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BAURECHTSVERTEILER

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<strong>BAURECHTSVERTEILER</strong><br />

Ausgabe Mai 2012<br />

Detlef P. Eulitz<br />

SES Eulitz Schrader Tel.: 030 / 31 57 57-0<br />

Rechtsanwälte und Notare Fax : 030 / 31 57 57-99<br />

Uhlandstraße 7/8 ∙ 10623 Berlin Email: detlef.eulitz@ses-legal.de<br />

www.ses-legal.de


Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

liebe Leser,<br />

SES begrüßt Sie im Wonne-Monat Mai, was sich auch in meinem Bestreben widerspiegeln möge, die<br />

periodische Berichterstattung „luftiger“ zu gestalten und Sie mit der Tatsache zu euphorisieren, dass<br />

in Deutschland – vornehmlich in den Ballungszentren – akuter Wohnungsmangel (ca. 750.000 Einheiten)<br />

herrscht. Die dafür notwendigen Flächen und Bauwerke müssen nicht nur geplant, errichtet, begutachtet<br />

und begrünt, sondern – sicher ist sicher – auch umfassend betreut werden. Für jeden<br />

unserer Leser dürfte also etwas dabei sein; bleiben Sie am Ball und agieren nicht wie „Hertha“. Auch<br />

Baujuristen dürfen hoffen.<br />

Nun wie stets zu den übrigen grundsätzlich witterungsunabhängigen Branchen-News, denen ich ein<br />

sophistisches Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.11.2011 (21 U 9/11) zu dem altbekannten Thema:<br />

„Was hat Vorrang bei Widersprüchen zwischen Leistungsverzeichnis und Plänen?“ voranstellen<br />

möchte:<br />

1. Pläne kontra LV<br />

In der Baupraxis wird häufig die Auffassung vertreten, dass Pläne im Fall von Widersprüchen<br />

vorrangig gegenüber dem Leistungsverzeichnis seien. Das OLG Düsseldorf hat jetzt klargestellt, dass<br />

ein solcher Grundsatz nicht existiert. Bei Widersprüchen zwischen der Leistungsbeschreibung und<br />

der zeichnerischen Darstellung ist der geschuldete Leistungsumfang vielmehr in erster Linie aus dem<br />

objektiven Empfängerhorizont durch Auslegung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und<br />

der Verkehrssitte zu beurteilen.<br />

2. Schrottimmobilien<br />

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund und die Deutsche Bauwirtschaft fordern gemeinsam die<br />

Bundesregierung auf, die aktuelle Novellierung des Baugesetzbuches zum Kampf gegen sog. Schrottimmobilien<br />

zu nutzen. Einen entsprechenden Appell erhoben im Zuge der am 28.03.2012 in Berlin<br />

stattfindenden Verbändeanhörung zum Baugesetzbuch Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer<br />

des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sowie die Hauptgeschäftsführer der Bauspitzenverbände,<br />

RA Knipper für den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie RA Pakleppa für den Zentralverband<br />

Deutsches Baugewerbe.<br />

Die Verbände verweisen auf einen Gesetzgebungsvorschlag von Prof. Dr. Stüer (Uni Osnabrück), der<br />

das Problem „Schrottimmobilien“ über eine Änderung des § 179 BauGB angehen möchte. Das städtebauliche<br />

Rückbau- und Entsiedelungsgebot des § 179 BauGB sollte danach so geändert werden, dass<br />

Schrottimmobilien entweder dem Eigentümer entzogen bzw. auf Kosten des Eigentümers abgerissen<br />

werden können, um zur Aufwertung des gesamten Viertels auch einen Ersatzneubau vorzunehmen.<br />

2


3. 8. GWB-Novelle<br />

Das Kabinett hat am 28.03.2012 den Entwurf für ein achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen und damit für ein moderneres Wettbewerbsrecht beschlossen. Ziel ist<br />

es, die Missbrauchsaufsicht über Unternehmen und die Fusionskontrolle zu verbessern. Die Verbraucherverbände<br />

können künftig Unternehmen verklagen, wenn diese gegen Kartellrecht verstoßen. Die<br />

Änderungen im GWB sollen zum 01.01.2013 in Kraft treten. Mit der Entscheidung des Bundeskabinetts<br />

sei nach Meinung des Bundeswirtschaftsministers ein wichtiges Vorhaben des Koalitionsvertrages<br />

auf den Weg gebracht. Der von ihm vorgelegte Entwurf verbessere den Wettbewerbsrahmen<br />

in Deutschland noch weiter. Ihre Form des GWB sei ein klares ordnungspolitisches Signal, um die<br />

Wachstumskräfte und den Standort Deutschland nachhaltig zu stärken. Zudem würden die Verbraucherinnen<br />

und Verbraucher von den Änderungen nachhaltig profitieren (was immer Dr. Rösler damit<br />

gemeint haben will).<br />

4. Investitionsrahmenplan 2011 – 2015 (IRP)<br />

Bundesverkehrsminister Ramsauer hat Ende März die endgültige Fassung des Investitionsrahmenplans<br />

2011 – 2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes bekannt gegeben. Zu seinem Entwurf<br />

konnten die Länder in den vergangenen Monaten Stellungnahmen abgeben. Diese wurden unter Berücksichtigung<br />

der Erfordernisse für das Gesamtnetz sowie aktueller Planungsentwicklungen sorgfältig<br />

geprüft. Ein Teil der Änderungsvorschläge der Länder konnte umgesetzt werden. Das Projektvolumen<br />

der Aus- und Neubaumaßnahmen, die im Zeitraum 2011 bis 2015 begonnen, fortgeführt oder<br />

fertiggestellt werden, beträgt 41,5 Mrd. Euro. Im Vorgängerplan waren noch Projekte mit einem Volumen<br />

von rund 57 Mrd. Euro aufgeführt – trotz deutlich niedrigerer zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.<br />

5. Förderung von Gebäudesanierungen<br />

Seit dem 01.04.2012 baut die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die Förderung energetischer<br />

Sanierungen von Baudenkmälern aus. Zudem können Hauseigentümer seit Anfang April auch Zuschüsse<br />

erhalten, wenn in Ergänzung zu weiteren Maßnahmen die Wärmeverteilung bei bestehenden<br />

Heizungen optimiert wird.<br />

6. Neue Schwellenwerte<br />

Am 22.03.2012 ist die Fünfte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher<br />

Aufträge (VgV) in Kraft getreten. Nun gelten auch für die klassischen Auftraggeber die neuen<br />

