Univ. â Prof. Dr. Henning Radtke 1 Ãbung im Strafrecht für ...
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<strong>Univ</strong>. – <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Henning</strong> <strong>Radtke</strong><br />
Übung <strong>im</strong> <strong>Strafrecht</strong> für Fortgeschrittene<br />
Sommersemester 2009<br />
4. Besprechungsfall<br />
Der Banker B, dessen Gehalt sich <strong>im</strong> Gefolge der Finanzkrise durch den Wegfall von<br />
Bonuszahlungen vermindert hat, möchte dieses Jahr trotz seiner wirtschaftlich schlechten<br />
Verhältnisse nicht bei dem örtlichen Opernball fehlen. Schließlich war er die letzten 10 Jahre<br />
stets anwesend und kann auf keinen Fall vor seinen Freunden den wirtschaftlichen Abstieg<br />
durch Abwesenheit am Opernball offenbaren. Da jedoch die Leasing-Rate für sein<br />
standesgemäßes Auto, einen Mercedes S 63 AMG, in diesem Monat schon abgebucht wurde und<br />
diese den Großteil seines reduzierten Gehalts einn<strong>im</strong>mt, kann er sich die Eintrittskarte nicht<br />
mehr leisten. Er bedient sich daher eines Tricks. B bietet seinem Kollegen K, der bei einer<br />
renommierten deutschen Bank arbeitet und weniger stark prämienabhängig vergütet wird, eine<br />
Eintrittskarte zu besorgen. Dieser n<strong>im</strong>mt das freundliche Angebot des B an. Daraufhin kauft B<br />
mit dem Geld des K eine Eintrittskarte. Er erstellt dann mit der technologisch hervorragenden<br />
Ausstattung der Bank eine täuschend echt aussehende Kopie der Eintrittskarte des K und gibt<br />
dem K das Original.<br />
Am Tag des Opernballs versucht B mit seiner kopierten Eintrittskarte Einlass zu erhalten. Der<br />
Sicherheitsmitarbeiter am Eingang (S) erkennt den B jedoch von den Jahren zuvor wieder und<br />
erinnert sich, wie B dem S <strong>im</strong> letzten Jahr einen Fünf-Euro-Schein zusteckte und dies<br />
überheblich mit dem Ausruf: „Wärst‘ besser Banker geworden!“ kommentierte. Daher kontrolliert<br />
er den B besonders sorgfältig und ihm fällt nach Abgleich mit der Kartenliste sofort auf, dass die<br />
Kartennummer an diesem Abend schon einmal eingelöst wurde. Als er den B darauf anspricht,<br />
sieht dieser seinen Opernballtraum, wie die Träume seiner Lehman-Anleger, zerplatzen und<br />
ergreift die Flucht.<br />
Aufgrund der genauen Beschreibung des S kommt die Polizei dem B auf die Schliche und es<br />
kommt zum Prozess vor dem Amtsgericht. B, der am Abend des Tages vor dem Opernball das<br />
Notebook der Tochter T seiner Nachbarin repariert hatte, redet T ein, er habe ihr diesen<br />
Freundschaftsdienst einen Tag später geleistet. Daraufhin bittet er sie, in dem Prozess für ihn<br />
auszusagen, wobei er auch damit rechnet, dass T vereidigt werden könnte. T weiß aber genau,<br />
dass beide einen Tag früher den Abend zusammen am Notebook verbracht haben, möchte<br />
jedoch aus he<strong>im</strong>licher Verehrung in seinem Sinne aussagen und lässt ihn <strong>im</strong> guten Glauben. Zu<br />
Beginn des Prozess weist der Richter alle anwesenden Zeugen auf ihre Wahrheitspflicht und die<br />
Möglichkeit der Vereidigung hin. Danach wird T vernommen und sagt aus, dass beide am<br />
Tatabend das Notebook repariert haben. Ihre Aussage wird inhaltlich von der Protokollführerin in<br />
das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende Richter ordnet wegen der<br />
Bedeutung der Aussage von T deren Vereinigung an. Sodann leistet die erst fünfzehnjährige T<br />
unter Beachtung aller Förmlichkeiten den Eid.<br />
Um den Vorwurf des Staatsanwaltes, B habe aus wirtschaftlichen Gründen die Kopie der Karte<br />
erstellt, zu entkräften, lässt B durch seinen Verteidiger den Steuerberater St als Zeugen<br />
benennen. B ahnt nämlich, dass dieser ihm zu seinen Gunsten eine gute wirtschaftliche Lage<br />
bestätigen werde, da beide ein gutes Verhältnis pflegen und St regelmäßig den Mercedes des B<br />
ausleiht. St wird sodann auch durch den Vorsitzenden nach den finanziellen Verhältnissen des B<br />
gefragt. St bescheinigt dem B eine wirtschaftlich sehr gute Position und fügt spontan - und<br />
1
<strong>Univ</strong>. – <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Henning</strong> <strong>Radtke</strong><br />
ungefragt - hinzu, dass er <strong>im</strong> Übrigen das Alibi des B bestätigen könne, denn er sei am Abend<br />
des Opernballs an T’s Haus vorbeigefahren und habe T und B dort gesehen. Auch diese Aussage<br />
wird vom Urkundsbeamten protokolliert. Aufgrund der Beweislage wird B frei gesprochen.<br />
Wie haben sich B, T und St strafbar gemacht?<br />
§ 60 StPO:<br />
Von der Vereidigung ist abzusehen<br />
