2.2006 PDF 5.4 mb - ITI
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Impuls 0<strong>2.2006</strong><br />
Internationales Theaterinstitut Zentrum Bundesrepublik Deutschland
Editorial<br />
In diesen Tagen erhalten Sie die zweite Ausgabe des<br />
diesjährigen „Impuls“ – verbunden mit den besten<br />
Wünschen der Geschäftsstelle für eine friedliche Zeit<br />
zwischen den Jahren.<br />
Nachdem wir im Frühjahr die aktuellen Initiativen und<br />
Entwicklungen für den Tanz in Deutschland in den thematischen<br />
Mittelpunkt des Heftes gestellt hatten, wollen<br />
wir in dieser Ausgabe den Blick auf das Netzwerk<br />
des Internationalen Theaterinstituts lenken – nicht, indem<br />
Geschichte und Struktur der internationalen Organisation<br />
erläutert werden, sondern indem wir den Blick<br />
richten auf die vielfältigen Verbindungen und Kontakte,<br />
die sich Mitglieder des deutschen Zentrums des <strong>ITI</strong> in<br />
ihrer Arbeit geschaffen haben. Im Überblick über sehr<br />
unterschiedliche „individuelle Netzwerke“ sowie Intentionen<br />
und Zugänge zur internationalen Theaterarbeit<br />
soll dieses vielfältige Geflecht von Kontakten und Kooperationen,<br />
welches als ein Pendant zu den Projekten<br />
der Geschäftsstelle und der internationalen Netzwerks<br />
gesehen werden kann, erfahrbar werden.<br />
Parallel zur redaktionellen Arbeit haben wir Ende Nove<strong>mb</strong>er<br />
/ Anfang Deze<strong>mb</strong>er drei internationale Projekte<br />
ausgerichtet – vom Forum-Theaterworkshop im Centre<br />
for Theatre in Conflict Zones, der deutsch-kanadischen<br />
Werkstatt zur Gegenwartsdramatik und der Konferenz<br />
„The New Surveillance“ berichten wir im Abschnitt „<strong>ITI</strong><br />
Deutschland“, von den aktuellen Projekten der nationalen<br />
Zentren in aller Welt unter „<strong>ITI</strong> International“.<br />
Am Anfang des Heftes finden Sie wiederum Nachrichten,<br />
die wir hervorheben möchten, die in besonderer<br />
Weise für Kulturpolitik und Theater in Deutschland und<br />
im Ausland beachtenswert erscheinen. Im hinteren Teil<br />
stehen dann die gesammelten Meldungen zu Festivals,<br />
Workshops, Personalia und Medien der letzten Monate<br />
und mit dem Blick auf das nächste halbe Jahr.<br />
Die Theatertexte und Berichte, die den Abschluss des<br />
Heftes bilden führen schließlich nach Mexiko, New<br />
York und Finnland.<br />
Mit den besten Wünschen für 2007<br />
Thomas Engel, Michael Freundt
Inhaltsverzeichnis<br />
Magazin<br />
<strong>ITI</strong> ehrt Kurt Hübner mit Ehrenmitgliedschaft / Theaterplakate von Bühnenbildnern / Unsere<br />
Freundin und Kollegin Rosa Malsagova ist in Gefahr / Idomeneo - Debatte / Libanon /<br />
Awni Karoumi / „Der Faust“ - neuer Theaterpreis des Bühnenvereins / „Europa eine Seele<br />
geben“ 2006 / Jahreskonferenz des European Council of Artists (ECA) 2006<br />
in Berlin / EFAH Konferenz in Helsinki<br />
2<br />
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
AKT-ZENT / Manfred Beilharz, Staatstheater Wiesbaden / Deutscher Bühnenverein / Holk<br />
Freytag / Milenko Goranovic/ Hansgünther Heyme / euro-scene Leipzig / Euro Theater<br />
Central Bonn / Goethe-Institut / Norbert Kentrup / Andrej Kritenko / Klaus Maier / Wolfgang<br />
Mehring / NRW KULTURsekretariat / Peter P. Pachl / PACT Zollverein / Thomas Sauerteig<br />
/ Theaterhaus Stuttgart / Theater an der Ruhr / Theater- und Mediengesellschaft<br />
Lateinamerika / Dieter Welke / Petra Weimer, theater rampe<br />
6<br />
<strong>ITI</strong> Deutschland<br />
<strong>ITI</strong> Jahrestagung in Leipzig / STOP! – THINK! Forum-Theater im Sudan / Werkstattbegegnung<br />
zu kanadischer und deutscher Gegenwartsdramatik / The New Surveillance<br />
16<br />
<strong>ITI</strong> International<br />
31. Weltkongress des Internationalen Theaterinstituts in Manila / The Borges Project der<br />
NPG in Manila / Raija-Sinikka Rantala wurde Künstlerische Direktorin des <strong>ITI</strong> / 124. ExCom-<br />
Sitzung in Paris / Internationales Theaterzentrum Berlin wird „Research Centre“ des <strong>ITI</strong>-UN-<br />
ESCO / 2. Showcase des kroatischen Theater 2006 / International Culture and Arts Week<br />
in Nanjing (China) / Internationales Theaterfestival in Kamerun / Asian Dance Conference<br />
2007 / 25. Fadjr Festival in Teheran / Internationales Seminar zu Drama und Religion in<br />
Teheran / Keine Stücke in englischer Sprache / Kooperation der <strong>ITI</strong>-Zentren in Bangladesh,<br />
Indien, Nepal und Pakistan / Offizielle Eröffnung eines Theaterzentrums im Tschad / Theaterausbildung<br />
in Burkina Faso<br />
22<br />
Meldungen<br />
Kulturpolitik und Theaterlandschaft / Ausschreibungen / Festival / Workshops und<br />
Symposia / Positionen / Personen / Preise / Bücher / Internet<br />
26<br />
Theatertexte / Berichte<br />
• Theater vor der Wahl<br />
von Hedda Kage<br />
• Stadttheater New York – neue deutsche Stücke und eine Kantine dazu<br />
von Thomas Irmer<br />
• Reko Lundán (1969 – 2006)<br />
38
Magazin<br />
<strong>ITI</strong> ehrt Kurt Hübner mit<br />
Ehrenmitgliedschaft<br />
Zum 90. Geburtstag von Intendant<br />
und Regisseur Kurt Hübner würdigt<br />
das deutsche Zentrum des <strong>ITI</strong> den bedeutenden<br />
deutschen Theatermann,<br />
den „Rattenfänger für Talente“ (Friedrich<br />
Luft) mit der Ehrenmitgliedschaft.<br />
Schon im letzten Jahr hatte das Zentrum<br />
Hübner den Preis zum Welttheatertag<br />
verliehen und würdigte damit das Lebenswerk<br />
eines großen Beförderers des<br />
deutschen Theaters, das mit ihm und<br />
Theaterplakate von<br />
Bühnenbildnern<br />
mit vielen Theaterkünstlern, die durch<br />
ihn entdeckt und berühmt wurden,<br />
internationale Ausstrahlung gewann.<br />
Mit Kurt Hübner, Intendant, Regisseur<br />
und Schauspieler, verbindet sich der<br />
legendäre „Bremer Stil“. Seine elfjährige<br />
Bremer Intendanz von 1962 - 1973<br />
war eines der wichtigsten Kapitel des<br />
deutschen Theaters im 20. Jahrhundert,<br />
als eine Zeit des Aufbruchs und der politischen<br />
Reibungen. Zahlreich sind die<br />
Namen derer, die mit Hübner ein politisches,<br />
brisantes und brillantes Theater<br />
auf die Bremer Bühne brachten. Seien es<br />
Der Bund der Szenografen lenkt<br />
mit dem Katalog „Theaterplakate von<br />
Bühnenbildnern“ den Blick neu auf<br />
die längst in der Medien- und Werbewelt<br />
verschüttete Kunst des Theaterplakats.<br />
Ausgehend von der jährlichen<br />
DDR-Ausstellung „Die 100 besten<br />
Plakate“ versammelt der Katalog eine<br />
bemerkenswerte Anzahl künstlerischer<br />
Handschriften der Jahre 1950-1989<br />
und 1990-2005. Unter den 100 besten<br />
Plakaten nahmen seinerzeit Theaterplakate<br />
einen herausragenden Platz ein<br />
und erfreuten sich enormer Beliebtheit.<br />
Die Plakate, welche für das Berliner Ense<strong>mb</strong>le<br />
entstanden, wurden noch Jahre<br />
nach ihrem Erscheinen neu aufgelegt,<br />
Werke von Karl von Appen und Karl-<br />
Heinz Drescher wurden noch 20 Jahre<br />
nach ihrem Erscheinen gedruckt und<br />
gekauft. Zu den vertretenen Bühnenbildnern<br />
gehören u.a. Karl von Appen,<br />
Helmut Brade, Anke Feuchtenberger,<br />
Achim Freyer, John Heartfield, Eberhard<br />
Keienburg, Volker Pfüller und Horst Sagert.<br />
Der Katalog ist das Ergebnis einer<br />
Ausschreibung und als Übersicht über<br />
die Leistungen von Bühnenbildnern<br />
im Bereich der Plakatkunst nach 1990<br />
gedacht. Aber nicht nur der Katalog ist<br />
beim Bund der Szenografen erhältlich,<br />
sondern auch die vorgestellten Plakate<br />
können zu Ausstellungszwecken beim<br />
Bund angefordert werden. Dieses Angebot<br />
gilt nicht nur für Museen und<br />
Galerien, sondern auch für Theater, die<br />
an der Ausstellung dieser Kleinode der<br />
Werbekunst - die an andere Zeitläufe<br />
und andere Kommunikationsformen<br />
zwischen Theater und Publikum erinnern<br />
- interessiert sind.<br />
Bund der Szenografen, Torstr. 207, 10115<br />
Berlin. Tel./Fax +49 30 441 92 75, kontakt@szenografen-bund.de<br />
www.szenografen-bund.de<br />
<br />
die Regisseure Peter Zadek, Peter Stein,<br />
Rainer Werner Fassbinder, Alfred Kirchner,<br />
Peter Palitzsch, Eberhard Fechner,<br />
Johannes Schaaf, Hans Neuenfels und<br />
Klaus Michael Grüber oder Bühnenbildner<br />
wie Wilfried Minks und Erich Wonder.<br />
Zum Schauspiel-Ense<strong>mb</strong>le gehörten<br />
seinerzeit Jutta Lampe, Edith Clever,<br />
Bruno Ganz, Traugott Buhre, Buddy<br />
Elias, Hannelore Hoger, Vadim Glowna,<br />
Mechthild Grossmann, Irm Hermann<br />
und viele andere. Hübner, am 30. Oktober<br />
1916 in Ha<strong>mb</strong>urg geboren, lebt<br />
heute in München und Italien.<br />
Unsere Freundin und<br />
Kollegin Rosa Malsagova<br />
ist in Gefahr<br />
Die Regisseurin Rosa Malsagova war<br />
im Frühjahr 2005 auf Einladung des<br />
Goethe-Instituts und des Internationalen<br />
Theaterinstituts in Berlin. Gemeinsam<br />
mit dem Berliner Regisseur Peter<br />
Krüger, der vielfach in Tschetschenien<br />
und Inguschetien gearbeitet hat, entstand<br />
der Film „Kassandra in Berlin“.<br />
Mitte Oktober übermittelte uns Peter<br />
Krüger sehr beunruhigende Nachrichten<br />
aus Nasran. Rosa Malsagova<br />
berichtete ihm, sie sei, nachdem sie Kollegen<br />
in Nasran den Film „Mutter Courage<br />
in Tschetschenien“ gezeigt hatte,<br />
regelrecht aus dem Theater vertrieben<br />
und fristlos entlassen worden. Der Intendant<br />
hätte ihr feindliches Verhalten<br />
vorgeworfen. Der Entlassungsgrund<br />
sei ihr Interview für den Film „Mutter
Courage in Tschetschenien“ gewesen.<br />
Sie hätte sich gegen die Inguschetische<br />
Regierung geäußert... Rosa verwahrte<br />
sich gegen seine Anschuldigungen und<br />
verließ das Theater. Kaum war sie weg,<br />
hängte der Intendant den „Fristlosen<br />
Entlassungsbefehl“ für sie im Theater<br />
aus. Kurz danach sind „Polizisten“ in<br />
ihrer Wohnung erschienen. Sie durchsuchten<br />
das Haus, beschlagnahmten<br />
viele Sachen, sämtlich Arbeitspapiere<br />
und auch die VHS-Kopie des „Courage“-Films.<br />
Rosa wurde verhört und<br />
stand mit drei Kindern vor dem Nichts.<br />
Was sagte sie „Feindliches“ in Peter Krügers<br />
Film? „Ich habe wenig Vertrauen<br />
in die Regierung und die Politiker. Ich<br />
glaube nicht, dass sie in der Lage sind,<br />
noch den Wunsch haben unser Leben<br />
zu verbessern.“ (Übersetzung).<br />
Das deutsche Zentrum des <strong>ITI</strong> sandte<br />
vor diesem Hintergrund eine offizielle<br />
Anfrage an den inguschetischen Premierminister<br />
Malsagov und den Kulturminister<br />
Manolis mit der dringenden Bitte<br />
um Aufklärung der Vorgänge um Rosa<br />
Malsagova. Die letzten Nachrichten aus<br />
Nasran sprechen daraufhin davon, dass<br />
ihre Entlassung aufgehoben sei. sEnde<br />
Nove<strong>mb</strong>er weilte Rosa in Berlin, um am<br />
One World Filmfestival teilzunehmen<br />
und gemeinsam mit Krüger ihren Film<br />
zu präsentieren. Wichtig auch für sie,<br />
um von den Verhältnissen vor Ort Abstand<br />
zu gewinnen und auch ihre stark<br />
angeschlagene Gesundheit zu stärken.<br />
Anschließend kehrte Rosa nach Russland<br />
zurück. Auf der Rückflug brach<br />
sie zusammen und musste sich in Moskau<br />
in ein Krankenhaus begeben. Die<br />
Schwester und die Kinder halten sich an<br />
einem unbekannten Ort auf...<br />
Weitere Informationen: Peter Krüger<br />
dibbuk-ense<strong>mb</strong>le@das-dibbuk-haus.de<br />
www.das-dibbuk-haus.de<br />
Magazin<br />
Idomeneo - Debatte<br />
Ende Septe<strong>mb</strong>er kündigte die Intendantin<br />
der Deutschen Oper Berlin,<br />
Kirsten Harms, an man werde die<br />
Neuenfels-Inszenierung von Mozarts<br />
„Idomeneo“ vom Spielplan nehmen<br />
- aufgrund einer Warnung vor radikalen<br />
Islamisten, die die Inszenierung<br />
als Provokation empfinden könnten.<br />
Hans Neuenfels Inszenierung von 2003<br />
schließt mit einem erfundenen Epilog,<br />
in dem Idomeneo Buddha, Mohammeds<br />
und Jesus köpft, um die Macht der<br />
Götter über die Menschen zu brechen.<br />
Das blutige Haupt Mohammed, so die<br />
Befürchtung, könnte nach dem Karikaturen-Streit<br />
als anti-islamisches Zeichen<br />
fatal missverstanden werden und unberechenbare<br />
Reaktionen zeitigen. Nach<br />
einer Warnung des Berliner Innensena-<br />
tors und nach Diskussion mit Neuenfels<br />
entschied sich Harms für die Absetzung.<br />
Feuilleton und kulturelle Öffentlichkeit<br />
- nach der Spiralblock-Affäre bereits in<br />
der Verteidigung der Freiheit der Kunst<br />
geübt - entrüsteten sich mehrheitlich<br />
über derartigen „vorauseilenden<br />
Gehorsam“ (Süddeutsche Zeitung).<br />
Ivan Nagel nannte die Entscheidung<br />
„schlimmer als feig“. Für die Freiheit der<br />
Kunst, so der Grundtenor der Debatte,<br />
hätte sich die für das Haus Verantwortliche<br />
nicht die Freiheit der Entscheidung<br />
nehmen dürfen. Wie in solchen Fällen<br />
gebräuchlich meldeten sich auch Kollegen,<br />
die das Stück im Zweifelsfall übernehmen<br />
würden - so der Intendant des<br />
Darmstädter Staatstheaters John Dew.<br />
Die Intendantin fand im Vorfeld ihrer<br />
Entscheidung allerdings keinen Rückhalt<br />
bei den zuständigen Politikern.<br />
Innensenator und Kultursenator ließen<br />
denn auch die Intendantin im Regen<br />
der öffentlichen Schelte stehen - und<br />
es bleibt zu vermuten, dass gerade im<br />
Falle einer Gefährdung der Aufführung,<br />
der Zuschauer oder des Hauses (vor der<br />
das Landeskriminalamt diffus gewarnt<br />
hatte) die Verantwortung alleinig die<br />
Intendantin hätte übernehmen müssen.<br />
Opernregisseur Joachim Herz schrieb:<br />
„Wenn ‚Idomeneo‘ spielplanmäßig angesetzt<br />
und gespielt worden wäre und<br />
es wäre etwas passiert, dann hätten alle<br />
aus vollem Halse geschrieen: Ja hat denn<br />
die Intendantin nicht gewusst, was in<br />
der Inszenierung los ist?“ Inzwischen<br />
ist die Oper - nach einer umfassenden<br />
öffentlichen Diskussion und nach einer<br />
veränderten Lageeinschätzung des<br />
Landeskriminalamtes - wieder auf dem<br />
Spielplan.<br />
Libanon<br />
Mitten im Sommer, als nach der<br />
Entführung zweier israelischer Soldaten<br />
die israelische Armee massive Angriffe<br />
gegen Städte und Dörfer im Libanon<br />
startete, schrieb Georgette Gebara<br />
- Vize-Präsidentin des <strong>ITI</strong> Libanon - ihren<br />
Brief „LESS FOR ARMS - MORE FOR<br />
CULTURE!“<br />
Georgette Gebara hätte in dieser<br />
Zeit an der Weltkonferenz der World<br />
Dance Alliance (WDA) in Toronto teilnehmen<br />
sollen. Stattdessen blieb sie in<br />
Beirut - zwischen Bo<strong>mb</strong>en, die in der<br />
Nachbarschaft fielen, und Zivilisten, die<br />
auf der Flucht von Granaten zerrissen<br />
wurden. Zahlreiche Reaktionen - vom<br />
<strong>ITI</strong>-Präsidenten, dem ExCom, den <strong>ITI</strong>-<br />
Zentren und den internationalen Komitees<br />
- erreichten daraufhin das libanesische<br />
<strong>ITI</strong>, und einmal mehr wurde der<br />
Gedanke „LESS FOR ARMS - MORE FOR<br />
CULTURE!“ von Theaterkünstlern und<br />
Medien in vielen Teilen der Welt aufgegriffen.<br />
Hier Ausschnitte aus ihrem Brief, der<br />
statt ihres geplanten Vortrags auf dem<br />
Kongress in Toronto verlesen wurde:<br />
„Liebe Kollegen,<br />
Herzliche, aber traurige Grüße aus dem<br />
Herzen des vom Krieg erschütterten, belagerten<br />
Libanon.<br />
Heute sollte ich bei Euch sein, sollte zu<br />
einem Thema sprechen, das mir selbst<br />
sehr am Herzen liegt: „Choreografie als<br />
Ausdruck der IDENTITÄT“. Dank meiner<br />
hoch verehrten Freundin Ilona Copen war<br />
ich schon auf der Schwelle zur Konferenz<br />
der WDA Amerikas, des Süd-Pazifik und<br />
Europas, war fast dabei Euch alle zu treffen,<br />
von denen ich in den letzten Monaten<br />
so viele Nachrichten erhalten habe!<br />
Stattdessen bin ich hier geblieben und<br />
versuche in der Mitte der unbeschreiblichen<br />
Tragödie moralisch und physisch<br />
zu überleben und durchzuhalten.<br />
Ich möchte Euch aufrufen, der Welt des<br />
Tanzes von der großen Ungerechtigkeit<br />
des Horrors, den wir erleben, zu berichten.<br />
Weil schlecht beratene Kräfte zwei<br />
Soldaten gefangen setzten, wird nun ein<br />
ganzes Land in Gefangenschaft gesetzt<br />
und systematisch zerstört: die Infrastruktur,<br />
die Flughäfen, Höfen, Tanklager, Fabriken<br />
usw. usw. Und schlimmer: Zivilisten<br />
werden mit großkalibrigen Granaten beschossen,<br />
und die Körper jener zerfetzt,<br />
die versuchen sich in Sicherheit zu bringen.<br />
Während einer Pressekonferenz im Rahmen<br />
unseres letzten <strong>ITI</strong>-Weltkongresses in<br />
Manila diskutierten Theaterkünstler und<br />
Medien das übliche Problem der finanziellen<br />
Förderung. Ich fragte, warum wohl<br />
immer genügend Geld für Waffen, aber<br />
praktisch nichts für Kultur ausgegeben<br />
wird. Und ich schlug vor, dass Theaterkünstler<br />
und Medienleute Front machen<br />
sollten gegen das, was in vielen Teilen der<br />
Welt geschieht, und gemeinsam den Slogan<br />
„LESS FOR ARMS, MORE FOR CUL-<br />
TURE“ propagieren sollten - ein Vorschlag,<br />
der sofort aufgegriffen wurde.<br />
Aber wir Tänzer sind belastbar und ich<br />
bin sicher, dass ich bald bei Euch sein werde.<br />
[...] Wie Martha Graham mir sagte,<br />
als wir uns 1981 in Amman trafen: „Die<br />
größten Krieger und Eroberer sind nicht<br />
mehr als Sand zwischen unseren Füßen<br />
- habe keine Angst!“ Damals waren wir<br />
noch mitten in einem Krieg, der uns 15<br />
Jahre lang dezimierte. Mögen ihre Worte<br />
sich einmal mehr als wahr erweisen.<br />
Mit meinen herzlichen Grüßen und besten<br />
Wünschen,<br />
Georgette Gebara aus dem Libanon“
Magazin<br />
Awni Karoumi<br />
Am 27. Mai starb der irakische Regisseur<br />
und Theaterwissenschaftler Awni<br />
Karoumi im Alter von 60 Jahren in Berlin.<br />
Karoumi wurde in Mosul/Niniveh,<br />
Irak geboren und studierte in den 60er<br />
Jahren in Bagdad, machte in den 70er<br />
Jahren sein Diplom am theaterwissenschaftlichen<br />
Institut der Hu<strong>mb</strong>oldt-Universität<br />
in Berlin, wo er auch 1976 mit<br />
einer Arbeit über das zeitgenössische<br />
arabisch-irakische Theater promovierte.<br />
Er war Dozent für Theaterwissenschaft<br />
an der Uni Bagdad und in Jordanien.<br />
Zahlreiche Inszenierungen europäischer<br />
Autoren wie Brecht, Müller, Frisch,<br />
Handke und Maeterlinck sowie politisch<br />
missliebiger arabischer Autoren machten<br />
ihn im arabischen Theater bekannt,<br />
setzten ihn aber auch der Verfolgung<br />
durch islamische Fundamentalisten<br />
aus. Seit Mitte der 90 Jahre lebte er<br />
mit seiner Familie im Berliner Exil. Hier<br />
gründete er auch sein eigenes Theaterprojekt,<br />
das Masrah-Theater. Seit 1997<br />
unterhielt er enge Arbeitsbeziehungen<br />
zum Theater an der Ruhr. Awni Karoumi<br />
erhielt zahlreiche Auszeichnungen und<br />
Ehrungen auf Festivals im Irak, in Tunis,<br />
Bahrein, Karthago, Kairo sowie vom<br />
Brecht-Zentrum in Berlin. Er verstand<br />
sich vor allem als „Kulturbotschafter“.<br />
Besonders nach dem zweiten Golfkrieg<br />
setzte er sich für den Wiederaufbau der<br />
zerstörten irakischen Theaterkultur und<br />
die Durchbrechung der jahrelangen<br />
Isolation ein. Er initiierte 2005 ein groß<br />
angelegtes Werkstattprojekt „Bagdad-<br />
Berlin“ mit einer 15-köpfigen Gruppe<br />
irakischer Schauspieler und Regisseure,<br />
die in Workshops am Theater an der<br />
Ruhr in Mülheim und in Berlin Impulse<br />
für ihre Arbeit sammelten und den Rohbau<br />
für ein deutsch-irakisches Stück mit<br />
nach Bagdad nahmen. Der Tod ereilte<br />
ihn währen der Neuinszenierung seiner<br />
Version von „Der Nachtreisende“ von<br />
Farouk Mohammed für die Werkstatt<br />
der Kulturen in Berlin.<br />
„Der Faust“ - neuer Theaterpreis<br />
des Bühnenvereins<br />
Am 24. Nove<strong>mb</strong>er wurde im Essener<br />
Aalto Theater der Deutsche Theaterpreis<br />
„Der Faust“ vergeben. Schon im<br />
Vorfeld bekannt war die Ehrung für das<br />
Lebenswerk - diese ging an George Tabori.<br />
In acht weiteren Kategorien waren<br />
Künstler und Inszenierungen nominiert<br />
worden. So ging der Preis für die beste<br />
Regie Schauspiel an Jürgen Gosch für<br />
„Macbeth“, gespielt am Düsseldorfer<br />
Schauspielhaus - ein Stück, welches übrigens<br />
auch als wichtiger Bezugspunkt<br />
für die Regie-Ekel-Debatte diente. Für<br />
die beste darstellerische Leistung wurde<br />
Katharina Schüttler von der Berliner<br />
Schaubühne am Lehniner Platz für ihre<br />
Hauptrolle in „Hedda Gabler“ geehrt.<br />
Den Preis Beste Regie am Musiktheater<br />
teilen sich Jossi Wieler und Sergio Morabito<br />
von der Staatsoper Stuttgart für<br />
„Doktor Faustus“. Die Auszeichnung für<br />
die beste Regie am Kinder- und Jugendtheater<br />
ging an Klaus Schumacher vom<br />
Jungen Schauspielhaus Ha<strong>mb</strong>urg für<br />
„Mutter Afrika“.<br />
Den Nominierungen vorausgegangen<br />
war eine umfangreiche Recherche<br />
unter Theaterleuten, die Preiswürdiges<br />
vorschlagen konnten und sollten - nur<br />
nicht aus dem eigenen Hause. So versteht<br />
sich die nicht dotierte Auszeichnung<br />
nicht als Kritikerpreis, sondern als<br />
Würdigung „von Theaterleuten für Theaterleute“.<br />
Das Land Nordrhein-Westfalen<br />
und die Kulturstiftung der Länder<br />
unterstützen den Preis mit jeweils<br />
120.000 Euro. Der Deutsche Bühnenverein<br />
steuerte 24.000 Euro hinzu.<br />
„Europa eine Seele geben“<br />
2006<br />
„Europa eine Seele geben“ war der<br />
Titel der zweiten Konferenz in Berlin -<br />
17. bis 19. Nove<strong>mb</strong>er 2006. Mit großer<br />
politischer Aufmerksamkeit war im Nove<strong>mb</strong>er<br />
2004 erstmalig diese Konferenz<br />
in Berlin ausgerichtet worden. Inwieweit<br />
kann das kulturelle Potenzial Europas<br />
den europäischen Einigungsprozess<br />
voranbringen? Diese Frage stand nun im<br />
Mittelpunkt der Konferenz, die wiederum<br />
am Sitz der Dresdner Bank in Berlin<br />
und in der Akademie der Künste ausgerichtet<br />
wurde. Initiert von einer bürgerschaftlichen<br />
Initiative um den ehemaligen<br />
Berliner Kultursenator Volker<br />
Hassemer, die Leiterin des DAAD-Künstlerprogramms<br />
Nele Hertling und den<br />
Amsterdamer Kulturunternehmer Steve<br />
Austen, sollte die Konferenz dazu beitragen,<br />
„das kulturelle Potenzial Europas in<br />
allen Lebens- und Politikbereichen praktisch<br />
wirksam werden zu lassen“. Die<br />
Harold Pinter „Die Geburtstagsfeier“,<br />
Inszenierung von Dieter Welke<br />
Konferenz brachte Vertreter aus Politik,<br />
Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft<br />
zusammen. Als Vortragende waren der<br />
Präsident der Europäischen Kommission<br />
José Manuel Barroso, Bundespräsident<br />
a. D. Richard v. Weizsäcker und Georges<br />
Soros, Chairman des Open Society Institutes,<br />
zugegen. Daneben hatten die<br />
EU-Kommissare Margot Wallström, Vladimir<br />
Spidla und Benita Ferrero-Waldner<br />
ihre Teilnahme zugesagt.<br />
Jahreskonferenz des<br />
European Council of Artists<br />
(ECA) 2006 in Berlin<br />
Auf Einladung der Internationalen Gesellschaft<br />
der Bildenden Künste (IGBK)<br />
und in Kooperation mit der Akademie<br />
der Künste Berlin und dem Gemeinsamen<br />
Europasekretariat der deutschen<br />
Kultur-NGOs (in dem auch das deutsche<br />
<strong>ITI</strong>-Zentrum Mitglied ist) fand vom<br />
24. bis 26. Nove<strong>mb</strong>er 2006 zum ersten<br />
Mal eine Jahreskonferenz des European<br />
Council of Artists (ECA) in Deutschland<br />
statt. Der European Council of Artists<br />
(ECA) (www.eca.dk) ist eine interdisziplinäre<br />
Dachorganisation von Künstlervertretungen<br />
aus 25 europäischen<br />
Ländern mit Sitz in Kopenhagen. Die<br />
Berliner Konferenz widmete sich dem<br />
Thema „Kulturelle Vielfalt - Umsetzung<br />
des UNESCO-Übereinkommens zum<br />
Schutz und zur Förderung der Vielfalt
kultureller Ausdrucksformen“. Welche<br />
Auswirkungen hat die Konvention auf<br />
die nationale und die internationale<br />
kulturpolitische Diskussion? In welchen<br />
Ländern hat man sich (insbesondere<br />
seitens der Künstler/innen) bereits der<br />
Artikel der Konvention in der öffentlichen<br />
Argumentation bedient, um<br />
Anliegen durchzusetzen? Mit welchem<br />
Erfolg? Wie können auf nationaler und<br />
internationaler Ebene Kriterienkataloge<br />
entwickelt werden, mit deren Hilfe die<br />
Konvention zu einem wirksamen Instrumentarium<br />
werden kann, welches der<br />
Kulturpolitik und der öffentlichen Kulturförderung<br />
gegenüber drohenden wettbewerbsrechtlichen<br />
Einschränkungen<br />
neue Legitimität und Autorität verleiht?<br />
Mit diesen Fragen beschäftigten<br />
sich in Berlin die Vertreter/innen der<br />
25 ECA-Mitgliedsorganisationen (bildende<br />
Künstler, Autoren, darstellende<br />
Künstler, Filmschaffende, Komponisten,<br />
Musiker usw.) gemeinsam mit weiteren<br />
Experten aus Fachorganisationen sowie<br />
einem kulturpolitisch interessierten<br />
Fachpublikum. Eingebunden sind u.a.<br />
die Deutsche UNESCO-Kommission,<br />
die Mitgliedsorganisationen des Europasekretariats,<br />
insbesondere deren Experten<br />
zum Thema kulturelle Vielfalt,<br />
und das ‚Internationale Netzwerk für<br />
Kulturelle Vielfalt‘ (INCD), ein weltweit<br />
operierender Zusammenschluss von<br />
Künstlerinnen, Künstlern und Organisationen,<br />
der sich mit den Auswirkungen<br />
der Globalisierung auf den Kultursektor<br />
beschäftigt und den ersten Entwurf einer<br />
Konvention für kulturelle Diversität<br />
erarbeitet hat, der eine wichtige Grundlage<br />
des UNESCO-Dokumentes wurde.<br />
Internationale Gesellschaft der Bildenden<br />
Künste (IGBK), Rosenthaler Str. 11, 10119<br />
Berlin. Tel +49 30 23457666, Fax +49 30<br />
28099305, art@igbk.de<br />
www.igbk.de<br />
Magazin<br />
„Islands and Bridges“<br />
EFAH Konferenz in Helsinki,<br />
5. bis 7. Oktober 2006<br />
Als herausragendes Beispiel, wie in<br />
der zweiten Jahreshälfte 2006 die finnische<br />
Ratspräsidentschaft genutzt wird,<br />
einen europäischen Dialog zu pflegen<br />
und Impulse in die Metropolen und Regionen<br />
zu senden, kann die Konferenz<br />
„Islands and Bridges“ des European Forum<br />
for the Arts and Heritage angesehen<br />
werden – ausgerichtet in Helsinkis<br />
Kulturfabrik „Cable Factory“ vom 5. bis<br />
7. Oktober 2007.<br />
Die Veranstalter (EFAH-Generalsekretärin<br />
Ilona Kish, EFAH Präsident<br />
Raj Isar und Chris Torch für die inhaltliche<br />
Gestaltung und Naseem Khan als<br />
Konferenzberaterin) hatten nach einer<br />
möglichst kommunikativen Formen für<br />
das Meeting gesucht und so prägten<br />
sehr kurze Statements der Referenten,<br />
schnelle Feedbacks aus dem Auditorium,<br />
und die stete Aufforderung an die Sprecher<br />
zur Reflexion auf die Positionen der<br />
anderen Panelisten die Moderation der<br />
plenary sessions. Kleine Arbeitsgruppen<br />
(sog. action interviews) vertieften den<br />
Austausch zu spezifischen Aspekten,<br />
Künstler wie Thierry Geoffroy-Colonel<br />
und die russische Künstlergruppe AES+F<br />
bildeten mit ihren Beiträgen Kontrast<br />
und Inspiration für die Debatte und<br />
Konferenz-Kommentatorin Lola Young<br />
fügte den verschiedenen Podien und<br />
Foren kritische, ergänzende und verbindende<br />
Überlegungen hinzu.<br />
Zu jenen Teilnehmern, mit deren<br />
Reden die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen<br />
und Perspektiven<br />
zum Thema deutlich wurden, gehörten<br />
Jette Sadahl, Gus Casely-Hayford und<br />
Dragan Klaic. Jette Sandahl lenkte den<br />
Blick auf den Begriff der Identität, nach<br />
wie vor eine zentrale Kategorie in der<br />
Gesellschaft und hielt ein Plädoyer für<br />
das Widerstreben von Minderheiten-<br />
Kulturen zur Integration in die Mehrheitskultur.<br />
Gus Casely-Hayford entwarf demgegenüber<br />
ein Szenario, in dem elektronische<br />
Medien und virtuelle Räume die<br />
herkömmlichen Museen ersetzen und<br />
jedem einzelnen erlauben, seine eigene<br />
Kunstsammlung zu kreieren. Die Interaktion<br />
auf digitalem Wege fordert unser<br />
herkömmliches Verständnis von Identität<br />
heraus und erlaubt, diese gleichsam<br />
ins Spiel zu bringen, sich als globaler<br />
oder lokaler Akteur oder Teil einer virtuellen<br />
Gemeinschaft zu begreifen.<br />
Dragan Klaic äußerte sich skeptisch<br />
zum Erfolg der UNESCO Konvention<br />
zur Kulturellen Vielfalt in einem Klima,<br />
in dem sich westliche Länder Europas<br />
immer mehr kulturelle Homogenität<br />
denn Heterogenität anstreben würden.<br />
Dies dies wäre nur teilweise durch<br />
das Internet aufzuheben, insbesondere<br />
dann, wenn kulturelle Institutionen mit<br />
der dynamischen Entwicklung des Internets<br />
nicht mithalten könnten. Die Frage<br />
bleibe, ob kulturelle Vielfalt zu einer Entwicklung<br />
paralleler Ghettos führe oder<br />
ob die Entwicklung neuer Identitäten<br />
nicht Hand-in-Hand mit einer Strategie<br />
der „interkulturellen Kompetenz“<br />
gehen müsse. Dragan Klaic erneuerte<br />
seinen Appell für ein Künstlerprogramm<br />
zum Training interkultureller Kompetenz,<br />
das die Teilnehmer in die Lage<br />
versetzen soll, diese Kompetenz für die<br />
Leitung transnationaler Projekte einzusetzen.<br />
Eine Reihe von Workshops diskutierte<br />
Kultur und Vielfalt in Beziehung zu<br />
gesellschaftlichen Bereichen und Politikfeldern,<br />
so der Stadtentwicklung, europäische<br />
Außenpolitik, Menschenrechte,<br />
Tourismus, Bildung und Entwicklung.<br />
Im anschließenden Panel wurden<br />
drei öffentliche und institutionelle Initiativen<br />
zur Stärkung des interkulturellen<br />
Dialogs vorgestellt. Die Initiative<br />
des niederländischen Staates nach dem<br />
Mord an Theo van Gogh, das schwedische<br />
Jahr des interkulturellen Dialogs<br />
2006, innerhalb dessen Themen der<br />
Kulturellen Vielfalt auf allen politischen<br />
Ebenen Priorität gegeben werden soll.<br />
Und das Programm „AlmostReal“ der<br />
Europäischen Kulturstiftung, in welchen<br />
neue dialogische Formen der Projektentwicklung<br />
und Kooperation erprobt werden.<br />
So unterschiedlich die vorgestellten<br />
Initiativen waren, gleich war ihnen<br />
der je den Umständen entsprechende,<br />
spezielle, für die Rahmenbedingungen<br />
entwickelte Zugang.<br />
Der zweite Konferenztag war der<br />
europapolitischen Seite des Themas<br />
gewidmet. Odile Quintin, Generaldirektorin<br />
des Direktoriats für Bildung<br />
und Kultur bei der Europäischen Kommission<br />
und Robert Palmer, Direktor für<br />
Kultur und und Kulturelles Erbe beim<br />
Direktoriat des Europarates stellten den<br />
Zugang ihrer Institutionen zum Thema<br />
vor. Einerseits die Initiative der EU-Kommission<br />
„2008 – Das Europäische Jahr<br />
des interkulturellen Dialogs“. Andererseits<br />
die verschiedenen Programme des<br />
Europarates und der Versuch, diese in<br />
2008 in einem Weißbuch des interkulturellen<br />
Dialogs vorzustellen.<br />
Beide befürworteten einen intensiven<br />
Dialog mit den Kulturschaffenden<br />
als Teil der Zivilgesellschaft und fragten<br />
die Konferenzteilnehmer nach ihren<br />
Vorstellungen und Anregungen. Die<br />
sehr unterschiedlichen Statements und<br />
Antworten kreisten um Themen der<br />
Mobilität, der Definition des Multikulturellen<br />
und die Forderung, die Akteure<br />
im Kulturbereich stärker in diese Initiativen<br />
einzubeziehen. Die Wahrnehmung<br />
der politischen Institutionen in Europa,<br />
Zugang und Ansprüche an sie stellt sich<br />
als äußerst divers dar.<br />
Im Schlusspanel stellten EFAH-Präsident<br />
Raj Isar und der Direktor der Europäischen<br />
Kulturstiftung Gottfried Wagner<br />
eine konkrete gemeinsame Initiative<br />
vor: die zivilgesellschaftliche Plattform<br />
für interkulturellen Dialog. Die Plattform<br />
wird Kooperationen zwischen kulturellen<br />
Organisationen wie auch mit<br />
anderen gesellschaftlichen Bereichen<br />
hervorheben und konkrete politische<br />
Schritte hin zu einer Strategie der EU für<br />
den interkulturellen Dialog befördern.<br />
www.efah.org
Netzwerke<br />
Netzwerke<br />
internationaler<br />
Theaterarbeit<br />
Netzwerke<br />
internationaler Theaterarbeit<br />
Jedes Impuls-Heft thematisiert die Arbeit des Internationalen<br />
Theaterinstituts, die internationale Theaterarbeit<br />
innerhalb des Netzwerks <strong>ITI</strong> und unabhängig<br />
von diesem. Mit diesem Heft wollte die Redaktion nicht<br />
nur die aktuellen Projekte der nationalen Zentren (allen<br />
voran unsere eigenen, die Projekte der deutschen Sektion)<br />
vorstellen und über den Weltkongress berichten,<br />
sondern das, was das Netzwerk <strong>ITI</strong> ausmacht – die Arbeit<br />
seiner Mitglieder – plastischer werden lassen. Damit<br />
sollen auch Fragen anklingen, wie ein solch großes<br />
Netzwerk auf zwei verschiedenen Ebenen – national<br />
und international – für den Einzelnen produktiv werden<br />
kann, an welcher Stelle Informationsaustausch und<br />
Zusammenarbeit entstehen, wo der Benefiz der Mitgliedschaft<br />
liegt und wo das Engagement im <strong>ITI</strong> künstlerische<br />
und kulturpolitische Effekte zeitigt. Fragen, die<br />
nicht in diesem Heft beantwortet, sondern angeregt<br />
werden sollen und am Horizont zukünftiger Ausgaben<br />
stehen.<br />
Das <strong>ITI</strong> ist heute in rund 90 Ländern präsent, es versteht<br />
sich als das größte Netzwerk professioneller Theaterleute,<br />
vor allem dasjenige, welches weltweit, auf allen<br />
Kontinenten, in den unterschiedlichsten Kulturkreisen<br />
vertreten ist. Aufgebaut in der Zeit nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg folgt es in seiner Struktur dem Prinzip der Repräsentation:<br />
nationale Zentren repräsentieren die Theaterszene<br />
ihres Landes, in den Zentren existiert zumeist<br />
eine präsidiale Struktur, die Delegierten der Zentren<br />
wählen auf den Weltkongressen wiederum eine Spitze<br />
– das Executive Council, die Vize-Präsidenten und den<br />
Weltpräsidenten. Auch den Internationalen Programmkomitees,<br />
in denen die nationalen Zentren gemeinsame<br />
Projekte entwickeln, stehen Präsidenten vor.<br />
Dieses Prinzip erscheint als formalisiert, in ihm wirkt<br />
die Betonung der Hierarchie sehr stark. Doch zugleich<br />
wird es mit dieser sehr klaren Struktur erst möglich,<br />
Brücken zwischen unterschiedlichen Kulturen zu bauen.<br />
Die gemeinsame Struktur ermöglicht den Repräsentanten,<br />
einen Dialog auf gleicher Ebene zu führen,<br />
die Entscheidungsebenen zu definieren und zu klaren<br />
Verabredungen zu gelangen. Bei der Workshopreihe<br />
„My Unknown Enemy“ oder beim Aufbau des Centre<br />
for Theatre in Conflict Zones wurde dieser Weg vielfach<br />
deutlich.<br />
Zugleich hat sich in den letzten Jahren die Struktur<br />
des <strong>ITI</strong> als wandelbar und durchlässig erwiesen. Auf internationaler<br />
Ebene haben in den Programmkomitees<br />
neue Mitglieder neue Akzente gesetzt und mit ihrem<br />
Engagement auch Zugang zu den Entscheidungsstrukturen<br />
gefunden. Ende der 90er Jahre wurde die Debatte<br />
um eine erfolgreiche Netzwerkarbeit im <strong>ITI</strong> und die<br />
Umstrukturierung der Komitees sehr intensiv geführt.<br />
Verwiesen sei hier u.a. auf die Beiträge, die Martin Roeder-Zerndt<br />
hierzu schrieb und die in den damaligen<br />
Ausgaben von „impuls“ erschienen. Eines der Ergebnisse<br />
war die Gründung der New Project Group innerhalb<br />
des Internationalen Theaterinstituts.<br />
Und im 2002 neu gegründeten Young Practitioner’s<br />
Committee setzen junge Theaterleute neue Impulse.
