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WELT Wissen_2015_8

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gen – bereits um ein Drittel gesunken. Der Fischfarmer Yung<br />

Chang Xu bestätigt mir, dass nicht mehr so viele Fische sterben<br />

wie im Jahr zuvor und das Wasser klarer geworden ist.<br />

Die Investition in ein paar solche frei treibende Kästen<br />

amortisiert sich innerhalb eines Jahres durch Verkauf des leckeren,<br />

auch bei Restaurants gefragten Spinats. Experten wie<br />

Xie haben begriffen, dass Neuerungen sowohl der Umwelt<br />

als auch den Bauern zugutekommen sollten. Das gelingt nur<br />

bei enger Zusammenarbeit vor Ort. Die Fischwirte hier<br />

möchten nun auf mindestens fünf Prozent ihrer Teichflächen<br />

Wasserspinat ziehen. Überall werden bereits Rahmen<br />

dafür gezimmert.<br />

Überhaupt hat sich seit der Katastrophe mit dem faulen<br />

Wasser in Wuxi die Erkenntnis durchgesetzt, dass man für<br />

saubere Aquakulturen am besten Pflanzen mit einbezieht.<br />

Damals begannen Experten, zum Reinigen des Wassers<br />

Feuchtgebiete anzulegen oder vorhandene hinzuzunehmen.<br />

Die chinesische Akademie der <strong>Wissen</strong>schaften am Jangtsekiang<br />

fördert mittlerweile zahlreiche Projekte gegen Wasserverschmutzung,<br />

bei denen Süßwasserschnecken und Lotosblumen<br />

sowie zahlreiche weitere Arten für Sauberkeit sorgen.<br />

Ein Beispiel ist der See Ge Hu ein Stück flussaufwärts<br />

von Wuxi. Fischgehege weist er heute gar keine mehr auf,<br />

aber auf 2,6 Quadratkilometern wachsen Wasserhyazinthen.<br />

Selbst der nahe gelegene, expandierende Aquakulturbetrieb<br />

Wu Jing säubert schon ein Drittel seiner Teiche mit Pflanzenhilfe<br />

über Feuchtgebiete.<br />

Ein anderes Beispiel bilden die Zuchtteiche einer Aquafarmkooperative<br />

am See Luhu in Wuhan. Früher erntete man<br />

dort jährlich 12 000 Kilogramm Karpfen. Doch der immense<br />

Fischbesatz leistete Krankheiten und Nährstoffbelastung<br />

Vorschub. Mit Hilfe der chinesischen Akademie der <strong>Wissen</strong>schaften<br />

schloss der Betrieb 2008 deswegen Feuchtgebiete an<br />

die Abflusszone zum See an. Inzwischen haben die Farmer<br />

zudem von Karpfen auf den teureren, umweltschonenderen<br />

Mandarinfisch umgestellt und den Bestand auf ein Zehntel<br />

verringert. Geld verlieren würde er nie, erzählt ein 50-jähriger<br />

Fischer. Aber jedes Jahr müssten sie aufs Neue herausfinden,<br />

welche Fische in einem Teich gerade am besten zurechtkommen.<br />

In anderen Fällen braucht es noch mehr Einfallsreichtum.<br />

Nährstoffe filternde Pflanzen benötigen für ihre Fotosynthese,<br />

also zum Wachstum, ausreichend Phosphor. An sich sind<br />

die kleineren Seen voll davon, meint Hao Xu von der Akademie<br />

für Fischwissenschaften in Shanghai und weist auf die<br />

erbsengrünen Testteiche um uns. Allerdings liegt der Phosphor<br />

am Grund. Die Ingenieure haben nun ein Gerät entwickelt,<br />

das den Schlamm aufwirbelt. Es ist solargetrieben, arbeitet<br />

also nur bei Sonnenschein – wenn die Pflanzen intensiv<br />

Fotosynthese betreiben.<br />

Der Wohlstandszuwachs der letzten Jahre hat in China<br />

die Nachfrage nach tierischem Protein in einem weltweit bisher<br />

wohl ungekannten Ausmaß angekurbelt. Entsprechend<br />

gigantisch müssen die Schutzmaßnahmen für die Binnengewässer<br />

und Meere sein. Entlang dem Jangtsekiang betreut<br />

die Akademie der <strong>Wissen</strong>schaften 30 000 Hektar an Aquakulturflächen.<br />