Schwellenwerte für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Im Bereich der Sektorenverordnung sind sie<br />

bereits seit dem 01.01.2012 maßgeblich, da hier nach § 1 Abs. 2 SektVO eine dynamische Verweisung<br />

erfolgt. Die neuen Schwellenwerte sind: Bauaufträge: 5 Mio. Euro (bisher 4,845 Mio Euro); Dienstleistungs-<br />

und Lieferaufträge: 200.000,00 Euro (bisher 193.000,00 Euro); Dienstleistungs- und Lieferaufträge<br />

im Sektorenbereich: 400.000,00 Euro (bisher 387.000,00 Euro); Liefer- und Dienstleistungen<br />

der Obersten oder Oberen Bundesbehörden: 130.000,00 Euro (bisher 125.000,00 Euro).<br />

3


Trotz des frühlingsbedingten „big easy“ sollten Sie die nachstehenden allgemeinen Verhaltensempfehlungen<br />

für Baubeteiligte nicht ignorieren:<br />

a) Rügepflicht des Architekten<br />

Werkvertragsrecht oder Kaufrecht? Diese Frage mit teilweise weitreichenden Folgen beschäftigt zunehmend<br />

die Immobilienbranche, zumal vielen Baubeteiligten noch immer nicht bewusst geworden<br />

ist, dass der Gesetzgeber seit geraumer Zeit den § 651 BGB (= Werklieferungsverträge) novelliert hat.<br />

Viele Verträge im Zusammenhang mit der Erstellung eines Bauwerks unterliegen demnach dem Kaufrecht.<br />

Hieran anknüpfend hat der Bundesgerichtshof in einem jüngst entschiedenen Fall die Haftungsrisiken<br />

für Architekten um einen weiteren Aspekt erweitert: Ein Unternehmen hatte sich verpflichtet, zwei<br />

Silos nebst Systemplanung zu liefern. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Wände der Silos zu<br />

dünn waren. Der Bauherr berief sich gegenüber dem Lieferanten auf diesen Mangel und verlangte<br />

die Rückabwicklung des Vertrages. Der BGH entschied, dass die Gewährleistungsansprüche nicht<br />

mehr durchsetzbar seien, weil der Käufer (Bauherr) es verabsäumt habe, den Kaufgegenstand (die<br />

Silos) auf Mängel zu überprüfen. Für den involvierten Architekten hatte und hat dieses Urteil<br />

gleichfalls weitreichende Folgen: Soweit der Bauherr ihn mit der Bauüberwachung beauftragt hat,<br />

muss er den Kaufgegenstand prüfen und Mängel unverzüglich rügen. Versäumt der Architekt diese<br />

Pflicht aus Unkenntnis, kann der Bauherr ihm für seinen Schaden in Regress nehmen. Deshalb muss<br />

der Architekt in jedem Einzelfall eruieren, ob der Bauherr einen Werk- oder einen Kaufvertrag<br />

abgeschlossen hat. Ist letzteres der Fall, treffen ihn die Prüfungs- und Rügepflichten des § 377 HGB.<br />

b) Leistungsverweigerungsrecht des Bauherrn<br />

In einem Vertrag zwischen Bauträger und Bauherren zur Veräußerung eines Grundstücks und schlüsselfertigen<br />

Errichtung eines Einfamilienhauses ist stets ein Zahlungsplan gem. § 3 Abs. 2 der MABV<br />

(Makler- und Bauträgerverordnung) zu vereinbaren. Der BGH (Urteil vom 27.10.2011 zu VII ZR 84/09)<br />

musste sich mit der Frage befassen, ob bei Vorliegen von Mängeln an der Werkleistung sowohl die<br />

Bezugsfertigkeitsrate oder Teile davon als auch die Fertigstellungsrate einbehalten werden können.<br />

Grundsätzlich steht dem Bauherrn bei Mängeln ein Leistungs-/Zahlungsverweigerungsrecht in Höhe<br />

der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zuzüglich angemessenem Druckzuschlag zu. Dieses<br />

Recht ist auf alle Zahlungen anwendbar, also nicht nur auf normale Abschlagsrechnungen der Bauunternehmen,<br />

sondern auch auf Zahlungen, die gemäß vertraglich vereinbartem Zahlungsplan geschuldet<br />

werden. Selbst wenn trotz der Mängel die Bezugsfertigkeit des Hauses gegeben ist, können<br />

Zahlungen hierauf verweigert werden, wenn die letzte Fertigstellungsrate (3,5 %) für die Höhe der<br />

voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten (zuzüglich Druckzuschlag) nicht ausreicht. Baufirmen<br />

sollten dies wissen und bedenken.<br />

c) Kostensicherheit durch Pauschalverträge<br />

Investoren liebäugeln wieder vermehrt mit Sachwerten. Eine Immobilie mag auf den ersten Blick eine<br />

reizvolle Alternative zu einem ständigen Schwankungen unterliegenden Aktiendepot sein, entscheidend<br />

für den Erfolg ist bekanntermaßen aber die Rendite, die vor allem von dem Baukosten abhängt.<br />

Letztere lassen sich erfahrungsgemäß am besten mit Pauschalpreisvereinbarungen in den Griff be-<br />

4


kommen, obgleich auch diese in vielerlei Hinsicht ihre Tücken haben, womit ich sicherlich kein Novum<br />

verbreite.<br />

Investoren sollten deshalb bereits im Vorfeld Verträge präferieren, die ihnen entsprechende Kostensicherheit<br />

gewähren. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich durchaus, das verfügbare Budget in<br />

den Vertragstext aufzunehmen und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass ein bestimmtes<br />

Baukosten-Limit nicht überschritten werden darf.<br />

d) Vorsicht bei Vereinbarung von Sicherheiten<br />

Wer baut, muss investieren, so dass es Sinn macht, derartige Investitionen abzusichern. Insbesondere<br />

öffentliche Auftraggeber dürfen dabei allerdings nicht übers Ziel hinaus schießen. Den Bogen überspannt<br />

hat nach Ansicht des OLG Brandenburg eine Gemeinde, die als Auftraggeberin eine vorformulierte<br />

Klausel in einem Bauvertrag verwandt hatte, wonach die für Mängelansprüche zu leistende<br />

Sicherheit nur durch Einbehalt und Hinterlegung auf ein Verwahrgeldkonto für die Dauer der Mängelanspruchsfrist<br />

geregelt war und vereinbart wurde. Diese Klausel – so das OLG – benachteiligt den<br />

Auftragnehmer unangemessen, da ihm kein angemessener Ausgleich für den Einbehalt der<br />