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet<br />
haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit<br />
1.<br />
oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides<br />
keine genügende Vorstellung haben;<br />
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der<br />
2. Beteiligung an ihr oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder<br />
deswegen bereits verurteilt sind.<br />
2
<strong>Univ</strong>. – <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Henning</strong> <strong>Radtke</strong><br />
Lösungsskizze<br />
Tatkomplex 1: Der vergeblich begehrte Einlass<br />
Strafbarkeit des B<br />
A. Strafbarkeit des B gem. § 267 I Var. 1 StGB durch Kopieren der<br />
Eintrittskarte<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
Der objektive Tatbestand erfordert das Herstellen einer unechten Urkunde.<br />
1)Tatobjekt - Urkunde (=eine verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis <strong>im</strong><br />
Rechtsverkehr geeignet und best<strong>im</strong>mt ist und ihren Aussteller erkennen lässt 1 )<br />
Die täuschend echt aussehende Kopie einer Eintrittskarte enthält die Gedankenerklärung,<br />
dass diese Karte zum Besuch des Opernballs berechtigt und ist daher eine verkörperte<br />
Gedankenerklärung.<br />
Problem Kopie: Ist eine Kopie zum Beweis <strong>im</strong> Rechtsverkehr geeignet und best<strong>im</strong>mt? Lässt<br />
sie ihren Aussteller erkennen? Grds. sind nach der h.M. Kopien keine Urkunden. 2 Teilweise<br />
wird die Urkundsqualität bejaht, da Kopien <strong>im</strong> Rechtsverkehr längst wie Originale behandelt<br />
werden. 3 Dagegen spricht aber, dass der Aussteller eines Originals sich nicht zum Inhalt<br />
beliebiger Kopien bekennt. Die h.M. lässt aber ausnahmsweise eine Kopie als taugliches<br />
Tatobjekt zu, sofern diese vom Aussteller als Original gewidmet wurde oder vom Hersteller<br />
mit der Intention erstellt wurde, infolge ihrer guten Qualität <strong>im</strong> Rechtsverkehr den<br />
unzutreffenden Eindruck hervorrufen soll, es handle sich um ein Original. 4 Hier hat B die<br />
Fotokopie so gut angefertigt, dass sie den Eindruck eines Originals erweckt. Auch hatte er bei<br />
der Erstellung die Intention sie als Original <strong>im</strong> Rechtsverkehr zu gebrauchen. Somit liegt eine<br />
Urkunde iSd § 267 StGB vor. (+)<br />
2) unecht (=Unecht ist eine Urkunde, die nicht von demjenigen herrührt, der aus ihr als<br />
Aussteller hervorgeht. Es muss eine Divergenz von scheinbaren und wirklichen Aussteller<br />
bestehen, sog. Identitätstäuschung. 5 ) Aus der Kopie der Eintrittskarte geht als scheinbarer<br />
Aussteller der Betreiber des Opernballs hervor, wirklicher Aussteller ist aber B. Damit liegt<br />
eine Divergenz vor. Die Urkunde ist unecht.<br />
3)Tathandlung – Herstellen (=Hervorbringen einer Urkunde, die den unrichtigen Anschein<br />
erweckt, von dem aus ihr erkennbaren Aussteller herzurühren. 6 ) Durch das eigenhändige<br />
Kopieren bringt B eine Urkunde hervor, die den unrichtigen Anschein erweckt von der Oper<br />
ausgestellt worden zu sein. Damit hat B eine unechte Urkunde hergestellt.<br />
II. Subjektiver Tatbestand<br />
1) Vorsatz (= Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. 7 )<br />
1 Cramer/Heine in Schönke/Schröder, § 267, Rn. 2.<br />
2 BGHSt 24,140.<br />
3 Freund Jus 1991, 723. ff.<br />
4 Erb in MüKo, § 267, Rn. 96.<br />
5 Küper, BT, S. 335.<br />
6 Lackner/Kühl, § 267, Rn. 17.<br />
7 Fischer, § 15, Rn. 3.<br />
3
<strong>Univ</strong>. – <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Henning</strong> <strong>Radtke</strong><br />
B wollte hier eine unechte Urkunde herstellen und war sich dessen bewusst. Damit handelte<br />
er vorsätzlich.<br />
2)zur Täuschung <strong>im</strong> Rechtsverkehr<br />
Weiterhin müsste B zur Täuschung <strong>im</strong> Rechtsverkehr gehandelt haben. Hier ist keine Absicht<br />
erforderlich, es genügt sicheres Wissen. 8 B wusste sicher, dass er damit <strong>im</strong> Rechtsverkehr,<br />
nämlich über seine Einlassberechtigung, täuscht. Folglich handelte B auch zur Täuschung <strong>im</strong><br />
Rechtsverkehr.<br />
III. Rechtswidrigkeit (+)<br />
IV. Schuld (+)<br />
V. Ergebnis<br />
B hat sich wegen einer Urkundenfälschung gem. § 267 I Var. 1 StGB strafbar gemacht, indem<br />
er die Eintrittskarte kopierte.<br />
B. Strafbarkeit des B gem. § 267 I Var. 3 StGB durch Vorzeigen der Urkunde<br />
am Eingang<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
1)Unechte Urkunde, s.o. (+)<br />
2)Gebrauchen (=Zugänglich machen der Urkunde ggü. dem zu Täuschenden und Schaffen<br />
der Möglichkeit der Kenntnisnahme 9 )<br />
