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· Uhlandstraße 7/8 · D-10623 Berlin<br />
Baurechtsverteiler<br />
Berlin, den 02. August 2011<br />
1834/08C35 an (Bitte stets angeben) D28/2642<br />
Rechtsanwalt Detlef <strong>Eulitz</strong><br />
Sekretariat: Frau Nowotnick Tel. 31 57 57 -28 / Fax 31 57 57 -97<br />
Detlef.<strong>Eulitz</strong>@ses-legal.de<br />
Detlef P. <strong>Eulitz</strong><br />
Notar<br />
Martin <strong>Schrader</strong><br />
Dr. Nikolaus Würtz<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
Götz Faude<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
Thomas Weischede<br />
Fachanwalt für Verwaltungsrecht<br />
Daniel Wendland<br />
Notar<br />
Dr. Dirk Fischer<br />
Dr. Frank Nagelschmidt<br />
Claus Hansmann<br />
Orkun Sahin<br />
Carl-Friedrich Wendt<br />
Notar<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
liebe Leser,<br />
Uhlandstraße 7/8<br />
D-10623 Berlin<br />
Telefon: +49.(0)30.31 57 57 0<br />
Telefax: +49.(0)30.31 57 57 99<br />
www.ses-legal.de<br />
berlin@ses-legal.de<br />
da die Schulferien noch andauern, mute ich Ihnen den<br />
Baurechtsverteiler für August wiederum in "abgespeckter" Fassung<br />
zu. Auch die September-Ausgabe wird noch schlank ausfallen, denn<br />
mein spärlicher Jahresurlaub endet erst am 31.08.2011, so dass ich<br />
mich angesichts der üblichen Verdreifachung meines Schreibtisches<br />
kurzfassen muss, um Sie im Oktober nicht mit doppelter Lektüre zu<br />
verwöhnen. Anschließend liefere ich zumindest bis Weihnachten das<br />
"volle Programm". In den heutigen Zeiten muss man schließlich<br />
vorausschauend agieren, um nicht den Anschluss zu verpassen. Ich<br />
bin sicher, dass Sie entsprechend verfahren, um nachhaltig<br />
erfolgreich zu bleiben.<br />
Die Branchen-News starten mit einem "Paukenschlag":<br />
A. Zivilprozesskosten und Einkommenssteuer<br />
KONTEN<br />
Commerzbank AG<br />
Konto 9 530 630 00<br />
BLZ 100 800 00<br />
IBAN DE44100800000953063000<br />
SWIFT (BIC) DRESDEFF100<br />
Berliner Volksbank eG<br />
Konto 5 451 537 000<br />
BLZ 100 900 00<br />
IBAN DE97100900005451537000<br />
SWIFT (BIC) BEVODEBB<br />
Postbank AG Berlin<br />
Konto 540 69 102<br />
BLZ 100 100 10<br />
IBAN DE23100100100054069102<br />
SWIFT (BIC) PBNKDEFF<br />
VAT-Id.No. DE135564828<br />
Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der<br />
Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 12.05.2011 - VI R 42/10 -<br />
Member of<br />
An International Network<br />
of Independent Law Firms
- 2 -<br />
entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand bei<br />
der Einkommenssteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden<br />
können. Bislang hatte die Rechtsprechung derartige Kosten nur ausnahmsweise bei<br />
Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen als<br />
außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die enge Gesetzesauslegung hat der BFH<br />
aufgegeben. Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit ist allerdings, dass die<br />
Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.<br />
Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein<br />
Misserfolg sei.<br />
B. Reform des § 522 Abs. 2 ZPO<br />
Wie mehrfach angekündigt hat der Deutsche Bundestag nunmehr am 07.07.2011 die<br />
Änderung von § 522 ZPO beschlossen, die am Tag nach ihrer Verkündung im<br />
Bundesgesetzblatt in Kraft tritt. Danach hängt der Rechtsschutz bei Gegenstandswerten<br />
ab 20.000,00 € nicht länger davon ab, ob eine Zivilgericht die Berufung durch Urteil oder<br />
Beschluss zurückgewiesen hat. Die mit der ZPO-Reform 2001 eingeführte Regelung,<br />
nach der Berufungsgerichte die Berufung unter bestimmten Voraussetzungen durch<br />
unanfechtbaren Beschluss zurückweisen konnten, hat in der Praxis viel Unheil<br />
