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2.2006 PDF 5.4 mb - ITI

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Impuls 0<strong>2.2006</strong><br />

Internationales Theaterinstitut Zentrum Bundesrepublik Deutschland


Editorial<br />

In diesen Tagen erhalten Sie die zweite Ausgabe des<br />

diesjährigen „Impuls“ – verbunden mit den besten<br />

Wünschen der Geschäftsstelle für eine friedliche Zeit<br />

zwischen den Jahren.<br />

Nachdem wir im Frühjahr die aktuellen Initiativen und<br />

Entwicklungen für den Tanz in Deutschland in den thematischen<br />

Mittelpunkt des Heftes gestellt hatten, wollen<br />

wir in dieser Ausgabe den Blick auf das Netzwerk<br />

des Internationalen Theaterinstituts lenken – nicht, indem<br />

Geschichte und Struktur der internationalen Organisation<br />

erläutert werden, sondern indem wir den Blick<br />

richten auf die vielfältigen Verbindungen und Kontakte,<br />

die sich Mitglieder des deutschen Zentrums des <strong>ITI</strong> in<br />

ihrer Arbeit geschaffen haben. Im Überblick über sehr<br />

unterschiedliche „individuelle Netzwerke“ sowie Intentionen<br />

und Zugänge zur internationalen Theaterarbeit<br />

soll dieses vielfältige Geflecht von Kontakten und Kooperationen,<br />

welches als ein Pendant zu den Projekten<br />

der Geschäftsstelle und der internationalen Netzwerks<br />

gesehen werden kann, erfahrbar werden.<br />

Parallel zur redaktionellen Arbeit haben wir Ende Nove<strong>mb</strong>er<br />

/ Anfang Deze<strong>mb</strong>er drei internationale Projekte<br />

ausgerichtet – vom Forum-Theaterworkshop im Centre<br />

for Theatre in Conflict Zones, der deutsch-kanadischen<br />

Werkstatt zur Gegenwartsdramatik und der Konferenz<br />

„The New Surveillance“ berichten wir im Abschnitt „<strong>ITI</strong><br />

Deutschland“, von den aktuellen Projekten der nationalen<br />

Zentren in aller Welt unter „<strong>ITI</strong> International“.<br />

Am Anfang des Heftes finden Sie wiederum Nachrichten,<br />

die wir hervorheben möchten, die in besonderer<br />

Weise für Kulturpolitik und Theater in Deutschland und<br />

im Ausland beachtenswert erscheinen. Im hinteren Teil<br />

stehen dann die gesammelten Meldungen zu Festivals,<br />

Workshops, Personalia und Medien der letzten Monate<br />

und mit dem Blick auf das nächste halbe Jahr.<br />

Die Theatertexte und Berichte, die den Abschluss des<br />

Heftes bilden führen schließlich nach Mexiko, New<br />

York und Finnland.<br />

Mit den besten Wünschen für 2007<br />

Thomas Engel, Michael Freundt


Inhaltsverzeichnis<br />

Magazin<br />

<strong>ITI</strong> ehrt Kurt Hübner mit Ehrenmitgliedschaft / Theaterplakate von Bühnenbildnern / Unsere<br />

Freundin und Kollegin Rosa Malsagova ist in Gefahr / Idomeneo - Debatte / Libanon /<br />

Awni Karoumi / „Der Faust“ - neuer Theaterpreis des Bühnenvereins / „Europa eine Seele<br />

geben“ 2006 / Jahreskonferenz des European Council of Artists (ECA) 2006<br />

in Berlin / EFAH Konferenz in Helsinki<br />

2<br />

Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

AKT-ZENT / Manfred Beilharz, Staatstheater Wiesbaden / Deutscher Bühnenverein / Holk<br />

Freytag / Milenko Goranovic/ Hansgünther Heyme / euro-scene Leipzig / Euro Theater<br />

Central Bonn / Goethe-Institut / Norbert Kentrup / Andrej Kritenko / Klaus Maier / Wolfgang<br />

Mehring / NRW KULTURsekretariat / Peter P. Pachl / PACT Zollverein / Thomas Sauerteig<br />

/ Theaterhaus Stuttgart / Theater an der Ruhr / Theater- und Mediengesellschaft<br />

Lateinamerika / Dieter Welke / Petra Weimer, theater rampe<br />

6<br />

<strong>ITI</strong> Deutschland<br />

<strong>ITI</strong> Jahrestagung in Leipzig / STOP! – THINK! Forum-Theater im Sudan / Werkstattbegegnung<br />

zu kanadischer und deutscher Gegenwartsdramatik / The New Surveillance<br />

16<br />

<strong>ITI</strong> International<br />

31. Weltkongress des Internationalen Theaterinstituts in Manila / The Borges Project der<br />

NPG in Manila / Raija-Sinikka Rantala wurde Künstlerische Direktorin des <strong>ITI</strong> / 124. ExCom-<br />

Sitzung in Paris / Internationales Theaterzentrum Berlin wird „Research Centre“ des <strong>ITI</strong>-UN-<br />

ESCO / 2. Showcase des kroatischen Theater 2006 / International Culture and Arts Week<br />

in Nanjing (China) / Internationales Theaterfestival in Kamerun / Asian Dance Conference<br />

2007 / 25. Fadjr Festival in Teheran / Internationales Seminar zu Drama und Religion in<br />

Teheran / Keine Stücke in englischer Sprache / Kooperation der <strong>ITI</strong>-Zentren in Bangladesh,<br />

Indien, Nepal und Pakistan / Offizielle Eröffnung eines Theaterzentrums im Tschad / Theaterausbildung<br />

in Burkina Faso<br />

22<br />

Meldungen<br />

Kulturpolitik und Theaterlandschaft / Ausschreibungen / Festival / Workshops und<br />

Symposia / Positionen / Personen / Preise / Bücher / Internet<br />

26<br />

Theatertexte / Berichte<br />

• Theater vor der Wahl<br />

von Hedda Kage<br />

• Stadttheater New York – neue deutsche Stücke und eine Kantine dazu<br />

von Thomas Irmer<br />

• Reko Lundán (1969 – 2006)<br />

38


Magazin<br />

<strong>ITI</strong> ehrt Kurt Hübner mit<br />

Ehrenmitgliedschaft<br />

Zum 90. Geburtstag von Intendant<br />

und Regisseur Kurt Hübner würdigt<br />

das deutsche Zentrum des <strong>ITI</strong> den bedeutenden<br />

deutschen Theatermann,<br />

den „Rattenfänger für Talente“ (Friedrich<br />

Luft) mit der Ehrenmitgliedschaft.<br />

Schon im letzten Jahr hatte das Zentrum<br />

Hübner den Preis zum Welttheatertag<br />

verliehen und würdigte damit das Lebenswerk<br />

eines großen Beförderers des<br />

deutschen Theaters, das mit ihm und<br />

Theaterplakate von<br />

Bühnenbildnern<br />

mit vielen Theaterkünstlern, die durch<br />

ihn entdeckt und berühmt wurden,<br />

internationale Ausstrahlung gewann.<br />

Mit Kurt Hübner, Intendant, Regisseur<br />

und Schauspieler, verbindet sich der<br />

legendäre „Bremer Stil“. Seine elfjährige<br />

Bremer Intendanz von 1962 - 1973<br />

war eines der wichtigsten Kapitel des<br />

deutschen Theaters im 20. Jahrhundert,<br />

als eine Zeit des Aufbruchs und der politischen<br />

Reibungen. Zahlreich sind die<br />

Namen derer, die mit Hübner ein politisches,<br />

brisantes und brillantes Theater<br />

auf die Bremer Bühne brachten. Seien es<br />

Der Bund der Szenografen lenkt<br />

mit dem Katalog „Theaterplakate von<br />

Bühnenbildnern“ den Blick neu auf<br />

die längst in der Medien- und Werbewelt<br />

verschüttete Kunst des Theaterplakats.<br />

Ausgehend von der jährlichen<br />

DDR-Ausstellung „Die 100 besten<br />

Plakate“ versammelt der Katalog eine<br />

bemerkenswerte Anzahl künstlerischer<br />

Handschriften der Jahre 1950-1989<br />

und 1990-2005. Unter den 100 besten<br />

Plakaten nahmen seinerzeit Theaterplakate<br />

einen herausragenden Platz ein<br />

und erfreuten sich enormer Beliebtheit.<br />

Die Plakate, welche für das Berliner Ense<strong>mb</strong>le<br />

entstanden, wurden noch Jahre<br />

nach ihrem Erscheinen neu aufgelegt,<br />

Werke von Karl von Appen und Karl-<br />

Heinz Drescher wurden noch 20 Jahre<br />

nach ihrem Erscheinen gedruckt und<br />

gekauft. Zu den vertretenen Bühnenbildnern<br />

gehören u.a. Karl von Appen,<br />

Helmut Brade, Anke Feuchtenberger,<br />

Achim Freyer, John Heartfield, Eberhard<br />

Keienburg, Volker Pfüller und Horst Sagert.<br />

Der Katalog ist das Ergebnis einer<br />

Ausschreibung und als Übersicht über<br />

die Leistungen von Bühnenbildnern<br />

im Bereich der Plakatkunst nach 1990<br />

gedacht. Aber nicht nur der Katalog ist<br />

beim Bund der Szenografen erhältlich,<br />

sondern auch die vorgestellten Plakate<br />

können zu Ausstellungszwecken beim<br />

Bund angefordert werden. Dieses Angebot<br />

gilt nicht nur für Museen und<br />

Galerien, sondern auch für Theater, die<br />

an der Ausstellung dieser Kleinode der<br />

Werbekunst - die an andere Zeitläufe<br />

und andere Kommunikationsformen<br />

zwischen Theater und Publikum erinnern<br />

- interessiert sind.<br />

Bund der Szenografen, Torstr. 207, 10115<br />

Berlin. Tel./Fax +49 30 441 92 75, kontakt@szenografen-bund.de<br />

www.szenografen-bund.de<br />

<br />

die Regisseure Peter Zadek, Peter Stein,<br />

Rainer Werner Fassbinder, Alfred Kirchner,<br />

Peter Palitzsch, Eberhard Fechner,<br />

Johannes Schaaf, Hans Neuenfels und<br />

Klaus Michael Grüber oder Bühnenbildner<br />

wie Wilfried Minks und Erich Wonder.<br />

Zum Schauspiel-Ense<strong>mb</strong>le gehörten<br />

seinerzeit Jutta Lampe, Edith Clever,<br />

Bruno Ganz, Traugott Buhre, Buddy<br />

Elias, Hannelore Hoger, Vadim Glowna,<br />

Mechthild Grossmann, Irm Hermann<br />

und viele andere. Hübner, am 30. Oktober<br />

1916 in Ha<strong>mb</strong>urg geboren, lebt<br />

heute in München und Italien.<br />

Unsere Freundin und<br />

Kollegin Rosa Malsagova<br />

ist in Gefahr<br />

Die Regisseurin Rosa Malsagova war<br />

im Frühjahr 2005 auf Einladung des<br />

Goethe-Instituts und des Internationalen<br />

Theaterinstituts in Berlin. Gemeinsam<br />

mit dem Berliner Regisseur Peter<br />

Krüger, der vielfach in Tschetschenien<br />

und Inguschetien gearbeitet hat, entstand<br />

der Film „Kassandra in Berlin“.<br />

Mitte Oktober übermittelte uns Peter<br />

Krüger sehr beunruhigende Nachrichten<br />

aus Nasran. Rosa Malsagova<br />

berichtete ihm, sie sei, nachdem sie Kollegen<br />

in Nasran den Film „Mutter Courage<br />

in Tschetschenien“ gezeigt hatte,<br />

regelrecht aus dem Theater vertrieben<br />

und fristlos entlassen worden. Der Intendant<br />

hätte ihr feindliches Verhalten<br />

vorgeworfen. Der Entlassungsgrund<br />

sei ihr Interview für den Film „Mutter


Courage in Tschetschenien“ gewesen.<br />

Sie hätte sich gegen die Inguschetische<br />

Regierung geäußert... Rosa verwahrte<br />

sich gegen seine Anschuldigungen und<br />

verließ das Theater. Kaum war sie weg,<br />

hängte der Intendant den „Fristlosen<br />

Entlassungsbefehl“ für sie im Theater<br />

aus. Kurz danach sind „Polizisten“ in<br />

ihrer Wohnung erschienen. Sie durchsuchten<br />

das Haus, beschlagnahmten<br />

viele Sachen, sämtlich Arbeitspapiere<br />

und auch die VHS-Kopie des „Courage“-Films.<br />

Rosa wurde verhört und<br />

stand mit drei Kindern vor dem Nichts.<br />

Was sagte sie „Feindliches“ in Peter Krügers<br />

Film? „Ich habe wenig Vertrauen<br />

in die Regierung und die Politiker. Ich<br />

glaube nicht, dass sie in der Lage sind,<br />

noch den Wunsch haben unser Leben<br />

zu verbessern.“ (Übersetzung).<br />

Das deutsche Zentrum des <strong>ITI</strong> sandte<br />

vor diesem Hintergrund eine offizielle<br />

Anfrage an den inguschetischen Premierminister<br />

Malsagov und den Kulturminister<br />

Manolis mit der dringenden Bitte<br />

um Aufklärung der Vorgänge um Rosa<br />

Malsagova. Die letzten Nachrichten aus<br />

Nasran sprechen daraufhin davon, dass<br />

ihre Entlassung aufgehoben sei. sEnde<br />

Nove<strong>mb</strong>er weilte Rosa in Berlin, um am<br />

One World Filmfestival teilzunehmen<br />

und gemeinsam mit Krüger ihren Film<br />

zu präsentieren. Wichtig auch für sie,<br />

um von den Verhältnissen vor Ort Abstand<br />

zu gewinnen und auch ihre stark<br />

angeschlagene Gesundheit zu stärken.<br />

Anschließend kehrte Rosa nach Russland<br />

zurück. Auf der Rückflug brach<br />

sie zusammen und musste sich in Moskau<br />

in ein Krankenhaus begeben. Die<br />

Schwester und die Kinder halten sich an<br />

einem unbekannten Ort auf...<br />

Weitere Informationen: Peter Krüger<br />

dibbuk-ense<strong>mb</strong>le@das-dibbuk-haus.de<br />

www.das-dibbuk-haus.de<br />

Magazin<br />

Idomeneo - Debatte<br />

Ende Septe<strong>mb</strong>er kündigte die Intendantin<br />

der Deutschen Oper Berlin,<br />

Kirsten Harms, an man werde die<br />

Neuenfels-Inszenierung von Mozarts<br />

„Idomeneo“ vom Spielplan nehmen<br />

- aufgrund einer Warnung vor radikalen<br />

Islamisten, die die Inszenierung<br />

als Provokation empfinden könnten.<br />

Hans Neuenfels Inszenierung von 2003<br />

schließt mit einem erfundenen Epilog,<br />

in dem Idomeneo Buddha, Mohammeds<br />

und Jesus köpft, um die Macht der<br />

Götter über die Menschen zu brechen.<br />

Das blutige Haupt Mohammed, so die<br />

Befürchtung, könnte nach dem Karikaturen-Streit<br />

als anti-islamisches Zeichen<br />

fatal missverstanden werden und unberechenbare<br />

Reaktionen zeitigen. Nach<br />

einer Warnung des Berliner Innensena-<br />

tors und nach Diskussion mit Neuenfels<br />

entschied sich Harms für die Absetzung.<br />

Feuilleton und kulturelle Öffentlichkeit<br />

- nach der Spiralblock-Affäre bereits in<br />

der Verteidigung der Freiheit der Kunst<br />

geübt - entrüsteten sich mehrheitlich<br />

über derartigen „vorauseilenden<br />

Gehorsam“ (Süddeutsche Zeitung).<br />

Ivan Nagel nannte die Entscheidung<br />

„schlimmer als feig“. Für die Freiheit der<br />

Kunst, so der Grundtenor der Debatte,<br />

hätte sich die für das Haus Verantwortliche<br />

nicht die Freiheit der Entscheidung<br />

nehmen dürfen. Wie in solchen Fällen<br />

gebräuchlich meldeten sich auch Kollegen,<br />

die das Stück im Zweifelsfall übernehmen<br />

würden - so der Intendant des<br />

Darmstädter Staatstheaters John Dew.<br />

Die Intendantin fand im Vorfeld ihrer<br />

Entscheidung allerdings keinen Rückhalt<br />

bei den zuständigen Politikern.<br />

Innensenator und Kultursenator ließen<br />

denn auch die Intendantin im Regen<br />

der öffentlichen Schelte stehen - und<br />

es bleibt zu vermuten, dass gerade im<br />

Falle einer Gefährdung der Aufführung,<br />

der Zuschauer oder des Hauses (vor der<br />

das Landeskriminalamt diffus gewarnt<br />

hatte) die Verantwortung alleinig die<br />

Intendantin hätte übernehmen müssen.<br />

Opernregisseur Joachim Herz schrieb:<br />

„Wenn ‚Idomeneo‘ spielplanmäßig angesetzt<br />

und gespielt worden wäre und<br />

es wäre etwas passiert, dann hätten alle<br />

aus vollem Halse geschrieen: Ja hat denn<br />

die Intendantin nicht gewusst, was in<br />

der Inszenierung los ist?“ Inzwischen<br />

ist die Oper - nach einer umfassenden<br />

öffentlichen Diskussion und nach einer<br />

veränderten Lageeinschätzung des<br />

Landeskriminalamtes - wieder auf dem<br />

Spielplan.<br />

Libanon<br />

Mitten im Sommer, als nach der<br />

Entführung zweier israelischer Soldaten<br />

die israelische Armee massive Angriffe<br />

gegen Städte und Dörfer im Libanon<br />

startete, schrieb Georgette Gebara<br />

- Vize-Präsidentin des <strong>ITI</strong> Libanon - ihren<br />

Brief „LESS FOR ARMS - MORE FOR<br />

CULTURE!“<br />

Georgette Gebara hätte in dieser<br />

Zeit an der Weltkonferenz der World<br />

Dance Alliance (WDA) in Toronto teilnehmen<br />

sollen. Stattdessen blieb sie in<br />

Beirut - zwischen Bo<strong>mb</strong>en, die in der<br />

Nachbarschaft fielen, und Zivilisten, die<br />

auf der Flucht von Granaten zerrissen<br />

wurden. Zahlreiche Reaktionen - vom<br />

<strong>ITI</strong>-Präsidenten, dem ExCom, den <strong>ITI</strong>-<br />

Zentren und den internationalen Komitees<br />

- erreichten daraufhin das libanesische<br />

<strong>ITI</strong>, und einmal mehr wurde der<br />

Gedanke „LESS FOR ARMS - MORE FOR<br />

CULTURE!“ von Theaterkünstlern und<br />

Medien in vielen Teilen der Welt aufgegriffen.<br />

Hier Ausschnitte aus ihrem Brief, der<br />

statt ihres geplanten Vortrags auf dem<br />

Kongress in Toronto verlesen wurde:<br />

„Liebe Kollegen,<br />

Herzliche, aber traurige Grüße aus dem<br />

Herzen des vom Krieg erschütterten, belagerten<br />

Libanon.<br />

Heute sollte ich bei Euch sein, sollte zu<br />

einem Thema sprechen, das mir selbst<br />

sehr am Herzen liegt: „Choreografie als<br />

Ausdruck der IDENTITÄT“. Dank meiner<br />

hoch verehrten Freundin Ilona Copen war<br />

ich schon auf der Schwelle zur Konferenz<br />

der WDA Amerikas, des Süd-Pazifik und<br />

Europas, war fast dabei Euch alle zu treffen,<br />

von denen ich in den letzten Monaten<br />

so viele Nachrichten erhalten habe!<br />

Stattdessen bin ich hier geblieben und<br />

versuche in der Mitte der unbeschreiblichen<br />

Tragödie moralisch und physisch<br />

zu überleben und durchzuhalten.<br />

Ich möchte Euch aufrufen, der Welt des<br />

Tanzes von der großen Ungerechtigkeit<br />

des Horrors, den wir erleben, zu berichten.<br />

Weil schlecht beratene Kräfte zwei<br />

Soldaten gefangen setzten, wird nun ein<br />

ganzes Land in Gefangenschaft gesetzt<br />

und systematisch zerstört: die Infrastruktur,<br />

die Flughäfen, Höfen, Tanklager, Fabriken<br />

usw. usw. Und schlimmer: Zivilisten<br />

werden mit großkalibrigen Granaten beschossen,<br />

und die Körper jener zerfetzt,<br />

die versuchen sich in Sicherheit zu bringen.<br />

Während einer Pressekonferenz im Rahmen<br />

unseres letzten <strong>ITI</strong>-Weltkongresses in<br />

Manila diskutierten Theaterkünstler und<br />

Medien das übliche Problem der finanziellen<br />

Förderung. Ich fragte, warum wohl<br />

immer genügend Geld für Waffen, aber<br />

praktisch nichts für Kultur ausgegeben<br />

wird. Und ich schlug vor, dass Theaterkünstler<br />

und Medienleute Front machen<br />

sollten gegen das, was in vielen Teilen der<br />

Welt geschieht, und gemeinsam den Slogan<br />

„LESS FOR ARMS, MORE FOR CUL-<br />

TURE“ propagieren sollten - ein Vorschlag,<br />

der sofort aufgegriffen wurde.<br />

Aber wir Tänzer sind belastbar und ich<br />

bin sicher, dass ich bald bei Euch sein werde.<br />

[...] Wie Martha Graham mir sagte,<br />

als wir uns 1981 in Amman trafen: „Die<br />

größten Krieger und Eroberer sind nicht<br />

mehr als Sand zwischen unseren Füßen<br />

- habe keine Angst!“ Damals waren wir<br />

noch mitten in einem Krieg, der uns 15<br />

Jahre lang dezimierte. Mögen ihre Worte<br />

sich einmal mehr als wahr erweisen.<br />

Mit meinen herzlichen Grüßen und besten<br />

Wünschen,<br />

Georgette Gebara aus dem Libanon“


Magazin<br />

Awni Karoumi<br />

Am 27. Mai starb der irakische Regisseur<br />

und Theaterwissenschaftler Awni<br />

Karoumi im Alter von 60 Jahren in Berlin.<br />

Karoumi wurde in Mosul/Niniveh,<br />

Irak geboren und studierte in den 60er<br />

Jahren in Bagdad, machte in den 70er<br />

Jahren sein Diplom am theaterwissenschaftlichen<br />

Institut der Hu<strong>mb</strong>oldt-Universität<br />

in Berlin, wo er auch 1976 mit<br />

einer Arbeit über das zeitgenössische<br />

arabisch-irakische Theater promovierte.<br />

Er war Dozent für Theaterwissenschaft<br />

an der Uni Bagdad und in Jordanien.<br />

Zahlreiche Inszenierungen europäischer<br />

Autoren wie Brecht, Müller, Frisch,<br />

Handke und Maeterlinck sowie politisch<br />

missliebiger arabischer Autoren machten<br />

ihn im arabischen Theater bekannt,<br />

setzten ihn aber auch der Verfolgung<br />

durch islamische Fundamentalisten<br />

aus. Seit Mitte der 90 Jahre lebte er<br />

mit seiner Familie im Berliner Exil. Hier<br />

gründete er auch sein eigenes Theaterprojekt,<br />

das Masrah-Theater. Seit 1997<br />

unterhielt er enge Arbeitsbeziehungen<br />

zum Theater an der Ruhr. Awni Karoumi<br />

erhielt zahlreiche Auszeichnungen und<br />

Ehrungen auf Festivals im Irak, in Tunis,<br />

Bahrein, Karthago, Kairo sowie vom<br />

Brecht-Zentrum in Berlin. Er verstand<br />

sich vor allem als „Kulturbotschafter“.<br />

Besonders nach dem zweiten Golfkrieg<br />

setzte er sich für den Wiederaufbau der<br />

zerstörten irakischen Theaterkultur und<br />

die Durchbrechung der jahrelangen<br />

Isolation ein. Er initiierte 2005 ein groß<br />

angelegtes Werkstattprojekt „Bagdad-<br />

Berlin“ mit einer 15-köpfigen Gruppe<br />

irakischer Schauspieler und Regisseure,<br />

die in Workshops am Theater an der<br />

Ruhr in Mülheim und in Berlin Impulse<br />

für ihre Arbeit sammelten und den Rohbau<br />

für ein deutsch-irakisches Stück mit<br />

nach Bagdad nahmen. Der Tod ereilte<br />

ihn währen der Neuinszenierung seiner<br />

Version von „Der Nachtreisende“ von<br />

Farouk Mohammed für die Werkstatt<br />

der Kulturen in Berlin.<br />

„Der Faust“ - neuer Theaterpreis<br />

des Bühnenvereins<br />

Am 24. Nove<strong>mb</strong>er wurde im Essener<br />

Aalto Theater der Deutsche Theaterpreis<br />

„Der Faust“ vergeben. Schon im<br />

Vorfeld bekannt war die Ehrung für das<br />

Lebenswerk - diese ging an George Tabori.<br />

In acht weiteren Kategorien waren<br />

Künstler und Inszenierungen nominiert<br />

worden. So ging der Preis für die beste<br />

Regie Schauspiel an Jürgen Gosch für<br />

„Macbeth“, gespielt am Düsseldorfer<br />

Schauspielhaus - ein Stück, welches übrigens<br />

auch als wichtiger Bezugspunkt<br />

für die Regie-Ekel-Debatte diente. Für<br />

die beste darstellerische Leistung wurde<br />

Katharina Schüttler von der Berliner<br />

Schaubühne am Lehniner Platz für ihre<br />

Hauptrolle in „Hedda Gabler“ geehrt.<br />

Den Preis Beste Regie am Musiktheater<br />

teilen sich Jossi Wieler und Sergio Morabito<br />

von der Staatsoper Stuttgart für<br />

„Doktor Faustus“. Die Auszeichnung für<br />

die beste Regie am Kinder- und Jugendtheater<br />

ging an Klaus Schumacher vom<br />

Jungen Schauspielhaus Ha<strong>mb</strong>urg für<br />

„Mutter Afrika“.<br />

Den Nominierungen vorausgegangen<br />

war eine umfangreiche Recherche<br />

unter Theaterleuten, die Preiswürdiges<br />

vorschlagen konnten und sollten - nur<br />

nicht aus dem eigenen Hause. So versteht<br />

sich die nicht dotierte Auszeichnung<br />

nicht als Kritikerpreis, sondern als<br />

Würdigung „von Theaterleuten für Theaterleute“.<br />

Das Land Nordrhein-Westfalen<br />

und die Kulturstiftung der Länder<br />

unterstützen den Preis mit jeweils<br />

120.000 Euro. Der Deutsche Bühnenverein<br />

steuerte 24.000 Euro hinzu.<br />

„Europa eine Seele geben“<br />

2006<br />

„Europa eine Seele geben“ war der<br />

Titel der zweiten Konferenz in Berlin -<br />

17. bis 19. Nove<strong>mb</strong>er 2006. Mit großer<br />

politischer Aufmerksamkeit war im Nove<strong>mb</strong>er<br />

2004 erstmalig diese Konferenz<br />

in Berlin ausgerichtet worden. Inwieweit<br />

kann das kulturelle Potenzial Europas<br />

den europäischen Einigungsprozess<br />

voranbringen? Diese Frage stand nun im<br />

Mittelpunkt der Konferenz, die wiederum<br />

am Sitz der Dresdner Bank in Berlin<br />

und in der Akademie der Künste ausgerichtet<br />

wurde. Initiert von einer bürgerschaftlichen<br />

Initiative um den ehemaligen<br />

Berliner Kultursenator Volker<br />

Hassemer, die Leiterin des DAAD-Künstlerprogramms<br />

Nele Hertling und den<br />

Amsterdamer Kulturunternehmer Steve<br />

Austen, sollte die Konferenz dazu beitragen,<br />

„das kulturelle Potenzial Europas in<br />

allen Lebens- und Politikbereichen praktisch<br />

wirksam werden zu lassen“. Die<br />

Harold Pinter „Die Geburtstagsfeier“,<br />

Inszenierung von Dieter Welke<br />

Konferenz brachte Vertreter aus Politik,<br />

Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft<br />

zusammen. Als Vortragende waren der<br />

Präsident der Europäischen Kommission<br />

José Manuel Barroso, Bundespräsident<br />

a. D. Richard v. Weizsäcker und Georges<br />

Soros, Chairman des Open Society Institutes,<br />

zugegen. Daneben hatten die<br />

EU-Kommissare Margot Wallström, Vladimir<br />

Spidla und Benita Ferrero-Waldner<br />

ihre Teilnahme zugesagt.<br />

Jahreskonferenz des<br />

European Council of Artists<br />

(ECA) 2006 in Berlin<br />

Auf Einladung der Internationalen Gesellschaft<br />

der Bildenden Künste (IGBK)<br />

und in Kooperation mit der Akademie<br />

der Künste Berlin und dem Gemeinsamen<br />

Europasekretariat der deutschen<br />

Kultur-NGOs (in dem auch das deutsche<br />

<strong>ITI</strong>-Zentrum Mitglied ist) fand vom<br />

24. bis 26. Nove<strong>mb</strong>er 2006 zum ersten<br />

Mal eine Jahreskonferenz des European<br />

Council of Artists (ECA) in Deutschland<br />

statt. Der European Council of Artists<br />

(ECA) (www.eca.dk) ist eine interdisziplinäre<br />

Dachorganisation von Künstlervertretungen<br />

aus 25 europäischen<br />

Ländern mit Sitz in Kopenhagen. Die<br />

Berliner Konferenz widmete sich dem<br />

Thema „Kulturelle Vielfalt - Umsetzung<br />

des UNESCO-Übereinkommens zum<br />

Schutz und zur Förderung der Vielfalt


kultureller Ausdrucksformen“. Welche<br />

Auswirkungen hat die Konvention auf<br />

die nationale und die internationale<br />

kulturpolitische Diskussion? In welchen<br />

Ländern hat man sich (insbesondere<br />

seitens der Künstler/innen) bereits der<br />

Artikel der Konvention in der öffentlichen<br />

Argumentation bedient, um<br />

Anliegen durchzusetzen? Mit welchem<br />

Erfolg? Wie können auf nationaler und<br />

internationaler Ebene Kriterienkataloge<br />

entwickelt werden, mit deren Hilfe die<br />

Konvention zu einem wirksamen Instrumentarium<br />

werden kann, welches der<br />

Kulturpolitik und der öffentlichen Kulturförderung<br />

gegenüber drohenden wettbewerbsrechtlichen<br />

Einschränkungen<br />

neue Legitimität und Autorität verleiht?<br />

Mit diesen Fragen beschäftigten<br />

sich in Berlin die Vertreter/innen der<br />

25 ECA-Mitgliedsorganisationen (bildende<br />

Künstler, Autoren, darstellende<br />

Künstler, Filmschaffende, Komponisten,<br />

Musiker usw.) gemeinsam mit weiteren<br />

Experten aus Fachorganisationen sowie<br />

einem kulturpolitisch interessierten<br />

Fachpublikum. Eingebunden sind u.a.<br />

die Deutsche UNESCO-Kommission,<br />

die Mitgliedsorganisationen des Europasekretariats,<br />

insbesondere deren Experten<br />

zum Thema kulturelle Vielfalt,<br />

und das ‚Internationale Netzwerk für<br />

Kulturelle Vielfalt‘ (INCD), ein weltweit<br />

operierender Zusammenschluss von<br />

Künstlerinnen, Künstlern und Organisationen,<br />

der sich mit den Auswirkungen<br />

der Globalisierung auf den Kultursektor<br />

beschäftigt und den ersten Entwurf einer<br />

Konvention für kulturelle Diversität<br />

erarbeitet hat, der eine wichtige Grundlage<br />

des UNESCO-Dokumentes wurde.<br />

Internationale Gesellschaft der Bildenden<br />

Künste (IGBK), Rosenthaler Str. 11, 10119<br />

Berlin. Tel +49 30 23457666, Fax +49 30<br />

28099305, art@igbk.de<br />

www.igbk.de<br />

Magazin<br />

„Islands and Bridges“<br />

EFAH Konferenz in Helsinki,<br />

5. bis 7. Oktober 2006<br />

Als herausragendes Beispiel, wie in<br />

der zweiten Jahreshälfte 2006 die finnische<br />

Ratspräsidentschaft genutzt wird,<br />

einen europäischen Dialog zu pflegen<br />

und Impulse in die Metropolen und Regionen<br />

zu senden, kann die Konferenz<br />

„Islands and Bridges“ des European Forum<br />

for the Arts and Heritage angesehen<br />

werden – ausgerichtet in Helsinkis<br />

Kulturfabrik „Cable Factory“ vom 5. bis<br />

7. Oktober 2007.<br />

Die Veranstalter (EFAH-Generalsekretärin<br />

Ilona Kish, EFAH Präsident<br />

Raj Isar und Chris Torch für die inhaltliche<br />

Gestaltung und Naseem Khan als<br />

Konferenzberaterin) hatten nach einer<br />

möglichst kommunikativen Formen für<br />

das Meeting gesucht und so prägten<br />

sehr kurze Statements der Referenten,<br />

schnelle Feedbacks aus dem Auditorium,<br />

und die stete Aufforderung an die Sprecher<br />

zur Reflexion auf die Positionen der<br />

anderen Panelisten die Moderation der<br />

plenary sessions. Kleine Arbeitsgruppen<br />

(sog. action interviews) vertieften den<br />

Austausch zu spezifischen Aspekten,<br />

Künstler wie Thierry Geoffroy-Colonel<br />

und die russische Künstlergruppe AES+F<br />

bildeten mit ihren Beiträgen Kontrast<br />

und Inspiration für die Debatte und<br />

Konferenz-Kommentatorin Lola Young<br />

fügte den verschiedenen Podien und<br />

Foren kritische, ergänzende und verbindende<br />

Überlegungen hinzu.<br />

Zu jenen Teilnehmern, mit deren<br />

Reden die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen<br />

und Perspektiven<br />

zum Thema deutlich wurden, gehörten<br />

Jette Sadahl, Gus Casely-Hayford und<br />

Dragan Klaic. Jette Sandahl lenkte den<br />

Blick auf den Begriff der Identität, nach<br />

wie vor eine zentrale Kategorie in der<br />

Gesellschaft und hielt ein Plädoyer für<br />

das Widerstreben von Minderheiten-<br />

Kulturen zur Integration in die Mehrheitskultur.<br />

Gus Casely-Hayford entwarf demgegenüber<br />

ein Szenario, in dem elektronische<br />

Medien und virtuelle Räume die<br />

herkömmlichen Museen ersetzen und<br />

jedem einzelnen erlauben, seine eigene<br />

Kunstsammlung zu kreieren. Die Interaktion<br />

auf digitalem Wege fordert unser<br />

herkömmliches Verständnis von Identität<br />

heraus und erlaubt, diese gleichsam<br />

ins Spiel zu bringen, sich als globaler<br />

oder lokaler Akteur oder Teil einer virtuellen<br />

Gemeinschaft zu begreifen.<br />

Dragan Klaic äußerte sich skeptisch<br />

zum Erfolg der UNESCO Konvention<br />

zur Kulturellen Vielfalt in einem Klima,<br />

in dem sich westliche Länder Europas<br />

immer mehr kulturelle Homogenität<br />

denn Heterogenität anstreben würden.<br />

Dies dies wäre nur teilweise durch<br />

das Internet aufzuheben, insbesondere<br />

dann, wenn kulturelle Institutionen mit<br />

der dynamischen Entwicklung des Internets<br />

nicht mithalten könnten. Die Frage<br />

bleibe, ob kulturelle Vielfalt zu einer Entwicklung<br />

paralleler Ghettos führe oder<br />

ob die Entwicklung neuer Identitäten<br />

nicht Hand-in-Hand mit einer Strategie<br />

der „interkulturellen Kompetenz“<br />

gehen müsse. Dragan Klaic erneuerte<br />

seinen Appell für ein Künstlerprogramm<br />

zum Training interkultureller Kompetenz,<br />

das die Teilnehmer in die Lage<br />

versetzen soll, diese Kompetenz für die<br />

Leitung transnationaler Projekte einzusetzen.<br />

Eine Reihe von Workshops diskutierte<br />

Kultur und Vielfalt in Beziehung zu<br />

gesellschaftlichen Bereichen und Politikfeldern,<br />

so der Stadtentwicklung, europäische<br />

Außenpolitik, Menschenrechte,<br />

Tourismus, Bildung und Entwicklung.<br />

Im anschließenden Panel wurden<br />

drei öffentliche und institutionelle Initiativen<br />

zur Stärkung des interkulturellen<br />

Dialogs vorgestellt. Die Initiative<br />

des niederländischen Staates nach dem<br />

Mord an Theo van Gogh, das schwedische<br />

Jahr des interkulturellen Dialogs<br />

2006, innerhalb dessen Themen der<br />

Kulturellen Vielfalt auf allen politischen<br />

Ebenen Priorität gegeben werden soll.<br />

Und das Programm „AlmostReal“ der<br />

Europäischen Kulturstiftung, in welchen<br />

neue dialogische Formen der Projektentwicklung<br />

und Kooperation erprobt werden.<br />

So unterschiedlich die vorgestellten<br />

Initiativen waren, gleich war ihnen<br />

der je den Umständen entsprechende,<br />

spezielle, für die Rahmenbedingungen<br />

entwickelte Zugang.<br />

Der zweite Konferenztag war der<br />

europapolitischen Seite des Themas<br />

gewidmet. Odile Quintin, Generaldirektorin<br />

des Direktoriats für Bildung<br />

und Kultur bei der Europäischen Kommission<br />

und Robert Palmer, Direktor für<br />

Kultur und und Kulturelles Erbe beim<br />

Direktoriat des Europarates stellten den<br />

Zugang ihrer Institutionen zum Thema<br />

vor. Einerseits die Initiative der EU-Kommission<br />

„2008 – Das Europäische Jahr<br />

des interkulturellen Dialogs“. Andererseits<br />

die verschiedenen Programme des<br />

Europarates und der Versuch, diese in<br />

2008 in einem Weißbuch des interkulturellen<br />

Dialogs vorzustellen.<br />

Beide befürworteten einen intensiven<br />

Dialog mit den Kulturschaffenden<br />

als Teil der Zivilgesellschaft und fragten<br />

die Konferenzteilnehmer nach ihren<br />

Vorstellungen und Anregungen. Die<br />

sehr unterschiedlichen Statements und<br />

Antworten kreisten um Themen der<br />

Mobilität, der Definition des Multikulturellen<br />

und die Forderung, die Akteure<br />

im Kulturbereich stärker in diese Initiativen<br />

einzubeziehen. Die Wahrnehmung<br />

der politischen Institutionen in Europa,<br />

Zugang und Ansprüche an sie stellt sich<br />

als äußerst divers dar.<br />

Im Schlusspanel stellten EFAH-Präsident<br />

Raj Isar und der Direktor der Europäischen<br />

Kulturstiftung Gottfried Wagner<br />

eine konkrete gemeinsame Initiative<br />

vor: die zivilgesellschaftliche Plattform<br />

für interkulturellen Dialog. Die Plattform<br />

wird Kooperationen zwischen kulturellen<br />

Organisationen wie auch mit<br />

anderen gesellschaftlichen Bereichen<br />

hervorheben und konkrete politische<br />

Schritte hin zu einer Strategie der EU für<br />

den interkulturellen Dialog befördern.<br />

www.efah.org


Netzwerke<br />

Netzwerke<br />

internationaler<br />

Theaterarbeit<br />

Netzwerke<br />

internationaler Theaterarbeit<br />

Jedes Impuls-Heft thematisiert die Arbeit des Internationalen<br />

Theaterinstituts, die internationale Theaterarbeit<br />

innerhalb des Netzwerks <strong>ITI</strong> und unabhängig<br />

von diesem. Mit diesem Heft wollte die Redaktion nicht<br />

nur die aktuellen Projekte der nationalen Zentren (allen<br />

voran unsere eigenen, die Projekte der deutschen Sektion)<br />

vorstellen und über den Weltkongress berichten,<br />

sondern das, was das Netzwerk <strong>ITI</strong> ausmacht – die Arbeit<br />

seiner Mitglieder – plastischer werden lassen. Damit<br />

sollen auch Fragen anklingen, wie ein solch großes<br />

Netzwerk auf zwei verschiedenen Ebenen – national<br />

und international – für den Einzelnen produktiv werden<br />

kann, an welcher Stelle Informationsaustausch und<br />

Zusammenarbeit entstehen, wo der Benefiz der Mitgliedschaft<br />

liegt und wo das Engagement im <strong>ITI</strong> künstlerische<br />

und kulturpolitische Effekte zeitigt. Fragen, die<br />

nicht in diesem Heft beantwortet, sondern angeregt<br />

werden sollen und am Horizont zukünftiger Ausgaben<br />

stehen.<br />

Das <strong>ITI</strong> ist heute in rund 90 Ländern präsent, es versteht<br />

sich als das größte Netzwerk professioneller Theaterleute,<br />

vor allem dasjenige, welches weltweit, auf allen<br />

Kontinenten, in den unterschiedlichsten Kulturkreisen<br />

vertreten ist. Aufgebaut in der Zeit nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg folgt es in seiner Struktur dem Prinzip der Repräsentation:<br />

nationale Zentren repräsentieren die Theaterszene<br />

ihres Landes, in den Zentren existiert zumeist<br />

eine präsidiale Struktur, die Delegierten der Zentren<br />

wählen auf den Weltkongressen wiederum eine Spitze<br />

– das Executive Council, die Vize-Präsidenten und den<br />

Weltpräsidenten. Auch den Internationalen Programmkomitees,<br />

in denen die nationalen Zentren gemeinsame<br />

Projekte entwickeln, stehen Präsidenten vor.<br />

Dieses Prinzip erscheint als formalisiert, in ihm wirkt<br />

die Betonung der Hierarchie sehr stark. Doch zugleich<br />

wird es mit dieser sehr klaren Struktur erst möglich,<br />

Brücken zwischen unterschiedlichen Kulturen zu bauen.<br />

Die gemeinsame Struktur ermöglicht den Repräsentanten,<br />

einen Dialog auf gleicher Ebene zu führen,<br />

die Entscheidungsebenen zu definieren und zu klaren<br />

Verabredungen zu gelangen. Bei der Workshopreihe<br />

„My Unknown Enemy“ oder beim Aufbau des Centre<br />

for Theatre in Conflict Zones wurde dieser Weg vielfach<br />

deutlich.<br />

Zugleich hat sich in den letzten Jahren die Struktur<br />

des <strong>ITI</strong> als wandelbar und durchlässig erwiesen. Auf internationaler<br />

Ebene haben in den Programmkomitees<br />

neue Mitglieder neue Akzente gesetzt und mit ihrem<br />

Engagement auch Zugang zu den Entscheidungsstrukturen<br />

gefunden. Ende der 90er Jahre wurde die Debatte<br />

um eine erfolgreiche Netzwerkarbeit im <strong>ITI</strong> und die<br />

Umstrukturierung der Komitees sehr intensiv geführt.<br />

Verwiesen sei hier u.a. auf die Beiträge, die Martin Roeder-Zerndt<br />

hierzu schrieb und die in den damaligen<br />

Ausgaben von „impuls“ erschienen. Eines der Ergebnisse<br />

war die Gründung der New Project Group innerhalb<br />

des Internationalen Theaterinstituts.<br />

Und im 2002 neu gegründeten Young Practitioner’s<br />

Committee setzen junge Theaterleute neue Impulse.