Sicherheitsleistung zur Verfügung steht, zum Beispiel die Ablösung durch eine Bürgschaft. Deshalb ist<br />

die Klausel unwirksam und der Auftragnehmer nicht verpflichtet, die Sicherheit zu leisten. Die Gemeinde<br />

muss den Einbehalt auszahlen. Recht so!<br />

Zu guter Letzt wenden wir uns wieder der aktuellen Rechtsprechung und einigen wegweisenden Entscheidungen<br />

in den Ihnen hoffentlich liebgewordenen Rechtsgebieten des Privaten und Öffentlichen<br />

Baurechts zu:<br />

I. Bauvertragsrecht<br />

(1) Vergabeverfahrensrisiko<br />

BGH, Urteil vom 08.03.2012 – VII ZR 202/09 –<br />

Dem Auftragnehmer kann ein Mehrvergütungsanspruch in Höhe des Betrages zustehen, der sich<br />

aus der Differenz zwischen den tatsächlich durch die Beauftragung eines Nachunternehmers entstandenen<br />

Kosten und denjenigen Kosten ergibt, die für ihn bei Einhaltung der ursprünglichen Bauzeit<br />

durch die Annahme des bindenden Angebots eines günstigeren Nachunternehmers entstanden<br />

wären.<br />

Dieser Leitsatz steht folgendem Sachverhalt voran:<br />

Die Vergabe europaweit ausgeschriebener Straßenbauarbeiten verzögerte sich. Baubeginn sollte frühestens<br />

14 Werktage nach Erteilung des Zuschlags sein; zweimal musste die ausgeschriebene Zuschlagsfrist<br />

um insgesamt 6,5 Wochen verlängert werden, ehe der Zuschlag erteilt wurde. Der Auftragnehmer<br />

hatte die Brückenbauwerke durch einen Nachunternehmer ausführen lassen wollen, der<br />

die Bindefrist seines Angebots gegenüber dem AN aber nicht verlängerte. Er war für den verschobe-<br />

5


nen Zeitraum nicht mehr bereit, zu seinen ursprünglichen Preisen zu arbeiten. Deshalb musste der<br />

AN einen anderen Nachunternehmer beauftragen, der die Brücken zu einem höheren Preis erstellte.<br />

Der AN macht hierfür Mehrkosten von 260.000, 00 Euro geltend.<br />

Der BGH entscheidet, dass auch die Nachunternehmer-Mehrkosten vom öffentlichen Auftraggeber<br />

zu ersetzen sind, wenn eine Vergabeverzögerung vorliegt, die zugleich zu einer Verschiebung des<br />

Ausführungszeitraums führte. Erstattungsfähig sind diejenigen Mehrkosten, die auf der Verschiebung<br />

des Ausführungszeitraums – nicht nur der Bindefristverlängerung – beruhen. Zu ersetzen ist die Differenz<br />

der Kosten, die dem Auftragnehmer bei Ausführung der Leistung im ausgeschriebenen Zeitraum<br />

entstanden wären, im Vergleich zu denjenigen Kosten, die im nun verschobenen Ausführungszeitraum<br />

entstanden sind. Hinsichtlich der Kosten, die im ausgeschriebenen Zeitraum entstanden wären,<br />

ist auf die Marktpreise zurückzugreifen, sofern keine anderen Anhaltspunkte vorliegen.<br />

Mit diesem Urteil werden missverständliche Ausführungen in einem früheren Verfahren klargestellt,<br />

die in der Praxis für Verwirrung gesorgt hatten. Der im Urteil des Bausenats vom 10.09.2009 enthaltene<br />

Satz, wonach ein geschütztes Vertrauen in die ursprünglich kalkulierten Beschaffungskosten<br />

nicht besteht, erfasst nur den Fall, dass sich trotz Verlängerung der Bindefrist der Ausführungszeitraum<br />

nicht verschiebt. Ansonsten ist ein verbindliches, in die Kalkulation eingeflossenes Nachunternehmer-Angebot<br />

immer Grundlage der Mehrkostenberechnung. Verzögerungsbedingte Mehrkosten<br />

aus dem Wechsel eines Nachunternehmers sind vom Auftraggeber zu tragen.<br />

Offen bleibt noch, ob die Mehrkosten mit Zuschlägen für AGK und Gewinn zu versehen sind, was<br />

unter anderem vom OLG Celle bejaht wurde.<br />

(2) Zusatzvergütung für Reparatur bei Beschädigung vor Abnahme<br />

BGH, Urteil vom 08.03.2012 – VII ZR 177/10 –<br />

Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Verlegung von großflächigen PVC-Böden in<br />

einem Seniorenzentrum. Der AN meldet Bedenken gegen die Restfeuchte des Estrichs an. Der AG<br />

entlässt den AN daraufhin aus der Gewährleistung für Blasen- und Beulenbildungen, die hierauf<br />

zurückzuführen sind. Noch vor der Abnahme der Bodenbelagsarbeiten führt ein Drittunternehmen<br />

Endreinigungsarbeiten durch und setzt dabei das gesamte Geschoss unter Wasser, worauf sich im<br />

PVC-Belag Blasenbildungen zeigen. Es ist nicht mehr aufklärbar, ob und inwieweit diese auf den<br />

Reinigungsarbeiten oder der Estrichfeuchte beruhen. Der Bauleiter des AG beauftragt den AN<br />

zunächst mündlich mit Reparaturarbeiten im Stundenlohn. Später bestätigt der AG schriftlich „die<br />

Beauftragung über die Reparaturarbeiten des Schadens am PVC-Belag am Bauvorhaben, welcher<br />

aufgrund der zu nassen Reinigung entstanden ist“. Dennoch muss der AN seinen Werklohn in Höhe<br />

von ca. 25.000,00 Euro auf dem Klagewege geltend machen. Fasst naheliegenderweise bleibt er in<br />

allen Instanzen erfolgreich.<br />

Im Leitsatz der BGH-Entscheidung heißt es hierzu:<br />

6


Hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer entgeltlich die Reparatur solcher Leistungen in Auftrag<br />

gegeben, die dieser bereits erbracht hat und die von einem Drittunternehmen vor der Abnahme<br />

beschädigt worden sind, entfällt die Vergütungspflicht für diesen Auftrag nicht bereits deshalb,<br />

weil der Auftragnehmer möglicherweise noch die Vergütungsgefahr trug. Es muss vielmehr im<br />