Hier durch Vorzeigen am Eingang (+)<br />
II. Subjektiver Tatbestand (+)<br />
III. Rechtswidrigkeit (+)<br />
IV. Schuld (+)<br />
V. Ergebnis<br />
Damit hat sich B durch das durch Vorzeigen der Urkunde am Eingang wegen einer<br />
Urkundenfälschung gem. § 267 I Var. 3 StGB strafbar gemacht.<br />
VI. Konkurrenz zur Herstellung<br />
Hat der Täter die unechte Urkunde zunächst hergestellt und gebraucht die Urkunde<br />
anschließend in dem von Anfang an vorgesehenen Rahmen für Täuschungszwecke, so<br />
kommt nur eine einheitliche Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung zum Tragen. 10 Dieses<br />
wird unterschiedlich begründet. Teilweise wird die Urkundenfäschung als ein zweiaktiges<br />
Delikt gesehen, bei dem beide Akte eine deliktische Einheit bilden. 11 Andere meinen das<br />
Gebrauchmachen sei gegenüber den anderen Formen straflose Nachtat. 12 Eine dritte Ansicht<br />
vertritt, dass das Gebrauchmachen das Fälschen und Verfälschen als mitbestrafte Vortaten<br />
verdrängt. 13<br />
8 Cramer/Heine in Schönke/schröder, § 267, Rn. 91.<br />
9 Lackner/Kühl,Strafgesetzbuch,§ 267, Rn. 23.<br />
10 Erb in MüKO, § 267, Rn. 217<br />
11 Cramer/Heine in Schönke/Schröder, § 267 Rn. 79<br />
12 Nürnberg MDR 51, 52.<br />
13 Hoyer in SK, § 267, Rn. 114.<br />
4
<strong>Univ</strong>. – <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Henning</strong> <strong>Radtke</strong><br />
C. Strafbarkeit des B gem. § 263 I, II, 22 StGB, indem B mit kopierter<br />
Eintrittskarte Einlass erhalten wollte<br />
I. Vorprüfung<br />
1. Strafbarkeit des Versuchs<br />
Der versuchte Betrug ist gem. § 263 II, 22, 23 I StGB strafbar.<br />
2. Nichtvollendung des Delikts<br />
Der Betrug dürfte nicht vollendet sein. Hier wurde B nicht Eintritt gewährt. Daher ist es zu<br />
keiner Vermögensverfügung oder einem Schaden gekommen. Somit ist der objektive<br />
Tatbestand des Betruges nicht erfüllt.<br />
II. Tatentschluss<br />
Der Tatentschluss des Versuches entspricht dem Vorsatz be<strong>im</strong> vollendeten Delikt. 14<br />
1. Täuschen über Tatsachen (=Vorspiegelung falscher und Entstellung oder Unterdrückung<br />
wahrer Tatsachen)<br />
Die Täuschung kann durch Begehen, also Erteilen einer unwahren Information, oder durch<br />
das pflichtwidrige Unterlassen einer zutreffenden Information geschehen. 15 Hier wollte B<br />
durch das Vorzeigen der falschen Eintrittskarte konkludent die unwahre Information<br />
erteilen, er habe eine Eintrittsberechtigung. Somit wollte er täuschen und hatte<br />
diesbezüglich Tatentschluss.<br />
2. Irrtum erregt (=jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der<br />
Wirklichkeit. 16 )<br />
B wollte, dass S glaubt, er habe eine Berechtigung. Daher (+)<br />
Ferner war nach Vorstellung des B die Täuschungshandlung auch kausal für die<br />
Irrtumserregung.<br />
3. Vermögensverfügung (=jedes Tun oder Unterlassen, das sich unmittelbar<br />
vermögensmindernd auswirkt. 17 ) Hier wollte B, dass S ihn auf den Opernball lässt und er<br />
dadurch Einlass erhält ohne bezahlt zu haben. Damit wollte er an sich eine<br />
Vermögensverfügung. Problematisch könnte sein, dass sich diese Vermögensverfügung zu<br />
Lasten des Betreibers des Opernballs ausgewirkt hätte. Hier wäre die Vermögensverfügung<br />
aber dem Betreiber nach allen derzeit vertretenen Ansätzen (Nahetheorie, Lagertheorie,<br />
Befugnistheorie) 18 zuzuordnen. Damit hatte B auch Tatentschluss hinsichtlich einer<br />
Vermögensverfügung.<br />
Auch sollte die Vermögensverfügung nach der Vorstellung des B kausal auf der<br />
Irrtumserregung beruhen.<br />
4. Schaden (= negativer Saldo zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der<br />
irrtumsbedingten Vermögensverfügung 19 )<br />
Hier entsteht eine Minderung des Vermögens, indem die Forderung gegen B nicht geltend<br />
gemacht wird. Somit wollte B einen Vermögensschaden, der kausal auf der<br />
Vermögensverfügung beruhte, und hatte diesbezüglich Tatentschluss.<br />
5. Absicht rechtswidriger Bereicherung<br />
14 Joecks, § 22 Rn. 3.<br />
15 Kindhäuser/Nikolaus, Jus 2006, S. 193 (S. 194)<br />
16 Fischer, § 263, Rn. 33.<br />
17 Fischer, § 263, Rn. 40.<br />
18 Theorien ausgeführt bei Kindhäuser/Nikolaus, Jus 2006, S. 293 (294)<br />
19 Fischer, § 263 Rn. 70.<br />
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<strong>Univ</strong>. – <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Henning</strong> <strong>Radtke</strong><br />
B müsste weiterhin die Absicht rechtswidriger Bereicherung gehabt haben. Für diese muss es<br />
dem Täter zunächst zielgerichtet darauf ankommen sich oder einen <strong>Dr</strong>itten zu bereichern. 20<br />