Auf nationaler Ebene – im deutschen Zentrum – funktionieren<br />
Kommunikation und Informationsaustausch<br />
auf der Ebene der Kompetenz, des Austauschs von Wissen<br />
und der Suche nach Kooperationsmöglichkeiten.<br />
Gegen institutionelle Netzwerke, wie das <strong>ITI</strong> eines<br />
darstellt, lassen sich die Vor- und Nachteile kleinerer,<br />
informeller Netzwerke – die sich aus den Partnern<br />
eines Projektes und nur für die Zeit des bestehenden<br />
gemeinsamen Interesses formieren – diskutieren. Dies<br />
soll hier nicht geschehen, vielmehr soll im Folgenden<br />
die reizvolle Verbindung dargestellt werden, die aus<br />
beiden Formen von Netzwerken entsteht, wenn man<br />
die Mitglieder des deutschen <strong>ITI</strong>-Zentrums einerseits als<br />
Knotenpunkte ihrer individuellen Netzwerke begreift<br />
und sie sich selbst begreifen als Teil des Internationalen<br />
Theaterinstituts, in Verbindung zu Theaterleuten weltweit,<br />
mit denen sie gemeinsame Ideen und Positionen,<br />
mitunter auch gemeinsame Projekte verbinden.<br />
Im Frühjahr bat die Redaktion die Mitglieder des<br />
deutschen <strong>ITI</strong>-Zentrums, Aspekte ihrer eigenen internationalen<br />
Theaterarbeit darzustellen - in einem Profil<br />
ihrer Institution, der Beschreibung ihrer künstlerischen<br />
Projekte oder in einer Antwort auf die Frage, warum<br />
ihre Theaterarbeit ohne internationalen Austausch nicht<br />
denkbar wäre. Dieser Anfrage zugrunde liegt auch die<br />
simple Idee, dass erste Voraussetzung einer Zusammenarbeit<br />
das Wissen voneinander ist, die Anregung durch<br />
die Interessen und Erfahrungen des Anderen, des potentiellen<br />
Partners.<br />
Die Antworten, die wir erhielten, geben auf sehr<br />
unterschiedliche Weise Einblick in internationale Theaterarbeit,<br />
in das Selbstverständnis der Akteure, den<br />
Charakter des künstlerischen Austauschs und den Zuwachs<br />
an Erfahrung, der den Beteiligten aus den je<br />
unterschiedlichen Formen der Kooperation erwächst.<br />
Die Darstellung setzt Schlaglichter auf die Arbeit der<br />
<strong>ITI</strong>-Mitglieder, sie folgt den Antworten, welche die Redaktion<br />
erhielt und versteht sich weder als Auswahl der<br />
Redaktion noch als abgeschlossene Darstellung.<br />
Die folgenden Beiträge haben wir in eine alphabetische<br />
Reihenfolge gestellt.<br />
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
AKT-ZENT<br />
Internationales Theaterzentrum<br />
von Christine Schmalor<br />
„AKT-ZENT Internationales Theaterzentrum ist seit<br />
1995 in Berlin ansässig und bildet mit seinen Partnern<br />
in Italien, Frankreich, Skandinavien und Russland die<br />
European Association for Theatre Culture (EATC). Im<br />
Zentrum stehen Weiterbildung und Recherche in der<br />
Schauspiel- und Regiekunst, vor allem werden methodische<br />
Ansätze für die tägliche Probenarbeit sowie für<br />
die Ausbildung entworfen, entwickelt und im Selbstverlag<br />
veröffentlicht. Der künstlerische Leiter Prof. Dr.<br />
Jurij Alschitz hat in 10 Jahren ein „European Team of<br />
Teachers“ aufgebaut und wendet sich an alle Schauspieler,<br />
Regisseure, Pädagogen, die ihre Kenntnisse<br />
erweitern wollen. Umfangreiche Forschungsprojekte<br />
wurden von der Europäischen Kommission unterstützt.<br />
Mit „The Face of the 20th Century Woman“ wurde<br />
2000-02 „Die Vertikale der Rolle, eine neue Methode<br />
der eigenständigen Rollenvorbereitung“ in Laboratorien<br />
entwickelt und als Buch veröffentlicht. Mit „From<br />
Cliché in Art to the Art of Cliché“ 2005-06 erweiterte<br />
sich der aktive Kreis der Partner um mehrere nationale<br />
<strong>ITI</strong>-Zentren und Akademien, die im <strong>ITI</strong>/Unesco Theatre<br />
Training Committee vertreten sind. Seminare, Regie-<br />
Colloquien und ein mehrteiliges Laboratorium führten<br />
zu einer mehrsprachigen Produktion von Dostojewskijs<br />
„Weiße Nächte“. Aufgrund seiner einzigartigen Aufgabenstellung<br />
und europaweiten Vernetzung wurde AKT-<br />
ZENT auf dem <strong>ITI</strong>-Weltkongress in Manila als „Research<br />
Centre des <strong>ITI</strong>/Unesco Theatre Training Committee“<br />
benannt und damit der Aktionsradius vergrößert. Projekte<br />
mit Modelcharakter sind in Planung: so Schauspielausbildung<br />
in Afrika und ein M.A. Studiengang für<br />
Schauspiellehrer. Außerdem soll die internationale Produktion<br />
„Weiße Nächte“ 2007 einem breiteren Publikum<br />
gezeigt werden. Einladungen zu Gastspielen oder<br />
Festivals sind willkommen!“<br />
Kontakt: akt.zent@berlin.de, www.theatreculture.org<br />
„Weiße Nächte“, Inszenierung der European Association für Theatre Culture
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
Manfred Beilharz / Staatstheater Wiesbaden<br />
Internationale Aspekte wie der europaweite Austausch<br />
mit anderen Theatern sowie die Förderung von<br />
Ideen, Produktionen, Mitarbeitern, Werbung und Konzepten<br />
bilden eine Schwerpunkt in der künstlerischen<br />
und strategischen Ausrichtung des Staatstheaters Wiesbaden<br />
seit der Ernennung des Intendanten Manfred<br />
Beilharz im Jahr 2002.<br />
Die künstlerisch hochkarätigen Internationalen Maifestspiele<br />
zeigen alljährlich international renommierte<br />
Eigen- und Gastproduktionen aus den Bereichen Oper,<br />
Schauspiel und Tanz (z.B. Pina Bausch, die Cloud Gate<br />
Company), deren angesehene Künstler mit dem Publikum<br />
in einen interkulturellen Dialog treten. 2004 führte<br />
Manfred Beilharz das alle zwei Jahre stattfindende Festival<br />
„Neue Stücke aus Europa“ ein, das ausschließlich<br />
jeweils ca. 30 zeitgenössische Stücke in Aufführungen<br />
aus verschiedenen Ländern Europas zeigt. Auch das<br />
Rahmenprogramm sorgt für Diskussionsstoff, das sich<br />
in Themenpodien mit Fragen der kulturellen Identität,<br />
nationaler Erinnerung, politischer Traumata und Migration<br />
im Dialog mit den Autoren und Regisseuren auseinandersetzt.<br />
Das Hessische Staatstheater Wiesbaden<br />
wird dabei unterstützt von der European Theatre Convention.<br />
Intendant Manfred Beilharz initiierte 2002 die<br />
Mitgliedschaft des Wiesbadener Theaters in der europäischen<br />
Vereinigung. Manfred Beilharz ist Vorsitzender<br />
der Dramaturgischen Gesellschaft Berlin, Mitglied der<br />
Akademie für Darstellende Künste Frankfurt, Mitglied<br />
der European Theatre Convention Brüssel und Paris, Vizepräsident<br />
der Hessischen Theaterakademie Frankfurt<br />
sowie Präsident des deutschen Zentrums des <strong>ITI</strong> (Berlin).<br />
Auf dem letzten <strong>ITI</strong>-Weltkongress in Manila im Mai<br />
2006 wurde er zum dritten Mal zum Präsidenten des<br />
weltweiten <strong>ITI</strong> (mit Sitz in Paris) gewählt.<br />
www.staatstheater-wiesbaden.de<br />
Deutscher Bühnenverein<br />
Der Bühnenverein kümmert sich hauptsächlich um<br />
die Gestaltung der Rahmenbedingungen der Theater<br />
und Orchester. Da geht es um Politik und Finanzen,<br />
um Strukturelles und Rechtliches. Internationaler Austausch,<br />
vor allem auf europäischer Ebene, ist dafür unverzichtbar.<br />
Dies gilt nicht nur, weil sich die Rechtssetzung<br />
zunehmend auf die EU verlagert. Wichtig ist uns<br />
auch, durch Vergleiche mit dem Ausland zu erfahren,<br />
was wir besser machen und was wir nicht besser machen<br />
können. Dabei wird eines klar: Ense<strong>mb</strong>le und Repertoire<br />
sollten nicht leichtfertig aufgegeben werden.<br />
Rolf Bolwin ist Geschäftsführender Direktor des Deutschen<br />
Bühnenvereins.<br />
www.buehnenverein.de<br />
Holk Freytag<br />
„Warum ist Ihre Theaterarbeit ohne internationalen<br />
Austausch nicht denkbar“?<br />
Schon die Frage, ob internationale Kontakte wichtig<br />
sind, ist anachronistisch. In einer Zeit, die von den<br />
Strukturen der Globalisierung bestimmt wird, sollte es<br />
selbstverständlich sein, dass das Denken und Handeln<br />
besonders der Kulturszene nicht an den Landes- oder<br />
Erdteilgrenzen aufhört. Diese Strukturen sollten wir für<br />
den Transport unserer Ideen nutzen.<br />
Holk Freytag ist Intendant des Staatsschauspiels Dresden.<br />
„Orestes“, Inszenierung von Hansgünther Heyme<br />
Milenko Goranovic<br />
„Als Theaterautor habe ich mich in den letzten Jahren<br />
ausschließlich mit den Fragen der Begegnung der<br />
Kulturen oder der kulturellen Begegnungen auseinandergesetzt.<br />
In den Stücken „Z 2001“ und „Flaschenpost<br />
aus Deutschland“ wird diese Problematik aus der<br />
Sicht der Minderheit thematisiert. Als Übersetzer und<br />
auch als Dramaturg am Roma Theater Pralipe und dem<br />
Theaterhaus Stuttgart betrachte ich den internationalen<br />
Austausch als die wichtigste Voraussetzung dafür, dass<br />
das Gegenwartstheater seinem Namen gerecht werden<br />
kann. Und übrigens: Ohne internationalen Austausch<br />
stünde meine Antwort nicht hier.“
Hansgünther Heyme<br />
„Warum ist Ihre Theaterarbeit ohne internationalen<br />
Austausch nicht denkbar?“<br />
Erstens. Die von mir ins Leben gerufenen FESTSPIELE<br />
LUDWIGSHAFEN, eine große und schwere Aufgabe,<br />
wären ohne intensive internationale Zusammenarbeit<br />
mit unseren Partnertheatern in Europa nicht denkbar.<br />
An dem Gastspielhaus in Ludwigshafen, welches weder<br />
Probenräume noch Werkstätten hat, zudem einen in<br />
den letzten Jahren brutal geschrumpften Etat, können<br />
Eigenproduktionen (welche für die Identität des Hauses<br />
und für die Identifikation der Bürger mit ihrem Theater<br />
wichtig sind) nur als Koproduktionen entstehen. Eine<br />
auf mehrere Jahre zurückgehende Zusammenarbeit mit<br />
dem Theatre National du Luxe<strong>mb</strong>ourg ermöglichte die<br />
Entstehung wichtiger Inszenierungen: fern vom Alltag<br />
deutschen Durchschnitts. Durch die Impulse eines neuen<br />
Landes zusätzlich motivierte Schauspieler erarbeiteten<br />
mit mir hier unter anderem im Oktober 2005 die<br />
„Elektra“ des Euripides. Eine in jeder Hinsicht neuartige<br />
Koproduktion, denn Kostüme und Bühnenbild wurden<br />
am Nationaltheater in Zagreb hergestellt - von interessierten,<br />
bemühten und hervorragenden Werkstätten.<br />
Die intensive und vielfältige Zusammenarbeit machte<br />
die Produktion in ihrer Qualität erst möglich, hob das<br />
künstlerische Niveau trotz der logistischen Schwierigkeiten<br />
und ermöglichte, dass sie in Zagreb, in Luxe<strong>mb</strong>ourg,<br />
in Maribor, in Wien (Art Carnuntum) und in<br />
vielen deutschen Städten gastieren konnte.<br />
Zweitens. Im Frühjahr erarbeitete ich den „Orestes“<br />
des Euripides am Slowenischen Nationaltheater in Maribor<br />
in slowenischer Sprache. Obwohl ich mein Leben<br />
lang geradezu fanatisch um die deutsche Sprache<br />
ringe, entdeckte ich in den vergangenen Jahren meine<br />
Lust an Inszenierungen in einer fremden Sprache. Meine<br />
wichtigsten Arbeiten der letzten Jahre entstanden<br />
im Ausland: Shakespeares „Der Kaufmann von Vendig“<br />
(2000) und „König Lear“ (2002) am Abadía Theater in<br />
Madrid auf Spanisch, die „Medea“ des Euripides (1999)<br />
in Usbekistan am Ilkhom-Theater auf Russisch. Das Aufeinanderprallen<br />
grandioser Schauspieler (welche mich<br />
durch ihre Andersartigkeit und besondere Offenheit<br />
faszinieren) und meiner für diese doch sehr fremden<br />
Auffassung von Theater bewirken eine äußerst produktive<br />
und für alle einzigartige Arbeitsatmosphäre. Diese<br />
fremdsprachigen Aufführungen waren in Deutschland<br />
große Erfolge, vielleicht auch, weil ich ohne die selbstverständliche<br />
deutsche Sprache mich auf „andere Mittel“<br />
des Theaters stürzte und somit eine sehr fremde<br />
und neue theatralische Sinnlichkeit erreichte.<br />
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
euro-scene Leipzig<br />
von Ann-Elisabeth Wolff<br />
„Für die euro-scene Leipzig als europäisches Theater-<br />
und Tanzfestival sind internationale Kontakte die<br />
wichtigste Grundlage - wie die Luft zum Atmen. Das<br />
<strong>ITI</strong> stellt für mich dafür die wichtigste Anlaufstelle in<br />
Deutschland dar (im europäischen Maßstab etwa mit<br />
dem IETM vergleichbar). Information und Ratschläge<br />
von den kompetenten Kollegen des <strong>ITI</strong> setzen Maßstäbe<br />
und Vergleiche. Die Rolle der Musik in Theater und<br />
Tanz wurde innerhalb der euro-scene Leipzig im Nove<strong>mb</strong>er<br />
2006 näher beleuchtet. Meist sind unsere Gastspiele<br />
Sparten überschreitend, für jedes Gebiet gibt es<br />
im <strong>ITI</strong> Mitglieder - Musik, Theater, Tanz, und jederzeit<br />
kann ich mit ihnen Gedanken austauschen. Berlin spielt<br />
dabei die wichtigste Rolle, und die neue ICE-Verbindung<br />
lässt Leipzig zum „Vorort“ der Hauptstadt noch<br />
näher rücken. Die 16. euro-scene Leipzig fand vom 07.-<br />
12.11.2006 unter dem Motto „Konsonanzen - Dissonanzen“<br />
statt, inklusive der Jahrestagung des <strong>ITI</strong> am 11.<br />
und 12.11.2006.“<br />
Ann-Elisabeth Wolff ist die Festivaldirektorin<br />
der euro-scene Leipzig. www.euro-scene.de<br />
Euro Theater Central Bonn<br />
von Gisela Pflugradt-Marteau<br />
Das Euro Theater Central Bonn hat sich seit seinen<br />
Anfangsjahren durch eine gezielte Zusammenarbeit mit<br />
europäischen Gastbühnen und internationalen Künstlern<br />
um den Dialog der Kulturen verdient gemacht. Der<br />
Gründungsgedanke beruhte darauf, dass eine international<br />
geprägte Stadt wie Bonn, in der sich Menschen<br />
unterschiedlichster Kulturen begegnen, ein Theater ermöglicht<br />
und verlangt, dessen Programm auf Toleranz<br />
und kulturellen Austausch angelegt ist. In 36 Jahren ist<br />
eine internationale Struktur gewachsen, ohne die der<br />
Theaterbetrieb nicht mehr denkbar wäre: so beschäftigt<br />
das Theater Mitarbeiter, Regisseure, Schauspieler, Bühnenbildner<br />
und Gäste unter anderem aus Ungarn, Rumänien,<br />
Bulgarien, Holland, Russland und der Schweiz.<br />
Auch auf dem Spielplan spiegelt sich der internationale<br />
Charakter des Theaters wider, auf dem Stücke namhafter<br />
europäischer Autoren stehen, vor allem jener,<br />
die sich in Leben und Werk um die Gesamteuropäische<br />
Idee verdient gemacht haben. Momentan bereitet sich<br />
das Ense<strong>mb</strong>le auf die nun mittlerweile 6. Teilnahme am<br />
„World performance arts festival“ in Lahore (Pakistan)<br />
vor, bei dem es mit dem Stück „Der fahrende Schüler<br />
ins Paradies“ von Hans Sachs in englischer Sprache auftreten<br />
wird.
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
Goethe-Institut<br />
Die 128 Goethe-Institute in aller Welt arbeiten mit<br />
den wichtigsten lokalen Partnern der jeweiligen Theater-<br />
und Tanzszene zusammen und entwickeln aus<br />
diesem kontinuierlichen Gespräch gemeinsame Projektvorhaben.<br />
Sie initiieren und begleiten Projekte in<br />
den Bereichen Schauspiel, zeitgenössischer Tanz, Performance,<br />
Kinder- und Jugendtheater, Puppen- und Figurentheater<br />
und Neue Deutsche Dramatik:<br />
Präsentation von herausragenden und innovativen<br />
Theater- und Tanzproduktionen in Kooperation mit<br />
örtlichen Veranstaltern<br />
• Auslandsgastspiele von deutschen Theatern und<br />
Ense<strong>mb</strong>les<br />
• Gastspiele von Ense<strong>mb</strong>les aus Entwicklungs- und<br />
Transformationsländern in Deutschland<br />
• Kulturpolitische Schwerpunkte wie Kulturwochen,<br />
Deutsche Festspiele im Ausland<br />
Kultureller Austausch und internationale künstlerische<br />
Zusammenarbeit von wichtigen Künstlern aus Deutschland<br />
und den Gastländern<br />
Ausbildung und Fortbildung<br />
• Stipendien (Internationales Forum junger Bühnenangehöriger,<br />
Hospitations-Stipendien für junge<br />
Theaterschaffende an deutschen Bühnen in Zusammenarbeit<br />
mit dem <strong>ITI</strong>)<br />
• Workshops<br />
• Vorträge, Seminare<br />
Auf seinen Seiten www.goethe.de/theater und www.goethe.de/tanz<br />
informiert das Goethe-Institut für ein weltweites<br />
Fachpublikum über die Grundlagen seiner Arbeit<br />
und bietet mit der digitalen Theaterbibliothek, Portraits<br />
von Regisseuren, Bühnenbildnern, Dramatikern und Choreografen<br />
und weiteren Angeboten umfassende Informationen<br />
zur zeitgenössischen Tanz- und Theaterszene in<br />
Deutschland.<br />
www.goethe.de<br />
• Gastregien, Gastchoreografien<br />
• Koproduktionen<br />
• Szenische Lesungen<br />
• Übersetzungsförderung neuer deutscher Dramatik<br />
• Lokale Produktionen deutscher Stücke<br />
• Kolloquien<br />
• Begegnungen im Nachwuchsbereich<br />
Norbert Kentrup<br />
Ein Teil der Aktivitäten von SHAKESPEAERE und<br />
PARTNER findet im Ausland statt. Der wohl bekannteste<br />
Ausländer „SHAKESPEARE“ ist Namenspatron des Theaters<br />
und „PARTNER“ kann man mit dieser Dramatikerwerkstatt<br />
in einer globalisierten Welt nicht mehr<br />
nur in Deutschland haben. Shakespeares Globe ist seit<br />
1997 wieder in London zu erleben. Der Leere Raum<br />
und die Interaktion im hellen Zuschauerraum mit dem<br />
Publikum sind ästhetische Herausforderungen, die erst<br />
ganz am Anfang stehen. Das ist unser Ziel: Kein Museum,<br />
wie leider oft in London zu erleben, sondern<br />
die Frage, wie kann der Vers, die Aktion, die Emotion<br />
in der Architektur von Shakespeares „Wooden O“ das<br />
heutige Publikum auch in anderen, nicht so optimalen<br />
Räumen gedanklich und emotional in Bewegung bringen?<br />
Da ich das Privileg hatte, eine Saison in London<br />
den Shyklock zu spielen, konnte ich viele Erfahrungen<br />
für Workshops, Lesungen und Arbeiten an Schauspielschulen<br />
als Regisseur mit in andere Länder nehmen.<br />
Mit dem Stück „Die Brüder Grimm“ von Dagmar Papula<br />
gab es bisher insgesamt 189 Vorstellungen. Das<br />
„Te-Hand“ Japanisch-Deutsches Projekt von thevo<br />
Bühnenbild wurde von vornherein „flugfähig“ konzipiert,<br />
so konnte die Produktion nach Polen, Bulgarien,<br />
Schweiz, Estland und Finnland auf Reisen gehen. (Die<br />
Einladung nach Murmansk und nach Japan konnten wir<br />
noch nicht wahrnehmen.) Da man im Ausland die Märchen<br />
der Gebrüder Grimm kennt, war die Vorstellung<br />
ein sinnvoller Ansatz, etwas über deutsche Geschichte,<br />
die Paulskirche und das Leben der berühmten Deutschen<br />
zu vermitteln. Damit wir nicht nur etwas nach<br />
„Außen“ tragen, wurde die Uraufführung von Dagmar<br />
10
Andrej Kritenko<br />
„Ich bin ein Ukrainischerreisepassbesitzer, der seit 12<br />
Jahren in Stuttgart lebt. Am Sonntag flog ich nach Graz<br />
und versuchte dort ein deutsches und ein moldawisches<br />
Stück auf die Bühne zu bringen. Im Nove<strong>mb</strong>er fuhren<br />
wir mit dem Kamerunischenpassinhaber Félix Kama,<br />
meinem Sohn Myron und dem Hund Casimir wieder<br />
nach Niederschlesien. Dort werden wir „Wo ist besser“,<br />
Text von und mit Félix, wieder spielen: auf Französisch,<br />
Deutsch, Eton, Polnisch und Ukrainisch. Außer in Polen<br />
haben wir „Wo ist besser“ in der Ukraine, in Lettland<br />
und in den Vereinigten Arabischen Emiraten gespielt.<br />
Klaus Maier/ thevo<br />
Papula „Die Komikerin“ von dem finnischen Regisseur<br />
Vesa Tapio Valo inszeniert, den wir über das <strong>ITI</strong> kennen<br />
lernten. Mit Vorstellungen (deutsch gespielt, manchmal<br />
simultan übersetzt) und Vorträgen (Lesungen auf<br />
deutsch und englisch) waren wir seit 2001 in Bulgarien<br />
(im Goethe-Insitut), Polen (Shakespeare Festival<br />
Gdansk), Neuseeland (Shakespeare Globe Centre und<br />
Goethe-Institut Neuseeland), England (Internationales<br />
Shakespeare Globe), Finnland und Estland (Goethe-Institut).<br />
Für 2007 ist eine Reise mit „Timon von Athen“<br />
nach Irland, Schottland und England geplant.“<br />
Wir haben auf Festivals mehrere Preise bekommen und<br />
kriegen immer neue Einladungen. Kürzlich nach Weißrussland,<br />
nach Litauen und Kroatien. [...] Aber ich bin<br />
mir nicht sicher, ob es in unserem Fall um einen echten<br />
Austausch geht. Wir freuen uns auch, dass bis jetzt immer<br />
noch wir, und nicht andere Personen an unserer<br />
Stelle aus dem Ausland zurück nach Stuttgart kehrten.<br />
Kann sein, dass niemand mit uns tauschen will. Weder<br />
zu hause noch im Ausland ...“<br />
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
„Unsere Theaterarbeit ist ohne internationalen Austausch<br />
nicht denkbar, da sie aus diesem Austausch hervorgeht.<br />
Ausgangspunkt für unsere Arbeit ist der Gedanke,<br />
dass in einer demokratischen, polyvalenten Welt<br />
mehrere Wahrheiten nebeneinander existieren können.<br />
Diese Wahrheiten ergänzen sich und sind - auch wenn<br />
sie sich auf den ersten Blick widersprechen sollten - nur<br />
zwei Perspektiven derselben Menschlichkeit, die wir zu<br />
beschreiben uns bemühen. Poesie und Kunst sind dabei<br />
Werkzeuge der Menschen um mehrere Wahrheiten,<br />
also komplexe Zusammenhänge zu erfassen und begreifen<br />
zu können. thevo - Theater von Menschen für<br />
Menschen - macht bi-kulturelle Theaterprojekte, deren<br />
Wolfgang Mehring<br />
Ziel darin liegt, dass KünstlerInnen aus zwei verschiedenen<br />
Kulturen gleichberechtigt ein gemeinsames Werk<br />
entwickeln und aufführen, das Unterschiede und Gemeinsamkeiten<br />
der Kulturen zum Inhalt hat. In diesem<br />
Jahr arbeiten wir mit Kollegen in folgenden Ländern zusammen:<br />
Chile, Frankreich, Japan, Polen, Tschechien.<br />
Aus manchen dieser Kontakte entwickelt sich nur ein<br />
Auftritt auf einem internationalen Festival, einige (wie<br />
mit der Ukraine und Japan) münden in etwa dreijährige<br />
bi-kulturelle Koproduktionen.“<br />
Kontakt: www.thevo.de<br />
„Mit der Öffnung der Welt, dem Zugang zu anderen<br />
Kulturen und der damit verbundenen Relativierung<br />
eigener Werte ging das kulturelle Selbstbewusstsein<br />
verloren, verstärkte sich die Suche nach einem neuen<br />
Lebenssinn. - Wiederholt werde ich eingeladen, Erfahrungen<br />
aus der Zusammenarbeit mit Theatern verschiedener<br />
Kulturbereiche Europas, Asiens, Afrikas an einem<br />
Ort zusammengefasst weiterzugeben. Es verbindet sich<br />
damit die Erwartung der Demonstration und Vermittlung<br />
neuer, noch nicht gespeicherter Ausdrucksformen<br />
[...]. Tatsächlich wäre jedoch genau die Erfahrung zu<br />
vermitteln, dass sich unser Theater gerade nicht durch<br />
Eklektizismus von Formen exotischer Provenienz erneuern<br />
kann (was nur seine äußere Theatralik neu aufputzt),<br />
sondern allein aus dem Entwurf eines universellen<br />
Bewusstseins und damit eines ganzen Menschen<br />
heraus, statt immer nur Teilaspekte zu postulieren. Die<br />
traditionelle abendländische Ethik ist in ihrer Lebensferne<br />
seit langem nicht mehr befähigt, Fragen und Probleme<br />
unserer Zeit allein zu meistern, und die Strukturen<br />
asiatischen und afrikanischen Bewusstseins sind<br />
durchaus zu integrieren, in die künstlerische Arbeit mit<br />
einzubringen. [...] Es geht darum, die Inspirationsquellen<br />
und Lebensbezüge anderer Kulturen in unserem<br />
Theater (wieder) lebendig zu machen, statt auch hier<br />
immer und immer exotische Formen und entwickelte<br />
Bühnenkünste zu vermarkten [...].“<br />
Der frühere Leiter des traditionsreichen französischen<br />
Avantgarde-Theaters Théâtre du Vieux Colo<strong>mb</strong>ier, Wolfgang<br />
Mehring, begreift sich als „europäischer Theatermann“.<br />
Er hegt ein begieriges Interesse an den Theater-<br />
und Tanzformen anderer Kulturen, dabei lehnt er im<br />
interkulturellen künstlerischen Austausch die bloße Reproduktion<br />
exotisch-fremder Formen rigoros ab. Wolfgang<br />
Mehring war und ist vielmehr von den „Urformen des<br />
Theaters und der jeweiligen Bewusstseinsstruktur“ fasziniert,<br />
mit denen er bei seinen vielen Tourneen, Workshops<br />
und Inszenierungen in Schwarzafrika, im Vorderen Orient,<br />
in Nordafrika, Asien und Amerika in Berührung kam. Sein<br />
Text stammt aus „Die Vermarktung des Geistes. Theater<br />
heute“, in: Zeitmitschrift. Journal für Ästhetik. Nr. 5.<br />
Herbst 1988. S. 17-44.<br />
11
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
NRW KULTURsekretariat<br />
von Dr. Christian Esch<br />
„Internationales Theater prägt in zweierlei Hinsicht<br />
die Programme des NRW KULTURsekretariats: Mit dem<br />
Festival Freier Theater „Impulse“ ist der Kulturverbund<br />
der 21 großen Städte Nordrhein-Westfalens seit langen<br />
Jahren auf dem internationalen Pfad. Das Festival lebt<br />
vom Austausch der Gruppen aus Deutschland, Österreich<br />
und der Schweiz. Bei der nächsten Ausgabe im<br />
Herbst 2007, kuratiert von Tom Stro<strong>mb</strong>erg und Matthias<br />
von Hartz, wird erstmalig die beste der vorgestellten<br />
deutschen Produktionen vom Goethe-Institut auf<br />
Weltreise geschickt. Außerdem wollen wir demnächst<br />
auch Produktionen aus dem fremdsprachigen Ausland<br />
zeigen. Im Rahmen des Fonds Experimentelles Musiktheater,<br />
den es seit 2005 zusätzlich zum bewährten<br />
Fonds Neues Musiktheater gibt, wählt eine namhafte<br />
Jury bezogen auf einen spezifischen „anderen“ Musiktheaterbegriff<br />
internationale Einreichungen aus dem Inund<br />
Ausland aus. Das NRW KULTURsekretariat und die<br />
Kunststiftung NRW finanzieren sie und bringen sie an<br />
Bühnen des Landes zur Uraufführung. International ist<br />
aber auch die integrative Transkultur im eigenen Lande:<br />
Welt- bzw. ethnische Musik, Lehraufträge zur Weltmusik<br />
an Musikhochschulen (beides im Programm „Das<br />
3. Ohr“) oder auch Unterrichtsangebote an türkischen<br />
Instrumenten in Musikschulen („Baglama für alle“).<br />
Vom Kunst -und Künstleraustausch „Transfer“ (2005-<br />
07 mit der Türkei) ganz zu schweigen: Für das Theater<br />
gilt wie für Musik und Bildende Kunst: International ist<br />
überall.“<br />
Peter P. Pachl<br />
„Immer schon war das Theater ein Brennspiegel gesellschaftlicher<br />
Entwicklungen und Veränderungen. Reaktionen<br />
erfolgen bei Künstlern zumeist schneller und<br />
heftiger, denn Emotionen gehören zu unserem Alltag.<br />
Aber auch die Bereitschaft zu neuen Denkmodellen ist<br />
stärker vertreten als in der Gesellschaft ringsum. Denn<br />
die konkrete, szenische Entwicklung von Utopien ist<br />
Teil unserer Arbeit. (Bis vor zwei Dezennien hatte das<br />
Theater noch generell Einfluss auf die Mode, nicht umgekehrt.)<br />
Der Brennspiegelcharakter des Theaters und<br />
sein analytischer Wert waren Fürsten und Kunstmäzenen<br />
vergangener Jahrhunderte nicht unbekannt. Auch<br />
Politikern der Neuzeit blieb er nicht verborgen: Noch<br />
bevor Konzerne, Banken und Großindustrie die zur<br />
Mehrung ihres Kapitals bei gleichzeitiger Reduzierung<br />
der Arbeitsplätze angedachten Fusionen realisierten,<br />
wurden Theatern Fusionen verordnet, wurden innere<br />
und äußere Akzeptanz, entstehende gesellschaftliche<br />
Probleme, insbesondere aber tatsächliche Einsparungen<br />
getestet. Offenbar haben diese Versuchsanordnungen<br />
die Erwartungen bestätigt und den Wirtschaftskonzernen<br />
Mut gemacht, Fusionen auf internationaler Basis<br />
zu vollziehen. Jenseits von Fusionen ist Globalisierung<br />
im Theater seit Jahrzehnten ein Faktum. Nationalitätenübergreifend<br />
thematisieren wir jene Probleme, die uns<br />
weltweit schon heute und erst recht morgen beschäftigen,<br />
verlebendigen und versinnlichen sie in neuen und<br />
vorzugsweise in neu gelesenen, alten Stücken. Dies ist<br />
unsere Form der Globalisierung, unser internationales<br />
Zusammenspiel.“<br />
Peter P. Pachl ist Regisseur, Dramaturg, Publizist und<br />
Künstlerischer Leiter am pianopianissimo musiktheater,<br />
München.<br />
PACT Zollverein<br />
Thomas Sauerteig<br />
„PACT Zollverein“ (Performing Arts Choreographisches<br />
Zentrum Tanzlandschaft Ruhr) befindet sich<br />
in der ehemaligen Waschkaue der Zeche Zollverein. Die<br />
Zeche wurde übrigens von der UNESCO zum Weltkulturerbe<br />
erklärt. Auf 3000 m² Fläche geben drei Studios,<br />
eine große und eine kleine Bühne, sowie Foyer und<br />
Wintergarten Raum für das spartenübergreifende Programm<br />
mit Eigen- und Koproduktionen sowie Gastspielen.<br />
Künstlerresidenzen sowie die diskursiv-praktische<br />
Reflektion in Form von Symposien und Hochschulplattformen,<br />
das künstlerische Forschen und Entwickeln in<br />
Laborsituationen, Trainings und Workshops bilden eine<br />
Architektur der Entwicklung. Eine internationale Vernetzung<br />
und interdisziplinäre Ausrichtung bilden hierbei<br />
die Grundlage unserer Arbeit.“<br />
Kontakt: www.pact-zollverein.de<br />
„Barcelona: Meer, Fußball, Architektur, Mode, Design,<br />
Film, und außerdem gibt es hier auch noch Theater.<br />
Seit sechs Jahren lebe ich hier und arbeite als Regisseur,<br />
Übersetzer und Anlaufstelle für Fragen nach neuen<br />
deutschen Stücken, Autoren, etc... Im Frühjahr habe<br />
ich an der Sala Beckett „Die Frau von früher“ inszeniert,<br />
als erste Premiere einer Reihe von drei Schimmelpfennig-Stücken.<br />
Im Moment bereite ich am selben Theater<br />
Turrinis „Endlich Schluss“ vor, im Rahmen des Theaterfestivals<br />
„Grec“, und hoffe, wegen des Premierentermins,<br />
dass Spanien nicht ins Halbfinale kommt. Und ich<br />
sitze an der Übersetzung des neuen Stücks (Arbeitstitel<br />
„Transit“) von Carles Batlle, dessen letzte Arbeit, „Versuchung“,<br />
bisher am Burgtheater und in Tübingen gespielt<br />
wurde.“<br />
12
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
„Danton‘un Ölümü“, Koproduktion den Theater an der Ruhr mit den Städtischen Bühnen Istanbul<br />
Bettina Sluzalek /<br />
Theaterhaus Stuttgart<br />
„Seit Jahren hat es sich das Theaterhaus Stuttgart<br />
zur Aufgabe gemacht, mit Mitteln des Theaters Antworten<br />
und Modelle für die Multinationalität in unserer<br />
Gesellschaft zu finden. Daher besteht das internationale<br />
Schauspielense<strong>mb</strong>le des Theaterhauses aus 11 Schauspieler/innen<br />
aus acht Ländern und versucht, die heutige<br />
gesellschaftliche Realität auf der Bühne abzubilden.<br />
Natürlich fließen dabei auch die jeweiligen kulturellen<br />
Hintergründe und die unterschiedlichen (Theater-)Er-<br />
fahrungen der Schauspieler in die Arbeit mit ein, was<br />
den Produktionen eine ganz besondere Authentizität<br />
verleiht. Ein gelungenes Beispiel dafür ist die Theaterhausproduktion<br />
„Dirty Dishes“, die inzwischen in Stuttgart<br />
zum Kultstück avancierte und seit der Premiere<br />
1995 in ca. 600 Vorstellungen von mehr als 150.000<br />
Menschen gesehen wurde.“<br />
Bettina Sluzalek hat die Künstlerische Geschäftsführung<br />
am Theaterhaus Stuttgart inne.<br />
Das Theater an der Ruhr und die Internationalen<br />
Theaterlandschaften<br />
Überzeugt davon, dass das Theater universal ist, eine<br />
Sprache spricht, die Menschen jenseits aller nationalen,<br />
kulturellen, religiösen und politischen Unterschiede<br />
verstehen, hat das Theater an der Ruhr bereits vor 25<br />
Jahren begonnen, sein Konzept eines kontinuierlichen<br />
internationalen Austauschs zu entwickeln. Es war damit<br />
eines der ersten europäischen Theater, das die künstlerische<br />
und politische Bedeutung einer derart transnationalen<br />
Theaterarbeit erkannt hat. Mehr als 34 Länder<br />
hat das Theater an der Ruhr seit seiner Gründung bereist,<br />
mindestens ebenso viele Theater aus diesen Ländern<br />
waren zu Gast im Mülheimer Theaterhaus. Über<br />
die Jahre ist ein Netzwerk von Theatern auf vier Kontinenten<br />
entstanden. Diese Beziehungen erschöpfen sich<br />
nicht in wechselseitigen Gastspielen, sie sind vielmehr<br />
eine intensive Beschäftigung mit Gedanken und Haltungen<br />
anderer Kulturen. Künstlerisches und politisches<br />
Engagement sind mithin untrennbar miteinander verwoben.<br />
Die gegenwärtige Situation im Nahen Osten<br />
verdeutlicht auf erschreckende Weise die Bedeutung<br />
und Notwendigkeit eines kontinuierlichen kulturellen<br />
Dialogs. Die Theaterlandschaft Seidenstraße, die in den<br />
vergangenen Jahren die internationale Arbeit maßgeblich<br />
bestimmt hat, sowie das Festival Neues Europa, also<br />
Orient und Okzident, bilden das konzeptionelle Herz<br />
dieser besonderen Internationalen Theaterlandschaften<br />
2006. Anlässlich seines 25-jährigen Bestehens erweitert<br />
das Theater an der Ruhr das Programm. Von August<br />
bis Deze<strong>mb</strong>er 2006 werden Theater aus Iran, Irak, Zentralasien,<br />
Tunesien, Türkei, Serbien und Montenegro,<br />
Marokko sowie Ungarn, Litauen und Slowenien im Theater<br />
am Raffelbergpark in Mülheim an der Ruhr zu Gast<br />
sein. Publikumsgespräche, Diskussionen und Konzerte<br />
werden die Aufführungen begleiten.<br />
13
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
Theater- und Mediengesellschaft<br />
Lateinamerika<br />
Die <strong>ITI</strong>-Mitglieder Hedda Kage, Alexander Stillmark,<br />
Dieter Welke, Kati Röttger, Maria Franziska Schüller,<br />
Angie Hiesl und Almuth Fricke sind aktiv in der Theater-<br />
und Mediengesellschaft. Die Theater- und Mediengesellschaft<br />
Lateinamerika e.V. versteht sich nicht<br />
nur als Promotor des lateinamerikanischen Theaters in<br />
Deutschland, sondern fördert auch den intensiven Austausch<br />
zwischen Theaterschaffenden in den einzelnen<br />
Regionen des Kontinents. Als Privatinitiative wurde sie<br />
1988 von ÜbersetzerInnen, DramaturgInnen und TheaterwissenschaftlerInnen<br />
gegründet und leistet seitdem<br />
eine kontinuierliche kulturelle Zusammen- und Vermittlungsarbeit.<br />
Ihre Mitglieder organisieren Konferenzen<br />
und Lesungen, initiieren Übersetzungen und Buchpublikationen<br />
und vermitteln Theatertexte und Hörspielmanuskripte<br />
an Verlage, Theater und Rundfunkanstalten.<br />
Darüber hinaus pflegt die TMG die theaterwissenschaftliche<br />
Forschung am Institut für Romanische Philologie<br />
an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo<br />
sie auch die Sammlung „Lateinamerikanisches Theater“<br />
verwaltet. Bisher wurden acht Anthologien lateinameri-<br />
kanischer Dramatik mit deutschen Übersetzungen und<br />
einem wissenschaftlichen Begleitteil herausgegeben.<br />
Die Theater- und Mediengesellschaft Lateinamerika ist<br />
natürlich auch bei wichtigen Konferenzen und Foren<br />
zum lateinamerikanischen Theater vertreten, zuletzt<br />
bei dem Forum zur internationalen Verbreitung dramatischer<br />
Texte im Juni in Mexico-City oder bei dem<br />
Symposium über den brasilianischen Dramatiker Nelson<br />
Rodrigues Ende April in Berlin. Für das Treffen von<br />
Dramatikern aus allen WM-Ländern „Dichter ran!“<br />
im Rahmenprogramm der diesjährigen Mülheimer<br />
„stücke 2006“ kuratierte sie die lateinamerikanische<br />
Beteiligung. Ihre Website www.tmg-online.org informiert<br />
nicht nur über aktuelle Veranstaltungen zum<br />
und Aufführungen von Theater aus Lateinamerika in<br />
Deutschland, sondern bietet auch eine Datenbank mit<br />
Übersetzungen sowie eine umfangreiche Linksammlung.<br />
Momentan laufen die Vorbereitungen für „Transatlantische<br />
Bilderwelten“, ein europäisch-lateinamerikanisches<br />
Projekt für theater- und filmwissenschaftliche<br />
Forschungsvorhaben, und für das Dialogprojekt<br />
„Mythos und Repräsentation“.<br />
www.tmg-online.de<br />
Dieter Welke<br />
„Die internationale Theaterarbeit ist untrennbar mit<br />
meinem persönlichen und beruflichen Lebensweg verbunden.<br />
Seit meiner Kindheit bin ich in zwei Kulturen<br />
und Sprachen zuhause, der deutschen und der französischen.<br />
Zum Theater kam ich vor nun fast dreißig Jahren<br />
in Paris, wo ich seit Mitte der 70er Jahre lebte und<br />
arbeitete. Das französische Theater mit seinem reichen<br />
Erbe und seiner großen Experimentierfreudigkeit hat<br />
mich entscheidend geprägt. Bis 1992 war ich als Dramaturg<br />
Mitglied der Compagnie des Matinaux, einer<br />
Pariser Theatertruppe, der einst auch zwei der bedeutendsten<br />
französischen Theaterleute des 20. Jahrhunderts<br />
angehörten: der Bühnenbildner Charles Dullin<br />
sowie der Schauspieler und Regisseur Louis Jouvet. Die<br />
Theaterarbeit Jouvets ist für mich bis heute Vorbild und<br />
Quelle der Inspiration. In meiner Pariser Zeit habe ich<br />
zahlreiche deutsche Texte ins Französische übersetzt<br />
und adaptiert, sowohl zeitgenössische Stücke als auch<br />
alte Texte, wie den „Ackermann aus Böhmen“, der bis<br />
heute in Frankreich oft gespielt wird. Die Pariser Bühnenfassung<br />
dieses Textes wurde später zur Vorlage für<br />
weitere Übersetzungen und Inszenierungen in Italien,<br />
Portugal, England und Irland. Auch heute noch ist die<br />
Compagnie für mich künstlerische Heimat. Bei ihr habe<br />
ich mein Handwerk gelernt; dies umfasst eigentlich alles,<br />
was zur praktischen Theaterarbeit gehört, nicht nur<br />
das Dramaturgisieren. Ich bin spät nach Deutschland<br />
zurückgekehrt. 1992 holte mich Frank-Patrick Steckel<br />
als Dramaturg ans Schauspielhaus Bochum mit dem<br />
expliziten Auftrag, das Haus verstärkt für die internationale<br />
Kooperation zu öffnen - ein Auftrag, den ich<br />