angerichtet. Jetzt wird es immerhin möglich, gegen den Zurückweisungsbeschluss<br />
Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Außerdem wird ein Zurückweisungsbeschluss<br />
zusätzlich davon abhängig gemacht, dass eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.<br />
Die Schwelle der mangelnden Erfolgsaussicht der Berufung wird angehoben und künftig<br />
Offensichtlichkeit gefordert.<br />
C. Kinderlärm kein Grund zur Klage<br />
In seiner Sitzung vom 26.05.2011 hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen des<br />
ganzen Hauses das Gesetz zur Privilegierung des von Kindertageseinrichtungen und<br />
Kinderspielplätzen ausgehenden Kinderlärms beschlossen. Die federführend vom<br />
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit abgestimmte<br />
Gesetzesvorlage war sowohl durch die Bundesregierung als auch parallel durch die<br />
Koalitionsfraktionen beim Deutschen Bundestag in das Gesetzgebungsverfahren<br />
eingebracht worden. Bundesumweltminister Dr. Röttgen sagte in seiner Rede vor dem<br />
Deutschen Bundestag: "Es gibt keine geräuschfreien Kinder. Wir wollen auch keine<br />
geräuschfreien Kinder, sondern wir wollen Kinder so, wie sie sind: spielend, Lust am<br />
Leben und Freude habend, auch tobend und lärmend."<br />
Obgleich die Rhetorik leidet, hat er recht.
- 3 -<br />
D. Bekämpfung der Schwarzarbeit<br />
Der Bundesrat möchte die Möglichkeiten optimieren, handwerks- und gewerberechtliche<br />
Verstöße zu ahnden. Hierzu hat er vor kurzem einen Gesetzesentwurf beschlossen. Der<br />
Bundesrat schlägt vor, das Verbot unlauterer Werbung für handwerkliche Dienst- oder<br />
Werkleistungen wieder einzuführen und mit einem Bußgeld von bis zu 5.000,00 € zu<br />
belegen. Zudem möchte er die Befugnisse der für die Schwarzarbeitsbekämpfung<br />
zuständigen Behörden zum Betreten von Räumen, Prüfen von Unterlagen und zur<br />
Personenkontrolle im erforderlichen Umfang erweitern.<br />
E. 1981 Jahre Freiheitsstrafen wegen Schwarzarbeit<br />
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) hat im vergangenen Jahr<br />
durch ihre Prüfungen für Sozialbeitragsnachforderungen von 252 Mio. Euro gesorgt.<br />
Darüber hinaus seien von den Rentenversicherungsträgern Säumniszuschläge von 118,9<br />
Mio. Euro erhoben worden, führt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/6219) auf eine<br />
Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/5981) aus. Damit haben sich die<br />
durch Prüfungen und Hinweise der FKS nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge im<br />
Vergleich zum Jahr 2009 (215,7 Mio. Euro) deutlich erhöht. Die Beschäftigtenzahl der<br />
FKS hat sich nach Angaben der Regierung auf 6.318 erhöht. 2010 hatte die FKS 6.283<br />
Mitarbeiter. Im vergangenen Jahren waren insgesamt 155.980 Strafverfahren und 70.146<br />
Bußgeldverfahren abgeschlossen worden. Die Addition der Freiheitsstrafen findet sich in<br />
der Headline.<br />
F. Grünes Licht für Berliner Schloss<br />
Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat am 06.07.2011 grünes Licht<br />
für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses gegeben. Mit großer Mehrheit stimmten die<br />
Abgeordneten dem Kostenanstieg in Höhe von 38 Mio. Euro zu. Damit steigen die<br />
Gesamtkosten für den Wiederaufbau auf 590 Mio. Euro. Wer glaubt, dass dies "das Ende<br />
der Fahnenstange" ist, dürfte sich gewaltig irren.<br />
G. Gesetz zur Gebäudesanierung gestoppt!<br />
Der Bundesrat hat am 08.07.2011 das Gesetz für eine stärkere Förderung von<br />
Gebäudesanierungen vorerst gestoppt. Nun muss wahrscheinlich im<br />
Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eine Lösung gefunden werden. Die<br />
Länder wehren sich unter anderem dagegen, dass sie Steuerausfälle durch eine<br />
Abschreibung von Kosten für energetische Gebäudesanierungen mittragen sollen. Die<br />