Auf nationaler Ebene – im deutschen Zentrum – funktionieren<br />

Kommunikation und Informationsaustausch<br />

auf der Ebene der Kompetenz, des Austauschs von Wissen<br />

und der Suche nach Kooperationsmöglichkeiten.<br />

Gegen institutionelle Netzwerke, wie das <strong>ITI</strong> eines<br />

darstellt, lassen sich die Vor- und Nachteile kleinerer,<br />

informeller Netzwerke – die sich aus den Partnern<br />

eines Projektes und nur für die Zeit des bestehenden<br />

gemeinsamen Interesses formieren – diskutieren. Dies<br />

soll hier nicht geschehen, vielmehr soll im Folgenden<br />

die reizvolle Verbindung dargestellt werden, die aus<br />

beiden Formen von Netzwerken entsteht, wenn man<br />

die Mitglieder des deutschen <strong>ITI</strong>-Zentrums einerseits als<br />

Knotenpunkte ihrer individuellen Netzwerke begreift<br />

und sie sich selbst begreifen als Teil des Internationalen<br />

Theaterinstituts, in Verbindung zu Theaterleuten weltweit,<br />

mit denen sie gemeinsame Ideen und Positionen,<br />

mitunter auch gemeinsame Projekte verbinden.<br />

Im Frühjahr bat die Redaktion die Mitglieder des<br />

deutschen <strong>ITI</strong>-Zentrums, Aspekte ihrer eigenen internationalen<br />

Theaterarbeit darzustellen - in einem Profil<br />

ihrer Institution, der Beschreibung ihrer künstlerischen<br />

Projekte oder in einer Antwort auf die Frage, warum<br />

ihre Theaterarbeit ohne internationalen Austausch nicht<br />

denkbar wäre. Dieser Anfrage zugrunde liegt auch die<br />

simple Idee, dass erste Voraussetzung einer Zusammenarbeit<br />

das Wissen voneinander ist, die Anregung durch<br />

die Interessen und Erfahrungen des Anderen, des potentiellen<br />

Partners.<br />

Die Antworten, die wir erhielten, geben auf sehr<br />

unterschiedliche Weise Einblick in internationale Theaterarbeit,<br />

in das Selbstverständnis der Akteure, den<br />

Charakter des künstlerischen Austauschs und den Zuwachs<br />

an Erfahrung, der den Beteiligten aus den je<br />

unterschiedlichen Formen der Kooperation erwächst.<br />

Die Darstellung setzt Schlaglichter auf die Arbeit der<br />

<strong>ITI</strong>-Mitglieder, sie folgt den Antworten, welche die Redaktion<br />

erhielt und versteht sich weder als Auswahl der<br />

Redaktion noch als abgeschlossene Darstellung.<br />

Die folgenden Beiträge haben wir in eine alphabetische<br />

Reihenfolge gestellt.<br />

Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

AKT-ZENT<br />

Internationales Theaterzentrum<br />

von Christine Schmalor<br />

„AKT-ZENT Internationales Theaterzentrum ist seit<br />

1995 in Berlin ansässig und bildet mit seinen Partnern<br />

in Italien, Frankreich, Skandinavien und Russland die<br />

European Association for Theatre Culture (EATC). Im<br />

Zentrum stehen Weiterbildung und Recherche in der<br />

Schauspiel- und Regiekunst, vor allem werden methodische<br />

Ansätze für die tägliche Probenarbeit sowie für<br />

die Ausbildung entworfen, entwickelt und im Selbstverlag<br />

veröffentlicht. Der künstlerische Leiter Prof. Dr.<br />

Jurij Alschitz hat in 10 Jahren ein „European Team of<br />

Teachers“ aufgebaut und wendet sich an alle Schauspieler,<br />

Regisseure, Pädagogen, die ihre Kenntnisse<br />

erweitern wollen. Umfangreiche Forschungsprojekte<br />

wurden von der Europäischen Kommission unterstützt.<br />

Mit „The Face of the 20th Century Woman“ wurde<br />

2000-02 „Die Vertikale der Rolle, eine neue Methode<br />

der eigenständigen Rollenvorbereitung“ in Laboratorien<br />

entwickelt und als Buch veröffentlicht. Mit „From<br />

Cliché in Art to the Art of Cliché“ 2005-06 erweiterte<br />

sich der aktive Kreis der Partner um mehrere nationale<br />

<strong>ITI</strong>-Zentren und Akademien, die im <strong>ITI</strong>/Unesco Theatre<br />

Training Committee vertreten sind. Seminare, Regie-<br />

Colloquien und ein mehrteiliges Laboratorium führten<br />

zu einer mehrsprachigen Produktion von Dostojewskijs<br />

„Weiße Nächte“. Aufgrund seiner einzigartigen Aufgabenstellung<br />

und europaweiten Vernetzung wurde AKT-<br />

ZENT auf dem <strong>ITI</strong>-Weltkongress in Manila als „Research<br />

Centre des <strong>ITI</strong>/Unesco Theatre Training Committee“<br />

benannt und damit der Aktionsradius vergrößert. Projekte<br />

mit Modelcharakter sind in Planung: so Schauspielausbildung<br />

in Afrika und ein M.A. Studiengang für<br />

Schauspiellehrer. Außerdem soll die internationale Produktion<br />

„Weiße Nächte“ 2007 einem breiteren Publikum<br />

gezeigt werden. Einladungen zu Gastspielen oder<br />

Festivals sind willkommen!“<br />

Kontakt: akt.zent@berlin.de, www.theatreculture.org<br />

„Weiße Nächte“, Inszenierung der European Association für Theatre Culture


Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

Manfred Beilharz / Staatstheater Wiesbaden<br />

Internationale Aspekte wie der europaweite Austausch<br />

mit anderen Theatern sowie die Förderung von<br />

Ideen, Produktionen, Mitarbeitern, Werbung und Konzepten<br />

bilden eine Schwerpunkt in der künstlerischen<br />

und strategischen Ausrichtung des Staatstheaters Wiesbaden<br />

seit der Ernennung des Intendanten Manfred<br />

Beilharz im Jahr 2002.<br />

Die künstlerisch hochkarätigen Internationalen Maifestspiele<br />

zeigen alljährlich international renommierte<br />

Eigen- und Gastproduktionen aus den Bereichen Oper,<br />

Schauspiel und Tanz (z.B. Pina Bausch, die Cloud Gate<br />

Company), deren angesehene Künstler mit dem Publikum<br />

in einen interkulturellen Dialog treten. 2004 führte<br />

Manfred Beilharz das alle zwei Jahre stattfindende Festival<br />

„Neue Stücke aus Europa“ ein, das ausschließlich<br />

jeweils ca. 30 zeitgenössische Stücke in Aufführungen<br />

aus verschiedenen Ländern Europas zeigt. Auch das<br />

Rahmenprogramm sorgt für Diskussionsstoff, das sich<br />

in Themenpodien mit Fragen der kulturellen Identität,<br />

nationaler Erinnerung, politischer Traumata und Migration<br />

im Dialog mit den Autoren und Regisseuren auseinandersetzt.<br />

Das Hessische Staatstheater Wiesbaden<br />

wird dabei unterstützt von der European Theatre Convention.<br />

Intendant Manfred Beilharz initiierte 2002 die<br />

Mitgliedschaft des Wiesbadener Theaters in der europäischen<br />

Vereinigung. Manfred Beilharz ist Vorsitzender<br />

der Dramaturgischen Gesellschaft Berlin, Mitglied der<br />

Akademie für Darstellende Künste Frankfurt, Mitglied<br />

der European Theatre Convention Brüssel und Paris, Vizepräsident<br />

der Hessischen Theaterakademie Frankfurt<br />

sowie Präsident des deutschen Zentrums des <strong>ITI</strong> (Berlin).<br />

Auf dem letzten <strong>ITI</strong>-Weltkongress in Manila im Mai<br />

2006 wurde er zum dritten Mal zum Präsidenten des<br />

weltweiten <strong>ITI</strong> (mit Sitz in Paris) gewählt.<br />

www.staatstheater-wiesbaden.de<br />

Deutscher Bühnenverein<br />

Der Bühnenverein kümmert sich hauptsächlich um<br />

die Gestaltung der Rahmenbedingungen der Theater<br />

und Orchester. Da geht es um Politik und Finanzen,<br />

um Strukturelles und Rechtliches. Internationaler Austausch,<br />

vor allem auf europäischer Ebene, ist dafür unverzichtbar.<br />

Dies gilt nicht nur, weil sich die Rechtssetzung<br />

zunehmend auf die EU verlagert. Wichtig ist uns<br />

auch, durch Vergleiche mit dem Ausland zu erfahren,<br />

was wir besser machen und was wir nicht besser machen<br />

können. Dabei wird eines klar: Ense<strong>mb</strong>le und Repertoire<br />

sollten nicht leichtfertig aufgegeben werden.<br />

Rolf Bolwin ist Geschäftsführender Direktor des Deutschen<br />

Bühnenvereins.<br />

www.buehnenverein.de<br />

Holk Freytag<br />

„Warum ist Ihre Theaterarbeit ohne internationalen<br />

Austausch nicht denkbar“?<br />

Schon die Frage, ob internationale Kontakte wichtig<br />

sind, ist anachronistisch. In einer Zeit, die von den<br />

Strukturen der Globalisierung bestimmt wird, sollte es<br />

selbstverständlich sein, dass das Denken und Handeln<br />

besonders der Kulturszene nicht an den Landes- oder<br />

Erdteilgrenzen aufhört. Diese Strukturen sollten wir für<br />

den Transport unserer Ideen nutzen.<br />

Holk Freytag ist Intendant des Staatsschauspiels Dresden.<br />

„Orestes“, Inszenierung von Hansgünther Heyme<br />

Milenko Goranovic<br />

„Als Theaterautor habe ich mich in den letzten Jahren<br />

ausschließlich mit den Fragen der Begegnung der<br />

Kulturen oder der kulturellen Begegnungen auseinandergesetzt.<br />

In den Stücken „Z 2001“ und „Flaschenpost<br />

aus Deutschland“ wird diese Problematik aus der<br />

Sicht der Minderheit thematisiert. Als Übersetzer und<br />

auch als Dramaturg am Roma Theater Pralipe und dem<br />

Theaterhaus Stuttgart betrachte ich den internationalen<br />

Austausch als die wichtigste Voraussetzung dafür, dass<br />

das Gegenwartstheater seinem Namen gerecht werden<br />

kann. Und übrigens: Ohne internationalen Austausch<br />

stünde meine Antwort nicht hier.“


Hansgünther Heyme<br />

„Warum ist Ihre Theaterarbeit ohne internationalen<br />

Austausch nicht denkbar?“<br />

Erstens. Die von mir ins Leben gerufenen FESTSPIELE<br />

LUDWIGSHAFEN, eine große und schwere Aufgabe,<br />

wären ohne intensive internationale Zusammenarbeit<br />

mit unseren Partnertheatern in Europa nicht denkbar.<br />

An dem Gastspielhaus in Ludwigshafen, welches weder<br />

Probenräume noch Werkstätten hat, zudem einen in<br />

den letzten Jahren brutal geschrumpften Etat, können<br />

Eigenproduktionen (welche für die Identität des Hauses<br />

und für die Identifikation der Bürger mit ihrem Theater<br />

wichtig sind) nur als Koproduktionen entstehen. Eine<br />

auf mehrere Jahre zurückgehende Zusammenarbeit mit<br />

dem Theatre National du Luxe<strong>mb</strong>ourg ermöglichte die<br />

Entstehung wichtiger Inszenierungen: fern vom Alltag<br />

deutschen Durchschnitts. Durch die Impulse eines neuen<br />

Landes zusätzlich motivierte Schauspieler erarbeiteten<br />

mit mir hier unter anderem im Oktober 2005 die<br />

„Elektra“ des Euripides. Eine in jeder Hinsicht neuartige<br />

Koproduktion, denn Kostüme und Bühnenbild wurden<br />

am Nationaltheater in Zagreb hergestellt - von interessierten,<br />

bemühten und hervorragenden Werkstätten.<br />

Die intensive und vielfältige Zusammenarbeit machte<br />

die Produktion in ihrer Qualität erst möglich, hob das<br />

künstlerische Niveau trotz der logistischen Schwierigkeiten<br />

und ermöglichte, dass sie in Zagreb, in Luxe<strong>mb</strong>ourg,<br />

in Maribor, in Wien (Art Carnuntum) und in<br />

vielen deutschen Städten gastieren konnte.<br />

Zweitens. Im Frühjahr erarbeitete ich den „Orestes“<br />

des Euripides am Slowenischen Nationaltheater in Maribor<br />

in slowenischer Sprache. Obwohl ich mein Leben<br />

lang geradezu fanatisch um die deutsche Sprache<br />

ringe, entdeckte ich in den vergangenen Jahren meine<br />

Lust an Inszenierungen in einer fremden Sprache. Meine<br />

wichtigsten Arbeiten der letzten Jahre entstanden<br />

im Ausland: Shakespeares „Der Kaufmann von Vendig“<br />

(2000) und „König Lear“ (2002) am Abadía Theater in<br />

Madrid auf Spanisch, die „Medea“ des Euripides (1999)<br />

in Usbekistan am Ilkhom-Theater auf Russisch. Das Aufeinanderprallen<br />

grandioser Schauspieler (welche mich<br />

durch ihre Andersartigkeit und besondere Offenheit<br />

faszinieren) und meiner für diese doch sehr fremden<br />

Auffassung von Theater bewirken eine äußerst produktive<br />

und für alle einzigartige Arbeitsatmosphäre. Diese<br />

fremdsprachigen Aufführungen waren in Deutschland<br />

große Erfolge, vielleicht auch, weil ich ohne die selbstverständliche<br />

deutsche Sprache mich auf „andere Mittel“<br />

des Theaters stürzte und somit eine sehr fremde<br />

und neue theatralische Sinnlichkeit erreichte.<br />

Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

euro-scene Leipzig<br />

von Ann-Elisabeth Wolff<br />

„Für die euro-scene Leipzig als europäisches Theater-<br />

und Tanzfestival sind internationale Kontakte die<br />

wichtigste Grundlage - wie die Luft zum Atmen. Das<br />

<strong>ITI</strong> stellt für mich dafür die wichtigste Anlaufstelle in<br />

Deutschland dar (im europäischen Maßstab etwa mit<br />

dem IETM vergleichbar). Information und Ratschläge<br />

von den kompetenten Kollegen des <strong>ITI</strong> setzen Maßstäbe<br />

und Vergleiche. Die Rolle der Musik in Theater und<br />

Tanz wurde innerhalb der euro-scene Leipzig im Nove<strong>mb</strong>er<br />

2006 näher beleuchtet. Meist sind unsere Gastspiele<br />

Sparten überschreitend, für jedes Gebiet gibt es<br />

im <strong>ITI</strong> Mitglieder - Musik, Theater, Tanz, und jederzeit<br />

kann ich mit ihnen Gedanken austauschen. Berlin spielt<br />

dabei die wichtigste Rolle, und die neue ICE-Verbindung<br />

lässt Leipzig zum „Vorort“ der Hauptstadt noch<br />

näher rücken. Die 16. euro-scene Leipzig fand vom 07.-<br />

12.11.2006 unter dem Motto „Konsonanzen - Dissonanzen“<br />

statt, inklusive der Jahrestagung des <strong>ITI</strong> am 11.<br />

und 12.11.2006.“<br />

Ann-Elisabeth Wolff ist die Festivaldirektorin<br />

der euro-scene Leipzig. www.euro-scene.de<br />

Euro Theater Central Bonn<br />

von Gisela Pflugradt-Marteau<br />

Das Euro Theater Central Bonn hat sich seit seinen<br />

Anfangsjahren durch eine gezielte Zusammenarbeit mit<br />

europäischen Gastbühnen und internationalen Künstlern<br />

um den Dialog der Kulturen verdient gemacht. Der<br />

Gründungsgedanke beruhte darauf, dass eine international<br />

geprägte Stadt wie Bonn, in der sich Menschen<br />

unterschiedlichster Kulturen begegnen, ein Theater ermöglicht<br />

und verlangt, dessen Programm auf Toleranz<br />

und kulturellen Austausch angelegt ist. In 36 Jahren ist<br />

eine internationale Struktur gewachsen, ohne die der<br />

Theaterbetrieb nicht mehr denkbar wäre: so beschäftigt<br />

das Theater Mitarbeiter, Regisseure, Schauspieler, Bühnenbildner<br />

und Gäste unter anderem aus Ungarn, Rumänien,<br />

Bulgarien, Holland, Russland und der Schweiz.<br />

Auch auf dem Spielplan spiegelt sich der internationale<br />

Charakter des Theaters wider, auf dem Stücke namhafter<br />

europäischer Autoren stehen, vor allem jener,<br />

die sich in Leben und Werk um die Gesamteuropäische<br />

Idee verdient gemacht haben. Momentan bereitet sich<br />

das Ense<strong>mb</strong>le auf die nun mittlerweile 6. Teilnahme am<br />

„World performance arts festival“ in Lahore (Pakistan)<br />

vor, bei dem es mit dem Stück „Der fahrende Schüler<br />

ins Paradies“ von Hans Sachs in englischer Sprache auftreten<br />

wird.


Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

Goethe-Institut<br />

Die 128 Goethe-Institute in aller Welt arbeiten mit<br />

den wichtigsten lokalen Partnern der jeweiligen Theater-<br />

und Tanzszene zusammen und entwickeln aus<br />

diesem kontinuierlichen Gespräch gemeinsame Projektvorhaben.<br />

Sie initiieren und begleiten Projekte in<br />

den Bereichen Schauspiel, zeitgenössischer Tanz, Performance,<br />

Kinder- und Jugendtheater, Puppen- und Figurentheater<br />

und Neue Deutsche Dramatik:<br />

Präsentation von herausragenden und innovativen<br />

Theater- und Tanzproduktionen in Kooperation mit<br />

örtlichen Veranstaltern<br />

• Auslandsgastspiele von deutschen Theatern und<br />

Ense<strong>mb</strong>les<br />

• Gastspiele von Ense<strong>mb</strong>les aus Entwicklungs- und<br />

Transformationsländern in Deutschland<br />

• Kulturpolitische Schwerpunkte wie Kulturwochen,<br />

Deutsche Festspiele im Ausland<br />

Kultureller Austausch und internationale künstlerische<br />

Zusammenarbeit von wichtigen Künstlern aus Deutschland<br />

und den Gastländern<br />

Ausbildung und Fortbildung<br />

• Stipendien (Internationales Forum junger Bühnenangehöriger,<br />

Hospitations-Stipendien für junge<br />

Theaterschaffende an deutschen Bühnen in Zusammenarbeit<br />

mit dem <strong>ITI</strong>)<br />

• Workshops<br />

• Vorträge, Seminare<br />

Auf seinen Seiten www.goethe.de/theater und www.goethe.de/tanz<br />

informiert das Goethe-Institut für ein weltweites<br />

Fachpublikum über die Grundlagen seiner Arbeit<br />

und bietet mit der digitalen Theaterbibliothek, Portraits<br />

von Regisseuren, Bühnenbildnern, Dramatikern und Choreografen<br />

und weiteren Angeboten umfassende Informationen<br />

zur zeitgenössischen Tanz- und Theaterszene in<br />

Deutschland.<br />

www.goethe.de<br />

• Gastregien, Gastchoreografien<br />

• Koproduktionen<br />

• Szenische Lesungen<br />

• Übersetzungsförderung neuer deutscher Dramatik<br />

• Lokale Produktionen deutscher Stücke<br />

• Kolloquien<br />

• Begegnungen im Nachwuchsbereich<br />

Norbert Kentrup<br />

Ein Teil der Aktivitäten von SHAKESPEAERE und<br />

PARTNER findet im Ausland statt. Der wohl bekannteste<br />

Ausländer „SHAKESPEARE“ ist Namenspatron des Theaters<br />

und „PARTNER“ kann man mit dieser Dramatikerwerkstatt<br />

in einer globalisierten Welt nicht mehr<br />

nur in Deutschland haben. Shakespeares Globe ist seit<br />

1997 wieder in London zu erleben. Der Leere Raum<br />

und die Interaktion im hellen Zuschauerraum mit dem<br />

Publikum sind ästhetische Herausforderungen, die erst<br />

ganz am Anfang stehen. Das ist unser Ziel: Kein Museum,<br />

wie leider oft in London zu erleben, sondern<br />

die Frage, wie kann der Vers, die Aktion, die Emotion<br />

in der Architektur von Shakespeares „Wooden O“ das<br />

heutige Publikum auch in anderen, nicht so optimalen<br />

Räumen gedanklich und emotional in Bewegung bringen?<br />

Da ich das Privileg hatte, eine Saison in London<br />

den Shyklock zu spielen, konnte ich viele Erfahrungen<br />

für Workshops, Lesungen und Arbeiten an Schauspielschulen<br />

als Regisseur mit in andere Länder nehmen.<br />

Mit dem Stück „Die Brüder Grimm“ von Dagmar Papula<br />

gab es bisher insgesamt 189 Vorstellungen. Das<br />

„Te-Hand“ Japanisch-Deutsches Projekt von thevo<br />

Bühnenbild wurde von vornherein „flugfähig“ konzipiert,<br />

so konnte die Produktion nach Polen, Bulgarien,<br />

Schweiz, Estland und Finnland auf Reisen gehen. (Die<br />

Einladung nach Murmansk und nach Japan konnten wir<br />

noch nicht wahrnehmen.) Da man im Ausland die Märchen<br />

der Gebrüder Grimm kennt, war die Vorstellung<br />

ein sinnvoller Ansatz, etwas über deutsche Geschichte,<br />

die Paulskirche und das Leben der berühmten Deutschen<br />

zu vermitteln. Damit wir nicht nur etwas nach<br />

„Außen“ tragen, wurde die Uraufführung von Dagmar<br />

10


Andrej Kritenko<br />

„Ich bin ein Ukrainischerreisepassbesitzer, der seit 12<br />

Jahren in Stuttgart lebt. Am Sonntag flog ich nach Graz<br />

und versuchte dort ein deutsches und ein moldawisches<br />

Stück auf die Bühne zu bringen. Im Nove<strong>mb</strong>er fuhren<br />

wir mit dem Kamerunischenpassinhaber Félix Kama,<br />

meinem Sohn Myron und dem Hund Casimir wieder<br />

nach Niederschlesien. Dort werden wir „Wo ist besser“,<br />

Text von und mit Félix, wieder spielen: auf Französisch,<br />

Deutsch, Eton, Polnisch und Ukrainisch. Außer in Polen<br />

haben wir „Wo ist besser“ in der Ukraine, in Lettland<br />

und in den Vereinigten Arabischen Emiraten gespielt.<br />

Klaus Maier/ thevo<br />

Papula „Die Komikerin“ von dem finnischen Regisseur<br />

Vesa Tapio Valo inszeniert, den wir über das <strong>ITI</strong> kennen<br />

lernten. Mit Vorstellungen (deutsch gespielt, manchmal<br />

simultan übersetzt) und Vorträgen (Lesungen auf<br />

deutsch und englisch) waren wir seit 2001 in Bulgarien<br />

(im Goethe-Insitut), Polen (Shakespeare Festival<br />

Gdansk), Neuseeland (Shakespeare Globe Centre und<br />

Goethe-Institut Neuseeland), England (Internationales<br />

Shakespeare Globe), Finnland und Estland (Goethe-Institut).<br />

Für 2007 ist eine Reise mit „Timon von Athen“<br />

nach Irland, Schottland und England geplant.“<br />

Wir haben auf Festivals mehrere Preise bekommen und<br />

kriegen immer neue Einladungen. Kürzlich nach Weißrussland,<br />

nach Litauen und Kroatien. [...] Aber ich bin<br />

mir nicht sicher, ob es in unserem Fall um einen echten<br />

Austausch geht. Wir freuen uns auch, dass bis jetzt immer<br />

noch wir, und nicht andere Personen an unserer<br />

Stelle aus dem Ausland zurück nach Stuttgart kehrten.<br />

Kann sein, dass niemand mit uns tauschen will. Weder<br />

zu hause noch im Ausland ...“<br />

Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

„Unsere Theaterarbeit ist ohne internationalen Austausch<br />

nicht denkbar, da sie aus diesem Austausch hervorgeht.<br />

Ausgangspunkt für unsere Arbeit ist der Gedanke,<br />

dass in einer demokratischen, polyvalenten Welt<br />

mehrere Wahrheiten nebeneinander existieren können.<br />

Diese Wahrheiten ergänzen sich und sind - auch wenn<br />

sie sich auf den ersten Blick widersprechen sollten - nur<br />

zwei Perspektiven derselben Menschlichkeit, die wir zu<br />

beschreiben uns bemühen. Poesie und Kunst sind dabei<br />

Werkzeuge der Menschen um mehrere Wahrheiten,<br />

also komplexe Zusammenhänge zu erfassen und begreifen<br />

zu können. thevo - Theater von Menschen für<br />

Menschen - macht bi-kulturelle Theaterprojekte, deren<br />

Wolfgang Mehring<br />

Ziel darin liegt, dass KünstlerInnen aus zwei verschiedenen<br />

Kulturen gleichberechtigt ein gemeinsames Werk<br />

entwickeln und aufführen, das Unterschiede und Gemeinsamkeiten<br />

der Kulturen zum Inhalt hat. In diesem<br />

Jahr arbeiten wir mit Kollegen in folgenden Ländern zusammen:<br />

Chile, Frankreich, Japan, Polen, Tschechien.<br />

Aus manchen dieser Kontakte entwickelt sich nur ein<br />

Auftritt auf einem internationalen Festival, einige (wie<br />

mit der Ukraine und Japan) münden in etwa dreijährige<br />

bi-kulturelle Koproduktionen.“<br />

Kontakt: www.thevo.de<br />

„Mit der Öffnung der Welt, dem Zugang zu anderen<br />

Kulturen und der damit verbundenen Relativierung<br />

eigener Werte ging das kulturelle Selbstbewusstsein<br />

verloren, verstärkte sich die Suche nach einem neuen<br />

Lebenssinn. - Wiederholt werde ich eingeladen, Erfahrungen<br />

aus der Zusammenarbeit mit Theatern verschiedener<br />

Kulturbereiche Europas, Asiens, Afrikas an einem<br />

Ort zusammengefasst weiterzugeben. Es verbindet sich<br />

damit die Erwartung der Demonstration und Vermittlung<br />

neuer, noch nicht gespeicherter Ausdrucksformen<br />

[...]. Tatsächlich wäre jedoch genau die Erfahrung zu<br />

vermitteln, dass sich unser Theater gerade nicht durch<br />

Eklektizismus von Formen exotischer Provenienz erneuern<br />

kann (was nur seine äußere Theatralik neu aufputzt),<br />

sondern allein aus dem Entwurf eines universellen<br />

Bewusstseins und damit eines ganzen Menschen<br />

heraus, statt immer nur Teilaspekte zu postulieren. Die<br />

traditionelle abendländische Ethik ist in ihrer Lebensferne<br />

seit langem nicht mehr befähigt, Fragen und Probleme<br />

unserer Zeit allein zu meistern, und die Strukturen<br />

asiatischen und afrikanischen Bewusstseins sind<br />

durchaus zu integrieren, in die künstlerische Arbeit mit<br />

einzubringen. [...] Es geht darum, die Inspirationsquellen<br />

und Lebensbezüge anderer Kulturen in unserem<br />

Theater (wieder) lebendig zu machen, statt auch hier<br />

immer und immer exotische Formen und entwickelte<br />

Bühnenkünste zu vermarkten [...].“<br />

Der frühere Leiter des traditionsreichen französischen<br />

Avantgarde-Theaters Théâtre du Vieux Colo<strong>mb</strong>ier, Wolfgang<br />

Mehring, begreift sich als „europäischer Theatermann“.<br />

Er hegt ein begieriges Interesse an den Theater-<br />

und Tanzformen anderer Kulturen, dabei lehnt er im<br />

interkulturellen künstlerischen Austausch die bloße Reproduktion<br />

exotisch-fremder Formen rigoros ab. Wolfgang<br />

Mehring war und ist vielmehr von den „Urformen des<br />

Theaters und der jeweiligen Bewusstseinsstruktur“ fasziniert,<br />

mit denen er bei seinen vielen Tourneen, Workshops<br />

und Inszenierungen in Schwarzafrika, im Vorderen Orient,<br />

in Nordafrika, Asien und Amerika in Berührung kam. Sein<br />

Text stammt aus „Die Vermarktung des Geistes. Theater<br />

heute“, in: Zeitmitschrift. Journal für Ästhetik. Nr. 5.<br />

Herbst 1988. S. 17-44.<br />

11


Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

NRW KULTURsekretariat<br />

von Dr. Christian Esch<br />

„Internationales Theater prägt in zweierlei Hinsicht<br />

die Programme des NRW KULTURsekretariats: Mit dem<br />

Festival Freier Theater „Impulse“ ist der Kulturverbund<br />

der 21 großen Städte Nordrhein-Westfalens seit langen<br />

Jahren auf dem internationalen Pfad. Das Festival lebt<br />

vom Austausch der Gruppen aus Deutschland, Österreich<br />

und der Schweiz. Bei der nächsten Ausgabe im<br />

Herbst 2007, kuratiert von Tom Stro<strong>mb</strong>erg und Matthias<br />

von Hartz, wird erstmalig die beste der vorgestellten<br />

deutschen Produktionen vom Goethe-Institut auf<br />

Weltreise geschickt. Außerdem wollen wir demnächst<br />

auch Produktionen aus dem fremdsprachigen Ausland<br />

zeigen. Im Rahmen des Fonds Experimentelles Musiktheater,<br />

den es seit 2005 zusätzlich zum bewährten<br />

Fonds Neues Musiktheater gibt, wählt eine namhafte<br />

Jury bezogen auf einen spezifischen „anderen“ Musiktheaterbegriff<br />

internationale Einreichungen aus dem Inund<br />

Ausland aus. Das NRW KULTURsekretariat und die<br />

Kunststiftung NRW finanzieren sie und bringen sie an<br />

Bühnen des Landes zur Uraufführung. International ist<br />

aber auch die integrative Transkultur im eigenen Lande:<br />

Welt- bzw. ethnische Musik, Lehraufträge zur Weltmusik<br />

an Musikhochschulen (beides im Programm „Das<br />

3. Ohr“) oder auch Unterrichtsangebote an türkischen<br />

Instrumenten in Musikschulen („Baglama für alle“).<br />

Vom Kunst -und Künstleraustausch „Transfer“ (2005-<br />

07 mit der Türkei) ganz zu schweigen: Für das Theater<br />

gilt wie für Musik und Bildende Kunst: International ist<br />

überall.“<br />

Peter P. Pachl<br />

„Immer schon war das Theater ein Brennspiegel gesellschaftlicher<br />

Entwicklungen und Veränderungen. Reaktionen<br />

erfolgen bei Künstlern zumeist schneller und<br />

heftiger, denn Emotionen gehören zu unserem Alltag.<br />

Aber auch die Bereitschaft zu neuen Denkmodellen ist<br />

stärker vertreten als in der Gesellschaft ringsum. Denn<br />

die konkrete, szenische Entwicklung von Utopien ist<br />

Teil unserer Arbeit. (Bis vor zwei Dezennien hatte das<br />

Theater noch generell Einfluss auf die Mode, nicht umgekehrt.)<br />

Der Brennspiegelcharakter des Theaters und<br />

sein analytischer Wert waren Fürsten und Kunstmäzenen<br />

vergangener Jahrhunderte nicht unbekannt. Auch<br />

Politikern der Neuzeit blieb er nicht verborgen: Noch<br />

bevor Konzerne, Banken und Großindustrie die zur<br />

Mehrung ihres Kapitals bei gleichzeitiger Reduzierung<br />

der Arbeitsplätze angedachten Fusionen realisierten,<br />

wurden Theatern Fusionen verordnet, wurden innere<br />

und äußere Akzeptanz, entstehende gesellschaftliche<br />

Probleme, insbesondere aber tatsächliche Einsparungen<br />

getestet. Offenbar haben diese Versuchsanordnungen<br />

die Erwartungen bestätigt und den Wirtschaftskonzernen<br />

Mut gemacht, Fusionen auf internationaler Basis<br />

zu vollziehen. Jenseits von Fusionen ist Globalisierung<br />

im Theater seit Jahrzehnten ein Faktum. Nationalitätenübergreifend<br />

thematisieren wir jene Probleme, die uns<br />

weltweit schon heute und erst recht morgen beschäftigen,<br />

verlebendigen und versinnlichen sie in neuen und<br />

vorzugsweise in neu gelesenen, alten Stücken. Dies ist<br />

unsere Form der Globalisierung, unser internationales<br />

Zusammenspiel.“<br />

Peter P. Pachl ist Regisseur, Dramaturg, Publizist und<br />

Künstlerischer Leiter am pianopianissimo musiktheater,<br />

München.<br />

PACT Zollverein<br />

Thomas Sauerteig<br />

„PACT Zollverein“ (Performing Arts Choreographisches<br />

Zentrum Tanzlandschaft Ruhr) befindet sich<br />

in der ehemaligen Waschkaue der Zeche Zollverein. Die<br />

Zeche wurde übrigens von der UNESCO zum Weltkulturerbe<br />

erklärt. Auf 3000 m² Fläche geben drei Studios,<br />

eine große und eine kleine Bühne, sowie Foyer und<br />

Wintergarten Raum für das spartenübergreifende Programm<br />

mit Eigen- und Koproduktionen sowie Gastspielen.<br />

Künstlerresidenzen sowie die diskursiv-praktische<br />

Reflektion in Form von Symposien und Hochschulplattformen,<br />

das künstlerische Forschen und Entwickeln in<br />

Laborsituationen, Trainings und Workshops bilden eine<br />

Architektur der Entwicklung. Eine internationale Vernetzung<br />

und interdisziplinäre Ausrichtung bilden hierbei<br />

die Grundlage unserer Arbeit.“<br />

Kontakt: www.pact-zollverein.de<br />

„Barcelona: Meer, Fußball, Architektur, Mode, Design,<br />

Film, und außerdem gibt es hier auch noch Theater.<br />

Seit sechs Jahren lebe ich hier und arbeite als Regisseur,<br />

Übersetzer und Anlaufstelle für Fragen nach neuen<br />

deutschen Stücken, Autoren, etc... Im Frühjahr habe<br />

ich an der Sala Beckett „Die Frau von früher“ inszeniert,<br />

als erste Premiere einer Reihe von drei Schimmelpfennig-Stücken.<br />

Im Moment bereite ich am selben Theater<br />

Turrinis „Endlich Schluss“ vor, im Rahmen des Theaterfestivals<br />

„Grec“, und hoffe, wegen des Premierentermins,<br />

dass Spanien nicht ins Halbfinale kommt. Und ich<br />

sitze an der Übersetzung des neuen Stücks (Arbeitstitel<br />

„Transit“) von Carles Batlle, dessen letzte Arbeit, „Versuchung“,<br />

bisher am Burgtheater und in Tübingen gespielt<br />

wurde.“<br />

12


Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

„Danton‘un Ölümü“, Koproduktion den Theater an der Ruhr mit den Städtischen Bühnen Istanbul<br />

Bettina Sluzalek /<br />

Theaterhaus Stuttgart<br />

„Seit Jahren hat es sich das Theaterhaus Stuttgart<br />

zur Aufgabe gemacht, mit Mitteln des Theaters Antworten<br />

und Modelle für die Multinationalität in unserer<br />

Gesellschaft zu finden. Daher besteht das internationale<br />

Schauspielense<strong>mb</strong>le des Theaterhauses aus 11 Schauspieler/innen<br />

aus acht Ländern und versucht, die heutige<br />

gesellschaftliche Realität auf der Bühne abzubilden.<br />

Natürlich fließen dabei auch die jeweiligen kulturellen<br />

Hintergründe und die unterschiedlichen (Theater-)Er-<br />

fahrungen der Schauspieler in die Arbeit mit ein, was<br />

den Produktionen eine ganz besondere Authentizität<br />

verleiht. Ein gelungenes Beispiel dafür ist die Theaterhausproduktion<br />

„Dirty Dishes“, die inzwischen in Stuttgart<br />

zum Kultstück avancierte und seit der Premiere<br />

1995 in ca. 600 Vorstellungen von mehr als 150.000<br />

Menschen gesehen wurde.“<br />

Bettina Sluzalek hat die Künstlerische Geschäftsführung<br />

am Theaterhaus Stuttgart inne.<br />

Das Theater an der Ruhr und die Internationalen<br />

Theaterlandschaften<br />

Überzeugt davon, dass das Theater universal ist, eine<br />

Sprache spricht, die Menschen jenseits aller nationalen,<br />

kulturellen, religiösen und politischen Unterschiede<br />

verstehen, hat das Theater an der Ruhr bereits vor 25<br />

Jahren begonnen, sein Konzept eines kontinuierlichen<br />

internationalen Austauschs zu entwickeln. Es war damit<br />

eines der ersten europäischen Theater, das die künstlerische<br />

und politische Bedeutung einer derart transnationalen<br />

Theaterarbeit erkannt hat. Mehr als 34 Länder<br />

hat das Theater an der Ruhr seit seiner Gründung bereist,<br />

mindestens ebenso viele Theater aus diesen Ländern<br />

waren zu Gast im Mülheimer Theaterhaus. Über<br />

die Jahre ist ein Netzwerk von Theatern auf vier Kontinenten<br />

entstanden. Diese Beziehungen erschöpfen sich<br />

nicht in wechselseitigen Gastspielen, sie sind vielmehr<br />

eine intensive Beschäftigung mit Gedanken und Haltungen<br />

anderer Kulturen. Künstlerisches und politisches<br />

Engagement sind mithin untrennbar miteinander verwoben.<br />

Die gegenwärtige Situation im Nahen Osten<br />

verdeutlicht auf erschreckende Weise die Bedeutung<br />

und Notwendigkeit eines kontinuierlichen kulturellen<br />

Dialogs. Die Theaterlandschaft Seidenstraße, die in den<br />

vergangenen Jahren die internationale Arbeit maßgeblich<br />

bestimmt hat, sowie das Festival Neues Europa, also<br />

Orient und Okzident, bilden das konzeptionelle Herz<br />

dieser besonderen Internationalen Theaterlandschaften<br />

2006. Anlässlich seines 25-jährigen Bestehens erweitert<br />

das Theater an der Ruhr das Programm. Von August<br />

bis Deze<strong>mb</strong>er 2006 werden Theater aus Iran, Irak, Zentralasien,<br />