mit viel Enthusiasmus wahrgenommen habe. Immer<br />
wieder kam es zur Zusammenarbeit mit ausländischen<br />
Regisseuren, vornehmlich aus dem französischen und<br />
spanischen Kulturraum. Daneben entstanden Übersetzungen<br />
und Bearbeitungen französischer und spanischer<br />
Texte ins Deutsche. Als Auslandsdeutscher und<br />
französischer Theatermann betrachtete ich die deutsche<br />
Theaterlandschaft aus der Nähe der eigenen Kultur<br />
und aus der Distanz des Fremden. Den doppelten<br />
Blick habe ich stets beibehalten. Zeitweilig hatte es<br />
mich nach Lateinamerika verschlagen, in der bleiernen<br />
Epoche der Militärputschs und Diktaturen. Ich habe viel<br />
Elend und Blut gesehen. Auch dies hat mich nachhaltig<br />
geprägt. Die spanische Sprache wurde meine dritte<br />
Lebens- und Arbeitssprache; 1995 ging ich nach Buenos<br />
Aires, um dort mit dem Theaterkollektiv „Periférico<br />
de Objetos“ die „Hamletmaschine“ zu erarbeiten, eine<br />
Inszenierung, die in vielen Ländern der Welt gezeigt<br />
wurde. Bis zum Jahre 2002 habe ich immer wieder mit<br />
dieser Gruppe gearbeitet. Seit neun Jahren widme ich<br />
mich verstärkt der Regie und war in dieser Funktion<br />
viel in Lateinamerika unterwegs. 1999 entschloss ich<br />
mich, die Fleischtöpfe des deutschen Theaters hinter<br />
mir zu lassen und ging in ein Land, in dem Bürgerkrieg<br />
herrscht: nach Kolu<strong>mb</strong>ien. In Bogotá arbeitete ich als<br />
Dozent für Schauspiel und als Regisseur. Im Zusammenhang<br />
mit meiner Regiearbeit übersetzte ich auch wieder<br />
Theaterstücke, diesmal ins Spanische. Als ich 2001<br />
nach Deutschland zurückkam, musste ich die bittere<br />
Erfahrung machen, dass internationale Arbeit in der<br />
deutschen Theaterszene viel zu wenig wahrgenommen<br />
wird. Und so treibt es mich immer wieder zurück zum<br />
transatlantischen Brückenbauen, ob nach Kolu<strong>mb</strong>ien,<br />
Venezuela, Mexiko, Argentinien oder Ecuador. Ansonsten<br />
wohne ich in einem Städtchen am Taunusrand mit<br />
dem sehnlichen Wunsch, dort nicht zu verfaulen.“<br />
Dieter Welke ist Gesellschafter der Société des Auteurs et<br />
Compositeurs Dramatiques (Paris) und der Theater- und<br />
Mediengesellschaft Lateinamerika (TMG) Dieter Welke,<br />
Regisseur und Dramaturg.<br />
14
Petra Weimer/ theater rampe<br />
„Eigentlich sind wir seit 1998 auf „deutschsprachige<br />
Gegenwartsautoren“ spezialisiert; haben<br />
aber im Lauf der Zeit bemerkt, dass es herrlich ist,<br />
sich auch den europäischen Gegenwartsautoren<br />
anderer Sprachräume zu öffnen. So haben z.B.<br />
Valère Novarina (Frankreich), Filipp Vanluchene<br />
(Belgien), Chaim Bernlef nach Jongerein /Levano<br />
(Niederlande) und Lajos Parti Nagy (Ungarn) ihre<br />
deutschen Erstaufführungen in sehr spannenden<br />
Inszenierungen am theater rampe stuttgart erlebt.<br />
In Planung sind nun weitere Projekte mit internationalem<br />
Kontext: Für 2007 ein internationales<br />
Musiktheaterprojekt mit dem Titel „HesseIndia“,<br />
in dem es um die Sehnsucht des Europäers<br />
nach Indien geht. Librettist ist Bernhard Glocksin<br />
(Neuköllner Oper Berlin). Komponist ist der Niederländer<br />
spanischer Herkunft Rafael Reina, der<br />
am Konservatorium in Amsterdam einen neuen,<br />
experimentellen Studiengang eingerichtet hat:<br />
„Western Music with non-western concepts“. Er<br />
komponiert zeitgenössische Musik, die zum Teil<br />
auf süd-indischen Musikkonzepten beruht. Ich<br />
werde die Regie führen. Premiere ist für Febr. 2007<br />
im theater rampe stuttgart geplant. Es spielt das<br />
AXYZ Ense<strong>mb</strong>le aus Amsterdam, und es handelt<br />
sich um Musiktheater, in dem zwar gesungen wird<br />
(eine Sängerin, die aber zum musikalischen Ense<strong>mb</strong>le<br />
gehört), aber auf der Bühne agieren werden<br />
Schauspieler, Tänzer und ein(e) Figurenspieler/in.<br />
Weitere Aufführungen werden in Wien, im Rahmen<br />
des Netzzeit Festivals „Out of Control“ März 2007<br />
zu sehen sein, sowie im Herbst 2007 in Amsterdam<br />
und Den Haag. Ein weiteres Projekt am theater<br />
rampe stuttgart im Jahr 2007 ist ein deutschamerikanisches<br />
Projekt. Zwei Schauspieler des<br />
theater rampe stuttgart werden im Sommer 2007<br />
nach Amerika (New York, Pittsburg, Chicago) reisen<br />
und dort auf zwei amerikanische Schauspieler<br />
treffen, im Gepäck ein Stück, welches ein österreichischer<br />
Autor als Auftragsarbeit geschrieben hat.<br />
Es geht um die Begegnung von „normalen“ Menschen,<br />
Europäern und Amerikanern, die mit dem<br />
„neuen“ deutsch-amerikanischen Verhältnis umgehen,<br />
das nicht mehr so „schön“ zu sein scheint,<br />
wie es mal war. Wie läuft die Kommunikation über<br />
das Verhältnis Amerika-Europa heute in der intellektuellen<br />
Schicht ab? Wie sprechen wir über das<br />
neue Amerika aus der Sicht eines Deutschen, wie<br />
sprechen die Amerikaner über Bush und Michael<br />
Moore...was verbindet uns, was unterscheidet<br />
uns? Die Aufführungen sind in englischer Sprache<br />
in Amerika und in deutscher Sprache in Europa<br />
(theater rampe stuttgart). Bei diesem Projekt partizipiere<br />
ich als Schauspielerin.“<br />
Petra Weimer ist Schauspielerin, Regisseurin und<br />
Dramaturgin und arbeitet am theater rampe stuttgart,<br />
einem experimentellen Haus, das sich mit Gegenwartsdramatik<br />
beschäftigt.<br />
Netzwerke internationaler Theaterarbeit<br />
15
<strong>ITI</strong><br />
die sich mit Überwachung und Kontrolle<br />
im öffentlichen Raum beschäftigt<br />
und lud in Leipzig Vertreter aus Technik,<br />
Wissenschaft und Politik mit Künstlern<br />
aus Deutschland und den USA zur Diskussion.<br />
Das <strong>ITI</strong> als Theaterorganisation<br />
der UNESCO engagiert sich weltweit für<br />
den Schutz der kulturellen Vielfalt und<br />
für die Zusammenarbeit zwischen den<br />
Theaterkulturen. Das deutsche <strong>ITI</strong>-Zentrum<br />
mit Sitz in Berlin setzt mit eigenen<br />
Projekten maßgebliche Impulse im<br />
Weltverband. In der Jahresversammlung<br />
wurden die Arbeit der Fachkommissionen<br />
und Arbeitsgruppen ausgewertet<br />
sowie die nationalen und internationalen<br />
Arbeitsebenen koordiniert. Für das<br />
<strong>ITI</strong>-Festival „Theater der Welt“ informierte<br />
der Kurator des nächsten Festivals<br />
2008 in Halle, Torsten Maß, über<br />
den Stand der Vorbereitungen und die<br />
konzeptionelle Ausrichtung. Die Mitgliederversammlung<br />
wählte einen neuen<br />
Vorstand. Ihm gehören an: Laura<br />
Bermann (Musikdramaturgin, Berlin),<br />
Stephanie Gräve (Dramaturgin, Bonn),<br />
Harald Müller (Verlagsleiter von Theater<br />
der Zeit, Berlin), Irina Pauls (Choreografin,<br />
Freiburg), Jürgen Schitthelm (Direktor<br />
der Schaubühne am Lehniner Platz<br />
Berlin), Bettina Sluzalek (Künstlerische<br />
Geschäftsführerin des Theaterhauses<br />
Stuttgart), Alexander Stillmark (Regisseur,<br />
Berlin) und Ann-Elisabeth Wolff,<br />
(Festivalleiterin der euro-scene Leipzig).<br />
Der Präsident der deutschen <strong>ITI</strong>-Sektion,<br />
Manfred Beilharz (Intendant Staatstheater<br />
Wiesbaden), der auch dem Weltverband<br />
vorsteht, sowie der Vizepräsident<br />
Roberto Ciulli (Intendant Theater an der<br />
Ruhr, Mülheim) führen ihre Arbeit im<br />
Präsidium fort. Der zweite Vizepräsident<br />
Volker Ludwig kandidierte nicht mehr<br />
für eine neue Amtszeit. Als sein Nachfolger<br />
wurde Martin Roeder-Zerndt, Intendant<br />
des Theaters Heilbronn, gewählt.<br />
STOP! – THINK!<br />
Forum-Theater im Sudan<br />
Von Thomas Engel<br />
DEUTSCHLAND<br />
<strong>ITI</strong> Jahrestagung in Leipzig<br />
Das deutsche Zentrum des Internationalen<br />
Theaterinstituts (<strong>ITI</strong>) hat am<br />
11. und 12. Nov. 2006 seine Jahrestagung<br />
in Leipzig abgehalten, in deren<br />
Rahmen das <strong>ITI</strong> in Zusammenarbeit mit<br />
der euro-scene Leipzig zwei öffentliche<br />
Podiumsdiskussionen veranstaltete.<br />
Zum Thema „Vom Gesamtkunstwerk<br />
zum entgrenzten Theater“ diskutierten<br />
Nike Wagner (Kunstfest Weimar), Barbara<br />
Mundel (Theater Freiburg i. Br.),<br />
Fabrizio Cassol (Gent) und Paul Koek<br />
(De VeenFabriek, Leiden) die Tendenzen<br />
zur verstärkten Durchdringung von<br />
Text, Körperausdruck und Musik und<br />
zur Aufhebung der klassischen Spartentrennungen<br />
im gegenwärtigen Theater.<br />
Unter dem Titel „Bewegungsmelder“<br />
betreibt das deutsche <strong>ITI</strong> in einer seiner<br />
Projektlinien eine Recherche zu Theater,<br />
Im zweiten Jahr der Zusammenarbeit<br />
des deutschen mit dem sudanesischen<br />
<strong>ITI</strong>-Zentrum fand in Khartum der zweite<br />
international geleitete Workshop für<br />
Theatermacher mit Projekten in Konfliktregionen<br />
statt. Das hierfür von beiden<br />
Zentren gegründete Centre for Theatre<br />
in Conflict Zones, angesiedelt beim sudanesischen<br />
<strong>ITI</strong> und 2005/06 maßgeblich<br />
gefördert durch das Auswärtige Amt<br />
/ Institut für Auslandsbeziehungen, Projekt<br />
ZIVIK, war Gastgeber eines Forum-<br />
Theaterworkshops, geleitet von Bárbara<br />
Santos, Theatre of the Opressed (CTO),<br />
Rio de Janeiro. Das von Augusto Boal in<br />
den sechziger Jahren gegründete CTO<br />
ist einer der wichtigsten Orte für sozial<br />
emanzipatorisches, politisches Theater<br />
im Sinne von Demokratie stiftender<br />
Basisarbeit in Kommunen auch ohne<br />
nennenswerte kulturelle Infrastruktur.<br />
Bárbara Santos, seit Jahren in der Leitung<br />
des CTO und in Brasilien mit zahlreichen<br />
Projekten sowie mit Workshops<br />
in Palästina, Angola, Indien und Europa<br />
präsent, konnte durch das deutsche<br />
<strong>ITI</strong>-Zentrum erstmals für das Centre for<br />
Theatre in Conflict Zones in den Sudan<br />
geholt werden. Siebzehn professionelle<br />
Schauspieler aus Khartum, Darfur, den<br />
Südprovinzen und aus dem östlichen<br />
Sudan waren ausgewählt worden, Forum-Theatertechniken<br />
zu erlernen und<br />
zu praktizieren, um diese später selbst<br />
in ihrer Arbeit in Flüchtlingscamps und<br />
Dörfern in den Krisenregionen des Sudan<br />
anwenden zu können – Theater<br />
als Einladung zum Gespräch, zur Wiedergewinnung<br />
von sozialem und kulturellem<br />
Konsens. Sieben Schauspieler<br />
16
waren schon das dritte Mal dabei, denn<br />
das Projekt begann mit einer Einladung<br />
zu Theater der Welt 2005 nach Stuttgart<br />
(wir berichteten). Während des<br />
<strong>ITI</strong>-Workshops „BildBauStelle III – My<br />
Unknown Enemy“ lernte Bárbara Santos<br />
die Gruppe für drei Tage kennen<br />
und stellte erste Trainingsschritte vor.<br />
Nun wurde eine Gruppe mit Teilnehmern<br />
aus den beiden vorangegangenen<br />
Workshops und fünf „Neuen“ aus allen<br />
Landesteilen zusammengestellt.<br />
Tabu-Themen<br />
Aus den Erzählungen und Beobachtungen<br />
entstanden rasch zwei kurze,<br />
provozierende Szenen, der Konsens<br />
über eine dritte brauchte Arbeit. Die<br />
erste Szene brachte ein Tabu-Thema<br />
auf den Tisch. Noch nie war bisher<br />
auf dem sudanesischen Theater der<br />
Nord-Süd-Konflikt dargestellt worden.<br />
Statt einem fertigen Stück, einer Autorenmeinung<br />
wurde ein Diskussionsangebot<br />
unterbreitet, das ein Beispiel<br />
zitierte: Eine Romeo-und-Julia Story,<br />
sie aus dem arabischen Norden, er aus<br />
dem afrikanischen Süden. Nach einem<br />
missglückten Verhandlungsmeeting<br />
der beiden Väter endet die Flucht des<br />
Paares per Ehrenmord durch den Bruder<br />
des Mädchens tödlich. Nun spielten<br />
die Zuschauer Lösungsmöglichkeiten<br />
durch, indem sie selbst in eine der Rollen<br />
schlüpften. Ein zweiter Konflikt war<br />
ähnlich virulent. Eine junge Absolventin<br />
auf dem steinigen Web zum Job: Sie<br />
setzt sich gegen den autoritären Vater<br />
und den Bruder durch und weist die sexuellen<br />
Avancen zweier Bosse ab, bis sie<br />
am Ende resigniert und doch nicht den<br />
erhofften Job vom triumphierenden<br />
dritten Arbeitgeber bekommt, der sie<br />
vor die Tür setzt – vor der bereits die<br />
Zuhälter warten. Bei einer öffentlichen<br />
Voraufführung im College for Music<br />
and Drama der Universität Khartum<br />
stiegen reihenweise die StudentInnen<br />
auf die Bühne um gegenzuhalten – mit<br />
Empörung, List, Souveränität. Die dritte<br />
Szene, die ursprünglich als eher private<br />
Variante politischer Vorsicht von einigen<br />
der Teilnehmer eingebracht worden war<br />
– Ehemann wird von luxussüchtiger Frau<br />
wider besseres Wissen in die Schuldhaft<br />
getrieben – wurde schrittweise kräftig<br />
geschärft. Am Ende verschuldete sich<br />
ein Regierungsbeamter, der aus machtpolitischen<br />
Gründen seinen Job verliert<br />
und gerät in die Abhängigkeit des lokalen<br />
Finanzfilzes, der ihn am Ende höchst<br />
legal ins Kittchen steckt.<br />
Diese Inhalte galt es so zu kommunizieren,<br />
dass ein aktiver Dialog mit<br />
dem Publikum entsteht, ein tätliches<br />
Eingreifen mit der eigenen Person in die<br />
gespielte Geschichte stattfindet. Hierfür<br />
wurden Methoden des Umgangs<br />
mit dem Publikum trainiert. Animateur<br />
des Publikums, „Joker“ zu sein heißt,<br />
Lockerheit und Wachheit herzustellen,<br />
Befangenheit zu nehmen, auf gegenseitigen<br />
Respekt gegründet einen genussvollen<br />
kollektiven Lernprozess in Gang<br />
zu setzen. Gleichzeitig mussten die einzelnen<br />
Rollen so weit „gebaut“ werden,<br />
dass den Schauspielern alle möglichen<br />
Improvisationen in Reaktion auf die<br />
Eingriffe des Publikums zur Verfügung<br />
standen. Deshalb unterbrach Bárbara<br />
Santos immer wieder den Spielfluss<br />
– „Stop! Think! Ask questions!“ - um<br />
mit inneren Monologen aus einer Situation<br />
heraus und spontanen Fragen der<br />
Mitspieler an die Figur das Spektrum<br />
der Rolle von innen und außen anzureichern.<br />
Jenes scharfe, fordernde „Stop!<br />
Think!“ versinnbildlicht auch den gesamten<br />
Arbeitsprozess, der immer wieder<br />
Objektivierung einforderte, kritische<br />
Auseinandersetzung provozierte und<br />
permanent das Bewusstsein über die eigenen<br />
Koordinaten innerhalb der Gruppe<br />
ausbildete. So war es auch keine höfliche<br />
Floskel, wenn ein Teilnehmer rückblickend<br />
bemerkte, er hätte nicht nur<br />
methodisch dazugelernt, sondern ihm<br />
sei auch seine Rolle in der Gesellschaft,<br />
in der er lebt, bewusster geworden.<br />
Umsetzung in die Praxis<br />
Eine Gruppe der Teilnehmer geht<br />
unmittelbar im Anschluss in eine Bewährungsprobe.<br />
Im Auftrag von UNICEF<br />
und Deutschem Entwicklungsdienst begleiten<br />
sie ein Rückführungsprojekt von<br />
Flüchtlingen aus den Nuba-Bergen. Die<br />
Rückkehrer werden nach vielen Jahren<br />
in einem Camp am Rande von Khartum<br />
eine veränderte Heimat vorfinden, neue<br />
Nachbarn, Reste der Familie vielleicht<br />
auch nur Gräber, bestenfalls. Diese<br />
Rückkehr vorzubereiten und einen Neuanfang<br />
zu begleiten, wird alle Fähigkeiten<br />
der Theaterleute fordern. Sicher<br />
werden sie nicht alle Probleme lösen<br />
können, wie auch. Aber sie werden mit<br />
großen Gruppen von Jugendlichen und<br />
Erwachsenen arbeiten, werden Angebote<br />
auf eine Weise machen, die keiner<br />
der Betroffenen bisher die Chance hatte<br />
kennen zu lernen und sie werden auf<br />
ihre Weise ein weiteres Mosaiksteinchen<br />
für den langen Wiederaufbau des Sudan<br />
schaffen. Das existentiell Notwendige<br />
dieser Art von Wiederaufbau formulierte<br />
Yussuf Saad, der alte, weise Dekan des<br />
College for Musik and Drama, der den<br />
immer wieder bedrohten Etat seiner<br />
kleinen Einrichtung zu verteidigen hat:<br />
„They can make new buildings – but if<br />
they don’t ‚built the people’ the ‘unbuilt<br />
people’ will come and destroy the new<br />
buildings, again and again.”<br />
Strategische Planung<br />
Am letzten Tag unseres Aufenthalts<br />
waren wir eingeladen, am ersten runden<br />
Tisch der Minister für Information,<br />
Kultur, Finanzen(!) und Kommunikation<br />
samt einer Anzahl von Staatssekretären<br />
mit einer großen Gruppe von Theaterleuten<br />
teilzunehmen. Man brachte die<br />
für sudanesische Verhältnisse revolutionär<br />
neuen Themen „Strategische Planung“<br />
und „Kulturpolitik“ zur Sprache.<br />
Ein interessanter Dialog scheint hier<br />
in Gang zu kommen. Das brisanteste<br />
Problem brachte ein Schauspieler (mit<br />
großer Selbstverständlichkeit jener, der<br />
das obligate Begrüßungsgebet zelebriert<br />
hatte) auf den Punkt: Eine zentrale<br />
Kulturpolitik, wie sie zur Stärkung<br />
der sudanesischen Identität vielfach<br />
gefordert wurde, sei ein heikel Ding<br />
– müsste sie doch, wie alle Politik des<br />
Landes, scharia-geleitet sein und eine<br />
islamische „Leit-Kultur“ halte er im<br />
multikulturellen und multiethnischen<br />
Sudan schlicht für falsch. Einverständnis<br />
herrschte in der Auffassung, dass ohne<br />
durch Mehrheiten getragene Planung<br />
kein effektiver Aufbau möglich und die<br />
Kunst ein dafür dringend benötigter<br />
Vermittlungsfaktor sei. Das roch vielfach<br />
nach Begehrlichkeiten zur Rekrutierung<br />
der Kunst als Vehikel der Politik, war<br />
aber auch in seiner Erstmaligkeit eine<br />
sensationell offene Geste der Politik an<br />
die Künstler, die ihrerseits ihre Vorstellung<br />
und Forderungen deutlich und<br />
mit souveränem Verantwortungsbewusstsein<br />
formulierten. So geschehen<br />
in Khartum, am 29. Nove<strong>mb</strong>er.<br />
Das Centre for Theatre in Conflict<br />
Zones wurde als Beispiel erfolgreicher<br />
strategischer Planung im Kulturbereich<br />
herausgestellt, folglich erhielten<br />
die Teilnehmer ihre Zertifikate aus der<br />
Hand von gleich vier Ministern. Auf der<br />
nationalen Ebene inzwischen anerkannt<br />
wird die internationale Vernetzung des<br />
Zentrums im nächsten Jahr weiter vorangetrieben<br />
werden. Eine durch das <strong>ITI</strong><br />
initiierte Arbeitsbegegnung im Rahmen<br />
des Gastspiels einer Theatergruppe aus<br />
Ruanda im März ist ein erster Schritt.<br />
Eines der wichtigsten Ergebnisse ist aber<br />
noch etwas anderes: Tarik, ein eher in<br />
sich gekehrter, intensiv und ernsthaft<br />
arbeitender Lehrer aus Nyalla/Darfur,<br />
zum zweiten Mal dabei, und auf<br />
der Bühne von großer Gelöstheit und<br />
schlagfertigem Humor, wird eine ständige<br />
Außenstelle des Centre for Theatre<br />
in Conflict Zones errichten. Zwei Workshops<br />
in Darfur (vier weitere im Süden,<br />
Osten und in Khartum) im nächsten<br />
Jahr sind bereits geplant und von sudanesischer<br />
Seite ausfinanziert. Das <strong>ITI</strong><br />
Deutschland macht sich auf die Suche<br />
nach Unterstützungsmöglichkeiten für<br />
die Infrastruktur.<br />
<strong>ITI</strong> Deutschland<br />
17
<strong>ITI</strong> Deutschland<br />
Werkstattbegegnung<br />
zu kanadischer und<br />
deutscher<br />
Gegenwartsdramatik<br />
Von Birgit Schreyer Duarte<br />
Fotos zu<br />
TIM CARLSON „Allwissen“<br />
Vor sieben Jahren wäre in Deutschland<br />
eine Veranstaltung, wie sie gerade<br />
am Maxim-Gorki-Theater stattgefunden<br />
hat – ein Workshop zur neuen Stückentwicklung<br />
für Dramaturgen aus Kanada<br />
und Deutschland – extrem schwer vorstellbar<br />
gewesen, um nicht zu sagen<br />
unvorstellbar. Vielleicht nicht für jeden,<br />
sicher aber für diejenigen, die ich damals<br />
davon zu überzeugen versuchte,<br />
dass meine beabsichtigte Diplomarbeit<br />
interessant und relevant sein könnte:<br />
Kanadisches Drama. Am theaterwissenschaftlichen<br />
Institut der Münchener<br />
Ludwig-Maximilian-Universität, in lokalen<br />
Buchläden, in der Unibibliothek,<br />
unter Freunden und Kollegen wurden<br />
diese beiden Begriffe schlicht als Oxymoron<br />
betrachtet. Wie Prof. Albert-Rainer<br />
Glaap in unseren Diskussionen noch<br />
einmal bestätigte, die Kenntnis von beidem<br />
– kanadischer Theaterpraxis und<br />
Stücken – war unter Akademikern und<br />
Theaterpraktikern in Deutschland fast<br />
nicht vorhanden, bzw. begrenzt auf<br />
eine Handvoll kritischer Literatur, die<br />
hauptsächlich von Prof. Glaap selbst<br />
verfasst worden war. Natürlich kann ich<br />
nicht für die anderen Theaterinstitute<br />
in Deutschland sprechen, doch nach<br />
meinen Forschungen war die Wahrnehmung<br />
kanadischer Theaterkultur minimal<br />
und mein Vorhaben, eine ganze<br />
Abschlussarbeit zu diesem Thema zu<br />
schreiben, stieß häufig auf Skepsis und<br />
Ungläubigkeit. Ich hebe diese (frühere)<br />
Ignoranz so hervor, um zu zeigen, dass<br />
der Erfahrungs- und Wissensaustausch<br />
zwischen Kanadiern und Deutschen,<br />
der durch die Veranstaltung letzte Woche<br />
ermöglicht wurde, von beiden<br />
Seiten begrüßt wurde: Während die<br />
Mehrheit der kanadischen Teilnehmer<br />
ihre Begeisterung zum Ausdruck brachten,<br />
deutsche Theaterkultur und –praxis<br />
kennenzulernen, mit der sie bisher weitgehend<br />
unvertraut waren, wurde hoffentlich<br />
auch deutlich, dass das Bedürfnis<br />
nach und Interesse an Informationen<br />
über die jeweiligen Theaterstrukturen<br />
und Besonderheiten nicht nur aufseiten<br />
der Kanadier existierte.<br />
In den letzten fünf bis zehn Jahren<br />
ist bezüglich des Austauschs zwischen<br />
den beiden Ländern viel passiert: Wie<br />
wir gelernt haben, sind inzwischen ca.<br />
30 kanadische Stücke auf deutschen<br />
Bühnen aufgeführt worden! Allerdings<br />
waren solche Aktivitäten bislang eher<br />
Resultat zufälliger Entdeckungen oder<br />
individueller persönlicher Beziehungen<br />
und können daher nicht als systematisch<br />
bezeichnet werden. Der Workshop, der<br />
vom Internationalen Theaterinstitut in<br />
Berlin und der Kanadischen Botschaft<br />
organisiert und vom Maxim-Gorki-Theater<br />
beherbergt wurde, war mit Sicherheit<br />
ein Schlüsselereignis im künstlerischen<br />
und ökonomischen Austausch<br />
zwischen den beiden Theaterkulturen.<br />
Zum ersten Mal wurden etwa 30 Professionelle<br />
aus dem Theaterbereich und<br />
Akademiker aus Deutschland und Kanada<br />
für den Zeitraum von einer Woche<br />
versammelt, um zu diskutieren, sich zu<br />
befragen, zu erklären, zu forschen und<br />
die jeweiligen Theatertraditionen bzw.<br />
gegenwärtigen Praktiken des Stückeschreibens,<br />
der Dramaturgie, Kuratierung,<br />
Programmierung, Finanzierung,<br />
Veröffentlichung und der Pflege des<br />
zeitgenössischen Theaters gegenseitig<br />
zu bestaunen. Einige Annahmen haben<br />
sich sicher während dieses Austauschs<br />
auf beiden Seiten bestätigt, doch viel<br />
mehr wurde wahrscheinlich infrage<br />
gestellt oder auch korrigiert: Deutschland<br />
als das Theaterland, wo Milch und<br />
Honig fließen, mit vollen Häusern und<br />
ohne den Zwang, als Sklave des Kartenverkaufs<br />
den Publikumsgeschmack<br />
zu bedienen? Kanada als ein kulturelles<br />
Niemandsland mit einer zu kleinen und<br />
zu verstreuten Bevölkerung, um eine<br />
Kunstform aufrecht zu erhalten, die eine<br />
geschulte Gemeinschaft braucht, um zu<br />
existieren?<br />
Für mich persönlich war das Treffen<br />
der Theatermacher der beiden Länder<br />
spannend und<br />
auf vielen Ebenen entscheidend, zuweilen<br />
sogar surreal: Während der sechs<br />
Jahre, die ich<br />
jetzt als Deutsche in Kanada lebe<br />
(forschend als Doktorandin zum Thema<br />
Drama und gelegentlich als Dramaturgin<br />
arbeitend), hatte ich einiges über<br />
Kanadas Theaterkonventionen und gegenwärtige<br />
Entwicklungen zu lernen.<br />
Und in dieser Zeit erfuhr ich viele Facetten<br />
des Diskurses über Unterschiede<br />
und Ähnlichkeiten bei der Annäherung<br />
beider Länder an das Theater. Ich erinnere<br />
mich lebhaft an die allererste dieser<br />
Debatten; die fand in einem alten VW<br />
mit meinem ersten kanadischen Theatermentor<br />
statt, bei dem ich damals ein<br />
einmonatiges Praktikum machte. Wir<br />
waren auf dem Weg zur ersten kanadischen<br />
Theaterprobe, die ich erleben<br />
sollte, für ein kleines Sommertheater<br />
in Süd-West-Ontario. Die Fahrt dauerte<br />
nur 45 Minuten und wir beide hatten<br />
uns gerade erst getroffen, doch wir waren<br />
vom ersten Moment an in erhitzte<br />
und leidenschaftliche Streits über alle<br />
möglichen Aspekte des Theatermachens<br />
und unseren Zweifel an den Unterschieden<br />
zwischen unseren kulturellen Horizonten<br />
involviert. Ense<strong>mb</strong>letheater?<br />
Respekt vor dem Text? Autorentheater?<br />
Regietheater? Dramaturgie als Beruf?<br />
Neue Stückentwicklungsworkshops?<br />
Keine zweite Produktion? Kein Booen im<br />
Theater? Hierarchische Theatersysteme?<br />
Eine 50 Jahre alte Dramentradition?<br />
Post-Kolonialismus im Theater? Und so<br />
weiter und so fort. Viele dieser Fragen<br />
und viele neue trage ich in den letzten<br />
Jahren, bei meinen akademischen und<br />
praktischen Begegnungen mit Theater<br />
in Kanada, mit mir herum. Einige erscheinen<br />
irgendwie momentan beantwortet,<br />
die meisten aber sind komplex<br />
geblieben und führen jedesmal zu einer<br />
neuen Reihe von Fragen, wenn man sie<br />
klar zu beantworten versucht. Ich habe<br />
viele imaginäre Diskussionen zwischen<br />
kanadischen Theatermachern und denen<br />
„zu Hause“ im Kopf ausgetragen,<br />
als Versuch, die Pros und Kontras der<br />
jeweiligen kulturellen Praxis und die<br />
Prinzipien und Anschauungen dahinter<br />
besser zu verstehen. Mit anderen Worten:<br />
Für mich war dieses Treffen, wo ein<br />
solcher Zusammenprall der Kulturen<br />
tatsächlich passierte, hoch inspirierend<br />
und lang vorausgeahnt.<br />
Um mit den Eindrücken zu beginnen,<br />
die ich von dem Workshop letzte<br />
Woche gesammelt habe: Am Beginn<br />
der Diskussion habe ich eine interessante<br />
Tendenz bei den Gesichtspunkten<br />
der Teilnehmer festgestellt: Entgegen<br />
meinen ursprünglichen Erwartungen<br />
gingen die Ansichten der Kanadier untereinander<br />
über Theater und die Rolle<br />
der Dramaturgie weiter auseinander<br />
als die der Vertreter der verschiedenen<br />
Länder zu diesem Thema. Fast keine<br />
Sitzung ging ohne eine manchmal erhitzte<br />
Debatte unter den kanadischen<br />
Theatermachern über die Stellung des<br />
Texts im dramaturgischen Prozess der<br />
Produktion vorüber. Während es die<br />
Überzeugung und Praxis einiger Theatermacher<br />
ist, den Stücktext als Ausgangspunkt<br />
für die Erarbeitung einer<br />
Theaterproduktion zu betrachten und<br />
als das eigentliche Mittel, um Inhalte ins<br />
Theater zu bringen, kritisierten andere<br />
die in Kanada traditionelle Vormachtstellung<br />
des Texts und riefen allgemein<br />
nach einem umfassenderen Einbezug<br />
anderer als textbasierter Prozesse in die<br />
Produktion. Dass am geschriebenen<br />
und gesprochenen Text als Hauptobjekt<br />
für eine Untersuchung des dramaturgischen<br />
Prozesses festgehalten wurde,<br />
hätte man vielleicht als Gesamttendenz<br />
im Raum bezeichnen können, dennoch<br />
blieb die Spaltung der scheinbar unvereinbaren<br />
Ansätze in den Konversationen<br />
der kanadischen Teilnehmer offensichtlich.<br />
Im Gegenteil dazu gab es unter<br />
den deutschen Theaterpraktikern keine<br />
annähernd so klare Teilung fundamentale<br />
Techniken betreffend, obwohl es<br />
dort sicher Meinungsverschiedenheiten<br />
in anderen Aspekten gab. Zusätzlich<br />
wurde über die Woche natürlich die<br />
Spaltung zwischen quebecischen und<br />
anglo-kanadischen Theaterstilen und -<br />
18
strukturen wiederholt offenbar – doch<br />
wer hätte hier wirkliche Unterschiede<br />
vermutet?<br />
Wohl zur Überraschung derjenigen<br />
Teilnehmer, die hauptsächlich eine<br />
Bestätigung ihrer Vorannahmen zur<br />
ausländischen Kultur erwartet hatten,<br />
zeigten sich in unserer Diskussion vielfältige<br />
Facetten: Es gibt mehr Ähnlichkeiten<br />
zwischen deutschen und kanadischen<br />
Theaterpraktiken heute als wir<br />
vielleicht ahnten. Dafür, dass wir eine<br />
Kultur, die erst im 20. Jahrhundert ihren<br />
eigenen Theaterkanon entwickelt hat,<br />
um sich von der Hinterlassenschaft ihrer<br />
britischen Kolonialmacht zu befreien,<br />
neben ein Land stellten, das sich selbst<br />
seit Jahrhunderten damit brüstet, eine<br />
starke Theatertradition zu haben, die<br />
„nationsbildend“ ist, waren einige praktische<br />
Belange überraschend geläufig in<br />
beiden Ländern, Kanada und Deutschland.<br />
Zu einem dieser Schlüsselaspekte<br />
wurde die Frage nach dem Interesse an<br />
zeitgenössischer Dramatik – mit der folgenden<br />
Differenziation: In beiden Ländern,<br />
so scheint es, gibt es gegenwärtig<br />
ein relativ großes Interesse an und<br />
Wahrnehmung von neuen Stücken,<br />
und die Kritiker schenken den zeitgenössischen<br />
Entwicklungen im Theater<br />
generell ein hohes Maß an Beachtung.<br />
Wo immer das Label „Uraufführung“<br />
oder „deutschsprachige Erstaufführung“<br />
eingesetzt werden kann, freuen<br />
sich die Theater in Deutschland, wenn<br />
sie ihren eigenen Stempel drauf setzen<br />
können und die Kritiker sind eifrig dabei,<br />
darüber Rezensionen zu schreiben.<br />
Hier möchte ich allerdings anführen,<br />
dass der „Autoritäts“grad, den einige<br />
deutsche Kulturkritiker in ihrem Feld<br />
innehaben und, um es auf den Punkt<br />
zu bringen, der Einfluss, den sie auf<br />
den Ruf eines Theaters haben, schwer<br />
mit der Position kanadischer Kritiker zu<br />
vergleichen ist. (Allein der Fakt, dass die<br />
deutschen Teilnehmer kontinuierlich<br />
auf das „gehobene Feuilleton“ rekurrierten,<br />
wenn sie gewisse Theaterkritiker<br />
ins Spiel brachten, sprach für sich.)<br />
Interessanterweise existiert das derzeitige<br />
Interesse an neuer Dramatik in<br />
Deutschland erst seit ca. zehn Jahren,<br />
geschürt durch individuelle Anreize wie<br />
z. B. Thomas Ostermeiers Entdeckung<br />
der neuen Welle in der Jungen Britischen<br />
Dramatik, die er Mitte der 90-er<br />
Jahre übersetzt in der Berliner DT-Baracke<br />
präsentierte. Kanadas anhaltendes<br />
Engagement für die Entwicklung neuer<br />
Stücke hat ironischerweise inzwischen<br />
eine über dreißigjährige Geschichte.<br />
Wie auch immer, die Beachtung der<br />
Neuen Dramatik vonseiten des Publikums<br />
ist in beiden Ländern zahlenmäßig<br />
eher gering: Es gibt zwar einen kleinen<br />
Prozentsatz in der Bevölkerung größerer<br />
Städte, der die Szene verfolgt, doch<br />
dieser besteht weitgehend aus Theatermachern<br />
selbst, Theaterstudenten und<br />
einer Handvoll eingeweihter Intellektueller.<br />
Ein Unterschied ließ sich darin erkennen,<br />
was über die Haltung der meisten<br />
Schauspieler gesagt wurde: In Kanada<br />
bedeutet relevantes Theater faktisch:<br />
neue Stücke. Schauspieler schaden ihrer<br />
Karriere eher, wenn sich ausschließlich<br />
den „ehrenvollen“ Klassikern der hohen<br />
Kunst widmen. In Deutschland scheint<br />
es so zu sein, dass für viele Schauspieler<br />
das Spielen von neuer Dramatik bedeutet,<br />
große Bühnenproduktionen und die<br />
Chance zu verpassen, ihr Talent in berühmten<br />
A-Rollen renommierter Stücke<br />
zu beweisen. In einem zeitgenössischen<br />
Drama besetzt zu werden, wird deshalb<br />
häufig als Spielen in der letzten Reihe<br />
betrachtet, nichts, das einen berühmt<br />
macht. Fairerweise muss man sagen,<br />
dass in beiden Kulturen neue Dramatik<br />
in der Regel auf kleinen Studiobühnen<br />
präsentiert wird und ihr nur kleine Produktionen<br />
zugestanden werden. Neue<br />
Autoren und deren Arbeit zu zeigen,<br />
ist in Deutschland wie in Kanada ganz<br />
klar ein Risiko für eher mainstreamorientierte<br />
Bühnen, die stark von ihrer<br />
Abonentenzahl abhängen. In Kanada<br />
werden solche Produktionen zwar nicht<br />
immer auf der Studiobühne großer<br />
Kompanies gezeigt, aber dafür exklusiv<br />
von Theatergruppen entwickelt, die nur<br />
entstanden sind, um sich auf neue Dramatik<br />
zu spezialisieren.<br />
Was sich in unseren Diskussionen<br />
als ziemlich widersprüchliches Thema<br />
erwiesen hat, war der Grad der Trennung<br />
verschiedener Theaterformen und<br />
Kunstdisziplinen: Verschmelzen die Theater<br />
in Deutschland die Disziplinen oder<br />
driften unterschiedliche Ansätze und<br />
Stile eher auseinander? Und wie sieht<br />
das in Kanada aus? Die Meinungen der<br />
Teilnehmer zu diesen Fragen waren<br />
offensichtlich geteilt. Einige argumentierten,<br />
dass Deutschland endlich mit<br />
seinem traditionellen Theaterverständnis<br />
brechen und sich für neue Formen<br />
der Kreuzung von Performance-Kunst,<br />
Choreographie, Installation und ex-<br />
<strong>ITI</strong> Deutschland<br />
19
<strong>ITI</strong> Deutschland<br />
perimenteller Stücke öffnen würde.<br />
Thomas Frank, als Kurator von Berlins<br />
alternativem Theater Sophiensäle, und<br />
das kreative Team hinter der Maxim-<br />
Gorki-Studiobühne, Andrea Koschwitz<br />
und Armin Petras, waren starke Vertreter<br />
dieser Tendenz. Andere beobachteten,<br />
dass das Land noch immer an der<br />
alten Teilung von „Unterhaltung“ und<br />
„hoher Kunst“ in der Theaterkultur festhält<br />
und dass diese Genres noch immer<br />
klar definiert, vermarktet und als solche<br />
vom Publikum rezipiert werden. Hier<br />
Verallgemeinerungen vorzunehmen,<br />
wäre gefährlich, zumal die Mehrheit der<br />
anwesenden deutschen Theatermacher<br />
zur Zeit in Berlin tätig war, ein Ort, der<br />
sicher nicht repräsentativ für das ganze<br />
Land ist und viel mannigfaltiger und<br />
mehr federführend in seinen Theaterstilen<br />
ist als durchschnittliche deutsche<br />
Städte.<br />
Die Kanadier im Raum konnten ebenfalls<br />
keinen Konsens darüber finden, ob<br />
kanadisches Theater heute eine höhere<br />
Integration verschiedener Kunstformen<br />
erlaubt als es das in früheren Phasen<br />
getan hat. Klar wurde, dass gewisse<br />
Regionen besonders stark in diesen fließenden<br />
Genres sind, an erster Stelle die<br />
aus Vancouver stammenden Gruppen,<br />
die eine gewagte Mischung aus Techniken<br />
in ihre oft site-specific Produktionen<br />
bringen – Tanz, visuelle Kunst,<br />
Musik, Akrobatik, Multimedia – und die<br />
meistens nicht den Text als ihren Ausgangspunkt<br />
für die kreative neue Arbeit<br />
nutzen. Theatermacher mit ähnlichem<br />
Fokus aus anderen urbanen Zentren Kanadas<br />
waren auch anwesend, doch es<br />
konnte lediglich geschlussfolgert werden,<br />
dass dieser stilistische Trend bisher<br />
lediglich in isolierten Fällen gedeiht,<br />
aber allgemein eher von konventionellen<br />
Theaterstrukturen eingedämmt<br />
wird, wie z. B. dem permanenten Mangel<br />
an Geld und Spielstätten im Land.<br />
Ein anderer Punkt in der Debatte,<br />
der für die meisten nicht in einer<br />
klaren Antwort aufging, war die Frage,<br />
wie mit dem Publikumsgeschmack<br />
umzugehen ist. Weder die Deutschen<br />
noch die Kanadier erklärten sich einverstanden<br />
mit dem, was die allgemeine<br />
Tendenz in ihren Ländern ist oder sein<br />
sollte. Folgen wir oder bestimmen wir<br />
die Vorlieben des Publikums? Einige<br />
deutsche Theatermacher bestätigten,<br />
dass ihr Theaterauftrag in der Tat darin<br />
besteht, auf aktuelle Entwicklungen in<br />
ihrer Umgebung zu reagieren und die<br />
Bevölkerung ihrer Stadt ernstzunehmen,<br />
indem sie deren Belange bei der<br />
Planung der nächsten Theatersaison<br />
berücksichtigen. Andere behaupteten,<br />
dass sie hauptsächlich auf der Grundlage<br />
ihrer eigenen künstlerischen Interessen<br />
arbeiten könnten, nachdem sie<br />
den Publikumsgeschmack erfolgreich<br />
trainiert hätten. Unter den kanadischen<br />
Teilnehmern war die deutlichste Trennung<br />
wieder die nach regionalen Unterschieden:<br />
Für einige schien immer<br />
noch Quebec der fruchtbarste Boden zu<br />
sein, um ein interessiertes Stammpublikum<br />
für herausfordernde Vorstellungen<br />
heranzuziehen. Andere sprachen der<br />
Region die Toleranz für ein so genanntes<br />
„gefährliches“ Theater ab. Es schien<br />
jedenfalls, dass die meisten Kanadier etwas<br />
erstaunt über die relativ starke und<br />
andauernde Bindung waren, die einige<br />
der deutschen Theater offenbar mit ihrem<br />
Publikum aufrechterhalten.<br />
Als einen der wertvollsten Einblicke<br />
empfand ich es, die Parallele im aktuellen<br />
Trend beider Länder zu beobachten,<br />
einen Erzähler als strukturierendes<br />
Prinzip für Stücke und Aufführungen<br />
einzusetzen. Während sich die deutschen<br />
Teilnehmer zu diesem aktuellen<br />
Phänomen als einer „Rückkehr“ zum<br />
Narrativen, nach einer Periode von<br />
Dekonstruktion und Fragmentierung<br />
in vorangegangenen Theaterstilen, äußerten,<br />
definierten die Kanadier diese<br />
Entwicklung nicht als eine klare Reaktion<br />
oder Gegenbewegung zu früheren<br />
Preferenzen. Die kanadische Theatertradition<br />
sei, so wurde argumentiert, stark<br />
