weit über <strong>Berlin</strong> hinaus galt er<br />

als wissenschaftlicher Experte<br />

für Flugsicherheitstechnik,<br />

Luftverkehr und Flughafenplanung.<br />

Darüber hinaus hatte<br />

er sich einen Namen als politischer Reformer gemacht.<br />

Manfred Fricke, 1936 geboren, studierte an der TU <strong>Berlin</strong><br />

Maschinenbau. Promotion und Habilitation folgten.<br />

1978 wurde er als Professor für Flugführung und Luftverkehr<br />

an die TU <strong>Berlin</strong> berufen. Er erhielt Ehrenprofessuren<br />

in China und Ungarn. 1994 wurde er mit dem<br />

Bundesverdienstkreuz 1. Klasse in Anerkennung seines<br />

hochschulreformerischen Engagements im wiedervereinigten<br />

Deutschland ausgezeichnet. Manfred Fricke<br />

starb im Alter von 73 Jahren in <strong>Berlin</strong>. sn<br />

Dominikanerpater erhält<br />

Bundesverdienstkreuz am Bande<br />

Mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande wurde der<br />

Dominikanerpater Dr. Karl Meyer (71) in diesem Jahr<br />

für sein Engagement, das Gedenken an die Opfer des<br />

Nationalsozialismus wachzuhalten, ausgezeichnet.<br />

Die Ehrung erfolgte auf Vorschlag von Hamburgs Erstem<br />

Bürgermeister Ole von Beust. Karl Meyer war in<br />

Busdorf bei Schleswig geboren worden, trat nach dem<br />

Abitur dem Dominikanerorden bei, promovierte in<br />

Hamburg im Fach Geschichte der Naturwissenschaften<br />

und war an der TU <strong>Berlin</strong> als Studentenseelsorger<br />

tätig. Von 1997 bis 2006 war er Prior des Dominikanerkonvents<br />

St. Johannis in Barmbeck. sn<br />

Gerhard Ertl wird Ehrenmitglied<br />

Für seine hervorragenden<br />

Verdienste um die <strong>Universität</strong><br />

hat die TU <strong>Berlin</strong> Prof.<br />

Dr. Dr. h. c. mult. Gerhard<br />

Ertl am 4. Dezember 2009 die<br />

Ehrenmitgliedschaft verliehen.<br />

Er gilt als einer der bedeutendsten<br />

Chemiker unserer<br />

Zeit. Für seine bahnbrechenden<br />

wissenschaftlichen<br />

Arbeiten auf dem Gebiet der heterogenen Katalyse<br />

wurde er im Jahr 2007 mit dem Nobelpreis für Chemie<br />

ausgezeichnet. Der 1936 geborene Ertl war von 1986 bis<br />

zu seiner Emeritierung im Jahr 2004 Direktor der Abteilung<br />

Physikalische Chemie am Fritz-Haber-Institut<br />

(FHI) der Max-Planck-Gesellschaft. Das FHI ist für die<br />

TU <strong>Berlin</strong> eine der wichtigsten strategischen außeruniversitären<br />

Forschungseinrichtungen. Zwischen beiden<br />

Wissenschaftsinstitutionen bestehen zahlreiche langjährige<br />

Kooperationen. bk<br />

Fotos: TU-Pressestelle/Dahl (2), Glaser, KMK<br />

Mitglied im Lenkungsrat<br />

Dr. Hubertus Erlen ist im Frühjahr 2009 in den Lenkungsrat<br />

Unternehmensfinanzierung des Bundesministeriums<br />

für Wirtschaft und Technologie berufen<br />

worden. Die Mitglieder, die über besondere Erfahrungen<br />

in Wirtschafts- und Finanzfragen verfügen, sind<br />

unabhängig und haben die Aufgabe, die Tätigkeit des<br />

„Wirtschaftsfonds Deutschland“ mit Empfehlungen<br />

zu begleiten. Erlen studierte an der TU <strong>Berlin</strong> Verfahrenstechnik<br />