Ausfälle könnten sich auf bis zu 1,5 Milliarden Euro über mehrere Jahre belaufen. Wer
- 4 -<br />
sein Haus energetisch saniert, kann bis zu 10 % der Kosten jährlich von der Steuer<br />
absetzen.<br />
H. Europarechtswidrigkeit tariflicher Urlaubsregelung am Bau<br />
Verstoßen die tarifliche Urlaubsregelung und das damit im Zusammenhang stehende<br />
Urlaubskassenverfahren des Baugewerbes gegen geltendes europäisches Recht? Dieser<br />
Frage muss nun der EuGH nachgehen, nachdem die 2. Kammer des<br />
Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg unter Vorsitz des Präsidenten Dr. Binkert<br />
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der tariflichen Urlaubsregelungen der Bauwirtschaft hat.<br />
Hintergrund ist die sog. "Öffnungsklausel" in § 13 Abs. 2 des Bundesurlaubsgesetzes:<br />
Diese erlaubt es Tarifvertragsparteien, besondere und vom Bundesurlaubsgesetz<br />
abweichende Regelungen hinsichtlich Entstehung, Höhe und Abgeltung des Urlaubs zu<br />
schaffen. Die Bau-Vertragsparteien haben von dieser "Öffnungsklausel" Gebrauch<br />
gemacht und damit die Grundlage für das im Baugewerbe geltende Urlaubsverfahren<br />
gelegt.<br />
I. Vergabegesetz in Mecklenburg-Vorpommern<br />
Nach jahrelangem Tauziehen hat Mecklenburg-Vorpommern seit 29.06.2011 ein<br />
Vergabegesetz. Es soll Dumpinglöhne bei öffentlichen Aufträgen verhindern. Neu ist<br />
allerdings nur eine Tariftreue-Klausel für den öffentlichen Personennahverkehr.<br />
Ansonsten versammelt der Gesetzesentwurf bereits bestehende Regelungen. Die<br />
Wirtschaft übte dennoch heftige Kritik. Die Vereinigung der Unternehmensverbände für<br />
Mecklenburg-Vorpommern erklärte, es handele sich durchaus um ein allgemeines<br />
Vergabegesetz für das Land. Es werde vor allem kleine und mittlere Unternehmen treffen,<br />
hieß es. Gewerkschaften kritisierten, das Vergabegesetz gehe nicht weit genug.
- 5 -<br />
Da Sie aus den jetzt üblicherweise folgenden Expertentipps an Ihrem Urlaubsort wenig<br />
Nutzen ziehen können, wende ich mich sogleich den - jahreszeitbedingt - nur in<br />
Leitsätzen wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen in den unterschiedlichen<br />
Rechtsgebieten des Baurechts zu:<br />
I. Bauvertragsrecht<br />
(1) Pauschale Vergütungsregelungen in AGB bei freier Kündigung<br />
BGH, Urteil vom 05.05.2011 - VII ZR 181/10 -<br />
a) Eine von einem Auftragnehmer für die Erstellung eines Ausbauhauses in seinen<br />
Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegebene Pauschale von 15% des Bruttobetrags<br />
= 17,85% des Nettobetrags im Falle der freien Kündigung durch den Auftraggeber<br />
erreicht einen Grenzbereich, der ohne die Kenntnis der nach Kündigung eines solchen<br />
Vertrags typischerweise anfallenden Vergütung nicht mehr als noch angemessen oder<br />
schon unangemessen beurteilt werden kann; dazu bedarf es vielmehr tatrichterlicher<br />
Feststellungen.<br />
b) Eine in AGB des Unternehmers enthaltene Vergütungspauschalierung auf 15% des<br />
Teilbetrags aus dem Gesamtpreis, der auf den Teil der Leistungen entfällt, die der<br />
Unternehmer bis zu einer freien Kündigung noch nicht ausgeführt hat, ist unwirksam,<br />
wenn die Berechnung dieses Vergütungsteils von der Berechnung der Vergütung für<br />
erbrachte Leistungen abhängt und diese unklar geregelt ist.<br />
Obwohl er eine unwirksame Klausel verwendet hat, fällt der Auftragnehmer im<br />
entschiedenen Fall "weich". Statt der unwirksamen Klausel gilt das Gesetz (§ 306 Abs. 2<br />
BGB). Der AN kann also eine konkrete, an § 649 Satz 2 BGB orientierte Abrechnung<br />
vorlegen.<br />
Da die AGB-Klausel aus den Gründen zu lit. b) unwirksam ist, wird das Berufungsgericht<br />
nach Zurückverweisung im konkreten Fall die vom BGH angemahnten tatrichterlichen<br />
Feststellungen nicht vornehmen müssen.
