WELT Wissen_2015_8
- No tags were found...
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
gen – bereits um ein Drittel gesunken. Der Fischfarmer Yung<br />
Chang Xu bestätigt mir, dass nicht mehr so viele Fische sterben<br />
wie im Jahr zuvor und das Wasser klarer geworden ist.<br />
Die Investition in ein paar solche frei treibende Kästen<br />
amortisiert sich innerhalb eines Jahres durch Verkauf des leckeren,<br />
auch bei Restaurants gefragten Spinats. Experten wie<br />
Xie haben begriffen, dass Neuerungen sowohl der Umwelt<br />
als auch den Bauern zugutekommen sollten. Das gelingt nur<br />
bei enger Zusammenarbeit vor Ort. Die Fischwirte hier<br />
möchten nun auf mindestens fünf Prozent ihrer Teichflächen<br />
Wasserspinat ziehen. Überall werden bereits Rahmen<br />
dafür gezimmert.<br />
Überhaupt hat sich seit der Katastrophe mit dem faulen<br />
Wasser in Wuxi die Erkenntnis durchgesetzt, dass man für<br />
saubere Aquakulturen am besten Pflanzen mit einbezieht.<br />
Damals begannen Experten, zum Reinigen des Wassers<br />
Feuchtgebiete anzulegen oder vorhandene hinzuzunehmen.<br />
Die chinesische Akademie der <strong>Wissen</strong>schaften am Jangtsekiang<br />
fördert mittlerweile zahlreiche Projekte gegen Wasserverschmutzung,<br />
bei denen Süßwasserschnecken und Lotosblumen<br />
sowie zahlreiche weitere Arten für Sauberkeit sorgen.<br />
Ein Beispiel ist der See Ge Hu ein Stück flussaufwärts<br />
von Wuxi. Fischgehege weist er heute gar keine mehr auf,<br />
aber auf 2,6 Quadratkilometern wachsen Wasserhyazinthen.<br />
Selbst der nahe gelegene, expandierende Aquakulturbetrieb<br />
Wu Jing säubert schon ein Drittel seiner Teiche mit Pflanzenhilfe<br />
über Feuchtgebiete.<br />
Ein anderes Beispiel bilden die Zuchtteiche einer Aquafarmkooperative<br />
am See Luhu in Wuhan. Früher erntete man<br />
dort jährlich 12 000 Kilogramm Karpfen. Doch der immense<br />
Fischbesatz leistete Krankheiten und Nährstoffbelastung<br />
Vorschub. Mit Hilfe der chinesischen Akademie der <strong>Wissen</strong>schaften<br />
schloss der Betrieb 2008 deswegen Feuchtgebiete an<br />
die Abflusszone zum See an. Inzwischen haben die Farmer<br />
zudem von Karpfen auf den teureren, umweltschonenderen<br />
Mandarinfisch umgestellt und den Bestand auf ein Zehntel<br />
verringert. Geld verlieren würde er nie, erzählt ein 50-jähriger<br />
Fischer. Aber jedes Jahr müssten sie aufs Neue herausfinden,<br />
welche Fische in einem Teich gerade am besten zurechtkommen.<br />
In anderen Fällen braucht es noch mehr Einfallsreichtum.<br />
Nährstoffe filternde Pflanzen benötigen für ihre Fotosynthese,<br />
also zum Wachstum, ausreichend Phosphor. An sich sind<br />
die kleineren Seen voll davon, meint Hao Xu von der Akademie<br />
für Fischwissenschaften in Shanghai und weist auf die<br />
erbsengrünen Testteiche um uns. Allerdings liegt der Phosphor<br />
am Grund. Die Ingenieure haben nun ein Gerät entwickelt,<br />
das den Schlamm aufwirbelt. Es ist solargetrieben, arbeitet<br />
also nur bei Sonnenschein – wenn die Pflanzen intensiv<br />
Fotosynthese betreiben.<br />
Der Wohlstandszuwachs der letzten Jahre hat in China<br />
die Nachfrage nach tierischem Protein in einem weltweit bisher<br />