Wege der Vertragsauslegung ermittelt werden, ob der Auftraggeber bereit war, trotz diese Umstands<br />

und unter Berücksichtigung aller sonstigen dem Reparaturauftrag zugrunde liegenden Umstände,<br />

eine Vergütungspflicht zu begründen (Fortführung von BGH, Urteil vom 26.04.2005 – X ZR<br />

166/04 –).<br />

Wegen der notwendigen Vertragsauslegung prüft der BGH konsequenterweise nicht, ob ein Fall des<br />

§ 4 Nr. 5 VOB/B vorlag, wonach der AN seine Leistungen bis zur Abnahme auch gegen Beschädigungen<br />

durch Drittunternehmer auf der Baustelle schützen muss, da es hierauf angesichts der klaren<br />

Vereinbarung nicht ankam. Gemäß Ziff. 4.1.6 der ATV DIN 18365 muss der AN den Belag ohne Mehrvergütung<br />

jedenfalls bis zur Begehbarkeit absperren.<br />

(3) Bindung des Auftragnehmers an seine Schlussrechnung<br />

OLG Hamm, Urteil vom 21.02.2012 – 21 U 93/11 –<br />

Der Auftragnehmer erhält im Jahr 2000 den Auftrag zur Ausführung von MSR-Technik. Die VOB/B ist<br />

vereinbart. Als es zu Verzögerungen im Bauablauf kommt, führt der AN auf Anordnung des AG Beschleunigungsmaßnahmen<br />

durch. Nach Abnahme der Leistung stellt der AN im April 2004 seine<br />

Schlussrechnung, mit der er Beschleunigungskosten in Höhe von 540.000,00 Euro geltend macht. Die<br />

Rechnung wird vom AG zwar kurzfristig geprüft, aber nicht bezahlt, woraufhin der AN Mitte 2005<br />

Klage erhebt. Im Verlauf des Prozesses stellt sich heraus, dass die tatsächlichen Beschleunigungskosten<br />

über 830.000,00 Euro betragen. Während der AG insoweit die Einrede der Verjährung erhebt, beantragt<br />

der AN am 05.03.2010, ihm weitere 290.000,00 Euro zuzusprechen.<br />

Die Klageerweiterung bleibt – wegen Verjährung – aus den Gründen der nachstehenden Leitsätze<br />

ohne Erfolg:<br />

a) Eine Schlussrechnung entfaltet – von den Fällen des § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B abgesehen – keine<br />

Bindungswirkung zu Lasten des Auftragnehmers.<br />

b) Der Auftragnehmer ist deshalb nicht gehindert, auch noch nach Stellung der Schlussrechnung<br />

solche Forderungen geltend zu machen, die nicht in die Schlussrechnung aufgenommen worden<br />

sind, aber in ihr hätten enthalten sein können.<br />

c) Derartige Ansprüche werden allerdings gemeinsam mit den in der Schlussrechnung enthaltenen<br />

Forderungen fällig und verjähren innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.<br />

Nur die vorbehaltslose Annahme einer Schlusszahlung schließt etwaige Nachforderungen aus, wenn<br />

der AN über die Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlusswirkung hingewiesen<br />

wurde. Diese Regelung ist allerdings AGB-widrig und unwirksam, wenn man – wie dies in der Praxis<br />

üblich ist – die VOB/B nicht „als Ganzes“ vereinbart hat. Zudem muss der Hinweis auf den mit einer<br />

vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung verbundene Ausschluss etwaiger Nachforderungen aus-<br />

7


drücklich erfolgen. Die Erklärung, dass „diese Mitteilung unter Hinweis auf die Ausschlusswirkung<br />

gem. § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B erfolgt“, genügt diesen Anforderungen nicht.<br />

(4) Kaufmännische Rügepflicht kann auch für GbR bestehen!<br />

OLG Brandenburg, Urteil vom 22.02.2012 – 4 U 69/11 –<br />

Eine aus zwei Vollkaufleuten bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts war als Generalübernehmer<br />

eingesetzt. Mit der Ausführung der Bauleistungen beauftragte die GbR einen GU, der seinerseits<br />

einen Hersteller von Betonfertigteilen mit der Fertigung und Lieferung von Betonbauteilen beauftragte.<br />

Im Dezember 2008 kündigte der GU den Vertrag mit der GbR. Letzterer erteilte dem Betonfertigteilhersteller<br />

sodann mündlich den Auftrag zur Fortführung der Arbeiten. In der Folge rügte die<br />

GbR Mängel an allen gelieferten Bauteilen. Als die GbR wegen dieser Mängel die Zahlung einer Abschlagsrechnung<br />

über 200.000,00 Euro verweigert, erhebt der Hersteller Klage, und zwar mit Erfolg.<br />

Im Leitsatz des Urteils heißt es hierzu:<br />

Besteht eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus zwei Vollkaufleuten, steht dies der Annahme eines<br />

beiderseitigen Handelsgeschäfts und daher der Anwendbarkeit des § 377 HGB nicht entgegen.<br />

Neben anderen Gründen wurde der GbR zum Verhängnis, dass sie die angelieferten Betonteile nicht<br />

unverzüglich untersucht und gerügt hatte, so dass diese nach § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt galten<br />

und die Geltendmachung eines Mangels nicht mehr möglich war.<br />

Die Anwendbarkeit der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit zieht immer weitere Kreise und macht<br />

mittlerweile auch vor der GbR nicht mehr Halt. Hiermit hatte offensichtlich auch der GÜ nicht gerechnet,<br />

denn er ließ sogar vortragen, dass es sich bei dem behaupteten Mangel um „erhebliche Toleranzabweichungen<br />

vom Sollmaß“ gehandelt habe. Diesen Vortrag zieht das OLG unter anderem als<br />

Begründung dafür heran, dass es sich nicht um einen versteckten Mangel im Sinne des § 377 Abs. 2<br />

HGB gehandelt haben kann. Pech gehabt!<br />

II. Architektenrecht<br />

(1) HOAI-Bindung bei anrechenbaren Kosten über Tafelhöchstwerten?<br />

BGH, Urteil vom 08.03.2012 – VII ZR 195/09 –<br />

a) Eine gem. § 4 Abs. 1 HOAI a.F. schriftlich bei Auftragserteilung getroffene Honorarvereinbarung<br />

ist wirksam, wenn die danach zu zahlende Pauschalvergütung das Honorar nicht unterschreitet,<br />

das dem Auftragnehmer nach der HOAI unter Berücksichtigung der dort festgelegten Mindestsätze<br />

zusteht.<br />

b) Sie ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der für gem. §§ 74 Abs. 2, 16 Abs. 3 HOAI a.F. nicht<br />

preisgebundene Leistungen verbleibende Honoraranteil unter dem für den Tafelhöchstwert des<br />