Im vorliegenden Fall kam es B gerade zielgerichtet darauf an, den Preis für die Eintrittskarte<br />
nicht zu zahlen und sich somit zu bereichern. Weiterhin muss der von B angestrebte<br />
Vermögensvorteil gerade die Kehrseite des Schadens sein, es muss Stoffgleichheit<br />
bestehen. 21 Hier besteht der Vermögensvorteil gerade in der Ersparnis des Eintritts und stellt<br />
daher die Kehrseite zum Schaden, d.h. des Verlustes des Eintrittsgeldes dar. Weiterhin hatte<br />
B keinen Anspruch auf die angestrebte Bereicherung somit war sie auch rechtswidrig. Daher<br />
hatte B die Absicht rechtswidriger Bereicherung.<br />
III. Unmittelbares Ansetzen<br />
Zu prüfen ist, ob B zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt hat. Das<br />
unmittelbare Ansetzten liegt stets vor, wenn der Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen<br />
Tatbestandes erfüllt. 22 Hier hat T bereits getäuscht, indem er die kopierte Karte vorgezeigt<br />
hat. Dadurch er ein Tatbestandsmerkmal des Betruges erfüllt und somit unmittelbar<br />
angesetzt.<br />
IV Rechtswidrigkeit (+)<br />
V. Schuld (+)<br />
VI. Ergebnis<br />
B hat sich wegen eines versuchten Betruges gem. § 263 I, II, 22 StGB, indem B mit kopierter<br />
Eintrittskarte Einlass erhalten wollte.<br />
D. Strafbarkeit des B gem. §§ 265a I, II, 22 StGB, indem er mit kopierter<br />
Eintrittskarte Einlass erhalten wollte<br />
Eine Strafbarkeit des B gem. §§ 265a I, II, 22 StGB scheidet aufgrund formeller Subsidiarität<br />
gem. § 265a I StGB aus, da der oben geprüfte und hier einschlägige versuchte Betrug<br />
schwerer bestraft wird.<br />
Tatkomplex 2: Der Gerichtsprozess<br />
§ 1 Strafbarkeit der T<br />
A. Strafbarkeit der T gem. § 154 I StGB durch Beschwören ihrer Aussage<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
Der objektive Tatbestand des § 154 StGB setzt das falsche Schwören vor Gericht oder einer<br />
anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle voraus. 23<br />
1)Zuständige Stelle<br />
Hier ist das Amtsgericht eine zuständige Stelle. Der Eid ist zudem in diesem Verfahren<br />
zulässig und von der zuständigen Person, dem Richter am Amtsgericht, abgenommen.<br />
20 Hefendehl in MüKo, § 263, Rn. 721<br />
21 Hefendehl in MüKo, § 263, Rn. 705.<br />
22 Engländer, Jus 2003, S. 330 (S. 331).<br />
23 Lencker in MüKo, § 154, Rn. 2.<br />
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2)Falschheit der Aussage<br />
Problem Falschheit: Aufgrund welcher Kriterien ist eine Aussage als falsch zu qualifizieren?<br />
Eine Aussage ist nach der subjektiven Theorie falsch, wenn ein Widerspruch zwischen<br />
Wirklichkeit und Wissen des Täters besteht. Danach wird auch eine Strafbarkeit begründet,<br />
wenn jemand entgegen seinem Wissen etwas Wahres aussagt. Dafür spricht, dass eine<br />
zufällig wahre Aussage für die Sachverhaltserforschung von geringem Wert ist, weil mit einer<br />
Zufallsbehauptung die Wahrheit nicht ordnungsgemäß bewiesen werden kann. 24 Gegen<br />
diese Theorie ist spricht aber, dass das Gesetz in § 160 StGB (Verleitung zur Falschaussage)<br />
davon ausgeht, dass ein gutgläubiger eine falsche Aussage machen kann; also eine falsche<br />
Aussage vorliegt, obwohl kein Widerspruch zwischen Wissen und Wirklichkeit besteht. Hier<br />
wusste T, dass sie den Abend nicht mit B bei der Reparatur eines Notebooks verbracht hat.<br />
Daher ist ihre Aussage nach dieser Theorie falsch.<br />
Nach der objektiven Theorie ist eine Aussage falsch, wenn sie mit dem wirklichen<br />
Geschehen nicht übereinst<strong>im</strong>me, ihr Inhalt also der objektiven Wirklichkeit widerspricht.<br />
Dafür spricht, dass sich aus der der Strafbarkeit der fahrlässigen Falschaussage ergibt, dass<br />
es nicht auf das subjektive Vorstellungsbild des Aussagenden ankommt, sondern zunächst<br />
auf den objektiven Wahrheitsgehalt der Aussage. 25 Hier hat T den Abend nicht mit B<br />
verbracht. Damit widerspricht der Inhalt ihrer Aussage der objektiven Wirklichkeit und ist<br />
nach dieser Ansicht als falsch zu qualifizieren.<br />
Vertreter der Pflichttheorie werten eine Aussage als falsch, wenn der Aussagende seine<br />
Aussagepflicht verletzt. 26 Diese ist verletzt, falls der Aussagende sein potentiell erreichbares<br />
Erlebnisbild nicht vollständig oder korrekt wiedergibt und nicht über Zweifel an der Qualität<br />
ihrer Aussage unterrichte. Dafür spricht, dass eine Strafbarkeit nicht weiter reichen dürfe, als<br />
die tatsächliche Möglichkeit des Aussagenden, Aussagen über einen Sachverhalt zu treffen.<br />
Hier wusste T, dass sie und B an dem Abend nicht zusammen waren, damit hat sie ihre<br />
Aussagepflicht verletzt. Ihre Aussage ist dieser Ansicht nach als falsch zu werten.<br />