Und das Projekt Zhangzidao, das sich an den<br />

nachhaltigen Ideen von IMTA orientiert, ist weltweit das bei<br />

Weitem größte seiner Art für Meeresfrüchte, die riesigen mit<br />

ähnlichem Ziel bewirtschafteten Tangfelder in seiner Nähe<br />

noch nicht einmal mitgerechnet.<br />

Auch wenn China viele amerikanische und europäische<br />

Ansätze aufgegriffen hat, sind die Aquakulturen doch<br />

kaum miteinander vergleichbar. Der Westen bevorzugt Kaltwasserfische<br />

wie Forellen und Lachse, die sauerstoffreiches<br />

Wasser benötigen. Die Chinesen lieben Karpfen und Welse,<br />

Fische aus wenig belüfteten Gewässern. Die Vorstellung von<br />

einem heilen Ökosystem differiert ebenfalls völlig. »Ein See,<br />

den wir verschmutzt nennen, gilt für Chinesen als effizienter<br />

Nahrungs mittellieferant«, bemerkt Trond Storebakken<br />

von der Universität für Umwelt- und Biowissenschaften in<br />

Ås bei Oslo. »Er darf nur nicht umkippen, und das gelingt ihnen.<br />

Das finde ich bemerkenswert.«<br />

Der Fischereiexperte hat sich bei der chinesischen Akademie<br />

für Fischwissenschaften gründlich informiert und das<br />

Land bereist. Er wundert sich, wie die Forscher natürliche<br />

Systeme nachahmen, indem sie einfach räuberische Arten<br />

mit Pflanzenfressern und Organismen, die ihre Nahrung aus<br />

dem Wasser filtrieren, zusammenbringen. Er traut China zu,<br />

bei seiner jahrtausendealten Tradition mit Aquakulturen ein<br />

neues Kapitel zu eröffnen. Auf völlig andere Weise als im<br />

Westen, und keineswegs ohne Fehler, aber immerhin besser<br />

als anderswo. Ÿ<br />

Für diesen Bericht erhielten Autor und Fotograf finanzielle<br />

Unterstützung von Mongabay Special Reporting Initiatives<br />

(mongabay.org).<br />

DER AUTOR<br />

QUELLEN<br />

Erik Vance lebt als <strong>Wissen</strong>schaftsautor in<br />

Mexico City. In den USA absolvierte er ein<br />

Biologiestudium. Unter anderem forschte und<br />

lehrte er über Delfinintelligenz und über<br />

Meeresökologie. Er schreibt für verschiedene<br />

große amerikanische Zeitungen und Magazine.<br />

Guilford G.: Rich Countries Pay Zombie Fishing Boats $5 Billion a<br />

Year to Plunder the Seas. In: Quartz, online 25. Juni 2014:<br />

http://qz.com/225432/rich-countries-pay-zombie-fishing-boats-<br />

5-billion-a-year-to-plunder-the-seas<br />

Draft Intertek Fisheries Certification Report on Zhangzidao Scallop<br />

Fishery: www.msc.org/track-a-fishery/fisheries-in-the-program/<br />

in-assessment/pacific/zhangzidao-scallop/assessment-downloads-1/20141103_PCDR_SCA326.pdf<br />

Wang, Q. et al.: Freshwater Aquaculture in PR China: Trends and<br />

Prospects. In: Reviews in Aquaculture. Online 25. Oktober 2014<br />

World Wide Fund for Nature International: Sustainable Seafood<br />

and Integrated Fish Farming in China. Onlinevideo 2012.<br />

www.youtube.com/watch?v=18xyR8KWrgE#t=220<br />

Dieser Artikel im Internet: www.spektrum.de/artikel/1351077<br />

WWW.SPEKTRUM.DE 79

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