und ist seit 2008 Vorsitzender der Robert-Koch-Stiftung.<br />

Zuvor war er von 2001 bis 2006<br />

Vorstandsvorsitzender des <strong>Berlin</strong>er Pharmakonzerns<br />

Schering. sn<br />

Neuer Generalsekretär der<br />

Hochschulrektorenkonferenz<br />

Neuer Generalsekretär der<br />

Hochschulrektorenkonferenz<br />

und Leiter der HRK-<br />

Geschäftsstelle wurde am 1.<br />

Juli 2009 Dr. Thomas Kathöfer<br />

von der TU <strong>Berlin</strong>.<br />

Nach seiner Promotion als<br />

Wirtschaftsingenieur leitete<br />

er unter anderem die Verwaltung<br />

der TU-Fakultät Prozesswissenschaften<br />

und war strategischer Controller<br />

in der Struktur- und Entwicklungsplanung der TU <strong>Berlin</strong>.<br />

Daneben lehrte er an Bildungseinrichtungen im Inund<br />

Ausland, war als Gutachter für Industrie und Gewerbe<br />

tätig und leitete seit 2002 das Präsidialamt der<br />

TU <strong>Berlin</strong>. stt<br />

Schinkels Bauakademie<br />

als 3-D-Modell<br />

David Bornemann und Thomas Rox haben den Neuruppiner<br />

Schinkelpreis der Karl-Friedrich-Schinkel-<br />

Gesellschaft erhalten. Im Rahmen einer Studienarbeit<br />

unter Leitung des TU-Professors Jörg Albertz war die<br />

Schinkel’sche Bauakademie als 3-D-Modell rekonstruiert<br />

worden. Im Oktober dieses Jahres nun zeichnete die<br />

Neuruppiner Gesellschaft die beiden Vermessungsingenieure<br />

für ihre Idee und deren Umsetzung aus, das<br />

berühmte Bauwerk digital wiederauferstehen zu lassen.<br />

sn<br />

Ausgezeichnete<br />

Verfahrenstechnik<br />

Dr. Anja Drews wurde im September 2009 mit dem<br />

Arnold Eucken Preis geehrt, den der Verein Deutscher<br />

Ingenieure e.V. (VDI) vergibt. Mit dem mit 5000 Euro<br />

dotierten Preis zeichnet die Gesellschaft Verfahrenstechnik<br />

und Chemieingenieurwesen des VDI hervorragende<br />

und vielversprechende Nachwuchskräfte der<br />

Industrie und der Hochschulen aus. Die Verfahrenstechnikerin<br />

erhielt die Auszeichnung für ihre wissenschaftlichen<br />

Beiträge zur technischen Weiterentwick-<br />

Impressum<br />

<strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 39<br />

MelDUNGeN<br />

lung von Membranprozessen. Das besondere Augenmerk<br />

der Wissenschaftlerin galt dem wirtschaftlichen<br />

Einsatz zur Fermentation und Abwasseraufbereitung.<br />

Dr. Anja Drews studierte Verfahrenstechnik an der TU<br />

<strong>Berlin</strong>, hier promovierte sie auch. Seit Oktober dieses<br />

Jahres ist sie Professorin für Verfahrenstechnik an der<br />

Hochschule für Technik und Wirtschaft <strong>Berlin</strong>. bk<br />

Bundesverdienstkreuz verliehen<br />

Erich Thies, Generalsekretär<br />

der Kultusministerkonferenz<br />

und Mitglied des Kuratoriums<br />

der TU <strong>Berlin</strong>, ist mit<br />

dem Bundesverdienstkreuz<br />

1. Klasse ausgezeichnet worden.<br />

Damit wurde sein vielfältiges<br />

Engagement für Bildung<br />

und Wissenschaft gewürdigt:<br />

Als Rektor der PH<br />

Heidelberg engagierte er sich für die Lehrerbildung.<br />

Nach der Wende trug Thies maßgeblich zur Gründung<br />

der Erziehungswissenschaft an der HU <strong>Berlin</strong> bei. Als<br />

Staatssekretär in der Wissenschaftsverwaltung gestaltete<br />

er die <strong>Berlin</strong>er Wissenschaft nach der Wende mit.<br />

sn<br />

<strong>parTU</strong> – Alumni-Magazin<br />

der <strong>Technische</strong>n <strong>Universität</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Herausgeber: Presse- und Informationsreferat der<br />

TU <strong>Berlin</strong>, Straße des 17. Juni 135, 10623 <strong>Berlin</strong>,<br />

Tel.: 030/3<strong>14</strong>-2 29 19, Fax: 030/3<strong>14</strong>-2 39 09,<br />