Damit ist die Aussage der T nach allen drei Theorien falsch. Eine Entscheidung, welcher<br />
Theorie zu folgen ist, ist daher nicht erforderlich.<br />
3) Schwören<br />
T hat hier den Nacheid geleistet. Sie ist jedoch fünfzehn Jahre alt. Gem. § 60 StPO wäre von<br />
ihrer Vereidigung abzusehen gewesen.<br />
Problem Eidesunmündigkeit: Fraglich ist, wie sich dieser prozessuale Verstoß auf ihre<br />
Strafbarkeit auswirkt. Teilweise wird vertreten, dass bei einer prozessordnungswidrig<br />
vorgenommenen Vereidigung die Aussage nicht mehr als eidliche Aussage verwertbar ist.<br />
Daher komme nur eine Strafbarkeit wegen uneidlicher Falschaussage in Betracht. 27 Dafür<br />
spricht auch, dass das Gesetz in § 60 StPO selbst davon ausgehe dass einem Jugendlichen<br />
unter 16 Jahren die nötige Reife fehlt, die Tragweite einer eidlichen Wahrheitsbekräftigung<br />
zu verstehen. Diese Verantwortlichkeitsregelung für den speziellen Fall könne nicht mit der<br />
allgemeineren Verantwortlichkeitsregelung nach § 3 I JGG wieder aufgehoben werden. 28<br />
Dieser Ansicht folgend wäre also ein falsches Schwören der T abzulehnen.<br />
24 Darstellend Müller in MüKo, § 153, Rn. 47.<br />
25 Joecks, Vor § 153, Rn. 5.<br />
26 Müller-Dietz, Jus 1984, S. 161 ff.<br />
27 Joecks, § 155, Rn. 6.<br />
28 Müller in MüKo, § 154, Rn. 13.<br />
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<strong>Univ</strong>. – <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Henning</strong> <strong>Radtke</strong><br />
Eine andere Ansicht sieht bei der versehentlichen Vereidigung eines Eidesunmündigen den<br />
Tatbestand des § 154 StGB als erfüllt an. 29 Ein prozessualer Verstoß ist lediglich in der<br />
Strafzumessung zu berücksichtigen. 30 Nach dieser Ansicht hätte T falsch geschworen. Gegen<br />
diese Ansicht spricht allerdings, dass der Gesetzgeber eine Strafmilderung in der<br />
Strafzumessung nur für den Fall der uneidlichen Falschaussage ausdrücklich in § 157 StGB<br />
vorgesehen hat, und gerade nicht für den Meineid. Ausschlaggebend ist hier aber, dass der<br />
Zweck des § 60 StPO nicht in einer Verantwortlichkeitsregelung zu sehen ist, sondern darin,<br />
dass es überflüssig ist, eine wahrheitsgemäße Aussage dadurch herbeiführen zu wollen, dass<br />
man den Zeugen mit einem Mittel konfrontiert, dessen Tragweite er nicht versteht. Dieses<br />
folgt auch aus einem systematischen Vergleich mit § 61 StPO, der von seiner Formulierung<br />
<strong>im</strong> Gegensatz zum § 60 StPO ein Recht zugesteht. 31 Daher ist der zweiten Ansicht zu folgen. T<br />
hat falsch geschworen.<br />
II. Subjektiver Tatbestand (+)<br />
III. Rechtswidrigkeit (+)<br />
IV. Schuld<br />
T war auch gem. § 3 S. 1 JGG verantwortlich (+)<br />
V. Ergebnis<br />
T hat sich wegen eines Meineides gem. § 154 I StGB strafbar gemacht, indem sie aussagte,<br />
den Abend des Opernballs mit B verbracht zu haben, und dies beschwor.<br />
B. Strafbarkeit der T gem. § 271 I StGB durch Veranlassen einer<br />
Beurkundung durch den Protokollführer<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
1. Tatobjekt: öffentliche Urkunde (= Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde oder<br />
einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb ihrer Zuständigkeit in der<br />
vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, vgl. § 415 ZPO 32 . Sie muss weiterhin<br />
öffentlichen Glauben genießen, d.h. best<strong>im</strong>mt und geeignegt sein, <strong>im</strong> Rechtsverkehr die<br />
Richtigkeit des Inhalts mit Wirkung für und gegen jedermann zu beweisen. 33 )<br />
Protokoll stellt öffentliche Urkunde dar. (+)<br />
2. Taterfolg: unwahre Urkunde (= der gedankliche Inhalt der Urkunde st<strong>im</strong>mt nicht mit der<br />
Wirklichkeit überein 34 )<br />
Hier st<strong>im</strong>mt der Inhalt, die Aussage der T, nicht mit der Wirklichkeit überein.<br />
Weiter ist zu verlangen, dass diese Unwahrheit sich auf jene Inhalte bezieht, die zu<br />
öffentlichen Glauben beurkundet wurden. 35 Beurkundet iSv. § 271 sind lediglich diejenigen<br />
Erklärungen und Tatsachen, auf die sich die Beweiskraft der jeweiligen öffentlichen Urkunde<br />
29 Ruß in LK § 154 Rn. 10.<br />
30 BGHSt 10, 143.<br />
31 Reese, JA 2005, S. 612 (S. 613)<br />
32 Cramer/Heine in Schönke/Schröder, § 271, Rn. 4.<br />
33 Küper, BT, S. 333<br />
34 Joecks, § 271, Rn. 15.<br />
35 Joecks, § 271, Rn. 15.<br />
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<strong>Univ</strong>. – <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Henning</strong> <strong>Radtke</strong><br />
bezieht. 36 Die Beweiskraft des Urteils müsste sich also auf die Aussage der T erstrecken. Bei<br />
