Kultur in Gefahr - ITI
Kultur in Gefahr - ITI
Kultur in Gefahr - ITI
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
Als Antwort auf die Initiative gewisser<br />
Staaten, die Erarbeitung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternationalen<br />
Konvention über die kulturelle Vielfalt<br />
auf die Traktandenliste der 166. Sitzung des<br />
Exekutivrats zu setzen, schlug das UNESCO-<br />
Sekretariatam12.März2003vor,derRatsolle<br />
an der 32. Generalkonferenz empfehlen, e<strong>in</strong>e<br />
Entscheidung für die Erarbeitung e<strong>in</strong>es neuen<br />
<strong>in</strong>ternationalennormativenInstrumentszufällen<br />
und die Natur dieses Instruments festzulegen.<br />
Dies tat die Generalkonferenz denn auch im<br />
Oktober 2003, und zwar mit der zusätzlichen<br />
Präzisierung,dasssichdieKonventionaufden<br />
SchutzderkulturellenInhalteundderkünstlerischenAusdrucksformenerstreckensolle.<br />
Der glückliche Ausgang dieser ersten<br />
Etappeh<strong>in</strong>zue<strong>in</strong>er<strong>in</strong>ternationalenKonvention<br />
über dieses Thema vermag nur schlecht zu<br />
verbergen, dass bezüglich der Berechtigung<br />
e<strong>in</strong>er solchen Vere<strong>in</strong>barung unterschiedliche<br />
Ansichtenbestehen.<br />
• Für gewisse Länder (wie die USA,<br />
Grossbritannien und die Niederlande) handelt<br />
es sich um e<strong>in</strong> Abkommen, das unter<br />
dem Deckmantel e<strong>in</strong>er weniger negativen<br />
Sprache den Kampf der «kulturellen<br />
Ausnahme» fortsetzt. Mit anderen Worten<br />
um e<strong>in</strong> Abkommen mit protektionistischer<br />
Ausrichtung,dessenEndzielist,die<strong>Kultur</strong>aus<br />
der WTO ausszuschliessen oder zum<strong>in</strong>dest<br />
e<strong>in</strong>eSonderbehandlungfürden<strong>Kultur</strong>bereich<br />
durchzusetzen.<br />
• Für andere Länder – die weit überwiegende<br />
Mehrheit der Staaten, die sich an der<br />
Generalkonferenz von Oktober 2003 zu Wort<br />
gemeldethatten–gehtesimGegenteilume<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie kulturelles Abkommen, dessen<br />
ZwecknichtdieÄnderungdesWTO-Rechtsist,<br />
sonderndasehere<strong>in</strong>enBezugsrahmen,e<strong>in</strong>en<br />
VerhaltenskodexfürdieSignatarstaatenliefern<br />
soll. Für die Entwicklungsländer im besonderen<br />
handelt es sich um e<strong>in</strong> Abkommen, dem<br />
sieumsobereitwilligerbeitretenwerden,weil<br />
esdazubeitragenwird,dasssieihreeigenen<br />
kulturellen Ausdrucksformen fördern können,<br />
die <strong>in</strong> vielen Fällen besonders gefährdet s<strong>in</strong>d<br />
undüberdiesieauchihrewirtschaftlicheund<br />
sozialeEntwicklungvorantreibenkönnen.<br />
E<strong>in</strong>e Schlacht,<br />
ke<strong>in</strong> Krieg<br />
Diese Schlacht um die kulturelle Vielfalt ist<br />
noch lange nicht gewonnen. Abgesehen<br />
vom protektionistischen Charakter des<br />
Konventionsentwurfs, der <strong>in</strong>nerhalb der<br />
UNESCO diskutiert wird, könnten die USA<br />
auch geltend machen, dass das Vorhaben<br />
dem Grundsatz der freien Zirkulation der<br />
Information zuwiderläuft genau so, wie sie<br />
dies<strong>in</strong>denJahrenvon1970bis1980taten,<br />
um das Vorhaben e<strong>in</strong>er neuen Weltordnung<br />
für Information und Kommunikation zu diskreditieren,dasdamalsvonderUNESCO<strong>in</strong>s<br />
Gespräch gebracht worden war. Doch das<br />
ZieldergeplantenKonventionistnicht,den<br />
Informationsfluss zu beh<strong>in</strong>dern, sondern im<br />
Gegenteil jedem E<strong>in</strong>zelnen zu ermöglichen,<br />
am kulturellen Leben se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft<br />
teilzunehmen, e<strong>in</strong> Grundrecht, das <strong>in</strong><br />
Artikel 27 der Allgeme<strong>in</strong>en Erklärung der<br />
Menschenrechteanerkanntwird.<br />
SolltedasVorhabene<strong>in</strong>erKonventionüber<br />
die Erhaltung und Förderung der kulturellen<br />
Vielfaltscheitern,müsstedasRechtaufkulturellen<br />
Ausdruck <strong>in</strong> Zukunft alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Instanzen<br />
mit kommerzieller Ausrichtung diskutiert werden.AlserstewärendavondieKreateureund<br />
Autorenselbstbetroffen.Siemüsstenmitansehen,dassdieE<strong>in</strong>griffedesStaateszugunsten<br />
der kulturellen Entwicklung mehr und mehr<br />
durchre<strong>in</strong>kommerzielleÜberlegungene<strong>in</strong>geschränktwürden.<br />
Unter diesen Umständen überrascht es<br />
nicht,dass<strong>in</strong>denletztenJahrenimmermehr<br />
nationaleVere<strong>in</strong>igungenfürkulturelleVielfalt<br />
entstanden, <strong>in</strong> denen <strong>Kultur</strong>schaffende aller<br />
Bereiche tätig s<strong>in</strong>d, um auf nationaler wie<br />
<strong>in</strong>ternationaler Ebene den Platz und die<br />
Aufgabe kultureller Ausdrucksformen als<br />
Sprache der sozialen Kommunikation zu<br />
verteidigen.<br />
Und es ist ja <strong>in</strong> der Tat so, dass die<br />
«Schlacht der kulturellen Vielfalt» nur mit<br />
der entschlossenen Unterstützung der<br />
<strong>Kultur</strong>schaffendengewonnenwerdenkann.<br />
Der Autor<br />
I<br />
van Bernier hatanderLondonSchoolof<br />
Economics<strong>in</strong>Rechtswissenschaftenpromoviert.Eristspezialisiertauf<strong>in</strong>ternationales<br />
Wirtschaftsrecht, emeritierter Professor der<br />
Juristischen Fakultät der Universität Quebec<br />
(Kanada) und Verfasser, Mitverfasser und<br />
Herausgeber zahlreicher Artikel und Werke<br />
über die Beziehungen zwischen Handel und<br />
<strong>Kultur</strong>.InjüngererZeitwareralsBeraterdes<br />
Canadian Heritage (<strong>Kultur</strong>m<strong>in</strong>isterium), des<br />
M<strong>in</strong>isteriums für <strong>Kultur</strong> und Kommunikation<br />
derProv<strong>in</strong>zQuebecsowiedesInternationalen<br />
Netzwerks für <strong>Kultur</strong>politik (INCP) tätig. Im<br />
November2003wurdeervomGeneraldirektor<br />
derUNESCO<strong>in</strong>dieExpertengruppeberufen,<br />
die e<strong>in</strong> Vorprojekt für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale<br />
Konvention über die kulturelle Vielfalt ausarbeitensoll.<br />
5