- 6 -<br />
(2) Verletzung der Kooperationspflicht<br />
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.03.2011 - 13 U 5/10 -<br />
a) Die im Bauvertragsrecht geltende Kooperationspflicht gebietet es, bei Meinungs verschieden<br />
heiten die Argumente, Alternativen und Gegenvorschläge der anderen Vertragspartei<br />
zumindest zur Kenntnis zu nehmen und zum Gegenstand eines Meinungs austauschs<br />
zu machen.<br />
b) Der Auftragnehmer verletzt seine Kooperationspflicht schwerwiegend, wenn er auf ein<br />
Einschreiben nicht reagiert, dem Auftraggeber die Annahme eines Nachtragsangebots<br />
nicht mitteilt und aufgrund einer Bauablaufstörung einen umfassenden Gewährleistungsausschluss<br />
verlangt.<br />
Es gehört zum bauvertraglichen Kooperationsgebot, über (Nachtrags-)Streitigkeiten und<br />
notwendig werdende Vertragsänderungen mit sachlichen Argumenten zu verhandeln.<br />
Wer unnachgiebig auf der eigenen Rechtsposition beharrt und von seinem<br />
Vertragspartner die Erfüllung unberechtigter Forderungen verlangt, verletzt diese Pflicht.<br />
Dies gilt für beide Parteien.<br />
(3) Konkludente Abnahme bei mangelhafter Werkleistung?<br />
OLG Stuttgart, Urteil vom 19.04.2011 - 10 U 116/10 -<br />
a) Eine ausdrückliche Erklärung des Bestellers, das Werk sei nicht abnahmefähig,<br />
schließt eine anschließende konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme aus, wenn<br />
zwischen Mängelrüge und Ingebrauchnahme nicht nachgebessert wurde.<br />
b) Eine Selbstvornahme liegt nicht vor, wenn der Besteller nur nachteilige Auswirkungen<br />
eines Baumangels auf die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes, an dem die Bauleistungen<br />
erbracht werden, beseitigt, ohne den vom Unternehmer geschuldeten Erfolg zu<br />
bewirken. In einem solchen Fall bleibt der Unternehmer bis zur Mängelbeseitigung<br />
verpflichtet, wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben.<br />
Nach Fertigstellung seiner Leistungen sollte jeder Unternehmer zeitnah die förmliche<br />
Abnahme herbeiführen. Verweigert der Besteller die Abnahme, können bei wesentlichen<br />
Mängeln die Wirkungen einer konkludenten oder fiktiven Abnahme nicht eintreten. Liegen<br />
Mängel vor, ist der Unternehmer gehalten, die Beseitigung der Mängel anzubieten,<br />
anderenfalls riskiert er den Verlust seines Vergütungsanspruchs.