Gerichtsprotokollen ist aber anerkannt, dass dieses nur die Abgabe der Erklärungen, nicht<br />
aber deren Richtigkeit beurkunden soll. 37 Damit bezieht sich die Beweiskraft des Protokolls<br />
nicht auf die Richtigkeit der Aussage der T. Damit liegt keine unwahre Urkunde vor.<br />
II. Ergebnis<br />
O hat sich nicht wegen einer mittelbaren Falschbeurkundung gem. § 271 I StGB strafbar<br />
gemacht, indem sie den Protokollführer dazu veranlasste, ihre Aussage zu protokollieren.<br />
§ 2 Strafbarkeit des St<br />
A. Strafbarkeit des St gem. § 153 StGB durch Aussage über wirtschaftliche<br />
Situation des B<br />
I. Objektiver TB<br />
1. zuständige Stelle:<br />
St hat vor einem Gericht und damit einer zuständigen Stelle ausgesagt.<br />
2. als Zeuge oder Sachverständiger<br />
Auch hat St als Zeuge oder Sachverständiger ausgesagt.<br />
3. Falschheit der Aussage<br />
St’s Aussage st<strong>im</strong>mt objektiv nicht mit der Wirklichkeit überein. Er wusste auch, dass seine<br />
Aussage nicht mit der Wirklichkeit übereinst<strong>im</strong>mt und hat ebenso seine Aussagepflicht<br />
verletzt. Folglich ist die Aussage des T nach allen drei Theorien (s.o.) falsch.<br />
II. Subjektiver TB<br />
St wollte etwas Falsches aussagen und wusste dieses auch handelte somit vorsätzlich.<br />
III. Rechtswidrigkeit (+)<br />
IV. Schuld (+)<br />
V. Ergebnis<br />
St hat sich durch das Bestätigen der wirtschaftlich guten Situation des B wegen einer<br />
uneidlichen Falschaussage gem. § 153 I StGB strafbar gemacht.<br />
B. Strafbarkeit des St gem. § 153 StGB durch Aussage über das Alibi des B<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
1. Falsche Aussage<br />
Problem: Umfang der Wahrheitspflicht<br />
Der Umfang der Wahrheitspflicht wird durch den Vernehmungsgegenstand begrenzt. Dieser<br />
wird durch die Fragen des Richters best<strong>im</strong>mt. Hier sollte St eigentlich zur finanziellen Lage<br />
des B aussagen. Er hat jedoch auch das Alibi des B ungefragt bestätigt. Fraglich ist, wie<br />
solche Spontanäußerungen zu behandeln sind.<br />
Grundsätzlich fallen spontane, den Gegenstand der Vernehmung überschreitende Angaben<br />
nicht unter die Wahrheitspflicht, da dadurch die staatliche Rechtspflege nicht bedroht wird.<br />
Dies gilt auch, wenn sie eine entscheidungserhebliche Tatsache betreffen. 38 Eine Ausnahme<br />
hiervon ist nur machen, falls die spontane Äußerung nach einer Erweiterung des<br />
36 BGHSt 22, 201 (203); Joecks, § 271, Rn. 16.<br />
37 Cramer/Heine in Schönke/Schröder, § 271, Rn. 23.<br />
38 Lenckner in Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 153 ff. Rn. 14.<br />
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Vernehmungsgegenstandes bestätigt wird. 39 Eine Erweiterung hat hier nicht stattgefunden.<br />
Daher liegt keine falsche Aussage des St bzgl. der Alibibestätigung vor.<br />
II. Ergebnis<br />
St hat sich die Alibibestätigung nicht wegen einer uneidlichen Falschaussage gem. § 153 I<br />
StGB strafbar gemacht.<br />
C. Strafbarkeit des St gem. § 271 I StGB durch Veranlassen einer<br />
Beurkundung durch den Protokollführer<br />
Der objektive Tatbestand ist ebenfalls nicht erfüllt, da sich die Beweiskraft des Protokolls<br />
nicht auf die Richtigkeit der Aussage bezieht. (s.o.)<br />
§ 3 Strafbarkeit des B<br />
A. Strafbarkeit des B gem. §§ 154 I, 25 I 2. Alt., indem er der T den falschen<br />
Termin einredete und um eine Aussage bat<br />
Eine mittelbare Täterschaft des B scheidet aus, da es be<strong>im</strong> § 154 I StGB um ein<br />
eigenhändiges Delikt handelt.<br />
B. Strafbarkeit des B gem. §§ 154 I, 26 StGB, indem er der T den falschen<br />
Termin einredete und um eine Aussage bat<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
1. vorsätzliche rechtswidrige Haupttat<br />
Wie oben geprüft, hat T einen Meineid begangen. Dieser stellt eine vorsätzliche<br />
rechtswidrige Haupttat dar.<br />
2. Best<strong>im</strong>men (= Hervorrufen des Tatentschlusses 40 )<br />
Hier hat B der T einen falschen Termin eingeredet und dadurch Tatentschluss<br />
hervorgerufen. B hat daher O zum Meineid best<strong>im</strong>mt.<br />
II. Subjektiver Tatbestand (= „doppelte Anstiftervorsatz“ )<br />
Der Vorsatz des B müsste sich sowohl auf die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat der T als<br />
auch auf das Best<strong>im</strong>men beziehen. B glaubt, T begehe keinen Meineid, da sie nicht<br />
vorsätzlich handele; daher handelt B bzgl. des Vorliegens der vorsätzlich-rechtswidrigen<br />
Haupttat nicht vorsätzlich.<br />
III. Ergebnis<br />
B hat sich nicht wegen einer Anstiftung zum Meineid gem. §§ 154, 26 StGB strafbar<br />