in der Tradition des Geschichtenerzählens<br />
verankert und die Hingabe und der<br />
Glaube an das Narrative als Ausdrucksmittel<br />
sei bis heute prominent geblieben.<br />
Einige deutsche Dramaturgen<br />
erklärten diese Tendenz als Reaktion<br />
auf die Bedürfnisse des Publikums, das<br />
in der heutigen Umgebung von Unsicherheiten<br />
wie schrumpfenden Städten,<br />
einer älter werdenden Population,<br />
Werteverlust, dem Rückgang sozialer<br />
und ökonomischer Netze zunehmend<br />
nach Koherenz in der Theatererfahrung<br />
und nach Schlüssen sucht, die wieder<br />
das Gefühl von Stabilität vermitteln. In<br />
Bezug auf das schwierige Thema, ob<br />
offenes Ende, klare Schlussfolgerungen,<br />
oder irgendetwas wie Erlösung in zeitgenössischen<br />
Stücken, gingen die Meinungen<br />
wieder weit auseinander. In<br />
manchen neuen Produktionen streben<br />
kanadische Künstler an, überhaupt keinen<br />
Schluss anzubieten, nicht einmal<br />
einen Abschluss des Erzählten, um dem<br />
Publikum die Erlösung vorzuentzuhalten<br />
und stattdessen eine Leere zu schaffen,<br />
die vom Rezipienten selbst zu füllen<br />
ist, auch, um dessen Sinn für das Geheimnisvolle<br />
zu bewahren. Als die Übertragbarkeit<br />
Kanadischer Dramatik auf<br />
deutsche Bühnen diskutiert wurde, trat<br />
interessanterweise der Unterschied in<br />
den Ansätzen zu Stückschlüssen wieder<br />
zutage: Die meisten kanadischen Produktionen<br />
haben ihre Schlüsse scheinbar<br />
zu gut definiert, um in die Programmierung<br />
für zeitgenössische deutsche<br />
Empfindungen zu passen. (Der Begriff<br />
„Kitsch“ kam nur in diesem Zusammenhang<br />
auf.) Dies war in der Tat einer<br />
der wenigen Momente, wo der dramatische<br />
Inhalt selbst Thema unseres kulturellen<br />
Austausches war – was für mich<br />
persönlich sogar interessanter war als<br />
Aspekte der Praxis oder Struktur im Vergleich.<br />
Wenn dieser Fokus für einige von<br />
uns erst spannend wurde als der Workshop<br />
sich seinem Ende näherte, können<br />
wir uns sagen, dass diese Woche ja nur<br />
der Auftakt eines länger anhaltenden,<br />
fruchtvollen und bereichernden Austausches<br />
war.<br />
Wenn es jetzt so scheint, dass ein<br />
Großteil des Diskurses, der in diesem<br />
Raum stattfand, uns die Ähnlichkeiten<br />
zwischen kanadischer und deutscher<br />
Theaterpraxis heute aufzeigte, sollen<br />
hier ein paar der vielen Unterschiede<br />
aufgezählt werden, die wir „gegenseitig“<br />
entdeckten. Ein Aspekt, der sich für<br />
mich nie wirklich erklärt hat, aber dennoch<br />
während meines Aufenthaltes in<br />
Kanada zunehmend evident wurde, ist<br />
in der Diskussion letzte Woche klar definiert<br />
worden: Während Deutschlands<br />
20
dominierende Tradition das Regietheater<br />
ist, ist es in Kanada das Autorentheater.<br />
Aus kanadischer Perspektive<br />
ist dieses Merkmal nur allzu logisch,<br />
evolutionsbedingt sozusagen: Die Notwendigkeit,<br />
einen einheimischen kanadischen<br />
Theaterkanon zu schaffen,<br />
konnte nur durch die Autoren erfüllt<br />
werden, die Stücke verfassten und dies<br />
auch in Zukunft tun würden. Der Autor<br />
wird als die erste Stufe betrachtet, als<br />
Stifter; das Herz der Kreation ist die Aufführung<br />
und die Kunstform ist das Theater.<br />
Zugegebenermaßen hat das fast<br />
zeitgleiche Aufkommen des kollektiven<br />
Schreibens in den 70-er Jahren die Idee<br />
der Autorität des einzelnen Autors angefochten,<br />
trotzdem erfreuen sich die Dramatiker<br />
immer noch eines relativ hoch<br />
angesehenen Status im System und erhalten<br />
derzeit die meiste Unterstützung<br />
innerhalb des kanadischen Theaters.<br />
Nie zuvor hat hat es eine solche Vielfalt<br />
an Stückentwicklungsprogrammen und<br />
Workshop-Angeboten in Kanada gegeben<br />
wie heute. In Deutschland glaubt<br />
man, die Aufführung erhalte erst ihr<br />
volles Potential, wenn der geniale Regisseur<br />
als Interpret des Stücktextes seine<br />
ganz eigene Vision hinzufügt. Das mag<br />
jetzt vereinfacht und generalisierend<br />
klingen, doch interessanterweise bestätigten<br />
sich solche „Stereotypen“ in unseren<br />
Debatten weitgehend.<br />
In diesem Zusammenhang fasziniert<br />
mich immer die Frage nach der<br />
Hierarchie, und sie wurde auch hier<br />
mehrfach aufgeworfen. Das deutsche<br />
Stadttheatersystem, ein einzigartiges<br />
kulturelles Phänomen mit seiner bürokratischen<br />
Struktur und ideologischen<br />
Vollmachten, die Stadtbewohner zu<br />
erziehen und aufzuklären, ist z. B. eine<br />
Manifestation hierarchischer Ordnung.<br />
Jeder Beruf hat darin seinen Platz und<br />
seine Rolle. Zwischen den Funktionen<br />
zu changieren, kommt extrem selten<br />
vor und ist schwierig. Nicht so in Kanada:<br />
Die meisten Autoren haben vorher<br />
eigene Erfahrungen in anderen Theaterfunktionen<br />
gemacht, sie waren z.<br />
B. Schauspieler. Häufig arbeiten Regisseure<br />
als Dramaturgen, Dramaturgen<br />
als Schauspieler und Schauspieler gehen<br />
zur Regie oder zum Schreiben über,<br />
u.s.w.. Natürlich hat ein Intendant im<br />
deutschen Theatersystem normalerweise<br />
auch verschiedene Erfahrungen im<br />
Theatermachen, sei es als Dramaturg,<br />
Regisseur oder Autor-Regisseur. Was<br />
aber dennoch aus kanadischer Sicht als<br />
ganz besonders empfunden wird, ist<br />
dass der deutsche Intendant faktisch<br />
von der Stadt ernannt wird und nicht<br />
von der Theaterkommune. Dies macht<br />
natürlich Sinn im Hinblick auf die soziale<br />
Verantwortung, die die Stadttheater<br />
– basierend auf den Grundideen<br />
Lessings und Schillers – als Erziehungsanstalt<br />
für sich beanspruchen. Nichtsdestotrotz<br />
steht im Jahre 2006 sowohl<br />
das Regietheater als auch seine soziale<br />
Verantwortung erneut zur Debatte.<br />
Ein anderes Phänomen, das mit<br />
solchen Traditionen zusammenzuhängen<br />
scheint, tauchte in den Konversationen<br />
auf: Die meisten deutschen<br />
oder europäischen Theaterleute hätten<br />
es schwer, den kanadischen Textansatz<br />
als eine Arbeitsgrundlage zu begreifen:<br />
Während deutsche Regisseure/Dramaturgen<br />
berüchtigt für ihr skrupelloses<br />
Streichen und Redigieren von Stücktexten<br />
sind, um sie an ihre persönliche<br />
Vision der Produktion anzupassen, wird<br />
in Kanada dem Text noch weitgehend<br />
absolute Authorität gewährt. Jedes geänderte<br />
Wort muss mit dem Autor oder<br />
dem Verlag abgesprochen werden. In<br />
Deutschland hingegen ist es Gang und<br />
Gebe, ganze Abschnitte zu streichen,<br />
um im Stück ein bestimmtes Problem<br />
herauszustellen oder um eine neue Perspektive<br />
auf einen Klassiker zu ermöglichen.<br />
Die Entdeckung solch entgegengesetzter<br />
Konventionen rief natürlich<br />
auf beiden Seiten, Deutschen und Kanadiern,<br />
erstaunte Reaktionen hervor,<br />
und für einige eröffnete die Idee, einen<br />
existierenden Text während des Arbeitsprozesses<br />
auf seine Bedeutung für eine<br />
individuelle Produktion hin zu manipulieren,<br />
eine völlig neue Perspektive auf<br />
die Performance-Textarbeit.<br />
Als wir die Vorstellungen beider Länder<br />
von der Arbeit eines Dramaturgen<br />
verglichen, kamen wir – erwartungsgemäß<br />
– auch zu einer Reihe von Differenzen.<br />
In Bezug auf die Frage, wieviel<br />
Einfluss ein Dramaturg wirklich auf das<br />
Profil eines Theaters hat, gingen die<br />
Meinungen wieder auseinander, besonders<br />
unter den kanadischen Theaterpraktikern.<br />
Signifikant für die Arbeit<br />
eines „typischen“ kanadischen Dramaturgen–<br />
und das war unter den deutsche<br />
Kollegen nahezu unbekannt – ist<br />
die Durchführung von Stückentwicklungsprogrammen,<br />
deren Hauptcharakteristikum<br />
Autorenworkshops sind.<br />
Die Idee, eine große Menge verschiedener<br />
Stückentwürfe zu entwickeln,<br />
was durch den Workshopprozess in der<br />
kanadischen Tradition quasi bedingt<br />
ist, war für einige deutsche Teilnehmer<br />
schwer vorstellbar und erschien sogar<br />
als kontraproduktiv. Dass das unfertige<br />
Stück fortlaufend mit dem zuständigen<br />
Dramaturgen diskutiert wird, wobei sogar<br />
Schauspieler involviert sind, spricht<br />
wieder für die derzeitige Tendenz in Kanada,<br />
den Prozess über das Resultat zu<br />
stellen. Heutzutage ist für kanadische<br />
Autoren eine langfristige Arbeitsbeziehung<br />
entweder mit einem Dramaturgen<br />
oder einem Regisseur und die Ideenentwicklung<br />
für ein Stück über eine oder<br />
mehrere Workshopproduktionen bis zur<br />
Endfassung fast die Norm. Das heißt,<br />
dass Aspekte der Aufführung eine integrale<br />
Rolle bei der Entstehung des Endprodukts<br />
spielen können, seien es Einwürfe<br />
des Dramaturgen, Interpretatioen<br />
oder Improvisationen der Schauspieler,<br />
die Choreographie oder Elemente der<br />
Spielstätte oder des Bühnenbilds. Langfristige<br />
Arbeitsbeziehungen zwischen<br />
Autoren und Dramaturgen oder Regisseuren<br />
existieren genauso in Deutschland,<br />
doch der Fokus scheint hier eher<br />
auf der Entwicklung des Gesamtwerks<br />
bzw. des Profils eines Autors zu liegen<br />
als auf einem speziellen Stück. Die Konzentration<br />
auf Einzelstücke spielt eher<br />
in der Beziehung zwischen dem Autor<br />
und dem Lektor des Verlages, der das<br />
Werk vertreibt, eine Rolle. Das ziemlich<br />
komplexe System sogenannter Bühnenverlage<br />
und ihrer dazugehörigen Dramaturgen,<br />
die die Arbeitsbeziehungen<br />
mit Dramatikern unterhalten, wurde<br />
<strong>ITI</strong> Deutschland<br />
21
<strong>ITI</strong> Deutschland<br />
der Gruppe am Beispiel des Kiepenheuer<br />
Bühnenverlags durch dessen Theaterverlagsdramaturgin,<br />
Anke-Elisabeth See<br />
nahegebracht. Auf der anderen Seite<br />
sind nichtproduzierende dramaturgische<br />
Institutionen wie z. B. das kanadische<br />
„Nightswimming“ in Deutschland<br />
völlig unbekannt. Selbst wenn hier<br />
ein Dramaturg ein anhaltendes Interesse<br />
für das Werk eines Autoren hat, passiert<br />
dies sozusagen neben den eigentlichen<br />
Aufgaben, die ein hausangestellter Dramaturg<br />
zu erfüllen hat. Das Konzept einer<br />
Autorenvereinigung oder Autorenlabor<br />
ist heutzutage sowohl in Kanada<br />
als auch in Deutschland bekannt.<br />
Eins der vorhersehbaren Ergebnisse<br />
unseres Kulturentreffens war der fast<br />
unvermeidliche Vergleich von Fördermöglichleiten<br />
für Theater, der Größe<br />
der Spielstätten und des Publikums. Zugegeben,<br />
die vier verschiedenen Bühnen<br />
innerhalb eines Theatergebäudes,<br />
zu denen wir bei unserem Besuch in<br />
der Schaubühne geführt wurden, und<br />
die berühmte, individuell verstellbare<br />
Hebebühne dort sind auch für deutsche<br />
Maßstäbe beeindruckend. (Allerdings<br />
bin ich mir nicht mehr ganz sicher,<br />
mit welchen kulturellen Maßstäben ich<br />
Theater in meiner Heimat, Deutschland,<br />
erfahre...). Insgesamt gab es eine<br />
Ungleichheit, die sich schlicht aus der<br />
Höhe öffentlicher Förderung ergab, die<br />
deutsche Theater, verglichen mit kanadischen<br />
Zahlen, immer noch erhalten.<br />
Dennoch schienen nicht alle Vorteile, die<br />
gemeinhin mit einem gut geförderten<br />
Theatersystem einhergehen, auch von<br />
beiden Seiten als solche betrachtet zu<br />
werden. Die fesselndste Diskussion<br />
in diesem Kontext war der Vergleich<br />
von Ense<strong>mb</strong>le- und Repertoiretheater<br />
mit dem in Kanada sehr verbreiteten<br />
Gastschauspielersystem und der ensuite?<br />
Programmierung. Offensichtlich<br />
erscheint das deutsche Modell vielen<br />
Theaterpraktikern noch immer als ideale<br />
Voraussetzung, um in einer sicheren<br />
und vertrauten Umgebung zu experimentieren,<br />
eine starke Beziehung zwischen<br />
Regisseur und Schauspieler aufzubauen<br />
und der Theatergemeinschaft<br />
einen soliden Stückekanon zu liefern.<br />
Diese ist dann eingeladen, sich mit der<br />
Ideologie des Theaterprofils zu identifizieren,<br />
indem sie regelmäßig die Repertoirestücke<br />
besucht. Die Gefahr der<br />
künstlerischen Stagnation und die unglaublich<br />
schwere Zugänglichkeit eines<br />
Repertoiresystems für freie Schauspieler<br />
erschien den kanadischen Theatermachern<br />
eher nachteilig. In diesem Punkt<br />
gab es bei den Teilnehmern beider Kulturtraditionen<br />
auch Überschneidungen<br />
in den Vorlieben und Meinungen.<br />
Folgende Beobachtung, die von einigen<br />
der deutschen Mitwirkenden im<br />
Raum gemacht wurde, empfinde ich als<br />
besonders wichtig für mein eigenes Interesse<br />
an der Rolle des Theaters im Identitätsbildungsprozess:<br />
In Deutschland<br />
erwarten die meisten Theatergänger einen<br />
ernsthaften Diskurs oder relevante<br />
Themen, wenn sie ins Theater gehen.<br />
Über die Unterhaltung hinaus haben<br />
sie auch das Bedürfnis, herausgefordert<br />
und zum Denken angeregt zu werden.<br />
In Kanada hingegen kann ich mich des<br />
Gefühls nicht erwehren, dass Theater<br />
als etwas Elitäres angesehen wird, etwas<br />
wie die Kategorie „Original mit Untertitel“,<br />
an der sich nur ein kleiner Teil des<br />
Publikums zu erfreuen weiß. Zahlenmäßig<br />
mag der Unterschied zu Deutschland<br />
gar nicht so groß sein, doch der<br />
Grad, inwieweit Theater auch heute als<br />
integraler Teil unseres Kulturverständnisses<br />
akzeptiert wird, scheint mir in<br />
Deutschland höher zu sein. Durchweg<br />
verwirrend und ohne Konsensfindung<br />
im Workshop blieb die Frage, ob Berlin<br />
nun zu viel Publikum hat, um es ausreichend<br />
mit Theater zu versorgen oder zu<br />
viel Theater, um die Zuschauerräume zu<br />
füllen...<br />
Auf der Suche nach konkreten Ergebnissen<br />
dieser inspirierenden Veranstaltung<br />
kann man zusammenfassend<br />
sagen, dass es wieder keine Übereinstimmung<br />
in dem Versuch gab, „einen“<br />
kanadischen Dramastil zu definieren.<br />
Doch es wurden in der Gruppe sehr<br />
konkrete Schritte vorgestellt, wie diese<br />
erste Begegnung zu einem weiteren<br />
fruchtbaren Theateraustausch zwischen<br />
beiden Ländern genutzt werden kann.<br />
Wir wurden eingeladen, an der Erweiterung<br />
des Theaternetzwerks mitzuwirken,<br />
wodurch mehr solcher Aktivitäten,<br />
weitere Lernprozesse für beide Seiten<br />
und vor allem mehr kanadische Dramatik<br />
auf deutschen Bühnen ermöglicht<br />
werden. Die Jurymitglieder der<br />
kanadischen Botschaftsinitiative, die<br />
neue kanadische Stücke auswählt und<br />
sie dem deutschen Publikum in Übersetzung<br />
zugänglich macht, gaben uns<br />
Auskunft über ihren Auftrag, die Auswahlkriterien<br />
und die Methodik, mit der<br />
sie die ersten sechs Stücke ausgewählt<br />
haben. Dies erinnerte mich wieder an<br />
meine eigene anfängliche Faszination<br />
für ausländische Theaterkultur und es<br />
beeindruckte mich wieder, wie sehr<br />
sich die Dinge in den letzten Jahren im<br />
Hinblick auf einen systematischen und<br />
fruchtbaren Austausch von kanadischen<br />
und deutschen Ideen über Theater entwickelt<br />
haben.<br />
Die stärksten Erinnerungen bei<br />
solchen Veranstaltungen wie dem<br />
Workshop in Berlin sind meistens Begegnungen<br />
mit einzelnen auf einer<br />
persönlichen Ebene. Für mich waren<br />
das, bei einem Glas Wein – oder eher<br />
Berliner Bierspezialitäten – unsere Gespräche<br />
über die Aufführungen, die<br />
wir in der Woche sahen. Wesentlich<br />
textbasiertes Theater mit Leuten zu sehen,<br />
die die Sprache nicht verstehen,<br />
ist sehr empfehlendwert! Wir lernen so<br />
viel über dieselbe Aufführung auf anderen<br />
Ebenen, die als theatrale Mittel<br />
außerhalb der Sprache existieren. Was<br />
immer in solchen Produktionen für die<br />
kanadischen Gäste hervortrat, was sie<br />
aus dem Gesehenen machten und wie<br />
weit sie mit dem Stück ohne deutsche<br />
Sprachkenntnisse in Berührung traten,<br />
sagt uns nicht nur etwas über die Aufführung<br />
selbst, sondern auch darüber<br />
etwas, wie andere kulturelle und individuelle<br />
Empfindungen auch andere<br />
Theatererfahrungen zulassen. Die vier<br />
Produktionen, die wir sahen, waren alle<br />
so unterschiedlich, dass sie uns genügend<br />
Diskussionsmaterial boten und,<br />
wie jemand betonte, enthielten einige<br />
passend die Elemente, die nach nordamerikanischen<br />
Maßstäben als stereo-<br />
22
type Konventionen für zeitgenössische<br />
deutsche Regie gelten: massenhaft klebrige<br />
Flüssigkeiten, die über Schauspieler<br />
oder Bühnenboden oder vorzugsweise<br />
über beides ausgegossen werden (Anja<br />
Hillings „Protection“). Ich stimme damit<br />
insofern überein als dass es hier um<br />
einige Merkmale geht, die ich als charakteristisch<br />
für den deutschen Fokus im<br />
Theater betrachte, wie z. B. eine spielerische<br />
Betonung des Texts, gepaart<br />
mit einem kahlen Bühnenbild und einer<br />
präzisen Bewegungschoreographie (Michael<br />
Thalheimers Faust-Produktion),<br />
eine kreative Nebeneinanderstellung<br />
von Multimedia, Nicht-Schauspieler-<br />
Körpern und einer kollageähnlichen<br />
Annäherung an aktuelle Themen (Rimini<br />
Protokolls Wallenstein) und natürlich<br />
Frank Castofs stark polarisierender Stil,<br />
seine Extravaganzen auf die Bühne zu<br />
bringen(Endstation Amerika).<br />
So geht mein herzliches Dankeschön<br />
an die Organisatoren, Gabriele<br />
Naumann-Maerten und Andrea Zagorski,<br />
nicht nur dafür, dass sie diese einzigartige<br />
Begegnung zwischen scheinbar<br />
so verschiedenen Kulturen hergestellt<br />
haben, sondern auch dafür, dass sozusagen<br />
eine Spielfläche vorhanden war,<br />
Raum für Reaktionen, Gefühle und den<br />
Austausch unserer sehr persönlichen<br />
Abenteuer mit Theater. Welch ein Genuss,<br />
neben einem unserer Gäste aus<br />
Kanada im Publikum zu sitzen und ihn<br />
laut und über die ganze Vorstellung lachen<br />
zu hören, wo er kein Deutsch versteht<br />
– das ist es, was in der Woche mit<br />
Sicherheit meine eigene Wahrnehmung<br />
von Theater erweitert hat.<br />
The New Surveillance<br />
Eine Internationale Konferen mit<br />
Wissenschaftlern und Künstlern<br />
In Kooperation von Internationalem<br />
Theaterinstitut und Technischer Universität<br />
Berlin fand am 30. Nove<strong>mb</strong>er und<br />
1. Deze<strong>mb</strong>er 2006 die Konferenz „The<br />
New Surveillance“ statt. Das deutsche<br />
<strong>ITI</strong>-Zentrum hatte die Konferenz in seine<br />
Projektreihe „Bewegungsmelder“<br />
als ein Modul integriert und konnte auf<br />
diesem Wege einen äußerst kreativen<br />
Austausch zwischen Künstlern und Wissenschaftlern<br />
initiieren. Kontrolle öffentlicher<br />
Räume und individuellen Verhaltens<br />
begreift „Bewegungsmelder“<br />
konzeptionell als Ausdruck jener gesellschaftlichen<br />
Prozesse, in denen sich soziale<br />
und kulturelle Unterschiede in der<br />
Segmentierung des urbanen Lebensraumes<br />
bis hin zur Gettoisierung niederschlagen<br />
und mehr Sicherheit durch die<br />
Ausgrenzung des Unsicheren erzeugt<br />
werden soll. Die Auseinandersetzung<br />
von Künstlern aus Theater und Tanz mit<br />
derartigen „sozialen Bewegungen“ soll<br />
das Projekt befördern. Daher nutzte das<br />
<strong>ITI</strong> die Konferenz als „ Bewegungsmelder<br />
Modul_02“ die Chance der Begegnung<br />
mit internationalen Fachleuten<br />
auf dem Gebiet der Überwachung und<br />
gesellschaftlichen Kontrolle für einen<br />
Wissenstransfer zwischen künstlerischen<br />
und wissenschaftlichen Zugängen und<br />
Methoden.<br />
Wissenschaftler und Künstler aus<br />
15 Ländern stellten ihre Methoden zur<br />
Bearbeitung verschiedener Phänomene<br />
der Überwachung vor – im Zentrum<br />
stand das Thema Videoüberwachung,<br />
empirische Beispiele und Diskussion<br />
gingen aber über diesen Bereich weit<br />
hinaus. In herausragender Weise inspirierend<br />
für die anwesenden Künstler –<br />
denen nach einer Ausschreibung durch<br />
das <strong>ITI</strong> die Teilnahme an der Konferenz<br />
ermöglicht wurde – waren sicherlich die<br />
Vorträge von Kevin Haggerty (University<br />
of Alberta, CA), Lucas Introna (Lancester<br />
University Management School, UK)<br />
und Didier Bigo (Institut d’etudes politiques<br />
de Paris, Frankreich).<br />
Haggerty stellte in seinem Vortrag<br />
„The Process and Politics of Evaluating<br />
Surveillance, or Methodology as a Knife<br />
Fight“ u.a. die Taktiken und Strategien<br />
vor, mit denen Hersteller und politische<br />
Befürworter von Überwachungstechnik<br />
und -maßnahmen bestimmte Studien<br />
zu Effizienz und Wirksamkeit so bearbeiten,<br />
dass das gewünschte Ergebnis am<br />
Ende der Studie erscheint. Lucas Introna<br />
(„What Surveillance Does: Exploring the<br />
ethics and politics of algorithmic surveillance<br />
systems“) führte vor Augen, wie<br />
die Kategorien von Absicht und Wirkung<br />
im Zusammenspiel von menschlichem<br />
Handeln und technischen Möglichkeiten<br />
überhaupt nicht mehr greifen, wenn die<br />
Effekte von Überwachungsmaßnahmen<br />
beschrieben werden sollen. Und Didier<br />
Bigo beschrieb eine Gegenwart, die von<br />
der Zukunftsvision aus des Hollywood-<br />
Blogbusters „Minority Report“ nicht<br />
weit entfernt ist. Die Gefahr des Terrors<br />
und die allgegenwärtige Bedrohungen<br />
sind die großen Erzählungen der Gegenwart<br />
geworden. Das Bestreben, zukünftige<br />
Bedrohungen zu verhindern,<br />
rechtfertigt ein umfassendes System<br />
der Überwachung und Datensammlung.<br />
Der Versuch, Profile anzulegen,<br />
nach denen potentielle Täter im Vorfeld<br />
erkannt werden können führt zu<br />
einem beängstigenden System der Verdächtigungen.<br />
Die Annahme dass der<br />
Attentäter der Zukunft nicht mehr ein<br />
dunkelhäutiger Araber zu erkennen ist<br />
– es gilt immer, auf das Nicht-Erwartete<br />
vorbereitet zu sein –, sondern als europäische<br />
Blondine daherkommt, macht<br />
jeden verdächtig.<br />
Neben diesem geballten Hintergrundwissen<br />
waren es insbesondere<br />
die Fehler und Lücken im System im<br />
Gegensatz zur vorgespielten Perfektion,<br />
oder auch die kreativen Momente der<br />
Theoriebildung und die rein darstellerischen<br />
Fragen im Interpretieren und<br />
Verkaufen von wissenschaftlichen Ergebnissen,<br />
welche für die anwesenden<br />
Künstler interessant wurden. Welche<br />
Anregungen sich aus diesen Beiträgen<br />
– die leider kaum ausführlicher diskutiert<br />
werden konnten – ergeben, soll ein<br />
Workshop Anfang nächsten Jahres, zu<br />
dem der künstlerische Teilnehmerkreis<br />
der Konferenz wiederum eingeladen<br />
wird – näher beleuchten.<br />
Zwischen den wissenschaftlichen<br />
Beiträgen wurden mit großem Interesse<br />
die Präsentationen der kanadischen<br />
Medienkünstlerin Michelle Teran, der<br />
Berliner Choreografin Isabelle Schad<br />
und der New Yorker Medien- und Konzeptkünstlerin<br />
Jill Magid verfolgt.<br />
Michelle Teran stellte ihre Arbeiten<br />
im öffentlichen Raum vor, in denen sie<br />
mit Hilfe eines speziellen Videoempfängers<br />
Funksignale privater Videokameras<br />
auf Häuserwänden und Straßen sichtbar<br />
macht – so dass der private und der<br />
öffentliche Raum sichtbar werden und<br />
die Grenzen zwischen physischem und<br />
sphärischen Raum verschwimmen.<br />
Isabelle Schad zeigte „SwitchPositionFreezeControl“,<br />
ein Solostück, in<br />
dem sie vor einem Monitor, der eine<br />
Live-Aufnahme ihres Tanzes zeigt, ihren<br />
Körper, seine Form, Bewegungen zu<br />
produzieren und die Möglichkeiten, mit<br />
dem Publikum zu kommunizieren, untersucht.<br />
Eine spröde Arbeit, die jedoch<br />
durch die Konstruktion der Beobachtungssituation<br />
auf der Bühne und im<br />
Verhältnis zum Publikum eine Vielzahl<br />
von Assoziationen und Anknüpfungen<br />
für dieses spezielle Publikum bot.<br />
Und zeigte Jill Magid Ausschnitte<br />
aus ihren Videoarbeiten, die teilweise<br />
in direkter Zusammenarbeit mit Polizeistellen<br />
und Überwachungsfirmen entstanden<br />
und in denen sie das System<br />
der Überwachungskameras benutzt,<br />
sich im Medium in Szene zu setzen. Weniger<br />
das Thema „Überwachung und<br />
Kontrolle“ steht bei ihr im Zentrum des<br />
Interesses als der Versuch, zu den anonymen<br />
Autoritäten eine sensibles Verhältnis<br />
aufzubauen.<br />
Die Konferenz war ein erster Schritt,<br />
Wissenschaftler und Künstler an einem<br />
Ort zusammen zu bringen. In einem<br />
nächsten Schritt wären die Erfahrungen<br />
und Anregungen genauer aufzunehmen,<br />
wäre einem konzentrierten Austausch<br />
mehr Raum zu widmen.<br />
Auch soll dieser Text nur ein erster<br />
Bericht vom Verlauf sein, eine Aufarbeitung<br />
der Ergebnisse der Konferenz wird<br />
für das nächste Frühjahr angestrebt.<br />
www.ztg.tu-berlin.de/surveillance; www.<br />
iti-germany.de<br />
<strong>ITI</strong> Deutschland<br />
23
<strong>ITI</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
31. Weltkongress des Internationalen Theaterinstituts<br />
in Manila abgeschlossen<br />
Vom 22. bis 28. Mai fand in Manila<br />
der 31. Weltkongress des Internationalen<br />
Theaterinstituts (<strong>ITI</strong>) statt. Auf Einladung<br />
des philippinischen Zentrums trafen<br />
sich die Theaterschaffenden aus 69<br />
Ländern. Eine Woche lang tagten Regisseure,<br />
Dramatiker, Theaterwissenschaftler<br />
und Veranstalter im Plenum und in<br />
Arbeitsgruppen zu Fragen ihrer internationalen<br />
Zusammenarbeit und entwickelten<br />
ihre Projekte – so u.a. zur Theaterarbeit<br />
in Konfliktgebieten, zum internationalen<br />
Dramatikerwettbewerb, zum<br />
internationalen Austausch von jungen<br />
Theaterleuten und dem Internationalen<br />
Musiktheaterworkshop. Nachdem sich<br />
das Internationale Theaterinstitut in den<br />
letzten Jahren gemeinsam mit anderen<br />
Nicht-Regierungsorganisationen ganz<br />
wesentlich für die Ausarbeitung und<br />
Annahme des UNESCO-Übereinkommens<br />
zur Kulturellen Vielfalt engagiert<br />
hat, setzte auch der 31. Weltkongress<br />
– eröffnet durch Koichiro Matsuura,<br />
Generaldirektor der UNESCO – seinen<br />
Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit<br />
des <strong>ITI</strong> mit der UNESCO und das Wirken<br />
für die Ziele der Weltorganisation. Der<br />
Erhalt der Vielfalt der Theatersprachen,<br />
der Schutz des kulturellen Erbes sowie<br />
die vielfältigen Formen eines Theaters<br />
für den sozialen Wandel bestimmten die<br />
Themen der Kolloquien, Podien und Arbeitsgruppen.<br />
Grußbotschaften erreichten<br />
den Kongress auch von Kofi Annan,<br />
Generalsekretär der Vereinten Nationen<br />
und von Vaclav Havel. Unter den insgesamt<br />
11 Beschlüssen zur internationalen<br />
Zusammenarbeit, die der Kongress<br />
in seiner Schlusssitzung verabschiedete,<br />
ist als herausragend die gemeinsame<br />
Anstrengung des Weltverbandes für die<br />
Umsetzung der UNESCO-Übereinkunft<br />
zur Kulturellen Vielfalt zu nennen. Das<br />
<strong>ITI</strong> unterstützt alle Bemühungen zur Ratifizierung<br />
des Übereinkommens in den<br />
einzelnen Staaten. Durch eine möglichst<br />
umfassende Sammlung von Informationen<br />
zur Gefährdung künstlerischer<br />
Arbeit und der Vielfalt der Theatersprachen<br />
wird das <strong>ITI</strong> auch in der Lage sein,<br />
Verstöße anzuzeigen. Für diese Arbeit<br />
der weiteren Unterstützung und Beobachtung<br />
des Ratifizierungsprozesses<br />
hat das <strong>ITI</strong> eine Expertengruppe gebildet,<br />
die mit anderen Netzwerken und<br />
24<br />
Nicht-Regierungsorganisationen kooperieren<br />
wird. Durch die europäischen<br />
<strong>ITI</strong>-Zentren wurde zudem eine Note<br />
eingebracht, die vor den Gefahren von<br />
Fördermodalitäten warnt, welche – insbesondere<br />
durch die Förderprogramme<br />
der EU und zunehmend auch auf nationaler<br />
Basis – die Förderung der kulturellen<br />
Netzwerke fast ausschließlich auf<br />
Projektbasis ausrichten. Die negative<br />
Folge dieser Praxis, des Abbaus institutioneller<br />
Strukturen in den Nicht-Regierungsorganisationen,<br />
ist der unumkehrbare<br />
Verlust eines über Jahrzehnte<br />
aufgebauten Know How in der internationalen<br />
Zusammenarbeit. Im Focus des<br />
Kongresses standen auch die Mobilität<br />
und der Austausch junger Künstler. So<br />
wurde der Kongress von einem internationalen<br />
Theaterfestival und einem<br />
Treffen von Schauspielschulen aus aller<br />
Welt begleitet. Der <strong>ITI</strong>-Fonds zur Förderung<br />
der Mobilität junger Theaterleute,<br />
insbesondere aus der nicht-westlichen<br />
Welt, wurde inzwischen um 100.000<br />
Euro aus Mitteln des Spanischen Kulturministeriums<br />
aufgestockt. Die Delegierten<br />
waren auch aufgerufen, das<br />
Präsidium des Weltverbandes zu wählen.<br />
Dr. Manfred Beilharz, Intendant des<br />
Hessischen Staatstheaters und Präsident<br />
des deutschen <strong>ITI</strong>-Zentrums und seit<br />
2002 Präsident des weltweiten Theaternetzwerks,<br />
wurde einstimmig wiedergewählt.<br />
Ebenso wurden die beiden<br />
Vize-Präsidenten, Jean Pierre Guingané<br />
aus Burkina Faso und Ramendu Majumdar<br />
aus Bangladesh wiedergewählt.<br />
www.iti-worldwide.org
Die Aufgabenstellung war aufregend.<br />
Sieben Projektgruppen aus sieben<br />
Ländern entwickeln jeweils 10 Minuten<br />
Theater/ Performance über einen Text<br />
von Borges und gestalten daraus einen<br />
gemeinsamen Theaterabend. Zu Beginn<br />
unserer zweiwöchigen Begegnung,<br />
zeigten die sieben Gruppen jeweils ihre<br />
10 Minuten Theater / Performance.<br />
Ein spannender Moment, etwas anzuschauen,<br />
mit dessen Grundlagen sich<br />
alle intensiv befasst hatten, und überrascht<br />
zu werden von den Extrakten,<br />
den Sichtweisen und den Mitteln der<br />
Kollegen. Dieser praktische Blick auf ein<br />
gemeinsames Thema, in seinen unterenge<br />
Kurven – weites Land – schöne Aussicht<br />
The Borges Project der NPG in Manila<br />
schiedlichen Ausführungen, besitzt eine<br />
ganz eigene Qualität. Wir lernten nicht<br />
nur unterschiedliche Techniken kennen,<br />
wie in einem Workshop, sondern die<br />
Eigenarten in Deutung, Arbeitsprozess<br />
und Formen. Bei einer von vornherein<br />
gemeinsamen Arbeit wäre dies so nicht<br />
erkennbar geworden. Die Qualität des<br />
ersten Schrittes macht den Zweiten,<br />
eine gemeinsame Aufführung zu gestalten,<br />
angenehm schwer. Die Frage, was<br />
ist das Theater, die Landschaft in der die<br />
einzelnen Teile ihre Eigenheit bewahren,<br />
aber doch etwas Gemeinsames, Neues<br />
schaffen, konnten wir in der zur Verfügung<br />
stehenden Zeit nicht abschließend<br />
beantworten. Schnelle Ideen, die die<br />
sieben Teile quasi durch einen inszenatorischen<br />
Trick zusammenbinden, würden<br />
sich gegen einzelne oder mehrere<br />
dieser Teile richten, das war schnell klar.<br />
Die Frage, ob sich die Teile überhaupt<br />
verbinden lassen, möchte ich trotzdem<br />
mit Ja beantworten. Für den Prolog und<br />
den Epilog der Aufführung, sind wir darauf<br />
verfallen die Klänge - in Gesang,<br />
Instrument und Wort - zu untersuchen<br />
und haben so einen Weg beschritten,<br />
der uns mit etwas mehr Zeit weitergeführt<br />
hätte. Die lockere Aneinanderreihung<br />
der Teile für die Aufführungen war<br />
eine unprätentiöse Lösung, dem Stand<br />
der Arbeit angemessen. Insofern ist das<br />
Projekt noch nicht abgeschlossen.<br />
Frank Düwel, Regie deutsche Gruppe<br />
www.iti-worldwide.org<br />
<strong>ITI</strong> International<br />
Raija-Sinikka Rantala<br />
wurde Künstlerische Direktorin des <strong>ITI</strong><br />
Auf dem 31. <strong>ITI</strong>-Weltkongress wurde<br />
die Nominierung von Raija Sinikka<br />
Rantala, Regisseurin und Präsidentin<br />
des finnischen <strong>ITI</strong>-Zentrums, zur Künstlerischen<br />
Direktorin des <strong>ITI</strong> mit großer<br />
Zustimmung aufgenommen. Mit dieser<br />
neu geschaffenen Position wird deutlich,<br />
dass das <strong>ITI</strong> die künstlerische Qualität<br />
der Projekte und den ästhetischen<br />
Diskurs stärker in den Blick nehmen will,<br />
mit Raija Sinikka Rantala wurde zugleich<br />
eine Persönlichkeit gewonnen, die mit<br />
großer Erfahrung im interkulturellen<br />
Dialog und Respekt vor den sehr unterschiedlichen<br />
künstlerischen Angängen<br />
in unterschiedlichen Theaterkulturen<br />
die Diskussion über künstlerische Fragen<br />
stimulieren wird. Raija Sinikka Rantala<br />
war Anfang der 1970er Jahre mit<br />
der Gründung von Teatterikeskus die<br />
erste Direktorin einer Dachorganisation<br />
für die Freie Theatergruppen in Finnland.<br />
Als Regisseurin an der Finnischen<br />
Theaterschule (1972-79) baute sie die<br />
Finnische Theaterakademie mit auf und<br />
entwickelte die weiterführenden Ausbildungsprogramme<br />
der Akademie (1980-<br />
83). In einer Zeit großer sozialer, politischer<br />
und ökonomischer U<strong>mb</strong>rüche in<br />
der finnischen Gesellschaft arbeitete sie<br />
für zwei große Theaterhäuser, das Theater<br />
in Lahti (1985-90) und das Stadttheater<br />
von Helsinki (1991-97). In den<br />
letzten Jahren arbeitete Rantala als freie<br />
Regisseurin sowohl in Finnland wie auch<br />
am Moskauer Künstlertheater, in Luxe<strong>mb</strong>urg,<br />
Peru und in Polen. Solidarität ist<br />
ein zentraler Begriff ihrer Theaterarbeit,<br />
und so rief Rantala ihre Künstlerkollegen<br />
auch zu einem umfassenden Dialog in<br />
einer immer mehr von Multikulturalität<br />
und Diversität geprägten Welt auf. „Die<br />
Menschen sollten Unterschiede nicht<br />
nur tolerieren, sondern umgekehrt in<br />
der Andersartigkeit einen menschlichen<br />
Vorzug sehen. Als Bewohner dieses Planeten<br />
ist jeder ein Teil der Menschheit,<br />
und jede Kunst, welche die Achtung vor<br />
der Würde des Menschen vermittelt,<br />
sollte uns wichtig sein.“<br />
124. ExCom-Sitzung in Paris<br />
„AKT-ZENT“<br />
– Internationales Theaterzentrum Berlin wird<br />
„Research Centre“ des <strong>ITI</strong>-UNESCO Theatre Education and<br />
Training Committee<br />
Die aktuelle Sitzung des Executive<br />
Council des <strong>ITI</strong>, also des Vorstands des<br />
weltweiten Netzwerks fand - geleitet<br />
von <strong>ITI</strong>-Präsident Manfred Beilharz -<br />
vom 2. bis 4. Deze<strong>mb</strong>er in Paris statt.<br />
Ergebnisse der Tagung werden im nächsten<br />
impuls-Heft übermittelt.<br />
General Secretariat of the International<br />
Theatre Institute, UNESCO, 1 rue Miollis,<br />
75015 Paris, France.<br />
Tel. +33 1 45 68 48 80 iti@unesco.org<br />
Beim diesjährigen Weltkongress des<br />
Internationalen Theaterinstituts (<strong>ITI</strong>)<br />
vom 22. bis 28. Mai in Manila tagten<br />
Theaterschaffende aus 69 Ländern im<br />
Plenum und in Arbeitsgruppen zu Fragen<br />
der internationalen Zusammenarbeit<br />
und entwickelten Projekte. Dabei<br />
wurde das internationale Theaterzentrum<br />
AKT-ZENT in Berlin von dem Komitee<br />
für Theaterausbildung mit der<br />
Erforschung neuer Lernmethoden beauftragt.<br />
AKT-ZENT führt mit seinen<br />
Partnerorganisationen der European<br />
Association for Theatre Culture (EATC)<br />
unter der Leitung von Prof. Jurij Alschitz<br />
Forschungsprojekte in Europa durch.<br />
EATC ist der Zusammenschluss der<br />
internationalen Theaterzentren AKT-<br />
ZENT, KOINE (Frankreich), PROTEI (Italien)<br />
und SCUT (Skandinavien), die als<br />
Stätten des Lernens, Experimentierens<br />
und Forschens gegründet wurden. Mit<br />
der Entscheidung für einen Research<br />
Centre des <strong>ITI</strong>-UNESCO soll nun der<br />
Aktionsradius von AKT-ZENT über die<br />
europäischen Grenzen hinausgehen;<br />
Ausbildungsprogramme in Asien und<br />
Afrika sind geplant, wobei das erste Laboratorium<br />
im Oktober in Burkina Faso<br />
beginnt.<br />
www.theatreculture.org<br />
25
<strong>ITI</strong> International<br />
2. Showcase des kroatischen<br />
Theater 2006<br />
Immer wieder macht das kroatische<br />
<strong>ITI</strong>-Zentrum durch Showcases mit zeitgenössischen<br />
Produktionen des kroatischen<br />
Theaters internationale Veranstalter<br />
auf neueste Trends aufmerksam.<br />
Ein verführerisches Prinzip – in wenigen<br />
Tagen gewinnen die einfliegenden Festivalmacher<br />
einen Überblick über die<br />
Szene, Künstler könnten vielfach neue<br />
Kontakte ins Ausland knüpfen. Der<br />
zweite Showcase dieser Art wurde vom<br />
12. bis 17. Oktober 2006 ausgerichtet.<br />
International Culture and<br />
Arts Week in Nanjing<br />
(China)<br />
Vom 27. Septe<strong>mb</strong>er bis 09. Oktober<br />
2006 fand in Nanjing im Gebiet Jiansu<br />
die erste Internationale Kunst und Kulturwoche<br />
statt – geprägt durch zahlreiche<br />
Opern- und Ballettaufführungen.<br />
Den nationalen Beitrag bildeten drei<br />
Opern, die von der UNESCO als Meisterwerke<br />
des immateriellen kulturellen<br />
Erbes anerkannt sind, die Stücke „Yueji“,<br />