§ 74 Abs. 1 HOAI a.F. geltenden Honorarmindestsatz liegt.<br />

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Worum ging es?<br />

Der Generalplaner eines Hotelvorhabens beauftragte mit schriftlichem Ingenieurvertrag im Jahr 1999<br />

einen TGA-Planer mit der Fachplanung für die technische Ausrüstung des Gebäudes. Die Parteien<br />

vereinbarten ein Pauschalhonorar von 1 Mio. DM netto. Der Fachplaner behauptet, das Pauschalhonorar<br />

unterschreite die Mindestsätze und verlangt weitere 500.000,00 DM.<br />

Sein Petitum bleibt erfolglos. Die Honorarvereinbarung der Parteien ist wirksam, weil die danach zu<br />

zahlende Pauschalvergütung von 1 Mio. DM netto das Honorar übersteigt, das dem Fachplaner nach<br />

der HOAI unter Berücksichtigung der dort festgelegten Mindestsätze zusteht. Für einen Teil der Leistungen<br />

konnten die Parteien das Honorar frei vereinbaren, weil die anrechenbaren Kosten über dem<br />

einschlägigen Tafelhöchstwert lagen. Dabei ist es unerheblich, dass der auf nicht preisgebundene<br />

Leistungen entfallende Teil des Pauschalhonorars die hierfür nach den Mindestsätzen für den Tafelhöchstwert<br />

des § 74 Abs. 1 HOAI a.F. vorgesehene Vergütung erheblich unterschreitet. Damit widerspricht<br />

der BGH der in der Literatur mehrheitlich vertretenen Auffassung, auch im Rahmen des § 16<br />

Abs. 3 HOAI a.F. könne ein Honorar wirksam nur bis zur Untergrenze des sich nach dem Tafelhöchstwert<br />

ergebenden Mindestsatzhonorars oder der gem. § 242 BGB heranzuziehenden üblichen Vergütung<br />

vereinbart werden. Eine solche Beschränkung folge nicht aus dem mit der HOAI verfolgten<br />

Zweck einer an Mindest- und Höchstsätzen orientierten Honorarbindung. Sie lasse sich auch nicht<br />

mit dem klaren Wortlaut des § 16 Abs. 3 HOAI a.F. in Einklang bringen.<br />

Diese Entscheidung hat auch für die neue HOAI Gültigkeit. Eine Mindestsatzunterschreitung liegt nur<br />

dann vor, wenn das Honorar insgesamt zu niedrig vereinbart worden ist.<br />

(2) Abrechnung und Beweislastverteilung bei Architektenleistungen im Stundenlohn<br />

BGH, Beschluss vom 08.03.2012 – VII ZR 51/10 –<br />

Ein Architekt, der auf Stundenbasis Architektenleistungen bei der Modernisierung eines Einfamilienhauses<br />

erbringt, erstellt mehrere Rechnungen über insgesamt 56.000,00 Euro. Die Bauherren, die<br />

mindestens 52.000,00 Euro gezahlt haben, fordern die Rückzahlung von 50.000,00 Euro. Das OLG<br />

Celle hat ihnen 45.700,00 Euro zugesprochen. Gegenüber den Stundennachweisen des Architekten<br />

könnten die Bauherren einwenden, der Architekt habe das Gebot der wirtschaftlichen Betriebsführung<br />

verletzt. Hieraus könne ein Gegenanspruch aus Vertragsverletzung entstehen, dessen tatsächliche<br />

Voraussetzungen aber der Besteller darlegen und beweisen müsste. Den Architekten treffe aber<br />

eine sekundäre Darlegungslast; er müsse zu Art und Inhalt der nach Zeitaufwand abgerechneten Leistungen<br />

so viel vortragen, dass dem für die Unwirtschaftlichkeit der Leistungsausführung darlegungsund<br />

beweisbelastete Auftraggeber eine sachgerechte Rechtswahrung ermöglicht werde. Dem gegenüber<br />

stelle sich die Abrechnung des Architekten als ungenügend dar. Mit seiner hiergegen eingelegten<br />

Nichtzulassungsbeschwerde bleibt der Architekt erfolglos. In den Leitsätzen des Beschlusses des<br />

BGH heißt es:<br />

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a) Macht der Auftraggeber bei einer Stundenlohnvereinbarung geltend, die Betriebsführung des<br />

Architekten sei unwirtschaftlich gewesen, muss der Architekt zu Art und Inhalt der nach<br />

Zeitaufwand abgerechneten Leistungen jedenfalls so viel vortragen, dass dem für die Unwirtschaftlichkeit<br />

der Leistungsausführung darlegungspflichtigen Auftraggeber eine sachgerechte<br />

Rechtswahrung ermöglicht wird. Insoweit trifft den Architekten eine sekundäre Darlegungslast.<br />

b) Der Architekt trägt nicht die Beweislast dafür, dass der abgerechnete Aufwand angemessen<br />

war.<br />

Das Berufungsgericht hatte angenommen, den Architekten treffe die Darlegungs- und Beweislast,<br />

wieso der von ihm abgerechnete Aufwand angemessen gewesen sein soll. Dies trifft nur für die sekundäre<br />

Darlegungslast des Architekten bei Stundenlohnarbeiten zu. Die Beweislast verbleibt jedoch<br />

entgegen der Annahme des OLG beim Besteller. Kann somit der Bauherr trotz ordnungsgemäßer Darlegung<br />

einer wirtschaftlichen Leistungsausführung durch den Architekten nicht beweisen, dass der<br />

geltend gemachte Aufwand unangemessen ist, steht dem Architekten die geltend gemachte Stundenvergütung<br />

zu. Er muss zunächst nur darlegen und beweisen, wie viele Stunden für die Erbringung<br />

der vertraglichen Leistungen mit welchen Stundensätzen angefallen sind.<br />

(3) Verzugseintritt bei nicht vereinbarten Fristen?<br />

OLG München, Urteil vom 28.01.2010 – 9 U 3388/04 –<br />

BGH, Beschluss vom 23.02.2012 – VII ZR 33/10 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) –<br />

a) Zur Beantwortung der Frage, wann die Leistungen eines Architekten fällig sind und welche<br />

Nachfrist gegebenenfalls angemessen ist, muss auf die Gesamtheit der vom Architekten<br />

geforderten Leistungen abgestellt werden.<br />

b) Die Nachfrist muss für einen genau bestimmten Leistungsinhalt gesetzt werden.<br />