gemacht.<br />
C. Strafbarkeit des B gem. § 160 I Var. 1 StGB, indem er der O den falschen<br />
Termin einredete und um eine Aussage bat<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
1. objektiver Tatbestand des § 153, 154 oder 156<br />
Wie oben geprüft, hat T den Tatbestand des Meineides gem. § 154 I erfüllt.<br />
39 Joecks, § 153, Rn. 5.<br />
40 Joecks, § 26, Rn. 9.<br />
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2. Verleiten<br />
(=jede Einwirkung auf den Willen der Beweisperson, die diese dazu best<strong>im</strong>mt, die von dem<br />
Täter gewollte Tat zu verwirklichen 41 )<br />
Hier war die T bösgläubig. Fraglich ist, ob auch ein nur vermeintlich Gutgläubiger verleitet<br />
werden kann. Dies ist umstritten.<br />
Teilweise wird vertreten, § 160 erfasse nur die Fälle, in denen die Voraussetzungen der<br />
mittelbaren Täterschaft vorliegen und eine Strafbarkeit der mittelbaren Täterschaft nur<br />
daran scheitere, dass es sich bei den Aussagedelikten um eigenhändige Delikte handele. 42<br />
Hier lägen die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft aufgrund der Bösgläubigkeit der<br />
T nicht vor. Danach wäre hier eine Strafbarkeit gem. § 160 StGB abzulehnen. Die<br />
Rechtssprechung und ein anderer Teil der Literatur vertreten hingegen § 160 StGB erfasse<br />
auch die Fälle, in denen der „Vordermannes“ entgegen der Annahme des „Hintermannes“<br />
bosgläubig ist. 43 Begründet wird dies damit, dass Aufgabe des § 160 StGB sei, diejenigen<br />
Fälle einer Anstiftung zu bestrafen, in denen wegen des Erfordernisses der vorsätzlichen<br />
rechtswidirgen Haupttat nicht mehr nach § 26 StGB bestraft werden könne. Zu diesen Fällen<br />
gehören aber nicht nur diejenigen, in denen der Vordermann nicht vorsätzlich handelt,<br />
sondern auch die, in denen der vermeintliche Anstifter nicht weiß, dass der Haupttäter<br />
vorsätzlich handelt. 44 Dieser Ansicht folgend läge hier ein Verleiten iSd § 160 StGB vor. Hier<br />
ist allerdings der ersten Ansicht zu folgen, da § 160 StGB nur Strafbarkeitslücken schließen<br />
will, die aus der Eigenhändigkeit der Aussagedelikte folgen. Es besteht kein Anlass, Fälle<br />
einzubeziehen, in denen der Hintermann lediglich versucht hat, sich eines gutgläubigen<br />
Werkzeugs zu bedienen, da hier § 160 II in Betracht kommt und die Strafmilderung des § 23<br />
II StGB zudem nur fakultativ ist.<br />
II. Ergebnis<br />
B hat sich nicht wegen einer Verleitung zur Falschaussage gem. § 160 I StGB strafbar<br />
gemacht, indem er der T den falschen Termin einredete und um eine Aussage bat.<br />
D. Strafbarkeit des B gem. §§ 160 I, II, 22 StGB, indem er der T den falschen<br />
Termin einredete und um eine Aussage bat<br />
I. Vorprüfung<br />
1. Strafbarkeit des Versuchs<br />
Die versuchte Verleitung ist gem. §§ 160 II, 22 StGB strafbar.<br />
2. Nichtvollendung des Delikts<br />
Das Delikt dürfte nicht vollendet sein. Hier fehlt das Verleiten, da T gutgläubig war. Daher ist<br />
der objektive Tatbestand des § 160 I StGB nicht erfüllt. Das Delikt ist nicht vollendet.<br />
II. Tatentschluss<br />
B musste Tatentschluss gehabt haben. B könnte die T verleiten gewollt haben. Durch das<br />
Einreden des falschen Termins wollte er die T dazu best<strong>im</strong>men, die von ihm gewollte<br />
Falschaussage zu begehen. Damit hatte B Tatenschluss bzgl. des Verleitens. Weiterhin<br />
41 Joecks, § 160, Rn. 3.<br />
42 Joecks, § 160 Rn. 6.<br />
43 BGHSt 21, 116f.<br />
44 Sk-Rudolphi §160 Rn. 4.<br />
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müsste sich dieser auf den Meineid erstreckt haben. Hier hat B zumindest die Vereidigung<br />
und den Meineid billigend in Kauf genommen. Damit hatte B auch Tatentschluss hinsichtlich<br />
des Meineides.<br />
III. Unmittelbares Ansetzen<br />
B musste zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt haben. Hier hat B durch<br />
Einreden und Bitten zur Aussage bereits begonnen den Tatbestand zu verwirklichen und<br />
damit unmittelbar angesetzt.<br />
IV. Rechtswidrigkeit (+)<br />
V. Schuld (+)<br />
VI. Ergebnis<br />
B hat sich einer versuchten Verleitung zur Falschaussage gem. §§ 160 I, II, 22 StGB strafbar<br />
gemacht, indem er der T den falschen Termin einredete und um eine Aussage bat.<br />
E. Strafbarkeit des B gem. §§ 153, 26 StGB durch die Benennung des St als<br />
Zeugen<br />
I.Objektiver Tatbestand<br />
Best<strong>im</strong>men<br />
B könnte St zur Falschaussage best<strong>im</strong>mt haben, indem er ihn als Zeuge für eine bewusst<br />
wahrheitswidrige Behauptung benennt. Anders als <strong>im</strong> Zivilprozess reicht eine bloße<br />