Tunesien, Türkei, Serbien und Montenegro,<br />

Marokko sowie Ungarn, Litauen und Slowenien im Theater<br />

am Raffelbergpark in Mülheim an der Ruhr zu Gast<br />

sein. Publikumsgespräche, Diskussionen und Konzerte<br />

werden die Aufführungen begleiten.<br />

13


Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

Theater- und Mediengesellschaft<br />

Lateinamerika<br />

Die <strong>ITI</strong>-Mitglieder Hedda Kage, Alexander Stillmark,<br />

Dieter Welke, Kati Röttger, Maria Franziska Schüller,<br />

Angie Hiesl und Almuth Fricke sind aktiv in der Theater-<br />

und Mediengesellschaft. Die Theater- und Mediengesellschaft<br />

Lateinamerika e.V. versteht sich nicht<br />

nur als Promotor des lateinamerikanischen Theaters in<br />

Deutschland, sondern fördert auch den intensiven Austausch<br />

zwischen Theaterschaffenden in den einzelnen<br />

Regionen des Kontinents. Als Privatinitiative wurde sie<br />

1988 von ÜbersetzerInnen, DramaturgInnen und TheaterwissenschaftlerInnen<br />

gegründet und leistet seitdem<br />

eine kontinuierliche kulturelle Zusammen- und Vermittlungsarbeit.<br />

Ihre Mitglieder organisieren Konferenzen<br />

und Lesungen, initiieren Übersetzungen und Buchpublikationen<br />

und vermitteln Theatertexte und Hörspielmanuskripte<br />

an Verlage, Theater und Rundfunkanstalten.<br />

Darüber hinaus pflegt die TMG die theaterwissenschaftliche<br />

Forschung am Institut für Romanische Philologie<br />

an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo<br />

sie auch die Sammlung „Lateinamerikanisches Theater“<br />

verwaltet. Bisher wurden acht Anthologien lateinameri-<br />

kanischer Dramatik mit deutschen Übersetzungen und<br />

einem wissenschaftlichen Begleitteil herausgegeben.<br />

Die Theater- und Mediengesellschaft Lateinamerika ist<br />

natürlich auch bei wichtigen Konferenzen und Foren<br />

zum lateinamerikanischen Theater vertreten, zuletzt<br />

bei dem Forum zur internationalen Verbreitung dramatischer<br />

Texte im Juni in Mexico-City oder bei dem<br />

Symposium über den brasilianischen Dramatiker Nelson<br />

Rodrigues Ende April in Berlin. Für das Treffen von<br />

Dramatikern aus allen WM-Ländern „Dichter ran!“<br />

im Rahmenprogramm der diesjährigen Mülheimer<br />

„stücke 2006“ kuratierte sie die lateinamerikanische<br />

Beteiligung. Ihre Website www.tmg-online.org informiert<br />

nicht nur über aktuelle Veranstaltungen zum<br />

und Aufführungen von Theater aus Lateinamerika in<br />

Deutschland, sondern bietet auch eine Datenbank mit<br />

Übersetzungen sowie eine umfangreiche Linksammlung.<br />

Momentan laufen die Vorbereitungen für „Transatlantische<br />

Bilderwelten“, ein europäisch-lateinamerikanisches<br />

Projekt für theater- und filmwissenschaftliche<br />

Forschungsvorhaben, und für das Dialogprojekt<br />

„Mythos und Repräsentation“.<br />

www.tmg-online.de<br />

Dieter Welke<br />

„Die internationale Theaterarbeit ist untrennbar mit<br />

meinem persönlichen und beruflichen Lebensweg verbunden.<br />

Seit meiner Kindheit bin ich in zwei Kulturen<br />

und Sprachen zuhause, der deutschen und der französischen.<br />

Zum Theater kam ich vor nun fast dreißig Jahren<br />

in Paris, wo ich seit Mitte der 70er Jahre lebte und<br />

arbeitete. Das französische Theater mit seinem reichen<br />

Erbe und seiner großen Experimentierfreudigkeit hat<br />

mich entscheidend geprägt. Bis 1992 war ich als Dramaturg<br />

Mitglied der Compagnie des Matinaux, einer<br />

Pariser Theatertruppe, der einst auch zwei der bedeutendsten<br />

französischen Theaterleute des 20. Jahrhunderts<br />

angehörten: der Bühnenbildner Charles Dullin<br />

sowie der Schauspieler und Regisseur Louis Jouvet. Die<br />

Theaterarbeit Jouvets ist für mich bis heute Vorbild und<br />

Quelle der Inspiration. In meiner Pariser Zeit habe ich<br />

zahlreiche deutsche Texte ins Französische übersetzt<br />

und adaptiert, sowohl zeitgenössische Stücke als auch<br />

alte Texte, wie den „Ackermann aus Böhmen“, der bis<br />

heute in Frankreich oft gespielt wird. Die Pariser Bühnenfassung<br />

dieses Textes wurde später zur Vorlage für<br />

weitere Übersetzungen und Inszenierungen in Italien,<br />

Portugal, England und Irland. Auch heute noch ist die<br />

Compagnie für mich künstlerische Heimat. Bei ihr habe<br />

ich mein Handwerk gelernt; dies umfasst eigentlich alles,<br />

was zur praktischen Theaterarbeit gehört, nicht nur<br />

das Dramaturgisieren. Ich bin spät nach Deutschland<br />

zurückgekehrt. 1992 holte mich Frank-Patrick Steckel<br />

als Dramaturg ans Schauspielhaus Bochum mit dem<br />

expliziten Auftrag, das Haus verstärkt für die internationale<br />

Kooperation zu öffnen - ein Auftrag, den ich<br />

mit viel Enthusiasmus wahrgenommen habe. Immer<br />

wieder kam es zur Zusammenarbeit mit ausländischen<br />

Regisseuren, vornehmlich aus dem französischen und<br />

spanischen Kulturraum. Daneben entstanden Übersetzungen<br />

und Bearbeitungen französischer und spanischer<br />

Texte ins Deutsche. Als Auslandsdeutscher und<br />

französischer Theatermann betrachtete ich die deutsche<br />

Theaterlandschaft aus der Nähe der eigenen Kultur<br />

und aus der Distanz des Fremden. Den doppelten<br />

Blick habe ich stets beibehalten. Zeitweilig hatte es<br />

mich nach Lateinamerika verschlagen, in der bleiernen<br />

Epoche der Militärputschs und Diktaturen. Ich habe viel<br />

Elend und Blut gesehen. Auch dies hat mich nachhaltig<br />

geprägt. Die spanische Sprache wurde meine dritte<br />

Lebens- und Arbeitssprache; 1995 ging ich nach Buenos<br />

Aires, um dort mit dem Theaterkollektiv „Periférico<br />

de Objetos“ die „Hamletmaschine“ zu erarbeiten, eine<br />

Inszenierung, die in vielen Ländern der Welt gezeigt<br />

wurde. Bis zum Jahre 2002 habe ich immer wieder mit<br />

dieser Gruppe gearbeitet. Seit neun Jahren widme ich<br />

mich verstärkt der Regie und war in dieser Funktion<br />

viel in Lateinamerika unterwegs. 1999 entschloss ich<br />

mich, die Fleischtöpfe des deutschen Theaters hinter<br />

mir zu lassen und ging in ein Land, in dem Bürgerkrieg<br />

herrscht: nach Kolu<strong>mb</strong>ien. In Bogotá arbeitete ich als<br />

Dozent für Schauspiel und als Regisseur. Im Zusammenhang<br />

mit meiner Regiearbeit übersetzte ich auch wieder<br />

Theaterstücke, diesmal ins Spanische. Als ich 2001<br />

nach Deutschland zurückkam, musste ich die bittere<br />

Erfahrung machen, dass internationale Arbeit in der<br />

deutschen Theaterszene viel zu wenig wahrgenommen<br />

wird. Und so treibt es mich immer wieder zurück zum<br />

transatlantischen Brückenbauen, ob nach Kolu<strong>mb</strong>ien,<br />

Venezuela, Mexiko, Argentinien oder Ecuador. Ansonsten<br />

wohne ich in einem Städtchen am Taunusrand mit<br />

dem sehnlichen Wunsch, dort nicht zu verfaulen.“<br />

Dieter Welke ist Gesellschafter der Société des Auteurs et<br />

Compositeurs Dramatiques (Paris) und der Theater- und<br />

Mediengesellschaft Lateinamerika (TMG) Dieter Welke,<br />

Regisseur und Dramaturg.<br />

14


Petra Weimer/ theater rampe<br />

„Eigentlich sind wir seit 1998 auf „deutschsprachige<br />

Gegenwartsautoren“ spezialisiert; haben<br />

aber im Lauf der Zeit bemerkt, dass es herrlich ist,<br />

sich auch den europäischen Gegenwartsautoren<br />

anderer Sprachräume zu öffnen. So haben z.B.<br />

Valère Novarina (Frankreich), Filipp Vanluchene<br />

(Belgien), Chaim Bernlef nach Jongerein /Levano<br />

(Niederlande) und Lajos Parti Nagy (Ungarn) ihre<br />

deutschen Erstaufführungen in sehr spannenden<br />

Inszenierungen am theater rampe stuttgart erlebt.<br />

In Planung sind nun weitere Projekte mit internationalem<br />

Kontext: Für 2007 ein internationales<br />

Musiktheaterprojekt mit dem Titel „HesseIndia“,<br />

in dem es um die Sehnsucht des Europäers<br />

nach Indien geht. Librettist ist Bernhard Glocksin<br />

(Neuköllner Oper Berlin). Komponist ist der Niederländer<br />

spanischer Herkunft Rafael Reina, der<br />

am Konservatorium in Amsterdam einen neuen,<br />

experimentellen Studiengang eingerichtet hat:<br />

„Western Music with non-western concepts“. Er<br />

komponiert zeitgenössische Musik, die zum Teil<br />

auf süd-indischen Musikkonzepten beruht. Ich<br />

werde die Regie führen. Premiere ist für Febr. 2007<br />

im theater rampe stuttgart geplant. Es spielt das<br />

AXYZ Ense<strong>mb</strong>le aus Amsterdam, und es handelt<br />

sich um Musiktheater, in dem zwar gesungen wird<br />

(eine Sängerin, die aber zum musikalischen Ense<strong>mb</strong>le<br />

gehört), aber auf der Bühne agieren werden<br />

Schauspieler, Tänzer und ein(e) Figurenspieler/in.<br />

Weitere Aufführungen werden in Wien, im Rahmen<br />

des Netzzeit Festivals „Out of Control“ März 2007<br />

zu sehen sein, sowie im Herbst 2007 in Amsterdam<br />

und Den Haag. Ein weiteres Projekt am theater<br />

rampe stuttgart im Jahr 2007 ist ein deutschamerikanisches<br />

Projekt. Zwei Schauspieler des<br />

theater rampe stuttgart werden im Sommer 2007<br />

nach Amerika (New York, Pittsburg, Chicago) reisen<br />

und dort auf zwei amerikanische Schauspieler<br />

treffen, im Gepäck ein Stück, welches ein österreichischer<br />

Autor als Auftragsarbeit geschrieben hat.<br />

Es geht um die Begegnung von „normalen“ Menschen,<br />

Europäern und Amerikanern, die mit dem<br />

„neuen“ deutsch-amerikanischen Verhältnis umgehen,<br />

das nicht mehr so „schön“ zu sein scheint,<br />

wie es mal war. Wie läuft die Kommunikation über<br />

das Verhältnis Amerika-Europa heute in der intellektuellen<br />

Schicht ab? Wie sprechen wir über das<br />

neue Amerika aus der Sicht eines Deutschen, wie<br />

sprechen die Amerikaner über Bush und Michael<br />

Moore...was verbindet uns, was unterscheidet<br />

uns? Die Aufführungen sind in englischer Sprache<br />

in Amerika und in deutscher Sprache in Europa<br />

(theater rampe stuttgart). Bei diesem Projekt partizipiere<br />

ich als Schauspielerin.“<br />

Petra Weimer ist Schauspielerin, Regisseurin und<br />

Dramaturgin und arbeitet am theater rampe stuttgart,<br />

einem experimentellen Haus, das sich mit Gegenwartsdramatik<br />

beschäftigt.<br />

Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />

15


<strong>ITI</strong><br />

die sich mit Überwachung und Kontrolle<br />

im öffentlichen Raum beschäftigt<br />

und lud in Leipzig Vertreter aus Technik,<br />

Wissenschaft und Politik mit Künstlern<br />

aus Deutschland und den USA zur Diskussion.<br />

Das <strong>ITI</strong> als Theaterorganisation<br />

der UNESCO engagiert sich weltweit für<br />

den Schutz der kulturellen Vielfalt und<br />

für die Zusammenarbeit zwischen den<br />

Theaterkulturen. Das deutsche <strong>ITI</strong>-Zentrum<br />

mit Sitz in Berlin setzt mit eigenen<br />

Projekten maßgebliche Impulse im<br />

Weltverband. In der Jahresversammlung<br />

wurden die Arbeit der Fachkommissionen<br />

und Arbeitsgruppen ausgewertet<br />

sowie die nationalen und internationalen<br />

Arbeitsebenen koordiniert. Für das<br />

<strong>ITI</strong>-Festival „Theater der Welt“ informierte<br />

der Kurator des nächsten Festivals<br />

2008 in Halle, Torsten Maß, über<br />

den Stand der Vorbereitungen und die<br />

konzeptionelle Ausrichtung. Die Mitgliederversammlung<br />

wählte einen neuen<br />

Vorstand. Ihm gehören an: Laura<br />

Bermann (Musikdramaturgin, Berlin),<br />

Stephanie Gräve (Dramaturgin, Bonn),<br />

Harald Müller (Verlagsleiter von Theater<br />

der Zeit, Berlin), Irina Pauls (Choreografin,<br />

Freiburg), Jürgen Schitthelm (Direktor<br />

der Schaubühne am Lehniner Platz<br />

Berlin), Bettina Sluzalek (Künstlerische<br />

Geschäftsführerin des Theaterhauses<br />

Stuttgart), Alexander Stillmark (Regisseur,<br />

Berlin) und Ann-Elisabeth Wolff,<br />

(Festivalleiterin der euro-scene Leipzig).<br />

Der Präsident der deutschen <strong>ITI</strong>-Sektion,<br />

Manfred Beilharz (Intendant Staatstheater<br />

Wiesbaden), der auch dem Weltverband<br />

vorsteht, sowie der Vizepräsident<br />

Roberto Ciulli (Intendant Theater an der<br />

Ruhr, Mülheim) führen ihre Arbeit im<br />

Präsidium fort. Der zweite Vizepräsident<br />

Volker Ludwig kandidierte nicht mehr<br />

für eine neue Amtszeit. Als sein Nachfolger<br />

wurde Martin Roeder-Zerndt, Intendant<br />

des Theaters Heilbronn, gewählt.<br />

STOP! – THINK!<br />

Forum-Theater im Sudan<br />

Von Thomas Engel<br />

DEUTSCHLAND<br />

<strong>ITI</strong> Jahrestagung in Leipzig<br />

Das deutsche Zentrum des Internationalen<br />

Theaterinstituts (<strong>ITI</strong>) hat am<br />

11. und 12. Nov. 2006 seine Jahrestagung<br />

in Leipzig abgehalten, in deren<br />

Rahmen das <strong>ITI</strong> in Zusammenarbeit mit<br />

der euro-scene Leipzig zwei öffentliche<br />

Podiumsdiskussionen veranstaltete.<br />

Zum Thema „Vom Gesamtkunstwerk<br />

zum entgrenzten Theater“ diskutierten<br />

Nike Wagner (Kunstfest Weimar), Barbara<br />

Mundel (Theater Freiburg i. Br.),<br />

Fabrizio Cassol (Gent) und Paul Koek<br />

(De VeenFabriek, Leiden) die Tendenzen<br />

zur verstärkten Durchdringung von<br />

Text, Körperausdruck und Musik und<br />

zur Aufhebung der klassischen Spartentrennungen<br />

im gegenwärtigen Theater.<br />

Unter dem Titel „Bewegungsmelder“<br />

betreibt das deutsche <strong>ITI</strong> in einer seiner<br />

Projektlinien eine Recherche zu Theater,<br />

Im zweiten Jahr der Zusammenarbeit<br />

des deutschen mit dem sudanesischen<br />

<strong>ITI</strong>-Zentrum fand in Khartum der zweite<br />

international geleitete Workshop für<br />

Theatermacher mit Projekten in Konfliktregionen<br />

statt. Das hierfür von beiden<br />

Zentren gegründete Centre for Theatre<br />

in Conflict Zones, angesiedelt beim sudanesischen<br />

<strong>ITI</strong> und 2005/06 maßgeblich<br />

gefördert durch das Auswärtige Amt<br />

/ Institut für Auslandsbeziehungen, Projekt<br />

ZIVIK, war Gastgeber eines Forum-<br />

Theaterworkshops, geleitet von Bárbara<br />

Santos, Theatre of the Opressed (CTO),<br />

Rio de Janeiro. Das von Augusto Boal in<br />

den sechziger Jahren gegründete CTO<br />

ist einer der wichtigsten Orte für sozial<br />

emanzipatorisches, politisches Theater<br />

im Sinne von Demokratie stiftender<br />

Basisarbeit in Kommunen auch ohne<br />

nennenswerte kulturelle Infrastruktur.<br />

Bárbara Santos, seit Jahren in der Leitung<br />

des CTO und in Brasilien mit zahlreichen<br />

Projekten sowie mit Workshops<br />

in Palästina, Angola, Indien und Europa<br />

präsent, konnte durch das deutsche<br />

<strong>ITI</strong>-Zentrum erstmals für das Centre for<br />

Theatre in Conflict Zones in den Sudan<br />

geholt werden. Siebzehn professionelle<br />

Schauspieler aus Khartum, Darfur, den<br />

Südprovinzen und aus dem östlichen<br />

Sudan waren ausgewählt worden, Forum-Theatertechniken<br />

zu erlernen und<br />

zu praktizieren, um diese später selbst<br />

in ihrer Arbeit in Flüchtlingscamps und<br />

Dörfern in den Krisenregionen des Sudan<br />

anwenden zu können – Theater<br />

als Einladung zum Gespräch, zur Wiedergewinnung<br />

von sozialem und kulturellem<br />

Konsens. Sieben Schauspieler<br />

16


waren schon das dritte Mal dabei, denn<br />

das Projekt begann mit einer Einladung<br />

zu Theater der Welt 2005 nach Stuttgart<br />

(wir berichteten). Während des<br />

<strong>ITI</strong>-Workshops „BildBauStelle III – My<br />

Unknown Enemy“ lernte Bárbara Santos<br />

die Gruppe für drei Tage kennen<br />

und stellte erste Trainingsschritte vor.<br />

Nun wurde eine Gruppe mit Teilnehmern<br />

aus den beiden vorangegangenen<br />

Workshops und fünf „Neuen“ aus allen<br />

Landesteilen zusammengestellt.<br />

Tabu-Themen<br />

Aus den Erzählungen und Beobachtungen<br />

entstanden rasch zwei kurze,<br />

provozierende Szenen, der Konsens<br />

über eine dritte brauchte Arbeit. Die<br />

erste Szene brachte ein Tabu-Thema<br />

auf den Tisch. Noch nie war bisher<br />

auf dem sudanesischen Theater der<br />

Nord-Süd-Konflikt dargestellt worden.<br />

Statt einem fertigen Stück, einer Autorenmeinung<br />

wurde ein Diskussionsangebot<br />

unterbreitet, das ein Beispiel<br />

zitierte: Eine Romeo-und-Julia Story,<br />

sie aus dem arabischen Norden, er aus<br />

dem afrikanischen Süden. Nach einem<br />

missglückten Verhandlungsmeeting<br />

der beiden Väter endet die Flucht des<br />

Paares per Ehrenmord durch den Bruder<br />

des Mädchens tödlich. Nun spielten<br />

die Zuschauer Lösungsmöglichkeiten<br />

durch, indem sie selbst in eine der Rollen<br />

schlüpften. Ein zweiter Konflikt war<br />

ähnlich virulent. Eine junge Absolventin<br />

auf dem steinigen Web zum Job: Sie<br />

setzt sich gegen den autoritären Vater<br />

und den Bruder durch und weist die sexuellen<br />

Avancen zweier Bosse ab, bis sie<br />

am Ende resigniert und doch nicht den<br />

erhofften Job vom triumphierenden<br />

dritten Arbeitgeber bekommt, der sie<br />

vor die Tür setzt – vor der bereits die<br />

Zuhälter warten. Bei einer öffentlichen<br />

Voraufführung im College for Music<br />

and Drama der Universität Khartum<br />

stiegen reihenweise die StudentInnen<br />

auf die Bühne um gegenzuhalten – mit<br />

Empörung, List, Souveränität. Die dritte<br />

Szene, die ursprünglich als eher private<br />

Variante politischer Vorsicht von einigen<br />

der Teilnehmer eingebracht worden war<br />

– Ehemann wird von luxussüchtiger Frau<br />

wider besseres Wissen in die Schuldhaft<br />

getrieben – wurde schrittweise kräftig<br />

geschärft. Am Ende verschuldete sich<br />

ein Regierungsbeamter, der aus machtpolitischen<br />

Gründen seinen Job verliert<br />

und gerät in die Abhängigkeit des lokalen<br />

Finanzfilzes, der ihn am Ende höchst<br />

legal ins Kittchen steckt.<br />

Diese Inhalte galt es so zu kommunizieren,<br />

dass ein aktiver Dialog mit<br />

dem Publikum entsteht, ein tätliches<br />

Eingreifen mit der eigenen Person in die<br />

gespielte Geschichte stattfindet. Hierfür<br />

wurden Methoden des Umgangs<br />

mit dem Publikum trainiert. Animateur<br />

des Publikums, „Joker“ zu sein heißt,<br />

Lockerheit und Wachheit herzustellen,<br />

Befangenheit zu nehmen, auf gegenseitigen<br />

Respekt gegründet einen genussvollen<br />

kollektiven Lernprozess in Gang<br />

zu setzen. Gleichzeitig mussten die einzelnen<br />

Rollen so weit „gebaut“ werden,<br />

dass den Schauspielern alle möglichen<br />

Improvisationen in Reaktion auf die<br />

Eingriffe des Publikums zur Verfügung<br />

standen. Deshalb unterbrach Bárbara<br />

Santos immer wieder den Spielfluss<br />

– „Stop! Think! Ask questions!“ - um<br />

mit inneren Monologen aus einer Situation<br />

heraus und spontanen Fragen der<br />

Mitspieler an die Figur das Spektrum<br />

der Rolle von innen und außen anzureichern.<br />

Jenes scharfe, fordernde „Stop!<br />

Think!“ versinnbildlicht auch den gesamten<br />

Arbeitsprozess, der immer wieder<br />

Objektivierung einforderte, kritische<br />

Auseinandersetzung provozierte und<br />

permanent das Bewusstsein über die eigenen<br />

Koordinaten innerhalb der Gruppe<br />

ausbildete. So war es auch keine höfliche<br />

Floskel, wenn ein Teilnehmer rückblickend<br />

bemerkte, er hätte nicht nur<br />

methodisch dazugelernt, sondern ihm<br />

sei auch seine Rolle in der Gesellschaft,<br />

in der er lebt, bewusster geworden.<br />

Umsetzung in die Praxis<br />

Eine Gruppe der Teilnehmer geht<br />

unmittelbar im Anschluss in eine Bewährungsprobe.<br />

Im Auftrag von UNICEF<br />

und Deutschem Entwicklungsdienst begleiten<br />

sie ein Rückführungsprojekt von<br />

Flüchtlingen aus den Nuba-Bergen. Die<br />

Rückkehrer werden nach vielen Jahren<br />

in einem Camp am Rande von Khartum<br />

eine veränderte Heimat vorfinden, neue<br />

Nachbarn, Reste der Familie vielleicht<br />

auch nur Gräber, bestenfalls. Diese<br />

Rückkehr vorzubereiten und einen Neuanfang<br />

zu begleiten, wird alle Fähigkeiten<br />

der Theaterleute fordern. Sicher<br />

werden sie nicht alle Probleme lösen<br />

können, wie auch. Aber sie werden mit<br />

großen Gruppen von Jugendlichen und<br />

Erwachsenen arbeiten, werden Angebote<br />

auf eine Weise machen, die keiner<br />

der Betroffenen bisher die Chance hatte<br />

kennen zu lernen und sie werden auf<br />

ihre Weise ein weiteres Mosaiksteinchen<br />

für den langen Wiederaufbau des Sudan<br />

schaffen. Das existentiell Notwendige<br />

dieser Art von Wiederaufbau formulierte<br />

Yussuf Saad, der alte, weise Dekan des<br />

College for Musik and Drama, der den<br />

immer wieder bedrohten Etat seiner<br />

kleinen Einrichtung zu verteidigen hat:<br />

„They can make new buildings – but if<br />

they don’t ‚built the people’ the ‘unbuilt<br />

people’ will come and destroy the new<br />

buildings, again and again.”<br />

Strategische Planung<br />

Am letzten Tag unseres Aufenthalts<br />

waren wir eingeladen, am ersten runden<br />

Tisch der Minister für Information,<br />

Kultur, Finanzen(!) und Kommunikation<br />

samt einer Anzahl von Staatssekretären<br />

mit einer großen Gruppe von Theaterleuten<br />

teilzunehmen. Man brachte die<br />

für sudanesische Verhältnisse revolutionär<br />

neuen Themen „Strategische Planung“<br />

und „Kulturpolitik“ zur Sprache.<br />

Ein interessanter Dialog scheint hier<br />

in Gang zu kommen. Das brisanteste<br />

Problem brachte ein Schauspieler (mit<br />

großer Selbstverständlichkeit jener, der<br />

das obligate Begrüßungsgebet zelebriert<br />

hatte) auf den Punkt: Eine zentrale<br />

Kulturpolitik, wie sie zur Stärkung<br />

der sudanesischen Identität vielfach<br />

gefordert wurde, sei ein heikel Ding<br />

– müsste sie doch, wie alle Politik des<br />

Landes, scharia-geleitet sein und eine<br />

islamische „Leit-Kultur“ halte er im<br />

multikulturellen und multiethnischen<br />

Sudan schlicht für falsch. Einverständnis<br />

herrschte in der Auffassung, dass ohne<br />

durch Mehrheiten getragene Planung<br />

kein effektiver Aufbau möglich und die<br />

Kunst ein dafür dringend benötigter<br />

Vermittlungsfaktor sei. Das roch vielfach<br />

nach Begehrlichkeiten zur Rekrutierung<br />

der Kunst als Vehikel der Politik, war<br />

aber auch in seiner Erstmaligkeit eine<br />

sensationell offene Geste der Politik an<br />

die Künstler, die ihrerseits ihre Vorstellung<br />

und Forderungen deutlich und<br />

mit souveränem Verantwortungsbewusstsein<br />

formulierten. So geschehen<br />

in Khartum, am 29. Nove<strong>mb</strong>er.<br />

Das Centre for Theatre in Conflict<br />

Zones wurde als Beispiel erfolgreicher<br />

strategischer Planung im Kulturbereich<br />

herausgestellt, folglich erhielten<br />

die Teilnehmer ihre Zertifikate aus der<br />

Hand von gleich vier Ministern. Auf der<br />

nationalen Ebene inzwischen anerkannt<br />

wird die internationale Vernetzung des<br />

Zentrums im nächsten Jahr weiter vorangetrieben<br />

werden. Eine durch das <strong>ITI</strong><br />

initiierte Arbeitsbegegnung im Rahmen<br />

des Gastspiels einer Theatergruppe aus<br />

Ruanda im März ist ein erster Schritt.<br />

Eines der wichtigsten Ergebnisse ist aber<br />

noch etwas anderes: Tarik, ein eher in<br />

sich gekehrter, intensiv und ernsthaft<br />

arbeitender Lehrer aus Nyalla/Darfur,<br />

zum zweiten Mal dabei, und auf<br />

der Bühne von großer Gelöstheit und<br />

schlagfertigem Humor, wird eine ständige<br />

Außenstelle des Centre for Theatre<br />

in Conflict Zones errichten. Zwei Workshops<br />

in Darfur (vier weitere im Süden,<br />

Osten und in Khartum) im nächsten<br />

Jahr sind bereits geplant und von sudanesischer<br />

Seite ausfinanziert. Das <strong>ITI</strong><br />

Deutschland macht sich auf die Suche<br />

nach Unterstützungsmöglichkeiten für<br />

die Infrastruktur.<br />

<strong>ITI</strong> Deutschland<br />

17


<strong>ITI</strong> Deutschland<br />

Werkstattbegegnung<br />

zu kanadischer und<br />

deutscher<br />

Gegenwartsdramatik<br />

Von Birgit Schreyer Duarte<br />

Fotos zu<br />

TIM CARLSON „Allwissen“<br />

Vor sieben Jahren wäre in Deutschland<br />

eine Veranstaltung, wie sie gerade<br />

am Maxim-Gorki-Theater stattgefunden<br />

hat – ein Workshop zur neuen Stückentwicklung<br />

für Dramaturgen aus Kanada<br />

und Deutschland – extrem schwer vorstellbar<br />

gewesen, um nicht zu sagen<br />

unvorstellbar. Vielleicht nicht für jeden,<br />

sicher aber für diejenigen, die ich damals<br />

davon zu überzeugen versuchte,<br />

dass meine beabsichtigte Diplomarbeit<br />

interessant und relevant sein könnte:<br />

Kanadisches Drama. Am theaterwissenschaftlichen<br />

Institut der Münchener<br />

Ludwig-Maximilian-Universität, in lokalen<br />

Buchläden, in der Unibibliothek,<br />

unter Freunden und Kollegen wurden<br />

diese beiden Begriffe schlicht als Oxymoron<br />

betrachtet. Wie Prof. Albert-Rainer<br />

Glaap in unseren Diskussionen noch<br />

einmal bestätigte, die Kenntnis von beidem<br />

– kanadischer Theaterpraxis und<br />

Stücken – war unter Akademikern und<br />

Theaterpraktikern in Deutschland fast<br />

nicht vorhanden, bzw. begrenzt auf<br />

eine Handvoll kritischer Literatur, die<br />

hauptsächlich von Prof. Glaap selbst<br />

verfasst worden war. Natürlich kann ich<br />

nicht für die anderen Theaterinstitute<br />

in Deutschland sprechen, doch nach<br />

meinen Forschungen war die Wahrnehmung<br />

kanadischer Theaterkultur minimal<br />

und mein Vorhaben, eine ganze<br />

Abschlussarbeit zu diesem Thema zu<br />

schreiben, stieß häufig auf Skepsis und<br />

Ungläubigkeit. Ich hebe diese (frühere)<br />

Ignoranz so hervor, um zu zeigen, dass<br />

der Erfahrungs- und Wissensaustausch<br />

zwischen Kanadiern und Deutschen,<br />

der durch die Veranstaltung letzte Woche<br />

ermöglicht wurde, von beiden<br />

Seiten begrüßt wurde: Während die<br />

Mehrheit der kanadischen Teilnehmer<br />

ihre Begeisterung zum Ausdruck brachten,<br />

deutsche Theaterkultur und –praxis<br />

kennenzulernen, mit der sie bisher weitgehend<br />

unvertraut waren, wurde hoffentlich<br />

auch deutlich, dass das Bedürfnis<br />

nach und Interesse an Informationen<br />

über die jeweiligen Theaterstrukturen<br />

und Besonderheiten nicht nur aufseiten<br />

der Kanadier existierte.<br />

In den letzten fünf bis zehn Jahren<br />

ist bezüglich des Austauschs zwischen<br />

den beiden Ländern viel passiert: Wie<br />

wir gelernt haben, sind inzwischen ca.<br />

30 kanadische Stücke auf deutschen<br />

Bühnen aufgeführt worden! Allerdings<br />

waren solche Aktivitäten bislang eher<br />

Resultat zufälliger Entdeckungen oder<br />

individueller persönlicher Beziehungen<br />

und können daher nicht als systematisch<br />

bezeichnet werden. Der Workshop, der<br />

vom Internationalen Theaterinstitut in<br />

Berlin und der Kanadischen Botschaft<br />

organisiert und vom Maxim-Gorki-Theater<br />

beherbergt wurde, war mit Sicherheit<br />

ein Schlüsselereignis im künstlerischen<br />

und ökonomischen Austausch<br />

zwischen den beiden Theaterkulturen.<br />

Zum ersten Mal wurden etwa 30 Professionelle<br />

aus dem Theaterbereich und<br />

Akademiker aus Deutschland und Kanada<br />

für den Zeitraum von einer Woche<br />

versammelt, um zu diskutieren, sich zu<br />

befragen, zu erklären, zu forschen und<br />

die jeweiligen Theatertraditionen bzw.<br />

gegenwärtigen Praktiken des Stückeschreibens,<br />

der Dramaturgie, Kuratierung,<br />

Programmierung, Finanzierung,<br />

Veröffentlichung und der Pflege des<br />

zeitgenössischen Theaters gegenseitig<br />

zu bestaunen. Einige Annahmen haben<br />

sich sicher während dieses Austauschs<br />

auf beiden Seiten bestätigt, doch viel<br />

mehr wurde wahrscheinlich infrage<br />

gestellt oder auch korrigiert: Deutschland<br />

als das Theaterland, wo Milch und<br />

Honig fließen, mit vollen Häusern und<br />

ohne den Zwang, als Sklave des Kartenverkaufs<br />

den Publikumsgeschmack<br />

zu bedienen? Kanada als ein kulturelles<br />

Niemandsland mit einer zu kleinen und<br />

zu verstreuten Bevölkerung, um eine<br />

Kunstform aufrecht zu erhalten, die eine<br />

geschulte Gemeinschaft braucht, um zu<br />

existieren?<br />

Für mich persönlich war das Treffen<br />

der Theatermacher der beiden Länder<br />

spannend und<br />

auf vielen Ebenen entscheidend, zuweilen<br />

sogar surreal: Während der sechs<br />

Jahre, die ich<br />

jetzt als Deutsche in Kanada lebe<br />

(forschend als Doktorandin zum Thema<br />

Drama und gelegentlich als Dramaturgin<br />

arbeitend), hatte ich einiges über<br />

Kanadas Theaterkonventionen und gegenwärtige<br />

Entwicklungen zu lernen.<br />

Und in dieser Zeit erfuhr ich viele Facetten<br />

des Diskurses über Unterschiede<br />

und Ähnlichkeiten bei der Annäherung<br />

beider Länder an das Theater. Ich erinnere<br />

mich lebhaft an die allererste dieser<br />

Debatten; die fand in einem alten VW<br />

mit meinem ersten kanadischen Theatermentor<br />

statt, bei dem ich damals ein<br />

einmonatiges Praktikum machte. Wir<br />

waren auf dem Weg zur ersten kanadischen<br />

Theaterprobe, die ich erleben<br />

sollte, für ein kleines Sommertheater<br />

in Süd-West-Ontario. Die Fahrt dauerte<br />

nur 45 Minuten und wir beide hatten<br />

uns gerade erst getroffen, doch wir waren<br />

vom ersten Moment an in erhitzte<br />

und leidenschaftliche Streits über alle<br />

möglichen Aspekte des Theatermachens<br />

und unseren Zweifel an den Unterschieden<br />

zwischen unseren kulturellen Horizonten<br />

involviert. Ense<strong>mb</strong>letheater?<br />

Respekt vor dem Text? Autorentheater?<br />

Regietheater? Dramaturgie als Beruf?<br />

Neue Stückentwicklungsworkshops?<br />

Keine zweite Produktion? Kein Booen im<br />

Theater? Hierarchische Theatersysteme?<br />

Eine 50 Jahre alte Dramentradition?<br />

Post-Kolonialismus im Theater? Und so<br />

weiter und so fort. Viele dieser Fragen<br />

und viele neue trage ich in den letzten<br />

Jahren, bei meinen akademischen und<br />

praktischen Begegnungen mit Theater<br />

in Kanada, mit mir herum. Einige erscheinen<br />

irgendwie momentan beantwortet,<br />

die meisten aber sind komplex<br />

geblieben und führen jedesmal zu einer<br />

neuen Reihe von Fragen, wenn man sie<br />

klar zu beantworten versucht. Ich habe<br />

viele imaginäre Diskussionen zwischen<br />

kanadischen Theatermachern und denen<br />

„zu Hause“ im Kopf ausgetragen,<br />

als Versuch, die Pros und Kontras der<br />

jeweiligen kulturellen Praxis und die<br />

Prinzipien und Anschauungen dahinter<br />

besser zu verstehen. Mit anderen Worten:<br />

Für mich war dieses Treffen, wo ein<br />

solcher Zusammenprall der Kulturen<br />

tatsächlich passierte, hoch inspirierend<br />

und lang vorausgeahnt.<br />

Um mit den Eindrücken zu beginnen,<br />

die ich von dem Workshop letzte<br />

Woche gesammelt habe: Am Beginn<br />

der Diskussion habe ich eine interessante<br />

Tendenz bei den Gesichtspunkten<br />

der Teilnehmer festgestellt: Entgegen<br />

meinen ursprünglichen Erwartungen<br />

gingen die Ansichten der Kanadier untereinander<br />

über Theater und die Rolle<br />

der Dramaturgie weiter auseinander<br />

als die der Vertreter der verschiedenen<br />

Länder zu diesem Thema. Fast keine<br />

Sitzung ging ohne eine manchmal erhitzte<br />

Debatte unter den kanadischen<br />

Theatermachern über die Stellung des<br />

Texts im dramaturgischen Prozess der<br />

Produktion vorüber. Während es die<br />

Überzeugung und Praxis einiger Theatermacher<br />

ist, den Stücktext als Ausgangspunkt<br />

für die Erarbeitung einer<br />

Theaterproduktion zu betrachten und<br />

als das eigentliche Mittel, um Inhalte ins<br />

Theater zu bringen, kritisierten andere<br />

die in Kanada traditionelle Vormachtstellung<br />

des Texts und riefen allgemein<br />

nach einem umfassenderen Einbezug<br />

anderer als textbasierter Prozesse in die<br />

Produktion. Dass am geschriebenen<br />

und gesprochenen Text als Hauptobjekt<br />

für eine Untersuchung des dramaturgischen<br />

Prozesses festgehalten wurde,<br />

hätte man vielleicht als Gesamttendenz<br />

im Raum bezeichnen können, dennoch<br />

blieb die Spaltung der scheinbar unvereinbaren<br />

Ansätze in den Konversationen<br />

der kanadischen Teilnehmer offensichtlich.<br />

Im Gegenteil dazu gab es unter<br />

den deutschen Theaterpraktikern keine<br />

annähernd so klare Teilung fundamentale<br />

Techniken betreffend, obwohl es<br />

dort sicher Meinungsverschiedenheiten<br />

in anderen Aspekten gab. Zusätzlich<br />

wurde über die Woche natürlich die<br />

Spaltung zwischen quebecischen und<br />

anglo-kanadischen Theaterstilen und -<br />

18


strukturen wiederholt offenbar – doch<br />

wer hätte hier wirkliche Unterschiede<br />

vermutet?<br />

Wohl zur Überraschung derjenigen<br />

Teilnehmer, die hauptsächlich eine<br />

Bestätigung ihrer Vorannahmen zur<br />

ausländischen Kultur erwartet hatten,<br />

zeigten sich in unserer Diskussion vielfältige<br />

Facetten: Es gibt mehr Ähnlichkeiten<br />

zwischen deutschen und kanadischen<br />

Theaterpraktiken heute als wir<br />

vielleicht ahnten. Dafür, dass wir eine<br />

Kultur, die erst im 20. Jahrhundert ihren<br />

eigenen Theaterkanon entwickelt hat,<br />

um sich von der Hinterlassenschaft ihrer<br />

britischen Kolonialmacht zu befreien,<br />

neben ein Land stellten, das sich selbst<br />

seit Jahrhunderten damit brüstet, eine<br />

starke Theatertradition zu haben, die<br />

„nationsbildend“ ist, waren einige praktische<br />

Belange überraschend geläufig in<br />

beiden Ländern, Kanada und Deutschland.<br />

Zu einem dieser Schlüsselaspekte<br />

wurde die Frage nach dem Interesse an<br />

zeitgenössischer Dramatik – mit der folgenden<br />

Differenziation: In beiden Ländern,<br />

so scheint es, gibt es gegenwärtig<br />

ein relativ großes Interesse an und<br />

Wahrnehmung von neuen Stücken,<br />

und die Kritiker schenken den zeitgenössischen<br />

Entwicklungen im Theater<br />

generell ein hohes Maß an Beachtung.<br />

Wo immer das Label „Uraufführung“<br />

oder „deutschsprachige Erstaufführung“<br />

eingesetzt werden kann, freuen<br />

sich die Theater in Deutschland, wenn<br />

sie ihren eigenen Stempel drauf setzen<br />

können und die Kritiker sind eifrig dabei,<br />

darüber Rezensionen zu schreiben.<br />

Hier möchte ich allerdings anführen,<br />

dass der „Autoritäts“grad, den einige<br />

deutsche Kulturkritiker in ihrem Feld<br />

innehaben und, um es auf den Punkt<br />

zu bringen, der Einfluss, den sie auf<br />

den Ruf eines Theaters haben, schwer<br />

mit der Position kanadischer Kritiker zu<br />

vergleichen ist. (Allein der Fakt, dass die<br />

deutschen Teilnehmer kontinuierlich<br />

auf das „gehobene Feuilleton“ rekurrierten,<br />

wenn sie gewisse Theaterkritiker<br />

ins Spiel brachten, sprach für sich.)<br />

Interessanterweise existiert das derzeitige<br />

Interesse an neuer Dramatik in<br />

Deutschland erst seit ca. zehn Jahren,<br />

geschürt durch individuelle Anreize wie<br />

z. B. Thomas Ostermeiers Entdeckung<br />

der neuen Welle in der Jungen Britischen<br />

Dramatik, die er Mitte der 90-er<br />

Jahre übersetzt in der Berliner DT-Baracke<br />

präsentierte. Kanadas anhaltendes<br />

Engagement für die Entwicklung neuer<br />

Stücke hat ironischerweise inzwischen<br />

eine über dreißigjährige Geschichte.<br />

Wie auch immer, die Beachtung der<br />

Neuen Dramatik vonseiten des Publikums<br />

ist in beiden Ländern zahlenmäßig<br />

eher gering: Es gibt zwar einen kleinen<br />

Prozentsatz in der Bevölkerung größerer<br />

Städte, der die Szene verfolgt, doch<br />

dieser besteht weitgehend aus Theatermachern<br />

selbst, Theaterstudenten und<br />

einer Handvoll eingeweihter Intellektueller.<br />

Ein Unterschied ließ sich darin erkennen,<br />

was über die Haltung der meisten<br />

Schauspieler gesagt wurde: In Kanada<br />

bedeutet relevantes Theater faktisch:<br />

neue Stücke. Schauspieler schaden ihrer<br />

Karriere eher, wenn sich ausschließlich<br />

den „ehrenvollen“ Klassikern der hohen<br />

Kunst widmen. In Deutschland scheint<br />

es so zu sein, dass für viele Schauspieler<br />

das Spielen von neuer Dramatik bedeutet,<br />

große Bühnenproduktionen und die<br />

Chance zu verpassen, ihr Talent in berühmten<br />

A-Rollen renommierter Stücke<br />

zu beweisen. In einem zeitgenössischen<br />

Drama besetzt zu werden, wird deshalb<br />

häufig als Spielen in der letzten Reihe<br />

betrachtet, nichts, das einen berühmt<br />

macht. Fairerweise muss man sagen,<br />

dass in beiden Kulturen neue Dramatik<br />

in der Regel auf kleinen Studiobühnen<br />

präsentiert wird und ihr nur kleine Produktionen<br />

zugestanden werden. Neue<br />

Autoren und deren Arbeit zu zeigen,<br />

ist in Deutschland wie in Kanada ganz<br />

klar ein Risiko für eher mainstreamorientierte<br />

Bühnen, die stark von ihrer<br />

Abonentenzahl abhängen. In Kanada<br />

werden solche Produktionen zwar nicht<br />

immer auf der Studiobühne großer<br />

Kompanies gezeigt, aber dafür exklusiv<br />

von Theatergruppen entwickelt, die nur<br />

entstanden sind, um sich auf neue Dramatik<br />

zu spezialisieren.<br />

Was sich in unseren Diskussionen<br />

als ziemlich widersprüchliches Thema<br />

erwiesen hat, war der Grad der Trennung<br />

verschiedener Theaterformen und<br />

Kunstdisziplinen: Verschmelzen die Theater<br />

in Deutschland die Disziplinen oder<br />

driften unterschiedliche Ansätze und<br />

Stile eher auseinander? Und wie sieht<br />

das in Kanada aus? Die Meinungen der<br />

Teilnehmer zu diesen Fragen waren<br />

offensichtlich geteilt. Einige argumentierten,<br />

dass Deutschland endlich mit<br />

seinem traditionellen Theaterverständnis<br />

brechen und sich für neue Formen<br />

der Kreuzung von Performance-Kunst,<br />

Choreographie, Installation und ex-<br />

<strong>ITI</strong> Deutschland<br />

19


<strong>ITI</strong> Deutschland<br />

perimenteller Stücke öffnen würde.<br />

Thomas Frank, als Kurator von Berlins<br />

alternativem Theater Sophiensäle, und<br />

das kreative Team hinter der Maxim-<br />

Gorki-Studiobühne, Andrea Koschwitz<br />

und Armin Petras, waren starke Vertreter<br />

dieser Tendenz. Andere beobachteten,<br />

dass das Land noch immer an der<br />

alten Teilung von „Unterhaltung“ und<br />

„hoher Kunst“ in der Theaterkultur festhält<br />

und dass diese Genres noch immer<br />

klar definiert, vermarktet und als solche<br />

vom Publikum rezipiert werden. Hier<br />

Verallgemeinerungen vorzunehmen,<br />

wäre gefährlich, zumal die Mehrheit der<br />

anwesenden deutschen Theatermacher<br />

zur Zeit in Berlin tätig war, ein Ort, der<br />

sicher nicht repräsentativ für das ganze<br />

Land ist und viel mannigfaltiger und<br />

mehr federführend in seinen Theaterstilen<br />

ist als durchschnittliche deutsche<br />

Städte.<br />

Die Kanadier im Raum konnten ebenfalls<br />

keinen Konsens darüber finden, ob<br />

kanadisches Theater heute eine höhere<br />

Integration verschiedener Kunstformen<br />

erlaubt als es das in früheren Phasen<br />

getan hat. Klar wurde, dass gewisse<br />

Regionen besonders stark in diesen fließenden<br />

Genres sind, an erster Stelle die<br />

aus Vancouver stammenden Gruppen,<br />

die eine gewagte Mischung aus Techniken<br />

in ihre oft site-specific Produktionen<br />

bringen – Tanz, visuelle Kunst,<br />

Musik, Akrobatik, Multimedia – und die<br />

meistens nicht den Text als ihren Ausgangspunkt<br />

für die kreative neue Arbeit<br />