Diesen Leitsätzen liegt folgende Problemstellung zugrunde:<br />

Der AG hatte dem Architekten die Planung des Umbaus einer Dachgeschosswohnung übertragen; es<br />

waren genaue Fristen für einzelne Leistungsteile vereinbart. Am 05.10.2000 ordnete der AG eine Umplanung<br />

an. Der Architekt teilte mit, dass er für diese Änderungen etwa 10 Stunden, längstens eine<br />

Woche veranschlage. Zu erbringen waren zu diesem Zeitpunkt neben den reinen Umplanungsarbeiten<br />

noch weitere Architektenleistungen. Offen blieb, welche Leistungen von der Zeitangabe des<br />

Architekten konkret erfasst waren, nur die reinen Leistungen der Umplanung oder alle zu diesem<br />

Zeitpunkt noch geschuldeten Leistungen. Am 17.10.2000 setzt der AG ohne Benennung konkret zu<br />

erbringender Leistungen dem Architekten eine Frist und mit Schreiben vom 25.10.2000 eine Nachfrist<br />

zum 27.10.2000, lehnt danach weitere Leistungen ab und macht Schadensersatz wegen Nichterfüllung<br />

geltend. Der Architekt habe nicht termingerecht geleistet.<br />

Die Klage blieb erfolglos, denn die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung<br />

seien nicht gegeben. Der Architekt habe keine nach Eintritt der Fälligkeit gesetzte angemessene<br />

Frist zur Leistung versäumt. Eine Nachfrist müsse für einen genau bestimmten Leistungsinhalt gesetzt<br />

werden. Es müsse in dem selben Umfang Fälligkeit gegeben und Verzug eingetreten sein oder gleich-<br />

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zeitig mit der Fristsetzung herbeigeführt werden. Die einheitliche Fristsetzung könne jedenfalls nur<br />

zu dem Zeitpunkt wirken, der angemessen erscheint, um alle geforderten Leistungen zu erbringen.<br />

Wegen eines Teilverzugs könne nicht vom Vertrag zurückgetreten oder der Vertrag gekündigt bzw.<br />

Schadensersatz verlangt werden, wenn für Teile der Leistung die angemessene Frist noch gar nicht<br />

abgelaufen sei. Entsprechendes gelte für die Fälligkeit einzelner Leistungen.<br />

III. Vergaberecht<br />

(1) Aufklärungspflicht bei Unterpreisangebot vor Angebotsausschluss<br />

EuGH, Urteil vom 29.03.2012 – Rs. C-599/10 –<br />

Ein in der Slowakei ansässiger öffentlicher Auftraggeber führt ein Nichtoffenes Ausschreibungsverfahren<br />

zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über die Erhebung von Maut mit einem geschätzten<br />

Wert von mehr als 600 Mio. Euro durch. Zwei Bieter reichen Angebote ein. Diese werden vom AG<br />

aufgefordert, ihre Angebote hinsichtlich der ungewöhnlich niedrigen Preise zu erläutern. Trotz erfolgter<br />

Antwort werden beide vom Verfahren ausgeschlossen. Sie erheben Klage. Der oberste Gerichtshof<br />

der Slowakei hat dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens Auslegungsfragen<br />

im Hinblick auf die Vergabekoordinierungsrichtlinie gestellt.<br />

Letzterer antwortet mit nachstehenden Leitsätzen:<br />

a) Art. 55 Richtlinie 2004/18/EG gebietet, dass die nationale Regelung eine Bestimmung enthält,<br />

die im Wesentlichen vorsieht, dass ein Bewerber, der einen ungewöhnlich niedrigen Preis ansetzt<br />

vom öffentlichen Auftraggeber schriftlich aufzufordern ist, diesen zu erläutern.<br />

b) Es ist Sache des nationalen Richters, anhand des gesamten Akteninhalts zu überprüfen, ob die<br />

betreffenden Bewerber aufgrund der Aufforderung zur Erläuterung ihres Angebots dessen Zusammensetzung<br />

ausreichend darlegen konnten.<br />

Des Weiteren führt er aus:<br />

Wenn im Falle eines bestimmten Auftrags Angebote den Eindruck erwecken, im Verhältnis zur Leistung<br />

ungewöhnlich niedrig zu sein, ist der Auftraggeber verpflichtet, die Einzelposten der ungewöhnlich<br />

niedrigen Angebote zu überprüfen, indem er die Bewerber zur Vorlage der erforderlichen Belege<br />

für die Seriosität dieser Angebote auffordert. Willkür kann nur dann verhindert und ein gesunder<br />

Wettbewerb zwischen den Unternehmen nur dann gewährleistet werden, wenn zu einem „zweckmäßigen“<br />

Zeitpunkt eine „effektive kontradiktorische Erörterung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber<br />

und dem Bewerber“ stattfindet.<br />

Die bisherige Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Angebot nur dann wegen eines ungewöhnlich<br />

niedrigen Preises ausgeschlossen werden kann, wenn der Gesamtpreis wesentlich unter den Preisen<br />

der nächstplatzierten Bieter liegt. Mit der Auslegung des EuGH scheint eine Änderung dieser nationalen<br />

Rechtsprechung vorhersehbar.<br />

11


(2) Aufklärungspflicht bei unklarem Angebot?<br />

Die vorstehende Entscheidung des EuGH enthält weitere Leitsätze, die öffentliche Auftraggeber<br />

künftig in ihren Entscheidungen nachhaltig beeinflussen werden:<br />

a) Unionsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen verpflichten den Auftraggeber nicht,<br />

mit einen Bieter, der in einem Nichtoffenem Ausschreibungsverfahren ein ungenaues oder nicht<br />

den in den Verdingungsunterlagen enthaltenen technischen Spezifikationen entsprechendes<br />

Angebot abgegeben hat, Kontakt aufzunehmen.<br />

b) Derartige Angebot können ausnahmsweise in einzelnen Punkten berichtigt oder ergänzt<br />

werden, vorausgesetzt, diese Änderung läuft nicht darauf hinaus, dass in Wirklichkeit ein neues<br />

Angebot eingereicht wird.<br />

In der Praxis werden diese Vorgaben vermehrt dazu führen, dass der Auftraggeber unklare Angebote<br />

ohne weitere Aufklärung ausschließt. Denn die vom EuGH zugelassene Korrekturmöglichkeit und ihre<br />