Zeugenbenennung <strong>im</strong> Strafprozess nicht aus eine Anstifterstrafbarkeit zu begründen, selbst<br />
wenn der Angeklagte davon ausgeht, der Zeuge werde zu seinen Gunsten falsch aussagen.<br />
Vielmehr ist diese Möglichkeit Ausfluss des § 219 StPO. 45 Daher liegt kein Best<strong>im</strong>men vor.<br />
II. Ergebnis<br />
B hat sich nicht wegen einer Anstiftung zur Falschaussage strafbar gem. §§ 153 I, 26 StGB<br />
gemacht, indem er den St als Zeugen benannte.<br />
F. Strafbarkeit des B gem. §§ 153, 27 I, 13 StGB durch die Benennung des St<br />
als Zeugen und Schweigen während der Vernehmung<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
1.vorsätzliche rechtswidrige Haupttat<br />
Als vorsätzliche rechtswidrige Haupttat liegt die oben geprüfte Falschaussage des St vor.<br />
2. Hilfeleisten (= jede kausale Förderung der Haupttat 46 )<br />
Hier käme eine Förderung der Falschaussage durch Unterlassen, indem B während der<br />
Falschaussage des von ihm benannten Zeugen schwieg, in Betracht. Hierzu müsste das<br />
Unterlassen des B aber einem aktiven Tun gleichgestellt sein. B müsste eine besondere<br />
Rechtspflicht zum Handeln gem. § 13 StGB treffen. Er müsste eine Garantenstellung<br />
innehaben. B hat T als Zeuge einer wahrheitswidrigen Behauptung benannt. Daher kommt<br />
eine Garantenstellung aus Ingerenz in Betracht. Dies ist jedoch umstritten.<br />
Eine Ansicht sieht diese Garantenstellung begründet, da derjenige, der eine Gefahr<br />
geschaffen habe, nach den allgemeinen Grundsätzen dafür verantwortlich ist, den aus dieser<br />
45 Heinrich, JUS 1995, S. 1115 (S. 1117).<br />
46 Joecks, § 27, Rn. 7.<br />
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Gefahr folgenden schädlichen Erfolg abzuwenden, auch wenn er sich dadurch selbst der<br />
Strafverfolgung aussetzt. 47 Danach wäre hier eine Garantenstellung zu bejahen.<br />
Andere lehnen eine Garantenstellung aus Ingerenz in diesen Fällen grundsätzlich ab. Der<br />
Zeuge handle unter eigener Verantwortung; weiterhin sei es für einen Angeklagten<br />
unzumutbar, eine für sich selbst günstige – wenn auch wahrheitswidrige Zeugenaussage<br />
richtig zu stellen. 48 Dieser Ansicht folgend läge hier also keine Garantenstellung vor.<br />
Eine vermittelnde Ansicht verneint grundsätzlich eine Garantenpflicht aus Ingerenz. Nur<br />
wenn der Zeuge in eine prozessunangemessene besondere Gefahr der Falschaussage<br />
gebracht werde, für diese müssen neben der bloßen Benennung weitere Umstände<br />
hinzukommen. 49 Hier sind solche weiteren Umstände nicht ersichtlich. Dieser Ansicht<br />
folgend läge ebenfalls keine Garantenstellung des B vor. Der zweiten Ansicht ist zu folgen, da<br />
den Angeklagten <strong>im</strong> Prozess keine Wahrheitspflicht trifft, er ein Recht zur Lüge hat und<br />
daher keine Interventionspflicht des Angeklagten bestehen kann, auch nicht wenn er den<br />
Zeugen formal benannt hat. Somit ist eine Garantenstellung des B abzulehnen.<br />
IV. Ergebnis<br />
B hat sich durch die Benennung des St als Zeugen und Schweigen während der Vernehmung<br />
keiner Beihilfe zur Falschaussage durch Unterlassen gem. §§ 153 I, 27 I, 13 StGB strafbar<br />
gemacht.<br />
Gesamtergebnis & Konkurrenzen<br />
T hat sich wegen eines Meineides gem. § 154 I StGB strafbar gemacht.<br />
St hat sich wegen einer uneidlichen Falschaussage gem. § 153 StGB strafbar gemacht.<br />
B hat sich wegen einer Urkundenfälschung gem. § 267 I Var. 1 StGB strafbar gemacht und<br />
wegen eines versuchten Betruges gem. § 263 I, II, 22 StGB durch den Kopiervorgang mit<br />
anschließender Verwendung der Kopie. Die Urkundenfälschung und der versuchte Betrug<br />
bilden eine Tateinheit gem. §52 StGB. Weiterhin hat sich B einer versuchten Verleitung zur<br />
Falschaussage gem. §§ 160 I, II, 22 StGB strafbar gemacht. Diese steht zur<br />
Urkundenfälschung und zum versuchten Betrug in Realkonkurrenz gem. § 53 StGB.<br />
Anmerkung zu einer möglichen Strafbarkeit wegen Strafvereitelung:<br />
Eine Strafbarkeit des B wegen Strafvereitelung scheidet schon aus, weil B nur sich selbst der<br />
Strafverfolgung entziehen will. Es liegt schon keine taugliche Vortat vor. Auf § 258 V StGB<br />
kommt es hier insofern nicht an.<br />
Für T und St kommt allerdings eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung in Betracht.<br />
47 RGSt 70, 82.<br />
48 Joecks, Vor § 153 Rn. 11.<br />
49 darstellend Heinrich, JuS 1995, S. 1115 (S. 1118ff.).<br />
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Literaturhinweis zur Vertiefung:<br />
Geppert, Klaus Grundfragen der Aussagedelikte, in JURA 2002, S. 173 – 181.<br />
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