Download - Vattenfall
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metropole: Frau Kentikian, Sie haben schon mit<br />
jungen 23 Jahren Ihre Autobiografie veröffentlicht.<br />
Ist das nicht sehr früh für eine Lebens-Rückschau?<br />
Susi Kentikian: Ich habe in meinem Leben einfach<br />
schon sehr viel erlebt. Meine Familie musste Armenien<br />
verlassen, da war ich knapp fünf. Mit sieben, acht<br />
Jahren hatte ich schon kapiert, wie schwer das Leben<br />
sein kann. Die langen Jahre in Asylunterkünften, die<br />
Angst vor der Abschiebung … Ich hatte irgendwie<br />
keine richtige Kindheit. Und deshalb habe ich jetzt<br />
mit 23 einiges zu erzählen.<br />
metropole: Mit zwölf haben Sie angefangen zu<br />
boxen. Es klingt nach einem großen Kraftakt, wie Sie<br />
sich aus dem Elend herausgekämpft haben.<br />
Kentikian: Es war nicht leicht. Die Verhältnisse waren<br />
für uns damals wirklich schlimm. Das Boxen, das<br />
war eine andere Welt. Immer, wenn ich zum Training<br />
gefahren bin, fühlte ich mich richtig high, und auf<br />
dem Rückweg so, als wenn ich ins Gefängnis müsste.<br />
Boxen ist mein Leben. Partys, Rauchen, Trinken, das<br />
brauche ich alles nicht.<br />
metropole: Warum haben Sie sich fürs Boxen entschie-<br />
den? Ihr Vater hat Sie ja erst zur Gymnastik geschickt.<br />
Kentikian: Ich war schon immer sehr stark. Wenn<br />
ich jemanden aus Spaß geknufft habe, dann hieß es<br />
gleich: „Aua, hey, was soll das?“ Man traute mir diese<br />
Kraft nicht zu, weil ich ja so klein bin. Beim Boxen bin<br />
ich zufällig gelandet, über meinen Bruder. Boxen hat<br />
mich selbstbewusst gemacht. Das Gefühl kannte ich<br />
bis dahin nicht.<br />
metropole: Sie schreiben, dass man bei der<br />
Jugendarbeit stärker auf Sport setzen sollte.<br />
Kentikian: Jugendliche, die aggressiv sind, die<br />
Prob -leme in der Familie haben, sollte man zum<br />
Sport bringen. Jeder Sport, bei dem man sich<br />
auspowert, ist gut. Boxen natürlich auch.<br />
metropole: Ist es sinnvoll, einem potenziellen<br />
Schläger auch noch das Boxen beizubringen?<br />
Kentikian: Wer mehrmals in der Woche zum Boxtraining<br />
geht, der hat gar keine Kraft und keine Lust<br />
mehr, sich vor der Disko herumzuschlagen. Du bist<br />
körperlich und geistig zu erschöpft, mich macht es<br />
irgendwie milde. Wer nur herumhängt und dumme<br />
Sprüche klopft, klar, der sucht sich andere Ventile.<br />
Fotos: Stephanie Harke; picture alliance/dpa; Herder<br />
metropole: Sie schreiben in Ihrem Buch einen<br />
schönen Satz: „Ärgern macht nicht stärker.“<br />
Kentikian: Wer sich beim Boxen ärgert, über sich<br />
selbst, über den Gegner, der hat schon fast verloren.<br />
Ärgern kostet Kraft, die man besser einsetzen kann.<br />
metropole: Was raten Sie Mädchen, die sich fürs<br />
Boxen interessieren?<br />
Kentikian: Einfach mal ausprobieren. Boxen hält fit,<br />
man bekommt eine sportliche Figur, man lernt, sich<br />
zu verteidigen. Und man bekommt Respekt. Aber im<br />
Ring, da muss man wie ein Mann boxen. Würde ich<br />
zu zaghaft boxen, dann müsste ich mich schämen, vor<br />
mir selber. Ich sehe mich aber deshalb nicht als eine<br />
Art Mannweib. Ich bin eine Frau, ich bleibe eine Frau<br />
und ich sehe aus wie eine Frau.<br />
metropole: In Armenien sind Sie geboren, in Hamburg<br />
haben Sie sich durchgeboxt. Wo fühlen Sie sich heute<br />
zu Hause?<br />
Kentikian: Armenien kenne ich nur aus Erzählungen<br />
und von den wenigen Reisen, die ich als Erwachsene<br />
unternommen habe. Armenien ist das Land meiner<br />
Familie, Hamburg aber ist meine Heimat. Hier habe<br />
ich den größten Teil meines Lebens gelebt.<br />
metropole: Image ist im Boxen alles. Ihr Kampf-Name<br />
lautet „Killer Queen“. Wie ist Susi Kentikian privat?<br />
Kentikian: Auf jeden Fall stur (lacht). Ich ziehe immer<br />
das durch, worauf ich gerade Lust habe. Ich höre auf<br />
keinen anderen. Das ist schon eine meiner Schwächen.<br />
metropole: Wie geht denn Ihr Freund mit der sturen<br />
Susi um?<br />
Kentikian: Er sagt mir schon auch, dass der Weg mit<br />
dem Kopf durch die Wand nicht immer der beste ist. Ich<br />
sage dann „ja, ja“ und mache doch, was ich will (lacht).<br />
<strong>Vattenfall</strong> Gewinnspiel<br />
Gewinnfrage: In welchem Land wurde<br />
Susi Kentikian geboren?<br />
Wir verlosen für 3 x 2 Gewinner die<br />
Chance, die Boxerin exklusiv bei einem<br />
Training zu treffen, und dazu 3 Exemplare<br />
der Autobiografie „Mir wird nichts<br />
geschenkt!“ zum Signieren vor Ort.<br />
❯ Stichwort: Susi Kentikian<br />
Einsendeschluss: 10.4.2011 · Teilnahmebedingungen: Seite 30<br />
Info<br />
Weltmeisterin<br />
mit Herz<br />
Susianna Kentikian,<br />
geboren am<br />
11. September 1987<br />
in Armenien, ist<br />
amtierende Boxweltmeisterin<br />
im Fliegengewicht.<br />
Gerade<br />
erschien ihre Autobiografie<br />
„Mir wird<br />
nichts geschenkt!“<br />
(Verlag Herder), in<br />
der die Sportlerin<br />
auch ihre Flucht<br />
nach Hamburg beschreibt.<br />
Kenti kian<br />
ist Schirmher rin<br />
der Aktion „Lebensbaum<br />
für Armenien<br />
e.V.“, die mit dem<br />
Pflanzen von<br />
Walnussbäumen<br />
Arbeitsplätze in<br />
Armenien schafft<br />
(www.lebensbaumarmenien.de).<br />
metropole 1 | 2011<br />
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