E-Mail: pressestelle@tu-berlin.de,<br />

www.pressestelle.tu-berlin.de<br />

Redaktion/Texte: Dr. Kristina R. Zerges (tz)<br />

(verantw.), Stefanie Terp (stt) (CvD),<br />

Bettina Klotz (bk), Sybille Nitsche (sn)<br />

Fotograf: Ulrich Dahl<br />

WWW-Präsentation: Ulrike Friedrich<br />

Vertrieb: Ramona Ehret<br />

Gesamtherstellung: omnisatz GmbH, <strong>Berlin</strong>,<br />

Blücherstraße 22, 10961 <strong>Berlin</strong>,<br />

Tel.: 030/28 47 24 11-0<br />

Auflage: 16 500 · ISSN: <strong>14</strong>39-2887<br />

Erscheinungstermin: Dezember 2009, Nr. <strong>14</strong>, 10. Jg.<br />

Nachdruck nur bei Quellenangabe und Belegexemplar<br />

Beilagen: Dissertations- und Habilitationsschriften,<br />

Preisbeilage, Newsletter der Gesellschaft von<br />

Freunden der TU <strong>Berlin</strong> e.V.<br />

„Preis für das beste deutsche Hochschulmagazin“,<br />

verliehen von „Die Zeit“, der Hochschulrektorenkonferenz<br />

(HRK) und der Robert-Bosch-<br />

Stiftung, 2005, für das Publikationskonzept der<br />

TU-Pressestelle


PrOFil<br />

Hochschulen müssen<br />

praxisorientierter ausbilden<br />

Herbert K. Haas, Vorsitzender des Vorstandes des Versicherungskonzerns Talanx<br />

<strong>parTU</strong> befragt an dieser Stelle Absolventinnen und Absolventen<br />

der TU <strong>Berlin</strong>. Diesmal antwortet Herbert K. Haas, Vorstandsvorsitzender<br />

der Talanx AG.<br />

Würden Sie einem jungen Menschen raten, in der heutigen Zeit<br />

zu studieren?<br />

Auf alle Fälle. Eine solide Ausbildung, die<br />

anschließend durch ein akademisches Studium<br />

ergänzt wird, ist auch heute noch die<br />

ideale Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />

berufliche Karriere. Aber ich rate auch immer<br />

dazu, während des Studiums eine längere<br />

Zeit im Ausland zu verbringen, entweder<br />

an einer Hochschule oder als Praktikant<br />

in einem Unternehmen. Auch wenn heutige<br />

Generationen in einem politisch und wirtschaftlich<br />

stabilen Umfeld aufwachsen, sollten<br />

junge Menschen immer bedenken: Hab<br />

und Gut können schnell verloren gehen, aber<br />

das, was man im Kopf hat, kann einem niemand<br />

wegnehmen.<br />

Angenommen, Sie hätten noch einmal die Wahl, welche Fächer<br />

würden Sie heute belegen?<br />

Ich würde mich wieder für Betriebswirtschaft entscheiden, aber<br />

verbunden mit einem noch stärkeren Fokus auf Jura. Die Fähigkeit,<br />

komplexe Sachverhalte analytisch zu durchdringen und<br />

daraus, wenn nötig, Handlungsalternativen oder Lösungswege<br />

logisch abzuleiten – das brauchen Sie heute unbedingt für eine<br />

Position im Top-Management. Und das lässt sich am besten in<br />

jungen Jahren durch eine juristische Ausbildung erlernen. Dies<br />

verbunden mit der wirtschaftlichen, pragmatischen „Denke“ eines<br />

Betriebswirtes ist eine exzellente Kombination.<br />

Wenn Sie an Ihre Studienzeit denken: Welche Lebenserfahrung<br />

haben Sie damals gemacht?<br />

Nicht dem süßen Gift des „laissez-faire“ zu erliegen. Das soll<br />

aber nicht heißen, dass man nur noch seinen Lernstoff paukt. Es<br />

ist wichtig, auch mal über den Tellerrand seines Studiengangs<br />

zu schauen und das eine oder andere auszuprobieren. Dazu rate<br />

ich sogar dringend!<br />

Lebenslauf<br />

Herbert Haas, 1954 geboren, studierte von 1974 bis 1982 Betriebswirtschaftslehre an der TU<br />

<strong>Berlin</strong>. Nach dem studium arbeitete er beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen<br />

in der abteilung „Finanzaufsicht über schaden- und Unfall- sowie rückversicherungsunternehmen“.<br />

Daran schlossen sich Beschäftigungen bei verschiedenen Versicherungsunternehmen<br />

an. 1994 wurde er Mitglied des Vorstands der Hannover rückversicherung aG/e+s rückversicherung<br />

aG. 2002 wechselte Herbert Haas unter anderem in den Vorstand der Talanx aG, deren<br />