nutzen. Theatermacher mit ähnlichem<br />

Fokus aus anderen urbanen Zentren Kanadas<br />

waren auch anwesend, doch es<br />

konnte lediglich geschlussfolgert werden,<br />

dass dieser stilistische Trend bisher<br />

lediglich in isolierten Fällen gedeiht,<br />

aber allgemein eher von konventionellen<br />

Theaterstrukturen eingedämmt<br />

wird, wie z. B. dem permanenten Mangel<br />

an Geld und Spielstätten im Land.<br />

Ein anderer Punkt in der Debatte,<br />

der für die meisten nicht in einer<br />

klaren Antwort aufging, war die Frage,<br />

wie mit dem Publikumsgeschmack<br />

umzugehen ist. Weder die Deutschen<br />

noch die Kanadier erklärten sich einverstanden<br />

mit dem, was die allgemeine<br />

Tendenz in ihren Ländern ist oder sein<br />

sollte. Folgen wir oder bestimmen wir<br />

die Vorlieben des Publikums? Einige<br />

deutsche Theatermacher bestätigten,<br />

dass ihr Theaterauftrag in der Tat darin<br />

besteht, auf aktuelle Entwicklungen in<br />

ihrer Umgebung zu reagieren und die<br />

Bevölkerung ihrer Stadt ernstzunehmen,<br />

indem sie deren Belange bei der<br />

Planung der nächsten Theatersaison<br />

berücksichtigen. Andere behaupteten,<br />

dass sie hauptsächlich auf der Grundlage<br />

ihrer eigenen künstlerischen Interessen<br />

arbeiten könnten, nachdem sie<br />

den Publikumsgeschmack erfolgreich<br />

trainiert hätten. Unter den kanadischen<br />

Teilnehmern war die deutlichste Trennung<br />

wieder die nach regionalen Unterschieden:<br />

Für einige schien immer<br />

noch Quebec der fruchtbarste Boden zu<br />

sein, um ein interessiertes Stammpublikum<br />

für herausfordernde Vorstellungen<br />

heranzuziehen. Andere sprachen der<br />

Region die Toleranz für ein so genanntes<br />

„gefährliches“ Theater ab. Es schien<br />

jedenfalls, dass die meisten Kanadier etwas<br />

erstaunt über die relativ starke und<br />

andauernde Bindung waren, die einige<br />

der deutschen Theater offenbar mit ihrem<br />

Publikum aufrechterhalten.<br />

Als einen der wertvollsten Einblicke<br />

empfand ich es, die Parallele im aktuellen<br />

Trend beider Länder zu beobachten,<br />

einen Erzähler als strukturierendes<br />

Prinzip für Stücke und Aufführungen<br />

einzusetzen. Während sich die deutschen<br />

Teilnehmer zu diesem aktuellen<br />

Phänomen als einer „Rückkehr“ zum<br />

Narrativen, nach einer Periode von<br />

Dekonstruktion und Fragmentierung<br />

in vorangegangenen Theaterstilen, äußerten,<br />

definierten die Kanadier diese<br />

Entwicklung nicht als eine klare Reaktion<br />

oder Gegenbewegung zu früheren<br />

Preferenzen. Die kanadische Theatertradition<br />

sei, so wurde argumentiert, stark<br />

in der Tradition des Geschichtenerzählens<br />

verankert und die Hingabe und der<br />

Glaube an das Narrative als Ausdrucksmittel<br />

sei bis heute prominent geblieben.<br />

Einige deutsche Dramaturgen<br />

erklärten diese Tendenz als Reaktion<br />

auf die Bedürfnisse des Publikums, das<br />

in der heutigen Umgebung von Unsicherheiten<br />

wie schrumpfenden Städten,<br />

einer älter werdenden Population,<br />

Werteverlust, dem Rückgang sozialer<br />

und ökonomischer Netze zunehmend<br />

nach Koherenz in der Theatererfahrung<br />

und nach Schlüssen sucht, die wieder<br />

das Gefühl von Stabilität vermitteln. In<br />

Bezug auf das schwierige Thema, ob<br />

offenes Ende, klare Schlussfolgerungen,<br />

oder irgendetwas wie Erlösung in zeitgenössischen<br />

Stücken, gingen die Meinungen<br />

wieder weit auseinander. In<br />

manchen neuen Produktionen streben<br />

kanadische Künstler an, überhaupt keinen<br />

Schluss anzubieten, nicht einmal<br />

einen Abschluss des Erzählten, um dem<br />

Publikum die Erlösung vorzuentzuhalten<br />

und stattdessen eine Leere zu schaffen,<br />

die vom Rezipienten selbst zu füllen<br />

ist, auch, um dessen Sinn für das Geheimnisvolle<br />

zu bewahren. Als die Übertragbarkeit<br />

Kanadischer Dramatik auf<br />

deutsche Bühnen diskutiert wurde, trat<br />

interessanterweise der Unterschied in<br />

den Ansätzen zu Stückschlüssen wieder<br />

zutage: Die meisten kanadischen Produktionen<br />

haben ihre Schlüsse scheinbar<br />

zu gut definiert, um in die Programmierung<br />

für zeitgenössische deutsche<br />

Empfindungen zu passen. (Der Begriff<br />

„Kitsch“ kam nur in diesem Zusammenhang<br />

auf.) Dies war in der Tat einer<br />

der wenigen Momente, wo der dramatische<br />

Inhalt selbst Thema unseres kulturellen<br />

Austausches war – was für mich<br />

persönlich sogar interessanter war als<br />

Aspekte der Praxis oder Struktur im Vergleich.<br />

Wenn dieser Fokus für einige von<br />

uns erst spannend wurde als der Workshop<br />

sich seinem Ende näherte, können<br />

wir uns sagen, dass diese Woche ja nur<br />

der Auftakt eines länger anhaltenden,<br />

fruchtvollen und bereichernden Austausches<br />

war.<br />

Wenn es jetzt so scheint, dass ein<br />

Großteil des Diskurses, der in diesem<br />

Raum stattfand, uns die Ähnlichkeiten<br />

zwischen kanadischer und deutscher<br />

Theaterpraxis heute aufzeigte, sollen<br />

hier ein paar der vielen Unterschiede<br />

aufgezählt werden, die wir „gegenseitig“<br />

entdeckten. Ein Aspekt, der sich für<br />

mich nie wirklich erklärt hat, aber dennoch<br />

während meines Aufenthaltes in<br />

Kanada zunehmend evident wurde, ist<br />

in der Diskussion letzte Woche klar definiert<br />

worden: Während Deutschlands<br />

20


dominierende Tradition das Regietheater<br />

ist, ist es in Kanada das Autorentheater.<br />

Aus kanadischer Perspektive<br />

ist dieses Merkmal nur allzu logisch,<br />

evolutionsbedingt sozusagen: Die Notwendigkeit,<br />

einen einheimischen kanadischen<br />

Theaterkanon zu schaffen,<br />

konnte nur durch die Autoren erfüllt<br />

werden, die Stücke verfassten und dies<br />

auch in Zukunft tun würden. Der Autor<br />

wird als die erste Stufe betrachtet, als<br />

Stifter; das Herz der Kreation ist die Aufführung<br />

und die Kunstform ist das Theater.<br />

Zugegebenermaßen hat das fast<br />

zeitgleiche Aufkommen des kollektiven<br />

Schreibens in den 70-er Jahren die Idee<br />

der Autorität des einzelnen Autors angefochten,<br />

trotzdem erfreuen sich die Dramatiker<br />

immer noch eines relativ hoch<br />

angesehenen Status im System und erhalten<br />

derzeit die meiste Unterstützung<br />

innerhalb des kanadischen Theaters.<br />

Nie zuvor hat hat es eine solche Vielfalt<br />

an Stückentwicklungsprogrammen und<br />

Workshop-Angeboten in Kanada gegeben<br />

wie heute. In Deutschland glaubt<br />

man, die Aufführung erhalte erst ihr<br />

volles Potential, wenn der geniale Regisseur<br />

als Interpret des Stücktextes seine<br />

ganz eigene Vision hinzufügt. Das mag<br />

jetzt vereinfacht und generalisierend<br />

klingen, doch interessanterweise bestätigten<br />

sich solche „Stereotypen“ in unseren<br />

Debatten weitgehend.<br />

In diesem Zusammenhang fasziniert<br />

mich immer die Frage nach der<br />

Hierarchie, und sie wurde auch hier<br />

mehrfach aufgeworfen. Das deutsche<br />

Stadttheatersystem, ein einzigartiges<br />

kulturelles Phänomen mit seiner bürokratischen<br />

Struktur und ideologischen<br />

Vollmachten, die Stadtbewohner zu<br />

erziehen und aufzuklären, ist z. B. eine<br />

Manifestation hierarchischer Ordnung.<br />

Jeder Beruf hat darin seinen Platz und<br />

seine Rolle. Zwischen den Funktionen<br />

zu changieren, kommt extrem selten<br />

vor und ist schwierig. Nicht so in Kanada:<br />

Die meisten Autoren haben vorher<br />

eigene Erfahrungen in anderen Theaterfunktionen<br />

gemacht, sie waren z.<br />

B. Schauspieler. Häufig arbeiten Regisseure<br />

als Dramaturgen, Dramaturgen<br />

als Schauspieler und Schauspieler gehen<br />

zur Regie oder zum Schreiben über,<br />

u.s.w.. Natürlich hat ein Intendant im<br />

deutschen Theatersystem normalerweise<br />

auch verschiedene Erfahrungen im<br />

Theatermachen, sei es als Dramaturg,<br />

Regisseur oder Autor-Regisseur. Was<br />

aber dennoch aus kanadischer Sicht als<br />

ganz besonders empfunden wird, ist<br />

dass der deutsche Intendant faktisch<br />

von der Stadt ernannt wird und nicht<br />

von der Theaterkommune. Dies macht<br />

natürlich Sinn im Hinblick auf die soziale<br />

Verantwortung, die die Stadttheater<br />

– basierend auf den Grundideen<br />

Lessings und Schillers – als Erziehungsanstalt<br />

für sich beanspruchen. Nichtsdestotrotz<br />

steht im Jahre 2006 sowohl<br />

das Regietheater als auch seine soziale<br />

Verantwortung erneut zur Debatte.<br />

Ein anderes Phänomen, das mit<br />

solchen Traditionen zusammenzuhängen<br />

scheint, tauchte in den Konversationen<br />

auf: Die meisten deutschen<br />

oder europäischen Theaterleute hätten<br />

es schwer, den kanadischen Textansatz<br />

als eine Arbeitsgrundlage zu begreifen:<br />

Während deutsche Regisseure/Dramaturgen<br />

berüchtigt für ihr skrupelloses<br />

Streichen und Redigieren von Stücktexten<br />

sind, um sie an ihre persönliche<br />

Vision der Produktion anzupassen, wird<br />

in Kanada dem Text noch weitgehend<br />

absolute Authorität gewährt. Jedes geänderte<br />

Wort muss mit dem Autor oder<br />

dem Verlag abgesprochen werden. In<br />

Deutschland hingegen ist es Gang und<br />

Gebe, ganze Abschnitte zu streichen,<br />

um im Stück ein bestimmtes Problem<br />

herauszustellen oder um eine neue Perspektive<br />

auf einen Klassiker zu ermöglichen.<br />

Die Entdeckung solch entgegengesetzter<br />

Konventionen rief natürlich<br />

auf beiden Seiten, Deutschen und Kanadiern,<br />

erstaunte Reaktionen hervor,<br />

und für einige eröffnete die Idee, einen<br />

existierenden Text während des Arbeitsprozesses<br />

auf seine Bedeutung für eine<br />

individuelle Produktion hin zu manipulieren,<br />

eine völlig neue Perspektive auf<br />

die Performance-Textarbeit.<br />

Als wir die Vorstellungen beider Länder<br />

von der Arbeit eines Dramaturgen<br />

verglichen, kamen wir – erwartungsgemäß<br />

– auch zu einer Reihe von Differenzen.<br />

In Bezug auf die Frage, wieviel<br />

Einfluss ein Dramaturg wirklich auf das<br />

Profil eines Theaters hat, gingen die<br />

Meinungen wieder auseinander, besonders<br />

unter den kanadischen Theaterpraktikern.<br />

Signifikant für die Arbeit<br />

eines „typischen“ kanadischen Dramaturgen–<br />

und das war unter den deutsche<br />

Kollegen nahezu unbekannt – ist<br />

die Durchführung von Stückentwicklungsprogrammen,<br />

deren Hauptcharakteristikum<br />

Autorenworkshops sind.<br />

Die Idee, eine große Menge verschiedener<br />

Stückentwürfe zu entwickeln,<br />

was durch den Workshopprozess in der<br />

kanadischen Tradition quasi bedingt<br />

ist, war für einige deutsche Teilnehmer<br />

schwer vorstellbar und erschien sogar<br />

als kontraproduktiv. Dass das unfertige<br />

Stück fortlaufend mit dem zuständigen<br />

Dramaturgen diskutiert wird, wobei sogar<br />

Schauspieler involviert sind, spricht<br />

wieder für die derzeitige Tendenz in Kanada,<br />

den Prozess über das Resultat zu<br />

stellen. Heutzutage ist für kanadische<br />

Autoren eine langfristige Arbeitsbeziehung<br />

entweder mit einem Dramaturgen<br />

oder einem Regisseur und die Ideenentwicklung<br />

für ein Stück über eine oder<br />

mehrere Workshopproduktionen bis zur<br />

Endfassung fast die Norm. Das heißt,<br />

dass Aspekte der Aufführung eine integrale<br />

Rolle bei der Entstehung des Endprodukts<br />

spielen können, seien es Einwürfe<br />

des Dramaturgen, Interpretatioen<br />

oder Improvisationen der Schauspieler,<br />

die Choreographie oder Elemente der<br />

Spielstätte oder des Bühnenbilds. Langfristige<br />

Arbeitsbeziehungen zwischen<br />

Autoren und Dramaturgen oder Regisseuren<br />

existieren genauso in Deutschland,<br />

doch der Fokus scheint hier eher<br />

auf der Entwicklung des Gesamtwerks<br />

bzw. des Profils eines Autors zu liegen<br />

als auf einem speziellen Stück. Die Konzentration<br />

auf Einzelstücke spielt eher<br />

in der Beziehung zwischen dem Autor<br />

und dem Lektor des Verlages, der das<br />

Werk vertreibt, eine Rolle. Das ziemlich<br />

komplexe System sogenannter Bühnenverlage<br />

und ihrer dazugehörigen Dramaturgen,<br />

die die Arbeitsbeziehungen<br />

mit Dramatikern unterhalten, wurde<br />

<strong>ITI</strong> Deutschland<br />

21


<strong>ITI</strong> Deutschland<br />

der Gruppe am Beispiel des Kiepenheuer<br />

Bühnenverlags durch dessen Theaterverlagsdramaturgin,<br />

Anke-Elisabeth See<br />

nahegebracht. Auf der anderen Seite<br />

sind nichtproduzierende dramaturgische<br />

Institutionen wie z. B. das kanadische<br />

„Nightswimming“ in Deutschland<br />

völlig unbekannt. Selbst wenn hier<br />

ein Dramaturg ein anhaltendes Interesse<br />

für das Werk eines Autoren hat, passiert<br />

dies sozusagen neben den eigentlichen<br />

Aufgaben, die ein hausangestellter Dramaturg<br />

zu erfüllen hat. Das Konzept einer<br />

Autorenvereinigung oder Autorenlabor<br />

ist heutzutage sowohl in Kanada<br />

als auch in Deutschland bekannt.<br />

Eins der vorhersehbaren Ergebnisse<br />

unseres Kulturentreffens war der fast<br />

unvermeidliche Vergleich von Fördermöglichleiten<br />

für Theater, der Größe<br />

der Spielstätten und des Publikums. Zugegeben,<br />

die vier verschiedenen Bühnen<br />

innerhalb eines Theatergebäudes,<br />

zu denen wir bei unserem Besuch in<br />

der Schaubühne geführt wurden, und<br />

die berühmte, individuell verstellbare<br />

Hebebühne dort sind auch für deutsche<br />

Maßstäbe beeindruckend. (Allerdings<br />

bin ich mir nicht mehr ganz sicher,<br />

mit welchen kulturellen Maßstäben ich<br />

Theater in meiner Heimat, Deutschland,<br />

erfahre...). Insgesamt gab es eine<br />

Ungleichheit, die sich schlicht aus der<br />

Höhe öffentlicher Förderung ergab, die<br />

deutsche Theater, verglichen mit kanadischen<br />

Zahlen, immer noch erhalten.<br />

Dennoch schienen nicht alle Vorteile, die<br />

gemeinhin mit einem gut geförderten<br />

Theatersystem einhergehen, auch von<br />

beiden Seiten als solche betrachtet zu<br />

werden. Die fesselndste Diskussion<br />

in diesem Kontext war der Vergleich<br />

von Ense<strong>mb</strong>le- und Repertoiretheater<br />

mit dem in Kanada sehr verbreiteten<br />

Gastschauspielersystem und der ensuite?<br />

Programmierung. Offensichtlich<br />

erscheint das deutsche Modell vielen<br />

Theaterpraktikern noch immer als ideale<br />

Voraussetzung, um in einer sicheren<br />

und vertrauten Umgebung zu experimentieren,<br />

eine starke Beziehung zwischen<br />

Regisseur und Schauspieler aufzubauen<br />

und der Theatergemeinschaft<br />

einen soliden Stückekanon zu liefern.<br />

Diese ist dann eingeladen, sich mit der<br />

Ideologie des Theaterprofils zu identifizieren,<br />

indem sie regelmäßig die Repertoirestücke<br />

besucht. Die Gefahr der<br />

künstlerischen Stagnation und die unglaublich<br />

schwere Zugänglichkeit eines<br />

Repertoiresystems für freie Schauspieler<br />

erschien den kanadischen Theatermachern<br />

eher nachteilig. In diesem Punkt<br />

gab es bei den Teilnehmern beider Kulturtraditionen<br />

auch Überschneidungen<br />

in den Vorlieben und Meinungen.<br />

Folgende Beobachtung, die von einigen<br />

der deutschen Mitwirkenden im<br />

Raum gemacht wurde, empfinde ich als<br />

besonders wichtig für mein eigenes Interesse<br />

an der Rolle des Theaters im Identitätsbildungsprozess:<br />

In Deutschland<br />

erwarten die meisten Theatergänger einen<br />

ernsthaften Diskurs oder relevante<br />

Themen, wenn sie ins Theater gehen.<br />

Über die Unterhaltung hinaus haben<br />

sie auch das Bedürfnis, herausgefordert<br />

und zum Denken angeregt zu werden.<br />

In Kanada hingegen kann ich mich des<br />

Gefühls nicht erwehren, dass Theater<br />

als etwas Elitäres angesehen wird, etwas<br />

wie die Kategorie „Original mit Untertitel“,<br />

an der sich nur ein kleiner Teil des<br />

Publikums zu erfreuen weiß. Zahlenmäßig<br />

mag der Unterschied zu Deutschland<br />

gar nicht so groß sein, doch der<br />

Grad, inwieweit Theater auch heute als<br />

integraler Teil unseres Kulturverständnisses<br />

akzeptiert wird, scheint mir in<br />

Deutschland höher zu sein. Durchweg<br />

verwirrend und ohne Konsensfindung<br />

im Workshop blieb die Frage, ob Berlin<br />

nun zu viel Publikum hat, um es ausreichend<br />

mit Theater zu versorgen oder zu<br />

viel Theater, um die Zuschauerräume zu<br />

füllen...<br />

Auf der Suche nach konkreten Ergebnissen<br />

dieser inspirierenden Veranstaltung<br />

kann man zusammenfassend<br />

sagen, dass es wieder keine Übereinstimmung<br />

in dem Versuch gab, „einen“<br />

kanadischen Dramastil zu definieren.<br />

Doch es wurden in der Gruppe sehr<br />

konkrete Schritte vorgestellt, wie diese<br />

erste Begegnung zu einem weiteren<br />

fruchtbaren Theateraustausch zwischen<br />

beiden Ländern genutzt werden kann.<br />

Wir wurden eingeladen, an der Erweiterung<br />

des Theaternetzwerks mitzuwirken,<br />

wodurch mehr solcher Aktivitäten,<br />

weitere Lernprozesse für beide Seiten<br />

und vor allem mehr kanadische Dramatik<br />

auf deutschen Bühnen ermöglicht<br />

werden. Die Jurymitglieder der<br />

kanadischen Botschaftsinitiative, die<br />

neue kanadische Stücke auswählt und<br />

sie dem deutschen Publikum in Übersetzung<br />

zugänglich macht, gaben uns<br />

Auskunft über ihren Auftrag, die Auswahlkriterien<br />

und die Methodik, mit der<br />

sie die ersten sechs Stücke ausgewählt<br />

haben. Dies erinnerte mich wieder an<br />

meine eigene anfängliche Faszination<br />

für ausländische Theaterkultur und es<br />

beeindruckte mich wieder, wie sehr<br />

sich die Dinge in den letzten Jahren im<br />

Hinblick auf einen systematischen und<br />

fruchtbaren Austausch von kanadischen<br />

und deutschen Ideen über Theater entwickelt<br />

haben.<br />

Die stärksten Erinnerungen bei<br />

solchen Veranstaltungen wie dem<br />

Workshop in Berlin sind meistens Begegnungen<br />

mit einzelnen auf einer<br />

persönlichen Ebene. Für mich waren<br />

das, bei einem Glas Wein – oder eher<br />

Berliner Bierspezialitäten – unsere Gespräche<br />

über die Aufführungen, die<br />

wir in der Woche sahen. Wesentlich<br />

textbasiertes Theater mit Leuten zu sehen,<br />

die die Sprache nicht verstehen,<br />

ist sehr empfehlendwert! Wir lernen so<br />

viel über dieselbe Aufführung auf anderen<br />

Ebenen, die als theatrale Mittel<br />

außerhalb der Sprache existieren. Was<br />

immer in solchen Produktionen für die<br />

kanadischen Gäste hervortrat, was sie<br />

aus dem Gesehenen machten und wie<br />

weit sie mit dem Stück ohne deutsche<br />

Sprachkenntnisse in Berührung traten,<br />

sagt uns nicht nur etwas über die Aufführung<br />

selbst, sondern auch darüber<br />

etwas, wie andere kulturelle und individuelle<br />

Empfindungen auch andere<br />

Theatererfahrungen zulassen. Die vier<br />

Produktionen, die wir sahen, waren alle<br />

so unterschiedlich, dass sie uns genügend<br />

Diskussionsmaterial boten und,<br />

wie jemand betonte, enthielten einige<br />

passend die Elemente, die nach nordamerikanischen<br />

Maßstäben als stereo-<br />

22


type Konventionen für zeitgenössische<br />

deutsche Regie gelten: massenhaft klebrige<br />

Flüssigkeiten, die über Schauspieler<br />

oder Bühnenboden oder vorzugsweise<br />

über beides ausgegossen werden (Anja<br />

Hillings „Protection“). Ich stimme damit<br />

insofern überein als dass es hier um<br />

einige Merkmale geht, die ich als charakteristisch<br />

für den deutschen Fokus im<br />

Theater betrachte, wie z. B. eine spielerische<br />

Betonung des Texts, gepaart<br />

mit einem kahlen Bühnenbild und einer<br />

präzisen Bewegungschoreographie (Michael<br />

Thalheimers Faust-Produktion),<br />

eine kreative Nebeneinanderstellung<br />

von Multimedia, Nicht-Schauspieler-<br />

Körpern und einer kollageähnlichen<br />

Annäherung an aktuelle Themen (Rimini<br />

Protokolls Wallenstein) und natürlich<br />

Frank Castofs stark polarisierender Stil,<br />

seine Extravaganzen auf die Bühne zu<br />

bringen(Endstation Amerika).<br />

So geht mein herzliches Dankeschön<br />

an die Organisatoren, Gabriele<br />

Naumann-Maerten und Andrea Zagorski,<br />

nicht nur dafür, dass sie diese einzigartige<br />

Begegnung zwischen scheinbar<br />

so verschiedenen Kulturen hergestellt<br />

haben, sondern auch dafür, dass sozusagen<br />

eine Spielfläche vorhanden war,<br />

Raum für Reaktionen, Gefühle und den<br />

Austausch unserer sehr persönlichen<br />

Abenteuer mit Theater. Welch ein Genuss,<br />

neben einem unserer Gäste aus<br />

Kanada im Publikum zu sitzen und ihn<br />

laut und über die ganze Vorstellung lachen<br />

zu hören, wo er kein Deutsch versteht<br />

– das ist es, was in der Woche mit<br />

Sicherheit meine eigene Wahrnehmung<br />

von Theater erweitert hat.<br />

The New Surveillance<br />

Eine Internationale Konferen mit<br />

Wissenschaftlern und Künstlern<br />

In Kooperation von Internationalem<br />

Theaterinstitut und Technischer Universität<br />

Berlin fand am 30. Nove<strong>mb</strong>er und<br />

1. Deze<strong>mb</strong>er 2006 die Konferenz „The<br />

New Surveillance“ statt. Das deutsche<br />

<strong>ITI</strong>-Zentrum hatte die Konferenz in seine<br />

Projektreihe „Bewegungsmelder“<br />

als ein Modul integriert und konnte auf<br />

diesem Wege einen äußerst kreativen<br />

Austausch zwischen Künstlern und Wissenschaftlern<br />

initiieren. Kontrolle öffentlicher<br />

Räume und individuellen Verhaltens<br />

begreift „Bewegungsmelder“<br />

konzeptionell als Ausdruck jener gesellschaftlichen<br />

Prozesse, in denen sich soziale<br />

und kulturelle Unterschiede in der<br />

Segmentierung des urbanen Lebensraumes<br />

bis hin zur Gettoisierung niederschlagen<br />

und mehr Sicherheit durch die<br />

Ausgrenzung des Unsicheren erzeugt<br />

werden soll. Die Auseinandersetzung<br />

von Künstlern aus Theater und Tanz mit<br />

derartigen „sozialen Bewegungen“ soll<br />

das Projekt befördern. Daher nutzte das<br />

<strong>ITI</strong> die Konferenz als „ Bewegungsmelder<br />

Modul_02“ die Chance der Begegnung<br />

mit internationalen Fachleuten<br />

auf dem Gebiet der Überwachung und<br />

gesellschaftlichen Kontrolle für einen<br />

Wissenstransfer zwischen künstlerischen<br />

und wissenschaftlichen Zugängen und<br />

Methoden.<br />

Wissenschaftler und Künstler aus<br />

15 Ländern stellten ihre Methoden zur<br />

Bearbeitung verschiedener Phänomene<br />

der Überwachung vor – im Zentrum<br />

stand das Thema Videoüberwachung,<br />

empirische Beispiele und Diskussion<br />

gingen aber über diesen Bereich weit<br />

hinaus. In herausragender Weise inspirierend<br />

für die anwesenden Künstler –<br />

denen nach einer Ausschreibung durch<br />

das <strong>ITI</strong> die Teilnahme an der Konferenz<br />

ermöglicht wurde – waren sicherlich die<br />

Vorträge von Kevin Haggerty (University<br />

of Alberta, CA), Lucas Introna (Lancester<br />

University Management School, UK)<br />

und Didier Bigo (Institut d’etudes politiques<br />

de Paris, Frankreich).<br />

Haggerty stellte in seinem Vortrag<br />

„The Process and Politics of Evaluating<br />

Surveillance, or Methodology as a Knife<br />

Fight“ u.a. die Taktiken und Strategien<br />

vor, mit denen Hersteller und politische<br />

Befürworter von Überwachungstechnik<br />

und -maßnahmen bestimmte Studien<br />

zu Effizienz und Wirksamkeit so bearbeiten,<br />

dass das gewünschte Ergebnis am<br />

Ende der Studie erscheint. Lucas Introna<br />

(„What Surveillance Does: Exploring the<br />

ethics and politics of algorithmic surveillance<br />

systems“) führte vor Augen, wie<br />

die Kategorien von Absicht und Wirkung<br />

im Zusammenspiel von menschlichem<br />

Handeln und technischen Möglichkeiten<br />

überhaupt nicht mehr greifen, wenn die<br />

Effekte von Überwachungsmaßnahmen<br />

beschrieben werden sollen. Und Didier<br />

Bigo beschrieb eine Gegenwart, die von<br />

der Zukunftsvision aus des Hollywood-<br />

Blogbusters „Minority Report“ nicht<br />

weit entfernt ist. Die Gefahr des Terrors<br />

und die allgegenwärtige Bedrohungen<br />

sind die großen Erzählungen der Gegenwart<br />

geworden. Das Bestreben, zukünftige<br />

Bedrohungen zu verhindern,<br />

rechtfertigt ein umfassendes System<br />

der Überwachung und Datensammlung.<br />

Der Versuch, Profile anzulegen,<br />

nach denen potentielle Täter im Vorfeld<br />

erkannt werden können führt zu<br />

einem beängstigenden System der Verdächtigungen.<br />

Die Annahme dass der<br />

Attentäter der Zukunft nicht mehr ein<br />

dunkelhäutiger Araber zu erkennen ist<br />

– es gilt immer, auf das Nicht-Erwartete<br />

vorbereitet zu sein –, sondern als europäische<br />

Blondine daherkommt, macht<br />

jeden verdächtig.<br />

Neben diesem geballten Hintergrundwissen<br />

waren es insbesondere<br />

die Fehler und Lücken im System im<br />

Gegensatz zur vorgespielten Perfektion,<br />

oder auch die kreativen Momente der<br />

Theoriebildung und die rein darstellerischen<br />

Fragen im Interpretieren und<br />

Verkaufen von wissenschaftlichen Ergebnissen,<br />

welche für die anwesenden<br />

Künstler interessant wurden. Welche<br />

Anregungen sich aus diesen Beiträgen<br />

– die leider kaum ausführlicher diskutiert<br />

werden konnten – ergeben, soll ein<br />

Workshop Anfang nächsten Jahres, zu<br />

dem der künstlerische Teilnehmerkreis<br />

der Konferenz wiederum eingeladen<br />

wird – näher beleuchten.<br />

Zwischen den wissenschaftlichen<br />

Beiträgen wurden mit großem Interesse<br />

die Präsentationen der kanadischen<br />

Medienkünstlerin Michelle Teran, der<br />

Berliner Choreografin Isabelle Schad<br />

und der New Yorker Medien- und Konzeptkünstlerin<br />

Jill Magid verfolgt.<br />

Michelle Teran stellte ihre Arbeiten<br />

im öffentlichen Raum vor, in denen sie<br />

mit Hilfe eines speziellen Videoempfängers<br />

Funksignale privater Videokameras<br />

auf Häuserwänden und Straßen sichtbar<br />

macht – so dass der private und der<br />

öffentliche Raum sichtbar werden und<br />

die Grenzen zwischen physischem und<br />

sphärischen Raum verschwimmen.<br />

Isabelle Schad zeigte „SwitchPositionFreezeControl“,<br />

ein Solostück, in<br />

dem sie vor einem Monitor, der eine<br />

Live-Aufnahme ihres Tanzes zeigt, ihren<br />

Körper, seine Form, Bewegungen zu<br />

produzieren und die Möglichkeiten, mit<br />

dem Publikum zu kommunizieren, untersucht.<br />

Eine spröde Arbeit, die jedoch<br />

durch die Konstruktion der Beobachtungssituation<br />

auf der Bühne und im<br />

Verhältnis zum Publikum eine Vielzahl<br />

von Assoziationen und Anknüpfungen<br />

für dieses spezielle Publikum bot.<br />

Und zeigte Jill Magid Ausschnitte<br />

aus ihren Videoarbeiten, die teilweise<br />

in direkter Zusammenarbeit mit Polizeistellen<br />

und Überwachungsfirmen entstanden<br />

und in denen sie das System<br />

der Überwachungskameras benutzt,<br />

sich im Medium in Szene zu setzen. Weniger<br />

das Thema „Überwachung und<br />

Kontrolle“ steht bei ihr im Zentrum des<br />

Interesses als der Versuch, zu den anonymen<br />

Autoritäten eine sensibles Verhältnis<br />

aufzubauen.<br />

Die Konferenz war ein erster Schritt,<br />

Wissenschaftler und Künstler an einem<br />

Ort zusammen zu bringen. In einem<br />

nächsten Schritt wären die Erfahrungen<br />

und Anregungen genauer aufzunehmen,<br />

wäre einem konzentrierten Austausch<br />

mehr Raum zu widmen.<br />

Auch soll dieser Text nur ein erster<br />

Bericht vom Verlauf sein, eine Aufarbeitung<br />

der Ergebnisse der Konferenz wird<br />

für das nächste Frühjahr angestrebt.<br />

www.ztg.tu-berlin.de/surveillance; www.<br />

iti-germany.de<br />

<strong>ITI</strong> Deutschland<br />

23


<strong>ITI</strong><br />

INTERNATIONAL<br />

31. Weltkongress des Internationalen Theaterinstituts<br />

in Manila abgeschlossen<br />

Vom 22. bis 28. Mai fand in Manila<br />

der 31. Weltkongress des Internationalen<br />

Theaterinstituts (<strong>ITI</strong>) statt. Auf Einladung<br />

des philippinischen Zentrums trafen<br />

sich die Theaterschaffenden aus 69<br />

Ländern. Eine Woche lang tagten Regisseure,<br />

Dramatiker, Theaterwissenschaftler<br />

und Veranstalter im Plenum und in<br />

Arbeitsgruppen zu Fragen ihrer internationalen<br />

Zusammenarbeit und entwickelten<br />

ihre Projekte – so u.a. zur Theaterarbeit<br />

in Konfliktgebieten, zum internationalen<br />

Dramatikerwettbewerb, zum<br />

internationalen Austausch von jungen<br />

Theaterleuten und dem Internationalen<br />

Musiktheaterworkshop. Nachdem sich<br />

das Internationale Theaterinstitut in den<br />

letzten Jahren gemeinsam mit anderen<br />

Nicht-Regierungsorganisationen ganz<br />

wesentlich für die Ausarbeitung und<br />

Annahme des UNESCO-Übereinkommens<br />

zur Kulturellen Vielfalt engagiert<br />

hat, setzte auch der 31. Weltkongress<br />

– eröffnet durch Koichiro Matsuura,<br />

Generaldirektor der UNESCO – seinen<br />

Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit<br />

des <strong>ITI</strong> mit der UNESCO und das Wirken<br />

für die Ziele der Weltorganisation. Der<br />

Erhalt der Vielfalt der Theatersprachen,<br />

der Schutz des kulturellen Erbes sowie<br />

die vielfältigen Formen eines Theaters<br />

für den sozialen Wandel bestimmten die<br />

Themen der Kolloquien, Podien und Arbeitsgruppen.<br />

Grußbotschaften erreichten<br />

den Kongress auch von Kofi Annan,<br />

Generalsekretär der Vereinten Nationen<br />

und von Vaclav Havel. Unter den insgesamt<br />

11 Beschlüssen zur internationalen<br />

Zusammenarbeit, die der Kongress<br />

in seiner Schlusssitzung verabschiedete,<br />

ist als herausragend die gemeinsame<br />

Anstrengung des Weltverbandes für die<br />

Umsetzung der UNESCO-Übereinkunft<br />

zur Kulturellen Vielfalt zu nennen. Das<br />

<strong>ITI</strong> unterstützt alle Bemühungen zur Ratifizierung<br />

des Übereinkommens in den<br />

einzelnen Staaten. Durch eine möglichst<br />

umfassende Sammlung von Informationen<br />

zur Gefährdung künstlerischer<br />

Arbeit und der Vielfalt der Theatersprachen<br />

wird das <strong>ITI</strong> auch in der Lage sein,<br />

Verstöße anzuzeigen. Für diese Arbeit<br />

der weiteren Unterstützung und Beobachtung<br />

des Ratifizierungsprozesses<br />

hat das <strong>ITI</strong> eine Expertengruppe gebildet,<br />

die mit anderen Netzwerken und<br />

24<br />

Nicht-Regierungsorganisationen kooperieren<br />

wird. Durch die europäischen<br />

<strong>ITI</strong>-Zentren wurde zudem eine Note<br />

eingebracht, die vor den Gefahren von<br />

Fördermodalitäten warnt, welche – insbesondere<br />

durch die Förderprogramme<br />

der EU und zunehmend auch auf nationaler<br />

Basis – die Förderung der kulturellen<br />

Netzwerke fast ausschließlich auf<br />

Projektbasis ausrichten. Die negative<br />

Folge dieser Praxis, des Abbaus institutioneller<br />

Strukturen in den Nicht-Regierungsorganisationen,<br />

ist der unumkehrbare<br />

Verlust eines über Jahrzehnte<br />

aufgebauten Know How in der internationalen<br />

Zusammenarbeit. Im Focus des<br />

Kongresses standen auch die Mobilität<br />

und der Austausch junger Künstler. So<br />

wurde der Kongress von einem internationalen<br />

Theaterfestival und einem<br />

Treffen von Schauspielschulen aus aller<br />

Welt begleitet. Der <strong>ITI</strong>-Fonds zur Förderung<br />

der Mobilität junger Theaterleute,<br />

insbesondere aus der nicht-westlichen<br />

Welt, wurde inzwischen um 100.000<br />

Euro aus Mitteln des Spanischen Kulturministeriums<br />

aufgestockt. Die Delegierten<br />

waren auch aufgerufen, das<br />

Präsidium des Weltverbandes zu wählen.<br />

Dr. Manfred Beilharz, Intendant des<br />

Hessischen Staatstheaters und Präsident<br />

des deutschen <strong>ITI</strong>-Zentrums und seit<br />

2002 Präsident des weltweiten Theaternetzwerks,<br />

wurde einstimmig wiedergewählt.<br />

Ebenso wurden die beiden<br />

Vize-Präsidenten, Jean Pierre Guingané<br />

aus Burkina Faso und Ramendu Majumdar<br />

aus Bangladesh wiedergewählt.<br />

www.iti-worldwide.org


Die Aufgabenstellung war aufregend.<br />

Sieben Projektgruppen aus sieben<br />

Ländern entwickeln jeweils 10 Minuten<br />

Theater/ Performance über einen Text<br />

von Borges und gestalten daraus einen<br />

gemeinsamen Theaterabend. Zu Beginn<br />

unserer zweiwöchigen Begegnung,<br />

zeigten die sieben Gruppen jeweils ihre<br />

10 Minuten Theater / Performance.<br />

Ein spannender Moment, etwas anzuschauen,<br />

mit dessen Grundlagen sich<br />

alle intensiv befasst hatten, und überrascht<br />

zu werden von den Extrakten,<br />

den Sichtweisen und den Mitteln der<br />

Kollegen. Dieser praktische Blick auf ein<br />

gemeinsames Thema, in seinen unterenge<br />

Kurven – weites Land – schöne Aussicht<br />

The Borges Project der NPG in Manila<br />

schiedlichen Ausführungen, besitzt eine<br />

ganz eigene Qualität. Wir lernten nicht<br />

nur unterschiedliche Techniken kennen,<br />

wie in einem Workshop, sondern die<br />

Eigenarten in Deutung, Arbeitsprozess<br />

und Formen. Bei einer von vornherein<br />

gemeinsamen Arbeit wäre dies so nicht<br />

erkennbar geworden. Die Qualität des<br />

ersten Schrittes macht den Zweiten,<br />

eine gemeinsame Aufführung zu gestalten,<br />

angenehm schwer. Die Frage, was<br />

ist das Theater, die Landschaft in der die<br />

einzelnen Teile ihre Eigenheit bewahren,<br />

aber doch etwas Gemeinsames, Neues<br />

schaffen, konnten wir in der zur Verfügung<br />

stehenden Zeit nicht abschließend<br />

beantworten. Schnelle Ideen, die die<br />

sieben Teile quasi durch einen inszenatorischen<br />

Trick zusammenbinden, würden<br />

sich gegen einzelne oder mehrere<br />

dieser Teile richten, das war schnell klar.<br />

Die Frage, ob sich die Teile überhaupt<br />

verbinden lassen, möchte ich trotzdem<br />

mit Ja beantworten. Für den Prolog und<br />

den Epilog der Aufführung, sind wir darauf<br />

verfallen die Klänge - in Gesang,<br />

Instrument und Wort - zu untersuchen<br />

und haben so einen Weg beschritten,<br />

der uns mit etwas mehr Zeit weitergeführt<br />

hätte. Die lockere Aneinanderreihung<br />

der Teile für die Aufführungen war<br />

eine unprätentiöse Lösung, dem Stand<br />

der Arbeit angemessen. Insofern ist das<br />

Projekt noch nicht abgeschlossen.<br />

Frank Düwel, Regie deutsche Gruppe<br />

www.iti-worldwide.org<br />

<strong>ITI</strong> International<br />

Raija-Sinikka Rantala<br />

wurde Künstlerische Direktorin des <strong>ITI</strong><br />

Auf dem 31. <strong>ITI</strong>-Weltkongress wurde<br />

die Nominierung von Raija Sinikka<br />

Rantala, Regisseurin und Präsidentin<br />

des finnischen <strong>ITI</strong>-Zentrums, zur Künstlerischen<br />

Direktorin des <strong>ITI</strong> mit großer<br />

Zustimmung aufgenommen. Mit dieser<br />

neu geschaffenen Position wird deutlich,<br />

dass das <strong>ITI</strong> die künstlerische Qualität<br />

der Projekte und den ästhetischen<br />

Diskurs stärker in den Blick nehmen will,<br />

mit Raija Sinikka Rantala wurde zugleich<br />

eine Persönlichkeit gewonnen, die mit<br />

großer Erfahrung im interkulturellen<br />

Dialog und Respekt vor den sehr unterschiedlichen<br />

künstlerischen Angängen<br />

in unterschiedlichen Theaterkulturen<br />

die Diskussion über künstlerische Fragen<br />

stimulieren wird. Raija Sinikka Rantala<br />

war Anfang der 1970er Jahre mit<br />

der Gründung von Teatterikeskus die<br />

erste Direktorin einer Dachorganisation<br />

für die Freie Theatergruppen in Finnland.<br />

Als Regisseurin an der Finnischen<br />

Theaterschule (1972-79) baute sie die<br />

Finnische Theaterakademie mit auf und<br />

entwickelte die weiterführenden Ausbildungsprogramme<br />

der Akademie (1980-<br />

83). In einer Zeit großer sozialer, politischer<br />

und ökonomischer U<strong>mb</strong>rüche in<br />

der finnischen Gesellschaft arbeitete sie<br />

für zwei große Theaterhäuser, das Theater<br />

in Lahti (1985-90) und das Stadttheater<br />

von Helsinki (1991-97). In den<br />

letzten Jahren arbeitete Rantala als freie<br />

Regisseurin sowohl in Finnland wie auch<br />

am Moskauer Künstlertheater, in Luxe<strong>mb</strong>urg,<br />

Peru und in Polen. Solidarität ist<br />

ein zentraler Begriff ihrer Theaterarbeit,<br />

und so rief Rantala ihre Künstlerkollegen<br />

auch zu einem umfassenden Dialog in<br />

einer immer mehr von Multikulturalität<br />

und Diversität geprägten Welt auf. „Die<br />

Menschen sollten Unterschiede nicht<br />

nur tolerieren, sondern umgekehrt in<br />

der Andersartigkeit einen menschlichen<br />

Vorzug sehen. Als Bewohner dieses Planeten<br />

ist jeder ein Teil der Menschheit,<br />

und jede Kunst, welche die Achtung vor<br />

der Würde des Menschen vermittelt,<br />

sollte uns wichtig sein.“<br />

124. ExCom-Sitzung in Paris<br />

„AKT-ZENT“<br />

– Internationales Theaterzentrum Berlin wird<br />

„Research Centre“ des <strong>ITI</strong>-UNESCO Theatre Education and<br />

Training Committee<br />

Die aktuelle Sitzung des Executive<br />

Council des <strong>ITI</strong>, also des Vorstands des<br />

weltweiten Netzwerks fand - geleitet<br />

von <strong>ITI</strong>-Präsident Manfred Beilharz -<br />

vom 2. bis 4. Deze<strong>mb</strong>er in Paris statt.<br />

Ergebnisse der Tagung werden im nächsten<br />

impuls-Heft übermittelt.<br />

General Secretariat of the International<br />

Theatre Institute, UNESCO, 1 rue Miollis,<br />

75015 Paris, France.<br />

Tel. +33 1 45 68 48 80 iti@unesco.org<br />

Beim diesjährigen Weltkongress des<br />

Internationalen Theaterinstituts (<strong>ITI</strong>)<br />

vom 22. bis 28. Mai in Manila tagten<br />

Theaterschaffende aus 69 Ländern im<br />

Plenum und in Arbeitsgruppen zu Fragen<br />

der internationalen Zusammenarbeit<br />

und entwickelten Projekte. Dabei<br />

wurde das internationale Theaterzentrum<br />

AKT-ZENT in Berlin von dem Komitee<br />

für Theaterausbildung mit der<br />

Erforschung neuer Lernmethoden beauftragt.<br />

AKT-ZENT führt mit seinen<br />

Partnerorganisationen der European<br />

Association for Theatre Culture (EATC)<br />

unter der Leitung von Prof. Jurij Alschitz<br />

Forschungsprojekte in Europa durch.<br />

EATC ist der Zusammenschluss der<br />

internationalen Theaterzentren AKT-<br />

ZENT, KOINE (Frankreich), PROTEI (Italien)<br />

und SCUT (Skandinavien), die als<br />

Stätten des Lernens, Experimentierens<br />

und Forschens gegründet wurden. Mit<br />

der Entscheidung für einen Research<br />

Centre des <strong>ITI</strong>-UNESCO soll nun der<br />

Aktionsradius von AKT-ZENT über die<br />

europäischen Grenzen hinausgehen;<br />

Ausbildungsprogramme in Asien und<br />

Afrika sind geplant, wobei das erste Laboratorium<br />

im Oktober in Burkina Faso<br />

beginnt.<br />

www.theatreculture.org<br />

25


<strong>ITI</strong> International<br />

2. Showcase des kroatischen<br />

Theater 2006<br />

Immer wieder macht das kroatische<br />

<strong>ITI</strong>-Zentrum durch Showcases mit zeitgenössischen<br />

Produktionen des kroatischen<br />

Theaters internationale Veranstalter<br />

auf neueste Trends aufmerksam.<br />

Ein verführerisches Prinzip – in wenigen<br />

Tagen gewinnen die einfliegenden Festivalmacher<br />

einen Überblick über die<br />