wohl ungekannten Ausmaß angekurbelt. Entsprechend<br />
gigantisch müssen die Schutzmaßnahmen für die Binnengewässer<br />
und Meere sein. Entlang dem Jangtsekiang betreut<br />
die Akademie der <strong>Wissen</strong>schaften 30 000 Hektar an Aquakulturflächen.<br />
Und das Projekt Zhangzidao, das sich an den<br />
nachhaltigen Ideen von IMTA orientiert, ist weltweit das bei<br />
Weitem größte seiner Art für Meeresfrüchte, die riesigen mit<br />
ähnlichem Ziel bewirtschafteten Tangfelder in seiner Nähe<br />
noch nicht einmal mitgerechnet.<br />
Auch wenn China viele amerikanische und europäische<br />
Ansätze aufgegriffen hat, sind die Aquakulturen doch<br />
kaum miteinander vergleichbar. Der Westen bevorzugt Kaltwasserfische<br />
wie Forellen und Lachse, die sauerstoffreiches<br />
Wasser benötigen. Die Chinesen lieben Karpfen und Welse,<br />
Fische aus wenig belüfteten Gewässern. Die Vorstellung von<br />
einem heilen Ökosystem differiert ebenfalls völlig. »Ein See,<br />
den wir verschmutzt nennen, gilt für Chinesen als effizienter<br />
Nahrungs mittellieferant«, bemerkt Trond Storebakken<br />
von der Universität für Umwelt- und Biowissenschaften in<br />
Ås bei Oslo. »Er darf nur nicht umkippen, und das gelingt ihnen.<br />
Das finde ich bemerkenswert.«<br />
Der Fischereiexperte hat sich bei der chinesischen Akademie<br />
für Fischwissenschaften gründlich informiert und das<br />
Land bereist. Er wundert sich, wie die Forscher natürliche<br />
Systeme nachahmen, indem sie einfach räuberische Arten<br />
mit Pflanzenfressern und Organismen, die ihre Nahrung aus<br />
dem Wasser filtrieren, zusammenbringen. Er traut China zu,<br />
bei seiner jahrtausendealten Tradition mit Aquakulturen ein<br />
neues Kapitel zu eröffnen. Auf völlig andere Weise als im<br />
Westen, und keineswegs ohne Fehler, aber immerhin besser<br />
als anderswo. Ÿ<br />
Für diesen Bericht erhielten Autor und Fotograf finanzielle<br />
Unterstützung von Mongabay Special Reporting Initiatives<br />
(mongabay.org).<br />
DER AUTOR<br />
QUELLEN<br />
Erik Vance lebt als <strong>Wissen</strong>schaftsautor in<br />
Mexico City. In den USA absolvierte er ein<br />
Biologiestudium. Unter anderem forschte und<br />
lehrte er über Delfinintelligenz und über<br />
Meeresökologie. Er schreibt für verschiedene<br />
große amerikanische Zeitungen und Magazine.<br />
Guilford G.: Rich Countries Pay Zombie Fishing Boats $5 Billion a<br />
Year to Plunder the Seas. In: Quartz, online 25. Juni 2014:<br />
http://qz.com/225432/rich-countries-pay-zombie-fishing-boats-<br />
5-billion-a-year-to-plunder-the-seas<br />
Draft Intertek Fisheries Certification Report on Zhangzidao Scallop<br />
Fishery: www.msc.org/track-a-fishery/fisheries-in-the-program/<br />
in-assessment/pacific/zhangzidao-scallop/assessment-downloads-1/20141103_PCDR_SCA326.pdf<br />
Wang, Q. et al.: Freshwater Aquaculture in PR China: Trends and<br />
Prospects. In: Reviews in Aquaculture. Online 25. Oktober 2014<br />
World Wide Fund for Nature International: Sustainable Seafood<br />
and Integrated Fish Farming in China. Onlinevideo 2012.<br />
www.youtube.com/watch?v=18xyR8KWrgE#t=220<br />
Dieser Artikel im Internet: www.spektrum.de/artikel/1351077<br />
WWW.SPEKTRUM.DE 79