Abgrenzung zu einem unzulässigen neuen Angebot macht die Zuschlagsentscheidung des<br />

öffentlichen Auftraggebers wieder angreifbar. Vor allem der Hinweis des EuGH, dass noch nicht<br />

einmal der Eindruck entstehen darf, dass die Aufforderung zur Erläuterung den Bewerber<br />

ungerechtfertigt begünstigt oder benachteiligt hätte, wird in der Praxis dazu führen, dass der<br />

Auftraggeber sich auf das zurückzieht, wozu er nach dieser Rechtsprechung berechtigt ist, nämlich<br />

den Angebotsausschluss ohne vorherige Aufklärung.<br />

(3) Vergabe nach Fachlosen<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 – Verg 52/11 –<br />

Ein Landkreis schrieb Unterhalts- und Glasreinigungsarbeiten für öffentliche Gebäude aus. Die zu reinigenden<br />

Flächen betrugen rund 87.000 m³ bei der regelmäßigen Grundreinigung und rund<br />

24.600 m³ bei der Glasreinigung, die zweimal jährlich durchzuführen war. Die Gebäude wurden zu<br />

vier Teillosen räumlich zusammengefasst, wobei jeweils Grundreinigung und Glasreinigung in jedem<br />

Los zusammengefasst wurden. Die Antragstellerin, ein auf Glasreinigung spezialisiertes Unternehmen,<br />

rügte die fehlende Bildung eines Fachloses „Glasreinigung“. Nach erfolgloser Rüge stellte sie einen<br />

Nachprüfungsantrag und machte geltend, dass es sich bei der Glasreinigung um ein von der Unterhaltsreinigung<br />

abzugrenzendes Fachlos handele. Sie forderte eine Neuausschreibung der Reinigungsleistungen<br />

unter Bildung eines solchen Fachloses. Nachdem der Antrag zurückgewiesen wurde,<br />

erhob die Antragstellerin sofortige Beschwerde.<br />

Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf gibt ihr Recht und entscheidet, dass gegen das Gebot der losweisen<br />

Vergabe nach § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB, § 2 EG Abs. 2 Satz 3 VOL/A verstoßen worden sei. In<br />

den die Begründung tragenden Leitsätzen heißt es:<br />

12


a) Eine Fachlosvergabe ist die Regel. Eine Gesamt- oder zusammenfassende Vergabe darf nach<br />

dem Willen des Gesetzgebers nur in Ausnahmefällen stattfinden.<br />

b) Für die Feststellung, ob eine bestimmte Tätigkeit Gegenstand eines Fachloses ist, ist insbesondere<br />

von Belang, ob sich für spezielle Arbeiten mittlerweile ein eigener Markt herausgebildet<br />

hat.<br />

Letzteres sieht der Vergabesenat bei Glasreinigung als Teilausschnitt der Dienstleistung „Reinigungsarbeiten“<br />

als gegeben an. Die Entscheidung gegen eine losweise Vergabe muss vom Auftraggeber<br />

nach allen Seiten abgewogen werden. Nur wenn dafür „anerkennenswerte“ und „überwiegende“<br />

Gründe festzustellen sind, wie zum Beispiel bei der Gefahr einer unwirtschaftlichen Zersplitterung<br />

der Auftragsvergabe, kann eine Gesamtvergabe gerechtfertigt sein.<br />

IV. Öffentliches Baurecht<br />

(1) Konkrete Rügen bei Mängeln eines Bebauungsplans<br />

BVerwG, Beschluss vom 19.01.2012 – 4 BN 35.11 –<br />

Der Eigentümer eines Grundstücks greift einen Bebauungsplan mit der Normenkontrolle an. Neben<br />

dem Normenkontrollantrag rügt er die behaupteten Mängel des Bebauungsplans auch gegenüber<br />

der planenden Gemeinde. Im Hinblick auf Verfahrensfragen macht er „formelle Mängel bei der Bauleitplanung“<br />

geltend, ohne diese inhaltlich näher zu beschreiben. Außerdem rügt er pauschal „sämtliche<br />

Mängel“ des Bebauungsplans nach § 214 BauGB; auch insoweit fehlt jeder konkrete Vortrag zum<br />

Sachverhalt. Das OVG Nordrhein-Westfalen lehnt den Normenkontrollantrag ab. Zwar liege ein<br />

grundsätzlich erheblicher Verfahrensfehler vor, doch sei dieser in der Jahresfrist des § 215 Abs. 1<br />

BauGB nicht hinreichend substantiiert gerügt worden. Entsprechender Vortrag erfolgte tatsächlich<br />

erst im weiteren Prozessverlauf nach Ablauf der Jahresfrist. Der Antragsteller erhebt Beschwerde<br />

gegen die Nichtzulassung der Revision und bleibt erfolglos.<br />

In den Leitsätzen des Beschlusses des BVerwG wird festgestellt:<br />

a) Die in § 215 Abs. 1 BauGB genannten Mängel eines Bebauungsplans müssen schriftlich und binnen<br />

Jahresfrist gegenüber der planenden Gemeinde gerügt werden. Erfolgt dies nicht, werden<br />

diese Mängel unbeachtlich.<br />

b) Erforderlich ist die Substantiierung und Konkretisierung der Rüge in Bezug auf die Darlegung<br />

des für den Mangel maßgebenden Sachverhalts.<br />

c) Der Gemeinde soll so ermöglicht werden, eine etwaige Fehlerbehebung zu prüfen; das schließt<br />

eine nur pauschale Rüge aus.<br />

13


Die die Entscheidung tragenden Grundsätze zu den Anforderungen an die Geltendmachung der Verletzung<br />

von Vorschriften über die Aufstellung eines Baubauungsplans nach § 215 Abs. 1 BauGB<br />

entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BVerwG. Auch das Ergebnis ist sachgerecht, denn es<br />

dient der Rechtssicherheit aller Beteiligten.<br />

(2) Kein gebietsübergreifender Nachbarschutz ohne unzumutbare Beeinträchtigung!<br />

BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 – 4 B 32.11 –<br />

Der Eigentümer eines Wohnhauses wendet sich gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Lagerplatzes.<br />

Sein Grundstück liegt in einem durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet.<br />

Für das angrenzende Gebiet gibt es keinen Bebauungsplan. Es entspricht nach seiner tatsächlichen<br />

Bebauung einem Mischgebiet. Der VGH Baden-Württemberg stellt keine konkrete Beeinträchtigung<br />

des Wohngrundstücks durch den Lagerplatz fest und weist die Klage ab. Der Eigentümer wendet<br />

sich – erfolglos – an das BVerwG, dass die Entscheidung des VGH mit den nachstehenden Leitsätzen<br />

bestätigt:<br />

a) Der Grundsatz, dass sich ein Nachbar in Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen<br />

Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt<br />

wird, lässt sich auf den Nachbarschutz in einem faktischen Baugebiet übertragen.<br />

b) Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen<br />

Austauschverhältnisses. Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses kann daher<br />

das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des<br />

(faktischen) Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindert werden.<br />

c) Sind die Eigentümer der betroffenen Grundstücke nicht denselben rechtlichen Bindungen unterworfen,<br />

weil das eine Grundstück in einem allgemeinen Wohngebiet und das andere Grundstück<br />

in einem faktischen Mischgebiet liegt, können sie auch nicht vom jeweils anderen Eigentümer<br />

deren Einhaltung verlangen.<br />

Trotz dieser Entscheidung bleibt die Reichweite des von der Rechtsprechung anerkannten gebietsübergreifenden<br />

Abwehranspruchs offen. Ohne eigene unzumutbare Beeinträchtigung obliegt dem Eigentümer<br />

nicht die „Bauaufsicht“ für angrenzendes Baugebiet.<br />

V. Bauvesicherungsrecht<br />

Versicherungsaltverträge und das VVG n.F.<br />

BGH, Urteil vom 12.10.2011 – IV ZR 199/10 –<br />

Der Eigentümer (E) eines Gebäudes verlangt von seinem Wohngebäudeversicherer (V) Versicherungsschutz<br />

für einen Leitungswasserschaden aus Januar 2009. In § 11 der Bedingungen des Versicherungsvertrags<br />

findet sich die Obliegenheit, die Leitungen nicht genutzter Gebäude häufig zu kon-<br />

14


trollieren und wasserführende Anlagen insbesondere in der kalten Jahreszeit zu entleeren und abzusperren.<br />

Weiter heißt es für den Fall, dass E diese Obliegenheit verletzt, dass „V nach Maßgabe von<br />

§ 6 VVG zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei“ ist. Eine Anpassung dieser Bedingungen an<br />

das zum 01.01.2008 in Kraft getretene VVG nahm V nicht vor. Über die Jahreswende 2008/2009<br />

stand das Gebäude leer. Da E die Leitungen nicht entleert hatte, kam es am 08.01.2009 zum Leitungswasserschaden.<br />

Im Deckungsprozess beruft sich V auf die Obliegenheitsverletzung und sagt<br />

unter Berücksichtigung der Schwere des Verschuldens des E zu, die Hälfte des eingetretenen Schadens<br />

zu regulieren. Landgericht und OLG sind der Ansicht, dass V sich nicht auf die Regelung in § 11<br />

der Bedingungen berufen könne, da diese Regelung wegen Verstoß gegen das geltende VVG unwirksam<br />

sei und verurteilen V zum Ersatz des vollen Schadens. Hiergegen wendet sich V mit seiner Revision,<br />

die erfolglos bleibt.<br />

Der BGH folgt der Ansicht der Vorinstanzen und stellt in den Leitsätzen seiner Entscheidung klar:<br />

a) Die Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten (hier: VGB 88<br />

§ 11 Nr. 2 Satz 1 – 3) ist unwirksam, wenn der Versicherer von der Möglichkeit der Vertragsanpassung<br />

gem. Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht hat. Der Versicherer kann deshalb<br />

bei grob fahrlässiger Verletzung vertraglicher Obliegenheiten kein Leistungskürzungsrecht gem.<br />

§ 28 Abs. 2 Satz 2 VVG geltend machen.<br />

b) Auf die Verletzung gesetzlicher Obliegenheiten (hier: grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls<br />

gem. § 81 Abs. 2 VVG) kann sich der Versicherer weiterhin berufen.<br />

Die Einschränkung im zweiten Leitsatz führte zur Zurückverweisung an das OLG, da die Vorinstanzen<br />

nicht ausreichend gewürdigt hätten, ob der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig<br />

herbeigeführt hatte.<br />

VI. Bauprozessrecht<br />

Örtliche Zuständigkeit für Werklohnklage des Bauunternehmers<br />

BGH, Urteil vom 08.12.2011 – III ZR 114/11 –<br />

Aus der Natur eines Schuldverhältnisses kann sich ein einheitlicher Leistungsort für alle<br />

Vertragspflichten ergeben. Dies ist anerkannt beim Bauwerkvertrag, bei dem auch der Besteller<br />

eine seiner Hauptpflichten, nämlich die Abnahme des Werks, am Ort des Bauwerks zu erfüllen hat<br />

und bei dem es im wohlverstandenen Interesse beider Vertragsparteien liegt, eine gerichtliche<br />

Auseinandersetzung über etwaige Mängel des Bauwerks in dessen räumlicher Nähe durchführen<br />

zu können.<br />

Von Landgerichten wird zunehmend die Auffassung vertreten, bei Bauverträgen gebe es keinen einheitlichen<br />

Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen. Erfüllungsort für die Zahlungsverpflichtung<br />

des Bestellers sei daher nicht der Ort des Bauvorhabens, sondern dessen (Wohn-)Sitz<br />

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Mit dem vorstehenden Leitsatz billigt der III. Zivilsenat die Rechtsprechung des I. und des VII. Senats<br />

zum einheitlichen Erfüllungsort beim Bau- und Architektenvertrag. Die Qualifizierung der Geldschuld<br />

im unternehmerischen Verkehr als „modifizierte Bringschuld“ infolge der Zahlungsverzugsrichtlinie<br />

(Sie erinnern sich sicherlich an die im letzten Jahr besprochene Entscheidung des EuGH bei Überweisungen)<br />

hat auf die Bestimmung des Gerichtsstands keine Auswirkungen. Die Vorschriften über<br />

den Zahlungsort lassen die über den Leistungsort (= Erfüllungsort) unberührt (§ 270 Abs. 4 BGB).<br />

Um die nötige Wiederbelebungszeit zu verlängern, frage ich erst jetzt an, ob Sie als „Bestandteil des<br />

Bruttosozialprodukts“ den 1. Mai angemessen verbracht haben oder er auch für Sie ein gewöhnlicher<br />

„Tag der Arbeit“ war. Sollte letzteres zutreffen, wünsche ich einen erfolgreichen Verlauf der nicht<br />

verkürzten Restwoche.<br />

Mit besten Grüßen<br />

Ihr<br />

gez. Eulitz<br />

Eulitz, Rechtsanwalt<br />

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