Szene, Künstler könnten vielfach neue<br />

Kontakte ins Ausland knüpfen. Der<br />

zweite Showcase dieser Art wurde vom<br />

12. bis 17. Oktober 2006 ausgerichtet.<br />

International Culture and<br />

Arts Week in Nanjing<br />

(China)<br />

Vom 27. Septe<strong>mb</strong>er bis 09. Oktober<br />

2006 fand in Nanjing im Gebiet Jiansu<br />

die erste Internationale Kunst und Kulturwoche<br />

statt – geprägt durch zahlreiche<br />

Opern- und Ballettaufführungen.<br />

Den nationalen Beitrag bildeten drei<br />

Opern, die von der UNESCO als Meisterwerke<br />

des immateriellen kulturellen<br />

Erbes anerkannt sind, die Stücke „Yueji“,<br />

„Yuju“ und „Kungu“. Das internationale<br />

Programm prägten das russische<br />

Ballett „Spartakus“, eine traditionelle<br />

Koreanische Oper und das irische Show-<br />

Ballett „Spirit of Dance“. Das <strong>ITI</strong> wurde<br />

bei diesem Festival, organisiert durch<br />

die Kulturabteilung der Gebietsregierung<br />

von Jiangsu in Zusammenarbeit<br />

mit dem chinesischen Zentrum des <strong>ITI</strong>,<br />

durch seine künstlerische Direktorin Raija-Sinikka<br />

Rantala und die Generalsekretärin<br />

Jennifer Walpole vertreten. Nanjing<br />

ist auch im Gespräch als Austragungsort<br />

für den nächsten <strong>ITI</strong>-Weltkongress. Für<br />

das nächste Jahr ist geplant, die Kunstwoche<br />

zum Festival Theater der Nationen<br />

auszubauen.<br />

Chinese Centre of <strong>ITI</strong>, (Chinese Theatre<br />

Assoc.), 52 Dun Siba Tiao, Beijing,<br />

China. Wang Ling (Int‘l. Coord)<br />

Tel.: +86 10 8404 3352,<br />

Fax +86/10/8404 3352<br />

China_iti@bbn.cn<br />

Internationales<br />

Theaterfestival in Kamerun<br />

Im Nove<strong>mb</strong>er 2006 wurde das 15.<br />

Cameroon International Theatre Meeting<br />

(RETIC) in Yaounde (Kamerun)<br />

ausgerichtet. 30 Gruppen aus Afrika,<br />

Asien und Europa waren beim Fesitval<br />

vertreten, das sich als Förderung der<br />

afrikanischen Theaters und junger afrikanischer<br />

Künstler sowie als Plattform<br />

für den Austausch zwischen neuen Theaterästhetiken<br />

und konventionellen dramatischen<br />

Formen versteht. Erklärtes<br />

Ziel ist die gleichwertige Wahrnehmung<br />

des afrikanischen Theaters zwischen den<br />

Theaterkulturen der Welt. Diesen Zielen<br />

dienten neben den Aufführungen auch<br />

eine Ehrung des Dramatikers Léopold<br />

Sédar Senghor, ein internationales Seminar<br />

zum Problemfeld der Autorenrechte,<br />

ein Workshop für Künstlerinnen<br />

aus Zentral Afrika, eine Treffen von Direktoren<br />

und künstlerischen Leitern afrikanischer<br />

Festivals und Veranstaltungen<br />

für ein breites Publikum. Leider steht<br />

keine Website zum Programm und den<br />

nächsten Terminen zur Verfügung, man<br />

erhält aber Informationen über das <strong>ITI</strong><br />

in Kamerun.<br />

A<strong>mb</strong>roise Mbia, <strong>ITI</strong> Cameroun, BP 8163<br />

Youndé, Cameroon. Tel. +237 2 769 65<br />

65, Fax: 237/2 222 1873<br />

iticameroun@yahoo.fr<br />

Asian Dance Conference<br />

2007<br />

Die dritte Asian Dance Conference<br />

wird vom 07. bis 12. Februar 2007 in<br />

Tokio stattfinden. Organisiert vom japanischen<br />

<strong>ITI</strong>-Zentrum und unter der<br />

Schirmherrschaft des <strong>ITI</strong> international<br />

Dance Committee stellt die Konferenz<br />

eine Austauschplattform für Künstler<br />

in Asien – mit seiner enormen Vielfalt<br />

an Theaterkulturen, ästhetischen Stilen<br />

und künstlerischen Handschriften dar.<br />

iti@topaz.dti.ne.jp<br />

www.green.dti.ne.jp/~iti<br />

25. Fadjr Festival in Teheran Das Dramatic Arts Centre (in welchem<br />

das iranische <strong>ITI</strong>-Zentrum integriert ist)<br />

kündigt die 25. Ausgabe des Festivals<br />

an. Die Organisatoren werden wieder<br />

15 Produktionen aus dem Ausland und<br />

Das Fadjr Festival in Teheran gilt als<br />

Muss für alle, die sich über die aktuelle<br />

Theaterentwicklung im Iran informieren<br />

wollen, als Gradmesser für das kulturpolitische<br />

Toleranzpotential der Mächtigen<br />

und als bedeutende Plattform für den<br />

Kulturaustausch mit dem Nahen Osten.<br />

40 Iranische Neu-Produktionen zeigen,<br />

sowie Seminare und Workshops anbieten.<br />

Der geplante Zeitraum wird vom 8.<br />

bis 17. Januar 2007 sein.<br />

Dramatic Arts Centre, International Affairs<br />

Office, Vahdat Hall, Ostad Shahryar<br />

St. Hafez Ave., Teheran, Iran,<br />

Tel. +98 21 66708861<br />

Internationales Seminar<br />

zu Drama und Religion<br />

in Teheran<br />

Das Dramatic Arts Centre in Teheran<br />

wird in Kooperation mit der Fakultät für<br />

Theater und Musik der Universität Teheran<br />

ein Internationales Seminar zu „Drama<br />

und Religion“ veranstalten und ruft<br />

im Herbst 2006 zur Einsendung von Beiträgen<br />

auf. Das Treffen soll der Debatte<br />

über die Rolle der Religion im kreativen<br />

Prozess und in der Entwicklung der dramatischen<br />

Kunst, ihren gegenseitigen<br />

Einfluss im Laufe der Theatergeschichte<br />

und der Diskussion über und die Rolle<br />

des Theaters in der Gegenwart dienen.<br />

Konferiert wird in englischer und persischer<br />

Sprache, die einzureichenden<br />

Abstracts sollten in Englisch oder in Persisch<br />

verfasst sein.<br />

Iranian Centre of <strong>ITI</strong>, Vahdat Hall, Ostad<br />

Shahryar, Av. Hafez, Teheran, Iran. Tel.<br />

+98 21 670 88 61, +98 21 672 6478<br />

Fax +98 21 6725316 iraniti@neda.net,<br />

majidsarsangi@yahoo.com<br />

26


Keine Stücke in englischer<br />

Sprache<br />

Ein internationales Panorama des<br />

zeitgenössischen Theaters plant das<br />

griechische Zentrum des <strong>ITI</strong> für Februar<br />

2007 und wird – entgegen dem Trend<br />

zur globalen Verkehrssprache Englisch<br />

auch unter Künstlern und in den Künsten<br />

– Stücke präsentieren, die keinesfalls<br />

in Englisch, sondern am besten in<br />

der Sprache einer Minderheit aufgeführt<br />

werden. Festivaldirektorin ist Olga<br />

Pozeli.<br />

itigr@otenet.gr<br />

Kooperation der <strong>ITI</strong>-Zentren<br />

in Bangladesh, Indien, Nepal und Pakistan<br />

Seit einigen Jahren kooperieren die<br />

<strong>ITI</strong>-Zentren Bangladesh, Indien und Nepal<br />

in gemeinsamen Festivals oder auch<br />

im Workshop „My Unknown Enemy“<br />

(2004). Seit diesem Jahr existiert auch<br />

ein Zentrum in Pakistan. Gemeinsam<br />

wird nun die erste Begegnung der Ausbildungsreihe<br />

„Encountering Images“<br />

in Zusammenarbeit mit dem Theatre<br />

Education and Training Committee des<br />

<strong>ITI</strong> ausgerichtet. Lokaler Veranstalter ist<br />

das <strong>ITI</strong> Bangladesh, welches zum großen<br />

Teil mit privaten Mitteln diese Begegnung<br />

junger Theaterleute fördert.<br />

Bangladesh Centre of the <strong>ITI</strong>,<br />

Dhaka Cha<strong>mb</strong>er Building (6th Floor)<br />

65-66 Motijheel C. A.,<br />

Dhaka 1000, Bangladesh.<br />

Tel. +880 2 956 23 80,<br />

Tel. +880 2 956 83 26,<br />

Fax: +880 2 956 08 82<br />

iti@adexpressions.com<br />

<strong>ITI</strong> International<br />

Offizielle Eröffnung eines<br />

Theaterzentrums im Tschad<br />

In N’Djamena (Tschad) ist das THE-<br />

MACULT Cultural Centre durch die<br />

Company des Maoundoh-culture Theatre<br />

offiziell eröffnet worden. Das Haus,<br />

das in einem Arbeiterviertel gelegen ist,<br />

bietet mit seiner Open-Air-Theaterarena<br />

Raum für Aufführungen, Proben, öffentliche<br />

Veranstaltungen und Workshops.<br />

Chad Centre of the <strong>ITI</strong>, B.P. 4330<br />

N’Djamena, Chad.’<br />

Tel. +235 5172 83,<br />

Fax: +235 51 77 05<br />

themacult@yahoo.fr<br />

Theaterausbildung<br />

in Burkina Faso<br />

Von März 2006 bis Oktober 2007<br />

läuft die Workshop-Reihe, die vom<br />

Centre for Training and Research in the<br />

Performing Arts (CFRAV) in Ouagadougou<br />

(Burkina Faso) und der Leitung von<br />

Jean-Pierre Guingané, Vize-Präsident<br />

des <strong>ITI</strong> ausgerichtet wird. Nachdem im<br />

Frühjahr 2006 Techniken des Schauspielens,<br />

Bewegungsarbeit und Afrikanischer<br />

Tanz auf dem Lehrplan standen,<br />

gab Raija-Sinikka Rantala im Oktober einen<br />

Kurs in Social Intervention Theatre.<br />

Im Frühjahr 2007 werden im Februar<br />

und Mai die Kurse mit Workshops zu<br />

Entwicklung von Bühnen-Charakteren,<br />

zu Licht- und Ton auf der Bühne, zum<br />

Stimmtraining und der Geschichte des<br />

Theaters fortgesetzt. Den afrikanischen<br />

Theatertechniken widmen sich Kurse in<br />

den Sommermonaten, so zu Storytelling<br />

und Afrikanischem Trommeln. Auch an<br />

die Brotjobs der Theaterleute auf dem<br />

afrikanischen Kontinent wird gedacht:<br />

im Herbst lautet der Schwerpunkt: der<br />

Schauspieler und die Kamera.<br />

African Regional Office for <strong>ITI</strong>, 01 BP<br />

5743, Oagadougou 01, Burkina Faso. Tel.<br />

/ Fax: +226 50 36 59 42,<br />

espacega<strong>mb</strong>idi@yahoo.fr<br />

„Der Laden des Goldschmieds“, Inszenierung des Euro Theater Central<br />

27


Meldungen<br />

KULTURPOL<strong>ITI</strong>K UND<br />

THEATERLANDSCHAFT<br />

25 Jahre THEATER AN DER RUHR<br />

Am 19. Nove<strong>mb</strong>er 1981 begann die<br />

künstlerische Arbeit des Theater an der Ruhr<br />

mit einem Skandal: „Lulu“ von Frank Wedekind<br />

hatte Premiere und ein solcher Umgang<br />

mit einem wichtigen Stück war das damalige<br />

Publikum nicht gewohnt. Skandalös empfunden<br />

wurde, dass sich sämtliche Erwartungen<br />

an die Aufführung nicht einlösten. Szenen<br />

ohne Text erzählten von der Welt. Die Gegenwart<br />

grundierte das Stück, ohne im Text<br />

benannt zu werden – so dass sich viele Zuschauer<br />

in ihrer Wahrnehmung irritiert sahen.<br />

Diese Aufführung war der erste Schritt zur<br />

Entwicklung einer ästhetischen Autonomie,<br />

um das Theater aus der Fesselung durch die<br />

Literatur zu befreien. Es war auch der erste<br />

große Auftritt von Gordana Kosanovic, die in<br />

den ersten fünf Jahren die Arbeit des Theater<br />

an der Ruhr stark mitgeprägt hat und die am<br />

08. August 1986 verstarb. Ihr zum Gedächtnis<br />

vergibt der Förderverein des Theater an<br />

der Ruhr seit 1987 zweijährig den Gordana-<br />

Kosanovic-Schauspielerpreis. Am 19. Nove<strong>mb</strong>er<br />

2006 wurde dieser Preis an Karin Neuhäuser<br />

verliehen. Frank Raddatz stellte sein<br />

Buch „Die Botschafter der Sphinx“ über die<br />

künstlerische Arbeit des Theater an der Ruhr<br />

erstmals vor. Die iranische Schauspielerin<br />

und Regisseurin Narges Hashempour, 2001<br />

Preisträgerin des Gordana-Kosanovic-Schauspielerpreises,<br />

brachte ihr Stück „Songs for<br />

Her“ zur Uraufführung.<br />

Berliner Operstiftung in der Diskussion<br />

Nach der Neubildung des Berliner Senats<br />

– wonach der Regierende Bürgermeister der<br />

deutschen Hauptstadt zugleich Kultursenator<br />

wird – befindet sich die Berliner Opernstiftung<br />

mit dem Rücktritt des Generaldirektors<br />

der Opernstiftung, Michael Schindhelmnund<br />

der Debatte um neue Konzepte nicht eben<br />

in leichtem Fahrwasser. Kultursenator Flierl<br />

hatte die Opernstiftung 2004 ohne das nötige<br />

Führungspersonal auf den Weg gebracht,<br />

Schindhelm kam erst nach einer Übergangsphase,<br />

in der er das Theater Basel weiter<br />

führte, nach Berlin. Schindhelms Pläne zur<br />

Reform der Opernstiftung, für die er mehr<br />

Zeit gefordert hatte, kommen nun neu in die<br />

Diskussion – zu der auch das mögliche Ende<br />

der Stiftung, die Schließung eines Opernhauses<br />

oder die Fusion zweier Häuser gehört.<br />

Die Veränderungsvorschläge kamen nach<br />

drei Jahren Opernstiftung allerdings auch zu<br />

spät, um die enormen Absenkungen von 17<br />

Millionen Euro bis 2009 erreichen zu können.<br />

Schindhelms Plan, die Deutsche Oper<br />

zukünftig nach dem Stagione-Betrieb zu führen<br />

wird nun diskutiert. Der von Wowereit<br />

favorisierte Plan sieht aber die Übernahme<br />

der Staatsoper durch den Bund vor.<br />

Die Unesco-Konvention über den<br />

Schutz und die Förderung der Vielfalt<br />

kultureller Ausdrucksformen wird in<br />

deutsches Recht umgesetzt.<br />

Die Unesco-Konvention über den Schutz<br />

und die Förderung der Vielfalt kultureller<br />

Ausdrucksformen wird in deutsches Recht<br />

umgesetzt. Das Bundeskabinett hat einen<br />

entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen.<br />

Das Unesco-Übereinkommen zum Schutz<br />

kultureller Vielfalt wird das Recht der beigetretenen<br />

Vertragsstaaten auf eine eigenständige<br />

Kulturpolitik völkerrechtlich bestätigen.<br />

Notwendig wird dies, da durch das Allgemeine<br />

Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen<br />

(GATS) der Handel mit Dienstleistungen<br />

zunehmend liberalisiert wird – mit<br />

Auswirkungen auch auf den Kultur- und<br />

Bildungsbereich. Die Unesco-Vertragsstaaten<br />

erkennen in ihrem Übereinkommen die Dop-<br />

28


pelnatur kultureller Aktivitäten, Güter und<br />

Dienstleistungen an. Sie betonen, dass diese<br />

aber keinesfalls nur unter wirtschaftlichen<br />

Gesichtspunkten gesehen werden können.<br />

Kernstück des Übereinkommens ist daher das<br />

Recht eines jeden Staates, regulierende und<br />

finanzielle Maßnahmen zu ergreifen, um die<br />

Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen auf<br />

seinem Staatsgebiet zu schützen. Die 33.<br />

Unesco-Generalkonferenz hat die Unesco-<br />

Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt<br />

am 20. Oktober 2005 mit 148 zu zwei<br />

Stimmen beschlossen. Deutschland gehörte<br />

auf der Konferenz zu den stärksten Befürwortern.<br />

Derzeit sind bereits zehn Staaten<br />

der Konvention beigetreten. Mindestens 30<br />

Staaten müssen sie ratifizieren, damit sie in<br />

Kraft tritt. „Es kommt nunmehr darauf an“,<br />

so der Kulturstaatsminister, „dass die Unesco-<br />

Konvention von den Mitgliedsstaaten der<br />

Europäischen Union rasch ratifiziert wird.“<br />

Nach der Bundesregierung entscheidet nun<br />

der Bundestag über den Gesetzentwurf zur<br />

Umsetzung des Unesco-Übereinkommens.<br />

www.bundesregierung.de<br />

Mehr Finanzmittel für Auswärtige<br />

Kultur- und Bildungspolitik<br />

Die Zusage von 13,5 Mio. Euro zusätzlicher<br />

institutioneller Mittel durch den Haushaltsausschuss<br />

des Deutschen Bundestages<br />

für das Goethe-Institut ermöglicht einerseits,<br />

das bestehende Netz des Goethe-Instituts zu<br />

erhalten, andererseits aber auch die deutsche<br />

Präsenz in Wachstumsregionen zu stärken.<br />

Das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut<br />

haben in den letzten Monaten gemeinsam<br />

an einem Reformkonzept gearbeitet, um das<br />

Goethe-Institut als Gesicht und Stimme der<br />

Auswärtigen Kulturpolitik zukunftsfähig aufzustellen.<br />

Ein ebenso positives Signal für die<br />

deutsche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik<br />

ist die Erhöhung der Förderung des<br />

deutschen Auslandsschulwesens um 1 Mio.<br />

Euro.<br />

Theaterstatistik 2004/05<br />

Zum 40. Mal ist die vom Bühnenverein<br />

herausgegebene Theaterstatistik mit den<br />

wichtigsten Daten der Theater und Orchester<br />

in Deutschland, Österreich und Schweiz<br />

erschienen. Die öffentlich getragenen Theater<br />

in Deutschland mussten auch in der Spielzeit<br />

2004/05 wieder Zuschusskürzungen<br />

verkraften. Erneut sind die Zuweisungen<br />

der öffentlichen Hand für die Theater- und<br />

Orchesterbetriebe gesunken. Zwar stiegen<br />

die Zuweisungen der Länder um knapp 4<br />

Millionen Euro (2003/04 hatten die Länder<br />

um 12,7 Millionen Euro reduziert), die<br />

Kommunen verringerten ihr finanzielles Engagement<br />

jedoch um mehr als 40 Millionen<br />

Euro (2003/04 war im kommunalen Bereich<br />

bereits eine Kürzung um 30,7 Millionen Euro<br />

erfolgt). Diese Kürzungen konnten wie in<br />

den vergangenen Jahren nur durch weiteren<br />

Personalabbau aufgefangen werden. 265<br />

Beschäftigungsverhältnisse wurden in der<br />

Spielzeit 2004/2005 abgebaut. Dieser Personalabbau<br />

geht zunehmend an die Substanz.<br />

Erneut zeigt sich dies an einem Rückgang<br />

der Veranstaltungszahlen. Nachdem in der<br />

letzten Spielzeit 800 Veranstaltungen weniger<br />

stattfanden, reduzierte sich 2004/05 die<br />

Veranstaltungszahl um 1.236 auf 62.675.<br />

Das entspricht einem Minus von etwa 1,9<br />

Prozent. Die Zahl der Inszenierungen an den<br />

öffentlich getragenen Theatern hingegen<br />

blieb mit 4.629 weitgehend konstant. „Dies<br />

zeigt, wie sehr sich die Theater und Orchester<br />

bemühen, trotz geringerer öffentlicher<br />

Finanzierung ein vielseitiges künstlerisches<br />

Angebot aufrechtzuerhalten“, so Rolf Bolwin,<br />

Direktor des Deutschen Bühnenvereins,<br />

heute in Köln. Da in diesem Jahr deutlich weniger<br />

Privattheater und Musicalhäuser ihre<br />

Daten zur Verfügung gestellt haben, hat sich<br />

die Besucherzahl der Privattheater in dieser<br />

Statistik von ca.11,8 Millionen auf rund 9,9<br />

Millionen Besucher reduziert. Insgesamt erreichten<br />

damit die deutschen Theater-, Orchester-<br />

und Festspielunternehmen in der<br />

Spielzeit 2004/2005 rund 33,2 Millionen<br />

Besucher (im Vorjahr 35,6 Millionen). Davon<br />

entfielen rund 19,14 Millionen auf die öffentlich<br />

getragenen Theater (im Vorjahr 19,6<br />

Millionen), etwa 2,6 Millionen Besucher auf<br />

die selbstständigen Kulturorchester (im Vorjahr<br />

2,7 Millionen), und rund 1,6 Millionen<br />

Besucher (im Vorjahr 1,5 Millionen) sahen<br />

Vorstellungen der Festspielunternehmen.<br />

Erfreuliches ist beim Einspielergebnis zu vermelden:<br />

Die Theater und Orchesterbetriebe<br />

waren in der Spielzeit weiterhin ökonomisch<br />

erfolgreich. Das Einspielergebnis, also der<br />

Anteil der Einnahmen, die durch die Theater<br />

selbst erwirtschaftet wurden, erreichte in der<br />

Spielzeit 2004/2005 17 Prozent. Im Vorjahr<br />

waren es 16,3 Prozent, wobei die Steigerung<br />

teilweise auf eine veränderte Berechnungsweise<br />

zurückzuführen ist.<br />

Akademie Musiktheater heute nimmt<br />

15 neue Stipendiaten auf<br />

Das zweijährige Förderprogramm unterstützt<br />

erstmals auch Komponisten. Im<br />

Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm wurden<br />

15 neue Stipendiaten in das Förderprogramm<br />

der Akademie Musiktheater heute<br />

aufgenommen. Eine zehnköpfige Jury wählte<br />

aus knapp hundert Bewerbern jeweils vier<br />

junge Regisseure und Dirigenten, drei Dramaturgen,<br />

zwei Intendanten sowie erstmals<br />

auch zwei Komponisten aus. Welche Impulse<br />

braucht das Musiktheater der Gegenwart?<br />

Wohin entwickelt sich die Kunstform Oper,<br />

welche gesellschaftliche Relevanz hat sie<br />

überhaupt? Die fünfzehn neuen Stipendiaten<br />

der Akademie Musiktheater heute werden<br />

diese und andere wichtige Fragen in den<br />

nächsten zwei Jahren gemeinsam mit ihren<br />

Mitstudenten sowie mit vielen anderen Verantwortlichen<br />

im Musiktheater-Bereich diskutieren.<br />

Die Akademie Musiktheater heute<br />

ist ein 2001 gegründetes Projekt der Deutsche<br />

Bank Stiftung für angehende Führungskräfte<br />

des Opernbetriebs. Die Stipendiaten<br />

besuchen herausragende Operninszenierungen<br />

der Saison, treffen die Macher von<br />

heute zu Hintergrundgesprächen und erarbeiten<br />

in Workshops eigene Positionen zu<br />

Fragen des gegenwärtigen Opernbetriebs.<br />

In diesem Jahr wurden erstmals auch junge<br />

Komponisten in das Programm aufgenommen.<br />

„Die Akademie Musiktheater heute<br />

ist nicht nur ein herausragendes Projekt der<br />

künstlerischen Nachwuchsförderung der<br />

Deutsche Bank Stiftung - wir verstehen sie<br />

auch im Sinne einer Weiterentwicklung der<br />

Kunstform Oper“, erklärt Michael Münch,<br />

Vorstand der Stiftung. „Deshalb haben wir in<br />

diesem Jahr erstmals auch Komponisten aufgenommen.<br />

Das Musiktheater von morgen<br />

braucht engagierte, junge Menschen, die<br />

sich auf ihre Weise mit ihm auseinandersetzen.<br />

Da stellt sich auch die Frage nach zeitgenössischer<br />

Opernliteratur: Welche Musik<br />

ist geeignet, die Oper heute lebendig und<br />

aktuell zu gestalten? Und wie kann man das<br />

Publikum an diese Musik heranführen?“<br />

Deutsche Bank Stiftung /<br />

Akademie Musiktheater heute<br />

Laura Krautkrämer.<br />

Tel. + 49 (0) 6171-92 33 90<br />

laura.krautkraemer@db.com<br />

www.musiktheater-heute.org<br />

Das Kuratorium des Fonds<br />

Darstellende Künste fördert<br />

62 Projekte Freier Tanz- und Theatergruppen<br />

mit 538.270 EURO<br />

Der Fonds Darstellende Künste, der seine<br />

Zuwendungen in Höhe von 1.000.000 Euro<br />

von der Kulturstiftung des Bundes erhält,<br />

vergab in seiner zweiten Kuratoriumssitzung<br />

2006 insgesamt 538.270 Euro zur Förderung<br />

von 62 herausragenden Projekten aller Sparten<br />

der darstellenden Künste, die sich durch<br />

ihre besondere Qualität auszeichnen, von<br />

gesamtstaatlicher Bedeutung sind und zur<br />

künstlerischen Weiterentwicklung der darstellenden<br />

Künste beitragen. Dazu gehören<br />

vier Sonderprojekte „OSTEUROPA“, die in<br />

Kooperation zwischen deutschen und osteuropäischen<br />

Künstlerinnen und Künstlern entstehen<br />

und außergewöhnliche Projekte für<br />

Kinder und Jugendliche zum Ziel haben. Das<br />

Motto dieses zweiten Sonderprojektes des<br />

Fonds lautet: „Zuschauer von heute, Gestalter<br />

von morgen - für die Zukunft Europas“<br />

Nächster Abgabeschluss für Projektanträge<br />

ist der 1. Februar 2007.<br />

Günter Jeschonnek,<br />

Geschäftsführer Fonds Darstellende Künste,<br />

Weberstraße 59a, 53113 Bonn.<br />

Tel. 0228 280 48-57/-58,<br />

Fax 0228 280 48-59<br />

info@fonds-daku.de<br />

www.fonds-daku.de<br />

Forsythe-Performance «Human Writes»<br />

im Festspielhaus Hellerau<br />

Nach der feierlichen Eröffnung des renovierten<br />

Festspielhauses Hellerau im Dresdner<br />

Norden fand in der sanierten Spielstätte die<br />

Deutschlandpremiere der Tanzperformance<br />

«Human Writes» des US-amerikanischen<br />

Choreografen William Forsythe statt. Die<br />

Aufführung ist das Eröffnungsstück und zugleich<br />

der Beginn des festen Engagements<br />

der Forsythe-Company in Dresden. In der<br />

Vergangenheit war die Truppe bereits mehrmals<br />

zu Gastspielen angereist. Das Premierenstück<br />

befasst sich mit individuellen und<br />

gesellschaftlichen Grundregeln und nimmt<br />

dabei Bezug auf die Veröffentlichung der<br />

«Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte»<br />

durch die Vollversammlung der Vereinten<br />

Nationen (UNO). „Human Writes“<br />

ist eine performative Installation, die nach<br />

Angaben der Tanzcompany sowohl die Geschichte<br />

der Menschenrechte als auch die<br />

Schwierigkeiten ihrer Erfüllung reflektieren<br />

soll. Das Festspielhaus Hellerau wurde seit<br />

2004 umfassend erneuert und erhielt unter<br />

anderem neue Haus- und Bühnentechnik.<br />

Der Zuschauerraum bietet Platz für bis zu<br />

600 Personen. Die Arbeiten kosteten insgesamt<br />

11,5 Millionen Euro. Bis Ende des Jahres<br />

sind 63 Veranstaltungen in der sanierten Aufführungsstätte<br />

geplant. Der 1911 von Heinrich<br />

Tessenow konzipierte Bau ist fortan dem<br />

Meldungen<br />

29


Meldungen<br />

Europäischen Zentrum der Künste Hellerau<br />

unter der Intendanz von Udo Zimmermann<br />

angegliedert. Das Festspielhaus Hellerau galt<br />

bis zum Ersten Weltkrieg als europaweit bedeutendes<br />

Zentrum der Moderne. Allein<br />

zwischen 1911 und 1914 hielten sich dort<br />

zahlreiche Größen der europäischen Kulturelite<br />

auf, darunter der Architekt Le Corbusier,<br />

die Schriftsteller Franz Kafka, Rainer Maria<br />

Rilke, Gerhart Hauptmann und Stefan Zweig,<br />

die Komponisten Sergej Rachmaninow und<br />

Ferruccio Busoni sowie die Maler Oskar Kokoschka<br />

und Emil Nolde. Das Festspielhaus<br />

ist Teil der 1909 gegründeten Gartenstadt<br />

Hellerau. 1939 bauten die Nationalsozialisten<br />

das Festspielgelände zur Polizeischule<br />

um. 1945 zog die Rote Arme auf das Gelände.<br />

Nach 1992 wurde das stark beschädigte<br />

Festspielhaus nach und nach wieder für kulturelle<br />

Zwecke genutzt.<br />

Europäisches Zentrum der Künste / Kunstforum<br />

Hellerau, Karl-Liebknecht-Strasse 56, 01109<br />

Dresden. Tel. +49 (0) 351 26462 0<br />

www.kunstforumhellerau.de<br />

Frankfurter Autorenforum für Kinderund<br />

Jugendtheater 2006<br />

Welche künstlerischen Prozesse sind notwendig,<br />

ein Theaterstück zu schreiben? Diese<br />

und andere Fragen wurden auf dem Frankfurter<br />

Autorenforum für Kinder- und Jugendtheater<br />

vom 30.11. – 2.12.06 diskutiert. Zu der<br />

renommierten Veranstaltung des Kinder- und<br />

Jugendtheaterzentrums in der Bundesrepublik<br />

Deutschland waren 16 Dramatikerinnen<br />

und Dramatiker – u.a. die Nominierten für<br />

den Deutschen Kindertheaterpreis und den<br />

Deutschen Jugendtheaterpreis 2006 – sowie<br />

weitere Referenten eingeladen. 150 Besucher<br />

aus dem In- und Ausland folgten den<br />

Lesungen und Gesprächen und hatten die<br />

Möglichkeit, die neuen Stücke und Stückprozesse<br />

zu diskutieren. Am Donnerstag, 30.11.<br />

fand im Rahmen des Forums die Verleihung<br />

des Deutschen Kinder- und des Deutschen<br />

Jugendtheaterpreises 06 statt.<br />

Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

Henning Fangauf, Schützenstraße 12,<br />

60311 Frankfurt am Main.<br />

Tel. +49 69 296661<br />

h.fangauf@kjtz.de www.kjtz.de<br />

Rauchen muss sein Ṛ<br />

Zur aktuellen Gesundheitsdebatte hat<br />

sich nun auch der Deutsche Bühnenverein<br />

geäußert und die Bundesregierung gemahnt:<br />

Die Absicht, in Theatern ein generelles<br />

Rauchverbot gesetzlich vorzuschreiben, wäre<br />

rechtlich nicht haltbar. In vielen Dramen ist<br />

das Rauchen Bestandteil der Regieanweisung<br />

des Autors. Das gilt beispielsweise für Ibsens<br />

„Nora“ oder die Tschechow-Stücke „Onkel<br />

Wanja“ und „Die Möwe“. Es kann per Gesetz<br />

nicht vorgeschrieben werden, dass ein<br />

Werk für eine Aufführung verändert werden<br />

muss. Das gilt erst recht, wenn es noch urheberrechtlich<br />

geschützt ist, wie etwa Moritz<br />

Rinkes „Die Optimisten“, in dem einer der<br />

Protagonisten (Nick) dem anderen (Kraus)<br />

eine brennende Zigarette ausdrückt und sagt:<br />

„Wenn du heute noch eine rauchst, bring<br />

ich dich um“. In George Taboris Stück „Die<br />

Brecht-Akte“ zündet sich Brecht eine Zigarre<br />

an. Das Rauchen ist also – oft auch durch die<br />

Regie – ein im Theater immer wieder eingesetztes<br />

Stilmittel. Dies zeigt zum Beispiel die<br />

von Jürgen Gosch erarbeitete Inszenierung<br />

des Schimmelpfennig-Stücks „A<strong>mb</strong>rosia“,<br />

die kürzlich am Deutschen Theater in Berlin<br />

Premiere hatte. Der Regieanweisung dieses<br />

Stückes entsprechend („Auf der Bühne wird<br />

ununterbrochen geraucht und getrunken.“)<br />

ist das Kettenrauchen Teil des dargestellten<br />

Absturzes eines bürgerlichen Mittelstandes,<br />

der jegliche Hoffnung aufgegeben hat. „Die<br />

Kunstfreiheit gebietet für das Rauchen auf<br />

der Bühne gesetzliche Sonderregelungen“,<br />

mahnte der Direktor des Bühnenvereins, Rolf<br />

Bolwin, in Köln an.<br />

www.buehnenverein.de<br />

Glauben - ein Thema für das Theater<br />

„Glauben“ war das Thema der Fachtagung<br />

des Arbeitskreises Kirche und Theater<br />

in der EKD in Kooperation mit der Bundesakademie<br />

für kulturelle Bildung Wolfenbüttel<br />

und der Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel<br />

und Theater. Auf den deutschen Bühnen haben<br />

die Bibel, die Zehn Gebote, das Thema<br />

Glauben in den letzten Spielzeiten häufig<br />

Vorlagen für Inszenierungen geliefert. Der<br />

Glauben findet in den darstellenden Künsten<br />

Ausdruck als Ethik und als seelische Befindlichkeit.<br />

Religiöse Erfahrungen und religiöses<br />

Wissen werden lebendig, auf freiwillige und<br />

undogmatische Weise. Zeigt sich darin die<br />

Sehnsucht nach Spiritualität, der es nicht<br />

nur um Selbstverwirklichung geht, sondern<br />

auch um Kritik an Lebensgestaltungen, die<br />

ohne Religiosität und Spiritualität auszukommen<br />

versuchen? Ist es die Suche nach Orientierung,<br />

nach Werten, nach Sinn und gelingendem<br />

Leben angesichts bedrängender<br />

persönlicher und gesellschaftlicher Fragen?<br />

Nicht nur beim Rückgriff auf religiöse Texte<br />

und Themen begegnen sich Theater und Religion.<br />

Künstlerische Ästhetik und gerade die<br />

Ästhetik des Theaters ermöglicht intensive<br />

sinnliche Erfahrungen, die uns ergreifen und<br />

auch religiös gedeutet werden können. Sie<br />

öffnet die Wahrnehmung für das, „was uns<br />

unbedingt angeht“ (Tillich). Sein und Bedeutung,<br />

Zeichen und Bezeichnetes werden<br />

im theatralen Geschehen zusammengeführt<br />

– eine Erfahrung, die man auch mystisch<br />

nennen könnte. Manchmal freilich geht das<br />

nicht ohne Konflikte ab. Welche Bedeutung<br />

Ästhetik, Sinnlichkeit und Körperlichkeit auch<br />

in der religiösen Praxis haben, in Liturgie und<br />

Religionspädagogik, haben die Kirchen schon<br />

längst erkannt und handeln entsprechend.<br />

Neben der Bildenden Kunst spielen theaterpädagogische<br />

Ansätze dabei eine besondere<br />

Rolle. In der Tagung werden Theatermacher,<br />

Theaterpädagogen, Autoren und Theologen<br />

über Ästhetik und religiöse Erfahrung sprechen,<br />

Praxisbeispiele kritisch betrachten und<br />

den ästhetisch-religiösen Dialog proben.<br />

Klaus Hoffmann<br />

Arbeitskreis Kirche und Theater e.V. in der EKD,<br />

Simrockstr. 8, 30171 Hannover.<br />

Tel.0511- 4581799, hoffmann@bag-online.de<br />

Internationale Konferenz: Kultur und<br />

Entwicklung – Wege in die Praxis<br />

Auf der gemeinsamen Konferenz „Kultur<br />

und Entwicklung – Wege in die Praxis“<br />

sollten vom 20. bis 22. Nove<strong>mb</strong>er in Berlin<br />

die Ergebnisse zusammengeführt und konkrete<br />

Handlungsperspektiven entwickelt<br />

werden. Höhepunkt war der Vortrag „Cultures<br />

between Innovation and Tradition: The<br />

Challenges of Diversity and Distinctiveness“<br />

des Stadtentwicklungs-Experten Charles<br />

Landry. Auf der anschließenden zweitägigen<br />

Fachkonferenz wurden Arbeitsgruppen und<br />

Foren gemeinsame Ziele von Entwicklungszusammenarbeit<br />

und auswärtiger Kulturarbeit<br />

definieren. Dabei ging es auch darum,<br />

gemeinsam mit den Vertretern der regionalen<br />

runden Tische und Experten aus Politik,<br />

Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und<br />

Medien konkrete Handlungsperspektiven zu<br />

formulieren. www.goethe.de<br />

Leitungswechsel bei den Sophiensælen<br />

Die Berliner Sophiensæle haben eine<br />

neue Leitung, lange schien offen, wer die<br />

Nachfolge von Amelie Deuflhard, die als<br />

Künstlerische Leiterin von Kampnagel nach<br />

Ha<strong>mb</strong>urg wechselt, antreten wird. Die Gesellschafter,<br />

darunter auch Jochen Sandig<br />

und Sasha Waltz, die eben in Berlin mit dem<br />

Radialsystem eine neues Haus für die Künste<br />

eröffnet haben, ließen lange mit der Entscheidung<br />

auf sich warten. Nun wird Thomas<br />

Frank, der neben Deuflhard für das Programm<br />

der Sophiensæle stand, an das Theater Wien<br />

wechseln, neue Leiterin wird Heike Albrecht,<br />

die als Tanzkuratorin am Leipziger LOFFT, als<br />

Kuratorin des westend-Festivals und zuletzt<br />

als künstlerische Leiterin der Tanznacht Berlin<br />

auf sich aufmerksam machte.<br />

Nachrichten aus Argentinien - zutiefst<br />

beunruhigend<br />

Endlich, dreißig Jahre nach Beendigung<br />

der Militärdiktatur in Argentinien, wird dort<br />

versucht über diejenigen zu richten, die<br />

verantwortlich sind für die Entführung von<br />

Diktaturgegnern, deren Folterung, Vergewaltigung,<br />

Ermordung und Enteignung derer<br />

Kleinstkinder in den Jahren 1976 bis 1983.<br />

Vor neun Tagen, wurde in einem historischen<br />

Urteil Ex-Polizeichef Etchecolaz zu lebenslanger<br />

Haft verurteilt, wegen Genozid und<br />

Verbrechen gegen die Menschenrechte. Am<br />

Morgen des 18.09. diesen Jahres, am Tag der<br />

Urteilsverkündung durch das Tribunal N°1 der<br />

Stadt La Plata, „verschwand“ einer der Hauptzeugen<br />

der Anklage, Herr Julio López, ohne<br />

ein Anzeichen über seinen Verbleib zu hinterlassen.<br />

Ein Umstand, der die Arbeit des Gerichts<br />

zunächst erschwerte, da in Argentinien<br />

die Hauptzeugen bei der Verkündung des<br />

Urteils zugegen sein müssen. Herr Lopez wurde<br />

im Oktober 1976 von Kräften Etchecolaz`<br />

entführt und über Jahre in zwei verschiedenen<br />

Vernichtungslagern in der Provinz Buenos<br />

Aires festgehalten. Er galt als einer der Tausenden<br />

von Verschwundenen. Heute ist er 76<br />

Jahre alt. Acht Tage nach seinem plötzlichen<br />

Verschwinden lässt sich noch immer nicht sein<br />

aktueller Aufenthaltsort bestimmen. Mehrere<br />

Personen, ebenfalls Zeugen, und Organisationen<br />

zum Schutz der Menschenrechte die<br />

mit diesem Fall vertraut wurden sind bedroht<br />

worden. Daher unser Aufruf an die internationalen<br />

und öffentlichen Medienanstalten,<br />

dieses neue Verbrechen bekannt, die Öffentlichkeit<br />

auf die wieder gefährdete Sicherheit<br />

der argentinischen Bevölkerung aufmerksam<br />

zu machen und um die Herausgabe der Geisel<br />

Julio López zu verlangen, in der Hoffnung,<br />

dass dieser noch am Leben ist.<br />

Übermittelt von Claudia Billourou<br />

30


Neue Konstruktion für den Tanz in<br />

Freiburg und Heidelberg<br />

Mit Beginn der Spielzeit 2006/2007<br />

setzten die Theater Freiburg und Heidelberg<br />

ihre seit 2004/2005 bestehende Zusammenarbeit<br />

im Bereich des Tanzes fort. Die Intendanten<br />

Barbara Mundel und Peter Spuhler<br />

freuen sich, dass es gelungen ist, Joachim<br />

Schlömer als künstlerischen Leiter und Kurator<br />

für den Tanz zu gewinnen. Die neu formierte<br />

Sparte arbeitet als ein Laboratorium<br />

für Zeitgenössischen Tanz unter dem Namen<br />

pvc. „pvc ist ein Versuch, zeitgenössischen<br />

Tanz in Stadttheaterstrukturen auf einer anderen<br />

Vermittlungsebene neu zu denken“,<br />

so die Initiatoren.<br />

Neues Theaterhaus in Potsdam<br />

Nach 211 Jahren wurde am Freitag, 22.<br />

Septe<strong>mb</strong>er, in Potsdam erstmals wieder ein<br />

Theater eröffnet. Damit geht für das Ense<strong>mb</strong>le<br />

des Hans Otto Theaters eine lange Zeit der<br />

Provisorien und Ersatzspielstätten zu Ende.<br />

Vom renommierten Kölner Architekten Gottfried<br />

Böhm entworfen, liegt das an die Sydney<br />

Oper erinnernde Gebäude direkt am Ufer<br />

des Tiefen Sees. Eine Anlegestelle für Schiffe<br />

macht für Gäste aus Potsdam und Berlin auch<br />

eine Anreise auf dem Wasser möglich. Dies ist<br />

wohl einzigartig in der deutschen Theaterlandschaft.<br />

Allerdings kämpften Bauleute und<br />

Hausherren in den ersten Wochen der Inbetriebnahme<br />

mit starken Problemen der Akustik.<br />

Zur Eröffnung waren Bundespräsident<br />

Horst Köhler sowie der brandenburgische<br />

Ministerpräsident Matthias Platzeck und Potsdams<br />

Oberbürgermeister Jann Jakobs zugegen.<br />

Intendant Uwe Eric Laufenberg empfing<br />

den Schlüssel des neuen Hauses.<br />

Radialsystem V<br />

Berlin hat ein neues Haus für die Künste<br />

- insbesondere für den (Zeitgenössischen)<br />

Tanz und die (Alte) Musik. In Berlin wurde das<br />

Radialsystem V mit einem bunten Programm<br />

eröffnet. Das neue “Haus für die Künste”<br />

liegt am Spreeufer nahe dem Ostbahnhof.<br />

Die künstlerische Leitung des Projektes liegt<br />

in den Händen von Jochen Sandig, dem Manager<br />

von Sasha Waltz & Guests und Folkert<br />

Uhde, dem Manager der Akademie für Alte<br />

Musik.<br />

www.radialsystem.de<br />

Schauspiel Stuttgart ist<br />

„Theater des Jahres“ -<br />

38 Kritiker nannten Höhepunkte der<br />

Saison 2005/06<br />

Das Schauspiel Stuttgart ist in der diesjährigen<br />

Kritiker-Umfrage der Zeitschrift<br />

Theater heute zum „Theater des Jahres“<br />

gewählt worden. Hasko Weber ist nach den<br />

Kritikern der überzeugendste Neustart der<br />

Saison gelungen. Vor allem in seiner ersten<br />

Spielzeit 2005/06 konnte die Gesamtleistung<br />

des Hauses die Kritiker überzeugen. Weber<br />

mache Theater, das Ästhetik, Aktualität und<br />

Sinnlichkeit packend und poetisch miteinander<br />

verbindet. Zu den „Schauspielern des<br />

Jahres“ wurden Katharine Schüttler für die<br />

Titelrolle in Thomas Ostermeiers Inszenierung<br />

der „Hedda Gabler“ und Felix Goeser<br />

als Platonow in Karin Henkels Tschechow-<br />

Inszenierung gekürt. Erwähnenswerte Nennungen<br />

erhielten Sandra Hüller als Dido in<br />

Sebastian Nüblings „Dido und Aeneas“ und<br />

Ernst Stötzner als Duncan in der „Inszenierung<br />

des Jahres“ der „Macbeth“ von Jürgen<br />

Gosch. In der Kategorie „Kostü<strong>mb</strong>ildner/<br />

in“ gewannen Johannes Schütz mit seinen<br />

Arbeiten in Goschs „Macbeth“ und „Drei<br />

Schwestern“ und Muriel Gerstner in „Dunkel<br />

lockende Welt“ an den Münchener Kammerspielen.<br />

Für eben dieses Stück erhielt Händl<br />

Klaus den Titel „Dramatiker des Jahres“,<br />

gefolgt von Feridun Zaimoglu und Günter<br />

Senkel, die mit „Schwarze Jungfrauen“ die<br />

Kritiker überzeugen konnten. Ausländische<br />

Dramatiker wurden Biljana Srbljanovic für<br />

„Heuschrecken“, Neil LaBute für „Wie es so<br />

läuft“ und „Fettes Schwein“ sowie Simon<br />

Stephens für „Am Strand der weiten Welt“.<br />

In der „Nachwuchs“-Kategorie überzeugten<br />

Katharina Lorenz für ihre Rollen bei Jürgen<br />

Gosch und Jürgen Vontobel als Nachwuchsregisseur.<br />

Tanzcompagnie Nord-West zwischen<br />

Bremen und Oldenburg gegründet<br />

Markus Müller, Generalintendant des<br />

Oldenburgischen Staatstheaters und Hans-<br />

Joachim Frey, designierter Generalintendant<br />

des Bremer Theaters, stellten im Herbst das<br />

Konzept der zukünftigen Zusammenarbeit<br />

beider Häuser im Bereich Tanztheater vor.<br />

Basis ist eine langfristig angelegte Kooperation<br />

zwischen der Tanzcompagnie des Oldenburgischen<br />

Staatstheaters und dem Bremer<br />

Tanztheater. Die Tanzcompagnie Oldenburg<br />

und das Bremer Tanztheater gehen jeweils<br />

von einem eigenständigen künstlerischen<br />

Profil aus, um sich als zwei gleichgewichtige<br />

Partner zu begegnen und gemeinsam eine<br />

starke Doppelcompagnie, die „Tanzcompagnie<br />

Nord-West“ (Arbeitstitel), zu bilden, die<br />

als neue, gemeinsame Dachmarke regional,<br />

aber auch international etabliert werden soll.<br />

Sowohl in Bremen als auch in Oldenburg werden<br />

eigenständige Tanzsparten mit jeweils 10<br />

fest engagierten Tänzerinnen und Tänzern<br />

bestehen. Die Tanzcompagnie des Oldenburgischen<br />

Staatstheaters und das Bremer Tanztheater<br />

arbeiten unter der Leitung eines neu<br />

geschaffenen Direktoriums an jedem Haus<br />

mit einem Choreografen in Residenz. Darüber<br />

hinaus ist die Verpflichtung von Gastchoreografen<br />

vorgesehen. Geplant sind pro Spielzeit<br />

jeweils zwei Produktionen in Oldenburg und<br />