„Yuju“ und „Kungu“. Das internationale<br />
Programm prägten das russische<br />
Ballett „Spartakus“, eine traditionelle<br />
Koreanische Oper und das irische Show-<br />
Ballett „Spirit of Dance“. Das <strong>ITI</strong> wurde<br />
bei diesem Festival, organisiert durch<br />
die Kulturabteilung der Gebietsregierung<br />
von Jiangsu in Zusammenarbeit<br />
mit dem chinesischen Zentrum des <strong>ITI</strong>,<br />
durch seine künstlerische Direktorin Raija-Sinikka<br />
Rantala und die Generalsekretärin<br />
Jennifer Walpole vertreten. Nanjing<br />
ist auch im Gespräch als Austragungsort<br />
für den nächsten <strong>ITI</strong>-Weltkongress. Für<br />
das nächste Jahr ist geplant, die Kunstwoche<br />
zum Festival Theater der Nationen<br />
auszubauen.<br />
Chinese Centre of <strong>ITI</strong>, (Chinese Theatre<br />
Assoc.), 52 Dun Siba Tiao, Beijing,<br />
China. Wang Ling (Int‘l. Coord)<br />
Tel.: +86 10 8404 3352,<br />
Fax +86/10/8404 3352<br />
China_iti@bbn.cn<br />
Internationales<br />
Theaterfestival in Kamerun<br />
Im Nove<strong>mb</strong>er 2006 wurde das 15.<br />
Cameroon International Theatre Meeting<br />
(RETIC) in Yaounde (Kamerun)<br />
ausgerichtet. 30 Gruppen aus Afrika,<br />
Asien und Europa waren beim Fesitval<br />
vertreten, das sich als Förderung der<br />
afrikanischen Theaters und junger afrikanischer<br />
Künstler sowie als Plattform<br />
für den Austausch zwischen neuen Theaterästhetiken<br />
und konventionellen dramatischen<br />
Formen versteht. Erklärtes<br />
Ziel ist die gleichwertige Wahrnehmung<br />
des afrikanischen Theaters zwischen den<br />
Theaterkulturen der Welt. Diesen Zielen<br />
dienten neben den Aufführungen auch<br />
eine Ehrung des Dramatikers Léopold<br />
Sédar Senghor, ein internationales Seminar<br />
zum Problemfeld der Autorenrechte,<br />
ein Workshop für Künstlerinnen<br />
aus Zentral Afrika, eine Treffen von Direktoren<br />
und künstlerischen Leitern afrikanischer<br />
Festivals und Veranstaltungen<br />
für ein breites Publikum. Leider steht<br />
keine Website zum Programm und den<br />
nächsten Terminen zur Verfügung, man<br />
erhält aber Informationen über das <strong>ITI</strong><br />
in Kamerun.<br />
A<strong>mb</strong>roise Mbia, <strong>ITI</strong> Cameroun, BP 8163<br />
Youndé, Cameroon. Tel. +237 2 769 65<br />
65, Fax: 237/2 222 1873<br />
iticameroun@yahoo.fr<br />
Asian Dance Conference<br />
2007<br />
Die dritte Asian Dance Conference<br />
wird vom 07. bis 12. Februar 2007 in<br />
Tokio stattfinden. Organisiert vom japanischen<br />
<strong>ITI</strong>-Zentrum und unter der<br />
Schirmherrschaft des <strong>ITI</strong> international<br />
Dance Committee stellt die Konferenz<br />
eine Austauschplattform für Künstler<br />
in Asien – mit seiner enormen Vielfalt<br />
an Theaterkulturen, ästhetischen Stilen<br />
und künstlerischen Handschriften dar.<br />
iti@topaz.dti.ne.jp<br />
www.green.dti.ne.jp/~iti<br />
25. Fadjr Festival in Teheran Das Dramatic Arts Centre (in welchem<br />
das iranische <strong>ITI</strong>-Zentrum integriert ist)<br />
kündigt die 25. Ausgabe des Festivals<br />
an. Die Organisatoren werden wieder<br />
15 Produktionen aus dem Ausland und<br />
Das Fadjr Festival in Teheran gilt als<br />
Muss für alle, die sich über die aktuelle<br />
Theaterentwicklung im Iran informieren<br />
wollen, als Gradmesser für das kulturpolitische<br />
Toleranzpotential der Mächtigen<br />
und als bedeutende Plattform für den<br />
Kulturaustausch mit dem Nahen Osten.<br />
40 Iranische Neu-Produktionen zeigen,<br />
sowie Seminare und Workshops anbieten.<br />
Der geplante Zeitraum wird vom 8.<br />
bis 17. Januar 2007 sein.<br />
Dramatic Arts Centre, International Affairs<br />
Office, Vahdat Hall, Ostad Shahryar<br />
St. Hafez Ave., Teheran, Iran,<br />
Tel. +98 21 66708861<br />
Internationales Seminar<br />
zu Drama und Religion<br />
in Teheran<br />
Das Dramatic Arts Centre in Teheran<br />
wird in Kooperation mit der Fakultät für<br />
Theater und Musik der Universität Teheran<br />
ein Internationales Seminar zu „Drama<br />
und Religion“ veranstalten und ruft<br />
im Herbst 2006 zur Einsendung von Beiträgen<br />
auf. Das Treffen soll der Debatte<br />
über die Rolle der Religion im kreativen<br />
Prozess und in der Entwicklung der dramatischen<br />
Kunst, ihren gegenseitigen<br />
Einfluss im Laufe der Theatergeschichte<br />
und der Diskussion über und die Rolle<br />
des Theaters in der Gegenwart dienen.<br />
Konferiert wird in englischer und persischer<br />
Sprache, die einzureichenden<br />
Abstracts sollten in Englisch oder in Persisch<br />
verfasst sein.<br />
Iranian Centre of <strong>ITI</strong>, Vahdat Hall, Ostad<br />
Shahryar, Av. Hafez, Teheran, Iran. Tel.<br />
+98 21 670 88 61, +98 21 672 6478<br />
Fax +98 21 6725316 iraniti@neda.net,<br />
majidsarsangi@yahoo.com<br />
26
Keine Stücke in englischer<br />
Sprache<br />
Ein internationales Panorama des<br />
zeitgenössischen Theaters plant das<br />
griechische Zentrum des <strong>ITI</strong> für Februar<br />
2007 und wird – entgegen dem Trend<br />
zur globalen Verkehrssprache Englisch<br />
auch unter Künstlern und in den Künsten<br />
– Stücke präsentieren, die keinesfalls<br />
in Englisch, sondern am besten in<br />
der Sprache einer Minderheit aufgeführt<br />
werden. Festivaldirektorin ist Olga<br />
Pozeli.<br />
itigr@otenet.gr<br />
Kooperation der <strong>ITI</strong>-Zentren<br />
in Bangladesh, Indien, Nepal und Pakistan<br />
Seit einigen Jahren kooperieren die<br />
<strong>ITI</strong>-Zentren Bangladesh, Indien und Nepal<br />
in gemeinsamen Festivals oder auch<br />
im Workshop „My Unknown Enemy“<br />
(2004). Seit diesem Jahr existiert auch<br />
ein Zentrum in Pakistan. Gemeinsam<br />
wird nun die erste Begegnung der Ausbildungsreihe<br />
„Encountering Images“<br />
in Zusammenarbeit mit dem Theatre<br />
Education and Training Committee des<br />
<strong>ITI</strong> ausgerichtet. Lokaler Veranstalter ist<br />
das <strong>ITI</strong> Bangladesh, welches zum großen<br />
Teil mit privaten Mitteln diese Begegnung<br />
junger Theaterleute fördert.<br />
Bangladesh Centre of the <strong>ITI</strong>,<br />
Dhaka Cha<strong>mb</strong>er Building (6th Floor)<br />
65-66 Motijheel C. A.,<br />
Dhaka 1000, Bangladesh.<br />
Tel. +880 2 956 23 80,<br />
Tel. +880 2 956 83 26,<br />
Fax: +880 2 956 08 82<br />
iti@adexpressions.com<br />
<strong>ITI</strong> International<br />
Offizielle Eröffnung eines<br />
Theaterzentrums im Tschad<br />
In N’Djamena (Tschad) ist das THE-<br />
MACULT Cultural Centre durch die<br />
Company des Maoundoh-culture Theatre<br />
offiziell eröffnet worden. Das Haus,<br />
das in einem Arbeiterviertel gelegen ist,<br />
bietet mit seiner Open-Air-Theaterarena<br />
Raum für Aufführungen, Proben, öffentliche<br />
Veranstaltungen und Workshops.<br />
Chad Centre of the <strong>ITI</strong>, B.P. 4330<br />
N’Djamena, Chad.’<br />
Tel. +235 5172 83,<br />
Fax: +235 51 77 05<br />
themacult@yahoo.fr<br />
Theaterausbildung<br />
in Burkina Faso<br />
Von März 2006 bis Oktober 2007<br />
läuft die Workshop-Reihe, die vom<br />
Centre for Training and Research in the<br />
Performing Arts (CFRAV) in Ouagadougou<br />
(Burkina Faso) und der Leitung von<br />
Jean-Pierre Guingané, Vize-Präsident<br />
des <strong>ITI</strong> ausgerichtet wird. Nachdem im<br />
Frühjahr 2006 Techniken des Schauspielens,<br />
Bewegungsarbeit und Afrikanischer<br />
Tanz auf dem Lehrplan standen,<br />
gab Raija-Sinikka Rantala im Oktober einen<br />
Kurs in Social Intervention Theatre.<br />
Im Frühjahr 2007 werden im Februar<br />
und Mai die Kurse mit Workshops zu<br />
Entwicklung von Bühnen-Charakteren,<br />
zu Licht- und Ton auf der Bühne, zum<br />
Stimmtraining und der Geschichte des<br />
Theaters fortgesetzt. Den afrikanischen<br />
Theatertechniken widmen sich Kurse in<br />
den Sommermonaten, so zu Storytelling<br />
und Afrikanischem Trommeln. Auch an<br />
die Brotjobs der Theaterleute auf dem<br />
afrikanischen Kontinent wird gedacht:<br />
im Herbst lautet der Schwerpunkt: der<br />
Schauspieler und die Kamera.<br />
African Regional Office for <strong>ITI</strong>, 01 BP<br />
5743, Oagadougou 01, Burkina Faso. Tel.<br />
/ Fax: +226 50 36 59 42,<br />
espacega<strong>mb</strong>idi@yahoo.fr<br />
„Der Laden des Goldschmieds“, Inszenierung des Euro Theater Central<br />
27
Meldungen<br />
KULTURPOL<strong>ITI</strong>K UND<br />
THEATERLANDSCHAFT<br />
25 Jahre THEATER AN DER RUHR<br />
Am 19. Nove<strong>mb</strong>er 1981 begann die<br />
künstlerische Arbeit des Theater an der Ruhr<br />
mit einem Skandal: „Lulu“ von Frank Wedekind<br />
hatte Premiere und ein solcher Umgang<br />
mit einem wichtigen Stück war das damalige<br />
Publikum nicht gewohnt. Skandalös empfunden<br />
wurde, dass sich sämtliche Erwartungen<br />
an die Aufführung nicht einlösten. Szenen<br />
ohne Text erzählten von der Welt. Die Gegenwart<br />
grundierte das Stück, ohne im Text<br />
benannt zu werden – so dass sich viele Zuschauer<br />
in ihrer Wahrnehmung irritiert sahen.<br />
Diese Aufführung war der erste Schritt zur<br />
Entwicklung einer ästhetischen Autonomie,<br />
um das Theater aus der Fesselung durch die<br />
Literatur zu befreien. Es war auch der erste<br />
große Auftritt von Gordana Kosanovic, die in<br />
den ersten fünf Jahren die Arbeit des Theater<br />
an der Ruhr stark mitgeprägt hat und die am<br />
08. August 1986 verstarb. Ihr zum Gedächtnis<br />
vergibt der Förderverein des Theater an<br />
der Ruhr seit 1987 zweijährig den Gordana-<br />
Kosanovic-Schauspielerpreis. Am 19. Nove<strong>mb</strong>er<br />
2006 wurde dieser Preis an Karin Neuhäuser<br />
verliehen. Frank Raddatz stellte sein<br />
Buch „Die Botschafter der Sphinx“ über die<br />
künstlerische Arbeit des Theater an der Ruhr<br />
erstmals vor. Die iranische Schauspielerin<br />
und Regisseurin Narges Hashempour, 2001<br />
Preisträgerin des Gordana-Kosanovic-Schauspielerpreises,<br />
brachte ihr Stück „Songs for<br />
Her“ zur Uraufführung.<br />
Berliner Operstiftung in der Diskussion<br />
Nach der Neubildung des Berliner Senats<br />
– wonach der Regierende Bürgermeister der<br />
deutschen Hauptstadt zugleich Kultursenator<br />
wird – befindet sich die Berliner Opernstiftung<br />
mit dem Rücktritt des Generaldirektors<br />
der Opernstiftung, Michael Schindhelmnund<br />
der Debatte um neue Konzepte nicht eben<br />
in leichtem Fahrwasser. Kultursenator Flierl<br />
hatte die Opernstiftung 2004 ohne das nötige<br />
Führungspersonal auf den Weg gebracht,<br />
Schindhelm kam erst nach einer Übergangsphase,<br />
in der er das Theater Basel weiter<br />
führte, nach Berlin. Schindhelms Pläne zur<br />
Reform der Opernstiftung, für die er mehr<br />
Zeit gefordert hatte, kommen nun neu in die<br />
Diskussion – zu der auch das mögliche Ende<br />
der Stiftung, die Schließung eines Opernhauses<br />
oder die Fusion zweier Häuser gehört.<br />
Die Veränderungsvorschläge kamen nach<br />
drei Jahren Opernstiftung allerdings auch zu<br />
spät, um die enormen Absenkungen von 17<br />
Millionen Euro bis 2009 erreichen zu können.<br />
Schindhelms Plan, die Deutsche Oper<br />
zukünftig nach dem Stagione-Betrieb zu führen<br />
wird nun diskutiert. Der von Wowereit<br />
favorisierte Plan sieht aber die Übernahme<br />
der Staatsoper durch den Bund vor.<br />
Die Unesco-Konvention über den<br />
Schutz und die Förderung der Vielfalt<br />
kultureller Ausdrucksformen wird in<br />
deutsches Recht umgesetzt.<br />
Die Unesco-Konvention über den Schutz<br />
und die Förderung der Vielfalt kultureller<br />
Ausdrucksformen wird in deutsches Recht<br />
umgesetzt. Das Bundeskabinett hat einen<br />
entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen.<br />
Das Unesco-Übereinkommen zum Schutz<br />
kultureller Vielfalt wird das Recht der beigetretenen<br />
Vertragsstaaten auf eine eigenständige<br />
Kulturpolitik völkerrechtlich bestätigen.<br />
Notwendig wird dies, da durch das Allgemeine<br />
Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen<br />
(GATS) der Handel mit Dienstleistungen<br />
zunehmend liberalisiert wird – mit<br />
Auswirkungen auch auf den Kultur- und<br />
Bildungsbereich. Die Unesco-Vertragsstaaten<br />
erkennen in ihrem Übereinkommen die Dop-<br />
28
pelnatur kultureller Aktivitäten, Güter und<br />
Dienstleistungen an. Sie betonen, dass diese<br />
aber keinesfalls nur unter wirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten gesehen werden können.<br />
Kernstück des Übereinkommens ist daher das<br />
Recht eines jeden Staates, regulierende und<br />
finanzielle Maßnahmen zu ergreifen, um die<br />
Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen auf<br />
seinem Staatsgebiet zu schützen. Die 33.<br />
Unesco-Generalkonferenz hat die Unesco-<br />
Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt<br />
am 20. Oktober 2005 mit 148 zu zwei<br />
Stimmen beschlossen. Deutschland gehörte<br />
auf der Konferenz zu den stärksten Befürwortern.<br />
Derzeit sind bereits zehn Staaten<br />
der Konvention beigetreten. Mindestens 30<br />
Staaten müssen sie ratifizieren, damit sie in<br />
Kraft tritt. „Es kommt nunmehr darauf an“,<br />
so der Kulturstaatsminister, „dass die Unesco-<br />
Konvention von den Mitgliedsstaaten der<br />
Europäischen Union rasch ratifiziert wird.“<br />
Nach der Bundesregierung entscheidet nun<br />
der Bundestag über den Gesetzentwurf zur<br />
Umsetzung des Unesco-Übereinkommens.<br />
www.bundesregierung.de<br />
Mehr Finanzmittel für Auswärtige<br />
Kultur- und Bildungspolitik<br />
Die Zusage von 13,5 Mio. Euro zusätzlicher<br />
institutioneller Mittel durch den Haushaltsausschuss<br />
des Deutschen Bundestages<br />
für das Goethe-Institut ermöglicht einerseits,<br />
das bestehende Netz des Goethe-Instituts zu<br />
erhalten, andererseits aber auch die deutsche<br />
Präsenz in Wachstumsregionen zu stärken.<br />
Das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut<br />
haben in den letzten Monaten gemeinsam<br />
an einem Reformkonzept gearbeitet, um das<br />
Goethe-Institut als Gesicht und Stimme der<br />
Auswärtigen Kulturpolitik zukunftsfähig aufzustellen.<br />
Ein ebenso positives Signal für die<br />
deutsche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik<br />
ist die Erhöhung der Förderung des<br />
deutschen Auslandsschulwesens um 1 Mio.<br />
Euro.<br />
Theaterstatistik 2004/05<br />
Zum 40. Mal ist die vom Bühnenverein<br />
herausgegebene Theaterstatistik mit den<br />
wichtigsten Daten der Theater und Orchester<br />
in Deutschland, Österreich und Schweiz<br />
erschienen. Die öffentlich getragenen Theater<br />
in Deutschland mussten auch in der Spielzeit<br />
2004/05 wieder Zuschusskürzungen<br />
verkraften. Erneut sind die Zuweisungen<br />
der öffentlichen Hand für die Theater- und<br />
Orchesterbetriebe gesunken. Zwar stiegen<br />
die Zuweisungen der Länder um knapp 4<br />
Millionen Euro (2003/04 hatten die Länder<br />
um 12,7 Millionen Euro reduziert), die<br />
Kommunen verringerten ihr finanzielles Engagement<br />
jedoch um mehr als 40 Millionen<br />
Euro (2003/04 war im kommunalen Bereich<br />
bereits eine Kürzung um 30,7 Millionen Euro<br />
erfolgt). Diese Kürzungen konnten wie in<br />
den vergangenen Jahren nur durch weiteren<br />
Personalabbau aufgefangen werden. 265<br />
Beschäftigungsverhältnisse wurden in der<br />
Spielzeit 2004/2005 abgebaut. Dieser Personalabbau<br />
geht zunehmend an die Substanz.<br />
Erneut zeigt sich dies an einem Rückgang<br />
der Veranstaltungszahlen. Nachdem in der<br />
letzten Spielzeit 800 Veranstaltungen weniger<br />
stattfanden, reduzierte sich 2004/05 die<br />
Veranstaltungszahl um 1.236 auf 62.675.<br />
Das entspricht einem Minus von etwa 1,9<br />
Prozent. Die Zahl der Inszenierungen an den<br />
öffentlich getragenen Theatern hingegen<br />
blieb mit 4.629 weitgehend konstant. „Dies<br />
zeigt, wie sehr sich die Theater und Orchester<br />
bemühen, trotz geringerer öffentlicher<br />
Finanzierung ein vielseitiges künstlerisches<br />
Angebot aufrechtzuerhalten“, so Rolf Bolwin,<br />
Direktor des Deutschen Bühnenvereins,<br />
heute in Köln. Da in diesem Jahr deutlich weniger<br />
Privattheater und Musicalhäuser ihre<br />
Daten zur Verfügung gestellt haben, hat sich<br />
die Besucherzahl der Privattheater in dieser<br />
Statistik von ca.11,8 Millionen auf rund 9,9<br />
Millionen Besucher reduziert. Insgesamt erreichten<br />
damit die deutschen Theater-, Orchester-<br />
und Festspielunternehmen in der<br />
Spielzeit 2004/2005 rund 33,2 Millionen<br />
Besucher (im Vorjahr 35,6 Millionen). Davon<br />
entfielen rund 19,14 Millionen auf die öffentlich<br />
getragenen Theater (im Vorjahr 19,6<br />
Millionen), etwa 2,6 Millionen Besucher auf<br />
die selbstständigen Kulturorchester (im Vorjahr<br />
2,7 Millionen), und rund 1,6 Millionen<br />
Besucher (im Vorjahr 1,5 Millionen) sahen<br />
Vorstellungen der Festspielunternehmen.<br />
Erfreuliches ist beim Einspielergebnis zu vermelden:<br />
Die Theater und Orchesterbetriebe<br />
waren in der Spielzeit weiterhin ökonomisch<br />
erfolgreich. Das Einspielergebnis, also der<br />
Anteil der Einnahmen, die durch die Theater<br />
selbst erwirtschaftet wurden, erreichte in der<br />
Spielzeit 2004/2005 17 Prozent. Im Vorjahr<br />
waren es 16,3 Prozent, wobei die Steigerung<br />
teilweise auf eine veränderte Berechnungsweise<br />
zurückzuführen ist.<br />
Akademie Musiktheater heute nimmt<br />
15 neue Stipendiaten auf<br />
Das zweijährige Förderprogramm unterstützt<br />
erstmals auch Komponisten. Im<br />
Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm wurden<br />
15 neue Stipendiaten in das Förderprogramm<br />
der Akademie Musiktheater heute<br />
aufgenommen. Eine zehnköpfige Jury wählte<br />
aus knapp hundert Bewerbern jeweils vier<br />
junge Regisseure und Dirigenten, drei Dramaturgen,<br />
zwei Intendanten sowie erstmals<br />
auch zwei Komponisten aus. Welche Impulse<br />
braucht das Musiktheater der Gegenwart?<br />
Wohin entwickelt sich die Kunstform Oper,<br />
welche gesellschaftliche Relevanz hat sie<br />
überhaupt? Die fünfzehn neuen Stipendiaten<br />
der Akademie Musiktheater heute werden<br />
diese und andere wichtige Fragen in den<br />
nächsten zwei Jahren gemeinsam mit ihren<br />
Mitstudenten sowie mit vielen anderen Verantwortlichen<br />
im Musiktheater-Bereich diskutieren.<br />
Die Akademie Musiktheater heute<br />
ist ein 2001 gegründetes Projekt der Deutsche<br />
Bank Stiftung für angehende Führungskräfte<br />
des Opernbetriebs. Die Stipendiaten<br />
besuchen herausragende Operninszenierungen<br />
der Saison, treffen die Macher von<br />
heute zu Hintergrundgesprächen und erarbeiten<br />
in Workshops eigene Positionen zu<br />
Fragen des gegenwärtigen Opernbetriebs.<br />
In diesem Jahr wurden erstmals auch junge<br />
Komponisten in das Programm aufgenommen.<br />
„Die Akademie Musiktheater heute<br />
ist nicht nur ein herausragendes Projekt der<br />
künstlerischen Nachwuchsförderung der<br />
Deutsche Bank Stiftung - wir verstehen sie<br />
auch im Sinne einer Weiterentwicklung der<br />
Kunstform Oper“, erklärt Michael Münch,<br />
Vorstand der Stiftung. „Deshalb haben wir in<br />
diesem Jahr erstmals auch Komponisten aufgenommen.<br />
Das Musiktheater von morgen<br />
braucht engagierte, junge Menschen, die<br />
sich auf ihre Weise mit ihm auseinandersetzen.<br />
Da stellt sich auch die Frage nach zeitgenössischer<br />
Opernliteratur: Welche Musik<br />
ist geeignet, die Oper heute lebendig und<br />
aktuell zu gestalten? Und wie kann man das<br />
Publikum an diese Musik heranführen?“<br />
Deutsche Bank Stiftung /<br />
Akademie Musiktheater heute<br />
Laura Krautkrämer.<br />
Tel. + 49 (0) 6171-92 33 90<br />
laura.krautkraemer@db.com<br />
www.musiktheater-heute.org<br />
Das Kuratorium des Fonds<br />
Darstellende Künste fördert<br />
62 Projekte Freier Tanz- und Theatergruppen<br />
mit 538.270 EURO<br />
Der Fonds Darstellende Künste, der seine<br />
Zuwendungen in Höhe von 1.000.000 Euro<br />
von der Kulturstiftung des Bundes erhält,<br />
vergab in seiner zweiten Kuratoriumssitzung<br />
2006 insgesamt 538.270 Euro zur Förderung<br />
von 62 herausragenden Projekten aller Sparten<br />
der darstellenden Künste, die sich durch<br />
ihre besondere Qualität auszeichnen, von<br />
gesamtstaatlicher Bedeutung sind und zur<br />
künstlerischen Weiterentwicklung der darstellenden<br />
Künste beitragen. Dazu gehören<br />
vier Sonderprojekte „OSTEUROPA“, die in<br />
Kooperation zwischen deutschen und osteuropäischen<br />
Künstlerinnen und Künstlern entstehen<br />
und außergewöhnliche Projekte für<br />
Kinder und Jugendliche zum Ziel haben. Das<br />
Motto dieses zweiten Sonderprojektes des<br />
Fonds lautet: „Zuschauer von heute, Gestalter<br />
von morgen - für die Zukunft Europas“<br />
Nächster Abgabeschluss für Projektanträge<br />
ist der 1. Februar 2007.<br />
Günter Jeschonnek,<br />
Geschäftsführer Fonds Darstellende Künste,<br />
Weberstraße 59a, 53113 Bonn.<br />
Tel. 0228 280 48-57/-58,<br />
Fax 0228 280 48-59<br />
info@fonds-daku.de<br />
www.fonds-daku.de<br />
Forsythe-Performance «Human Writes»<br />
im Festspielhaus Hellerau<br />
Nach der feierlichen Eröffnung des renovierten<br />
Festspielhauses Hellerau im Dresdner<br />
Norden fand in der sanierten Spielstätte die<br />
Deutschlandpremiere der Tanzperformance<br />
«Human Writes» des US-amerikanischen<br />
Choreografen William Forsythe statt. Die<br />
Aufführung ist das Eröffnungsstück und zugleich<br />
der Beginn des festen Engagements<br />
der Forsythe-Company in Dresden. In der<br />
Vergangenheit war die Truppe bereits mehrmals<br />
zu Gastspielen angereist. Das Premierenstück<br />
befasst sich mit individuellen und<br />
gesellschaftlichen Grundregeln und nimmt<br />
dabei Bezug auf die Veröffentlichung der<br />
«Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte»<br />
durch die Vollversammlung der Vereinten<br />
Nationen (UNO). „Human Writes“<br />
ist eine performative Installation, die nach<br />
Angaben der Tanzcompany sowohl die Geschichte<br />
der Menschenrechte als auch die<br />
Schwierigkeiten ihrer Erfüllung reflektieren<br />
soll. Das Festspielhaus Hellerau wurde seit<br />
2004 umfassend erneuert und erhielt unter<br />
anderem neue Haus- und Bühnentechnik.<br />
Der Zuschauerraum bietet Platz für bis zu<br />
600 Personen. Die Arbeiten kosteten insgesamt<br />
11,5 Millionen Euro. Bis Ende des Jahres<br />
sind 63 Veranstaltungen in der sanierten Aufführungsstätte<br />
geplant. Der 1911 von Heinrich<br />
Tessenow konzipierte Bau ist fortan dem<br />
Meldungen<br />
29
Meldungen<br />
Europäischen Zentrum der Künste Hellerau<br />
unter der Intendanz von Udo Zimmermann<br />
angegliedert. Das Festspielhaus Hellerau galt<br />
bis zum Ersten Weltkrieg als europaweit bedeutendes<br />
Zentrum der Moderne. Allein<br />
zwischen 1911 und 1914 hielten sich dort<br />
zahlreiche Größen der europäischen Kulturelite<br />
auf, darunter der Architekt Le Corbusier,<br />
die Schriftsteller Franz Kafka, Rainer Maria<br />
Rilke, Gerhart Hauptmann und Stefan Zweig,<br />
die Komponisten Sergej Rachmaninow und<br />
Ferruccio Busoni sowie die Maler Oskar Kokoschka<br />
und Emil Nolde. Das Festspielhaus<br />
ist Teil der 1909 gegründeten Gartenstadt<br />
Hellerau. 1939 bauten die Nationalsozialisten<br />
das Festspielgelände zur Polizeischule<br />
um. 1945 zog die Rote Arme auf das Gelände.<br />
Nach 1992 wurde das stark beschädigte<br />
Festspielhaus nach und nach wieder für kulturelle<br />
Zwecke genutzt.<br />
Europäisches Zentrum der Künste / Kunstforum<br />
Hellerau, Karl-Liebknecht-Strasse 56, 01109<br />
Dresden. Tel. +49 (0) 351 26462 0<br />
www.kunstforumhellerau.de<br />
Frankfurter Autorenforum für Kinderund<br />
Jugendtheater 2006<br />
Welche künstlerischen Prozesse sind notwendig,<br />
ein Theaterstück zu schreiben? Diese<br />
und andere Fragen wurden auf dem Frankfurter<br />
Autorenforum für Kinder- und Jugendtheater<br />
vom 30.11. – 2.12.06 diskutiert. Zu der<br />
renommierten Veranstaltung des Kinder- und<br />
Jugendtheaterzentrums in der Bundesrepublik<br />
Deutschland waren 16 Dramatikerinnen<br />
und Dramatiker – u.a. die Nominierten für<br />
den Deutschen Kindertheaterpreis und den<br />
Deutschen Jugendtheaterpreis 2006 – sowie<br />
weitere Referenten eingeladen. 150 Besucher<br />
aus dem In- und Ausland folgten den<br />
Lesungen und Gesprächen und hatten die<br />
Möglichkeit, die neuen Stücke und Stückprozesse<br />
zu diskutieren. Am Donnerstag, 30.11.<br />
fand im Rahmen des Forums die Verleihung<br />
des Deutschen Kinder- und des Deutschen<br />
Jugendtheaterpreises 06 statt.<br />
Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik<br />
Deutschland<br />
Henning Fangauf, Schützenstraße 12,<br />
60311 Frankfurt am Main.<br />
Tel. +49 69 296661<br />
h.fangauf@kjtz.de www.kjtz.de<br />
Rauchen muss sein Ṛ<br />
Zur aktuellen Gesundheitsdebatte hat<br />
sich nun auch der Deutsche Bühnenverein<br />
geäußert und die Bundesregierung gemahnt:<br />
Die Absicht, in Theatern ein generelles<br />
Rauchverbot gesetzlich vorzuschreiben, wäre<br />
rechtlich nicht haltbar. In vielen Dramen ist<br />
das Rauchen Bestandteil der Regieanweisung<br />
des Autors. Das gilt beispielsweise für Ibsens<br />
„Nora“ oder die Tschechow-Stücke „Onkel<br />
Wanja“ und „Die Möwe“. Es kann per Gesetz<br />
nicht vorgeschrieben werden, dass ein<br />
Werk für eine Aufführung verändert werden<br />
muss. Das gilt erst recht, wenn es noch urheberrechtlich<br />
geschützt ist, wie etwa Moritz<br />
Rinkes „Die Optimisten“, in dem einer der<br />
Protagonisten (Nick) dem anderen (Kraus)<br />
eine brennende Zigarette ausdrückt und sagt:<br />
„Wenn du heute noch eine rauchst, bring<br />
ich dich um“. In George Taboris Stück „Die<br />
Brecht-Akte“ zündet sich Brecht eine Zigarre<br />
an. Das Rauchen ist also – oft auch durch die<br />
Regie – ein im Theater immer wieder eingesetztes<br />
Stilmittel. Dies zeigt zum Beispiel die<br />
von Jürgen Gosch erarbeitete Inszenierung<br />
des Schimmelpfennig-Stücks „A<strong>mb</strong>rosia“,<br />
die kürzlich am Deutschen Theater in Berlin<br />
Premiere hatte. Der Regieanweisung dieses<br />
Stückes entsprechend („Auf der Bühne wird<br />
ununterbrochen geraucht und getrunken.“)<br />
ist das Kettenrauchen Teil des dargestellten<br />
Absturzes eines bürgerlichen Mittelstandes,<br />
der jegliche Hoffnung aufgegeben hat. „Die<br />
Kunstfreiheit gebietet für das Rauchen auf<br />
der Bühne gesetzliche Sonderregelungen“,<br />
mahnte der Direktor des Bühnenvereins, Rolf<br />
Bolwin, in Köln an.<br />
www.buehnenverein.de<br />
Glauben - ein Thema für das Theater<br />
„Glauben“ war das Thema der Fachtagung<br />
des Arbeitskreises Kirche und Theater<br />
in der EKD in Kooperation mit der Bundesakademie<br />
für kulturelle Bildung Wolfenbüttel<br />
und der Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel<br />
und Theater. Auf den deutschen Bühnen haben<br />
die Bibel, die Zehn Gebote, das Thema<br />
Glauben in den letzten Spielzeiten häufig<br />
Vorlagen für Inszenierungen geliefert. Der<br />
Glauben findet in den darstellenden Künsten<br />
Ausdruck als Ethik und als seelische Befindlichkeit.<br />
Religiöse Erfahrungen und religiöses<br />
Wissen werden lebendig, auf freiwillige und<br />
undogmatische Weise. Zeigt sich darin die<br />
Sehnsucht nach Spiritualität, der es nicht<br />
nur um Selbstverwirklichung geht, sondern<br />
auch um Kritik an Lebensgestaltungen, die<br />
ohne Religiosität und Spiritualität auszukommen<br />
versuchen? Ist es die Suche nach Orientierung,<br />
nach Werten, nach Sinn und gelingendem<br />
Leben angesichts bedrängender<br />
persönlicher und gesellschaftlicher Fragen?<br />
Nicht nur beim Rückgriff auf religiöse Texte<br />
und Themen begegnen sich Theater und Religion.<br />
Künstlerische Ästhetik und gerade die<br />
Ästhetik des Theaters ermöglicht intensive<br />
sinnliche Erfahrungen, die uns ergreifen und<br />
auch religiös gedeutet werden können. Sie<br />
öffnet die Wahrnehmung für das, „was uns<br />
unbedingt angeht“ (Tillich). Sein und Bedeutung,<br />
Zeichen und Bezeichnetes werden<br />
im theatralen Geschehen zusammengeführt<br />
– eine Erfahrung, die man auch mystisch<br />
nennen könnte. Manchmal freilich geht das<br />
nicht ohne Konflikte ab. Welche Bedeutung<br />
Ästhetik, Sinnlichkeit und Körperlichkeit auch<br />
in der religiösen Praxis haben, in Liturgie und<br />
Religionspädagogik, haben die Kirchen schon<br />
längst erkannt und handeln entsprechend.<br />
Neben der Bildenden Kunst spielen theaterpädagogische<br />
Ansätze dabei eine besondere<br />
Rolle. In der Tagung werden Theatermacher,<br />
Theaterpädagogen, Autoren und Theologen<br />
über Ästhetik und religiöse Erfahrung sprechen,<br />
Praxisbeispiele kritisch betrachten und<br />
den ästhetisch-religiösen Dialog proben.<br />
Klaus Hoffmann<br />
Arbeitskreis Kirche und Theater e.V. in der EKD,<br />
Simrockstr. 8, 30171 Hannover.<br />
Tel.0511- 4581799, hoffmann@bag-online.de<br />
Internationale Konferenz: Kultur und<br />
Entwicklung – Wege in die Praxis<br />
Auf der gemeinsamen Konferenz „Kultur<br />
und Entwicklung – Wege in die Praxis“<br />
sollten vom 20. bis 22. Nove<strong>mb</strong>er in Berlin<br />
die Ergebnisse zusammengeführt und konkrete<br />
Handlungsperspektiven entwickelt<br />
werden. Höhepunkt war der Vortrag „Cultures<br />
between Innovation and Tradition: The<br />
Challenges of Diversity and Distinctiveness“<br />
des Stadtentwicklungs-Experten Charles<br />
Landry. Auf der anschließenden zweitägigen<br />
Fachkonferenz wurden Arbeitsgruppen und<br />
Foren gemeinsame Ziele von Entwicklungszusammenarbeit<br />
und auswärtiger Kulturarbeit<br />
definieren. Dabei ging es auch darum,<br />
gemeinsam mit den Vertretern der regionalen<br />
runden Tische und Experten aus Politik,<br />
Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und<br />
Medien konkrete Handlungsperspektiven zu<br />
formulieren. www.goethe.de<br />
Leitungswechsel bei den Sophiensælen<br />
Die Berliner Sophiensæle haben eine<br />
neue Leitung, lange schien offen, wer die<br />
Nachfolge von Amelie Deuflhard, die als<br />
Künstlerische Leiterin von Kampnagel nach<br />
Ha<strong>mb</strong>urg wechselt, antreten wird. Die Gesellschafter,<br />
darunter auch Jochen Sandig<br />
und Sasha Waltz, die eben in Berlin mit dem<br />
Radialsystem eine neues Haus für die Künste<br />
eröffnet haben, ließen lange mit der Entscheidung<br />
auf sich warten. Nun wird Thomas<br />
Frank, der neben Deuflhard für das Programm<br />
der Sophiensæle stand, an das Theater Wien<br />
wechseln, neue Leiterin wird Heike Albrecht,<br />
die als Tanzkuratorin am Leipziger LOFFT, als<br />
Kuratorin des westend-Festivals und zuletzt<br />
als künstlerische Leiterin der Tanznacht Berlin<br />
auf sich aufmerksam machte.<br />
Nachrichten aus Argentinien - zutiefst<br />
beunruhigend<br />
Endlich, dreißig Jahre nach Beendigung<br />
der Militärdiktatur in Argentinien, wird dort<br />
versucht über diejenigen zu richten, die<br />
verantwortlich sind für die Entführung von<br />
Diktaturgegnern, deren Folterung, Vergewaltigung,<br />
Ermordung und Enteignung derer<br />
Kleinstkinder in den Jahren 1976 bis 1983.<br />
Vor neun Tagen, wurde in einem historischen<br />
Urteil Ex-Polizeichef Etchecolaz zu lebenslanger<br />
Haft verurteilt, wegen Genozid und<br />
Verbrechen gegen die Menschenrechte. Am<br />
Morgen des 18.09. diesen Jahres, am Tag der<br />
Urteilsverkündung durch das Tribunal N°1 der<br />
Stadt La Plata, „verschwand“ einer der Hauptzeugen<br />
der Anklage, Herr Julio López, ohne<br />
ein Anzeichen über seinen Verbleib zu hinterlassen.<br />
Ein Umstand, der die Arbeit des Gerichts<br />
zunächst erschwerte, da in Argentinien<br />
die Hauptzeugen bei der Verkündung des<br />
Urteils zugegen sein müssen. Herr Lopez wurde<br />
im Oktober 1976 von Kräften Etchecolaz`<br />
entführt und über Jahre in zwei verschiedenen<br />
Vernichtungslagern in der Provinz Buenos<br />
Aires festgehalten. Er galt als einer der Tausenden<br />
von Verschwundenen. Heute ist er 76<br />
Jahre alt. Acht Tage nach seinem plötzlichen<br />
Verschwinden lässt sich noch immer nicht sein<br />
aktueller Aufenthaltsort bestimmen. Mehrere<br />
Personen, ebenfalls Zeugen, und Organisationen<br />
zum Schutz der Menschenrechte die<br />
mit diesem Fall vertraut wurden sind bedroht<br />
worden. Daher unser Aufruf an die internationalen<br />
und öffentlichen Medienanstalten,<br />
dieses neue Verbrechen bekannt, die Öffentlichkeit<br />
auf die wieder gefährdete Sicherheit<br />
der argentinischen Bevölkerung aufmerksam<br />
zu machen und um die Herausgabe der Geisel<br />
Julio López zu verlangen, in der Hoffnung,<br />
dass dieser noch am Leben ist.<br />
Übermittelt von Claudia Billourou<br />
30
Neue Konstruktion für den Tanz in<br />
Freiburg und Heidelberg<br />
Mit Beginn der Spielzeit 2006/2007<br />
setzten die Theater Freiburg und Heidelberg<br />
ihre seit 2004/2005 bestehende Zusammenarbeit<br />
im Bereich des Tanzes fort. Die Intendanten<br />
Barbara Mundel und Peter Spuhler<br />
freuen sich, dass es gelungen ist, Joachim<br />
Schlömer als künstlerischen Leiter und Kurator<br />
für den Tanz zu gewinnen. Die neu formierte<br />
Sparte arbeitet als ein Laboratorium<br />
für Zeitgenössischen Tanz unter dem Namen<br />
pvc. „pvc ist ein Versuch, zeitgenössischen<br />
Tanz in Stadttheaterstrukturen auf einer anderen<br />
Vermittlungsebene neu zu denken“,<br />
so die Initiatoren.<br />
Neues Theaterhaus in Potsdam<br />
Nach 211 Jahren wurde am Freitag, 22.<br />
Septe<strong>mb</strong>er, in Potsdam erstmals wieder ein<br />
Theater eröffnet. Damit geht für das Ense<strong>mb</strong>le<br />
des Hans Otto Theaters eine lange Zeit der<br />
Provisorien und Ersatzspielstätten zu Ende.<br />
Vom renommierten Kölner Architekten Gottfried<br />
Böhm entworfen, liegt das an die Sydney<br />
Oper erinnernde Gebäude direkt am Ufer<br />
des Tiefen Sees. Eine Anlegestelle für Schiffe<br />
macht für Gäste aus Potsdam und Berlin auch<br />
eine Anreise auf dem Wasser möglich. Dies ist<br />
wohl einzigartig in der deutschen Theaterlandschaft.<br />
Allerdings kämpften Bauleute und<br />
Hausherren in den ersten Wochen der Inbetriebnahme<br />
mit starken Problemen der Akustik.<br />
Zur Eröffnung waren Bundespräsident<br />
Horst Köhler sowie der brandenburgische<br />
Ministerpräsident Matthias Platzeck und Potsdams<br />
Oberbürgermeister Jann Jakobs zugegen.<br />
Intendant Uwe Eric Laufenberg empfing<br />
den Schlüssel des neuen Hauses.<br />
Radialsystem V<br />
Berlin hat ein neues Haus für die Künste<br />
- insbesondere für den (Zeitgenössischen)<br />
Tanz und die (Alte) Musik. In Berlin wurde das<br />
Radialsystem V mit einem bunten Programm<br />
eröffnet. Das neue “Haus für die Künste”<br />
liegt am Spreeufer nahe dem Ostbahnhof.<br />
Die künstlerische Leitung des Projektes liegt<br />
in den Händen von Jochen Sandig, dem Manager<br />
von Sasha Waltz & Guests und Folkert<br />
Uhde, dem Manager der Akademie für Alte<br />
Musik.<br />
www.radialsystem.de<br />
Schauspiel Stuttgart ist<br />
„Theater des Jahres“ -<br />
38 Kritiker nannten Höhepunkte der<br />
Saison 2005/06<br />
Das Schauspiel Stuttgart ist in der diesjährigen<br />
Kritiker-Umfrage der Zeitschrift<br />
Theater heute zum „Theater des Jahres“<br />
gewählt worden. Hasko Weber ist nach den<br />
Kritikern der überzeugendste Neustart der<br />
Saison gelungen. Vor allem in seiner ersten<br />
Spielzeit 2005/06 konnte die Gesamtleistung<br />
des Hauses die Kritiker überzeugen. Weber<br />
mache Theater, das Ästhetik, Aktualität und<br />
Sinnlichkeit packend und poetisch miteinander<br />
verbindet. Zu den „Schauspielern des<br />
Jahres“ wurden Katharine Schüttler für die<br />
Titelrolle in Thomas Ostermeiers Inszenierung<br />
der „Hedda Gabler“ und Felix Goeser<br />
als Platonow in Karin Henkels Tschechow-<br />
Inszenierung gekürt. Erwähnenswerte Nennungen<br />
erhielten Sandra Hüller als Dido in<br />
Sebastian Nüblings „Dido und Aeneas“ und<br />
Ernst Stötzner als Duncan in der „Inszenierung<br />
des Jahres“ der „Macbeth“ von Jürgen<br />
Gosch. In der Kategorie „Kostü<strong>mb</strong>ildner/<br />
in“ gewannen Johannes Schütz mit seinen<br />
Arbeiten in Goschs „Macbeth“ und „Drei<br />
Schwestern“ und Muriel Gerstner in „Dunkel<br />
lockende Welt“ an den Münchener Kammerspielen.<br />
Für eben dieses Stück erhielt Händl<br />
Klaus den Titel „Dramatiker des Jahres“,<br />
gefolgt von Feridun Zaimoglu und Günter<br />
Senkel, die mit „Schwarze Jungfrauen“ die<br />
Kritiker überzeugen konnten. Ausländische<br />
Dramatiker wurden Biljana Srbljanovic für<br />
„Heuschrecken“, Neil LaBute für „Wie es so<br />
läuft“ und „Fettes Schwein“ sowie Simon<br />
Stephens für „Am Strand der weiten Welt“.<br />
In der „Nachwuchs“-Kategorie überzeugten<br />
Katharina Lorenz für ihre Rollen bei Jürgen<br />
Gosch und Jürgen Vontobel als Nachwuchsregisseur.<br />
Tanzcompagnie Nord-West zwischen<br />