Vorstandsvorsitzender er seit 2006 ist.<br />

40 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009<br />

Waren Ihnen Noten damals sehr wichtig?<br />

Während des Grundstudiums nicht, aber für das Hauptstudium<br />

und den Abschluss habe ich großen Wert auf gute Noten gelegt.<br />

An welche Situation erinnern Sie sich heute noch mit einem<br />

Schmunzeln?<br />

An meine allererste Vorlesung „Bürgerliches Recht“ an einem<br />

Montagmorgen um 8.00 Uhr. Von der schulischen Erfahrung<br />

geprägt, war ich schon um 7.45 Uhr im Hörsaal. Der war zu<br />

meiner Überraschung noch menschenleer. Etwas verunsichert<br />

habe ich mehrfach das Vorlesungsverzeichnis und den Raum<br />

überprüft, bis dann so gegen 8.10 Uhr die ersten Kommilitonen<br />

eintrafen. Und die lasen erst mal ihre Zeitungen und ließen sich<br />

auch durch das Erscheinen des Profs um 8.15 Uhr dabei nicht<br />

stören. Gegen 9.00 Uhr hatte sich der Saal gefüllt, und dann begannen<br />

die Ersten sich schon wieder aus der für zwei Stunden<br />

angesetzten Vorlesung zu verabschieden.<br />

Und woran denken Sie eher ungern?<br />

An das Essen in der Mensa und die aufdringlichen Anbieter der<br />

„roten Kampfblätter“.<br />

Welche Fähigkeiten sollten Absolventinnen und Absolventen in<br />

die Berufswelt mitbringen?<br />

Flexibilität und Mobilität, Kommunikations- und Teamfähigkeit,<br />

Einsatzwillen, Neugier und den Mut, auch einmal Fehler<br />

zu machen und daraus zu lernen.<br />

Wie sollte die deutsche Hochschullandschaft in 50 Jahren aussehen?<br />

Auch die deutsche Hochschullandschaft kann sich nicht der Globalisierung<br />

entziehen und muss sich dem internationalen Wettbewerb<br />

stellen. Wenn wir Forschenden, Lehrenden und Studierenden<br />

nicht die Voraussetzungen bieten können, die insbesondere angelsächsische<br />

Länder bieten, verlieren wir den „War for Talents“. Wir<br />

müssen uns mit den besten Hochschulen der Welt messen können.<br />

Dies erfordert entsprechende finanzielle <strong>Mitte</strong>l, die der Staat<br />

allein nicht mehr bereitstellen kann. Die zukünftige Hochschullandschaft<br />

wird sich noch sehr viel stärker mit der Wirtschaft verzahnen<br />

und sie wird praxisorientierter ausbilden müssen. Denn<br />

die Qualität einer Hochschule wird auch bestimmen, in welchem<br />

Umfang sie finanzielle <strong>Mitte</strong>l einwerben kann. Wir werden in den<br />

nächsten Jahrzehnten mit der Etablierung von privatwirtschaftlich<br />

geführten und orientierten Elite-<strong>Universität</strong>en eine ähnliche<br />

Entwicklung wie zum Beispiel in den USA erleben.<br />

Wie lautet Ihre Lebensmaxime?<br />

Carpe diem – nutze den Tag!<br />

Foto: Talanx aG


T<br />

TU <strong>Berlin</strong>, Presse- und Informationsreferat,<br />

www.tu-berlin.de, Telefon: (030) 3<strong>14</strong>-2 39 22<br />

T<br />

TU <strong>Berlin</strong>, Presse- und Informationsreferat,<br />

www.tu-berlin.de, Telefon: (030) 3<strong>14</strong>-2 39 22<br />

Matthias Koeppel<br />

Schneewittchen<br />

150 x 200 cm, Öl auf Leinwand, 1985<br />

Matthias Koeppel<br />

Aufbruch zur Langen Nacht<br />

200 x 200 cm, Öl auf Leinwand, 2009<br />

T<br />

TU <strong>Berlin</strong>, Presse- und Informationsreferat,<br />

www.tu-berlin.de, Telefon: (030) 3<strong>14</strong>-2 39 22<br />

T<br />

TU <strong>Berlin</strong>, Presse- und Informationsreferat,<br />

www.tu-berlin.de, Telefon: (030) 3<strong>14</strong>-2 39 22<br />

Matthias Koeppel<br />

Ex Oriente Lux<br />

Die Nacht vom 9. November 1989 (1. Fassung)<br />

160 x 200 cm, Öl auf Leinwand, 1989<br />

Matthias Koeppel<br />

Mommsen – Ecke Leibnizstraße<br />

75 x 94 cm, Öl auf Leinwand, 1978

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