- 7 -<br />
(4) Abweichung von der vereinbarten Leistung<br />
OLG Koblenz, Beschluss vom 20.08.2009 - 1 U 295/09 -<br />
a) Die Vereinbarung einer bestimmten Naturschiefereindeckung ist eine Beschaffenheitsvereinbarung.<br />
b) Jede Abweichung von einer Beschaffenheitsvereinbarung stellt einen Sachmangel dar.<br />
c) Einem Schadensersatzanspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten kann nicht<br />
entgegengehalten werden, er sei unverhältnismäßig hoch, wenn der Unternehmer vorsätz<br />
lich vom Leistungsverzeichnis abgewichen ist.<br />
Jede auch noch so unerhebliche Abweichung ist ein Sachmangel. Auf die<br />
Gleichwertigkeit kommt es nicht an. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit ist nach der<br />
Rechtsprechung des BGH an strenge Voraussetzungen geknüpft.<br />
(5) Darlegungslast beim Kostenvorschuss<br />
OLG Stuttgart, Urteil vom 25.05.2011 -9 U 122/10 -<br />
An die Darlegung zur Anspruchshöhe dürfen beim Kostenvorschuss für Mängelbeseitigung<br />
nicht gleich strenge Anforderungen gestellt werden wie bei den Kosten der<br />
Ersatzvornahme.<br />
Der Praxis einiger Gerichte, im Rahmen der Vorschussklage immer weiteren Einwänden<br />
des Beklagten gegen die Feststellungen des Gerichtsgutachters nachzugehen und<br />
dadurch den Prozess für den Kläger länger und teurer zu machen, wird durch diese Urteil<br />
hoffentlich ein Riegel vorgeschoben. Aber: es geht hier nicht um "schlüssigen<br />
Sachvortrag" und "Darlegungen zur Anspruchshöhe", sondern um die Frage, wie tief<br />
gehend die sachverständigen Feststellungen sein müssen, um die richterliche Schätzung<br />
der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zu tragen.
- 8 -<br />
II. Architektenrecht<br />
(1) Haftung bei Bausummenüberschreitung<br />
OLG Hamburg, Urteil vom 19.12.2008 - 12 U 16/06 -<br />
BGH, Beschluss vom 23.03.2011 - VII ZR 9/09 - (Nichtzulassungsbeschwerde<br />
zurückgewiesen)<br />
a) Übersteigen die nach der Entwurfsplanung zu erwartenden Baukosten die Vorgabe<br />
eines verbindlichen Kostenrahmens, kann dies dazu führen, dass der Honoraranspruch<br />
für die Leistungsphase 3 entfällt.<br />
b) Enthalten die schriftlichen Unterlagen keine Hinweise auf einen solchen<br />
Kostenrahmen, hat der Bauherr substanziiert zu dessen Vorgabe vorzutragen; dazu sind<br />
auch Zeit und Umstände der Vereinbarung darzulegen.<br />
c) Hat der Architekt schon in der Kostenschätzung zum Abschluss der Leistungsphase 2<br />
höhere Kosten angegeben, ohne dass der Bauherr dem ausdrücklich entgegengetreten<br />
ist, spricht dies gegen die Vereinbarung eines verbindlichen Kostenrahmens.<br />
Ist nicht bereits im Architektenvertrag ein verbindlicher Kostenrahmen geregelt, stellt die<br />
Darlegungs- und Beweislast für den Bauherrn meist eine kaum zu überwindende Hürde<br />
dar. Die Fälle, in denen der Nachweis gelingt, sind in der Regel selten.<br />
(2) Planungshaftung und Plankontrolle<br />
OLG München, Urteil vom 04.05.2010 - 9 U 4557/09 -<br />
BGH, Beschluss vom 23.03.2011 - VII ZR 85/10 - (Nichtzulassungsbeschwerde<br />
zurückgewiesen)<br />
Der planende Architekt, der wegen eines Planungsfehlers haftet, kann dem Bauherrn kein<br />
Mitverschulden im Hinblick darauf entgegenhalten, dass weder der Bauherr noch der<br />
ausführende Bauunternehmer den Fehler in der Planung bemerkt haben.<br />
Den Bauherrn trifft weder ein Pflicht noch eine Obliegenheit gegenüber dem planenden<br />
Architekten, dessen Planung vor Umsetzung zu prüfen oder prüfen zu lassen. Deshalb ist<br />
auch ein mit der Bauüberwachung beauftragter Architekt kein Erfüllungsgehilfe des<br />
Bauherrn im Verhältnis zu dem planenden Architekten. Im umgekehrten Fall trifft den<br />
Bauherrn nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH die Obliegenheit, dem mit der<br />
Bauüberwachung betrauten Architekten eine taugliche Planung zur Verfügung zu stellen.