Bremen und Oldenburg gegründet<br />
Markus Müller, Generalintendant des<br />
Oldenburgischen Staatstheaters und Hans-<br />
Joachim Frey, designierter Generalintendant<br />
des Bremer Theaters, stellten im Herbst das<br />
Konzept der zukünftigen Zusammenarbeit<br />
beider Häuser im Bereich Tanztheater vor.<br />
Basis ist eine langfristig angelegte Kooperation<br />
zwischen der Tanzcompagnie des Oldenburgischen<br />
Staatstheaters und dem Bremer<br />
Tanztheater. Die Tanzcompagnie Oldenburg<br />
und das Bremer Tanztheater gehen jeweils<br />
von einem eigenständigen künstlerischen<br />
Profil aus, um sich als zwei gleichgewichtige<br />
Partner zu begegnen und gemeinsam eine<br />
starke Doppelcompagnie, die „Tanzcompagnie<br />
Nord-West“ (Arbeitstitel), zu bilden, die<br />
als neue, gemeinsame Dachmarke regional,<br />
aber auch international etabliert werden soll.<br />
Sowohl in Bremen als auch in Oldenburg werden<br />
eigenständige Tanzsparten mit jeweils 10<br />
fest engagierten Tänzerinnen und Tänzern<br />
bestehen. Die Tanzcompagnie des Oldenburgischen<br />
Staatstheaters und das Bremer Tanztheater<br />
arbeiten unter der Leitung eines neu<br />
geschaffenen Direktoriums an jedem Haus<br />
mit einem Choreografen in Residenz. Darüber<br />
hinaus ist die Verpflichtung von Gastchoreografen<br />
vorgesehen. Geplant sind pro Spielzeit<br />
jeweils zwei Produktionen in Oldenburg und<br />
in Bremen sowie eine gemeinsame große<br />
Produktion mit allen zwanzig Tänzern. Alle<br />
fünf Neuproduktionen einer Spielzeit werden<br />
sowohl in Oldenburg als auch in Bremen als<br />
Repertoire gezeigt. Durch den Austausch der<br />
Produktionen werden Synergieeffekte sowie<br />
eine große Vielfalt im Spielplan gewährleistet.<br />
Als Choreograf in Residenz für die Tanzcompagnie<br />
des Oldenburgischen Staatstheaters<br />
wird ab der Spielzeit 2007/08 der Ha<strong>mb</strong>urger<br />
Choreograf Jan Pusch verpflichtet. Analog<br />
laufen Verhandlungen mit dem Bremer Spartenleiter<br />
Urs Dietrich für das Bremer Tanztheater.<br />
Sie werden jeweils eine Choreografie pro<br />
Spielzeit kreieren und sind darüber hinaus für<br />
die Zusammenstellung und choreografische<br />
Betreuung der Ense<strong>mb</strong>les verantwortlich.<br />
Sie beraten das Direktorium bei der Auswahl<br />
der Gastchoreografen und der künstlerischen<br />
Weiterentwicklung der Compagnien. Die Leitung<br />
der neuen Doppelcompagnie obliegt<br />
einem zweiköpfigen Direktorium: Direktor<br />
wird Honne Dohrmann, leitende Dramaturgin<br />
Dr. Patricia Stöckemann. Das Direktorium<br />
zeichnet verantwortlich für das Repertoire des<br />
Ense<strong>mb</strong>les, seine ästhetische Ausrichtung,<br />
das gemeinsame Budget der neuen Struktur,<br />
die Verpflichtung der Gastchoreografen und<br />
die Außenvertretung der Doppelcompagnie.<br />
Die neue Tanzcompagnie Nord-West (Arbeitstitel)<br />
untersteht dem Oldenburger Generalintendanten<br />
Markus Müller sowie dem<br />
designierten Bremer Generalintendanten<br />
Hans-Joachim Frey. Die Teilcompagnien Bremer<br />
Tanztheater und Tanzcompagnie Oldenburg<br />
bleiben wirtschaftlich ihren jeweiligen<br />
Häusern angegliedert. Alle Aktivitäten werden<br />
unter dem eigenständigen Corporate Design<br />
und auf der eigenen Website der Tanzcompagnie<br />
Nord-West (Arbeitstitel) kommuniziert.<br />
Als Gastchoreografen sollen möglichst profilierte<br />
in- und ausländische Künstler verpflichtet<br />
werden, die dem Tanztheater und dem<br />
zeitgenössischem Tanz nahe stehen. Wiederaufnahmen<br />
berühmter Choreografien sind<br />
denkbar, vorzugsweise von den Originalchoreografen<br />
neu einstudiert. Die ersten beiden<br />
Premieren sind für den 19. und 20. Oktober<br />
2007 vorgesehen.<br />
Václav Havel –<br />
Ein Fest zum 70. Geburtstag /<br />
Ausstellung mit Bühnenbildern<br />
Mit großem Erfolg ging am 6. und<br />
7.10.2006 „Václav Havel – Ein Fest zum 70.<br />
Geburtstag“ über die Bühne des Hauses der<br />
Berliner Festspiele. Für die Veranstaltung kooperierten<br />
das Tschechische Zentrum und die<br />
Berliner Festspiele mit der Robert-Bosch-Stiftung,<br />
der Dramaturgischen Gesellschaft und<br />
dem Internationalen Theaterinstitut. Neben<br />
der Vorstellung von „Kiss You, And Tears“<br />
von Mohammad Charmshir, mehreren Podiumsdiskussionen<br />
– so diskutierte im Panel<br />
zu „Erfolg und Wirkung Václav Havels’ u.a.<br />
Manfred Beilharz, Präsident des Internationalen<br />
Theaterinstituts - und dem Konzert der<br />
„Plastic People of the Universe“ konnte auch<br />
die Ausstellung mit Bühnenbildern zu Havel-<br />
Stücken in der Tschechischen Republik und<br />
international zahlreiche Besucher begeistern.<br />
Leider war die Ausstellung in diesem Rahmen<br />
nur zwei Tage zu sehen, sie steht jedoch für<br />
weitere Präsentationen beim Tschechischen<br />
Zentrum zur Verfügung.<br />
www.czech-berlin.de<br />
Judith Malina wurde 80 Jahre jung<br />
Zu Ehren von Judith Malina, der Gründerin<br />
des legendären Living Theatre, veranstaltete<br />
die Akademie der Künste am Hanseatenweg<br />
in Zusammenarbeit mit dem Fonds<br />
Darstellende Künste und dem Internationalen<br />
Theaterinstitut sowie den Berliner Regisseuren<br />
Karin Kaper und Dirk Szuszies im<br />
Rahmen der Reihe „Hoffnung Theater“ eine<br />
besondere Geburtstagsgala, die sich weit<br />
über den Anlass hinaus aktuellen Fragen politischen<br />
Theaterschaffens widmete. Judith<br />
Malina zeigte Szenen aus aktuellen Arbeiten,<br />
dokumentarische Szenen stellten die Zeit, in<br />
der das Living Theatre in Berlin war, vor. Und<br />
Peter von Becker diskutierte mit Judith Malina,<br />
Christoph Schlingensief, Matthias Lilienthal<br />
und Daniel Wetzel (Rimini-Protokoll).<br />
Veränderungen bei den ZBF-Agenturen?<br />
Anfang des Herbstes hatte die Ankündigung,<br />
die Bundesagentur für Arbeit würde<br />
ihre Künstlervermittlung in Leipzig und Ha<strong>mb</strong>urg<br />
schließen, Aufregung und Protest aus-<br />
Meldungen<br />
31
Meldungen<br />
gelöst. Im Zuge einer laufenden Reform prüft<br />
die Bundesagentur für Arbeit (BA) auch, wie<br />
die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung - und<br />
damit auch der dort angesiedelte Künstlerdienst<br />
- in Zukunft optimal organisiert werden<br />
kann. Angesichts der derzeitigen politischen<br />
Diskussion hat der Vorstand der BA<br />
beschlossen, grundsätzliche Entscheidungen<br />
zu diesem Thema erst zu treffen, wenn Beschlüsse<br />
auf politischer Ebene gefallen sind.<br />
In die Kritik war der Künstlerdienst der BA<br />
durch eine Feststellung des Bundesrechnungshofes<br />
und eine daran anschließende<br />
Aufforderung des Rechnungsprüfungsausschusses<br />
des Bundestages gekommen. Bemängelt<br />
wurde insbesondere die Tatsache,<br />
dass Künstlerinnen und Künstler durch die<br />
BA vielfach in selbstständige Engagements<br />
vermittelt werden. Die BA würde damit über<br />
ihren gesetzlichen Auftrag hinausgehen. Inzwischen<br />
verändert sich jedoch die Rechtslage.<br />
Im Bundestag wird eine Gesetzesinitiative<br />
mit dem Ziel angestrebt, dass die BA in<br />
selbstständige Tätigkeiten vermitteln kann,<br />
da auch Selbstständigkeit ein Ausweg aus Arbeitslosigkeit<br />
und Leistungsbezug ist.<br />
Werkstatistik 2004/05 des Deutschen<br />
Bühnenvereins<br />
Die Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins<br />
„Wer spielte was?“, informiert über<br />
das Gesamtrepertoire des Theaters im deutschen<br />
Sprachraum für die Spielzeit 2004/05.<br />
Das Jugendstück „Klamms Krieg“ von Kai<br />
Hensel, welches sich mit dem aktuellen<br />
Schulalltag auseinandersetzt, wurde mit 31<br />
Inszenierungen am häufigsten inszeniert. Die<br />
meisten Besucher lockte Goethes „Faust“<br />
und Stephen Sinclair’s Arbeitslosen-Revue<br />
„Ladies Nicht“ in jeweils 28 und 27 Inszenierungen<br />
an. Das Schiller-Jahr spiegelte sich<br />
auch im Repertoire wider. In Deutschland<br />
gab es 111 Inszenierungen seiner Werke; die<br />
meistgespielten Stücke dabei waren „Kabale<br />
und Liebe“ (25), „Die Räuber“ (18), „Die<br />
Jungfrau von Orleans“ (12), „Maria Stuart“<br />
(11) und „Don Carlos“ (11). Im Musiktheater<br />
setzten sich mit Mozarts „Zauberflöte“ (45),<br />
Humperdincks „Hänsel und Gretel“ (25) und<br />
Bizets „Carmen“ (22) und Opern von Verdi,<br />
Puccini, Wagner und Rossini als Opernwerke<br />
des klassischen Repertoires durch. Der Anteil<br />
der Ur- und Erstaufführungen lag bei 8<br />
%, und ist damit im Vergleich zum Vorjahr<br />
um 4% zurückgegangen. Im Bereich des<br />
Schauspiels ist der Anteil mit 15,9 % stabil<br />
geblieben. Konkret wurden 32 Opern und<br />
300 Schauspielwerke ur- bzw. erstaufgeführt.<br />
Besonders erwähnenswert dabei sind Lukas<br />
Bärfus’ „Der Bus“ (Thalia Theater Ha<strong>mb</strong>urg),<br />
Peter Handkes „Untertagblues“ (BE) und<br />
Marius Mayenburgs „Eldorado“ (Schaubühne<br />
am Lehniner Platz) im Bereich Schauspiel<br />
und Hans Zenders „Chief Joseph“ (Deutsche<br />
Staatsoper Berlin), Joachim Hespos’ „iOPAL“<br />
(Niedersächsisches Staatstheater Hannover)<br />
und Toro Takemitsus „My Way of Life“<br />
(Deutsche Staatsoper Berlin) im Bereich<br />
Musiktheater. Die Werkstatistik des Deutschen<br />
Bühnenvereins umfasst 430 Bühnen in<br />
Deutschland, Österreich und der Schweiz.<br />
www.buehnenverein.de<br />
AUSSCHREIBUNGEN<br />
Hospitationsprogramm<br />
Wie in jedem Jahr können sich junge<br />
Theaterleute aus nicht-westlichen Ländern<br />
für das Hospitationsprogramm bewerben.<br />
Dabei handelt es sich in der Regel um Theaterleute,<br />
die in ihrem Heimatland bereits<br />
weiter reichende Erfahrungen im Theater<br />
gesammelt haben und die ihrerseits ihre<br />
Erfahrungen als Multiplikatoren in der Theaterszene<br />
weiter tragen. Voraussetzung für die<br />
Einladung ist die künstlerische Qualifikation<br />
des Bewerbers. Die Auswahl der Bewerber<br />
erfolgt in Zusammenarbeit mit <strong>ITI</strong>-Zentren<br />
und Zweigstellen des Goethe-Instituts.<br />
www.iti-germany.de<br />
Autorentheatertage 2007<br />
am Thalia-Theater<br />
„Was hält die Gesellschaft zusammen?“<br />
fragt das Ha<strong>mb</strong>urger Thalia Theater junge<br />
Autorinnen und Autoren unter 40 Jahren<br />
und bittet um die Einsendung neuer, noch<br />
nicht uraufgeführter Stücke für die Autorentheatertage<br />
vom 1. bis 16. Juni 2007. Gesucht<br />
werden Stücke, die mit einer kritischen<br />
Aufmerksamkeit den Veränderungen und<br />
Verwerfungen der Gesellschaft im Großen<br />
wie im Kleinen nachspüren. Juror ist das Ense<strong>mb</strong>le<br />
des Thalia Theaters und damit auch<br />
ein Großteil der Schauspieler, die die ausgewählten<br />
Stücke in der Langen Nacht der Autoren<br />
in Form von Werkstattinszenierungen<br />
präsentieren werden.<br />
Einsendeschluss ist der 31. Januar 2007. Manuskripte<br />
in zweifacher Ausfertigung an das<br />
Thalia Theater, Stichwort Autorentheatertage,<br />
Alstertor, 20095 Ha<strong>mb</strong>urg.<br />
(Bitte keine Monologe!) www.thalia-theater.de<br />
No Ballet<br />
Nachdem im März 2006 no ballet, der<br />
1. Internationale Choreografie-Wettbewerb<br />
Ludwigshafen 2006, mit über 300 Bewerbungen<br />
aus insgesamt 35 Nationen eine<br />
enorme nationale und internationale Beachtung<br />
gefunden hat, veranstaltet das Theater<br />
im Pfalzbau, erneut auf Initiative und unter<br />
der künstlerischen Leitung der Choreografin<br />
Juliane Rößler, den 2. Internationalen Choreografie-Wettbewerb<br />
Ludwigshafen 2007.<br />
Zur Jury gehören Marguerite Donlon (Choreografin),<br />
Hansgünther Heyme (Intendant,<br />
Regisseur), Pit Holzwarth (Regisseur), Klaus<br />
Obermaier (Komponist, Medienkünstler),<br />
Graziella Padilla (Choreografin, Tanzpädagogin),<br />
Hartmut Regitz (Tanzkritiker), Juliane<br />
Rößler (Choreografin), Friedrich Schirmer<br />
(Intendant) und Darrel Toulon (Choreograf).<br />
Anmeldeschluss ist der 31.1<strong>2.2006</strong>.<br />
www.no-ballet.com<br />
Stiftung Kunstfonds - Stipendien und<br />
Projektförderung in 2007<br />
Bildende Künstlerinnen und Künstler mit<br />
ständigem Wohnsitz in Deutschland können<br />
sich bei der Stiftung Kunstfonds für das Jahr<br />
2007 um ein einjähriges Arbeitsstipendium<br />
(16.000 Euro) oder um einen Projektzuschuss<br />
bis maximal 25.000 Euro bewerben.<br />
Außerdem stehen Mittel für Konservierungsmaßnahmen<br />
von Medienarbeiten und die<br />
Erarbeitung von Werkverzeichnissen zur<br />
Verfügung. Anträge können nur bildende<br />
Künstlerinnen und Künstler mit ständigem<br />
Wohnsitz in Deutschland oder deren Rechtsnachfolger<br />
stellen. Der Bewerbungsschluss<br />
war der 31. Oktober 2006. Die Anträge müssen<br />
bis zu diesem Termin vollständig in der<br />
Geschäftsstelle der Stiftung Kunstfonds in<br />
Bonn vorliegen. Die Jury wird ihre Entscheidung<br />
im Februar 2007 treffen.<br />
Anträge, Vergaberichtlinien und Hinweise zur<br />
Antragstellung:<br />
http://www.kunstfonds.de/kuenstlerprogramm.html<br />
www.kunstfonds.de/kuenstlerprogramm.html<br />
Stipendien für Theaterschaffende<br />
Die Theaterproduktionsgesellschaft „wasihrwollt<br />
Productions“ von Peter Zadek und<br />
Tom Stro<strong>mb</strong>erg vergibt acht Postgraduierten-Stipendien<br />
an Absolventen verschiedener<br />
Bühnenstudiengänge, die an Zadeks<br />
Inszenierung von Shakespeares „Was Ihr<br />
wollt“ (Premiere im Mai 2007 bei den Wiener<br />
Festwochen) mitarbeiten würden.<br />
Genauere Informationen zu der Ausschreibung<br />
stehen unter www.wasihrwollt.eu<br />
Symposium -<br />
TanzForschung & TanzAusbildung<br />
Das Symposium „TanzForschung & Tanz-<br />
Ausbildung“ – aus Anlass des 20. Jahrestages<br />
der Gründung der Gesellschaft für Tanzforschung<br />
wird vom 4. bis 7. Oktober 2007 in<br />
der Staatlichen Ballettschule Berlin ausgerichtet.<br />
Hierzu geht der Call for Papers.<br />
Die Tanzerziehung an Schulen und freizeitkulturellen<br />
Einrichtungen ist in Bewegung<br />
gekommen, die Tanzausbildung an<br />
Berufsfachschulen und Hochschulen wird<br />
neu strukturiert und im universitären Bereich<br />
etabliert sich die Tanzwissenschaft mehr und<br />
mehr zu einem eigenständigen Fach. Das Jubiläum<br />
der Gesellschaft für Tanzforschung ist<br />
ein günstiger Anlass, um zu einer kritischen<br />
Bestandsaufnahme aufzurufen und Ergebnisse<br />
und Folgen dieser Entwicklungen zu<br />
reflektieren. Nicht zuletzt kann eine solch<br />
kritische Analyse dazu beitragen, einen Ausblick<br />
nach vorn und Perspektiven für zukünftige<br />
Arbeits- und Aufgabenfelder zu gewinnen.<br />
Aufgrund der anstehenden Reformen<br />
auf dem Bildungs- und Weiterbildungssektor<br />
sowie der strukturellen Veränderungen im<br />
Bereich der professionellen Ausbildung an<br />
Berufsakademien und Hochschulen wird die<br />
Diskussion neuer Ausbildungskonzepte und<br />
Studienmodule bei der Berliner Tagung einen<br />
breiten Raum einnehmen. Darüber hinaus<br />
möchte das Symposium einen Überblick über<br />
die Entwicklung der Tanzwissenschaft im<br />
deutschsprachigen Raum (und international<br />
vergleichend) geben, mit ihren Forschungsschwerpunkten<br />
und Forschungsleistungen,<br />
aber auch mit ihren wissenschaftstheoretischen<br />
Fragen und Problemen. Interessierte<br />
Tanzwissenschaftlerinnen und Tanzwissenschaftler<br />
werden gebeten, passende Beiträge<br />
einzureichen. Alle Universitäten und<br />
wissenschaftliche Einrichtungen werden<br />
eingeladen, sich an diesem Symposium aktiv<br />
zu beteiligen, indem sie über ihre laufenden<br />
Forschungsprojekte bzw. ihre aktuellen wissenschaftlichen<br />
Schwerpunkte berichten.<br />
Es werden verschiedene Präsentationsmöglichkeiten<br />
vorhanden sein (Vortrag, mediale<br />
AV-Lecture Demonstration, Poster). Inhaltlich<br />
sollten die Beiträge entweder Herausforderungen<br />
und Chancen für neue Konzepte<br />
32
einer zeitgemäßen Tanz- und Tanzpädagogikausbildung<br />
thematisieren oder sie sollten<br />
über eine wissenschaftliche Forschungsarbeit<br />
berichten. Das Jahrbuch 18 (2008) der Gesellschaft<br />
für Tanzforschung soll die Tagung<br />
dokumentieren. Wir bitten Sie höflich um die<br />
Einreichung eines einseitigen Abstracts mit<br />
der inhaltlichen Skizzierung des geplanten<br />
Beitrags. Termin: 15. Februar 2007.<br />
Kontakt: Dr. Claudia Fleischle-Braun,<br />
Kastanienweg 8, 70597 Stuttgart.<br />
Tel. 0711 / 7654897<br />
Fax 0711 / 9073854<br />
mail: claudia.fleischle@arcor.de<br />
www.gtf-tanzforschung.de<br />
TRANSFERT THÉÂTRAL (TT)<br />
THEATER-TRANSFER<br />
Das Bureau du Théâtre et de la Danse<br />
macht aufmerksam auf die Deutsch-französische<br />
Übersetzerstipendien für zeitgenössische<br />
Theaterstücke. Die Stipendien unter<br />
dem Titel THEATER-TRANSFER (TT) TRANS-<br />
FERT THÉÂTRAL, die vom Bureau du Théâtre<br />
et de la Danse der Französischen Botschaft<br />
in Berlin, vom Goethe-Institut Lyon, von Beaumarchais<br />
und von der DVA-Stiftung Stuttgart<br />
koordiniert und finanziert werden, sind<br />
erneut für 2007 ausgeschrieben worden. Ziel<br />
des Programms ist es, Übersetzungs- und<br />
daran anknüpfende Inszenierungsprojekte<br />
zeitgenössischer Theatertexte aus dem jeweiligen<br />
Nachbarland in Deutschland und<br />
Frankreich zu ermöglichen. Im Jahr 2006<br />
wurden folgende Übersetzungen unterstützt:<br />
„Ma mère qui chantait sur un phare“<br />
von Gilles Granouillet (Übersetzung: Bettina<br />
Arlt); „Les travaux et les jours“ von Michel Vinaver<br />
(Übersetzung: Dr. Almuth Voß) „Théâtre<br />
sans animaux“ von Jean-Michel Ribes<br />
(Übersetzung: Heinz Schwarzinger); „Das<br />
Schamhaar“ von Wilfried Happel (Übersetzung:<br />
Sylvain Delétang).<br />
Einsendeschluss für Bewerbungen ist der<br />
31. März 2007.<br />
btd@kultur-frankreich.de<br />
www.kultur-frankreich.de<br />
FESTIVALS<br />
„Neue Stücke aus Europa“ – eine Bilanz<br />
Beim Festival „Neue Stücke aus Europa“,<br />
welches sich ausschließlich zeitgenössischer<br />
Dramatik widmet, gaben dieses Jahr vom 15.<br />
bis 25. Juni 29 Ense<strong>mb</strong>les aus 22 Ländern mit<br />
39 Aufführungen Einblicke in die zeitgenössische<br />
Theaterwelt Europas, wobei die Stücke<br />
in der jeweiligen Originalsprache inszeniert<br />
waren und simultan ins Deutsche übersetzt<br />
wurden. Die Künstlerische Leitung lag bei<br />
Manfred Beilharz, Ursula Ehler, Tankred Dorst<br />
und Markus Bothe. Als diesjähriger Preisträger<br />
für die beste Übersetzung wurde Klaus<br />
Detlef Olof für seine Übersetzung von Ana<br />
Lasics „Fuzine Blues“ aus dem Slowenischen<br />
geehrt. Lobend erwähnt wurden Recai Hallac<br />
für seine Übersetzung des türkischen Stücks<br />
„Rache“ von Mahir Günsiray und Petra Serwe<br />
für ihre Übersetzung Koens Tachelets<br />
„Der Asylsucher“ aus dem Niederländischen.<br />
Zu den bemerkenswerten Gastspielen zählte<br />
u.a. die Inszenierung des „Asylsuchers“ von<br />
Johan Simons, „Scharzland“ von Arpad Schilling<br />
aus Ungarn, „Kunstschwimmer“ von David<br />
Drabek aus Tschechien und „In der großen<br />
Welt“ von Joel Pommerat aus Frankreich.<br />
Das <strong>ITI</strong>, die Dramaturgische Gesellschaft, das<br />
Deutsch-Französische Forum Junger Kunst<br />
und die Europäische Theaterkonvention veranstalteten<br />
Symposien, in denen u.a. auch<br />
die 72 DramatikerInnen debattierten.<br />
AT.TENSION<br />
Die norddeutsche Kulturlandschaft wurde<br />
in diesem Jahr um eine Attraktion reicher:<br />
vom 15. – 17. Septe<strong>mb</strong>er 2006 veranstaltete<br />
der Kulturkosmos Müritz e.V. auf dem<br />
Flugplatz Lärz in Mecklenburg erstmals das<br />
internationale Theater- und Performance-Festival<br />
AT.TENSION#1. Auf dem weitläufigen<br />
ehemaligen russischen Militärflugplatz Lärz,<br />
inmitten der Mecklenburger Seenplatte,<br />
trafen drei Tage lang internationale Theatergruppen<br />
und Gäste zur theatralen und<br />
künstlerischen Grenzüberschreitung zusammen.<br />
Sie begaben sich auf die Spur neuer<br />
und experimenteller Aktions- und Wahrnehmungsräume.<br />
Die bereits durch das Fusion-<br />
Festival wiederbelebten Ruinen des kalten<br />
Krieges, die von der roten Armee hinterlassen<br />
wurden, bieten dafür ideale Voraussetzungen.<br />
Die künstlerische Palette reichte von<br />
Tanztheater, Performances und Open-Air-<br />
Spektakel über Kabarett und Installationen<br />
bis hin zu einem ausgesuchten musikalischen<br />
Beiprogramm. Hierfür bieten sich auf dem<br />
Gelände des Kulturkosmos diverse einmalige<br />
Spielstätten: verbunkerte Flugzeughangars,<br />
eine alte Landebahn, das ehemalige Luftschloss<br />
der Berliner Kabarett Anstalt sowie<br />
diverse Freiflächen stehen den Künstlerinnen<br />
und Künstlern zur Verfügung. Insgesamt 15<br />
Theaterproduktionen präsentierten sich in<br />
ca. 30 Aufführungen. Eine Besonderheit von<br />
AT.TENSION#1 lag in dem Anspruch, verschiedene<br />
Theaterformen in einen kreativen<br />
Dialog miteinander zu setzen. Dafür waren<br />
Künstler und Theaterschaffende unterschiedlicher<br />
Genres eingeladen, um die drei Tage<br />
packend und mitreißend zu gestalten. Um<br />
die mehr als außergewöhnlichen Gegebenheiten<br />
des Geländes adäquat einzubeziehen,<br />
hatte der Kulturkosmos Müritz e.V. einen<br />
Produktionspreis ausgeschrieben. Aus über<br />
30 eingereichten Projekten wurde ein Projekt<br />
ausgewählt und das Projekt LEICHTER<br />
ALS LUFT der Gruppe TROIKA, welches das<br />
ehemalige Militärflugplatzgelände in seinen<br />
Besonderheiten aufgreift und die umfangreichen<br />
Möglichkeiten optimal nutzte, gefördert.<br />
Höhepunkt des Festivals war das große<br />
Feuer-Spektakel IL CORSO der Gruppe PAN.<br />
OPTIKUM aus Freiburg.<br />
www.kulturkosmos.de<br />
2. Festspiele Ludwigshafen<br />
21. Oktober - 16. Deze<strong>mb</strong>er<br />
Auch zur 2. Ausgabe der Festspiele im<br />
Theater im Pfalzbau setzte Hansgünther<br />
Heyme, Intendant und künstlerischer Leiter<br />
der Festspiele, wieder auf ein Programm aus<br />
internationalen Produktionen aus den Bereichen<br />
Tanz und Theater für ein breites Publikum.<br />
17 Gastspiele aus dem Ausland und<br />
aus Deutschland wurden gezeigt. Neben<br />
fünf deutschsprachigen Erstaufführungen,<br />
darunter Maurice Béjarts „Zarathustra. Das<br />
Lied vom Tanz“, präsentierten die Veranstalter<br />
auch eine Inszenierung von Heyme in<br />
slowenischer Sprache. Prognostizierte Höhepunkte<br />
sind die Mauro Bigonzettis Tanztheaterinszenierung<br />
„Romeo und Julia“, „My<br />
Name ist King“ der Kompanie Déjà Donnée,<br />
Heymes Inszenierung von „Orestes“ sowie<br />
eine Themenwoche anlässlich der Todeswoche<br />
Bertolt Brechts, im Rahmen derer das BE<br />
gastiert.<br />
www.theater-im-pfalzbau.de<br />
Cross The Line - Live Art aus den USA<br />
Die Aufführungsreihe „Cross The Line“<br />
zeigte US-Solo Live Art in Frankfurt, Berlin<br />
und Leipzig. Die Kuratorin Carola Lehmann<br />
präsentierte Deutsche Uraufführungen der<br />
Soloperformer Allen Johnson und Penny<br />
Arcade, Lectures und Diskussionen. „When<br />
I got to New York I saw something less familiar:<br />
a kind of boundary-breaking solo<br />
performance: Not standup comedy, not cabaret,<br />
no one-character play, not reading or<br />
poetry – and I loved the energy and originality<br />
of this solo work.” (Jo Bonney) Nach<br />
allen Aufführungen fanden Gespräche – über<br />
Solo Live Art, Öffentlichkeit und politische<br />
Gesten in den USA – statt. In „My Life As History“<br />
erforscht Penny Arcade in einer zweistündigen<br />
Tour de Force zwischen Stand Up<br />
Comedy und Redeperformance „My Life as<br />
History“ das Werden und das Sein. Immer<br />
selbst im Zentrum ihrer Erzählungen, der<br />
einzige Maßstab dessen, was sagbar ist, erinnert<br />
sich Penny Arcade an den mittleren Abschnitt<br />
ihres Lebens und fragt: Wer sind wir<br />
am Anfang, wer sind wir am Ende? Wann erhalten<br />
wir unser fertiges Selbst? Es geht ums<br />
Erfinden und Wiedererfinden, um unsere Visionen,<br />
um unseren Platz in der Geschichte<br />
und darum wo sich alles kreuzt. Humorvoll,<br />
leidenschaftlich und ergreifend untersucht<br />
der Künstler, Dichter, Lastwagenfahrer und<br />
Mechaniker Allen Johnson in „Another You“<br />
die Schonungslosigkeit und Verwundbarkeit,<br />
die man für eine intime Begegnung mit<br />
Gott, einem Liebhaber oder mit sich selbst<br />
braucht. Unter der Regie von Sean Ryan entstand<br />
seine Soloperformance - eine Reihe<br />
grausam ehrlicher, ineinander verwobener<br />
Monologe über unser grundlegendes Bedürfnis<br />
nach Intimität. „Mickey Mouse im<br />
Fadenkreuz“ von Carola Lehmann erweiterte<br />
die Reihe um eine weitere Komponente: Die<br />
auf einer Reise durch die USA entstandene<br />
Performance zeigt in Form von Interviews<br />
und Geschichten mit beißendem Witz, wie<br />
US-Künstler die gegenwärtige politische Situation<br />
in den USA verhandeln. Es passieren<br />
ein paar seltsame Sachen, die den Keim einer<br />
neuen politischen Ära erahnen lassen.<br />
Abende in New York verbringen wir mit den<br />
Menschen, die mit ihren Aktionen im öffentlichen<br />
Raum diesen Ereignissen den Boden<br />
bereitet haben und geben den Zuschauern<br />
deren mehr oder weniger brauchbare Gesellschaftsentwürfe<br />
mit auf den Weg. „Cross The<br />
Line“ ist ein Projekt des Mousonturm Frankfurt,<br />
des Lofft Leipzig und des Büros für Kulturvermittlung,<br />
Kunst macht schön und wird<br />
vom Cutting Edge Festival unterstützt.<br />
www.kunstmachtschoen.de<br />
Fidena 2006 – „Unter die Haut“ -<br />
27. Septe<strong>mb</strong>er - 3. Oktober in Bochum<br />
Ende Septe<strong>mb</strong>er war Bochum wieder<br />
Zentrum der internationalen Figurentheaterszene.<br />
Das Motto der diesjährigen Ausgabe<br />
unter der künstlerischen Leitung von<br />
Annette Dabs lautete „Unter die Haut“. Über<br />
Meldungen<br />
33
Meldungen<br />
20 Produktionen von Gruppen aus Europa<br />
und Afrika wurden an den verschiedenen<br />
Spielstätten gezeigt, wobei das Spektrum<br />
von Installationen über Videokunstperformances<br />
zu Objekttheater reichte.<br />
www.fidena.de<br />
International Performing Arts Market<br />
in Montreal 2006<br />
Dass sich die Kanadier verstärkt für den<br />
internationalen Austausch und auf dem<br />
Kunstmarkt engagieren ist bekannt, das Ausmaß<br />
ist doch immer wieder beeindruckend.<br />
Zum 12. Mal versammelte CINARS vom 14.<br />
bis 18. Nove<strong>mb</strong>er 2006 internationale Künstler<br />
und Veranstalter in Montreal. Über 1000<br />
Fachleute aus 60 Ländern sahen 130 Tanz-,<br />
Theater-, Musik- und Performance-Aufführungen<br />
– aus Kanada und dem Rest der Welt.<br />
150 Kurse und Workshops komplettierten<br />
das Monsterprogramm. Wer den Termin verpasst<br />
hat, findet dennoch Infos zum Angebot<br />
auf der Website.<br />
www.cinars.org<br />
Laokoon-Festival auf Kampnagel<br />
brach Besucherrekord<br />
Für das diesjährige Kampnagel Sommerfestival<br />
LAOKOON konnten Intendantin<br />
Gordana Vnuk und Geschäftsführerin Tessa<br />
Beecken bereits vor dem Abschluss eine<br />
äußerst positive Bilanz ziehen: Bei derselben<br />
Zahl von Theater- und Tanz-Produktionen<br />
wie im Vorjahr kann das Haus bei erwarteten<br />
rund 15.000 Zuschauern fast ein Drittel<br />
mehr Besucher verzeichnen. 10 Tanzund<br />
Theaterhighlights aus Großbritannien,<br />
Frankreich, der Schweiz, Italien, Ungarn,<br />
Finnland, Russland, Mazedonien und China<br />
– darunter neun Deutschlandpremieren und<br />
drei Kampnagel-Koproduktionen – machten<br />
das Theaterzentrum vom 23. August bis zum<br />
9. Septe<strong>mb</strong>er zu einem Anziehungspunkt für<br />
Ha<strong>mb</strong>urger und Gäste der Stadt. Mehrfach<br />
spielten die insgesamt über 100 internationalen<br />
Künstler vor ausverkauften Hallen.<br />
Sowohl Bildertheaterproduktionen, wie sie<br />
von der Cie 111, der Cie Philippe Genty oder<br />
Akhe vorgestellt wurden, als auch Tanz- und<br />
Theaterstücke, in denen sich u.a. Tero Saarinen,<br />
Emma Dante oder Branko Brezovec mit<br />
lokalen Traditionen auseinandersetzten, wurden<br />
mit starker Nachfrage und begeistertem<br />
Applaus honoriert. Größter Beliebtheit bei<br />
Groß und Klein erfreute sich die begehbare<br />
Luftskulptur der britischen Architects of Air,<br />
die LAOKOON für neun Tage auf der Kleinen<br />
Moorweide präsentierte. Daneben konnten<br />
Funk-, Soul- und Reggae-Konzerte als eigenständige<br />
Programmschiene bis zu 300<br />
Fans pro Abend in die Kampnagel Music Hall<br />
locken. Das Sommerfestival, das seit 2001<br />
unter dem Namen des griechischen Priesters<br />
stattfand, wurde nach vier Jahren unter<br />
der Leitung außereuropäischer Kuratoren<br />
nun wieder von der Intendantin selbst programmiert<br />
und leitet ihre letzte Spielzeit auf<br />
Kampnagel Ha<strong>mb</strong>urg ein. Gordana Vnuk:<br />
„Mit der Programmauswahl von innovativen<br />
Künstlern aus allen Kontinenten, die wir in<br />
den vergangenen sechs Jahren eingeladen<br />
haben, konnten wir einen künstlerischen<br />
und politischen Kontrapunkt zum bestehenden<br />
Festivalmarkt setzen. Die Bilanz des diesjährigen<br />
Festivals lässt uns mit großer Freude<br />
feststellen, dass sich LAOKOON mit seinem<br />
eigenständigen und eigenwilligen Profil in<br />
der lokalen, überregionalen und internationalen<br />
Kulturlandschaft etabliert hat.“<br />
Kampnagel Ha<strong>mb</strong>urg, Jarrestr. 20-24,<br />
22303 Ha<strong>mb</strong>urg Tel. +49/40/2709490<br />
mail@kampnagel.de www.kampnagel.de<br />
THESPIS -<br />
5. Internationales Monodrama Festival<br />
10. bis 17. Nove<strong>mb</strong>er 2006 in Kiel<br />
Nach acht prall gefüllten Theatertagen<br />
mit 16 verschiedenen Solo-Produktionen aus<br />
Australien, Japan, Italien, Marokko, Israel,<br />
Polen, Russland, Turkmenistan, Armenien,<br />
Großbritannien, der Ukraine, Südafrika und<br />
Deutschland ist das fünfte THESPIS-Festival<br />
am 17. Nove<strong>mb</strong>er 2006 zu Ende gegangen.<br />
Das Programm bot erneut einmalige<br />
Einblicke in Theatertraditionen aus den unterschiedlichsten<br />
Ländern und Kulturen, zum<br />
Großteil erstmals auf einer deutschen Bühne<br />
zu sehen.<br />
Am 17. Nove<strong>mb</strong>er 2006 um 22:30 Uhr<br />
gab die Jury (Valery Khasanov/Russland,<br />
Renate Klett/Deutschland, Cersten Gerecht/<br />
Deutschland, Abel Solares/Guatemela) die<br />
Preisträger des 5. Internationalen Monodrama<br />
Festivals THESPIS bekannt. Der Hauptpreis<br />
für eine bemerkenswerte künstlerische Leistung<br />
(gestiftet von den Kieler Nachrichten)<br />
ging zu gleichen Teilen an: Nozomi Satomi<br />
(„Wer bin ich?“/Japan), Yftach Klein („High<br />
Noon“/Israel) und Pip Utton („Bacon“/Großbritannien).<br />
Der Sonderpreis (gestiftet vom<br />
Trägerverein des Festivals, Maecenas e.V.)<br />
ging zu gleichen Teilen an: Lidiya Danylchuk<br />
(„Traum“/Ukraine) für die Umsetzung von<br />
Poesie in Theater und von Sprache in Tanz,<br />
an Latefa Ahrrare („Die letzte Nacht“/ Marokko/Vereinigte<br />
Arabisch Emirate) für die<br />
mutige Annäherung an ein gesellschaftliches<br />
Tabu, und an Anna Mele („Lear“/Turkmenistan)<br />
für die Umsetzung eines klassischen<br />
europäischen Theaterstoffes mit den Mitteln<br />
des orientalischen Theaters.<br />
Der Preis der Festivaldirektoren (anwesend:<br />
Valery Khasanov/Russland, Hakob<br />
Ghazanchyan/Armenien Mohammad Al<br />
Afkham/V.A.E., Antonina Mikhaltsova/Weißrussland<br />
und Jolanta Sutowicz/Deutschland)<br />
ging an: Julian Swift-Speed („Schritte“/Polen).<br />
Der Medienpreis (gestiftet vom Offenen<br />
Kanal Kiel) ging an: Nozomi Satomi („Wer<br />
bin ich?“/Japan). Der Förderpreis der Organisatoren<br />
ging an: Armine Matzakyan („Von<br />
mir zu mir“/Armenien).<br />
Eine Woche zuvor, am 10. Nove<strong>mb</strong>er<br />
2006, war das Festival von der europaweit<br />
renommierten Schauspielerin Angela Winkler<br />
mit dem Solo „Ich liebe Dich kann ich nicht<br />
sagen“ (nicht im Wettbewerb) im ausverkauften<br />
Kieler Schauspielhaus und im Beisein<br />
von Vertreterinnen und Vertretern der Kultur<br />
und Politik eröffnet worden. Überhaupt hat<br />
sich die Anteilnahme des Publikums deutlich<br />
gesteigert. Viele Veranstaltungen waren ausverkauft,<br />
die Medienpräsenz konnte verbessert<br />
werden.<br />
Auch das Rahmenprogramm – u.a. mit<br />
einem Symposium und einem Workshop<br />
(Kieler Nachrichten, KulturForum) – war ein<br />
Erfolg. Wie schon bei den letzten Festivals<br />
führte die Begegnung zwischen den verschiedenen<br />
Künstlerinnen und Künstlern zu<br />
neuen kreativen Impulsen, die hoffentlich<br />
bereits in naher Zukunft auf den Bühnen des<br />
internationalen Theaters sichtbar werden.<br />
Die Anwesenheit solch namhafter Künstlerinnen<br />
und Künstler wie Angela Winkler, der<br />
polnischen Beckett-Darstellerin Irena Jun und<br />
des gefeierten israelisch-arabischen Schauspielers<br />
und Regisseurs Mohammad Bakri hat<br />
das mittlerweile längst gefestigte internationale<br />
Renommee des Festivals bestätigt.<br />
Besonders erfreulich war die gute Zusammenarbeit<br />
mit den Festivalpartnern: Aus<br />
Paris kam Jennifer Walpole, die Generalsekretärin<br />
des Internationalen Theaterinstituts<br />
<strong>ITI</strong>/UNESCO angereist, die Kooperation mit<br />
peace of art ergänzte die Aufführungen aus<br />
Israel mit interessanten Diskussionsrunden,<br />
und das bewegende Monodrama „Schritte“<br />
im Flandernbunker (in Zusammenarbeit mit<br />
dem Verein Mahnmal Kilian e.V.) weckte<br />
großes Interesse.<br />
www.thespisfestival.de<br />
Veronika Blumstein - Moving Exiles<br />
Vom 12. bis zum 14. Oktober 2006 fand<br />
in der Bremer Schwankhalle zum ersten<br />
Mal das Festival für Erfindung und Choreografie<br />
Veronika Blumstein - Moving Exiles<br />
statt. Gastgeberin und Namensgeberin des<br />
Programms mit Performances, Vorträgen,<br />
Workshops, einem wissenschaftlichen Salon<br />
sowie einer waschechten Geburtstagsparty<br />
war die Choreografin und Tanzwissenschaftlerin<br />
Veronika Blumstein: Eine Figur,<br />
die es gar nicht gibt. Sie wurde während<br />
eines deutsch-polnischen Austauschtreffens<br />
im Septe<strong>mb</strong>er 2005 im polnischen Jagniatkow<br />
erdacht. Für das Festival bot sie nun die<br />
Projektionsfläche, um in unterschiedlichen<br />
künstlerischen Projekten, Diskussionen und<br />
praktischen Übungen über neue Spielräume<br />
in künstlerischer Arbeit, Choreografie und<br />
Tanz zu Beginn des 21. Jahrhunderts nachzudenken.<br />
Sie werden feststellen, dass Veronika<br />
Blumstein in jedem Festivalbeitrag neu zu<br />
entdecken und kennen zu lernen sein wird.<br />
Gleichzeitig war das Festival ein Geburtstagshappening<br />
in doppelter Hinsicht: Das internationale<br />
Künstlerkollektiv Blumstein Group<br />
feierte seine Gründung und der Club der Polnischen<br />
Versager aus Berlin lud anlässlich des<br />
66. Geburtstags der Kosmopolitin Veronika<br />
Blumstein zu einer großen Party ein. Seien<br />
Sie bei diesem historischen Ereignis dabei,<br />
schauen Sie zu, besuchen Sie die Workshops,<br />
diskutieren und erfinden Sie mit. Vor allem<br />
aber feiern Sie mit uns. Namhafte Künstler<br />
aus Deutschland, Polen, Slowenien, Spanien<br />
und den USA waren an diesem Projekt beteiligt:<br />
Veronika Blumstein, Warschau, New<br />
York (Geburtstagskind), Lukasz Borkowski,<br />
Lublin (Medienkünstler und Wissenschaftler),<br />
Club der Polnischen Versager, Berlin (Musiker<br />
und Künstler), Dr. Kattrin Deufert, Ha<strong>mb</strong>urg<br />
(artist twin | Performerin), Dr. Kerstin Evert,<br />
Ha<strong>mb</strong>urg (Dramaturgin | Performerin), Helena<br />
Golab, Bilbao, Warschau (Tänzerin | Choreografin),<br />
Dr. Pawel Gozlinski, Warschau<br />
(Wissenschaftler | Redakteur), Angela Guerreiro,<br />
Ha<strong>mb</strong>urg (Tänzerin | Choreografin),<br />
Emil Hrvatin, Ljubljana (Performer | Wissenschaftler<br />
| Herausgeber), Isabel de Naverán,<br />
Bilbao (Medienkünstlerin | Performerin),<br />
Peter Pleyer, Berlin (Tänzer | Choreograf),<br />
Antje Pfundtner, Ha<strong>mb</strong>urg (Tänzerin | Choreografin),<br />
Thomas Plischke, Ha<strong>mb</strong>urg (artist<br />
twin | Performer), Dr. Karen Schaffman, San<br />
Diego (Tanzwissenschaftlerin | Performerin),<br />
Dr. Janine Schulze, Leipzig (Wissenschaftlerin<br />
| Performerin)<br />
info@blumsteingroup.net<br />
www.blumsteingroup.net<br />
34
ONE WORLD 2006 Berlin - Filmfestival<br />
Rosa Malsagova, Regisseurin aus Inguschetien,<br />
war eingeladen zum „ONE<br />
WORLD 2006 Berlin - Filmfestival für Menschenrechte<br />
und Medien“ ab 18.11. in Berlin.<br />
Am 22. Nove<strong>mb</strong>er war die Premiere des<br />
Films „Cassandra in Berlin“, den sie gemeinsam<br />
mit dem Berliner Regisseur Peter Krüger<br />
drehte.<br />
www.oneworld-fest.de<br />
Ruhrtriennale 2006 -<br />
