parTU 14 - Liberale Mitte - Technische Universität Berlin
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FOrsCHUNG<br />
Scheußlichkeit mancher Ereignisse Gras wachsen lassen könnte.<br />
In Sachen Beutekunst reichen aber sechs Jahrzehnte offensichtlich<br />
nicht. Hier scheinen die Wunden nicht heilen zu wollen.<br />
Die in Deutschland seit fünfzehn Jahren auf die russische Beutekunst<br />
des 2. Weltkriegs leuchtenden Scheinwerfer der Öffentlichkeit,<br />
die immer wiederkehrenden Kontroversen um die Rückgabe<br />
unrechtmäßig erworbener Museumsstücke aus jüdischem<br />
Besitz, die regelmäßigen Gefechte um die Rückführung von Bücherbeständen<br />
aus Polen, Fernsehsendungen mit Publikumsbeteiligung<br />
etc. zeugen davon: Kriegsbedingt abhandengekommene<br />
Kulturgüter lösen kollektive Emotionen aus, die sich mit<br />
der Zeit so gut wie nicht besänftigen lassen. Im Gegenteil. Statt<br />
Linderung scheint die historische Distanz Verhärtung zu bringen,<br />
statt Annäherung Verbissenheit und Misstrauen. Die Beutekunst<br />
der Vergangenheit – nicht nur die des 2. Weltkriegs – ist<br />
sicherlich die große kulturpolitische Herausforderung der Zukunft,<br />
zumindest des 21. Jahrhunderts. Umso verwunderlicher<br />
ist es, dass es dem Thema nach wie vor an historischer Tiefe<br />
fehlt, auch wenn in den vergangenen fünf Jahren neue Veröffentlichungen,<br />
vor allem aber auch eine Reihe historischer Ausstellungen<br />
weltweit (Paris, Stockholm, Moskau, <strong>Berlin</strong>) neue<br />
Erkenntnisse gebracht haben.<br />
Dass in der Antike der Raub von Kult- und Kunstobjekten<br />
gang und gäbe war, ist bekannt. Dass die zum Teil brutale,<br />
massive und nicht rückgängig gemachte Aneignung von Kulturgütern<br />
fremder Völker auch zu eindrucksvollen kulturhistorischen<br />
Befruchtungen führte (nicht zuletzt im alten Rom), sitzt<br />
im allgemeinen Bewusstsein fest. Dass aber schon in der Antike<br />
sowohl das Motiv der Vergeltung von Kunstraub als auch<br />
das der Rückgabe, der Wiederherstellung des ursprünglichen<br />
Zustands, eine Schlüsselrolle spielten, verdient sicherlich einige<br />
Aufmerksamkeit. In Agamemnon zum Beispiel, dem ersten<br />
Stück der Orestie von Aischylos aus dem 5. Jahrhundert vor<br />
Christus, wird ganz allgemein auf die Gefahren hingewiesen,<br />
denen die Räuber von Kultgegenständen und fremden Reichtümern<br />
sich aussetzen. Zu Beginn des Stückes warnt Klytaimnestra<br />
vor den verhängnisvollen Folgen einer Beraubung der Schätze<br />
von Troja durch den Sieger. Die Botschaft ist klar: Wenn der<br />
Sieger die Tempel der Besiegten nicht respektiert und es trotz des<br />
Sieges auch noch zu Beutezügen kommt, werden sich die Götter<br />
an dem Sieger rächen. Hier steht der Kultwert der begehrten<br />
Gegenstände im <strong>Mitte</strong>lpunkt. Die entführten personifizierten<br />
Götter sorgen selber für Rache oder sie beauftragen einen<br />
mächtigen Sterblichen mit ihrer Rückführung. Dabei spielt die<br />
Zeit der Menschen keine Rolle, sondern die ewige Zeit der Götter<br />
– deswegen wird die Erinnerung an die sakrilege Wegnahme<br />
durch Feindeshand von Generation zu Generation gepflegt<br />
und weitergetragen.<br />
Bildpropaganda<br />
und Erinnerungen<br />
Das Beute relief<br />
am Titus-<br />
bogen in rom<br />
Was aber, so fragt man<br />
sich zu Recht, haben<br />
solche Ereignisse aus der Antike,<br />
die ja den Kultwert der<br />
entführten Gegenstände im <strong>Mitte</strong>lpunkt hatten, mit dem modernen<br />
Raub an Werken zu tun, die wegen ihres Kunstwerts, ihres<br />
ästhetischen – und sicherlich auch ökonomischen – Gewichts,<br />
von einer besiegten Hauptstadt zu der Hauptstadt eines Siegers<br />
verschleppt wurden? Die Verwandtschaft dieser Formen von<br />
Raub, die man aus historischer Rücksicht zunächst lieber nicht<br />
in Verbindung setzen möchte, stellt sich heraus, wenn man sich<br />
die bildliche Form ihrer Überlieferung betrachtet. Erinnerungsgeschichte<br />
und Emotionen hängen sehr mit visuellen Affekten,<br />
mit dem symbolischen Gehalt von Bildern zusammen – in vielen<br />
Fällen mehr als mit Rechtfertigungsprosa. Eine der frühesten,<br />
sichtbarsten und eindrucksvollsten ikonografischen Fixierungen<br />
der antiken Kunstraubpraxis und der Legitimation von<br />
Kunstraub stellt sicherlich das sogenannte Beuterelief im Durchgang<br />
des Titusbogens in Rom dar. Das monumentale Bildwerk<br />
entstand Ende des 1. Jahrhunderts in Erinnerung an die Eroberung<br />
Jerusalems durch den Kaiser Titus. Es zeigt eine Gruppe<br />
von lebensgroßen Soldaten, die mit prächtigen Beutestücken<br />
durch ein Bogenmonument ziehen. Die im Triumph mitgeführten<br />
Geräte waren zuvor im Tempel von Jerusalem aufgestellt:<br />
Kultgegenstände also, darunter der siebenarmige Leuchter, die<br />
Menorah. Das Relief liest sich wie eine Parole: Beute und Bogenmonument<br />
charakterisieren den Triumph des Kaisers Titus.<br />
Etwa 18 Jahrhunderte später, im Jahre 1813, erinnerte man<br />
sich im napoleonischen Frankreich an den Titusbogen. Eine<br />
18 <strong>parTU</strong> · Das Alumni-Magazin · Nr. <strong>14</strong> · 2009 Foto: privat