broschuere-wegweiser-fuer-umgang-nach-trennung-scheidung
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In zahlreichen Familien hat das Kind neben den<br />
Eltern weitere wichtige Bezugspersonen. Ob dies<br />
die Großeltern, (Halb-) Geschwister, Stiefeltern,<br />
Verwandte oder enge Freunde der Familie sind,<br />
hängt davon ab, wie intensiv und regelmäßig<br />
der Kontakt zum Kind ist. Eine sichere Bindung zu<br />
weiteren Bezugspersonen bedeutet für das Kind,<br />
dass ihm neben seinen Eltern weitere Menschen<br />
zur Verfügung stehen, die ihm Geborgenheit und<br />
Stabilität bieten. Die unterschiedlichen Lebenserfahrungen<br />
und Lebensstile von Bezugspersonen<br />
bereichern und erweitern die Erlebniswelt des<br />
Kindes.<br />
Bei außergewöhnlichen Ereignissen, wie z.B. einer schweren<br />
Erkrankung eines Elternteils, kann der Kontakt zu anderen<br />
Bezugspersonen für das Kind eine besondere Bedeutung<br />
bekommen. Dies ist auch im Falle einer Trennung oder<br />
Scheidung möglich.<br />
Während die Eltern sich neu organisieren und orientieren<br />
müssen, besteht die Gefahr, dass sie die Bedürfnisse ihrer<br />
Kinder zumindest eine Zeitlang nicht voll im Blick haben.<br />
Während dieser Zeit können Dritte eine ausgleichende<br />
Funktion für das Kind übernehmen.<br />
Sie können ein fester Bezugspunkt in der sich ändernden<br />
Welt der Kinder sein. Inwieweit sie in der Lage sind zu<br />
helfen, hängt von ihrer Fähigkeit und Bereitschaft ab, auch<br />
<strong>nach</strong> Trennung und Scheidung zu beiden Elternteilen eine<br />
ausreichende Gesprächsbasis zu erhalten. Nur so kann eine<br />
notwendige Abstimmung über den Umgang mit dem Kind,<br />
aber auch über organisatorische Fragen des Alltags stattfinden.<br />
Ein Umgang ohne ein Mindestmaß an Kommunikation<br />
und Übereinstimmung ist nicht praktikabel. Trennung<br />
und Scheidung haben nicht nur auf Eltern und Kinder<br />
Auswirkungen, sondern ebenso auf die Bezugspersonen,<br />
die eine wichtige Rolle im Leben der Kinder spielen.<br />
Der Umgang aus der Sicht<br />
von Großeltern und Geschwistern<br />
Die Großeltern sind in vielen Familien ein wichtiger Bestandteil<br />
im Leben von Eltern und Kindern. Ihre Position<br />
im Familienverband ist eine besondere. Als Eltern<br />
von Mutter oder Vater haben sie bereits Erfahrungen<br />
mit der Erziehung von Kindern. Die Geburt eines<br />
Enkelkindes bietet ihnen die Möglichkeit – jenseits<br />
grundlegender Erziehungspflichten – das Aufwachsen<br />
der nächsten Generation zu erleben und zu begleiten.<br />
Viele Großeltern widmen sich der Entwicklung<br />
ihres Enkelkindes mit großer Hingabe und Aufmerksamkeit.<br />
Hinzu kommt, dass sie zumeist etwas in<br />
größerem Umfang haben, was den erwerbstätigen Eltern oft<br />
nur eingeschränkt zur Ver-fügung steht: ausreichend Zeit.<br />
Anita, 36 Jahre: „Als Kurt und ich uns trennten,<br />
brach für mich eine Welt zusammen. Lange<br />
wollte ich es nicht wahrhaben, und ich muss<br />
heute gestehen, dass ich für unsere Kinder<br />
kaum noch ansprechbar war. Meine Freundin<br />
und ihr Mann haben irgendwann gesagt, das<br />
könne so nicht weiter gehen und die Kinder<br />
sollten am Wochenende zu ihnen kommen.<br />
Damals war ich beleidigt, heute bin ich froh,<br />
dass sich die beiden eingemischt haben. Ich<br />
glaube, unseren beiden Jungs hat es sehr gut<br />
getan, wenigstens das Wochenende in einer<br />
normalen Familie zu verbringen. Heute läuft<br />
auch bei uns alles wieder in ruhigen Bahnen.“<br />
Jedes Kind und jeder Jugendliche braucht den anteilnehmenden<br />
Blick von Älteren auf seine Entwicklung und die<br />
unverwechselbaren Lernfortschritte. Wenn Eltern wenig<br />
Zeit haben, beginnt der Bildungs- und Unterstützungsbeitrag<br />
der Älteren. Großeltern und ihre Enkel können<br />
einander gute Bildungsbegleiter sein. Sie lernen von- und<br />
miteinander, ohne dass allzu großer Leistungsdruck entsteht.<br />
Sie können in der Zeit, die sie zusammen verbringen,<br />
die Welt auf eine andere Weise als z.B. in der Schule<br />
entdecken. Eltern hingegen sind in der Regel ehrgeiziger.<br />
Was sie von ihren Kindern erwarten, das trauen sie ihnen<br />
auch zu. Großeltern haben an die Enkel zumeist keine<br />
übermäßigen Erwartungen. Sie erleben die Zeit mit den<br />
Enkeln oft viel entspannter und gelassener als dies bei<br />
ihren eigenen Kindern der Fall war.<br />
Leben (Halb-)Geschwister nicht im gleichen Haushalt, beschränkt<br />
sich ihr Kontakt auf den Umgang. Geschwister<br />
können einander nicht aussuchen. Sie werden durch die<br />
Geburt miteinander verbunden. Geschwisterliebe kann<br />
nicht vorausgesetzt werden, sie muss sich entwickeln.<br />
Wo eine liebevolle Beziehung entstanden ist, profi tieren<br />
Geschwister voneinander. Sie trösten und unterstützen<br />
sich gegenseitig. Häufig bilden sie eine verschworene<br />
Gemeinschaft. Sie lernen voneinander, streiten und<br />
vertragen sich wieder.<br />
Dass Geschwister nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt<br />
leben, kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen<br />
kann es sein, dass ältere Kinder bereits von zu Hause ausgezogen<br />
sind. Zum anderen können Geschwister durch<br />
die Trennung und Scheidung der Eltern in verschiedenen<br />
50 Der Umgang mit anderen Bezugspersonen / Wegweiser für den Umgang