19. August - 15. Oktober in NRW<br />
Im Mittelpunkt der zweiten Saison unter<br />
der Intendanz von Jürgen Flimm stand der<br />
Mensch des Barock. Das Programm spannte<br />
einen Bogen von den Religionskriegen des<br />
17. Jahrhunderts über die Weltentwürfe großer<br />
Künstler wie Rubens, Monteverdi und<br />
Shakespeare bis hin zu den Menschenrechtsund<br />
Globalisierungsdebatten unserer Tage.<br />
Auf den Bühnen ehemaliger Industriestätten<br />
des Ruhrgebiets wurden insgesamt 29 Produktionen<br />
gezeigt, davon viele Eigenproduktionen.<br />
Von den 13 großen Bühnenstücken<br />
wurden 9 an der Ruhr uraufgeführt oder neu<br />
inszeniert. Geprägt wurde das Programm<br />
von internationalen Künstlern wie David<br />
Pountney, Johan Simons, Vanessa Redgrave,<br />
Alan Titus, Peter Zadek, Alain Platel, Péter Esterházy,<br />
Neil Shicoff u.v.a.<br />
TANZNACHT BERLIN 2006<br />
Bei der vierten TANZNACHT BERLIN<br />
2006 am 16. Deze<strong>mb</strong>er traf sich eine Auswahl<br />
der interessantesten Choreografen<br />
der zeitgenössischen Tanzszene Berlins, um<br />
eigens für dieses Ereignis kreierte Choreografien,<br />
Installationen, Multimedia Projekte<br />
und Performances auf der Bühne und in<br />
den Räumen der Akademie der Künste vorzustellen.<br />
Erstmalig unter der künstlerischen<br />
Leitung von Heike Albrecht präsentierte das<br />
Programm Künstler, deren Namen bereits<br />
weit über die Grenzen Berlins bekannt sind<br />
wie z.B. Thomas Lehmen, Martin Nachbar,<br />
Two Fish, Johan Lorbeer und Wilhelm Groener.<br />
Darüber hinaus gab es jedoch auch<br />
Newcomer zu entdecken wie z.B. Jeremy<br />
Wade, der in New York den renommierten<br />
Choreografiepreis BESSY AWARD erhielt und<br />
erst vor kurzem in die Hauptstadt übergesiedelt<br />
ist. Im Vorfeld der TANZNACHT BERLIN<br />
2006 fand zum dritten Mal das Festival TANZ<br />
MADE IN BERLIN statt, zu dem in diesem<br />
Jahr eine Reihe neuer Spielorte hinzukamen.<br />
Auf insgesamt 16 Berliner Bühnen - darunter<br />
Tanzfabrik Berlin, HAU, Sophiensæle, Radialsystem,<br />
Fabrik Potsdam, Volksbühne Berlin,<br />
Schaubühne, Ballhaus Ost - wurden vom 1.<br />
– 17. Deze<strong>mb</strong>er abendfüllende Tanzsstücke<br />
gezeigt u.a. von Meg Stuart / Benoît Lacha<strong>mb</strong>re,<br />
Sasha Waltz & Guests, Toula Limnaois,<br />
Isabelle Schad und Michael Laub.<br />
www.tanznachtberlin.de<br />
spielzeiteuropa 06 | 07<br />
Mit der neuen künstlerischen Handschrift<br />
von Brigitte Fürle begann am 16. Nove<strong>mb</strong>er<br />
„spielzeiteuropa 06 | 07“. Der Titel „Alles<br />
wird gut“ als Motto der diesjährigen Saison<br />
versteht sich als Utopie und Provokation. Das<br />
Festival begann mit der gleichnamigen Fotoinstallation<br />
der lettischen Künstlerin Monika<br />
Pormale am Haus der Berliner Festspiele, in<br />
der Theater im Zeitstillstand bis an die Grenzen<br />
der Architektur des Festspielhauses sichtbar<br />
gemacht wird. Die großformatigen Fotos<br />
mit einander umarmenden Menschen werden<br />
während der gesamten Saison die Theaterbesucher<br />
begleiten. Ausnahmetheater gegen<br />
die gesellschaftliche Vereinsamung zeigt<br />
der hochbetagte Young @ Heart Chorus auf<br />
der Road to Nowhere. 28 old girls and boys<br />
aus Northampton/Massachusetts, zwischen<br />
71 und 93, singen und rocken ohne Berührungsängste.<br />
Drei herausragende internationale<br />
Theaterproduktionen waren im Nove<strong>mb</strong>er/Deze<strong>mb</strong>er<br />
zu sehen: „Gespenster“ in der<br />
Regie von Stéphane Braunschweig, mit Udo<br />
Samel als Pastor Manders, „The Andersen<br />
Project“ des Theatermagiers Robert Lepage<br />
als heutiges Alter ego von Hans Christian<br />
Andersen und ein Weihnachts-Highlight:<br />
Heiner Müllers bekanntestes Stück „Quartett“<br />
in der Pariser Inszenierung von Robert<br />
Wilson mit Isabelle Huppert als Merteuil.<br />
Diese Produktion, die soeben die Saison im<br />
renovierten Théâtre de l‘Odéon eröffnete,<br />
wird im deutschsprachigen Raum exklusiv<br />
im Haus der Berliner Festspiele zu sehen sein.<br />
Im Januar zeigt die Frankokanadierin Marie<br />
Brassard in Peepshow eine kaleidoskopartige<br />
Theaterwunderwelt über Phantasien, Körper-Manipulationen<br />
und sexuelle Phantasmagorien.<br />
Ebenfalls eine Koproduktion von<br />
spielzeiteuropa. Ende Januar kommen Pina<br />
Bausch und das Tanztheater Wuppertal nach<br />
Berlin und zeigen das von einem Aufenthalt<br />
im südkoreanischen Seoul inspirierte Stück<br />
„Rough Cut“: Verführungen zwischen Männern<br />
und Frauen als erotische Miniaturen und<br />
Momentaufnahmen, Sehnsuchts- und Tanzbilder<br />
von stiller, atemloser Schönheit. Darüber<br />
hinaus bietet die kommende spielzeiteuropa<br />
ein umfangreiches Rahmenprogramm<br />
mit Buchpräsentationen, Einführungsveranstaltungen,<br />
Publikumsgesprächen und einer<br />
Filmreihe mit dem kompletten Filmschaffen<br />
von Robert Lepage.<br />
Berliner Festspiele, Schaperstrasse 24,<br />
10719 Berlin.<br />
Tel. +49/30/25489-0,<br />
Fax +49/30/25489-111,<br />
giesker@berlinerfestspiele.de<br />
www.berlinerfestspiele.de<br />
Theater und Nouveau Cirque aus Frankreich<br />
in Berlin – März 2007<br />
Als Pendant zu der Ausstellungsreihe<br />
französischer Kunst ART FRANCE BERLIN im<br />
Herbst 2006 plant die Französische Botschaft<br />
in Deutschland in Zusammenarbeit mit<br />
CULTURESFRANCE und einigen der renommiertesten<br />
Theaterorte in Berlin für März<br />
2007 ein Festival der darstellenden Künste,<br />
welches Theater und zeitgenössischen Zirkus<br />
(„Nouveau Cirque“) aus Frankreich präsentieren<br />
wird. Das Festival lädt einige der interessantesten<br />
Vertreter des französischen Theaters<br />
und Nouveau Cirque nach Berlin ein,<br />
um über einen Zeitraum von drei Wochen einen<br />
umfassenden Einblick in die französische<br />
Kulturlandschaft zu ermöglichen. Das künstlerische<br />
Programm wird dabei von den Berliner<br />
Partnertheatern mitgestaltet: HAU – Hebbel<br />
am Ufer, Schaubühne am Lehniner Platz,<br />
Admiralspalast, Sophiensæle, Berliner Festspiele,<br />
Radialsystem. Diese Zusammenarbeit<br />
der Französischen Botschaft mit einigen der<br />
wichtigsten Theaterorte in Berlin und einer<br />
Vielzahl von national und international anerkannten<br />
französischen Theater- und Zirkusakteuren<br />
stellt eine einmalige Konzentration<br />
darstellender Kunst aus Frankreich in Berlin<br />
dar, die ihre Wirkung auf ganz Deutschland<br />
ausweiten soll. Theater: Regisseure, zeitgenössische<br />
Dramatiker, Performances. Das<br />
Theaterprogramm des Festivals wird zeitgenössische<br />
künstlerische Formen präsentieren,<br />
die sich durch ihre Aktualität und ihre Zusammenführung<br />
verschiedener Genres auszeichnen.<br />
Das vorläufige Programm schließt<br />
dabei folgende Künstler und Themen ein:<br />
Künstlerporträt – Le Théâtre des Lucioles:<br />
Das Schauspielerkollektiv Théâtre des Lucioles<br />
gilt als eine der avanciertesten, erfindungsreichsten<br />
und originellsten Compagnien<br />
in Frankreich und war beim diesjährigen<br />
Festival in Avignon und Festival d’Automne in<br />
Paris zu sehen. Es besticht durch seine grenzüberschreitende<br />
ästhetische und disziplinäre<br />
Vielseitigkeit, welche mit drei Gastspielen in<br />
Berlin präsentiert werden soll.<br />
Zeitgenössische Dramatiker: Der aus<br />
Argentinien stammende Autor Copi (1939-<br />
1987), der zu den außergewöhnlichsten<br />
Figuren des künstlerischen Milieus der 70er<br />
und 80er Jahre in Frankreich gehörte, soll<br />
hier ebenso präsentiert werden wie das Werk<br />
von Jean-Luc Lagarce (1957-1995), einer der<br />
meistgespielten zeitgenössischen Theaterautoren<br />
in Frankreich. Anlässlich von Lagarce’<br />
50. Geburtstag konzipiert die Schaubühne<br />
im Rahmen von F.I.N.D. – Festival Internationale<br />
Neue Dramatik ein Programm, welches<br />
Lagarce’ in Deutschland noch wenig bekannte<br />
Stücke ins Blickfeld rücken wird. Neben<br />
Lagarce und Copi wird Patrice Chéreau<br />
in einer Lesung das Werk von Hervé Guibert<br />
(1955-1991) würdigen.<br />
Performances – Bruch mit Theaterkonventionen:<br />
Präsentiert wird eine Generation<br />
junger Künstler, die sich vom dramatischen<br />
Text entfernt und sich genreübergreifend auf<br />
der Grenze zwischen bildender Kunst, Musik,<br />
Mode, Performance und Theater bewegt<br />
(Philippe Quesne, Sophie Perez, Leyla Rabih,<br />
Alexis Forestier, Art Point M).<br />
Nouveau Cirque – Zeitgenössischer französischer<br />
Zirkus: Der NOUVEAU CIRQUE entstand<br />
in den 80er Jahren in Frankreich und hat<br />
in der Folge weltweite Anerkennung für seine<br />
einmalige Pionierrolle und herausragende<br />
künstlerische Qualität erlangt. Er wagt den<br />
Bruch mit der konventionellen Zirkusästhetik<br />
und kreiert damit ein eigenes Genre: keine<br />
Folge von Zirkusnummern mehr, sondern<br />
dramaturgisch gearbeitete Vorführungen,<br />
die Zirkuselemente (Jonglage, Artistik etc.)<br />
mit Techniken der unterschiedlichsten Genres<br />
(zeitgenössischer Tanz, Musik, Performance<br />
etc.) verschmelzen. Aufführungen<br />
dieser spezifisch französischen Kunstrichtung<br />
sind in Deutschland, besonders in Berlin, bisher<br />
noch eine Seltenheit. Alle eingeladenen<br />
Compagnien gehören einer neuen Generation<br />
des französischen Nouveau Cirque an,<br />
die national und international anerkannt sind<br />
(Compagnie 111, Jean-Baptiste André, Compagnie<br />
Anomalie). Angefragt als Eröffnungsveranstaltung<br />
ist die Groupe F mit einem<br />
pyrotechnischen Open Air-Theaterspektakel<br />
auf dem Pariser Platz.<br />
Bureau du Théâtre et de la Danse,<br />
Kurfürstendamm 211, 10719 Berlin.<br />
Tel. + 49 30 885 902 52/58,<br />
btd@kultur-frankreich.de<br />
www.kultur-frankreich.de<br />
Meldungen<br />
35
Meldungen<br />
Deutsch-französisches Theaterfestival<br />
“Perspectives” 2007<br />
Das deutsch-französische Theaterfestival<br />
„Perspectives“ steht fortan unter einer neuen<br />
Leitung. Neuer Künstlerischer Leiter ist der<br />
Direktor des Kulturzentrums «La Condition<br />
Publique» in Roubaix, Stéphane Konopczynski.<br />
Der 38-jährige Franzose wird unterstützt<br />
von Sylvie Hamard, die derzeit eine deutschfranzösische<br />
Theateragentur leitet. Erstes Ziel<br />
sei, das Festival im kommenden Jahr wieder<br />
für ein breiteres Publikum attraktiv zu machen,<br />
nachdem in diesem Jahr ein Rückgang<br />
bei den Besucherzahlen zu verzeichnen war,<br />
sagten Konopczynski und Hamard in Saarbrücken.<br />
Die «Perspectives» sollen im kommenden<br />
Jahr vom 8. bis 16. Juni in Saarbrücken<br />
stattfinden. Die Arbeit am konkreten<br />
Programm soll nächste Woche beginnen.<br />
«Wir wollen das Gefühl wieder wecken, dass<br />
die ganze Stadt eine Woche für und mit dem<br />
Festival lebt», sagte Hamard. Ziel bleibe, die<br />
«Perspectives» als experimentelles Festival<br />
weiterzuentwickeln. Neben den Bereichen<br />
Tanz und Theater sollen auch verstärkte Akzente<br />
auf französisches Chanson und Zirkus<br />
gelegt werden. Zudem will die neue Leitung<br />
auch neue Spiel- und Veranstaltungsorte erschließen.<br />
Die «Perspectivtes» als einziges<br />
deutsch-französisches Theaterfestival finden<br />
im kommenden Jahr zum 30. Mal statt.<br />
www.festival-perspectives.de<br />
POS<strong>ITI</strong>ONEN<br />
Berlin<br />
Frank Castorfs Vertrag als Intendant der Berliner<br />
Volksbühne am Rosa-Luxe<strong>mb</strong>urg-Platz in<br />
Berlin wurde bis 2010 verlängert. Der Berliner<br />
Kultursenator Thomas Flierl und Castorf<br />
haben die Vereinbarung im Oktober unterzeichnet,<br />
die Entscheidung war bereits 2005<br />
getroffen worden. Castorf, der 1951 in Ost-<br />
Berlin geboren wurde und an der Hu<strong>mb</strong>oldt-<br />
Universität Theaterwissenschaft studierte,<br />
übernahm 1992 die Intendanz der Volksbühne.<br />
Vier Jahre zuvor hatte er an diesem Haus<br />
mit «Das trunkene Schiff» nach Motiven von<br />
Paul Zech seine erste Berliner Inszenierung<br />
vorgestellt. Für sein Schaffen an der Volksbühne<br />
wurde Castorf in der Vergangenheit<br />
mehrfach als «Regisseur des Jahres» geehrt,<br />
auch andere Inszenierungen und das Theater<br />
wurden mit Preisen bedacht.<br />
Berlin<br />
Thomas Oberender soll Intendant des Deutschen<br />
Theaters werden. So sieht es der Vertrag<br />
vor, den Oberender mit dem früheren<br />
Kultursenator Thomas Flierl und im Einverständnis<br />
mit Berlins Regierendem Bürgermeister<br />
(der im neuen Senat auch das Kulturressort<br />
inne hat) aushandelte, und den Flierl vor<br />
seinem Ausscheiden noch paraphierte.<br />
Dresden<br />
Holk Freytag wird seine Arbeit als Intendant<br />
des Staatsschauspiels Dresden nach der Spielzeit<br />
2007/2008 beenden. Eine Verlängerung<br />
der Laufzeit wurde von der Sächsischen Ministerin<br />
für Wissenschaft und Kunst, Eva-Maria<br />
Stange, nicht vorgenommen.<br />
Hof<br />
Uwe Drechsel, konnte seinen Vertrag als Intendant<br />
des Theaters Hof bis 2012 verlängern.<br />
Der Stadtrat betonte, Drechsel habe<br />
die Gratwanderung zwischen künstlerischem<br />
Erfolg und wirtschaftlich rentabler Betriebsführung<br />
sehr gut gemeistert.<br />
Moers<br />
Ulrich Greb, wird seine Arbeit als Intendant<br />
am Schlossheater Moers (stm) laut Vertrag<br />
noch bis 2011 fortsetzen. Unter seiner<br />
Leitung erhielt das kleinste Stadttheater<br />
Deutschlands mehrere Auszeichnungen.<br />
Münster<br />
Der Vertrag von Wolfgang Quetes, Generalintendant<br />
der Städtischen Bühnen Münster<br />
seit 2004, wurde vom Rat der Stadt bis 2012<br />
verlängert. Von 1997 bis 2002 war er Intendant<br />
am Pfalztheater Kaiserslautern.<br />
Weimar<br />
Nike Wagner, bleibt dem Kulturfest Weimar<br />
nach ihrer Vertragsverlängerung mindestens<br />
bis 2007 erhalten. Seit drei Jahren leitet die<br />
Urenkelin Richard Wagner das Kunstfest der<br />
Klassikerstadt und hat es auf den Schwerpunkt<br />
Musik hin ausgerichtet.<br />
Wien<br />
Stefanie Carp, früher Chef-Dramaturgin und<br />
Co-Direktorin von Marthaler am Schauspielhaus<br />
Zürich, wird von 2008 bis 2010 Schauspieldirektorin<br />
der Wiener Festwochen. Das<br />
gab Intendant Luc Bondy bekannt. Bei den<br />
Wiener Festwochen folgt Carp Schauspieldirektorin<br />
Marie Zimmermann nach, die ab<br />
2008 die Intendanz der RuhrTriennale übernimmt.<br />
Wiesbaden<br />
Manfred Beilharz, Intendant des Hessischen<br />
Staatstheaters, verlängerte aufgrund der erfolgreichen<br />
Bilanz des Theaters seinen Vertrag<br />
bis 2014. Gelobt wurde von den Trägern des<br />
Staatstheaters das konstant hohe Niveau des<br />
Hauses. Die beiden internationalen Festivals,<br />
die Maifestspiele und Neue Stücke aus Europa,<br />
sollen auch in Zukunft einen besonderen<br />
Stellenwert haben.<br />
Wiesbaden<br />
Stephan Thoss wird neuer Ballettdirektor ab<br />
2007/08 am Staatstheater Wiesbaden. Thoss<br />
war zuletzt Ballettdirektor am Staatstheater<br />
Hannover und davor Ballettdirektor in Kiel.<br />
PERSONEN<br />
Theo Adam 80<br />
Der Dresdner Kammersänger und Opernregisseur<br />
feierte am 1. August seinen 80. Geburtstag<br />
und plant in naher Zukunft seinen<br />
Bühnenabschied. Der Gesangsschüler von<br />
Rudolf Dittrich erhielt 1949 ein Engagement<br />
an der Staatsoper Dresden, debütierte 1952<br />
in Bayreuth und wurde wenige Jahre später<br />
Kammersänger. Seinen internationalen<br />
Durchbruch erlangte er mit seinem Debüt<br />
an der Metropolitan Opera New York und<br />
als Opernregisseur mit Werken von Wagner,<br />
Mozart, Tschaikowski und Strauss. Außerdem<br />
war Theo Adam Mitglied der Akademie<br />
der Künste, des Deutschen Musikrates, der<br />
Semperoper und Honorarprofessor an der<br />
Hochschule für Musik Dresden. Weltruhm<br />
erlangte der Bassbariton vor allem als Interpret<br />
von Opern von Wagner und Strauss<br />
und als Interpret von Liedern von Brahms,<br />
Schubert, Strauss und Wolf sowie als Oratoriensänger.<br />
Dafür wurde er mit mehreren<br />
Auszeichnungen geehrt, u.a. mit der Großen<br />
Goldmedaille des Cercle National Richard<br />
Wagner, mit der Johannes-R.-Becher-Medaille<br />
und mit dem Bundesverdienstkreuz.<br />
Jenny Gröllmann<br />
Die Schauspielerin ist am 9. August im Alter<br />
von 59 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Die<br />
Tochter der Theaterfotografin Gertrud Gröllmann<br />
und ihrem Mann Otto, einem Bühnenbildner,<br />
war 26 Jahre am Maxim-Gorki-<br />
Theater engagiert. Ihren Erfolg verdiente sie<br />
sich u.a. durch ihre Darstellung selbständiger<br />
junger Frauen in Gegenwartsstücken. Sie war<br />
aber nicht nur auf der Bühne, sondern auch<br />
in zahlreichen Fernsehserien zu sehen.<br />
Hans Werner Henze 80<br />
Der meistgespielte lebende Opernkomponist<br />
sowie führender Sinfoniker seiner Generation<br />
hatte am 1. Juli seinen 80.Geburtstag. Nach<br />
seinem Musikstudium in Braunschweig lebte<br />
er an verschiedenen Orten in Italien. Nach<br />
mehreren musikalischen Stationen debütierte<br />
er 1952 in Hannover mit seiner Oper „Boulevard<br />
Solitude“; mit der Oper „Der junge Lord“<br />
gelang ihm der internationale Durchbruch.<br />
Der sich seiner politischen Verantwortung<br />
bewusste Künstler gründete das Musikfest<br />
in Montepulciano, wobei er nach Auseinandersetzungen<br />
mit dem Stadtrat von dessen<br />
Leitung zurücktrat. 1992 gründete er die<br />
Münchner Biennale für Neues Musiktheater,<br />
die er sechs Jahre leitete. Momentan arbeitet<br />
er an seinem 13. Bühnenwerk „Phädra“,<br />
welches 2007 in der Staatsoper unter den Linden<br />
in Berlin uraufgeführt werden soll.<br />
Karl-Ernst Hermann 70<br />
Der Bühnenbildner feierte am 12. August<br />
seinen 70. Geburtstag. Nachdem er in den<br />
80er Jahren zusammen mit seiner Frau auch<br />
Opern inszenierte, kam er 1961 zu Kurt Hübner<br />
nach Ulm. Nach Gerhard Stadelmaier sei<br />
er „zusammen mit Wilfried Minks der Bühnenbildner<br />
des damals neuen, jungen Theaters<br />
[geworden], das versuchte, die neue<br />
Gesellschaft in den alten Stücken wieder zu<br />
finden.“ Seine Räume seinen immer „weiter<br />
als die Dramaturgie“ gewesen. Eine seiner<br />
jüngsten Arbeiten war das Bühnenbild zu<br />
John Fosses „Schlaf“ bei den Wiener Festwochen.<br />
Ivan Nagel 75<br />
Der Schriftsteller, Kritiker, früherer Theaterintendant<br />
und Präsident des <strong>ITI</strong>, heute dessen<br />
Ehrenmitglied feierte am 28. Juni seinen 75.<br />
Geburtstag. Der gebürtige Ungar arbeitete<br />
mit Regisseuren und Schauspielern wie Rudolf<br />
Noelte, Claus Peymann, Peter Zadek,<br />
Will Quadflieg, Ulrich Wildgruber, Ute Lemper<br />
und Barbara Sukowa zusammen. Nagel<br />
leitete das Ha<strong>mb</strong>urger Schauspielhaus und<br />
das Württe<strong>mb</strong>ergische Staatsschauspiel in<br />
Stuttgart, bevor er als Professor an die Berliner<br />
Hochschule der Künste berufen wurde.<br />
Für die Spielzeit 97/98 leitete er das Schauspiel<br />
der Salzburger Festspiele. Bekannt geworden<br />
ist er nicht allein mit seiner Theaterarbeit,<br />
sondern auch mit seinen Büchern<br />
über Kunst und Theater sowie mit seinen politischen<br />
Streitschriften, wobei sein neuestes<br />
Buch „Drama und Theater. Von Shakespeare<br />
bis Jelinek“ dieses Jahr im Carl Hanser Verlag<br />
36
erschienen ist. Ivan Nagel wurde mit dem<br />
Ernst-Bloch-Preis und mit dem Heinrich-<br />
Mann-Preis ausgezeichnet.<br />
Heidrun Schwaarz<br />
Die langjährige Ballettdirektorin der Vereinigten<br />
Städtischen Bühnen Krefeld und<br />
Mönchengladbach, ist in der Nacht vom 24.<br />
auf den 25. August im Alter von 63 Jahren<br />
völlig unerwartet in Constanta, Rumänien,<br />
gestorben. Zum dortigen Theater war sie<br />
für die Einstudierung des Balletts „Max und<br />
Moritz“ gemeinsam mit ihrem Mann, dem<br />
Tänzer Igor Kosack, gereist. An dem Gemeinschaftstheater<br />
hatte sie zahlreiche Ballette<br />
geschaffen und bedeutende Produktionen<br />
an den Niederrhein geholt. In der letzten<br />
Spielzeit hat Heidrun Schwaarz ihre letzte<br />
Choreografie, „Die Windsbraut“, kreiert, die<br />
am 13. Oktober Premiere hatte. Zu diesem<br />
Anlass möchte das Gemeinschaftstheater seiner<br />
ehemaligen Ballettchefin gedenken.<br />
PREISE<br />
Nestroy<br />
Der diesjährige „Nestroy“ (Ende Nove<strong>mb</strong>er<br />
verliehen), der österreichische Theaterpreis<br />
wurde an die Burgtheaterinszenierung von<br />
Nestroys „Höllenangst“ vergeben, auch wurde<br />
Nicholas Ofzcarek für die Darstellung des<br />
Wendelin zum besten Schauspieler gekürt,<br />
an Martin Zehetgruber ging der Preis für die<br />
beste Ausstattung, beides in selbigem Stück.<br />
Karin Beier erhielt die Auszeichnung für die<br />
beste Regie für ihre Inszenierung von Maxim<br />
Gorkis „Kleinbürger“ im Akademietheater,<br />
Edith Clever wurde für ihre ältere Frau in Jon<br />
Fosses „Schlaf“ im Akademietheater als beste<br />
Schauspielerin geehrt, der Preis für die beste<br />
Nebenrolle ging an Gertrud Roll für die<br />
Darstellung der Gräfin in Peter Turrinis „Bei<br />
Einbruch der Dunkelheit“ im Stadttheater<br />
Klagenfurt und Nuran David Calis konnte als<br />
„Bester Nachwuchs“ den Nestroy für seine<br />
rasante „Räuber“-Inszenierung am Wiener<br />
Volkstheater abholen. Walter Schmidinger<br />
wurde für sein Lebenswerk geehrt.<br />
ARCHANGEL<br />
Die am Festspielhaus Hellerau ansässige<br />
Theatergruppe DEREVO wurde auf dem<br />
Edinburgh International Festival mit dem AR-<br />
CHANGEL des The Herald ausgezeichnet.<br />
INTHEGA<br />
Alexander May, der bekannte Theater-, Filmund<br />
Fernsehschauspieler, wurde für sein<br />
bisheriges Lebenswerk mit dem Sonderpreis<br />
2006 des Vorstands der Interessengemeinschaft<br />
der Städte mit Theatergastspielen<br />
(INTHEGA) während deren Herbsttagung in<br />
Goslar ausgezeichnet. Ellen Schwiers erhielt<br />
den 1. Preis der Kategorie Schauspiel, mit<br />
der die Mitglieder der Interessengemeinschaft<br />
der Städte mit Theatergastspielen<br />
(INTHEGA) die Produktion „Martha Jellneck“<br />
von Beate Langemaack und Knut Koch ausgezeichnet<br />
haben.<br />
Premio Caixa Catalunya<br />
Bash Street Theatre aus Großbritannien wurde<br />
für die Produktion Cliffhanger! mit dem<br />
Premio Caixa Catalunya 26. FIRA ausgezeichnet.<br />
Preise wurden auch an Pan.Optikum<br />
(Deutschland) für „Orpheus“ und Companhia<br />
de Danca de Almada (Portugal) für „Submersa<br />
do Meu Ser“ verliehen.<br />
Young Directors Project<br />
Der 28-jährige Regisseur Davin Bösch erhielt<br />
den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis<br />
des internationalen Regiewettbewerbs<br />
„Young Directors Project“ bei den Salzburger<br />
Festspielen.<br />
Rowohlt-Preis<br />
Der Shakespeare-Übersetzer Frank Günther<br />
erhält den Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-<br />
Preis 2006. Die Jury-Mitglieder Helmut Frielinghaus,<br />
Hans Georg Heepe, Dr. Michael<br />
Naumann, Dieter E. Zimmer und Nikolai<br />
Hansen lobten ihn für die „sprachliche Genauigkeit<br />
und die Shakespeare’sche Lebendigkeit“<br />
seiner Übersetzungen.<br />
Förderpreis NRW<br />
Der aus Gelsenkirchen stammende Opern-<br />
Regisseur Immo Karaman wurde mit dem<br />
Förderpreis des Landes NRW für junge Künstlerinnen<br />
und Künstler 2006 in der Sparte<br />
Theater/Regie/Schauspiel/Gesang geehrt.<br />
Joachim Herz, einer der bedeutendsten<br />
Opernregisseure des letzten Jahrhunderts,<br />
der kürzlich seinen 82. Geburtstag feierte,<br />
wurde mit dem mit 25.000 Euro dotierten<br />
Saeculum-Preis geehrt.<br />
Boy-Gobert-Preis<br />
Julia Nachtmann vom Deutschen Schauspielhaus<br />
in Ha<strong>mb</strong>urg erhielt den Boy-Gobert-<br />
Preis 2006 als beste Nachwuchsschauspielerin.<br />
Die jährlich durch die Körber-Stiftung<br />
verliehene Auszeichnung ist mit 10.000 Euro<br />
dotiert<br />
Kleist-Förderpreis<br />
Der Berliner Autor Dirk Laucke wird für sein<br />
Stück „alter ford escort dunkelblau“ mit dem<br />
Kleist-Förderpreis für junge Dramatiker 2006<br />
ausgezeichnet. Damit ist er der elfte Preisträger<br />
des renommierten Nachwuchspreises,<br />
der neben einem Preisgeld von 7.670 Euro<br />
auch eine Uraufführungsgarantie beinhaltet.<br />
Der Preis wird ausgelobt von der Dramaturgischen<br />
Gesellschaft und der Stadt Frankfurt.<br />
Kritikerpreis<br />
Der Verband der deutschen Kritiker vergab in<br />
Frühjahr die Kritikerpreise 2006 – im Bereich<br />
Tanz an den Choreografen und Bildenden<br />
Künstler VA Wölfl, im Bereich Theater an den<br />
Regisseur Jürgen Gosch sowie einen Ehrenpreis<br />
an Werner Düggelin.<br />
Wichtigste Choreografen<br />
Jérôme Bel und Xavier le Roy sind nach einer<br />
Kritikerumfrage der Fachzeitschrift ballet-tanz<br />
die wichtigsten Choreografen der Spielzeit<br />
2005/06. Gelobt wurden Bels Zusammenarbeit<br />
mit dem thailändischen Tänzer Puchet<br />
Klunchun und Le Roys Berliner Produktion<br />
„Mouvements für Lachenmann. Inszenierung<br />
eines Konzertabends.“ Der Choreograf<br />
William Forsythe wurde von den Kritikern für<br />
seine „Three Atmospheric Studies“ gewürdigt<br />
und die Gründung der „Forsythe Company“<br />
in Frankfurt und Dresden.<br />
Kulturgroschen<br />
Der Deutsche Kulturrat hat seinen Kulturgroschen<br />
an den Generalmusikdirektor der Berliner<br />
Staatsoper Unter den Linden, Daniel Barenboim<br />
verliehen. Damit wird das große Engagement<br />
von Barenboim für die Künste, für den interkulturellen<br />
Dialog und für die nachhaltige Förderung<br />
von Kultur gewürdigt.<br />
Dramatiker-Preis des Kulturkreises<br />
Der Thüringer Thomas Freyer (25) erhält<br />
2006 den Dramatiker-Preis des Kulturkreises<br />
der deutschen Wirtschaft im BDI, der in diesem<br />
Jahr in Kooperation mit dem Schauspielhaus<br />
Hannover vergeben wird. Freyer erhält<br />
7.500 Euro und den Auftrag, ein neues Stück<br />
zu schreiben.<br />
Mülheimer Dramatikerpreis<br />
Den Mülheimer Dramatikerpreis 2006 erhält<br />
René Pollesch für „Cappuccetto Rosso“<br />
in der Inszenierung der Volksbühne Berlin /<br />
Salzburger Festspiele. Die Jury diskutierte ihre<br />
Entscheidung in öffentlicher Sitzung und votierte<br />
mit drei Stimmen für Pollesch.<br />
Playwrights Forum<br />
Wie vermeldet hatte das International Playwrights<br />
Forum des <strong>ITI</strong> auch 2006 wieder einen<br />
internationalen Stücke-Wettbewerb ausgeschrieben<br />
– gemeinsam mit der ASSITEJ<br />
galt das Interesse Stücken für Kinder und<br />
Jugendliche. Der erste Preis für Stücke für ein<br />
jüngeres Kinderpublikum ging an „AARH!”,<br />
von Vladimir Oravsky und Kurt Peter Larsen<br />
(Schweden), als Stück für „ältere“ Kinder<br />
wurden “Lillie” von Irene N. Watts (Kanada)<br />
und „Un Grand Père Formidable” von Muriel<br />
Parmelan (Frankreich) geehrt.<br />
Offenbacher Löwe<br />
Der Bühnenbildpreis „Offenbacher Löwe<br />
2006“ wurde am 19. Nove<strong>mb</strong>er an Susanne<br />
Hiller für ihren Projekt: „Black Box“ verliehen.<br />
Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst<br />
Der Komponist und scheidende Intendant<br />
der Salzburger Festspiele Peter Ruzicka wurde<br />
von dem österreichischen Bundeskanzler<br />
Wolfgang Schüssel mit dem Ehrenkreuz für<br />
Wissenschaft und Kunst erster Klasse ausgezeichnet.<br />
Außerdem erhielt er den erstmalig<br />
von der Bayerischen Akademie der Schönen<br />
Künste verliehenen und mit 10.000 Euro<br />
dotierten Preis „Neues Hören“ für die gelungene<br />
Vermittlung zeitgenössischer Musik,<br />
der künftig im Rahmen der Münchner Biennale<br />
vergeben werden soll.<br />
Experimentales Theater Kairo<br />
Das 18. Internationale Festival des Experimentalen<br />
Theaters in Kairo (vom 10. bis<br />
20. Septe<strong>mb</strong>er 2006) mit seiner eher koordinierten<br />
als kuratierten Programmfülle hat<br />
zum Abschluss zahlreiche Preise verliehen.<br />
Als beste Vorstellung wurde „Romeo und<br />
Julia“ vom russischen Theater Moon ausgezeichnet,<br />
als beste Regie Sureen Sharedyans<br />
„Psychosis 4.48“, als beste Schauspielerin Bayan<br />
Shibib aus Palästina, als beste Schauspieler<br />
Fayezqozoq and Nadil AlSigary aus Syrien<br />
geehrt. Das beste Bühnenbild gehörte zu<br />
”The Crucible” von der japanischen Chinten<br />
Group und als bestes Ense<strong>mb</strong>le beeindruckte<br />
das Ense<strong>mb</strong>le von Moon. Namen, die man<br />
sich merken sollte.<br />
Shakespeare-Preis<br />
Der walisische Sänger Bryn Terfel erhält den mit<br />
20.000 Euro dotierten Shakespeare-Preis der gemeinnützigen<br />
Alfred Toepfer Stiftung.<br />
In einer Umfrage unter 50 Kritikern aus dem Inund<br />
Ausland ermittelte die Fachzeitschrift Opernwelt<br />
das „Opernhaus des Jahres 2006“. Die Staatsoper<br />
Stuttgart erhält den Titel zum sechsten Mal<br />
nach 1994, 1998, 1999, 2000 und 2002.<br />
Konrad-Wolf-Preis<br />
Meldungen<br />
37
Der Intendant des Schauspiels Leipzig, Wolfgang<br />
Engel, wird mit dem Konrad-Wolf-Preis<br />
2006 der Berliner Akademie der Künste ausgezeichnet.<br />
Seit mehr als 30 Jahren präge<br />
Engel (63) die deutsche Theaterlandschaft.<br />
Seine Inszenierungen, insbesondere im<br />
Dresden der 80er Jahre, hätten in politisch<br />
dogmatischer Zeit Zuversicht, Heiterkeit,<br />
Hoffnung und Esprit vermittelt, hieß es am<br />
Montag zur Begründung der Akademie.<br />
MEDIEN / INTERNET<br />
The World of Theatre / Le Monde du<br />
Théâtre 2006 erschienen<br />
In der neunten Ausgabe der <strong>ITI</strong>-Publikation<br />
geben Artikel aus 48 Ländern einen Überblick<br />
über die vergangenen zwei Spielzeiten<br />
und berichten von <strong>ITI</strong>-Projekten in den einzelnen<br />
Ländern. Dank des Engagements des<br />
<strong>ITI</strong> Communication Committee (insbesondere<br />
von Nicole Leclercq aus dem Zentrum<br />
der französischen Gemeinschaft in Belgien)<br />
erscheint die aktuelle Ausgabe sowohl auf<br />
Englisch wie in französischer Sprache. Den<br />
deutschen Beitrag schrieb der freie Journalist<br />
Hartmut Krug. Zu bestellen ist „World of<br />
Theatre“ zum Preis von 25 Euro (inklusive<br />
Versand).<br />
General Secretariat of the International Theatre<br />
Institute, UNESCO, 1 rue Miollis, 75732<br />
Paris cedex 15, France. iti3@unesco.org<br />
40 FRAGEN AN EINE ROLLE<br />
40 FRAGEN AN EINE ROLLE eine Methode<br />
zur selbstständigen Erarbeitung der Rolle aus<br />
dem Russischen übersetzt von Ruth Wyneken,<br />
herausgegeben von Christine Schmalor 160<br />
Seiten mit 12 Arbeitsskizzen des Autors. Der<br />
Autor, Regisseur und Schauspielpädagoge<br />
Prof. Dr. Jurij Alschitz hat nach dem großen<br />
Erfolg „Die Vertikale der Rolle“ ein weiteres<br />
Handbuch für die tägliche Schauspielpraxis<br />
geschrieben. Wieder steht die Selbstständigkeit<br />
der Schauspieler als den Protagonisten<br />
eines modernen lebendigen Theaters im Vordergrund.<br />
Regisseure und Pädagogen finden<br />
Anregung und Unterstützung für die eigene<br />
Vorbereitung und den Probenprozess. Eine<br />
Methode der Fragen? Eine Frage der Methode.<br />
Das ganze Theatersystem, jede Methode,<br />
die hier vorgeschlagene inbegriffen, hat nur<br />
dann Sinn, wenn sie künstlerisch und nicht<br />
dogmatisch aufgefasst wird. Es erwartet Sie<br />
ein Buch der Fragen und nicht der vorgefertigten<br />
Antworten. Fragen sollen als Schlüssel<br />
zum Wesentlichen dienen. Die Technik,<br />
Fragen an eine Rolle zu stellen, bereichert<br />
Schauspieler und Regisseure um die seltene<br />
aber vitale Qualität, eigene frühere Ideen zu<br />
hinterfragen und mit sich selbst eine Perestroika<br />
anzuzetteln. Riskieren Sie es, und Sie<br />
werden eine wunderbare Welt in der Rolle<br />
entdecken, voll der verschiedensten Rätsel<br />
und Geheimnisse, die Tausende von Antworten<br />
in sich tragen. Manchmal erhalten wir sie<br />
in der ersten Sekunde, manchmal nie.<br />
akt.zent@berlin.de<br />
www.theatreculture.org<br />
RESIST! Special DVD-Edition<br />
Special DVD-Edition RESIST! 35mm-Dokumentarfilm<br />
über das Living Theatre von<br />
Dirk Szuszies 90 Minuten, englische Originalfassung<br />
mit deutschen, französischen,<br />
italienischen und spanischen Untertiteln.<br />
Preisgekrönter, international gefeierter Film<br />
über die charismatische Judith Malina und<br />
ihr legendäres Living Theatre aus New York.<br />
Im Mittelpunkt stehen ihre Aktionen gegen<br />
Haß und Gewalt an zentralen Konfliktschauplätzen<br />
des Weltgeschehens: Ground Zero in<br />
New York, G8-Gipfel in Genua und Khiam,<br />
das ehemalige Strafgefangenenlager der israelischen<br />
Armee im Südlibanon.<br />
Judith Malina feierte am 8. Juni 2006 in<br />
der überfüllten Akademie der Künste in Berlin<br />
ihren 80. Geburtstag und diskutierte mit<br />
Christoph Schlingensief, Daniel Wetzel und<br />
Matthias Lilienthal über „Politisches Theater<br />
Heute“. Aufnahmen dieser Veranstaltung,<br />
einzigartiges Archiv- und umfangreiches<br />
Bonusmaterial ergänzen den Hauptfilm und<br />
machen die DVD-Edition zu einem kompakten<br />
Standardwerk für alle Film- und Theaterbegeisterte<br />
sowie politisch interessierte<br />
Zeitgenossen.<br />
Eigenverleih Karin Kaper, Berlin.Tel./Fax +49 30<br />
61507722, kaperkarin@web.de<br />
www.karinkaper.com<br />
SCÈNE 9<br />
Neue französische Theaterstücke<br />
Das Bureau du Théâtre et de la Danse der<br />
Französischen Botschaft in Berlin freut sich,<br />
den neunten Band der Theateranthologie<br />
Scène präsentieren zu dürfen. Seit diesem<br />
Jahr wird die Reihe in Zusammenarbeit mit<br />
dem Verlag Theater der Zeit herausgegeben<br />
und präsentiert sich so in etwas veränderter<br />
Gestalt. Wir freuen uns ganz besonders auf<br />
diese neue Zusammenarbeit. Die Reihe Scène<br />
veröffentlicht seit 1999 jährlich fünf ins Deutsche<br />
übersetzte Theaterstücke von französischsprachigen<br />
Autoren, seit 2000 unter der<br />
Herausgeberschaft von Barbara Engelhardt.<br />
Scène trägt damit wesentlich zur Förderung<br />
der zeitgenössischen französischen Dramatik<br />
in Deutschland bei, der sich das Bureau<br />
du Théâtre et de la Danse u.a. widmet. In<br />
der aktuellen Ausgabe Scène 9 finden sich<br />
die folgenden Stücke von Lancelot Hamelin,<br />
Sylvain Levey, Philippe Malone, Michel Simonot:<br />
„L’Extraordinaire tranquillité des choses“<br />
/ „Die außerordentliche Ruhe der Dinge“<br />
(Übersetzung: Ulrike Bokelmann Copi), „La<br />
Tour de la Défense“ / „Das Schlangennest“<br />
(Übersetzung: Uli Menke Didier-Georges Gabily),<br />
„Chimère et autres bestioles“ / „Chimäre<br />
und anderes Getier“ (Übersetzung: Barbara<br />
Engelhardt / Mohamed Kacimi), „Heiliges<br />
Land“ / „Terre sainte“ Übersetzung: Barbara<br />
Engelhardt, „Philippe Malone, III“ (Übersetzung:<br />
Bettina Arlt).<br />
Theateralmanach 2006/2007 ist<br />
erschienen<br />
Der Theateralmanach des Münchner<br />
Theateragenten Bernd Steets ist in diesem<br />
Jahr zum 15. Mal erschienen. Der Almanach<br />
bietet eine Vorausschau auf die kommende<br />
Spielzeit 2006/2007. Alle deutschsprachigen<br />
Theater, die selbst produzieren, sind darin<br />
erfasst. Der Theateralmanach beinhaltet<br />
Informationen zu Veränderungen an den<br />
Theatern (Intendantenwechsel etc.), zu den<br />
Etats der Theater, zum Personalstand, zu den<br />
Besucherzahlen der vergangenen Spielzeit<br />
und die Spielpläne 2006/2007 mit Premierendaten<br />
und den Regisseuren. Dazu kommt<br />
ein Überblick über die Theatersituation in<br />
den einzelnen Bundesländern und den großen<br />
Städten in Deutschland, Österreich und<br />
der Schweiz.<br />
ISBN 3 – 9808009 – 4 – 6<br />
Internationales Internet-Tanzfestival:<br />
SideBySide-net 2006<br />
Zehn Choreografen, die die Fachjury<br />
des SideBySide Art Center e.V. aus 189 Bewerbungen<br />
aus aller Welt als die Besten bewertete,<br />
präsentieren hier ihre tänzerischen<br />
Darbietungen. Dazu gehören Künstler aus<br />
Frankreich, Griechenland, Italien, Schweiz,<br />
Slowenien, Tschechien sowie aus verschiedenen<br />
Regionen Deutschlands. Zugleich<br />
führt der Verein gezielt Kinder an die Faszination<br />
des professionellen Tanzes heran und<br />
stellt dem Publikum eine Gruppe tanzinteressierter<br />
Düsseldorfer Grundschulkinder vor.<br />
Die Stücke der Choreografen sind für drei<br />
Monate (bis zum 29.1.2007) als Kurzvideos<br />
auf www.side-by-side.org zu sehen. Per internationaler<br />
Ausschreibung wurden Künstler<br />
dazu aufgerufen, einen Film aus dem<br />
Repertoire ihrer choreografischen Arbeiten<br />
einzusenden. Aus 189 Einsendungen wählte<br />
die internationale Fachjury des SideBySide<br />
Art Center e.V. zehn Darbietungen aus, deren<br />
Künstler sie mit je 500 Euro honoriert<br />
und zur Eröffnungsveranstaltung des Festivals<br />
nach Düsseldorf eingeladen hat. Zu den<br />
so Nominierten gehören Künstler aus Frankreich,<br />
Griechenland, Italien, Schweiz, Slowenien,<br />
