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WELT Wissen_2015_8

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die nicht so leicht gestreut werden – auf einen Punkt im Medium.<br />

Passierte nun Licht diese Stelle, verschob sich dessen<br />

Frequenz geringfügig.<br />

Den Zeitumkehrspiegel auf der gegenüberliegenden Seite<br />

stellten die Forscher so ein, dass er nur die leicht abgeänderten<br />

Lichtwellen zurückwarf. Das Resultat war ein dünner Strahl,<br />

der erneut durch den Ultraschallfokus lief und sich dort mit<br />

den Lichtwellen aus der ursprünglichen Einfallsrichtung überlagerte.<br />

Dadurch erhöhte sich die Intensität an dieser Stelle –<br />

»wie eine kleine Lampe in der Wand«, kommentiert Judkewitz,<br />

der inzwischen an der Charité in Berlin arbeitet. Der Ultraschallfokus<br />

ließ sich sogar innerhalb des Mediums bewegen,<br />

und sobald er die Kugel streifte, fluoreszierte diese.<br />

Aus dem Labor in die Praxis<br />

In tiefe Gewebeschichten lässt sich mit dieser Technik allerdings<br />

noch nicht blicken. Obendrein bewegen Blutfluss und<br />

Atmung diese Bereiche, was eine weitaus größere Herausforderung<br />

darstellt. »Von medizinischen Anwendungen sind<br />

wir noch immer weit entfernt, da die Verfahren meist nur<br />

funktionieren, wenn das Streumedium absolut still steht«,<br />

sagt Mathias Fink vom Institut Langevin. Der Physiker forschte<br />

in den 1990er Jahren an einer Variante der Zeitumkehrmethode,<br />

die nur auf Ultraschall basierte.<br />

Indessen gelingen die Aufnahmen immer schneller. Während<br />

die gesamte Prozedur bei Mosk ursprünglich etwa eine<br />

Stunde dauerte, benötigen laut Ori Katz viele Teams dafür inzwischen<br />

weniger als eine Minute. Das ist gut, wenn man<br />

eine Kugel oder den Buchstaben π abbilden will, aber für eine<br />

Untersuchung im menschlichen Körper noch immer zu<br />

langsam. Einer Forschergruppe um Katz gelang es 2014<br />

schließlich, das Abbild eines verdeckten Objekts anhand nur<br />

einer einzigen Kameraaufnahme zu rekonstruieren. »Es ist<br />

ein bisschen wie Magie, wenn sich der Algorithmus dem endgültigen<br />

Bild annähert«, beschreibt der Physiker Sylvain Gigan<br />

aus dem Team.<br />

Auch Wang misst Geschwindigkeit eine entscheidende<br />

Bedeutung zu: »Alles ist in Bewegung, und uns bleibt nur ein<br />

Zeitfenster im Bereich von Millisekunden, um ein Bild zu<br />

machen.« Tatsächlich reduzierten Wang und seine Kollegen<br />

in ihrer Veröffentlichung von Anfang <strong>2015</strong> diese Dauer auf<br />

5,6 Millisekunden. »Das erlaubt Aufnahmen in einigen lebenden<br />

Geweben«, erläutert der Forscher. Ihr Zielobjekt bestand<br />

aus angefärbter Gelatine, die zwischen dem Ohr einer<br />

narkotisierten Maus und einer Licht streuenden Mattglasscheibe<br />

eingeklemmt war. Dieses erfolgreiche Experiment<br />

mit einem lebendigen Tier sei beeindruckend, sagt Bertolotti.<br />

Gleichzeitig weist er aber darauf hin, dass der Weg von<br />

einem dünnen Mäuseohr bis zur Bildgebung in menschlichem<br />

Fleisch noch erheblich mehr Arbeit erfordern werde.<br />

Momentan hebe sich kein bildgebendes Verfahren von<br />

den anderen ab, ergänzt der Physiker. Jedes habe Vor- und<br />

Nachteile. »Anstatt eine Methode zu entwickeln, die sich für<br />

alles eignet, werden sich vermutlich verschiedene Techniken<br />

etablieren, die eines Tages in einem Gerät kombiniert wer-<br />