- 9 -<br />
Kommt er dem nicht nach und übersieht auch der überwachende Architekt den<br />
Planungsfehler, hat sich der Bauherr bei dessen Inanspruchnahme ein entsprechendes<br />
Mitverschulden anrechnen zu lassen.<br />
III. Vergaberecht<br />
(1) Heilung von Dokumentationsmängeln im Nachprüfungsverfahren?<br />
BGH, Beschluss vom 08.02.2011 - X ZB 04/10 -<br />
a) Der Auftraggeber kann im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten<br />
und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt<br />
worden sind.<br />
b) Eine Wiederholung der betroffenen Abschnitte des Vergabeverfahrens ist nur<br />
erforderlich, wenn zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen<br />
Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine<br />
wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten.<br />
Die Entscheidung darf nicht missverstanden werden. Eine Heilung von<br />
Dokumentationsmängeln ist nicht per se zulässig. Der BGH stellt lediglich das Erfordernis<br />
einer Verhältnismäßigkeitsprüfung für Dokumentationsmängel auf. Gleichzeitig weist er<br />
aber auf den weiterhin zeitnah zu dokumentierenden zwingenden Inhalt des<br />
Vergabevermerks nach § 20 VOB/A 2009 hin.<br />
(2) Mindestanforderungen im Verhandlungsverfahren<br />
OLG München, Beschluss vom 12.05.2011 - Verg 26/10 -<br />
a) Bei der Vergabe von IT-Leistungen (hier: Leittechnik für Wasserkraftwerke) im<br />
Verhandlungsverfahren kann der Auftraggeber die erfolgreiche Absolvierung eines<br />
Funktionsnachweises auch von den Bietern verlangen, deren Eignung er bereits bejaht<br />
hat. Das Nichtbestehen eines derartigen Tests kann ein zwingender Ausschlussgrund<br />
sein.<br />
b) Im Verhandlungsverfahren müssen solche Mindestanforderungen noch nicht in der<br />
Bekanntmachung mitgeteilt werden. Es genügt, wenn der Auftraggeber sie unter Beachtung<br />
der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung so rechtzeitig präzisiert,<br />
dass die Bieter ihr Angebot daran ausrichten können.
- 10 -<br />
In IT-Ausschreibung sind technische Probeläufe und Funktionstest zum Nachweis der<br />
Kompatibilität der angebotenen Lösung mit vorhandenen Systemen oft unumgänglich.<br />
Vergaberechtlich sind solche Tests Anforderungen an das Angebot, nicht an die<br />
technische Leistungsfähigkeit des Bieters. Deshalb ist in diesem Bereich stets auf die<br />
Wahrung der Chancengleichheit zu achten. Informationsvorsprünge müssen<br />
ausgeglichen, notwendiger Support muss vom Auftraggeber sichergestellt werden.<br />
IV. Öffentliches Baurecht<br />
(1) Behördliches Einschreiten gegen Baustellenlärm!<br />
VGH Hessen, Beschluss vom 31.05.2011 - 9 B 1111/11 -<br />
a) Sofern von einer Baustelle erhebliche Lärmimmissionen ausgehen, hat die zuständige<br />
Behörde durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass an der Wohnung des<br />
betroffenen Anwohners die Immissionsrichtwerte nach der AVV von tagsüber 65 db(A)<br />
und nachts 50 db(A) nicht überschritten werden.<br />
b) Für die Festlegung der Lärmgrenzen ist die tatsächliche bauliche Nutzung des<br />
betroffenen Gebiets entscheidend, sofern diese von den Vorgaben des entsprechenden<br />
Bebauungsplans abweichen.<br />
Sofern immissionsschutzrechtlich relevante Richtwerte überschritten werden, ist das<br />
Ermessen der Behörde bezüglich eines Einschreitens auf Null reduziert. Wenn eine<br />
entsprechende Lärmbelästigung von Baustellen ausgeht, muss die Behörde die<br />
erforderlichen Maßnahmen zur Reduzierung ergreifen, wobei auf die tatsächliche<br />
Nutzung des betroffenen Gebiets abzustellen ist.<br />
(2) Bebauungsplan und Bürgerentscheid<br />
VG Freiburg, Beschluss vom 11.05.2011 - 5 K 764/11 -<br />
a) Hat der Gemeinderat noch keinen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans<br />
gefasst, kann die (Grundsatz-)Frage, ob davon abgesehen werden soll, für ein Vorhaben<br />
(hier: Lebensmittelmarkt) die bauplanungsrechtlichen Grundlagen zu schaffen, Gegenstand<br />
eines Bürgerentscheids sein.
