Deutschland
FASD 2011 - ResearchGate
FASD 2011 - ResearchGate
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
Deutsches Sozialrecht und Hilfen für FASD<br />
Im Bereich der Frühförderung kann es durch Landesgesetzgebung nach § 10 Abs. 4<br />
S. 3 SGB VIII zu einem anderen Ergebnis kommen. Insbesondere in den ersten<br />
Lebensjahren lässt sich häufig nicht eindeutig oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten<br />
feststellen, ob ein Entwicklungsrückstand durch eine geistige, seelische oder<br />
körperliche Behinderung oder durch erzieherische Gründe bedingt ist. Häufig liegt<br />
ein Bündel von Ursachen und Wirkungen vor, das sich sinnvoll nicht auflösen lässt.<br />
Eingliederungshilfe durch die Sozialhilfe und<br />
erzieherischer Bedarf<br />
Geht FASD mit einer Intelligenzminderung, d.h. einem IQ von unter 70, einher,<br />
so ist zwar der Träger der Sozialhilfe für die erforderlichen Teilhabeleistungen eindeutig<br />
zuständig. Dennoch stellen sich weiterhin Zuständigkeitsfragen, denn nicht<br />
selten nimmt der Träger der Sozialhilfe die Haltung ein, dass erforderliche Hilfen<br />
dem erzieherischen Bedarf zuzuordnen sind und nicht zu den Teilhabeleistungen<br />
gehören. Dies ist besonders dann der Fall, wenn der junge Mensch mit FASD in<br />
einer Pflegefamilie untergebracht werden soll. Dabei führen sie zum einen als Argument<br />
an, dass es sich bei der Unterbringung in einer anderen Familie nicht um eine<br />
Teilhabeleistung handele und sie daher nicht zuständig seien. Zum anderen verweisen<br />
sie darauf, dass Anlass der Unterbringung nicht die Behinderung, sondern die<br />
mangelnde Erziehungsfähigkeit der Eltern und damit der erzieherische Bedarf des<br />
Kindes sei.<br />
Eine Ablehnung der Leistungsverantwortung mit dem Verweis auf die fehlende Hilfeform<br />
der Familienpflege im eigenen Leistungskatalog kann spätestens seit ihrer<br />
ausdrücklichen Normierung in § 54 Abs. 3 SGB XII im Sommer 2009 nicht mehr<br />
als rechtmäßige Praxis bewertet werden. 24<br />
Und auch die Frage nach dem Anlass der Unterbringung darf im Rahmen der Zuständigkeitsklärung<br />
keine Rolle spielen. Denn der Verweis auf die vorrangig durch<br />
die Unfähigkeit der Eltern – und nicht durch die Behinderung – bedingte Unterbringung<br />
in der Familienpflege würde wiederum eine unzulässige Schwerpunktdiskussion<br />
bedeuten. 25 Ein Vergleich im Sinne eines „Normale Eltern würden das schon<br />
schaffen“ soll gerade nicht stattfinden und wird sowohl im SGB VIII als auch im<br />
24 ausführlich dazu Schönecker/Eschelbach JAmt 2010, 1 ff.<br />
25 so zuletzt bestätigend BVerwG 22.10.2009, 5 C 19.08, abrufbar unter www.dijuf.de > Online-Service > Ausgewählte<br />
Rechtsprechung; siehe auch BVerwG Zf J 2000, 191 mit Bespr. Münder Zf J 2001, 121).<br />
122