den könnten«, sagt Bertolotti. »Ich kann nicht abschätzen,<br />

wie schnell das passieren wird, aber es handelt sich um eine<br />

junge, umtriebige Forschergemeinde – es könnte also schon<br />

in wenigen Jahren so weit sein.«<br />

Diese Verfahren hätten auch zahlreiche Einsatzgebiete<br />

jenseits der Medizin. Mosk nennt als Beispiel die Restauration<br />

von Kunstwerken. »Die tiefer liegenden Schichten eines<br />

Gemäldes haben Einfluss auf dessen chemische und physikalische<br />

Alterung. Daher wäre es wichtig zu wissen, was drinsteckt,<br />

wenn man das Bild erhalten will.« Auch in der Telekommunikationsindustrie<br />

dürften sich die Methoden als<br />

nützlich erweisen, etwa um das störende Streulicht in Lichtwellenleitern<br />

zu beseitigen. Ein weiterer naheliegender Abnehmer<br />

ist das Militär. Fink zufolge könnten Soldaten mit<br />

Hilfe der neuen Techniken durch einen tragbaren Schild sehen<br />

– entweder einen physikalischen Schutzschirm oder einen<br />

künstlichen Nebel –, der sie ihrerseits vor dem Blick des<br />

Feindes versteckt. »Man könnte andere beobachten, ohne dabei<br />

selbst gesehen zu werden.« Zumindest bis der Gegner<br />

ebenfalls solche Technologien entwickelt.<br />

Fast alle <strong>Wissen</strong>schaftler in diesem jungen Forschungsgebiet<br />

schwärmen aufgeregt von den potenziellen Anwendungen.<br />

Für Gigan ist dabei vor allem wichtig, jeden Einsatz auch<br />

moralisch vertreten zu können. »Immer wenn wir erzählen,<br />

woran wir arbeiten, fragt irgendwann jemand nach einer<br />

App, um mit dem Smartphone durch Duschvorhänge zu sehen«,<br />

berichtet er. »Das wäre prinzipiell sogar möglich – aber<br />

wir haben nicht vor, das zu tun.« Ÿ<br />

DIE AUTORIN<br />

Zeeya Merali ist freie <strong>Wissen</strong>schaftsjournalistin in London.<br />

QUELLEN<br />

Bertolotti, J. et al.: Non-Invasive Imaging through Opaque<br />

Scattering Layers. In: Nature 491, S. 232 – 234, 2012<br />

Cassereau, D., Fink, M.: Time-Reversal of Ultrasonic Fields – Part III:<br />

Theory of the Closed Time-Reversal Cavity. In: IEEE Ultrasonics,<br />

Ferroelectrics, and Frequency Control 39, S. 579 – 592, 1992<br />

Judkewitz, B. et al.: Speckle-Scale Focusing in the Diffusive Regime<br />

with Time Reversal of Variance-Encoded Light (TROVE). In: Nature<br />

Photonics 7, S. 300 – 305, 2013<br />

Katz, O. et al.: Non-Invasive Single-Shot Imaging through<br />

Scattering Layers and around Corners via Speckle Correlations. In:<br />

Nature Photonics 8, S. 784 – 790, 2014<br />

Liu, Y. et al.: Optical Focusing Deep inside Dynamic Scattering<br />

Media with Near-Infrared Time-Reversed Ultrasonically Encoded<br />

(TRUE) Light. In: Nature Communications 6, 5904, <strong>2015</strong><br />

Vellekoop, I. M., Mosk, A. P.: Universal Optimal Transmission of<br />

Light Through Disordered Materials. In: Physical Review Letters 101,<br />

120601, 2008<br />

Yaqoob, Z. et al.: Optical Phase Conjugation for Turbidity Suppression<br />

in Biological Samples. In: Nature Photonics 2, S. 110 – 115,<br />

2008<br />

Dieser Artikel im Internet: www.spektrum.de/artikel/1351072<br />

© Nature Publishing Group<br />

www.nature.com<br />

Nature 518, S. 158–160, 12. Februar <strong>2015</strong><br />

40 SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · AUGUST <strong>2015</strong>

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