in Bremen sowie eine gemeinsame große<br />

Produktion mit allen zwanzig Tänzern. Alle<br />

fünf Neuproduktionen einer Spielzeit werden<br />

sowohl in Oldenburg als auch in Bremen als<br />

Repertoire gezeigt. Durch den Austausch der<br />

Produktionen werden Synergieeffekte sowie<br />

eine große Vielfalt im Spielplan gewährleistet.<br />

Als Choreograf in Residenz für die Tanzcompagnie<br />

des Oldenburgischen Staatstheaters<br />

wird ab der Spielzeit 2007/08 der Ha<strong>mb</strong>urger<br />

Choreograf Jan Pusch verpflichtet. Analog<br />

laufen Verhandlungen mit dem Bremer Spartenleiter<br />

Urs Dietrich für das Bremer Tanztheater.<br />

Sie werden jeweils eine Choreografie pro<br />

Spielzeit kreieren und sind darüber hinaus für<br />

die Zusammenstellung und choreografische<br />

Betreuung der Ense<strong>mb</strong>les verantwortlich.<br />

Sie beraten das Direktorium bei der Auswahl<br />

der Gastchoreografen und der künstlerischen<br />

Weiterentwicklung der Compagnien. Die Leitung<br />

der neuen Doppelcompagnie obliegt<br />

einem zweiköpfigen Direktorium: Direktor<br />

wird Honne Dohrmann, leitende Dramaturgin<br />

Dr. Patricia Stöckemann. Das Direktorium<br />

zeichnet verantwortlich für das Repertoire des<br />

Ense<strong>mb</strong>les, seine ästhetische Ausrichtung,<br />

das gemeinsame Budget der neuen Struktur,<br />

die Verpflichtung der Gastchoreografen und<br />

die Außenvertretung der Doppelcompagnie.<br />

Die neue Tanzcompagnie Nord-West (Arbeitstitel)<br />

untersteht dem Oldenburger Generalintendanten<br />

Markus Müller sowie dem<br />

designierten Bremer Generalintendanten<br />

Hans-Joachim Frey. Die Teilcompagnien Bremer<br />

Tanztheater und Tanzcompagnie Oldenburg<br />

bleiben wirtschaftlich ihren jeweiligen<br />

Häusern angegliedert. Alle Aktivitäten werden<br />

unter dem eigenständigen Corporate Design<br />

und auf der eigenen Website der Tanzcompagnie<br />

Nord-West (Arbeitstitel) kommuniziert.<br />

Als Gastchoreografen sollen möglichst profilierte<br />

in- und ausländische Künstler verpflichtet<br />

werden, die dem Tanztheater und dem<br />

zeitgenössischem Tanz nahe stehen. Wiederaufnahmen<br />

berühmter Choreografien sind<br />

denkbar, vorzugsweise von den Originalchoreografen<br />

neu einstudiert. Die ersten beiden<br />

Premieren sind für den 19. und 20. Oktober<br />

2007 vorgesehen.<br />

Václav Havel –<br />

Ein Fest zum 70. Geburtstag /<br />

Ausstellung mit Bühnenbildern<br />

Mit großem Erfolg ging am 6. und<br />

7.10.2006 „Václav Havel – Ein Fest zum 70.<br />

Geburtstag“ über die Bühne des Hauses der<br />

Berliner Festspiele. Für die Veranstaltung kooperierten<br />

das Tschechische Zentrum und die<br />

Berliner Festspiele mit der Robert-Bosch-Stiftung,<br />

der Dramaturgischen Gesellschaft und<br />

dem Internationalen Theaterinstitut. Neben<br />

der Vorstellung von „Kiss You, And Tears“<br />

von Mohammad Charmshir, mehreren Podiumsdiskussionen<br />

– so diskutierte im Panel<br />

zu „Erfolg und Wirkung Václav Havels’ u.a.<br />

Manfred Beilharz, Präsident des Internationalen<br />

Theaterinstituts - und dem Konzert der<br />

„Plastic People of the Universe“ konnte auch<br />

die Ausstellung mit Bühnenbildern zu Havel-<br />

Stücken in der Tschechischen Republik und<br />

international zahlreiche Besucher begeistern.<br />

Leider war die Ausstellung in diesem Rahmen<br />

nur zwei Tage zu sehen, sie steht jedoch für<br />

weitere Präsentationen beim Tschechischen<br />

Zentrum zur Verfügung.<br />

www.czech-berlin.de<br />

Judith Malina wurde 80 Jahre jung<br />

Zu Ehren von Judith Malina, der Gründerin<br />

des legendären Living Theatre, veranstaltete<br />

die Akademie der Künste am Hanseatenweg<br />

in Zusammenarbeit mit dem Fonds<br />

Darstellende Künste und dem Internationalen<br />

Theaterinstitut sowie den Berliner Regisseuren<br />

Karin Kaper und Dirk Szuszies im<br />

Rahmen der Reihe „Hoffnung Theater“ eine<br />

besondere Geburtstagsgala, die sich weit<br />

über den Anlass hinaus aktuellen Fragen politischen<br />

Theaterschaffens widmete. Judith<br />

Malina zeigte Szenen aus aktuellen Arbeiten,<br />

dokumentarische Szenen stellten die Zeit, in<br />

der das Living Theatre in Berlin war, vor. Und<br />

Peter von Becker diskutierte mit Judith Malina,<br />

Christoph Schlingensief, Matthias Lilienthal<br />

und Daniel Wetzel (Rimini-Protokoll).<br />

Veränderungen bei den ZBF-Agenturen?<br />

Anfang des Herbstes hatte die Ankündigung,<br />

die Bundesagentur für Arbeit würde<br />

ihre Künstlervermittlung in Leipzig und Ha<strong>mb</strong>urg<br />

schließen, Aufregung und Protest aus-<br />

Meldungen<br />

31


Meldungen<br />

gelöst. Im Zuge einer laufenden Reform prüft<br />

die Bundesagentur für Arbeit (BA) auch, wie<br />

die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung - und<br />

damit auch der dort angesiedelte Künstlerdienst<br />

- in Zukunft optimal organisiert werden<br />

kann. Angesichts der derzeitigen politischen<br />

Diskussion hat der Vorstand der BA<br />

beschlossen, grundsätzliche Entscheidungen<br />

zu diesem Thema erst zu treffen, wenn Beschlüsse<br />

auf politischer Ebene gefallen sind.<br />

In die Kritik war der Künstlerdienst der BA<br />

durch eine Feststellung des Bundesrechnungshofes<br />

und eine daran anschließende<br />

Aufforderung des Rechnungsprüfungsausschusses<br />

des Bundestages gekommen. Bemängelt<br />

wurde insbesondere die Tatsache,<br />

dass Künstlerinnen und Künstler durch die<br />

BA vielfach in selbstständige Engagements<br />

vermittelt werden. Die BA würde damit über<br />

ihren gesetzlichen Auftrag hinausgehen. Inzwischen<br />

verändert sich jedoch die Rechtslage.<br />

Im Bundestag wird eine Gesetzesinitiative<br />

mit dem Ziel angestrebt, dass die BA in<br />

selbstständige Tätigkeiten vermitteln kann,<br />

da auch Selbstständigkeit ein Ausweg aus Arbeitslosigkeit<br />

und Leistungsbezug ist.<br />

Werkstatistik 2004/05 des Deutschen<br />

Bühnenvereins<br />

Die Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins<br />

„Wer spielte was?“, informiert über<br />

das Gesamtrepertoire des Theaters im deutschen<br />

Sprachraum für die Spielzeit 2004/05.<br />

Das Jugendstück „Klamms Krieg“ von Kai<br />

Hensel, welches sich mit dem aktuellen<br />

Schulalltag auseinandersetzt, wurde mit 31<br />

Inszenierungen am häufigsten inszeniert. Die<br />

meisten Besucher lockte Goethes „Faust“<br />

und Stephen Sinclair’s Arbeitslosen-Revue<br />

„Ladies Nicht“ in jeweils 28 und 27 Inszenierungen<br />

an. Das Schiller-Jahr spiegelte sich<br />

auch im Repertoire wider. In Deutschland<br />

gab es 111 Inszenierungen seiner Werke; die<br />

meistgespielten Stücke dabei waren „Kabale<br />

und Liebe“ (25), „Die Räuber“ (18), „Die<br />

Jungfrau von Orleans“ (12), „Maria Stuart“<br />

(11) und „Don Carlos“ (11). Im Musiktheater<br />

setzten sich mit Mozarts „Zauberflöte“ (45),<br />

Humperdincks „Hänsel und Gretel“ (25) und<br />

Bizets „Carmen“ (22) und Opern von Verdi,<br />

Puccini, Wagner und Rossini als Opernwerke<br />

des klassischen Repertoires durch. Der Anteil<br />

der Ur- und Erstaufführungen lag bei 8<br />

%, und ist damit im Vergleich zum Vorjahr<br />

um 4% zurückgegangen. Im Bereich des<br />

Schauspiels ist der Anteil mit 15,9 % stabil<br />

geblieben. Konkret wurden 32 Opern und<br />

300 Schauspielwerke ur- bzw. erstaufgeführt.<br />

Besonders erwähnenswert dabei sind Lukas<br />

Bärfus’ „Der Bus“ (Thalia Theater Ha<strong>mb</strong>urg),<br />

Peter Handkes „Untertagblues“ (BE) und<br />

Marius Mayenburgs „Eldorado“ (Schaubühne<br />

am Lehniner Platz) im Bereich Schauspiel<br />

und Hans Zenders „Chief Joseph“ (Deutsche<br />

Staatsoper Berlin), Joachim Hespos’ „iOPAL“<br />

(Niedersächsisches Staatstheater Hannover)<br />

und Toro Takemitsus „My Way of Life“<br />

(Deutsche Staatsoper Berlin) im Bereich<br />

Musiktheater. Die Werkstatistik des Deutschen<br />

Bühnenvereins umfasst 430 Bühnen in<br />

Deutschland, Österreich und der Schweiz.<br />

www.buehnenverein.de<br />

AUSSCHREIBUNGEN<br />

Hospitationsprogramm<br />

Wie in jedem Jahr können sich junge<br />

Theaterleute aus nicht-westlichen Ländern<br />

für das Hospitationsprogramm bewerben.<br />

Dabei handelt es sich in der Regel um Theaterleute,<br />

die in ihrem Heimatland bereits<br />

weiter reichende Erfahrungen im Theater<br />

gesammelt haben und die ihrerseits ihre<br />

Erfahrungen als Multiplikatoren in der Theaterszene<br />

weiter tragen. Voraussetzung für die<br />

Einladung ist die künstlerische Qualifikation<br />

des Bewerbers. Die Auswahl der Bewerber<br />

erfolgt in Zusammenarbeit mit <strong>ITI</strong>-Zentren<br />

und Zweigstellen des Goethe-Instituts.<br />

www.iti-germany.de<br />

Autorentheatertage 2007<br />

am Thalia-Theater<br />

„Was hält die Gesellschaft zusammen?“<br />

fragt das Ha<strong>mb</strong>urger Thalia Theater junge<br />

Autorinnen und Autoren unter 40 Jahren<br />

und bittet um die Einsendung neuer, noch<br />

nicht uraufgeführter Stücke für die Autorentheatertage<br />

vom 1. bis 16. Juni 2007. Gesucht<br />

werden Stücke, die mit einer kritischen<br />

Aufmerksamkeit den Veränderungen und<br />

Verwerfungen der Gesellschaft im Großen<br />

wie im Kleinen nachspüren. Juror ist das Ense<strong>mb</strong>le<br />

des Thalia Theaters und damit auch<br />

ein Großteil der Schauspieler, die die ausgewählten<br />

Stücke in der Langen Nacht der Autoren<br />

in Form von Werkstattinszenierungen<br />

präsentieren werden.<br />

Einsendeschluss ist der 31. Januar 2007. Manuskripte<br />

in zweifacher Ausfertigung an das<br />

Thalia Theater, Stichwort Autorentheatertage,<br />

Alstertor, 20095 Ha<strong>mb</strong>urg.<br />

(Bitte keine Monologe!) www.thalia-theater.de<br />

No Ballet<br />

Nachdem im März 2006 no ballet, der<br />

1. Internationale Choreografie-Wettbewerb<br />

Ludwigshafen 2006, mit über 300 Bewerbungen<br />

aus insgesamt 35 Nationen eine<br />

enorme nationale und internationale Beachtung<br />

gefunden hat, veranstaltet das Theater<br />

im Pfalzbau, erneut auf Initiative und unter<br />

der künstlerischen Leitung der Choreografin<br />

Juliane Rößler, den 2. Internationalen Choreografie-Wettbewerb<br />

Ludwigshafen 2007.<br />

Zur Jury gehören Marguerite Donlon (Choreografin),<br />

Hansgünther Heyme (Intendant,<br />

Regisseur), Pit Holzwarth (Regisseur), Klaus<br />

Obermaier (Komponist, Medienkünstler),<br />

Graziella Padilla (Choreografin, Tanzpädagogin),<br />

Hartmut Regitz (Tanzkritiker), Juliane<br />

Rößler (Choreografin), Friedrich Schirmer<br />

(Intendant) und Darrel Toulon (Choreograf).<br />

Anmeldeschluss ist der 31.1<strong>2.2006</strong>.<br />

www.no-ballet.com<br />

Stiftung Kunstfonds - Stipendien und<br />

Projektförderung in 2007<br />

Bildende Künstlerinnen und Künstler mit<br />

ständigem Wohnsitz in Deutschland können<br />

sich bei der Stiftung Kunstfonds für das Jahr<br />

2007 um ein einjähriges Arbeitsstipendium<br />

(16.000 Euro) oder um einen Projektzuschuss<br />

bis maximal 25.000 Euro bewerben.<br />

Außerdem stehen Mittel für Konservierungsmaßnahmen<br />

von Medienarbeiten und die<br />

Erarbeitung von Werkverzeichnissen zur<br />

Verfügung. Anträge können nur bildende<br />

Künstlerinnen und Künstler mit ständigem<br />

Wohnsitz in Deutschland oder deren Rechtsnachfolger<br />

stellen. Der Bewerbungsschluss<br />

war der 31. Oktober 2006. Die Anträge müssen<br />

bis zu diesem Termin vollständig in der<br />

Geschäftsstelle der Stiftung Kunstfonds in<br />

Bonn vorliegen. Die Jury wird ihre Entscheidung<br />

im Februar 2007 treffen.<br />

Anträge, Vergaberichtlinien und Hinweise zur<br />

Antragstellung:<br />

http://www.kunstfonds.de/kuenstlerprogramm.html<br />

www.kunstfonds.de/kuenstlerprogramm.html<br />

Stipendien für Theaterschaffende<br />

Die Theaterproduktionsgesellschaft „wasihrwollt<br />

Productions“ von Peter Zadek und<br />

Tom Stro<strong>mb</strong>erg vergibt acht Postgraduierten-Stipendien<br />

an Absolventen verschiedener<br />

Bühnenstudiengänge, die an Zadeks<br />

Inszenierung von Shakespeares „Was Ihr<br />

wollt“ (Premiere im Mai 2007 bei den Wiener<br />

Festwochen) mitarbeiten würden.<br />

Genauere Informationen zu der Ausschreibung<br />

stehen unter www.wasihrwollt.eu<br />

Symposium -<br />

TanzForschung & TanzAusbildung<br />

Das Symposium „TanzForschung & Tanz-<br />

Ausbildung“ – aus Anlass des 20. Jahrestages<br />

der Gründung der Gesellschaft für Tanzforschung<br />

wird vom 4. bis 7. Oktober 2007 in<br />

der Staatlichen Ballettschule Berlin ausgerichtet.<br />

Hierzu geht der Call for Papers.<br />

Die Tanzerziehung an Schulen und freizeitkulturellen<br />

Einrichtungen ist in Bewegung<br />

gekommen, die Tanzausbildung an<br />

Berufsfachschulen und Hochschulen wird<br />

neu strukturiert und im universitären Bereich<br />

etabliert sich die Tanzwissenschaft mehr und<br />

mehr zu einem eigenständigen Fach. Das Jubiläum<br />

der Gesellschaft für Tanzforschung ist<br />

ein günstiger Anlass, um zu einer kritischen<br />

Bestandsaufnahme aufzurufen und Ergebnisse<br />

und Folgen dieser Entwicklungen zu<br />

reflektieren. Nicht zuletzt kann eine solch<br />

kritische Analyse dazu beitragen, einen Ausblick<br />

nach vorn und Perspektiven für zukünftige<br />

Arbeits- und Aufgabenfelder zu gewinnen.<br />

Aufgrund der anstehenden Reformen<br />

auf dem Bildungs- und Weiterbildungssektor<br />

sowie der strukturellen Veränderungen im<br />

Bereich der professionellen Ausbildung an<br />

Berufsakademien und Hochschulen wird die<br />

Diskussion neuer Ausbildungskonzepte und<br />

Studienmodule bei der Berliner Tagung einen<br />

breiten Raum einnehmen. Darüber hinaus<br />

möchte das Symposium einen Überblick über<br />

die Entwicklung der Tanzwissenschaft im<br />

deutschsprachigen Raum (und international<br />

vergleichend) geben, mit ihren Forschungsschwerpunkten<br />

und Forschungsleistungen,<br />

aber auch mit ihren wissenschaftstheoretischen<br />

Fragen und Problemen. Interessierte<br />

Tanzwissenschaftlerinnen und Tanzwissenschaftler<br />

werden gebeten, passende Beiträge<br />

einzureichen. Alle Universitäten und<br />

wissenschaftliche Einrichtungen werden<br />

eingeladen, sich an diesem Symposium aktiv<br />

zu beteiligen, indem sie über ihre laufenden<br />

Forschungsprojekte bzw. ihre aktuellen wissenschaftlichen<br />

Schwerpunkte berichten.<br />

Es werden verschiedene Präsentationsmöglichkeiten<br />

vorhanden sein (Vortrag, mediale<br />

AV-Lecture Demonstration, Poster). Inhaltlich<br />

sollten die Beiträge entweder Herausforderungen<br />

und Chancen für neue Konzepte<br />

32


einer zeitgemäßen Tanz- und Tanzpädagogikausbildung<br />

thematisieren oder sie sollten<br />

über eine wissenschaftliche Forschungsarbeit<br />

berichten. Das Jahrbuch 18 (2008) der Gesellschaft<br />

für Tanzforschung soll die Tagung<br />

dokumentieren. Wir bitten Sie höflich um die<br />

Einreichung eines einseitigen Abstracts mit<br />

der inhaltlichen Skizzierung des geplanten<br />

Beitrags. Termin: 15. Februar 2007.<br />

Kontakt: Dr. Claudia Fleischle-Braun,<br />

Kastanienweg 8, 70597 Stuttgart.<br />

Tel. 0711 / 7654897<br />

Fax 0711 / 9073854<br />

mail: claudia.fleischle@arcor.de<br />

www.gtf-tanzforschung.de<br />

TRANSFERT THÉÂTRAL (TT)<br />

THEATER-TRANSFER<br />

Das Bureau du Théâtre et de la Danse<br />

macht aufmerksam auf die Deutsch-französische<br />

Übersetzerstipendien für zeitgenössische<br />

Theaterstücke. Die Stipendien unter<br />

dem Titel THEATER-TRANSFER (TT) TRANS-<br />

FERT THÉÂTRAL, die vom Bureau du Théâtre<br />

et de la Danse der Französischen Botschaft<br />

in Berlin, vom Goethe-Institut Lyon, von Beaumarchais<br />

und von der DVA-Stiftung Stuttgart<br />

koordiniert und finanziert werden, sind<br />

erneut für 2007 ausgeschrieben worden. Ziel<br />

des Programms ist es, Übersetzungs- und<br />

daran anknüpfende Inszenierungsprojekte<br />

zeitgenössischer Theatertexte aus dem jeweiligen<br />

Nachbarland in Deutschland und<br />

Frankreich zu ermöglichen. Im Jahr 2006<br />

wurden folgende Übersetzungen unterstützt:<br />

„Ma mère qui chantait sur un phare“<br />

von Gilles Granouillet (Übersetzung: Bettina<br />

Arlt); „Les travaux et les jours“ von Michel Vinaver<br />

(Übersetzung: Dr. Almuth Voß) „Théâtre<br />

sans animaux“ von Jean-Michel Ribes<br />

(Übersetzung: Heinz Schwarzinger); „Das<br />

Schamhaar“ von Wilfried Happel (Übersetzung:<br />

Sylvain Delétang).<br />

Einsendeschluss für Bewerbungen ist der<br />

31. März 2007.<br />

btd@kultur-frankreich.de<br />

www.kultur-frankreich.de<br />

FESTIVALS<br />

„Neue Stücke aus Europa“ – eine Bilanz<br />

Beim Festival „Neue Stücke aus Europa“,<br />

welches sich ausschließlich zeitgenössischer<br />

Dramatik widmet, gaben dieses Jahr vom 15.<br />

bis 25. Juni 29 Ense<strong>mb</strong>les aus 22 Ländern mit<br />

39 Aufführungen Einblicke in die zeitgenössische<br />

Theaterwelt Europas, wobei die Stücke<br />

in der jeweiligen Originalsprache inszeniert<br />

waren und simultan ins Deutsche übersetzt<br />

wurden. Die Künstlerische Leitung lag bei<br />

Manfred Beilharz, Ursula Ehler, Tankred Dorst<br />

und Markus Bothe. Als diesjähriger Preisträger<br />

für die beste Übersetzung wurde Klaus<br />

Detlef Olof für seine Übersetzung von Ana<br />

Lasics „Fuzine Blues“ aus dem Slowenischen<br />

geehrt. Lobend erwähnt wurden Recai Hallac<br />

für seine Übersetzung des türkischen Stücks<br />

„Rache“ von Mahir Günsiray und Petra Serwe<br />

für ihre Übersetzung Koens Tachelets<br />

„Der Asylsucher“ aus dem Niederländischen.<br />

Zu den bemerkenswerten Gastspielen zählte<br />

u.a. die Inszenierung des „Asylsuchers“ von<br />

Johan Simons, „Scharzland“ von Arpad Schilling<br />

aus Ungarn, „Kunstschwimmer“ von David<br />

Drabek aus Tschechien und „In der großen<br />

Welt“ von Joel Pommerat aus Frankreich.<br />

Das <strong>ITI</strong>, die Dramaturgische Gesellschaft, das<br />

Deutsch-Französische Forum Junger Kunst<br />

und die Europäische Theaterkonvention veranstalteten<br />

Symposien, in denen u.a. auch<br />

die 72 DramatikerInnen debattierten.<br />

AT.TENSION<br />

Die norddeutsche Kulturlandschaft wurde<br />

in diesem Jahr um eine Attraktion reicher:<br />

vom 15. – 17. Septe<strong>mb</strong>er 2006 veranstaltete<br />

der Kulturkosmos Müritz e.V. auf dem<br />

Flugplatz Lärz in Mecklenburg erstmals das<br />

internationale Theater- und Performance-Festival<br />

AT.TENSION#1. Auf dem weitläufigen<br />

ehemaligen russischen Militärflugplatz Lärz,<br />

inmitten der Mecklenburger Seenplatte,<br />

trafen drei Tage lang internationale Theatergruppen<br />

und Gäste zur theatralen und<br />

künstlerischen Grenzüberschreitung zusammen.<br />

Sie begaben sich auf die Spur neuer<br />

und experimenteller Aktions- und Wahrnehmungsräume.<br />

Die bereits durch das Fusion-<br />

Festival wiederbelebten Ruinen des kalten<br />

Krieges, die von der roten Armee hinterlassen<br />

wurden, bieten dafür ideale Voraussetzungen.<br />

Die künstlerische Palette reichte von<br />

Tanztheater, Performances und Open-Air-<br />

Spektakel über Kabarett und Installationen<br />

bis hin zu einem ausgesuchten musikalischen<br />

Beiprogramm. Hierfür bieten sich auf dem<br />

Gelände des Kulturkosmos diverse einmalige<br />

Spielstätten: verbunkerte Flugzeughangars,<br />

eine alte Landebahn, das ehemalige Luftschloss<br />

der Berliner Kabarett Anstalt sowie<br />

diverse Freiflächen stehen den Künstlerinnen<br />

und Künstlern zur Verfügung. Insgesamt 15<br />

Theaterproduktionen präsentierten sich in<br />

ca. 30 Aufführungen. Eine Besonderheit von<br />

AT.TENSION#1 lag in dem Anspruch, verschiedene<br />

Theaterformen in einen kreativen<br />

Dialog miteinander zu setzen. Dafür waren<br />

Künstler und Theaterschaffende unterschiedlicher<br />

Genres eingeladen, um die drei Tage<br />

packend und mitreißend zu gestalten. Um<br />

die mehr als außergewöhnlichen Gegebenheiten<br />

des Geländes adäquat einzubeziehen,<br />

hatte der Kulturkosmos Müritz e.V. einen<br />

Produktionspreis ausgeschrieben. Aus über<br />

30 eingereichten Projekten wurde ein Projekt<br />

ausgewählt und das Projekt LEICHTER<br />

ALS LUFT der Gruppe TROIKA, welches das<br />

ehemalige Militärflugplatzgelände in seinen<br />

Besonderheiten aufgreift und die umfangreichen<br />

Möglichkeiten optimal nutzte, gefördert.<br />

Höhepunkt des Festivals war das große<br />

Feuer-Spektakel IL CORSO der Gruppe PAN.<br />

OPTIKUM aus Freiburg.<br />

www.kulturkosmos.de<br />

2. Festspiele Ludwigshafen<br />

21. Oktober - 16. Deze<strong>mb</strong>er<br />

Auch zur 2. Ausgabe der Festspiele im<br />

Theater im Pfalzbau setzte Hansgünther<br />

Heyme, Intendant und künstlerischer Leiter<br />

der Festspiele, wieder auf ein Programm aus<br />

internationalen Produktionen aus den Bereichen<br />

Tanz und Theater für ein breites Publikum.<br />

17 Gastspiele aus dem Ausland und<br />

aus Deutschland wurden gezeigt. Neben<br />

fünf deutschsprachigen Erstaufführungen,<br />

darunter Maurice Béjarts „Zarathustra. Das<br />

Lied vom Tanz“, präsentierten die Veranstalter<br />

auch eine Inszenierung von Heyme in<br />

slowenischer Sprache. Prognostizierte Höhepunkte<br />

sind die Mauro Bigonzettis Tanztheaterinszenierung<br />

„Romeo und Julia“, „My<br />

Name ist King“ der Kompanie Déjà Donnée,<br />

Heymes Inszenierung von „Orestes“ sowie<br />

eine Themenwoche anlässlich der Todeswoche<br />

Bertolt Brechts, im Rahmen derer das BE<br />

gastiert.<br />

www.theater-im-pfalzbau.de<br />

Cross The Line - Live Art aus den USA<br />

Die Aufführungsreihe „Cross The Line“<br />

zeigte US-Solo Live Art in Frankfurt, Berlin<br />

und Leipzig. Die Kuratorin Carola Lehmann<br />

präsentierte Deutsche Uraufführungen der<br />

Soloperformer Allen Johnson und Penny<br />

Arcade, Lectures und Diskussionen. „When<br />

I got to New York I saw something less familiar:<br />

a kind of boundary-breaking solo<br />

performance: Not standup comedy, not cabaret,<br />

no one-character play, not reading or<br />

poetry – and I loved the energy and originality<br />

of this solo work.” (Jo Bonney) Nach<br />

allen Aufführungen fanden Gespräche – über<br />

Solo Live Art, Öffentlichkeit und politische<br />

Gesten in den USA – statt. In „My Life As History“<br />

erforscht Penny Arcade in einer zweistündigen<br />

Tour de Force zwischen Stand Up<br />

Comedy und Redeperformance „My Life as<br />

History“ das Werden und das Sein. Immer<br />

selbst im Zentrum ihrer Erzählungen, der<br />

einzige Maßstab dessen, was sagbar ist, erinnert<br />

sich Penny Arcade an den mittleren Abschnitt<br />

ihres Lebens und fragt: Wer sind wir<br />

am Anfang, wer sind wir am Ende? Wann erhalten<br />

wir unser fertiges Selbst? Es geht ums<br />

Erfinden und Wiedererfinden, um unsere Visionen,<br />

um unseren Platz in der Geschichte<br />

und darum wo sich alles kreuzt. Humorvoll,<br />

leidenschaftlich und ergreifend untersucht<br />

der Künstler, Dichter, Lastwagenfahrer und<br />

Mechaniker Allen Johnson in „Another You“<br />

die Schonungslosigkeit und Verwundbarkeit,<br />

die man für eine intime Begegnung mit<br />

Gott, einem Liebhaber oder mit sich selbst<br />

braucht. Unter der Regie von Sean Ryan entstand<br />

seine Soloperformance - eine Reihe<br />

grausam ehrlicher, ineinander verwobener<br />

Monologe über unser grundlegendes Bedürfnis<br />

nach Intimität. „Mickey Mouse im<br />

Fadenkreuz“ von Carola Lehmann erweiterte<br />

die Reihe um eine weitere Komponente: Die<br />

auf einer Reise durch die USA entstandene<br />

Performance zeigt in Form von Interviews<br />

und Geschichten mit beißendem Witz, wie<br />

US-Künstler die gegenwärtige politische Situation<br />

in den USA verhandeln. Es passieren<br />

ein paar seltsame Sachen, die den Keim einer<br />

neuen politischen Ära erahnen lassen.<br />

Abende in New York verbringen wir mit den<br />

Menschen, die mit ihren Aktionen im öffentlichen<br />

Raum diesen Ereignissen den Boden<br />

bereitet haben und geben den Zuschauern<br />

deren mehr oder weniger brauchbare Gesellschaftsentwürfe<br />

mit auf den Weg. „Cross The<br />

Line“ ist ein Projekt des Mousonturm Frankfurt,<br />

des Lofft Leipzig und des Büros für Kulturvermittlung,<br />

Kunst macht schön und wird<br />

vom Cutting Edge Festival unterstützt.<br />

www.kunstmachtschoen.de<br />

Fidena 2006 – „Unter die Haut“ -<br />

27. Septe<strong>mb</strong>er - 3. Oktober in Bochum<br />

Ende Septe<strong>mb</strong>er war Bochum wieder<br />

Zentrum der internationalen Figurentheaterszene.<br />

Das Motto der diesjährigen Ausgabe<br />

unter der künstlerischen Leitung von<br />

Annette Dabs lautete „Unter die Haut“. Über<br />

Meldungen<br />

33


Meldungen<br />

20 Produktionen von Gruppen aus Europa<br />

und Afrika wurden an den verschiedenen<br />

Spielstätten gezeigt, wobei das Spektrum<br />

von Installationen über Videokunstperformances<br />

zu Objekttheater reichte.<br />

www.fidena.de<br />

International Performing Arts Market<br />

in Montreal 2006<br />

Dass sich die Kanadier verstärkt für den<br />

internationalen Austausch und auf dem<br />

Kunstmarkt engagieren ist bekannt, das Ausmaß<br />

ist doch immer wieder beeindruckend.<br />

Zum 12. Mal versammelte CINARS vom 14.<br />

bis 18. Nove<strong>mb</strong>er 2006 internationale Künstler<br />

und Veranstalter in Montreal. Über 1000<br />

Fachleute aus 60 Ländern sahen 130 Tanz-,<br />

Theater-, Musik- und Performance-Aufführungen<br />

– aus Kanada und dem Rest der Welt.<br />

150 Kurse und Workshops komplettierten<br />

das Monsterprogramm. Wer den Termin verpasst<br />

hat, findet dennoch Infos zum Angebot<br />

auf der Website.<br />

www.cinars.org<br />

Laokoon-Festival auf Kampnagel<br />

brach Besucherrekord<br />

Für das diesjährige Kampnagel Sommerfestival<br />

LAOKOON konnten Intendantin<br />

Gordana Vnuk und Geschäftsführerin Tessa<br />

Beecken bereits vor dem Abschluss eine<br />

äußerst positive Bilanz ziehen: Bei derselben<br />

Zahl von Theater- und Tanz-Produktionen<br />

wie im Vorjahr kann das Haus bei erwarteten<br />

rund 15.000 Zuschauern fast ein Drittel<br />

mehr Besucher verzeichnen. 10 Tanzund<br />

Theaterhighlights aus Großbritannien,<br />

Frankreich, der Schweiz, Italien, Ungarn,<br />

Finnland, Russland, Mazedonien und China<br />

– darunter neun Deutschlandpremieren und<br />

drei Kampnagel-Koproduktionen – machten<br />

das Theaterzentrum vom 23. August bis zum<br />

9. Septe<strong>mb</strong>er zu einem Anziehungspunkt für<br />

Ha<strong>mb</strong>urger und Gäste der Stadt. Mehrfach<br />

spielten die insgesamt über 100 internationalen<br />

Künstler vor ausverkauften Hallen.<br />

Sowohl Bildertheaterproduktionen, wie sie<br />

von der Cie 111, der Cie Philippe Genty oder<br />

Akhe vorgestellt wurden, als auch Tanz- und<br />

Theaterstücke, in denen sich u.a. Tero Saarinen,<br />

Emma Dante oder Branko Brezovec mit<br />

lokalen Traditionen auseinandersetzten, wurden<br />

mit starker Nachfrage und begeistertem<br />

Applaus honoriert. Größter Beliebtheit bei<br />

Groß und Klein erfreute sich die begehbare<br />

Luftskulptur der britischen Architects of Air,<br />

die LAOKOON für neun Tage auf der Kleinen<br />

Moorweide präsentierte. Daneben konnten<br />

Funk-, Soul- und Reggae-Konzerte als eigenständige<br />

Programmschiene bis zu 300<br />

Fans pro Abend in die Kampnagel Music Hall<br />

locken. Das Sommerfestival, das seit 2001<br />

unter dem Namen des griechischen Priesters<br />

stattfand, wurde nach vier Jahren unter<br />

der Leitung außereuropäischer Kuratoren<br />

nun wieder von der Intendantin selbst programmiert<br />

und leitet ihre letzte Spielzeit auf<br />

Kampnagel Ha<strong>mb</strong>urg ein. Gordana Vnuk:<br />

„Mit der Programmauswahl von innovativen<br />

Künstlern aus allen Kontinenten, die wir in<br />

den vergangenen sechs Jahren eingeladen<br />

haben, konnten wir einen künstlerischen<br />

und politischen Kontrapunkt zum bestehenden<br />

Festivalmarkt setzen. Die Bilanz des diesjährigen<br />

Festivals lässt uns mit großer Freude<br />

feststellen, dass sich LAOKOON mit seinem<br />

eigenständigen und eigenwilligen Profil in<br />

der lokalen, überregionalen und internationalen<br />

Kulturlandschaft etabliert hat.“<br />

Kampnagel Ha<strong>mb</strong>urg, Jarrestr. 20-24,<br />

22303 Ha<strong>mb</strong>urg Tel. +49/40/2709490<br />

mail@kampnagel.de www.kampnagel.de<br />

THESPIS -<br />

5. Internationales Monodrama Festival<br />

10. bis 17. Nove<strong>mb</strong>er 2006 in Kiel<br />

Nach acht prall gefüllten Theatertagen<br />

mit 16 verschiedenen Solo-Produktionen aus<br />

Australien, Japan, Italien, Marokko, Israel,<br />

Polen, Russland, Turkmenistan, Armenien,<br />

Großbritannien, der Ukraine, Südafrika und<br />

Deutschland ist das fünfte THESPIS-Festival<br />

am 17. Nove<strong>mb</strong>er 2006 zu Ende gegangen.<br />

Das Programm bot erneut einmalige<br />

Einblicke in Theatertraditionen aus den unterschiedlichsten<br />

Ländern und Kulturen, zum<br />

Großteil erstmals auf einer deutschen Bühne<br />

zu sehen.<br />

Am 17. Nove<strong>mb</strong>er 2006 um 22:30 Uhr<br />

gab die Jury (Valery Khasanov/Russland,<br />

Renate Klett/Deutschland, Cersten Gerecht/<br />

Deutschland, Abel Solares/Guatemela) die<br />

Preisträger des 5. Internationalen Monodrama<br />

Festivals THESPIS bekannt. Der Hauptpreis<br />

für eine bemerkenswerte künstlerische Leistung<br />

(gestiftet von den Kieler Nachrichten)<br />

ging zu gleichen Teilen an: Nozomi Satomi<br />

(„Wer bin ich?“/Japan), Yftach Klein („High<br />

Noon“/Israel) und Pip Utton („Bacon“/Großbritannien).<br />

Der Sonderpreis (gestiftet vom<br />

Trägerverein des Festivals, Maecenas e.V.)<br />

ging zu gleichen Teilen an: Lidiya Danylchuk<br />

(„Traum“/Ukraine) für die Umsetzung von<br />

Poesie in Theater und von Sprache in Tanz,<br />

an Latefa Ahrrare („Die letzte Nacht“/ Marokko/Vereinigte<br />

Arabisch Emirate) für die<br />

mutige Annäherung an ein gesellschaftliches<br />

Tabu, und an Anna Mele („Lear“/Turkmenistan)<br />

für die Umsetzung eines klassischen<br />

europäischen Theaterstoffes mit den Mitteln<br />

des orientalischen Theaters.<br />

Der Preis der Festivaldirektoren (anwesend:<br />

Valery Khasanov/Russland, Hakob<br />

Ghazanchyan/Armenien Mohammad Al<br />

Afkham/V.A.E., Antonina Mikhaltsova/Weißrussland<br />

und Jolanta Sutowicz/Deutschland)<br />

ging an: Julian Swift-Speed („Schritte“/Polen).<br />

Der Medienpreis (gestiftet vom Offenen<br />

Kanal Kiel) ging an: Nozomi Satomi („Wer<br />

bin ich?“/Japan). Der Förderpreis der Organisatoren<br />

ging an: Armine Matzakyan („Von<br />

mir zu mir“/Armenien).<br />

Eine Woche zuvor, am 10. Nove<strong>mb</strong>er<br />

2006, war das Festival von der europaweit<br />

renommierten Schauspielerin Angela Winkler<br />

mit dem Solo „Ich liebe Dich kann ich nicht<br />

sagen“ (nicht im Wettbewerb) im ausverkauften<br />

Kieler Schauspielhaus und im Beisein<br />

von Vertreterinnen und Vertretern der Kultur<br />

und Politik eröffnet worden. Überhaupt hat<br />

sich die Anteilnahme des Publikums deutlich<br />

gesteigert. Viele Veranstaltungen waren ausverkauft,<br />

die Medienpräsenz konnte verbessert<br />

werden.<br />

Auch das Rahmenprogramm – u.a. mit<br />

einem Symposium und einem Workshop<br />

(Kieler Nachrichten, KulturForum) – war ein<br />

Erfolg. Wie schon bei den letzten Festivals<br />

führte die Begegnung zwischen den verschiedenen<br />

Künstlerinnen und Künstlern zu<br />

neuen kreativen Impulsen, die hoffentlich<br />

bereits in naher Zukunft auf den Bühnen des<br />

internationalen Theaters sichtbar werden.<br />

Die Anwesenheit solch namhafter Künstlerinnen<br />

und Künstler wie Angela Winkler, der<br />

polnischen Beckett-Darstellerin Irena Jun und<br />

des gefeierten israelisch-arabischen Schauspielers<br />

und Regisseurs Mohammad Bakri hat<br />

das mittlerweile längst gefestigte internationale<br />

Renommee des Festivals bestätigt.<br />

Besonders erfreulich war die gute Zusammenarbeit<br />

mit den Festivalpartnern: Aus<br />

Paris kam Jennifer Walpole, die Generalsekretärin<br />

des Internationalen Theaterinstituts<br />

<strong>ITI</strong>/UNESCO angereist, die Kooperation mit<br />

peace of art ergänzte die Aufführungen aus<br />

Israel mit interessanten Diskussionsrunden,<br />

und das bewegende Monodrama „Schritte“<br />

im Flandernbunker (in Zusammenarbeit mit<br />

dem Verein Mahnmal Kilian e.V.) weckte<br />

großes Interesse.<br />

www.thespisfestival.de<br />

Veronika Blumstein - Moving Exiles<br />

Vom 12. bis zum 14. Oktober 2006 fand<br />

in der Bremer Schwankhalle zum ersten<br />

Mal das Festival für Erfindung und Choreografie<br />

Veronika Blumstein - Moving Exiles<br />

statt. Gastgeberin und Namensgeberin des<br />

Programms mit Performances, Vorträgen,<br />

Workshops, einem wissenschaftlichen Salon<br />

sowie einer waschechten Geburtstagsparty<br />

war die Choreografin und Tanzwissenschaftlerin<br />

Veronika Blumstein: Eine Figur,<br />

die es gar nicht gibt. Sie wurde während<br />

eines deutsch-polnischen Austauschtreffens<br />

im Septe<strong>mb</strong>er 2005 im polnischen Jagniatkow<br />

erdacht. Für das Festival bot sie nun die<br />

Projektionsfläche, um in unterschiedlichen<br />

künstlerischen Projekten, Diskussionen und<br />

praktischen Übungen über neue Spielräume<br />

in künstlerischer Arbeit, Choreografie und<br />

Tanz zu Beginn des 21. Jahrhunderts nachzudenken.<br />

Sie werden feststellen, dass Veronika<br />

Blumstein in jedem Festivalbeitrag neu zu<br />

entdecken und kennen zu lernen sein wird.<br />

Gleichzeitig war das Festival ein Geburtstagshappening<br />

in doppelter Hinsicht: Das internationale<br />

Künstlerkollektiv Blumstein Group<br />

feierte seine Gründung und der Club der Polnischen<br />

Versager aus Berlin lud anlässlich des<br />

66. Geburtstags der Kosmopolitin Veronika<br />

Blumstein zu einer großen Party ein. Seien<br />

Sie bei diesem historischen Ereignis dabei,<br />

schauen Sie zu, besuchen Sie die Workshops,<br />

diskutieren und erfinden Sie mit. Vor allem<br />

aber feiern Sie mit uns. Namhafte Künstler<br />

aus Deutschland, Polen, Slowenien, Spanien<br />

und den USA waren an diesem Projekt beteiligt:<br />

Veronika Blumstein, Warschau, New<br />

York (Geburtstagskind), Lukasz Borkowski,<br />

Lublin (Medienkünstler und Wissenschaftler),<br />

Club der Polnischen Versager, Berlin (Musiker<br />

und Künstler), Dr. Kattrin Deufert, Ha<strong>mb</strong>urg<br />

(artist twin | Performerin), Dr. Kerstin Evert,<br />

Ha<strong>mb</strong>urg (Dramaturgin | Performerin), Helena<br />

Golab, Bilbao, Warschau (Tänzerin | Choreografin),<br />

Dr. Pawel Gozlinski, Warschau<br />

(Wissenschaftler | Redakteur), Angela Guerreiro,<br />

Ha<strong>mb</strong>urg (Tänzerin | Choreografin),<br />

Emil Hrvatin, Ljubljana (Performer | Wissenschaftler<br />

| Herausgeber), Isabel de Naverán,<br />

Bilbao (Medienkünstlerin | Performerin),<br />

Peter Pleyer, Berlin (Tänzer | Choreograf),<br />

Antje Pfundtner, Ha<strong>mb</strong>urg (Tänzerin | Choreografin),<br />

Thomas Plischke, Ha<strong>mb</strong>urg (artist<br />

twin | Performer), Dr. Karen Schaffman, San<br />

Diego (Tanzwissenschaftlerin | Performerin),<br />

Dr. Janine Schulze, Leipzig (Wissenschaftlerin<br />

| Performerin)<br />

info@blumsteingroup.net<br />

www.blumsteingroup.net<br />

34


ONE WORLD 2006 Berlin - Filmfestival<br />

Rosa Malsagova, Regisseurin aus Inguschetien,<br />

war eingeladen zum „ONE<br />

WORLD 2006 Berlin - Filmfestival für Menschenrechte<br />

und Medien“ ab 18.11. in Berlin.<br />

Am 22. Nove<strong>mb</strong>er war die Premiere des<br />

Films „Cassandra in Berlin“, den sie gemeinsam<br />

mit dem Berliner Regisseur Peter Krüger<br />

drehte.<br />

www.oneworld-fest.de<br />

Ruhrtriennale 2006 -<br />

19. August - 15. Oktober in NRW<br />

Im Mittelpunkt der zweiten Saison unter<br />

der Intendanz von Jürgen Flimm stand der<br />

Mensch des Barock. Das Programm spannte<br />

einen Bogen von den Religionskriegen des<br />

17. Jahrhunderts über die Weltentwürfe großer<br />

Künstler wie Rubens, Monteverdi und<br />

Shakespeare bis hin zu den Menschenrechtsund<br />

Globalisierungsdebatten unserer Tage.<br />

Auf den Bühnen ehemaliger Industriestätten<br />

des Ruhrgebiets wurden insgesamt 29 Produktionen<br />

gezeigt, davon viele Eigenproduktionen.<br />

Von den 13 großen Bühnenstücken<br />

wurden 9 an der Ruhr uraufgeführt oder neu<br />

inszeniert. Geprägt wurde das Programm<br />

von internationalen Künstlern wie David<br />

Pountney, Johan Simons, Vanessa Redgrave,<br />

Alan Titus, Peter Zadek, Alain Platel, Péter Esterházy,<br />

Neil Shicoff u.v.a.<br />

TANZNACHT BERLIN 2006<br />

Bei der vierten TANZNACHT BERLIN<br />

2006 am 16. Deze<strong>mb</strong>er traf sich eine Auswahl<br />

der interessantesten Choreografen<br />

der zeitgenössischen Tanzszene Berlins, um<br />

eigens für dieses Ereignis kreierte Choreografien,<br />

Installationen, Multimedia Projekte<br />

und Performances auf der Bühne und in<br />

den Räumen der Akademie der Künste vorzustellen.<br />

Erstmalig unter der künstlerischen<br />

Leitung von Heike Albrecht präsentierte das<br />

Programm Künstler, deren Namen bereits<br />

weit über die Grenzen Berlins bekannt sind<br />

wie z.B. Thomas Lehmen, Martin Nachbar,<br />

Two Fish, Johan Lorbeer und Wilhelm Groener.<br />

Darüber hinaus gab es jedoch auch<br />

Newcomer zu entdecken wie z.B. Jeremy<br />

Wade, der in New York den renommierten<br />

Choreografiepreis BESSY AWARD erhielt und<br />

erst vor kurzem in die Hauptstadt übergesiedelt<br />

ist. Im Vorfeld der TANZNACHT BERLIN<br />

2006 fand zum dritten Mal das Festival TANZ<br />

MADE IN BERLIN statt, zu dem in diesem<br />

Jahr eine Reihe neuer Spielorte hinzukamen.<br />

Auf insgesamt 16 Berliner Bühnen - darunter<br />

Tanzfabrik Berlin, HAU, Sophiensæle, Radialsystem,<br />

Fabrik Potsdam, Volksbühne Berlin,<br />

Schaubühne, Ballhaus Ost - wurden vom 1.<br />

– 17. Deze<strong>mb</strong>er abendfüllende Tanzsstücke<br />

gezeigt u.a. von Meg Stuart / Benoît Lacha<strong>mb</strong>re,<br />

Sasha Waltz & Guests, Toula Limnaois,<br />

Isabelle Schad und Michael Laub.<br />

www.tanznachtberlin.de<br />

spielzeiteuropa 06 | 07<br />

Mit der neuen künstlerischen Handschrift<br />

von Brigitte Fürle begann am 16. Nove<strong>mb</strong>er<br />

„spielzeiteuropa 06 | 07“. Der Titel „Alles<br />

wird gut“ als Motto der diesjährigen Saison<br />

versteht sich als Utopie und Provokation. Das<br />

Festival begann mit der gleichnamigen Fotoinstallation<br />

der lettischen Künstlerin Monika<br />

Pormale am Haus der Berliner Festspiele, in<br />

der Theater im Zeitstillstand bis an die Grenzen<br />

der Architektur des Festspielhauses sichtbar<br />

gemacht wird. Die großformatigen Fotos<br />

mit einander umarmenden Menschen werden<br />

während der gesamten Saison die Theaterbesucher<br />

begleiten. Ausnahmetheater gegen<br />

die gesellschaftliche Vereinsamung zeigt<br />

der hochbetagte Young @ Heart Chorus auf<br />

der Road to Nowhere. 28 old girls and boys<br />

aus Northampton/Massachusetts, zwischen<br />

71 und 93, singen und rocken ohne Berührungsängste.<br />

Drei herausragende internationale<br />

Theaterproduktionen waren im Nove<strong>mb</strong>er/Deze<strong>mb</strong>er<br />