Tschechien sowie aus verschiedenen<br />
Regionen Deutschlands: Otto Bubenicek<br />
(Ha<strong>mb</strong>urg Ballet), Mateja Bucar (Dum-Club,<br />
Ljubljana,Slowenien), Antonin Comestaz<br />
(Ha<strong>mb</strong>urg Ballet), Jacqueline Fischer (Theater<br />
der Klänge, Düsseldorf), Massimo Gerardi<br />
(movingtheatre.de, Köln), Rafaele Giovanola<br />
(Cocoondance, Köln), Heike Hennig (tanzscene,<br />
Leipzig), Claudia Küppers (Lalun Ense<strong>mb</strong>le,<br />
Düsseldorf), Iritha Kyriakopoulou<br />
(freelancer, Greece) und Maik Riebort (Tino<br />
Sehgal, Berlin).<br />
www.forum-freies-theater.de<br />
Kulturförderung online<br />
Im Herbst ging eine neue Datenbank<br />
zur Kulturförderung online. Ausgangspunkt<br />
war die Idee der Kulturstiftung der Länder,<br />
ein Informationszentrum für Kulturförderung<br />
aufzubauen. Die neue online-Datenbank<br />
wird Informationen über kunst- und kulturfördernde<br />
Stiftungen, Unternehmen und<br />
andere Institutionen allen Interessierten zugänglich<br />
machen. Die Frage, wer ein Theaterfestival<br />
unterstützt, welches Unternehmen<br />
Theaterprojekte mit Kindern fördert oder ob<br />
es für junge Ballettänzer genug Förderung<br />
gibt, sollte sich dann per Mausklick beantworten<br />
lassen. In einer Zweckgemeinschaft<br />
mit hervorragendem Ziel verbinden sich der<br />
Bundesverband Deutscher Stiftungen, der<br />
Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI<br />
und die Kulturstiftung der Länder.<br />
Deutsches Informationszentrum für Kulturförderung,<br />
Lützowplatz 9, 10785 Berlin.<br />
Tel. +49 30 2535 8566,<br />
informationszentrum@kulturfoerderung.org<br />
www.kulturfoerderung.org<br />
38
Tanz der Gedanken und Körperteile<br />
im Netz<br />
Mit corpus.net findet sich im Internet ein<br />
Magazin, das sich mit zeitgenössischen Perspektiven<br />
und Praktiken in Tanz, Choreografie<br />
und Performance auseinandersetzt – im Zusammenhang<br />
mit assoziierten Kunstsparten<br />
sowie den mit diesem weiten Feld verbundenen<br />
Körperdiskursen. Der Titel corpus ist<br />
eine Anspielung auf die Formulierung eines<br />
„Körpers des Sinns“ durch den französischen<br />
Philosophen Jean-Luc Nancy. Zur Zeit wird<br />
das Magazin noch überwiegend in deutscher<br />
Sprache geführt. Alle Texte allerdings,<br />
die die Redaktion auf Englisch erhält, werden<br />
in der Originalsprache auf die Site gestellt,<br />
um nichtdeutschsprachigen Neugierigen<br />
schon jetzt einige Möglichkeiten zu bieten,<br />
an corpus teilzuhaben. Die im ersten Ansehen<br />
vielleicht etwas eigenwillig anmutenden<br />
Rubriken Finger, Wirbelsäule, Zunge, Schuh<br />
und Rakete führen einerseits von den stereotypen<br />
Formulierungen der Informations-<br />
Website weg und verraten zum anderen bereits,<br />
worum es in corpus geht. Der FINGER<br />
mit seiner Sy<strong>mb</strong>olik der Indexikalität und<br />
der Schrift enthält Arbeiten zur Theorie und<br />
Essayistik (auch die Editorials), ferner Überlegungen<br />
zur Ermöglichung und Veröffentlichung<br />
von Kunst durch Kuratorenschaften,<br />
weiters die Verweisrubrik Service und das<br />
Forum, in das man sich einschreiben kann.<br />
In WIRBELSÄULE verbirgt sich das tragende<br />
Moment von Denken und Lexikalität, daher<br />
sind hier die Interviews, Portraits, das Archiv<br />
und die corpus-Enzyklopädie angelegt.<br />
Mit Sprache, Äußerung und Verbindung ist<br />
die ZUNGE zu assoziieren, also bringen wir<br />
in dieser Rubrik die Themenschwerpunkte,<br />
Kritiken, Literaturtips und (künftig) inhaltliche<br />
Kooperationen mit corpus hier unter.<br />
Und dann der SCHUH, das Objekt und seine<br />
Handhabung, die Technik und das Lernen,<br />
das Herholen des Anderen und die Pflege<br />
von Gastfreundschaft. Hier finden sich die<br />
corpus-Residencies, die Abteilung Techné<br />
mit Texten über Körpertechniken, Research<br />
und Pädagogik, und schließlich das Reflectory,<br />
in dem corpus Nachwuchskooperation<br />
und -entwicklung betreibt. Diese anagrammatische<br />
Anatomie wird durch die Rubrik<br />
RAKETE ergänzt, die geistesblitzhaft Raketen<br />
durch den Körper von corpus zischen lässt,<br />
so dass wir aufschrecken und fragen: „Was<br />
ist denn das?“ Was ist es also? Möglicherweise<br />
eine Art temporärer autonomer Zone...<br />
Zum Auftakt offeriert die Redaktion einen<br />
Themenschwerpunkt unter dem Titel „Der<br />
verstellte Körper“ nach einer Idee von Nicole<br />
Haitzinger mit Texten von Rainer Nägele,<br />
Krassimira Kruschkova, Rabih Mroué, Haitzinger<br />
und Helmut Ploebst. Ein weiteres Thema<br />
ist bereits in Planung und folgt im Februar<br />
2007. Ein praktisches Werkzeug für alle,<br />
die es betrifft, soll das corpus-Service sein.<br />
Mit Adressen, Veranstaltungstips, Blackboard<br />
und Jobbörse wird den Besucherinnen und<br />
Besuchern der Site Praktisches serviert – mit<br />
Links zu größeren Info-Maschinen. À propos<br />
Links: Ein Blick in die Reflectory-Abteilung<br />
zeigt, was die Nachwuchs-Autor(inn)en bei<br />
corpus.net im Web recherchiert haben. Last<br />
but not least rundet ein moderiertes Forum<br />
zum Thema Kollektivität den Inhalt auf.<br />
www.corpus.net<br />
theaterspielplan.at geht online<br />
theaterspielplan.at, das neue Onlineportal<br />
der österreichischen freien Theaterszene,<br />
ermöglicht nicht nur die Suche nach Premieren<br />
und aktuellen Produktionen, sondern<br />
auch nach Produktionen, die gerade nicht<br />
auf dem Spielplan stehen, nach Ense<strong>mb</strong>les,<br />
Personen und Spielorten und ist mit einem<br />
differenzierten Schlagwortregister versehen.<br />
Wo hat mein Lieblingsschauspieler mitgespielt,<br />
was hat meine Lieblingsregisseurin<br />
zuletzt inszeniert, wer in Salzburg arbeitet<br />
im Performancebereich zum Thema Mozart?<br />
www.theaterspielplan.at ermöglicht alle diese<br />
Recherchen, gleichzeitig entsteht ein umfassendes<br />
Archiv freier Theaterarbeit. Zusätzlich<br />
funktioniert die Website künftig als zentrale<br />
Datenschnittstelle: wer sich dort einträgt,<br />
dessen Produktion wird (voraussichtlich ab<br />
Herbst) an die Redaktion des Falter weitergeleitet,<br />
im online-Veranstaltungskalender des<br />
Falter aufscheinen und von dort an weitere<br />
15 Medienpartner des Falter - unter anderem<br />
den STANDARD - exportiert. Kooperationen<br />
mit weiteren zentralen österreichischen Kalendarien<br />
sind in Planung, ein Ticketsystem<br />
ist künftig integrierbar. Die dahinterliegende<br />
Datenbank „culturebase“ stammt vom Kulturserver.<br />
Viele im Kulturbereich tätige Organisationen<br />
nutzen sie bereits wie etwa die<br />
Berliner Spielstätten im gemeinsamen Internetauftritt:<br />
http://www.berlin-buehnen.de,<br />
dance germany (www.dance-germany.org),<br />
tanzkalender.de und andere angeschlossene<br />
Seiten.<br />
www.theaterspielplan.at<br />
World Theatre Directory online<br />
Eine Re-launch hat die online-Datenbank<br />
„World Theatre Directory“ erfahren. Neben<br />
praktischen Informationen über die <strong>ITI</strong>-Zentren<br />
werden von den beteiligten Nationen<br />
jeweils eine kurze essayistische Einführung<br />
zur nationalen Theatergeschichte und zu<br />
aktuellen Entwicklungen sowie konkreten<br />
Daten zu Festivals, Theaterhäusern sowie<br />
Ausbildungsmöglichkeiten, Informationszentren<br />
und Publikationen im Bereich der Darstellenden<br />
Künste geboten. Die Datenbank<br />
wurde mit Unterstützung der UNESCO-Abteilung<br />
für Kunst und Kultur aufgebaut und<br />
wird laufend von den nationalen Zentren<br />
aktualisiert.<br />
www.iti-worldwide.org<br />
www.freiekultur.de<br />
Auf der Seite www.freiekultur.de können<br />
Kunstschaffende und Artisten Jobs finden<br />
und ausschreiben, sich registrieren und mit<br />
eigenen Angeboten gefunden werden. Sie<br />
können, diskutieren, Fotos veröffentlichen,<br />
Infos beziehen und Fördermöglichkeiten recherchieren.<br />
Die Seite und das Forum wurden<br />
neu eingerichtet und stehen ab sofort<br />
zur Verfügung.<br />
www.freiekultur.de<br />
Meldungen<br />
39
Theatertexte<br />
Theater vor der Wahl<br />
Von Hedda Kage<br />
Mexiko im Wahlfieber, kaum ein Straßenbaum,<br />
an dem nicht mindestens drei Plakatgesichter<br />
der Präsidentschaftskandidaten<br />
oder ihrer regionalen Gouverneursanwärter<br />
baumeln. Richtiges Vertrauen scheint keiner<br />
der Prätendenten einzuflößen. Auch wenn<br />
der Subcommandante Marcos den jungen<br />
Leuten empfiehlt, gar nicht zu wählen, unter<br />
den Intellektuellen und Künstlern hat man<br />
sich dazu entschlossen: Am 2. Juli geht es zur<br />
Sache: Um keinen Preis die regierende PAN<br />
noch einmal an die Macht, um gar keinen<br />
Preis die Rückkehr der PRI! Also bleibt nur<br />
die Unterstützung der Wahlkampagne des<br />
von der PRI losgelösten, eine linke, radikal<br />
demokratische Option anbietenden Kandidaten<br />
Obrador. Im Fall seines Sieges geistern<br />
schon Namen für frei werdende Positionen<br />
in Kultur und Auswärtigen Angelegenheiten.<br />
Wird Victor Hugo Rascón-Banda, mehrfach<br />
ausgezeichneter Dramatiker und Erzähler<br />
und aktiver Präsident des Schriftstellerverbandes,<br />
der Nachfolger von Sari Bermudez<br />
im Amt des Secretario General von Conaculta?<br />
Spekulationen unter der Hand, ein pures<br />
Jonglieren mit Namen oder absehbares Revirement?<br />
Gewissheit herrscht nur darüber,<br />
dass alle gehen müssen, die bis jetzt führende<br />
Positionen im staatlichen Kulturbereich<br />
innehatten. So erwartete man mit Spannung<br />
die erste der Fernsehdebatten zwischen den<br />
Kandidaten, und war enttäuscht von den eingefrorenen<br />
Gesichtern der Macht: gestanzte<br />
Allgemeinplätze, billige persönliche Angriffe.<br />
Kein Wort zur Kultur! Wozu hatte Obrador<br />
eine Woche vorher die Spitzen der Kultur zu<br />
einem Gespräch eingeladen? Alles war da,<br />
was Rang und Namen hatte, doch konkrete<br />
Vorschläge waren nur von Rascón-Banda<br />
präsentiert worden. Von den anderen kamen<br />
nur „Träumereien“ – doch die mexikanischen<br />
„hornos“ sind keine „französischen Kamine“.<br />
Knallhart geht es zu in Chiapas und Antenco,<br />
wie aus Fernsehberichten und Artikeln der<br />
oppositionellen Zeitung „La Jornada“ zu ersehen<br />
ist. Das hässliche Gesicht Mexikos, gespiegelt<br />
in den schändlichen, von der Regierung<br />
zynisch zu „vereinzelten Übergriffen“<br />
heruntergespielten Menschenrechtsverletzungen<br />
der Polizei, vor allem gegen Frauen.<br />
Kein Wort von all dem in den maskenhaft<br />
vorgetragenen Diskursen der Präsidentschaftskandidaten,<br />
nur die Wiederholung<br />
gleich lautender Versprechungen. Flagge zu<br />
zeigen, wagte ausgerechnet ein vom Kulturministerium<br />
abhängiger Rundfunksender,<br />
Radio Educación, der vor jeder Wahlpropagandasendung<br />
in einer Endlosschleife immer<br />
wieder die gleiche Musik abspielen ließ, um<br />
die Austauschbarkeit der Phraseologie eindringlich<br />
zu Gehör zu bringen. Unter der Generaldirektion,<br />
Dr. Lidia Camacho, hat dieser<br />
Sender ein unverkennbares Profil entwickelt<br />
und mit der 6. internationalen Radiobiennale<br />
vom 15. bis 19. Mai 2006 erneut bewiesen,<br />
welche kulturelle und politische Bedeutung<br />
dem Rundfunk in Mexiko zukommt und<br />
welche Aufmerksamkeit dieser Kultursender<br />
weltweit genießt. In ihrem Buch „Una<br />
década de irradiar nuevas ideas sonoras. La<br />
historia de la Bienal Internacional de Radio“<br />
hat Lidia Camacho die Entwicklung von der<br />
ersten Idee bis zur Realisation der nunmehr<br />
6. Biennale mit sämtlichen Programmen und<br />
internationalen Teilnehmern, darunter viele<br />
deutsche Partner, dargestellt. Es gibt auf der<br />
Welt kein vergleichbares Forum der Reflexion<br />
des Mediums über sich selbst. Hochrangig<br />
besetzt, bezog es unüberhörbar Position angesichts<br />
der durch Korruption fatal verwässerten<br />
Fassung des neu zu verabschiedenden<br />
Rundfunk- und Fernsehgesetzes in Mexiko.<br />
Fraglich, ob die Intervention einiger Senatoren<br />
die Verabschiedung des Gesetzes vor<br />
der Wahl wird verhindern können. Ebenso<br />
fraglich, ob eine Verbesserung des Entwurfs<br />
nach der Wahl noch möglich sein wird.<br />
Auch Lidia Camacho rechnet damit, ihren<br />
Stuhl bei Radio Educacion räumen zu müssen.<br />
Und was wird aus Mario Espinoza, dem<br />
einfallsreichen Chef der Fonca (vergleichbar<br />
der Bundeskulturstiftung) und Initiator des<br />
internationalen Theatertreffens „Puerta de<br />
las Américas“, das vom 1. bis 4. Juni nun<br />
zum 3. Mal stattfand? Ihm ist es gelungen,<br />
Produzenten, Festivaldirektoren und Promotoren<br />
für Musik, Tanz und Theater aus aller<br />
Welt nach Mexiko einzuladen und mit der<br />
Vielseitigkeit künstlerischer Produktion seines<br />
Landes bekannt zu machen und in bewundernswertem<br />
logistischen Wettlauf zwischen<br />
Zeit und räumlichen Entfernungen in der<br />
mexikanischen Metropole einen breit gefächerten<br />
Programmüberblick – mit täglich 3-4<br />
Aufführungen für jede Sparte – zu bieten. Es<br />
brummte auf sämtlichen Kommunikationskanälen<br />
im Hotel Sheraton Centro Histórico,<br />
in dem drei Tage lang auf der Theatermesse<br />
in achtzig Boxen musikalische und performative<br />
Produktionen sich um das Interesse der<br />
internationalen Fachleute bemühten. Sinnvoller<br />
erschienen mir die Begegnungsplattformen,<br />
auf denen Autoren und Regisseure<br />
aus Mexiko mit Übersetzern und Promotoren<br />
aus Europa und den USA an drei Arbeitstischen<br />
in einen lebendigen Dialog gebracht<br />
wurden, nicht zuletzt Dank der vorzüglichen<br />
Moderation durch den Autor, Regisseur, Darsteller<br />
und Theaterwissenschaftler Luis Mario<br />
Moncada, den Dramatiker Edgar Chias und<br />
die jungen Theaterwissenschaftsstudentin<br />
Ximena Sanchez de la Cruz. “Nationaltheater“<br />
und „Förderung nationaler Dramaturgie<br />
im Kontext internationaler Begegnungen“<br />
waren die zentralen Themen der Arbeitsgespräche.<br />
Die Ergebnisse sollen zu präzisen<br />
40
Formeln komprimiert, als Kulturagenda, der<br />
neuen Regierung unterbreitet werden.<br />
Wie es um die Theaterbegeisterung der<br />
Mexikaner steht, lässt sich schwer abschätzen.<br />
Offensichtlich ist in der jungen Generation<br />
eine starke Neigung zum Theater mit<br />
entsprechendem Andrang an den Schauspielschulen<br />
festzustellen, doch die zahlreichen<br />
Säle sind für gewöhnlich schlecht<br />
besucht. Ganz anders als in Argentinien,<br />
scheint in Mexiko das Theater auf der Suche<br />
nach seinem Publikum zu sein.<br />
Theater in der UNAM<br />
Seit 2004 wird die zur UNAM gehörende<br />
Theaterhochschule von der Bühnenbildnerin<br />
und Professorin Monica Raya sehr streng und<br />
konsequent in ihrer Spielplanpolitik geleitet.<br />
Die Mehrzahl der 22 Produktionen, die während<br />
ihrer Amtszeit entstanden und in den<br />
verschiedenen Theatersälen gezeigt wurden,<br />
stammen von jungen Autoren und Regisseuren<br />
in Zusammenarbeit mit Absolventen<br />
und künstlerischen Lehrern der beiden unterschiedlichen<br />
Ausbildungsinstitute. Die CUT<br />
gilt als eindeutig bessere Ausbildungsstätte<br />
für Schauspieler. Die Ausbildung an der Theaterhochschule<br />
der UNAM ist vielleicht umfassender<br />
und akademisch anspruchsvoller,<br />
und mit dem Titel ist man besser dran, doch<br />
die Schauspielausbildung ist weniger intensiv.<br />
In jedem Fall ist es Monica Raya gelungen,<br />
wieder ein Publikum für die Theatersäle<br />
in der UNAM heranzubilden. Im Foro Sor<br />
Juana sehe ich vor ausverkauftem Haus die<br />
Nachmittagsvorstellung einer zu recht hoch<br />
gerühmten Peer Gynt Inszenierung von Carlos<br />
Corona. Bühnenbildlösung und Kostüme<br />
sind von einer außerordentlichen Phantasie,<br />
die Bearbeitung für 8 Darsteller in 40 Rollen<br />
stringent und humorvoll für eine zweieinhalb<br />
Stunden Aufführung mit einem jungen Star:<br />
Rodrigo Vazquez und einer ebenso überraschenden<br />
Laura Almela (als Ase, Gnomi und<br />
Fundidor). Eine beglückende Ense<strong>mb</strong>leleistung<br />
in dem wie ein Puppenhaus vielseitig<br />
bespielbaren Einheitsbühnenbild.<br />
Jede Gruppe muss sich um Projektmittel<br />
für ihre jeweils geplante Produktion bemühen<br />
und möglichst einen institutionellen<br />
Partner (INBA, UNAM oder HELENICO) finden<br />
und ggf. neue Räume anmieten, um den<br />
Erfolg anschließend überhaupt im Repertoire<br />
halten zu können. Wie soll sonst ein Gastspiel<br />
im Ausland im darauf folgenden Jahr zustande<br />
kommen? Meistens sind allerdings U<strong>mb</strong>esetzungen<br />
erforderlich, weil die Schauspieler<br />
inzwischen in weiteren Projekten engagiert<br />
sind. Umso wichtiger die Bemühungen um<br />
Gastspiele in anderen Provinzen im riesigen<br />
eigenen Land und um ausländische Koproduktionen,<br />
wie beim diesjährigen Cervantino<br />
Festival in Guanajuato (4. bis 22. Oktober)<br />
mit dem Londoner Royal Court.<br />
Allen ist klar, dass das Wahlergebnis am<br />
2. Juli für die Kulturfinanzierung und Kulturpolitik<br />
von entscheidender Bedeutung sein<br />
wird. Der Kandidat Obrador, wenn er denn<br />
wunschgemäß doch gewinnen sollte, muss<br />
mit Ideen versorgt werden, denn unter den<br />
Politikern der Parteien findet sich kein Experte<br />
auf diesem Sektor.<br />
Vieles erinnert mich an den Wahlkampf<br />
von Schroeder, der ja auch mit der Ernennung<br />
eines Beauftragten für Kultur seinen<br />
Wahlkampf 1994 „aufgehellt“ und für junge<br />
Wähler attraktiv gemacht hatte.<br />
Und dann geschieht am 2. Juli das Unglaubliche!<br />
0,53 % fehlen Obrador für den<br />
Sieg. Die Gerüchte überschlagen sich, die<br />
Beweise für den horrenden Wahlbetrug aber<br />
könnte nur die von ihm und seinen Anhängern<br />
geforderte erneute Auszählung aller<br />
Stimmen liefern. Das oberste Wahlgericht<br />
verweigert das und erklärt Calderon zum<br />
neuen Präsidenten, der Anfang Deze<strong>mb</strong>er<br />
die Nachfolge von Vicente Fox antreten soll.<br />
Leider haben die voreiligen Gegenaktionen<br />
Obradors (Besetzung des zentralen<br />
Platzes vor der Kathedrale, Straßenblockaden<br />
– noch bevor Calderon vom Wahlgericht<br />
zum Sieger ausgerufen war – usw.) die mexikanische<br />
Gesellschaft polarisiert.<br />
Wut und Enttäuschung über den erneuten<br />
Wahlbetrug versuchen Künstler wie<br />
Jesusa Rodriguez, eine der vielseitigsten Regisseurinnen/Darstellerinnen,<br />
in kulturelle<br />
Widerstandsaktionen umzusetzen. Frauen<br />
wie Jesusa und viele andere sind nicht bereit,<br />
noch einmal den Rückzug in geduldiges<br />
Abwarten anzutreten wie damals bei dem<br />
schon getürkten Wahlsieg von Fox, der die<br />
korrupte PRI, die Partei der immerwährenden<br />
Revolution - zwar abgelöst, doch nur durch<br />
ein ebenso korruptes neoliberales System<br />
ersetzt hat. Wenn Obrador sich ,wie inzwischen<br />
geschehen, am 20. Nov. zum Gegenpräsidenten<br />
erklärt, wenn Calderón am 1.<br />
Dez. offiziell die Präsidentschaft antritt, weiß<br />
niemand, was passieren, welche Formen der<br />
Widerstand evtl. annehmen kann. Andererseits<br />
gibt es auch unter den zuvor lautstarken<br />
Anhängern Obradors aus dem Kulturbereich<br />
durchaus mehrere, die sich bereits leise auf<br />
den Weg ins Lager der Macht aufgemacht<br />
haben, berichtet Jaime Chabaud, der umtriebige<br />
Autor und Chef der exzellenten Theaterzeitschrift<br />
„Paso de Gato“.<br />
Jesusa Rodriguez erzählt, dass sie nach<br />
zwanzig Jahren, ihres inzwischen zur Institution<br />
gewordenen, politischen Frauenkabaretts<br />
in Mexiko D.F. aus dem Bedürfnis nach<br />
einer anderen Form des unmittelbaren, politisch<br />
künstlerischen Dialogs begonnen hatte,<br />
in Chiappas mit Indigena-Frauen Theaterworkshops<br />
durchzuführen. Aus dieser Begegnung<br />
und der aktiven Beteiligung an der<br />
Wahlkampagne für Obrador ist wohl auch ihr<br />
Programm erwachsen, das ich beim Festival<br />
in Cadiz sehen konnte.<br />
„El Maiz“<br />
Ein gewagter Grenzgang zwischen Ritual<br />
und Kabarett der nackt, mit grüner Göttermaske<br />
auftretenden Jesusa. Sie bemalt<br />
ihren sy<strong>mb</strong>olischen Körper, das Land, das<br />
Maisfeld, die Wiege der Menschheit, den<br />
von genmanipulierten Angriffen bedrohten<br />
Körper, bemalt Arme, Beine und Gesicht,<br />
das schließlich die Maske des weißen Todes<br />
annimmt. Die von ihr z.T. in Nahoatl gesprochenen<br />
Verse werden von Liliane Felipe<br />
am Piano leider all zu sehr in dramatischen<br />
Gesang übersetzt, was die inszenatorisch<br />
überzeugendsten Verwandlungen der Jesusa<br />
beeinträchtigt. Ihre blauen Fußspuren<br />
malen eine Schneckenspirale auf dem unberührten<br />
weißen Papierfeld, um darunter zu<br />
kriechen, es zu durchstoßen, zu einem sie<br />
umhüllenden Brautkleid oder Leichentuch zu<br />
verwandeln, das endlich zu einem unbrauchbaren,<br />
schmutzig zerknüllten Abfallbündel<br />
verkommt. Ein Bravourstück ist ihre große,<br />
alle kabarettistischen Pointierungskünste aufbietende<br />
Darstellung der in ein Netz gekleideten,<br />
darin erstickenden Mestiza, die der<br />
Außenwelt den widersprüchlichen und mörderischen<br />
Schwachsinn ihres zerstörerischen<br />
Umgangs mit dem Mais vorhält. Geboren<br />
aus dem Bedürfnis, nicht die Denunziation,<br />
nicht die politische Namen nennende Anklagegeste<br />
auf die Bühne zu bringen, sondern<br />
theatralisch, d.h. sy<strong>mb</strong>olisch zu arbeiten,<br />
leidet dieser interessante Versuch dennoch<br />
an der Unausgeglichenheit der Mittel und<br />
verfängt sich in manchen Untiefen des politischen<br />
Kitsches.<br />
„Extras“<br />
ist eine Sondervorstellung im ausverkauften<br />
Teatro Julio Castillo. Sabina Bermans<br />
Inszenierung ruht auf zweien der Gebrüder<br />
Bichir, einem vor allem durch den Film berühmt<br />
gewordenen Trio, das wie die Reinkarnation<br />
der Marx Brothers zu den beliebtesten<br />
Darstellerikonen Mexikos gehört.<br />
Was die beiden Brüder auf der riesigen leeren<br />
Bühne mit einer fulminanten Lichtregie<br />
zusammenzaubern, ist ate<strong>mb</strong>eraubend professionell<br />
und engagiert und wirkungssicher.<br />
Sabina Bermans Bearbeitung macht das<br />
ursprünglich irländische Stück über illegal<br />
beschäftigte mexikanische Filmstatisten zu<br />
einem hinreißenden Erfolg. Die in Road-Movie-Manier<br />
sich abspulende Handlung, lässt<br />
die beiden Protagonisten in acht verschiedenen<br />
Rollen und unter Einbeziehung des<br />
Publikums so körperbetont, witzig, akrobatisch<br />
über die drei Lichtpodeste toben, dass<br />
man die Message mit bejahendem Lachen<br />
begrüßt. Im Schlussapplaus heben sie ein<br />
Schild hoch: „Muro no“ („Mauer weg“). Die<br />
beiden nordamerikanischen Produzenten,<br />
die diese Aufführung durch die USA schicken<br />
wollen, zeigen sich sichtlich bewegt. So gut<br />
kann politisches Theater sein ohne ein Wort<br />
zur aktuellen Politik zu sagen!<br />
„Mestiza Power“ von Saa‘s Tun ist eine<br />
narrative, beeindruckende Vorstellung und<br />
zeigt die andere, ebenso engagierte, Hälfte<br />
des mexikanischen Gesichts. Drei Frauen aus<br />
Tijuana erzählen aus ihrem Leben. Keine Folklore,<br />
sondern eine unsentimentale, erotisch<br />
aufgeladene, mit ganz einfachen Requisiten<br />
die Bühne über die Rampe verlängernde<br />
Darstellung mestizischen Lebens. Das Publikum<br />
jubelt. Alle verkrampften Problematisierungen<br />
von „Identität“ und „Wurzeln“<br />
erübrigen sich, wenn man eine solche Aufführung<br />
sieht.<br />
Für die Vorstellung „Un Ensayo sobre la<br />
inmovilidad“ des begabten Alberto Villareal<br />
und seiner inspirierten Truppe in einem leeren,<br />
alten Apartment, gibt es leider nur wenige<br />
Zuschauer. Alberto nutzt sein großzügiges<br />
Stipendium ausschließlich zum Schreiben<br />
und Inszenieren. Alle übrigen spielen<br />
auch noch in anderen Aufführungen, doch<br />
Albertos ungewöhnlicher Weg der theatralischen<br />
Forschung, der von einer jungen Theaterwissenschaftlerin,<br />
als Dramaturgin und<br />
Chronistin der Inszenierung von Kafkas „Die<br />
Verwandlung“ begleitet wird, macht das<br />
zentrale Interesse für sie aus. Im Gegensatz<br />
zum fulminanten Lichtzauber der Fura dels<br />
Baus spinnt Albertos mit ganz elementaren<br />
Mitteln zaubernde - Stühle, Tisch, Türen und<br />
Ventilator verwendende - Aufführung den<br />
Zuschauer in einen beängstigenden Bedeutungskokon<br />
ein, und kommt dem existentiellen<br />
Kern des Kafkatextes damit sehr nahe.<br />
Theatertexte / Berichte<br />
41
Theatertexte / Berichte<br />
Alberto Villareal ist es auch, der auf dem Theatermarkt<br />
von Puerta de las Américas sowohl<br />
die aus Buenos Aires eingeladene Aufführung<br />
von „Open House“ als auch generell die Arbeit<br />
seiner argentinischen Kollegen Veronese,<br />
Spregelburd und Tantanian vertritt. Das<br />
entspricht dem Konzept von bilateraler Zusammenarbeit<br />
zwischen Künstlern, die auch<br />
ästhetisch miteinander zu tun haben.<br />
Äußerst umstritten unter Theaterleuten<br />
ist die Aufführung von „Piel“ der Valdes Kuri<br />
Truppe „Teatro de Ciertos Habitantes“, die<br />
mit ihrer hoch gelobten Inszenierung von<br />
„Automobil Gris“ quer durch Europa getourt<br />
sind. „Piel“ von Ximena Escalante (Autorin<br />
von „Phädra und andere Griechinnen“) ist<br />
das Ergebnis eines kollektiven Probenprozesses,<br />
dessen Dialoge und Beziehungsmuster<br />
in Monate langen Improvisation entstanden<br />
sind. Die Autorin hat das Bestreben,<br />
diesen für sie nicht abgeschlossenen Arbeitsprozess<br />
– trotz der erfolgreichen Aufführung<br />
– schreibend weiter zu führen und Szenen<br />
hinzuzufügen: Eine Gruppe von fünf Freunden<br />
beschließt, den Geburtstag eines von ihnen<br />
mit einer physischen Untersuchung zum<br />
Thema „Haut“ zu begehen. Zwei Frauen,<br />
drei Männer lassen sich auf ein gefährliches<br />
Spiel ein und treiben sich wechselseitig an<br />
die äußersten Grenzen physischer und psychischer<br />
Verletzung. Auch wenn Kuris Eitelkeit<br />
der Perfektion die Balance etwas stört,<br />
die Inszenierung hat große Qualitäten in Dynamik<br />
und Fragilität der Beziehungen.<br />
„Un Ma<strong>mb</strong>o con la Catrina“<br />
Ist der Titel von Cordelia Dvorak szenischem<br />
Projekt. Seit sechs Jahren arbeitet<br />
die Deutsche erfolgreich in Mexiko als Bühnen-<br />
und Kostü<strong>mb</strong>ildnerin, als Dokumentarfilmerin<br />
und nun zum zweiten Mal als<br />
Theaterregisseurin. Ihr szenischer Totentanz<br />
erlebt seine Uraufführung in einer Basler<br />
Galerie am 2. Nove<strong>mb</strong>er im Rahmen eines<br />
„Diesseitsvomjenseits“ genannten kulturellen<br />
Austauschprogramms, das Toten-Rituale<br />
aus Mexiko und der Schweiz im Vergleich<br />
zeigt. Mit der aufregend verwandlungsfähigen<br />
Tänzerin Pilar Meckna, als weiblicher<br />
Tod, neben den beiden exzellenten Schauspielern,<br />
dem begnadeten Carlos Cobos, als<br />
Zeichner und Karikaturist Posada, und dem<br />
vielseitigen Arnoldo Picazzo, als dessen Lehrling<br />
und Freund, betritt der armlose Zwerg<br />
José Flores, Mundharmonikavirtuose und Vater<br />
von sieben groß gewachsenen Söhnen,<br />
zum ersten Mal in einer Theateraufführung<br />
die Szene. Seine zwischen Vogelwesen, Devotionalienengel<br />
und philosophierendem<br />
Clochard changierende Figur des Vermittlers<br />
zwischen beiden Welten, macht aus ihm eine<br />
Art Charon, der alle Tricks der Täuschung beherrscht,<br />
und verleiht diesem musikalischen,<br />
poetischen, volkstümlich grotesken und befremdlichen<br />
Spiel seinen berückenden Zauber.<br />
Beim Kulturfestival im März 2007 kann<br />
Cordelia Dvorak ihren szenischen Totentanz<br />
nach Mexiko zurückführen. Wer weiß, in was<br />
für ein Land?<br />
P.S.<br />
Die ersten Maßnahmen des am 1. Deze<strong>mb</strong>er<br />
offiziell ins Amt eingeführten Präsidenten<br />
Calderón betreffen eine drastische Kürzung<br />
des Kulturetats um 700 Millionen Pesos.<br />
Sämtliche Kulturinstitutionen haben zu<br />
einem zentralen Protestmarsch am 19. Deze<strong>mb</strong>er<br />
aufgerufen.<br />
Foto: Internationale Projekte<br />
des NRW KULTURsekretariats<br />
(siehe Seite 12)<br />
42
Reko Lundán (1969 – 2006)<br />
Wir haben einen Schriftsteller und einen<br />
Regisseur verloren, der sich für die kleinen<br />
Leute im Räderwerk der Gesellschaft einsetzte.<br />
Wir haben einen Künstler verloren,<br />
der in seinen Werken von den eigenen Erfahrungen<br />
und Beobachtungen aus seiner<br />
Umgebung auf eine so ersichtliche Weise<br />
Gebrauch machte, dass es bewegend und<br />
berührend war.<br />
Theatertexte / Berichte<br />
Stadttheater New York –<br />
neue deutsche Stücke und eine Kantine dazu<br />
Von Thomas Irmer<br />
Deutsche Stücke in Amerika - das ist lange<br />
her, dass Neues von Kroetz, Strauss oder<br />
Handke regelmäßig zur Kenntnis genommen<br />
und auch gespielt wurde. Vom Boom<br />
neuer europäischer Dramatik gelangen ins<br />
amerikanische Theater allenfalls Stücke aus<br />
England. Der Verein German Theatre Abroad<br />
(GTA), 1996 als ein mobiles transatlantisches<br />
Unternehmen zur Vermittlung deutscher Gegenwartsdramatik<br />
gegründet, simulierte im<br />
Mai vier Wochen lang ein kleines deutsches<br />
Stadttheater. Downtown Manhattan fand<br />
man im experimentierfreudigen HERE Arts<br />
Center einen Ort, der New Yorker Theaterkennern<br />
geläufig ist und eher die räumliche<br />
Nähe zur Kunstszene in Chelsea aufweist als<br />
zum kommerziellen Broadway. Das temporäre<br />
Theater war durch die Kantine zu betreten,<br />
mithin einer Einrichtung, die in amerikanischen<br />
Theatern wegen der erdrückenden<br />
Mietaufkommen kaum bekannt ist. Es ging<br />
also nicht allein um neue Stücke, sondern<br />
auch um die Vermittlung des „whole cultural<br />
construct“, als das die New York Times<br />
deutsches Theater vom amerikanischen unterscheidet.<br />
Jever-Pils und Gaffel-Kölsch, an<br />
der Wand die Porträts von fünfzig deutschen<br />
Intendanten, dazu natürlich Gespräche,<br />
auch als Podiumsdiskussionen angesetzt, bei<br />
denen zuerst ein paar Klischees ausgetauscht<br />
und anschließend abgeräumt wurden. Amerikanische<br />
Theaterleute etwa sprechen von<br />
einem deutschen Theaterwunderland, in<br />
dem man sich kaum um den Kartenabsatz<br />
sorgen müsste – weil das Publikum sowieso<br />
kommt und ansonsten die Subventionsvollversorgung<br />
jedes künstlerische Risiko garantiere.<br />
Deutsche Theaterexperten hingegen<br />
vermuten, das amerikanische Theater sei,<br />
von der New Yorker Avantgarde abgesehen,<br />
gänzlich unpolitisch; außerdem wird der<br />
mittlerweile stark gewachsene Stellenwert<br />
der regionalen Repertory Theatre, die in vielen<br />
größeren Städten der USA den Kern des<br />
Theaterlebens darstellen, hier zumeist ausgeblendet,<br />
wenn es um die deutsche Sicht auf<br />
das dortige Theater geht.<br />
Insofern war die GTA-Kantine in der Konzeption<br />
der Dramaturgin Birgit Lengers ein<br />
echter kulturpolitischer Ort dieses Stadttheaters.<br />
GTA hatte 1997 Klaus Pohls „Die schöne<br />
Fremde“ mit einer Lesung vorgestellt, ihr<br />
folgten über mehrere Jahre die NEW GER-<br />
MAN VOICES im Cherry Lane Theater als<br />
Festival neuer Dramatik. Für das Stadttheater<br />
entstanden nun zwei Inszenierungen: „Slipped<br />
Disc“ (Bandscheibenvorfall) von Ingrid<br />
Lausund mit amerikanischen Schauspielern<br />
in der Regie von Simone Blattner – die Wahl<br />
dieser Büro-Satire zielte auf ein Publikum,<br />
das mehrheitlich sein Tagwerk in Büros verrichtet<br />
und ohne Mühe einen verwandten<br />
Blick auf die Rituale der Hackordnung hinter<br />
geheuchelter Freundlichkeit gewinnen konnte.<br />
Roland Schimmelpfennigs „Die Frau von<br />
früher“ bot dagegen in der Regie von Daniel<br />
Fish schon weniger Vertrautes, zumal dieser<br />
junge Regisseur, der in England und den USA<br />
bereits auf eine beachtliche Zahl von Erstaufführungen<br />
verweisen kann, das Stück in einer<br />
expressiv-surrealen Stimmung enden ließ, die<br />
die Idee von deutschem Theater in Manhattans<br />
alternativer Szene als Gegensatz vergessen<br />
ließ. Selbstbewusst ironisch hatte sich das<br />
von Ronald Marx geleitete GTA-Stadttheater<br />
mit dem Slogan „No fun. No profit. No previews.“<br />
angekündigt und damit gleich drei<br />
landläufige Vorstellungen vom deutschen<br />
Theaterbetrieb selbst ins Spiel gebracht, was<br />
von der New York Times prompt aufgegriffen<br />
wurde. No fun wäre unfair, denn das<br />
Publikum habe sich bei „Slipped Disc“ gut<br />
amüsiert. Die im amerikanischen Theaterbetrieb<br />
üblichen Previews als Testlauf wären<br />
ohnehin nicht in Frage gekommen, und dass<br />
es nicht um Profit gehe, wurde eher kühl mit<br />
dem Hinweis kommentiert, das Stadttheater<br />
wäre „selbstverständlich“ von der deutschen<br />
Regierung finanziert. Überraschenderweise<br />
vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit,<br />
und nicht vom Goethe-Institut oder der Bundeskulturstiftung.<br />
Falk Richter (Electronic City), Rebekka<br />
Kricheldorf (The Ballad of the Pine Tree Killer),<br />
Meike Hauck (Dog Eats Grass) und Marius<br />
von Mayenburg (The Cold Child) wurden,<br />
ausgewählt von dem amerikanischen<br />
Dramaturgen Daniel Brunet und der einst für<br />
den Heidelberger Stückemarkt verantwortlichen<br />
Dagmar Domroes, in szenischen Lesungen<br />
vorgestellt. Mayenburgs Stück, das<br />
in London schon aufgeführt ist, wurde aus<br />
dem britischen Englisch ins amerikanische<br />
adaptiert – ein Beispiel für die manchmal<br />
seltsamen Wege deutscher Dramatik nach<br />
Amerika. Dort könnte nun der Faden wieder<br />
aufgenommen werden, der vor rund zwanzig<br />
Jahren fallengelassen wurde.<br />
Als Reko nach der Theaterhochschule<br />
seinen eigenen Stil, zu schreiben und Theater<br />
über Gesellschaftlichkeit und Subjektivität<br />
zu machen, fand, folgte bald Werk auf<br />
Werk. Reko war äußerst arbeitsam, zielstrebig<br />
und systematisch. Jeden Tag sammelte<br />
er Material, schrieb und trieb Sport, denn er<br />
war ein Freiluftmensch. Reko sah sich immer<br />
die Nachrichten an und las auch im Ausland<br />
die Zeitungen. Reko arbeitete ständig, sogar<br />
nachdem er krank geworden war, verarbeitete<br />
er seine Krankheit in seiner Arbeit.<br />
Während vier Jahren haben wir zusammen<br />
mit Reko das Theaterfestival Teatterikesä<br />
in Tampere gemacht. Wir haben Hunderte<br />
von Aufführungen gesehen und sind Tausende<br />
von Kilometer gereist. Es war einfach,<br />
lustig und bereichernd. Reko liess es nicht<br />
zu, dass widersprüchliche Gefühle seine Entscheidungen<br />
durcheinander brachten, sondern<br />
er analysierte immer genau und berücksichtigte<br />
immer auch andere Menschen und<br />
deren Empfindungen. Reko war unerlässlich<br />
zuverlässig. Er hat sich nie aufgeregt. Reko<br />
war ein junger Mann, ausgerüstet mit einem<br />
gesunden Selbstwertgefühl, ein glücklicher<br />
Familienvater, der mit Dingen als Dinge umging,<br />
und der keine besondere Zurschaustellung<br />
von Wertschätzung brauchte. Er war<br />
ein Künstler ohne Umschweife. Mit ihm zu<br />
diskutieren war ein Traum.<br />
Jeder Arbeitskollege erinnert sich an Reko<br />
auf seine eigene Art. Im alltäglichen Leben<br />
halten kleine Dinge und sonderbare Erinnerungen<br />
den Menschen in unseren Gedanken<br />
am Leben. Es ist mein Schicksal, mich jedes<br />
Mal, wenn ich auf einem Parkplatz eine Parklücke<br />
suche, an Reko zu erinnern, wie er, der<br />
sonst immer ein echter Ingenieur war, bei der<br />
Wahl einer Parklücke genau so zu zögern begann,<br />
wie ich es immer tue. Ich werde mich<br />
immer an Reko erinnern, wenn ich meinen<br />
Reisekoffer nach dem System auspacke: die<br />
Kleider in die Wäsche, die Sachen an ihren<br />
Platz, den Koffer auf seinen Platz im Schrank<br />
– ich war erstaunt, dass ein anderer gleich<br />
systematisch vorgeht und sich auch noch<br />
traut, davon zu erzählen!<br />
So wenig bleibt – und trotzdem so viel.<br />
Das war ein großer Verlust für das finnische<br />
Theater. Wir vermissen dich, Reko.<br />
Maarit Pyökäri<br />
Theaterregisseurin<br />
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Impressum<br />
Zentrum Bundesrepublik Deutschland des Internationalen Theaterinstituts e.V.<br />
Präsident: Manfred Beilharz<br />
Herausgeber: Thomas Engel<br />
Redaktion: Michael Freundt<br />
Mitarbeit: Miriam Wehde<br />
Titelfoto: Albrecht Grüß<br />
Fotos innen: Foto aus Projekten und Inszenierungen von euro-scene Leipzig, Dieter Welke, Hansgünther Heyme,<br />
AKT.ZENT, thevo, Dieter Heitkamp, Euro-Theater Central, Peter P. Pachl, NRW Kultursekretariat, Albrecht Grüß<br />
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Satz: Albrecht Grüß<br />
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