- 11 -<br />
b) Im Wege einer einstweiligen Anordnung kann vorläufig festgestellt werden, dass ein<br />
Bürgerbegehren zulässig ist (wie VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.04.2010 -<br />
1 S 2810/09 - , VBl. BW 2010, 311).<br />
c) Ist ein Bürgerbegehren zur Frage des Absehens von der (Bebauungs-)Planung eines<br />
be stimmten Vorhabens zulässig, wird die Bürgerschaft dafür zuständig, über die<br />
(Nicht-)Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens zu entscheiden.<br />
d) Will ein Gemeinderat gleichwohl einen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans<br />
fassen, um den Bürgerentscheid zu vereiteln, kann der Gemeinde im Wege einer<br />
einstweiligen Anordnung zudem aufgegeben werden, dies zu unterlassen.<br />
Bereits die Leitsätze verdeutlichen, dass Bürgerbegehren ein ernstzunehmendes<br />
Hindernis für ein Bauvorhaben darstellen können. In anderen Bundesländern sind die<br />
Möglichkeiten noch weitergehend, da dort teilweise die Bauleitplanung nicht zu den<br />
Ausschlusstatbeständen gehört (z. B. § 8 b HessGO).<br />
V. Bauversicherungsrecht (unbesetzt)<br />
VI. Bauprozessrecht<br />
(1) Ordnungsgeld gegen Sachverständigen<br />
LG Osnabrück, Beschluss vom 21.06.2011 - 2 O 463/09 -<br />
Gegen einen Sachverständigen kann gemäß § 411 Abs. 2 ZPO ein Ordnungsgeld<br />
festgesetzt werden, wenn dieser bis zur vom Gericht gesetzten Frist das Gutachten nicht<br />
erstattet.<br />
Es ist eine weitverbreitete Unsitte der Gutachter, ihnen erteilte gerichtliche Aufträge<br />
deutlich schleppender zu bearbeiten, als Gutachtenaufträge von privaten Auftraggebern,<br />
was in der Regel auf die unterschiedliche Honorarhöhe zurückzuführen ist.<br />
Überstrapaziert der gerichtliche Sachverständige die Geduld des Gerichts, muss er<br />
insbesondere in Wiederholungsfällen mit einer drastischen "Wertabschöpfung" rechnen.<br />
Herr Wowereit würde sagen: Das ist auch gut so!
- 12 -<br />
(2) Befangenheit bei "groben Unfug"<br />
OLG Hamm, Beschluss vom 24.01.2011 - 1 W 4/11 -<br />
Bezeichnet der Sachverständige in einem Ergänzungsgutachten die Methodik eines ihm<br />
zur Stellungnahme vorgelegten Parteigutachtens als "grober Unfug", begründet dies nicht<br />
ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit.<br />
Sowohl der Sachverständige als auch das Gericht bewegten sich in einem Grenzbereich.<br />
Dass sich der Gutachter für seine Äußerungen entschuldigt hat, ist grundsätzlich für die<br />
Prüfung der Befangenheit irrelevant.<br />
Sie werden mir hoffentlich recht geben, dass es keinen "groben Unfug" darstellt, wenn ich<br />
mit dieser Anekdote aus der deutschen Gerichtsbarkeit die August-Ausgabe schließe und<br />
Sie an die Hotelbar entlasse. Anfang September (eine geringfügige Verspätung ist fest<br />
eingeplant) hören und lesen Sie wieder von mir, sofern mich der eigene Urlaub nicht zu<br />
sehr erschöpft hat. Alle übrigen Baurechtler von <strong>SES</strong> stehen Ihnen ab Mitte August<br />
wieder zur Verfügung.<br />
Mit besten Grüßen<br />
<strong>Eulitz</strong>, Rechtsanwalt