zu sehen: „Gespenster“ in der<br />

Regie von Stéphane Braunschweig, mit Udo<br />

Samel als Pastor Manders, „The Andersen<br />

Project“ des Theatermagiers Robert Lepage<br />

als heutiges Alter ego von Hans Christian<br />

Andersen und ein Weihnachts-Highlight:<br />

Heiner Müllers bekanntestes Stück „Quartett“<br />

in der Pariser Inszenierung von Robert<br />

Wilson mit Isabelle Huppert als Merteuil.<br />

Diese Produktion, die soeben die Saison im<br />

renovierten Théâtre de l‘Odéon eröffnete,<br />

wird im deutschsprachigen Raum exklusiv<br />

im Haus der Berliner Festspiele zu sehen sein.<br />

Im Januar zeigt die Frankokanadierin Marie<br />

Brassard in Peepshow eine kaleidoskopartige<br />

Theaterwunderwelt über Phantasien, Körper-Manipulationen<br />

und sexuelle Phantasmagorien.<br />

Ebenfalls eine Koproduktion von<br />

spielzeiteuropa. Ende Januar kommen Pina<br />

Bausch und das Tanztheater Wuppertal nach<br />

Berlin und zeigen das von einem Aufenthalt<br />

im südkoreanischen Seoul inspirierte Stück<br />

„Rough Cut“: Verführungen zwischen Männern<br />

und Frauen als erotische Miniaturen und<br />

Momentaufnahmen, Sehnsuchts- und Tanzbilder<br />

von stiller, atemloser Schönheit. Darüber<br />

hinaus bietet die kommende spielzeiteuropa<br />

ein umfangreiches Rahmenprogramm<br />

mit Buchpräsentationen, Einführungsveranstaltungen,<br />

Publikumsgesprächen und einer<br />

Filmreihe mit dem kompletten Filmschaffen<br />

von Robert Lepage.<br />

Berliner Festspiele, Schaperstrasse 24,<br />

10719 Berlin.<br />

Tel. +49/30/25489-0,<br />

Fax +49/30/25489-111,<br />

giesker@berlinerfestspiele.de<br />

www.berlinerfestspiele.de<br />

Theater und Nouveau Cirque aus Frankreich<br />

in Berlin – März 2007<br />

Als Pendant zu der Ausstellungsreihe<br />

französischer Kunst ART FRANCE BERLIN im<br />

Herbst 2006 plant die Französische Botschaft<br />

in Deutschland in Zusammenarbeit mit<br />

CULTURESFRANCE und einigen der renommiertesten<br />

Theaterorte in Berlin für März<br />

2007 ein Festival der darstellenden Künste,<br />

welches Theater und zeitgenössischen Zirkus<br />

(„Nouveau Cirque“) aus Frankreich präsentieren<br />

wird. Das Festival lädt einige der interessantesten<br />

Vertreter des französischen Theaters<br />

und Nouveau Cirque nach Berlin ein,<br />

um über einen Zeitraum von drei Wochen einen<br />

umfassenden Einblick in die französische<br />

Kulturlandschaft zu ermöglichen. Das künstlerische<br />

Programm wird dabei von den Berliner<br />

Partnertheatern mitgestaltet: HAU – Hebbel<br />

am Ufer, Schaubühne am Lehniner Platz,<br />

Admiralspalast, Sophiensæle, Berliner Festspiele,<br />

Radialsystem. Diese Zusammenarbeit<br />

der Französischen Botschaft mit einigen der<br />

wichtigsten Theaterorte in Berlin und einer<br />

Vielzahl von national und international anerkannten<br />

französischen Theater- und Zirkusakteuren<br />

stellt eine einmalige Konzentration<br />

darstellender Kunst aus Frankreich in Berlin<br />

dar, die ihre Wirkung auf ganz Deutschland<br />

ausweiten soll. Theater: Regisseure, zeitgenössische<br />

Dramatiker, Performances. Das<br />

Theaterprogramm des Festivals wird zeitgenössische<br />

künstlerische Formen präsentieren,<br />

die sich durch ihre Aktualität und ihre Zusammenführung<br />

verschiedener Genres auszeichnen.<br />

Das vorläufige Programm schließt<br />

dabei folgende Künstler und Themen ein:<br />

Künstlerporträt – Le Théâtre des Lucioles:<br />

Das Schauspielerkollektiv Théâtre des Lucioles<br />

gilt als eine der avanciertesten, erfindungsreichsten<br />

und originellsten Compagnien<br />

in Frankreich und war beim diesjährigen<br />

Festival in Avignon und Festival d’Automne in<br />

Paris zu sehen. Es besticht durch seine grenzüberschreitende<br />

ästhetische und disziplinäre<br />

Vielseitigkeit, welche mit drei Gastspielen in<br />

Berlin präsentiert werden soll.<br />

Zeitgenössische Dramatiker: Der aus<br />

Argentinien stammende Autor Copi (1939-<br />

1987), der zu den außergewöhnlichsten<br />

Figuren des künstlerischen Milieus der 70er<br />

und 80er Jahre in Frankreich gehörte, soll<br />

hier ebenso präsentiert werden wie das Werk<br />

von Jean-Luc Lagarce (1957-1995), einer der<br />

meistgespielten zeitgenössischen Theaterautoren<br />

in Frankreich. Anlässlich von Lagarce’<br />

50. Geburtstag konzipiert die Schaubühne<br />

im Rahmen von F.I.N.D. – Festival Internationale<br />

Neue Dramatik ein Programm, welches<br />

Lagarce’ in Deutschland noch wenig bekannte<br />

Stücke ins Blickfeld rücken wird. Neben<br />

Lagarce und Copi wird Patrice Chéreau<br />

in einer Lesung das Werk von Hervé Guibert<br />

(1955-1991) würdigen.<br />

Performances – Bruch mit Theaterkonventionen:<br />

Präsentiert wird eine Generation<br />

junger Künstler, die sich vom dramatischen<br />

Text entfernt und sich genreübergreifend auf<br />

der Grenze zwischen bildender Kunst, Musik,<br />

Mode, Performance und Theater bewegt<br />

(Philippe Quesne, Sophie Perez, Leyla Rabih,<br />

Alexis Forestier, Art Point M).<br />

Nouveau Cirque – Zeitgenössischer französischer<br />

Zirkus: Der NOUVEAU CIRQUE entstand<br />

in den 80er Jahren in Frankreich und hat<br />

in der Folge weltweite Anerkennung für seine<br />

einmalige Pionierrolle und herausragende<br />

künstlerische Qualität erlangt. Er wagt den<br />

Bruch mit der konventionellen Zirkusästhetik<br />

und kreiert damit ein eigenes Genre: keine<br />

Folge von Zirkusnummern mehr, sondern<br />

dramaturgisch gearbeitete Vorführungen,<br />

die Zirkuselemente (Jonglage, Artistik etc.)<br />

mit Techniken der unterschiedlichsten Genres<br />

(zeitgenössischer Tanz, Musik, Performance<br />

etc.) verschmelzen. Aufführungen<br />

dieser spezifisch französischen Kunstrichtung<br />

sind in Deutschland, besonders in Berlin, bisher<br />

noch eine Seltenheit. Alle eingeladenen<br />

Compagnien gehören einer neuen Generation<br />

des französischen Nouveau Cirque an,<br />

die national und international anerkannt sind<br />

(Compagnie 111, Jean-Baptiste André, Compagnie<br />

Anomalie). Angefragt als Eröffnungsveranstaltung<br />

ist die Groupe F mit einem<br />

pyrotechnischen Open Air-Theaterspektakel<br />

auf dem Pariser Platz.<br />

Bureau du Théâtre et de la Danse,<br />

Kurfürstendamm 211, 10719 Berlin.<br />

Tel. + 49 30 885 902 52/58,<br />

btd@kultur-frankreich.de<br />

www.kultur-frankreich.de<br />

Meldungen<br />

35


Meldungen<br />

Deutsch-französisches Theaterfestival<br />

“Perspectives” 2007<br />

Das deutsch-französische Theaterfestival<br />

„Perspectives“ steht fortan unter einer neuen<br />

Leitung. Neuer Künstlerischer Leiter ist der<br />

Direktor des Kulturzentrums «La Condition<br />

Publique» in Roubaix, Stéphane Konopczynski.<br />

Der 38-jährige Franzose wird unterstützt<br />

von Sylvie Hamard, die derzeit eine deutschfranzösische<br />

Theateragentur leitet. Erstes Ziel<br />

sei, das Festival im kommenden Jahr wieder<br />

für ein breiteres Publikum attraktiv zu machen,<br />

nachdem in diesem Jahr ein Rückgang<br />

bei den Besucherzahlen zu verzeichnen war,<br />

sagten Konopczynski und Hamard in Saarbrücken.<br />

Die «Perspectives» sollen im kommenden<br />

Jahr vom 8. bis 16. Juni in Saarbrücken<br />

stattfinden. Die Arbeit am konkreten<br />

Programm soll nächste Woche beginnen.<br />

«Wir wollen das Gefühl wieder wecken, dass<br />

die ganze Stadt eine Woche für und mit dem<br />

Festival lebt», sagte Hamard. Ziel bleibe, die<br />

«Perspectives» als experimentelles Festival<br />

weiterzuentwickeln. Neben den Bereichen<br />

Tanz und Theater sollen auch verstärkte Akzente<br />

auf französisches Chanson und Zirkus<br />

gelegt werden. Zudem will die neue Leitung<br />

auch neue Spiel- und Veranstaltungsorte erschließen.<br />

Die «Perspectivtes» als einziges<br />

deutsch-französisches Theaterfestival finden<br />

im kommenden Jahr zum 30. Mal statt.<br />

www.festival-perspectives.de<br />

POS<strong>ITI</strong>ONEN<br />

Berlin<br />

Frank Castorfs Vertrag als Intendant der Berliner<br />

Volksbühne am Rosa-Luxe<strong>mb</strong>urg-Platz in<br />

Berlin wurde bis 2010 verlängert. Der Berliner<br />

Kultursenator Thomas Flierl und Castorf<br />

haben die Vereinbarung im Oktober unterzeichnet,<br />

die Entscheidung war bereits 2005<br />

getroffen worden. Castorf, der 1951 in Ost-<br />

Berlin geboren wurde und an der Hu<strong>mb</strong>oldt-<br />

Universität Theaterwissenschaft studierte,<br />

übernahm 1992 die Intendanz der Volksbühne.<br />

Vier Jahre zuvor hatte er an diesem Haus<br />

mit «Das trunkene Schiff» nach Motiven von<br />

Paul Zech seine erste Berliner Inszenierung<br />

vorgestellt. Für sein Schaffen an der Volksbühne<br />

wurde Castorf in der Vergangenheit<br />

mehrfach als «Regisseur des Jahres» geehrt,<br />

auch andere Inszenierungen und das Theater<br />

wurden mit Preisen bedacht.<br />

Berlin<br />

Thomas Oberender soll Intendant des Deutschen<br />

Theaters werden. So sieht es der Vertrag<br />

vor, den Oberender mit dem früheren<br />

Kultursenator Thomas Flierl und im Einverständnis<br />

mit Berlins Regierendem Bürgermeister<br />

(der im neuen Senat auch das Kulturressort<br />

inne hat) aushandelte, und den Flierl vor<br />

seinem Ausscheiden noch paraphierte.<br />

Dresden<br />

Holk Freytag wird seine Arbeit als Intendant<br />

des Staatsschauspiels Dresden nach der Spielzeit<br />

2007/2008 beenden. Eine Verlängerung<br />

der Laufzeit wurde von der Sächsischen Ministerin<br />

für Wissenschaft und Kunst, Eva-Maria<br />

Stange, nicht vorgenommen.<br />

Hof<br />

Uwe Drechsel, konnte seinen Vertrag als Intendant<br />

des Theaters Hof bis 2012 verlängern.<br />

Der Stadtrat betonte, Drechsel habe<br />

die Gratwanderung zwischen künstlerischem<br />

Erfolg und wirtschaftlich rentabler Betriebsführung<br />

sehr gut gemeistert.<br />

Moers<br />

Ulrich Greb, wird seine Arbeit als Intendant<br />

am Schlossheater Moers (stm) laut Vertrag<br />

noch bis 2011 fortsetzen. Unter seiner<br />

Leitung erhielt das kleinste Stadttheater<br />

Deutschlands mehrere Auszeichnungen.<br />

Münster<br />

Der Vertrag von Wolfgang Quetes, Generalintendant<br />

der Städtischen Bühnen Münster<br />

seit 2004, wurde vom Rat der Stadt bis 2012<br />

verlängert. Von 1997 bis 2002 war er Intendant<br />

am Pfalztheater Kaiserslautern.<br />

Weimar<br />

Nike Wagner, bleibt dem Kulturfest Weimar<br />

nach ihrer Vertragsverlängerung mindestens<br />

bis 2007 erhalten. Seit drei Jahren leitet die<br />

Urenkelin Richard Wagner das Kunstfest der<br />

Klassikerstadt und hat es auf den Schwerpunkt<br />

Musik hin ausgerichtet.<br />

Wien<br />

Stefanie Carp, früher Chef-Dramaturgin und<br />

Co-Direktorin von Marthaler am Schauspielhaus<br />

Zürich, wird von 2008 bis 2010 Schauspieldirektorin<br />

der Wiener Festwochen. Das<br />

gab Intendant Luc Bondy bekannt. Bei den<br />

Wiener Festwochen folgt Carp Schauspieldirektorin<br />

Marie Zimmermann nach, die ab<br />

2008 die Intendanz der RuhrTriennale übernimmt.<br />

Wiesbaden<br />

Manfred Beilharz, Intendant des Hessischen<br />

Staatstheaters, verlängerte aufgrund der erfolgreichen<br />

Bilanz des Theaters seinen Vertrag<br />

bis 2014. Gelobt wurde von den Trägern des<br />

Staatstheaters das konstant hohe Niveau des<br />

Hauses. Die beiden internationalen Festivals,<br />

die Maifestspiele und Neue Stücke aus Europa,<br />

sollen auch in Zukunft einen besonderen<br />

Stellenwert haben.<br />

Wiesbaden<br />

Stephan Thoss wird neuer Ballettdirektor ab<br />

2007/08 am Staatstheater Wiesbaden. Thoss<br />

war zuletzt Ballettdirektor am Staatstheater<br />

Hannover und davor Ballettdirektor in Kiel.<br />

PERSONEN<br />

Theo Adam 80<br />

Der Dresdner Kammersänger und Opernregisseur<br />

feierte am 1. August seinen 80. Geburtstag<br />

und plant in naher Zukunft seinen<br />

Bühnenabschied. Der Gesangsschüler von<br />

Rudolf Dittrich erhielt 1949 ein Engagement<br />

an der Staatsoper Dresden, debütierte 1952<br />

in Bayreuth und wurde wenige Jahre später<br />

Kammersänger. Seinen internationalen<br />

Durchbruch erlangte er mit seinem Debüt<br />

an der Metropolitan Opera New York und<br />

als Opernregisseur mit Werken von Wagner,<br />

Mozart, Tschaikowski und Strauss. Außerdem<br />

war Theo Adam Mitglied der Akademie<br />

der Künste, des Deutschen Musikrates, der<br />

Semperoper und Honorarprofessor an der<br />

Hochschule für Musik Dresden. Weltruhm<br />

erlangte der Bassbariton vor allem als Interpret<br />

von Opern von Wagner und Strauss<br />

und als Interpret von Liedern von Brahms,<br />

Schubert, Strauss und Wolf sowie als Oratoriensänger.<br />

Dafür wurde er mit mehreren<br />

Auszeichnungen geehrt, u.a. mit der Großen<br />

Goldmedaille des Cercle National Richard<br />

Wagner, mit der Johannes-R.-Becher-Medaille<br />

und mit dem Bundesverdienstkreuz.<br />

Jenny Gröllmann<br />

Die Schauspielerin ist am 9. August im Alter<br />

von 59 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Die<br />

Tochter der Theaterfotografin Gertrud Gröllmann<br />

und ihrem Mann Otto, einem Bühnenbildner,<br />

war 26 Jahre am Maxim-Gorki-<br />

Theater engagiert. Ihren Erfolg verdiente sie<br />

sich u.a. durch ihre Darstellung selbständiger<br />

junger Frauen in Gegenwartsstücken. Sie war<br />

aber nicht nur auf der Bühne, sondern auch<br />

in zahlreichen Fernsehserien zu sehen.<br />

Hans Werner Henze 80<br />

Der meistgespielte lebende Opernkomponist<br />

sowie führender Sinfoniker seiner Generation<br />

hatte am 1. Juli seinen 80.Geburtstag. Nach<br />

seinem Musikstudium in Braunschweig lebte<br />

er an verschiedenen Orten in Italien. Nach<br />

mehreren musikalischen Stationen debütierte<br />

er 1952 in Hannover mit seiner Oper „Boulevard<br />

Solitude“; mit der Oper „Der junge Lord“<br />

gelang ihm der internationale Durchbruch.<br />

Der sich seiner politischen Verantwortung<br />

bewusste Künstler gründete das Musikfest<br />

in Montepulciano, wobei er nach Auseinandersetzungen<br />

mit dem Stadtrat von dessen<br />

Leitung zurücktrat. 1992 gründete er die<br />

Münchner Biennale für Neues Musiktheater,<br />

die er sechs Jahre leitete. Momentan arbeitet<br />

er an seinem 13. Bühnenwerk „Phädra“,<br />

welches 2007 in der Staatsoper unter den Linden<br />

in Berlin uraufgeführt werden soll.<br />

Karl-Ernst Hermann 70<br />

Der Bühnenbildner feierte am 12. August<br />

seinen 70. Geburtstag. Nachdem er in den<br />

80er Jahren zusammen mit seiner Frau auch<br />

Opern inszenierte, kam er 1961 zu Kurt Hübner<br />

nach Ulm. Nach Gerhard Stadelmaier sei<br />

er „zusammen mit Wilfried Minks der Bühnenbildner<br />

des damals neuen, jungen Theaters<br />

[geworden], das versuchte, die neue<br />

Gesellschaft in den alten Stücken wieder zu<br />

finden.“ Seine Räume seinen immer „weiter<br />

als die Dramaturgie“ gewesen. Eine seiner<br />

jüngsten Arbeiten war das Bühnenbild zu<br />

John Fosses „Schlaf“ bei den Wiener Festwochen.<br />

Ivan Nagel 75<br />

Der Schriftsteller, Kritiker, früherer Theaterintendant<br />

und Präsident des <strong>ITI</strong>, heute dessen<br />

Ehrenmitglied feierte am 28. Juni seinen 75.<br />

Geburtstag. Der gebürtige Ungar arbeitete<br />

mit Regisseuren und Schauspielern wie Rudolf<br />

Noelte, Claus Peymann, Peter Zadek,<br />

Will Quadflieg, Ulrich Wildgruber, Ute Lemper<br />

und Barbara Sukowa zusammen. Nagel<br />

leitete das Ha<strong>mb</strong>urger Schauspielhaus und<br />

das Württe<strong>mb</strong>ergische Staatsschauspiel in<br />

Stuttgart, bevor er als Professor an die Berliner<br />

Hochschule der Künste berufen wurde.<br />

Für die Spielzeit 97/98 leitete er das Schauspiel<br />

der Salzburger Festspiele. Bekannt geworden<br />

ist er nicht allein mit seiner Theaterarbeit,<br />

sondern auch mit seinen Büchern<br />

über Kunst und Theater sowie mit seinen politischen<br />

Streitschriften, wobei sein neuestes<br />

Buch „Drama und Theater. Von Shakespeare<br />

bis Jelinek“ dieses Jahr im Carl Hanser Verlag<br />

36


erschienen ist. Ivan Nagel wurde mit dem<br />

Ernst-Bloch-Preis und mit dem Heinrich-<br />

Mann-Preis ausgezeichnet.<br />

Heidrun Schwaarz<br />

Die langjährige Ballettdirektorin der Vereinigten<br />

Städtischen Bühnen Krefeld und<br />

Mönchengladbach, ist in der Nacht vom 24.<br />

auf den 25. August im Alter von 63 Jahren<br />

völlig unerwartet in Constanta, Rumänien,<br />

gestorben. Zum dortigen Theater war sie<br />

für die Einstudierung des Balletts „Max und<br />

Moritz“ gemeinsam mit ihrem Mann, dem<br />

Tänzer Igor Kosack, gereist. An dem Gemeinschaftstheater<br />

hatte sie zahlreiche Ballette<br />

geschaffen und bedeutende Produktionen<br />

an den Niederrhein geholt. In der letzten<br />

Spielzeit hat Heidrun Schwaarz ihre letzte<br />

Choreografie, „Die Windsbraut“, kreiert, die<br />

am 13. Oktober Premiere hatte. Zu diesem<br />

Anlass möchte das Gemeinschaftstheater seiner<br />

ehemaligen Ballettchefin gedenken.<br />

PREISE<br />

Nestroy<br />

Der diesjährige „Nestroy“ (Ende Nove<strong>mb</strong>er<br />

verliehen), der österreichische Theaterpreis<br />

wurde an die Burgtheaterinszenierung von<br />

Nestroys „Höllenangst“ vergeben, auch wurde<br />

Nicholas Ofzcarek für die Darstellung des<br />

Wendelin zum besten Schauspieler gekürt,<br />

an Martin Zehetgruber ging der Preis für die<br />

beste Ausstattung, beides in selbigem Stück.<br />

Karin Beier erhielt die Auszeichnung für die<br />

beste Regie für ihre Inszenierung von Maxim<br />

Gorkis „Kleinbürger“ im Akademietheater,<br />

Edith Clever wurde für ihre ältere Frau in Jon<br />

Fosses „Schlaf“ im Akademietheater als beste<br />

Schauspielerin geehrt, der Preis für die beste<br />

Nebenrolle ging an Gertrud Roll für die<br />

Darstellung der Gräfin in Peter Turrinis „Bei<br />

Einbruch der Dunkelheit“ im Stadttheater<br />

Klagenfurt und Nuran David Calis konnte als<br />

„Bester Nachwuchs“ den Nestroy für seine<br />

rasante „Räuber“-Inszenierung am Wiener<br />

Volkstheater abholen. Walter Schmidinger<br />

wurde für sein Lebenswerk geehrt.<br />

ARCHANGEL<br />

Die am Festspielhaus Hellerau ansässige<br />

Theatergruppe DEREVO wurde auf dem<br />

Edinburgh International Festival mit dem AR-<br />

CHANGEL des The Herald ausgezeichnet.<br />

INTHEGA<br />

Alexander May, der bekannte Theater-, Filmund<br />

Fernsehschauspieler, wurde für sein<br />

bisheriges Lebenswerk mit dem Sonderpreis<br />

2006 des Vorstands der Interessengemeinschaft<br />

der Städte mit Theatergastspielen<br />

(INTHEGA) während deren Herbsttagung in<br />

Goslar ausgezeichnet. Ellen Schwiers erhielt<br />

den 1. Preis der Kategorie Schauspiel, mit<br />

der die Mitglieder der Interessengemeinschaft<br />

der Städte mit Theatergastspielen<br />

(INTHEGA) die Produktion „Martha Jellneck“<br />

von Beate Langemaack und Knut Koch ausgezeichnet<br />

haben.<br />

Premio Caixa Catalunya<br />

Bash Street Theatre aus Großbritannien wurde<br />

für die Produktion Cliffhanger! mit dem<br />

Premio Caixa Catalunya 26. FIRA ausgezeichnet.<br />

Preise wurden auch an Pan.Optikum<br />

(Deutschland) für „Orpheus“ und Companhia<br />

de Danca de Almada (Portugal) für „Submersa<br />

do Meu Ser“ verliehen.<br />

Young Directors Project<br />

Der 28-jährige Regisseur Davin Bösch erhielt<br />

den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis<br />

des internationalen Regiewettbewerbs<br />

„Young Directors Project“ bei den Salzburger<br />

Festspielen.<br />

Rowohlt-Preis<br />

Der Shakespeare-Übersetzer Frank Günther<br />

erhält den Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-<br />

Preis 2006. Die Jury-Mitglieder Helmut Frielinghaus,<br />

Hans Georg Heepe, Dr. Michael<br />

Naumann, Dieter E. Zimmer und Nikolai<br />

Hansen lobten ihn für die „sprachliche Genauigkeit<br />

und die Shakespeare’sche Lebendigkeit“<br />

seiner Übersetzungen.<br />

Förderpreis NRW<br />

Der aus Gelsenkirchen stammende Opern-<br />

Regisseur Immo Karaman wurde mit dem<br />

Förderpreis des Landes NRW für junge Künstlerinnen<br />

und Künstler 2006 in der Sparte<br />

Theater/Regie/Schauspiel/Gesang geehrt.<br />

Joachim Herz, einer der bedeutendsten<br />

Opernregisseure des letzten Jahrhunderts,<br />

der kürzlich seinen 82. Geburtstag feierte,<br />

wurde mit dem mit 25.000 Euro dotierten<br />

Saeculum-Preis geehrt.<br />

Boy-Gobert-Preis<br />

Julia Nachtmann vom Deutschen Schauspielhaus<br />

in Ha<strong>mb</strong>urg erhielt den Boy-Gobert-<br />

Preis 2006 als beste Nachwuchsschauspielerin.<br />

Die jährlich durch die Körber-Stiftung<br />

verliehene Auszeichnung ist mit 10.000 Euro<br />

dotiert<br />

Kleist-Förderpreis<br />

Der Berliner Autor Dirk Laucke wird für sein<br />

Stück „alter ford escort dunkelblau“ mit dem<br />

Kleist-Förderpreis für junge Dramatiker 2006<br />

ausgezeichnet. Damit ist er der elfte Preisträger<br />

des renommierten Nachwuchspreises,<br />

der neben einem Preisgeld von 7.670 Euro<br />

auch eine Uraufführungsgarantie beinhaltet.<br />

Der Preis wird ausgelobt von der Dramaturgischen<br />

Gesellschaft und der Stadt Frankfurt.<br />

Kritikerpreis<br />

Der Verband der deutschen Kritiker vergab in<br />

Frühjahr die Kritikerpreise 2006 – im Bereich<br />

Tanz an den Choreografen und Bildenden<br />

Künstler VA Wölfl, im Bereich Theater an den<br />

Regisseur Jürgen Gosch sowie einen Ehrenpreis<br />

an Werner Düggelin.<br />

Wichtigste Choreografen<br />

Jérôme Bel und Xavier le Roy sind nach einer<br />

Kritikerumfrage der Fachzeitschrift ballet-tanz<br />

die wichtigsten Choreografen der Spielzeit<br />

2005/06. Gelobt wurden Bels Zusammenarbeit<br />

mit dem thailändischen Tänzer Puchet<br />

Klunchun und Le Roys Berliner Produktion<br />

„Mouvements für Lachenmann. Inszenierung<br />

eines Konzertabends.“ Der Choreograf<br />

William Forsythe wurde von den Kritikern für<br />

seine „Three Atmospheric Studies“ gewürdigt<br />

und die Gründung der „Forsythe Company“<br />

in Frankfurt und Dresden.<br />

Kulturgroschen<br />

Der Deutsche Kulturrat hat seinen Kulturgroschen<br />

an den Generalmusikdirektor der Berliner<br />

Staatsoper Unter den Linden, Daniel Barenboim<br />

verliehen. Damit wird das große Engagement<br />

von Barenboim für die Künste, für den interkulturellen<br />

Dialog und für die nachhaltige Förderung<br />

von Kultur gewürdigt.<br />

Dramatiker-Preis des Kulturkreises<br />

Der Thüringer Thomas Freyer (25) erhält<br />

2006 den Dramatiker-Preis des Kulturkreises<br />

der deutschen Wirtschaft im BDI, der in diesem<br />

Jahr in Kooperation mit dem Schauspielhaus<br />

Hannover vergeben wird. Freyer erhält<br />

7.500 Euro und den Auftrag, ein neues Stück<br />

zu schreiben.<br />

Mülheimer Dramatikerpreis<br />

Den Mülheimer Dramatikerpreis 2006 erhält<br />

René Pollesch für „Cappuccetto Rosso“<br />

in der Inszenierung der Volksbühne Berlin /<br />

Salzburger Festspiele. Die Jury diskutierte ihre<br />

Entscheidung in öffentlicher Sitzung und votierte<br />

mit drei Stimmen für Pollesch.<br />

Playwrights Forum<br />

Wie vermeldet hatte das International Playwrights<br />

Forum des <strong>ITI</strong> auch 2006 wieder einen<br />

internationalen Stücke-Wettbewerb ausgeschrieben<br />

– gemeinsam mit der ASSITEJ<br />

galt das Interesse Stücken für Kinder und<br />

Jugendliche. Der erste Preis für Stücke für ein<br />

jüngeres Kinderpublikum ging an „AARH!”,<br />

von Vladimir Oravsky und Kurt Peter Larsen<br />

(Schweden), als Stück für „ältere“ Kinder<br />

wurden “Lillie” von Irene N. Watts (Kanada)<br />

und „Un Grand Père Formidable” von Muriel<br />

Parmelan (Frankreich) geehrt.<br />

Offenbacher Löwe<br />

Der Bühnenbildpreis „Offenbacher Löwe<br />

2006“ wurde am 19. Nove<strong>mb</strong>er an Susanne<br />

Hiller für ihren Projekt: „Black Box“ verliehen.<br />

Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst<br />

Der Komponist und scheidende Intendant<br />

der Salzburger Festspiele Peter Ruzicka wurde<br />

von dem österreichischen Bundeskanzler<br />

Wolfgang Schüssel mit dem Ehrenkreuz für<br />

Wissenschaft und Kunst erster Klasse ausgezeichnet.<br />

Außerdem erhielt er den erstmalig<br />

von der Bayerischen Akademie der Schönen<br />

Künste verliehenen und mit 10.000 Euro<br />

dotierten Preis „Neues Hören“ für die gelungene<br />

Vermittlung zeitgenössischer Musik,<br />

der künftig im Rahmen der Münchner Biennale<br />

vergeben werden soll.<br />

Experimentales Theater Kairo<br />

Das 18. Internationale Festival des Experimentalen<br />

Theaters in Kairo (vom 10. bis<br />

20. Septe<strong>mb</strong>er 2006) mit seiner eher koordinierten<br />

als kuratierten Programmfülle hat<br />

zum Abschluss zahlreiche Preise verliehen.<br />

Als beste Vorstellung wurde „Romeo und<br />

Julia“ vom russischen Theater Moon ausgezeichnet,<br />

als beste Regie Sureen Sharedyans<br />

„Psychosis 4.48“, als beste Schauspielerin Bayan<br />

Shibib aus Palästina, als beste Schauspieler<br />

Fayezqozoq and Nadil AlSigary aus Syrien<br />

geehrt. Das beste Bühnenbild gehörte zu<br />

”The Crucible” von der japanischen Chinten<br />

Group und als bestes Ense<strong>mb</strong>le beeindruckte<br />

das Ense<strong>mb</strong>le von Moon. Namen, die man<br />

sich merken sollte.<br />

Shakespeare-Preis<br />

Der walisische Sänger Bryn Terfel erhält den mit<br />

20.000 Euro dotierten Shakespeare-Preis der gemeinnützigen<br />

Alfred Toepfer Stiftung.<br />

In einer Umfrage unter 50 Kritikern aus dem Inund<br />

Ausland ermittelte die Fachzeitschrift Opernwelt<br />

das „Opernhaus des Jahres 2006“. Die Staatsoper<br />

Stuttgart erhält den Titel zum sechsten Mal<br />

nach 1994, 1998, 1999, 2000 und 2002.<br />

Konrad-Wolf-Preis<br />

Meldungen<br />

37


Der Intendant des Schauspiels Leipzig, Wolfgang<br />

Engel, wird mit dem Konrad-Wolf-Preis<br />

2006 der Berliner Akademie der Künste ausgezeichnet.<br />

Seit mehr als 30 Jahren präge<br />

Engel (63) die deutsche Theaterlandschaft.<br />

Seine Inszenierungen, insbesondere im<br />

Dresden der 80er Jahre, hätten in politisch<br />

dogmatischer Zeit Zuversicht, Heiterkeit,<br />

Hoffnung und Esprit vermittelt, hieß es am<br />

Montag zur Begründung der Akademie.<br />

MEDIEN / INTERNET<br />

The World of Theatre / Le Monde du<br />

Théâtre 2006 erschienen<br />

In der neunten Ausgabe der <strong>ITI</strong>-Publikation<br />

geben Artikel aus 48 Ländern einen Überblick<br />

über die vergangenen zwei Spielzeiten<br />

und berichten von <strong>ITI</strong>-Projekten in den einzelnen<br />

Ländern. Dank des Engagements des<br />

<strong>ITI</strong> Communication Committee (insbesondere<br />

von Nicole Leclercq aus dem Zentrum<br />

der französischen Gemeinschaft in Belgien)<br />

erscheint die aktuelle Ausgabe sowohl auf<br />

Englisch wie in französischer Sprache. Den<br />

deutschen Beitrag schrieb der freie Journalist<br />

Hartmut Krug. Zu bestellen ist „World of<br />

Theatre“ zum Preis von 25 Euro (inklusive<br />

Versand).<br />

General Secretariat of the International Theatre<br />

Institute, UNESCO, 1 rue Miollis, 75732<br />

Paris cedex 15, France. iti3@unesco.org<br />

40 FRAGEN AN EINE ROLLE<br />

40 FRAGEN AN EINE ROLLE eine Methode<br />

zur selbstständigen Erarbeitung der Rolle aus<br />

dem Russischen übersetzt von Ruth Wyneken,<br />

herausgegeben von Christine Schmalor 160<br />

Seiten mit 12 Arbeitsskizzen des Autors. Der<br />

Autor, Regisseur und Schauspielpädagoge<br />

Prof. Dr. Jurij Alschitz hat nach dem großen<br />

Erfolg „Die Vertikale der Rolle“ ein weiteres<br />

Handbuch für die tägliche Schauspielpraxis<br />

geschrieben. Wieder steht die Selbstständigkeit<br />

der Schauspieler als den Protagonisten<br />

eines modernen lebendigen Theaters im Vordergrund.<br />

Regisseure und Pädagogen finden<br />

Anregung und Unterstützung für die eigene<br />

Vorbereitung und den Probenprozess. Eine<br />

Methode der Fragen? Eine Frage der Methode.<br />

Das ganze Theatersystem, jede Methode,<br />

die hier vorgeschlagene inbegriffen, hat nur<br />

dann Sinn, wenn sie künstlerisch und nicht<br />

dogmatisch aufgefasst wird. Es erwartet Sie<br />

ein Buch der Fragen und nicht der vorgefertigten<br />

Antworten. Fragen sollen als Schlüssel<br />

zum Wesentlichen dienen. Die Technik,<br />

Fragen an eine Rolle zu stellen, bereichert<br />

Schauspieler und Regisseure um die seltene<br />

aber vitale Qualität, eigene frühere Ideen zu<br />

hinterfragen und mit sich selbst eine Perestroika<br />

anzuzetteln. Riskieren Sie es, und Sie<br />

werden eine wunderbare Welt in der Rolle<br />

entdecken, voll der verschiedensten Rätsel<br />

und Geheimnisse, die Tausende von Antworten<br />

in sich tragen. Manchmal erhalten wir sie<br />

in der ersten Sekunde, manchmal nie.<br />

akt.zent@berlin.de<br />

www.theatreculture.org<br />

RESIST! Special DVD-Edition<br />

Special DVD-Edition RESIST! 35mm-Dokumentarfilm<br />

über das Living Theatre von<br />

Dirk Szuszies 90 Minuten, englische Originalfassung<br />

mit deutschen, französischen,<br />

italienischen und spanischen Untertiteln.<br />

Preisgekrönter, international gefeierter Film<br />

über die charismatische Judith Malina und<br />

ihr legendäres Living Theatre aus New York.<br />

Im Mittelpunkt stehen ihre Aktionen gegen<br />

Haß und Gewalt an zentralen Konfliktschauplätzen<br />

des Weltgeschehens: Ground Zero in<br />

New York, G8-Gipfel in Genua und Khiam,<br />

das ehemalige Strafgefangenenlager der israelischen<br />

Armee im Südlibanon.<br />

Judith Malina feierte am 8. Juni 2006 in<br />

der überfüllten Akademie der Künste in Berlin<br />

ihren 80. Geburtstag und diskutierte mit<br />

Christoph Schlingensief, Daniel Wetzel und<br />

Matthias Lilienthal über „Politisches Theater<br />

Heute“. Aufnahmen dieser Veranstaltung,<br />

einzigartiges Archiv- und umfangreiches<br />

Bonusmaterial ergänzen den Hauptfilm und<br />

machen die DVD-Edition zu einem kompakten<br />

Standardwerk für alle Film- und Theaterbegeisterte<br />

sowie politisch interessierte<br />

Zeitgenossen.<br />

Eigenverleih Karin Kaper, Berlin.Tel./Fax +49 30<br />

61507722, kaperkarin@web.de<br />

www.karinkaper.com<br />

SCÈNE 9<br />

Neue französische Theaterstücke<br />

Das Bureau du Théâtre et de la Danse der<br />

Französischen Botschaft in Berlin freut sich,<br />

den neunten Band der Theateranthologie<br />

Scène präsentieren zu dürfen. Seit diesem<br />

Jahr wird die Reihe in Zusammenarbeit mit<br />

dem Verlag Theater der Zeit herausgegeben<br />

und präsentiert sich so in etwas veränderter<br />

Gestalt. Wir freuen uns ganz besonders auf<br />

diese neue Zusammenarbeit. Die Reihe Scène<br />

veröffentlicht seit 1999 jährlich fünf ins Deutsche<br />

übersetzte Theaterstücke von französischsprachigen<br />

Autoren, seit 2000 unter der<br />

Herausgeberschaft von Barbara Engelhardt.<br />

Scène trägt damit wesentlich zur Förderung<br />

der zeitgenössischen französischen Dramatik<br />

in Deutschland bei, der sich das Bureau<br />

du Théâtre et de la Danse u.a. widmet. In<br />

der aktuellen Ausgabe Scène 9 finden sich<br />

die folgenden Stücke von Lancelot Hamelin,<br />

Sylvain Levey, Philippe Malone, Michel Simonot:<br />

„L’Extraordinaire tranquillité des choses“<br />

/ „Die außerordentliche Ruhe der Dinge“<br />

(Übersetzung: Ulrike Bokelmann Copi), „La<br />

Tour de la Défense“ / „Das Schlangennest“<br />

(Übersetzung: Uli Menke Didier-Georges Gabily),<br />

„Chimère et autres bestioles“ / „Chimäre<br />

und anderes Getier“ (Übersetzung: Barbara<br />

Engelhardt / Mohamed Kacimi), „Heiliges<br />

Land“ / „Terre sainte“ Übersetzung: Barbara<br />

Engelhardt, „Philippe Malone, III“ (Übersetzung:<br />

Bettina Arlt).<br />

Theateralmanach 2006/2007 ist<br />

erschienen<br />

Der Theateralmanach des Münchner<br />

Theateragenten Bernd Steets ist in diesem<br />

Jahr zum 15. Mal erschienen. Der Almanach<br />

bietet eine Vorausschau auf die kommende<br />

Spielzeit 2006/2007. Alle deutschsprachigen<br />

Theater, die selbst produzieren, sind darin<br />

erfasst. Der Theateralmanach beinhaltet<br />

Informationen zu Veränderungen an den<br />

Theatern (Intendantenwechsel etc.), zu den<br />

Etats der Theater, zum Personalstand, zu den<br />

Besucherzahlen der vergangenen Spielzeit<br />

und die Spielpläne 2006/2007 mit Premierendaten<br />

und den Regisseuren. Dazu kommt<br />

ein Überblick über die Theatersituation in<br />

den einzelnen Bundesländern und den großen<br />

Städten in Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz.<br />

ISBN 3 – 9808009 – 4 – 6<br />

Internationales Internet-Tanzfestival:<br />

SideBySide-net 2006<br />

Zehn Choreografen, die die Fachjury<br />

des SideBySide Art Center e.V. aus 189 Bewerbungen<br />

aus aller Welt als die Besten bewertete,<br />

präsentieren hier ihre tänzerischen<br />

Darbietungen. Dazu gehören Künstler aus<br />

Frankreich, Griechenland, Italien, Schweiz,<br />

Slowenien, Tschechien sowie aus verschiedenen<br />

Regionen Deutschlands. Zugleich<br />

führt der Verein gezielt Kinder an die Faszination<br />

des professionellen Tanzes heran und<br />

stellt dem Publikum eine Gruppe tanzinteressierter<br />

Düsseldorfer Grundschulkinder vor.<br />

Die Stücke der Choreografen sind für drei<br />

Monate (bis zum 29.1.2007) als Kurzvideos<br />

auf www.side-by-side.org zu sehen. Per internationaler<br />

Ausschreibung wurden Künstler<br />

dazu aufgerufen, einen Film aus dem<br />

Repertoire ihrer choreografischen Arbeiten<br />

einzusenden. Aus 189 Einsendungen wählte<br />

die internationale Fachjury des SideBySide<br />

Art Center e.V. zehn Darbietungen aus, deren<br />

Künstler sie mit je 500 Euro honoriert<br />

und zur Eröffnungsveranstaltung des Festivals<br />

nach Düsseldorf eingeladen hat. Zu den<br />

so Nominierten gehören Künstler aus Frankreich,<br />

Griechenland, Italien, Schweiz, Slowenien,<br />

Tschechien sowie aus verschiedenen<br />

Regionen Deutschlands: Otto Bubenicek<br />

(Ha<strong>mb</strong>urg Ballet), Mateja Bucar (Dum-Club,<br />

Ljubljana,Slowenien), Antonin Comestaz<br />

(Ha<strong>mb</strong>urg Ballet), Jacqueline Fischer (Theater<br />

der Klänge, Düsseldorf), Massimo Gerardi<br />

(movingtheatre.de, Köln), Rafaele Giovanola<br />

(Cocoondance, Köln), Heike Hennig (tanzscene,<br />

Leipzig), Claudia Küppers (Lalun Ense<strong>mb</strong>le,<br />

Düsseldorf), Iritha Kyriakopoulou<br />

(freelancer, Greece) und Maik Riebort (Tino<br />

Sehgal, Berlin).<br />

www.forum-freies-theater.de<br />

Kulturförderung online<br />

Im Herbst ging eine neue Datenbank<br />

zur Kulturförderung online. Ausgangspunkt<br />

war die Idee der Kulturstiftung der Länder,<br />

ein Informationszentrum für Kulturförderung<br />

aufzubauen. Die neue online-Datenbank<br />

wird Informationen über kunst- und kulturfördernde<br />

Stiftungen, Unternehmen und<br />

andere Institutionen allen Interessierten zugänglich<br />

machen. Die Frage, wer ein Theaterfestival<br />

unterstützt, welches Unternehmen<br />

Theaterprojekte mit Kindern fördert oder ob<br />

es für junge Ballettänzer genug Förderung<br />

gibt, sollte sich dann per Mausklick beantworten<br />

lassen. In einer Zweckgemeinschaft<br />

mit hervorragendem Ziel verbinden sich der<br />

Bundesverband Deutscher Stiftungen, der<br />

Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI<br />

und die Kulturstiftung der Länder.<br />

Deutsches Informationszentrum für Kulturförderung,<br />

Lützowplatz 9, 10785 Berlin.<br />

Tel. +49 30 2535 8566,<br />

informationszentrum@kulturfoerderung.org<br />

www.kulturfoerderung.org<br />

38


Tanz der Gedanken und Körperteile<br />

im Netz<br />

Mit corpus.net findet sich im Internet ein<br />

