Journal Franz Weber Nr. 82 - Fondation Franz Weber
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14 JFW | Gesellschaft<br />
„…Wenn du singst,<br />
geliebte Freiheit,<br />
sing ich mit dir !“<br />
■ Alika Lindbergh<br />
Seit 1886 Symbol der Freiheit, die die Welt erleuchtet: Die Freiheitsstatue in New York<br />
Man besingt sie seit Jahrhunderten,<br />
wenn nicht seit Jahrtausenden.<br />
Was sie uns bedeutet,<br />
wissen wir freilich erst<br />
dann so richtig, wenn wir sie<br />
nicht mehr besitzen. Freiheit<br />
lässt sich als Wert nur schwer<br />
definieren, ist sie doch zugleich<br />
offenkundig und äusserst<br />
subtil in ihren Erschei-<br />
nungsformen. Man kann sie<br />
gewiss mit Panzern niederwalzen<br />
oder durch Folter ersticken,<br />
doch sie lässt sich auch<br />
unter dem Vorwand des GU-<br />
TEN wegmanipulieren …<br />
Ja, was ist überhaupt Freiheit?<br />
Auch wenn uns die genauen<br />
Worte dafür fehlen, wissen wir<br />
instinktiv, was sie bedeutet<br />
und wie lebenswichtig sie ist ;<br />
jedes Lebewesen trägt sie in<br />
sich. Gewiss, sie hat auch ihre<br />
Grenzen und ihre Regeln: kein<br />
einziges soziales Tier kann<br />
nach Belieben, je nach Lust<br />
und Laune Dinge tun, die anderen<br />
schaden. Für alle Lebensarten<br />
ist dies eine Frage<br />
des Überlebens; andernfalls<br />
droht das Chaos.<br />
Ein fundamentales Recht<br />
des verantwortungsvollen<br />
erwachsenen Menschen<br />
Aber die Freiheit existiert, und<br />
sie ist lebensnotwendig. Als<br />
ich ein kleines Kind von noch<br />
nicht fünf Jahren war, befahl<br />
mir mein Vater eines Tages –<br />
berechtigterweise, weil ich<br />
ihm zu lange in den Ohren gelegen<br />
hatte – endlich den<br />
Mund zu halten. Und ich weiss<br />
nicht, wie es kam, dass ich ihm<br />
entgegnete: „Gut, ich will<br />
schweigen, aber… ich kann<br />
nachdenken!“ Ich hatte in dieser<br />
Minute die einzige grenzenlose<br />
Freiheit entdeckt, derer<br />
man mich niemals würde<br />
berauben können, und ich erinnere<br />
mich noch ganz genau<br />
an die kleinsten Einzelheiten<br />
jenes Augenblicks, und an das<br />
glühende Gefühl von Kraft,<br />
das mich plötzlich erfüllte.<br />
Die Freiheit der Gedanken<br />
und die Freiheit, unseren eigenen<br />
Weg zu wählen, sind per-<br />
<strong>Nr</strong> <strong>82</strong> Oktober | November | Dezember 2007<br />
sönliche und absolute Freiheiten,<br />
die im schlimmsten Falle<br />
nur uns selber schaden können.<br />
Sie sollten daher zu unseren<br />
fundamentalen Rechten<br />
als verantwortungsvolle Erwachsene<br />
gehören.<br />
Sind wir nun aber nicht nahe<br />
daran, genau diese Freiheiten<br />
zu verlieren, ohne es zu bemerken?<br />
Hören wir nicht immer<br />
öfter in unserer Umgebung<br />
den Ausruf : “Man darf ja<br />
bald überhaupt nichts mehr !“<br />
Diktator im weissen Kittel, ein<br />
humanitäres Lächeln auf den<br />
Lippen, masst sich die moderne<br />
Gesellschaft die Rechte einer<br />
dirigierenden Übermutter<br />
an. Nicht nur wiegt sie uns in<br />
einer absolut widernatürlichen<br />
Sicherheit, sie trifft Entscheidungen<br />
für uns und beraubt<br />
uns – wie man dies mit<br />
Kleinkindern macht – mehr<br />
und mehr unseres Rechts auf<br />
Fehler, dieser zur Vervollkommnung<br />
des Individuums<br />
unabdingbaren Freiheit.<br />
Das freie Ermessen<br />
Getreu den uralten Gesetzen<br />
der Natur, die in ihrer Harmonie<br />
ihre Weisheit offenbart, hat<br />
jedes erwachsene Tier die<br />
Freiheit, sich zu entscheiden,<br />
und sich den guten oder<br />
schlechten Folgen seines Entscheides<br />
auszusetzen. Das ist<br />
eine Gegebenheit des Lebens;<br />
und sie regelt die natürliche<br />
Zuchtwahl, die ihrerseits die<br />
Gesundheit der Arten sowie<br />
deren Verhaltensstrukturen<br />
garantiert. Junge Paviane,<br />
kleine Löwen oder Menschenbabys,<br />
sie alle erfahren die<br />
fundamentalen Gesetze durch<br />
das elterliche Beispiel –<br />
manchmal gepaart mit kleinen<br />
Rüsselschlägen, Gebrumm,<br />
Schubsen oder Beissen<br />
als Mahnung. Und dann …<br />
müssen sie sich selber weiterhelfen…<br />
Mit diesem natürlichen<br />
(also immer logischen)