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Kultur in Gefahr - ITI

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also wie jedes andere Produkt behandelt und dem Gesetz des Profits unterworfen wird. Das riesige<br />

Angebot an themenbezogenen Fernsehkanälen, das durch das Digitalfernsehen möglich wird, ziehe,<br />

ich zitiere, e<strong>in</strong>e «explosion of media choices» (explosionsartige Zunahme von medialen<br />

Wahlmöglichkeiten) nach sich, so dass jede Art von Nachfrage und alle Geschmäcker zufrieden<br />

gestellt werden könnten; alle<strong>in</strong> die Logik des Wettbewerbs begünstige <strong>in</strong> dieser wie <strong>in</strong> allen anderen<br />

Sparten kreatives Schaffen. Gleichzeitig sei das Gesetz des Profits <strong>in</strong> diesen Bereichen auch<br />

demokratisch, <strong>in</strong>sofern es mehrheitlich für gut befundene Produkte positiv sanktioniere.<br />

Nur, was s<strong>in</strong>d diese Argumente wert?<br />

Dem Mythos der Wahlmöglichkeiten kann man die Vere<strong>in</strong>heitlichung des Angebots sowohl auf<br />

nationaler als auch auf <strong>in</strong>ternationaler Ebene entgegenhalten: Weit davon entfernt, Vielfalt zu<br />

schaffen, hat die Konkurrenz e<strong>in</strong>e gleichmacherische Wirkung. Die Jagd nach dem größtmöglichen<br />

Publikum br<strong>in</strong>gt die Produzenten nämlich dazu, nach E<strong>in</strong>heitsprodukten Ausschau zu halten, die auf<br />

e<strong>in</strong> Publikum quer durch alle Milieus und Ländern zugeschnitten s<strong>in</strong>d, weil sie sich kaum<br />

vone<strong>in</strong>ander unterschieden und kaum Unterschiede hervorbr<strong>in</strong>gen, wie zum Beispiel Telenovelas,<br />

Soap Operas, Krimiserien, kommerzielle Musik, Boulevard- oder Broadway-Theater und Allerwelts-<br />

Wochenzeitschriften – also all das, was <strong>in</strong>sgesamt als «Mac-Donalds-<strong>Kultur</strong>» bezeichnet werden<br />

könnte. Zudem geht die Konkurrenz, die ja e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum an Vielfalt voraussetzt, im selben Maße<br />

zurück, wie der Produktions- und vor allem der Verbreitungsapparat e<strong>in</strong>em Konzentrationsprozess<br />

unterliegt. Die Tatsache, dass durch die Herausbildung großer Medienunternehmen die<br />

verschiedenen Etappen der <strong>Kultur</strong>produktion und -verbreitung zunehmend unter e<strong>in</strong>em Firmendach<br />

zusammengefasst s<strong>in</strong>d, begünstigt e<strong>in</strong>en Prozess, im Zuge dessen die Produktion kultureller<br />

Güter immer mehr den Erfordernissen ihrer Verbreitung untergeordnet (e<strong>in</strong> Beispiel s<strong>in</strong>d die<br />

Multiplex-K<strong>in</strong>os, die sich völlig dem Imperativ der Verleihfirmen unterordnen) und damit e<strong>in</strong>er<br />

regelrechten Zensur des Geldes ausgesetzt ist (man weiß um die paradoxe Situation <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>st<br />

«kommunistischen» Ländern, <strong>in</strong> denen an die Stelle der Zensur e<strong>in</strong>er autokratischen Macht die fast<br />

ebenso schreckliche Zensur des Geldes trat). Vor allen D<strong>in</strong>gen jedoch neigt die ungeteilte Herrschaft<br />

der ökonomischen Logik dazu, dem ganzen System die Imperative des kurzfristigen Profits und die<br />

damit e<strong>in</strong>hergehenden ästhetische Entscheidungen aufzuzw<strong>in</strong>gen. Die Konsequenzen e<strong>in</strong>er solchen<br />

Politik s<strong>in</strong>d im Verlagswesen genau dieselben. Auch dort kann man e<strong>in</strong>en ausgeprägten<br />

Konzentrationsprozess beobachten (zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten Staaten, wo der Buchhandel –<br />

abgesehen von den beiden unabhängigen Verlegern W.W. Norton und Houghton Miffl<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> paar<br />

Universitätsverlagen und e<strong>in</strong>igen kle<strong>in</strong>en, kämpferischen Verlagen – <strong>in</strong> den Händen von acht großen<br />

Mediengiganten liegt) sowie denselben E<strong>in</strong>fluss der <strong>Kultur</strong>vermittlung und -verbreitung auf die<br />

<strong>Kultur</strong>produktion und dasselbe Streben nach kurzfristigem Profit (was unter anderem dazu führt,<br />

dass es immer häufiger Medienstars unter den Autoren gibt und dass das Geld se<strong>in</strong>e Zensur ausübt).<br />

Hier wird offensichtlich, dass die vor allem auf Kurzfristigkeit angelegte Logik des Profits die strikte<br />

Negation von <strong>Kultur</strong> ist, denn letztere setzt Investitionen mit mehr als unsicheren Gew<strong>in</strong>nchancen<br />

und e<strong>in</strong>em ungewissen, häufig sogar erst posthumen Rücklauf voraus.<br />

Ähnlich wie manche Tierarten <strong>in</strong> <strong>Gefahr</strong> s<strong>in</strong>d, weil die für ihr Überleben notwendigen ökologischen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen verändert oder zerstört wurden, sieht sich die <strong>Kultur</strong> heute dadurch bedroht, dass die<br />

ökonomischen und sozialen Bed<strong>in</strong>gungen, <strong>in</strong> welchen sie sich zu entwickeln vermag, zutiefst von der<br />

Logik des Profits durchdrungen werden. Dies gilt für die fortgeschrittenen Industrienationen, <strong>in</strong>

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