Magazin, das sich mit zeitgenössischen Perspektiven<br />

und Praktiken in Tanz, Choreografie<br />

und Performance auseinandersetzt – im Zusammenhang<br />

mit assoziierten Kunstsparten<br />

sowie den mit diesem weiten Feld verbundenen<br />

Körperdiskursen. Der Titel corpus ist<br />

eine Anspielung auf die Formulierung eines<br />

„Körpers des Sinns“ durch den französischen<br />

Philosophen Jean-Luc Nancy. Zur Zeit wird<br />

das Magazin noch überwiegend in deutscher<br />

Sprache geführt. Alle Texte allerdings,<br />

die die Redaktion auf Englisch erhält, werden<br />

in der Originalsprache auf die Site gestellt,<br />

um nichtdeutschsprachigen Neugierigen<br />

schon jetzt einige Möglichkeiten zu bieten,<br />

an corpus teilzuhaben. Die im ersten Ansehen<br />

vielleicht etwas eigenwillig anmutenden<br />

Rubriken Finger, Wirbelsäule, Zunge, Schuh<br />

und Rakete führen einerseits von den stereotypen<br />

Formulierungen der Informations-<br />

Website weg und verraten zum anderen bereits,<br />

worum es in corpus geht. Der FINGER<br />

mit seiner Sy<strong>mb</strong>olik der Indexikalität und<br />

der Schrift enthält Arbeiten zur Theorie und<br />

Essayistik (auch die Editorials), ferner Überlegungen<br />

zur Ermöglichung und Veröffentlichung<br />

von Kunst durch Kuratorenschaften,<br />

weiters die Verweisrubrik Service und das<br />

Forum, in das man sich einschreiben kann.<br />

In WIRBELSÄULE verbirgt sich das tragende<br />

Moment von Denken und Lexikalität, daher<br />

sind hier die Interviews, Portraits, das Archiv<br />

und die corpus-Enzyklopädie angelegt.<br />

Mit Sprache, Äußerung und Verbindung ist<br />

die ZUNGE zu assoziieren, also bringen wir<br />

in dieser Rubrik die Themenschwerpunkte,<br />

Kritiken, Literaturtips und (künftig) inhaltliche<br />

Kooperationen mit corpus hier unter.<br />

Und dann der SCHUH, das Objekt und seine<br />

Handhabung, die Technik und das Lernen,<br />

das Herholen des Anderen und die Pflege<br />

von Gastfreundschaft. Hier finden sich die<br />

corpus-Residencies, die Abteilung Techné<br />

mit Texten über Körpertechniken, Research<br />

und Pädagogik, und schließlich das Reflectory,<br />

in dem corpus Nachwuchskooperation<br />

und -entwicklung betreibt. Diese anagrammatische<br />

Anatomie wird durch die Rubrik<br />

RAKETE ergänzt, die geistesblitzhaft Raketen<br />

durch den Körper von corpus zischen lässt,<br />

so dass wir aufschrecken und fragen: „Was<br />

ist denn das?“ Was ist es also? Möglicherweise<br />

eine Art temporärer autonomer Zone...<br />

Zum Auftakt offeriert die Redaktion einen<br />

Themenschwerpunkt unter dem Titel „Der<br />

verstellte Körper“ nach einer Idee von Nicole<br />

Haitzinger mit Texten von Rainer Nägele,<br />

Krassimira Kruschkova, Rabih Mroué, Haitzinger<br />

und Helmut Ploebst. Ein weiteres Thema<br />

ist bereits in Planung und folgt im Februar<br />

2007. Ein praktisches Werkzeug für alle,<br />

die es betrifft, soll das corpus-Service sein.<br />

Mit Adressen, Veranstaltungstips, Blackboard<br />

und Jobbörse wird den Besucherinnen und<br />

Besuchern der Site Praktisches serviert – mit<br />

Links zu größeren Info-Maschinen. À propos<br />

Links: Ein Blick in die Reflectory-Abteilung<br />

zeigt, was die Nachwuchs-Autor(inn)en bei<br />

corpus.net im Web recherchiert haben. Last<br />

but not least rundet ein moderiertes Forum<br />

zum Thema Kollektivität den Inhalt auf.<br />

www.corpus.net<br />

theaterspielplan.at geht online<br />

theaterspielplan.at, das neue Onlineportal<br />

der österreichischen freien Theaterszene,<br />

ermöglicht nicht nur die Suche nach Premieren<br />

und aktuellen Produktionen, sondern<br />

auch nach Produktionen, die gerade nicht<br />

auf dem Spielplan stehen, nach Ense<strong>mb</strong>les,<br />

Personen und Spielorten und ist mit einem<br />

differenzierten Schlagwortregister versehen.<br />

Wo hat mein Lieblingsschauspieler mitgespielt,<br />

was hat meine Lieblingsregisseurin<br />

zuletzt inszeniert, wer in Salzburg arbeitet<br />

im Performancebereich zum Thema Mozart?<br />

www.theaterspielplan.at ermöglicht alle diese<br />

Recherchen, gleichzeitig entsteht ein umfassendes<br />

Archiv freier Theaterarbeit. Zusätzlich<br />

funktioniert die Website künftig als zentrale<br />

Datenschnittstelle: wer sich dort einträgt,<br />

dessen Produktion wird (voraussichtlich ab<br />

Herbst) an die Redaktion des Falter weitergeleitet,<br />

im online-Veranstaltungskalender des<br />

Falter aufscheinen und von dort an weitere<br />

15 Medienpartner des Falter - unter anderem<br />

den STANDARD - exportiert. Kooperationen<br />

mit weiteren zentralen österreichischen Kalendarien<br />

sind in Planung, ein Ticketsystem<br />

ist künftig integrierbar. Die dahinterliegende<br />

Datenbank „culturebase“ stammt vom Kulturserver.<br />

Viele im Kulturbereich tätige Organisationen<br />

nutzen sie bereits wie etwa die<br />

Berliner Spielstätten im gemeinsamen Internetauftritt:<br />

http://www.berlin-buehnen.de,<br />

dance germany (www.dance-germany.org),<br />

tanzkalender.de und andere angeschlossene<br />

Seiten.<br />

www.theaterspielplan.at<br />

World Theatre Directory online<br />

Eine Re-launch hat die online-Datenbank<br />

„World Theatre Directory“ erfahren. Neben<br />

praktischen Informationen über die <strong>ITI</strong>-Zentren<br />

werden von den beteiligten Nationen<br />

jeweils eine kurze essayistische Einführung<br />

zur nationalen Theatergeschichte und zu<br />

aktuellen Entwicklungen sowie konkreten<br />

Daten zu Festivals, Theaterhäusern sowie<br />

Ausbildungsmöglichkeiten, Informationszentren<br />

und Publikationen im Bereich der Darstellenden<br />

Künste geboten. Die Datenbank<br />

wurde mit Unterstützung der UNESCO-Abteilung<br />

für Kunst und Kultur aufgebaut und<br />

wird laufend von den nationalen Zentren<br />

aktualisiert.<br />

www.iti-worldwide.org<br />

www.freiekultur.de<br />

Auf der Seite www.freiekultur.de können<br />

Kunstschaffende und Artisten Jobs finden<br />

und ausschreiben, sich registrieren und mit<br />

eigenen Angeboten gefunden werden. Sie<br />

können, diskutieren, Fotos veröffentlichen,<br />

Infos beziehen und Fördermöglichkeiten recherchieren.<br />

Die Seite und das Forum wurden<br />

neu eingerichtet und stehen ab sofort<br />

zur Verfügung.<br />

www.freiekultur.de<br />

Meldungen<br />

39


Theatertexte<br />

Theater vor der Wahl<br />

Von Hedda Kage<br />

Mexiko im Wahlfieber, kaum ein Straßenbaum,<br />

an dem nicht mindestens drei Plakatgesichter<br />

der Präsidentschaftskandidaten<br />

oder ihrer regionalen Gouverneursanwärter<br />

baumeln. Richtiges Vertrauen scheint keiner<br />

der Prätendenten einzuflößen. Auch wenn<br />

der Subcommandante Marcos den jungen<br />

Leuten empfiehlt, gar nicht zu wählen, unter<br />

den Intellektuellen und Künstlern hat man<br />

sich dazu entschlossen: Am 2. Juli geht es zur<br />

Sache: Um keinen Preis die regierende PAN<br />

noch einmal an die Macht, um gar keinen<br />

Preis die Rückkehr der PRI! Also bleibt nur<br />

die Unterstützung der Wahlkampagne des<br />

von der PRI losgelösten, eine linke, radikal<br />

demokratische Option anbietenden Kandidaten<br />

Obrador. Im Fall seines Sieges geistern<br />

schon Namen für frei werdende Positionen<br />

in Kultur und Auswärtigen Angelegenheiten.<br />

Wird Victor Hugo Rascón-Banda, mehrfach<br />

ausgezeichneter Dramatiker und Erzähler<br />

und aktiver Präsident des Schriftstellerverbandes,<br />

der Nachfolger von Sari Bermudez<br />

im Amt des Secretario General von Conaculta?<br />

Spekulationen unter der Hand, ein pures<br />

Jonglieren mit Namen oder absehbares Revirement?<br />

Gewissheit herrscht nur darüber,<br />

dass alle gehen müssen, die bis jetzt führende<br />

Positionen im staatlichen Kulturbereich<br />

innehatten. So erwartete man mit Spannung<br />

die erste der Fernsehdebatten zwischen den<br />

Kandidaten, und war enttäuscht von den eingefrorenen<br />

Gesichtern der Macht: gestanzte<br />

Allgemeinplätze, billige persönliche Angriffe.<br />

Kein Wort zur Kultur! Wozu hatte Obrador<br />

eine Woche vorher die Spitzen der Kultur zu<br />

einem Gespräch eingeladen? Alles war da,<br />

was Rang und Namen hatte, doch konkrete<br />

Vorschläge waren nur von Rascón-Banda<br />

präsentiert worden. Von den anderen kamen<br />

nur „Träumereien“ – doch die mexikanischen<br />

„hornos“ sind keine „französischen Kamine“.<br />

Knallhart geht es zu in Chiapas und Antenco,<br />

wie aus Fernsehberichten und Artikeln der<br />

oppositionellen Zeitung „La Jornada“ zu ersehen<br />

ist. Das hässliche Gesicht Mexikos, gespiegelt<br />

in den schändlichen, von der Regierung<br />

zynisch zu „vereinzelten Übergriffen“<br />

heruntergespielten Menschenrechtsverletzungen<br />

der Polizei, vor allem gegen Frauen.<br />

Kein Wort von all dem in den maskenhaft<br />

vorgetragenen Diskursen der Präsidentschaftskandidaten,<br />

nur die Wiederholung<br />

gleich lautender Versprechungen. Flagge zu<br />

zeigen, wagte ausgerechnet ein vom Kulturministerium<br />

abhängiger Rundfunksender,<br />

Radio Educación, der vor jeder Wahlpropagandasendung<br />

in einer Endlosschleife immer<br />

wieder die gleiche Musik abspielen ließ, um<br />

die Austauschbarkeit der Phraseologie eindringlich<br />

zu Gehör zu bringen. Unter der Generaldirektion,<br />

Dr. Lidia Camacho, hat dieser<br />

Sender ein unverkennbares Profil entwickelt<br />

und mit der 6. internationalen Radiobiennale<br />

vom 15. bis 19. Mai 2006 erneut bewiesen,<br />

welche kulturelle und politische Bedeutung<br />

dem Rundfunk in Mexiko zukommt und<br />

welche Aufmerksamkeit dieser Kultursender<br />

weltweit genießt. In ihrem Buch „Una<br />

década de irradiar nuevas ideas sonoras. La<br />

historia de la Bienal Internacional de Radio“<br />

hat Lidia Camacho die Entwicklung von der<br />

ersten Idee bis zur Realisation der nunmehr<br />

6. Biennale mit sämtlichen Programmen und<br />

internationalen Teilnehmern, darunter viele<br />

deutsche Partner, dargestellt. Es gibt auf der<br />

Welt kein vergleichbares Forum der Reflexion<br />

des Mediums über sich selbst. Hochrangig<br />

besetzt, bezog es unüberhörbar Position angesichts<br />

der durch Korruption fatal verwässerten<br />

Fassung des neu zu verabschiedenden<br />

Rundfunk- und Fernsehgesetzes in Mexiko.<br />

Fraglich, ob die Intervention einiger Senatoren<br />

die Verabschiedung des Gesetzes vor<br />

der Wahl wird verhindern können. Ebenso<br />

fraglich, ob eine Verbesserung des Entwurfs<br />

nach der Wahl noch möglich sein wird.<br />

Auch Lidia Camacho rechnet damit, ihren<br />

Stuhl bei Radio Educacion räumen zu müssen.<br />

Und was wird aus Mario Espinoza, dem<br />

einfallsreichen Chef der Fonca (vergleichbar<br />

der Bundeskulturstiftung) und Initiator des<br />

internationalen Theatertreffens „Puerta de<br />

las Américas“, das vom 1. bis 4. Juni nun<br />

zum 3. Mal stattfand? Ihm ist es gelungen,<br />

Produzenten, Festivaldirektoren und Promotoren<br />

für Musik, Tanz und Theater aus aller<br />

Welt nach Mexiko einzuladen und mit der<br />

Vielseitigkeit künstlerischer Produktion seines<br />

Landes bekannt zu machen und in bewundernswertem<br />

logistischen Wettlauf zwischen<br />

Zeit und räumlichen Entfernungen in der<br />

mexikanischen Metropole einen breit gefächerten<br />

Programmüberblick – mit täglich 3-4<br />

Aufführungen für jede Sparte – zu bieten. Es<br />

brummte auf sämtlichen Kommunikationskanälen<br />

im Hotel Sheraton Centro Histórico,<br />

in dem drei Tage lang auf der Theatermesse<br />

in achtzig Boxen musikalische und performative<br />

Produktionen sich um das Interesse der<br />

internationalen Fachleute bemühten. Sinnvoller<br />

erschienen mir die Begegnungsplattformen,<br />

auf denen Autoren und Regisseure<br />

aus Mexiko mit Übersetzern und Promotoren<br />

aus Europa und den USA an drei Arbeitstischen<br />

in einen lebendigen Dialog gebracht<br />

wurden, nicht zuletzt Dank der vorzüglichen<br />

Moderation durch den Autor, Regisseur, Darsteller<br />

und Theaterwissenschaftler Luis Mario<br />

Moncada, den Dramatiker Edgar Chias und<br />

die jungen Theaterwissenschaftsstudentin<br />

Ximena Sanchez de la Cruz. “Nationaltheater“<br />

und „Förderung nationaler Dramaturgie<br />

im Kontext internationaler Begegnungen“<br />

waren die zentralen Themen der Arbeitsgespräche.<br />

Die Ergebnisse sollen zu präzisen<br />

40


Formeln komprimiert, als Kulturagenda, der<br />

neuen Regierung unterbreitet werden.<br />

Wie es um die Theaterbegeisterung der<br />

Mexikaner steht, lässt sich schwer abschätzen.<br />

Offensichtlich ist in der jungen Generation<br />

eine starke Neigung zum Theater mit<br />

entsprechendem Andrang an den Schauspielschulen<br />

festzustellen, doch die zahlreichen<br />

Säle sind für gewöhnlich schlecht<br />

besucht. Ganz anders als in Argentinien,<br />

scheint in Mexiko das Theater auf der Suche<br />

nach seinem Publikum zu sein.<br />

Theater in der UNAM<br />

Seit 2004 wird die zur UNAM gehörende<br />

Theaterhochschule von der Bühnenbildnerin<br />

und Professorin Monica Raya sehr streng und<br />

konsequent in ihrer Spielplanpolitik geleitet.<br />

Die Mehrzahl der 22 Produktionen, die während<br />

ihrer Amtszeit entstanden und in den<br />

verschiedenen Theatersälen gezeigt wurden,<br />

stammen von jungen Autoren und Regisseuren<br />

in Zusammenarbeit mit Absolventen<br />

und künstlerischen Lehrern der beiden unterschiedlichen<br />

Ausbildungsinstitute. Die CUT<br />

gilt als eindeutig bessere Ausbildungsstätte<br />

für Schauspieler. Die Ausbildung an der Theaterhochschule<br />

der UNAM ist vielleicht umfassender<br />

und akademisch anspruchsvoller,<br />

und mit dem Titel ist man besser dran, doch<br />

die Schauspielausbildung ist weniger intensiv.<br />

In jedem Fall ist es Monica Raya gelungen,<br />

wieder ein Publikum für die Theatersäle<br />

in der UNAM heranzubilden. Im Foro Sor<br />

Juana sehe ich vor ausverkauftem Haus die<br />

Nachmittagsvorstellung einer zu recht hoch<br />

gerühmten Peer Gynt Inszenierung von Carlos<br />

Corona. Bühnenbildlösung und Kostüme<br />

sind von einer außerordentlichen Phantasie,<br />

die Bearbeitung für 8 Darsteller in 40 Rollen<br />

stringent und humorvoll für eine zweieinhalb<br />

Stunden Aufführung mit einem jungen Star:<br />

Rodrigo Vazquez und einer ebenso überraschenden<br />

Laura Almela (als Ase, Gnomi und<br />

Fundidor). Eine beglückende Ense<strong>mb</strong>leleistung<br />

in dem wie ein Puppenhaus vielseitig<br />

bespielbaren Einheitsbühnenbild.<br />

Jede Gruppe muss sich um Projektmittel<br />

für ihre jeweils geplante Produktion bemühen<br />

und möglichst einen institutionellen<br />

Partner (INBA, UNAM oder HELENICO) finden<br />

und ggf. neue Räume anmieten, um den<br />

Erfolg anschließend überhaupt im Repertoire<br />

halten zu können. Wie soll sonst ein Gastspiel<br />

im Ausland im darauf folgenden Jahr zustande<br />

kommen? Meistens sind allerdings U<strong>mb</strong>esetzungen<br />

erforderlich, weil die Schauspieler<br />

inzwischen in weiteren Projekten engagiert<br />

sind. Umso wichtiger die Bemühungen um<br />

Gastspiele in anderen Provinzen im riesigen<br />

eigenen Land und um ausländische Koproduktionen,<br />

wie beim diesjährigen Cervantino<br />

Festival in Guanajuato (4. bis 22. Oktober)<br />

mit dem Londoner Royal Court.<br />

Allen ist klar, dass das Wahlergebnis am<br />

2. Juli für die Kulturfinanzierung und Kulturpolitik<br />

von entscheidender Bedeutung sein<br />

wird. Der Kandidat Obrador, wenn er denn<br />

wunschgemäß doch gewinnen sollte, muss<br />

mit Ideen versorgt werden, denn unter den<br />

Politikern der Parteien findet sich kein Experte<br />

auf diesem Sektor.<br />

Vieles erinnert mich an den Wahlkampf<br />

von Schroeder, der ja auch mit der Ernennung<br />

eines Beauftragten für Kultur seinen<br />

Wahlkampf 1994 „aufgehellt“ und für junge<br />

Wähler attraktiv gemacht hatte.<br />

Und dann geschieht am 2. Juli das Unglaubliche!<br />

0,53 % fehlen Obrador für den<br />

Sieg. Die Gerüchte überschlagen sich, die<br />

Beweise für den horrenden Wahlbetrug aber<br />

könnte nur die von ihm und seinen Anhängern<br />

geforderte erneute Auszählung aller<br />

Stimmen liefern. Das oberste Wahlgericht<br />

verweigert das und erklärt Calderon zum<br />

neuen Präsidenten, der Anfang Deze<strong>mb</strong>er<br />

die Nachfolge von Vicente Fox antreten soll.<br />

Leider haben die voreiligen Gegenaktionen<br />

Obradors (Besetzung des zentralen<br />

Platzes vor der Kathedrale, Straßenblockaden<br />

– noch bevor Calderon vom Wahlgericht<br />

zum Sieger ausgerufen war – usw.) die mexikanische<br />

Gesellschaft polarisiert.<br />

Wut und Enttäuschung über den erneuten<br />

Wahlbetrug versuchen Künstler wie<br />

Jesusa Rodriguez, eine der vielseitigsten Regisseurinnen/Darstellerinnen,<br />

in kulturelle<br />

Widerstandsaktionen umzusetzen. Frauen<br />

wie Jesusa und viele andere sind nicht bereit,<br />

noch einmal den Rückzug in geduldiges<br />

Abwarten anzutreten wie damals bei dem<br />

schon getürkten Wahlsieg von Fox, der die<br />

korrupte PRI, die Partei der immerwährenden<br />

Revolution - zwar abgelöst, doch nur durch<br />

ein ebenso korruptes neoliberales System<br />

ersetzt hat. Wenn Obrador sich ,wie inzwischen<br />

geschehen, am 20. Nov. zum Gegenpräsidenten<br />

erklärt, wenn Calderón am 1.<br />

Dez. offiziell die Präsidentschaft antritt, weiß<br />

niemand, was passieren, welche Formen der<br />

Widerstand evtl. annehmen kann. Andererseits<br />

gibt es auch unter den zuvor lautstarken<br />

Anhängern Obradors aus dem Kulturbereich<br />

durchaus mehrere, die sich bereits leise auf<br />

den Weg ins Lager der Macht aufgemacht<br />

haben, berichtet Jaime Chabaud, der umtriebige<br />

Autor und Chef der exzellenten Theaterzeitschrift<br />

„Paso de Gato“.<br />

Jesusa Rodriguez erzählt, dass sie nach<br />

zwanzig Jahren, ihres inzwischen zur Institution<br />

gewordenen, politischen Frauenkabaretts<br />

in Mexiko D.F. aus dem Bedürfnis nach<br />

einer anderen Form des unmittelbaren, politisch<br />

künstlerischen Dialogs begonnen hatte,<br />

in Chiappas mit Indigena-Frauen Theaterworkshops<br />

durchzuführen. Aus dieser Begegnung<br />

und der aktiven Beteiligung an der<br />

Wahlkampagne für Obrador ist wohl auch ihr<br />

Programm erwachsen, das ich beim Festival<br />

in Cadiz sehen konnte.<br />

„El Maiz“<br />

Ein gewagter Grenzgang zwischen Ritual<br />

und Kabarett der nackt, mit grüner Göttermaske<br />

auftretenden Jesusa. Sie bemalt<br />

ihren sy<strong>mb</strong>olischen Körper, das Land, das<br />

Maisfeld, die Wiege der Menschheit, den<br />

von genmanipulierten Angriffen bedrohten<br />

Körper, bemalt Arme, Beine und Gesicht,<br />

das schließlich die Maske des weißen Todes<br />

annimmt. Die von ihr z.T. in Nahoatl gesprochenen<br />

Verse werden von Liliane Felipe<br />

am Piano leider all zu sehr in dramatischen<br />

Gesang übersetzt, was die inszenatorisch<br />

überzeugendsten Verwandlungen der Jesusa<br />

beeinträchtigt. Ihre blauen Fußspuren<br />

malen eine Schneckenspirale auf dem unberührten<br />

weißen Papierfeld, um darunter zu<br />

kriechen, es zu durchstoßen, zu einem sie<br />

umhüllenden Brautkleid oder Leichentuch zu<br />

verwandeln, das endlich zu einem unbrauchbaren,<br />

schmutzig zerknüllten Abfallbündel<br />

verkommt. Ein Bravourstück ist ihre große,<br />

alle kabarettistischen Pointierungskünste aufbietende<br />

Darstellung der in ein Netz gekleideten,<br />

darin erstickenden Mestiza, die der<br />

Außenwelt den widersprüchlichen und mörderischen<br />

Schwachsinn ihres zerstörerischen<br />

Umgangs mit dem Mais vorhält. Geboren<br />

aus dem Bedürfnis, nicht die Denunziation,<br />

nicht die politische Namen nennende Anklagegeste<br />

auf die Bühne zu bringen, sondern<br />

theatralisch, d.h. sy<strong>mb</strong>olisch zu arbeiten,<br />

leidet dieser interessante Versuch dennoch<br />

an der Unausgeglichenheit der Mittel und<br />

verfängt sich in manchen Untiefen des politischen<br />

Kitsches.<br />

„Extras“<br />

ist eine Sondervorstellung im ausverkauften<br />

Teatro Julio Castillo. Sabina Bermans<br />

Inszenierung ruht auf zweien der Gebrüder<br />

Bichir, einem vor allem durch den Film berühmt<br />

gewordenen Trio, das wie die Reinkarnation<br />

der Marx Brothers zu den beliebtesten<br />

Darstellerikonen Mexikos gehört.<br />

Was die beiden Brüder auf der riesigen leeren<br />

Bühne mit einer fulminanten Lichtregie<br />

zusammenzaubern, ist ate<strong>mb</strong>eraubend professionell<br />

und engagiert und wirkungssicher.<br />

Sabina Bermans Bearbeitung macht das<br />

ursprünglich irländische Stück über illegal<br />

beschäftigte mexikanische Filmstatisten zu<br />

einem hinreißenden Erfolg. Die in Road-Movie-Manier<br />

sich abspulende Handlung, lässt<br />

die beiden Protagonisten in acht verschiedenen<br />

Rollen und unter Einbeziehung des<br />

Publikums so körperbetont, witzig, akrobatisch<br />

über die drei Lichtpodeste toben, dass<br />

man die Message mit bejahendem Lachen<br />

begrüßt. Im Schlussapplaus heben sie ein<br />

Schild hoch: „Muro no“ („Mauer weg“). Die<br />

beiden nordamerikanischen Produzenten,<br />

die diese Aufführung durch die USA schicken<br />

wollen, zeigen sich sichtlich bewegt. So gut<br />

kann politisches Theater sein ohne ein Wort<br />

zur aktuellen Politik zu sagen!<br />

„Mestiza Power“ von Saa‘s Tun ist eine<br />

narrative, beeindruckende Vorstellung und<br />

zeigt die andere, ebenso engagierte, Hälfte<br />

des mexikanischen Gesichts. Drei Frauen aus<br />

Tijuana erzählen aus ihrem Leben. Keine Folklore,<br />

sondern eine unsentimentale, erotisch<br />

aufgeladene, mit ganz einfachen Requisiten<br />

die Bühne über die Rampe verlängernde<br />

Darstellung mestizischen Lebens. Das Publikum<br />

jubelt. Alle verkrampften Problematisierungen<br />

von „Identität“ und „Wurzeln“<br />

erübrigen sich, wenn man eine solche Aufführung<br />

sieht.<br />

Für die Vorstellung „Un Ensayo sobre la<br />

inmovilidad“ des begabten Alberto Villareal<br />

und seiner inspirierten Truppe in einem leeren,<br />

alten Apartment, gibt es leider nur wenige<br />

Zuschauer. Alberto nutzt sein großzügiges<br />

Stipendium ausschließlich zum Schreiben<br />

und Inszenieren. Alle übrigen spielen<br />

auch noch in anderen Aufführungen, doch<br />

Albertos ungewöhnlicher Weg der theatralischen<br />

Forschung, der von einer jungen Theaterwissenschaftlerin,<br />

als Dramaturgin und<br />

Chronistin der Inszenierung von Kafkas „Die<br />

Verwandlung“ begleitet wird, macht das<br />

zentrale Interesse für sie aus. Im Gegensatz<br />

zum fulminanten Lichtzauber der Fura dels<br />

Baus spinnt Albertos mit ganz elementaren<br />

Mitteln zaubernde - Stühle, Tisch, Türen und<br />

Ventilator verwendende - Aufführung den<br />

Zuschauer in einen beängstigenden Bedeutungskokon<br />

ein, und kommt dem existentiellen<br />

Kern des Kafkatextes damit sehr nahe.<br />

Theatertexte / Berichte<br />

41


Theatertexte / Berichte<br />

Alberto Villareal ist es auch, der auf dem Theatermarkt<br />

von Puerta de las Américas sowohl<br />

die aus Buenos Aires eingeladene Aufführung<br />

von „Open House“ als auch generell die Arbeit<br />

seiner argentinischen Kollegen Veronese,<br />

Spregelburd und Tantanian vertritt. Das<br />

entspricht dem Konzept von bilateraler Zusammenarbeit<br />

zwischen Künstlern, die auch<br />

ästhetisch miteinander zu tun haben.<br />

Äußerst umstritten unter Theaterleuten<br />

ist die Aufführung von „Piel“ der Valdes Kuri<br />

Truppe „Teatro de Ciertos Habitantes“, die<br />

mit ihrer hoch gelobten Inszenierung von<br />

„Automobil Gris“ quer durch Europa getourt<br />

sind. „Piel“ von Ximena Escalante (Autorin<br />

von „Phädra und andere Griechinnen“) ist<br />

das Ergebnis eines kollektiven Probenprozesses,<br />

dessen Dialoge und Beziehungsmuster<br />

in Monate langen Improvisation entstanden<br />

sind. Die Autorin hat das Bestreben,<br />

diesen für sie nicht abgeschlossenen Arbeitsprozess<br />

– trotz der erfolgreichen Aufführung<br />

– schreibend weiter zu führen und Szenen<br />

hinzuzufügen: Eine Gruppe von fünf Freunden<br />

beschließt, den Geburtstag eines von ihnen<br />

mit einer physischen Untersuchung zum<br />

Thema „Haut“ zu begehen. Zwei Frauen,<br />

drei Männer lassen sich auf ein gefährliches<br />

Spiel ein und treiben sich wechselseitig an<br />

die äußersten Grenzen physischer und psychischer<br />

Verletzung. Auch wenn Kuris Eitelkeit<br />

der Perfektion die Balance etwas stört,<br />

die Inszenierung hat große Qualitäten in Dynamik<br />

und Fragilität der Beziehungen.<br />

„Un Ma<strong>mb</strong>o con la Catrina“<br />

Ist der Titel von Cordelia Dvorak szenischem<br />

Projekt. Seit sechs Jahren arbeitet<br />

die Deutsche erfolgreich in Mexiko als Bühnen-<br />

und Kostü<strong>mb</strong>ildnerin, als Dokumentarfilmerin<br />

und nun zum zweiten Mal als<br />

Theaterregisseurin. Ihr szenischer Totentanz<br />

erlebt seine Uraufführung in einer Basler<br />

Galerie am 2. Nove<strong>mb</strong>er im Rahmen eines<br />

„Diesseitsvomjenseits“ genannten kulturellen<br />

Austauschprogramms, das Toten-Rituale<br />

aus Mexiko und der Schweiz im Vergleich<br />

zeigt. Mit der aufregend verwandlungsfähigen<br />

Tänzerin Pilar Meckna, als weiblicher<br />

Tod, neben den beiden exzellenten Schauspielern,<br />

dem begnadeten Carlos Cobos, als<br />

Zeichner und Karikaturist Posada, und dem<br />

vielseitigen Arnoldo Picazzo, als dessen Lehrling<br />

und Freund, betritt der armlose Zwerg<br />

José Flores, Mundharmonikavirtuose und Vater<br />

von sieben groß gewachsenen Söhnen,<br />

zum ersten Mal in einer Theateraufführung<br />

die Szene. Seine zwischen Vogelwesen, Devotionalienengel<br />

und philosophierendem<br />

Clochard changierende Figur des Vermittlers<br />

zwischen beiden Welten, macht aus ihm eine<br />

Art Charon, der alle Tricks der Täuschung beherrscht,<br />

und verleiht diesem musikalischen,<br />

poetischen, volkstümlich grotesken und befremdlichen<br />

Spiel seinen berückenden Zauber.<br />

Beim Kulturfestival im März 2007 kann<br />

Cordelia Dvorak ihren szenischen Totentanz<br />

nach Mexiko zurückführen. Wer weiß, in was<br />

für ein Land?<br />

P.S.<br />

Die ersten Maßnahmen des am 1. Deze<strong>mb</strong>er<br />

offiziell ins Amt eingeführten Präsidenten<br />

Calderón betreffen eine drastische Kürzung<br />

des Kulturetats um 700 Millionen Pesos.<br />

Sämtliche Kulturinstitutionen haben zu<br />

einem zentralen Protestmarsch am 19. Deze<strong>mb</strong>er<br />

aufgerufen.<br />

Foto: Internationale Projekte<br />

des NRW KULTURsekretariats<br />

(siehe Seite 12)<br />

42


Reko Lundán (1969 – 2006)<br />

Wir haben einen Schriftsteller und einen<br />

Regisseur verloren, der sich für die kleinen<br />

Leute im Räderwerk der Gesellschaft einsetzte.<br />

Wir haben einen Künstler verloren,<br />

der in seinen Werken von den eigenen Erfahrungen<br />

und Beobachtungen aus seiner<br />

Umgebung auf eine so ersichtliche Weise<br />

Gebrauch machte, dass es bewegend und<br />

berührend war.<br />

Theatertexte / Berichte<br />

Stadttheater New York –<br />

neue deutsche Stücke und eine Kantine dazu<br />

Von Thomas Irmer<br />

Deutsche Stücke in Amerika - das ist lange<br />

her, dass Neues von Kroetz, Strauss oder<br />

Handke regelmäßig zur Kenntnis genommen<br />

und auch gespielt wurde. Vom Boom<br />

neuer europäischer Dramatik gelangen ins<br />

amerikanische Theater allenfalls Stücke aus<br />

England. Der Verein German Theatre Abroad<br />

(GTA), 1996 als ein mobiles transatlantisches<br />

Unternehmen zur Vermittlung deutscher Gegenwartsdramatik<br />

gegründet, simulierte im<br />

Mai vier Wochen lang ein kleines deutsches<br />

Stadttheater. Downtown Manhattan fand<br />

man im experimentierfreudigen HERE Arts<br />

Center einen Ort, der New Yorker Theaterkennern<br />

geläufig ist und eher die räumliche<br />

Nähe zur Kunstszene in Chelsea aufweist als<br />

zum kommerziellen Broadway. Das temporäre<br />

Theater war durch die Kantine zu betreten,<br />

mithin einer Einrichtung, die in amerikanischen<br />

Theatern wegen der erdrückenden<br />

Mietaufkommen kaum bekannt ist. Es ging<br />

also nicht allein um neue Stücke, sondern<br />

auch um die Vermittlung des „whole cultural<br />

construct“, als das die New York Times<br />

deutsches Theater vom amerikanischen unterscheidet.<br />

Jever-Pils und Gaffel-Kölsch, an<br />

der Wand die Porträts von fünfzig deutschen<br />

Intendanten, dazu natürlich Gespräche,<br />

auch als Podiumsdiskussionen angesetzt, bei<br />

denen zuerst ein paar Klischees ausgetauscht<br />

und anschließend abgeräumt wurden. Amerikanische<br />

Theaterleute etwa sprechen von<br />

einem deutschen Theaterwunderland, in<br />

dem man sich kaum um den Kartenabsatz<br />

sorgen müsste – weil das Publikum sowieso<br />

kommt und ansonsten die Subventionsvollversorgung<br />

jedes künstlerische Risiko garantiere.<br />

Deutsche Theaterexperten hingegen<br />

vermuten, das amerikanische Theater sei,<br />

von der New Yorker Avantgarde abgesehen,<br />

gänzlich unpolitisch; außerdem wird der<br />

mittlerweile stark gewachsene Stellenwert<br />

der regionalen Repertory Theatre, die in vielen<br />

größeren Städten der USA den Kern des<br />

Theaterlebens darstellen, hier zumeist ausgeblendet,<br />

wenn es um die deutsche Sicht auf<br />

das dortige Theater geht.<br />

Insofern war die GTA-Kantine in der Konzeption<br />

der Dramaturgin Birgit Lengers ein<br />

echter kulturpolitischer Ort dieses Stadttheaters.<br />

GTA hatte 1997 Klaus Pohls „Die schöne<br />

Fremde“ mit einer Lesung vorgestellt, ihr<br />

folgten über mehrere Jahre die NEW GER-<br />

MAN VOICES im Cherry Lane Theater als<br />

Festival neuer Dramatik. Für das Stadttheater<br />

entstanden nun zwei Inszenierungen: „Slipped<br />

Disc“ (Bandscheibenvorfall) von Ingrid<br />

Lausund mit amerikanischen Schauspielern<br />

in der Regie von Simone Blattner – die Wahl<br />

dieser Büro-Satire zielte auf ein Publikum,<br />

das mehrheitlich sein Tagwerk in Büros verrichtet<br />

und ohne Mühe einen verwandten<br />

Blick auf die Rituale der Hackordnung hinter<br />

geheuchelter Freundlichkeit gewinnen konnte.<br />

Roland Schimmelpfennigs „Die Frau von<br />

früher“ bot dagegen in der Regie von Daniel<br />

Fish schon weniger Vertrautes, zumal dieser<br />

junge Regisseur, der in England und den USA<br />

bereits auf eine beachtliche Zahl von Erstaufführungen<br />

verweisen kann, das Stück in einer<br />

expressiv-surrealen Stimmung enden ließ, die<br />

die Idee von deutschem Theater in Manhattans<br />

alternativer Szene als Gegensatz vergessen<br />

ließ. Selbstbewusst ironisch hatte sich das<br />

von Ronald Marx geleitete GTA-Stadttheater<br />

mit dem Slogan „No fun. No profit. No previews.“<br />

angekündigt und damit gleich drei<br />

landläufige Vorstellungen vom deutschen<br />

Theaterbetrieb selbst ins Spiel gebracht, was<br />

von der New York Times prompt aufgegriffen<br />

wurde. No fun wäre unfair, denn das<br />

Publikum habe sich bei „Slipped Disc“ gut<br />

amüsiert. Die im amerikanischen Theaterbetrieb<br />

üblichen Previews als Testlauf wären<br />

ohnehin nicht in Frage gekommen, und dass<br />

es nicht um Profit gehe, wurde eher kühl mit<br />

dem Hinweis kommentiert, das Stadttheater<br />

wäre „selbstverständlich“ von der deutschen<br />

Regierung finanziert. Überraschenderweise<br />

vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit,<br />

und nicht vom Goethe-Institut oder der Bundeskulturstiftung.<br />

Falk Richter (Electronic City), Rebekka<br />

Kricheldorf (The Ballad of the Pine Tree Killer),<br />

Meike Hauck (Dog Eats Grass) und Marius<br />

von Mayenburg (The Cold Child) wurden,<br />

ausgewählt von dem amerikanischen<br />

Dramaturgen Daniel Brunet und der einst für<br />

den Heidelberger Stückemarkt verantwortlichen<br />

Dagmar Domroes, in szenischen Lesungen<br />

vorgestellt. Mayenburgs Stück, das<br />

in London schon aufgeführt ist, wurde aus<br />

dem britischen Englisch ins amerikanische<br />

adaptiert – ein Beispiel für die manchmal<br />

seltsamen Wege deutscher Dramatik nach<br />

Amerika. Dort könnte nun der Faden wieder<br />

aufgenommen werden, der vor rund zwanzig<br />

Jahren fallengelassen wurde.<br />

Als Reko nach der Theaterhochschule<br />

seinen eigenen Stil, zu schreiben und Theater<br />

über Gesellschaftlichkeit und Subjektivität<br />

zu machen, fand, folgte bald Werk auf<br />

Werk. Reko war äußerst arbeitsam, zielstrebig<br />

und systematisch. Jeden Tag sammelte<br />

er Material, schrieb und trieb Sport, denn er<br />

war ein Freiluftmensch. Reko sah sich immer<br />

die Nachrichten an und las auch im Ausland<br />

die Zeitungen. Reko arbeitete ständig, sogar<br />

nachdem er krank geworden war, verarbeitete<br />

er seine Krankheit in seiner Arbeit.<br />

Während vier Jahren haben wir zusammen<br />

mit Reko das Theaterfestival Teatterikesä<br />

in Tampere gemacht. Wir haben Hunderte<br />

von Aufführungen gesehen und sind Tausende<br />

von Kilometer gereist. Es war einfach,<br />

lustig und bereichernd. Reko liess es nicht<br />

zu, dass widersprüchliche Gefühle seine Entscheidungen<br />

durcheinander brachten, sondern<br />

er analysierte immer genau und berücksichtigte<br />

immer auch andere Menschen und<br />

deren Empfindungen. Reko war unerlässlich<br />

zuverlässig. Er hat sich nie aufgeregt. Reko<br />

war ein junger Mann, ausgerüstet mit einem<br />

gesunden Selbstwertgefühl, ein glücklicher<br />

Familienvater, der mit Dingen als Dinge umging,<br />

und der keine besondere Zurschaustellung<br />

von Wertschätzung brauchte. Er war<br />

ein Künstler ohne Umschweife. Mit ihm zu<br />

diskutieren war ein Traum.<br />

Jeder Arbeitskollege erinnert sich an Reko<br />

auf seine eigene Art. Im alltäglichen Leben<br />

halten kleine Dinge und sonderbare Erinnerungen<br />

den Menschen in unseren Gedanken<br />

am Leben. Es ist mein Schicksal, mich jedes<br />

Mal, wenn ich auf einem Parkplatz eine Parklücke<br />

suche, an Reko zu erinnern, wie er, der<br />

sonst immer ein echter Ingenieur war, bei der<br />

Wahl einer Parklücke genau so zu zögern begann,<br />

wie ich es immer tue. Ich werde mich<br />

immer an Reko erinnern, wenn ich meinen<br />

Reisekoffer nach dem System auspacke: die<br />

Kleider in die Wäsche, die Sachen an ihren<br />

Platz, den Koffer auf seinen Platz im Schrank<br />

– ich war erstaunt, dass ein anderer gleich<br />

systematisch vorgeht und sich auch noch<br />

traut, davon zu erzählen!<br />

So wenig bleibt – und trotzdem so viel.<br />

Das war ein großer Verlust für das finnische<br />

Theater. Wir vermissen dich, Reko.<br />

Maarit Pyökäri<br />

Theaterregisseurin<br />

43


Impressum<br />

Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts e.V.<br />

Präsident: Manfred Beilharz<br />

Herausgeber: Thomas Engel<br />

Redaktion: Michael Freundt<br />

Mitarbeit: Miriam Wehde<br />

Titelfoto: Albrecht Grüß<br />

Fotos innen: Foto aus Projekten und Inszenierungen von euro-scene Leipzig, Dieter Welke, Hansgünther Heyme,<br />

AKT.ZENT, thevo, Dieter Heitkamp, Euro-Theater Central, Peter P. Pachl, NRW Kultursekretariat, Albrecht Grüß<br />

Internationales Theaterinstitut<br />

PF 41 11 28, 12121 Berlin<br />

Schloßstr. 48, 12165 Berlin<br />

Tel. +49 (0)30 791 17 77<br />

Fax +49 (0)30 791 18 74<br />

info@iti-germany.de<br />

www.iti-germany.de<br />

Satz: Albrecht Grüß<br />

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