EWa 15-48
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Weihnachts-Schaufenster 20<strong>15</strong><br />
Forts. von Seite 32<br />
Und der dritte hatte keine<br />
Hände. Erfroren, sagte er,<br />
und hielt die Stümpfe hoch.<br />
Dann drehte er dem Mann<br />
die Manteltaschen hin. Tabak<br />
war drin<br />
und dünnes<br />
Papier. Sie<br />
d r e h t e n<br />
Z i g a r e t -<br />
ten. Aber<br />
die Frau<br />
sagte: Nicht,<br />
das Kind. Da gingen die vier<br />
vor die Tür, und ihre Zigaretten<br />
waren vier Punkte in der<br />
Nacht. Der eine hatte dicke<br />
umwickelte Füße. Er nahm<br />
ein Stück Holz aus einem<br />
Sack. Ein Esel, sagte er, ich<br />
habe sieben Monate daran<br />
geschnitzt. Für das Kind.<br />
Das sagte er und gab<br />
es dem Mann. Was ist<br />
mit den Füßen? fragte<br />
der Mann. Wasser,<br />
sagte der Eselschnitzer,<br />
vom Hunger.<br />
Und der andere, der<br />
dritte? fragte der Mann<br />
und befühlte im Dunkeln<br />
den Esel. Der dritte zitterte in<br />
seiner Uniform: Oh, nichts,<br />
wisperte er, das sind nur<br />
die Nerven. Man hat eben<br />
zu viel Angst gehabt. Dann<br />
So gut wie nichts blieb von der einst herrlichen Emder Altstadt übrig<br />
traten sie die Zigaretten aus<br />
und gingen wieder hinein.<br />
Sie hoben die Füße hoch<br />
und sahen auf das kleine<br />
schlafende Gesicht. Der<br />
Zitternde nahm aus<br />
seinem Pappkarton<br />
zwei gelbe Bonbons<br />
und sagte dazu: Für<br />
die Frau sind die.<br />
Die Frau machte<br />
die blassen Augen<br />
weit auf, als sie die drei<br />
Dunkeln über das Kind gebeugt<br />
sah. Sie fürchtete sich.<br />
Aber da stemmte das Kind<br />
seine Beine gegen ihre Brust<br />
und schrie so kräftig, dass<br />
die drei Dunklen die Füße<br />
aufhoben und<br />
zur Tür schlichen.<br />
Hier nickten sie<br />
nochmal, dann<br />
stiegen sie in die<br />
Nacht hinein.<br />
Der Mann sah ihnen<br />
nach. Sonderbare<br />
Heilige, sagte<br />
er zu seiner Frau.<br />
Dann machte er<br />
die Tür zu. Schöne<br />
Heilige sind das,<br />
brummte er, und<br />
sah nach den Haferflocken.<br />
Aber er<br />
hatte kein Gesicht<br />
für seine Fäuste.<br />
Aber das Kind<br />
hat geschrien,<br />
flüsterte die Frau,<br />
ganz stark hat<br />
es geschrien. Da<br />
sind sie gegangen.<br />
Kuck mal,<br />
wie lebendig es<br />
ist, sagte sie stolz.<br />
Das Gesicht machte den<br />
Mund auf und schrie.<br />
Weint er? fragte der Mann.<br />
Nein, ich glaube, er lacht,<br />
antwortete die Frau.<br />
Beinahe wie Kuchen, sagte<br />
der Mann und roch an dem<br />
Holz, wie Kuchen. Ganz süß.<br />
Heute ist ja auch Weihnachten,<br />
sagte die Frau.<br />
Ja, Weihnachten, brummte<br />
er, und vom Ofen her fiel<br />
eine Handvoll Licht auf das<br />
kleine schlafende Gesicht.<br />
Trümmerwüsten<br />
jcm · Es gibt nur wenige<br />
mittlere bis größere Städte,<br />
die im 2. Weltkrieg im damaligen<br />
deutschen Reichsgebiet<br />
wenige Zerstörungen<br />
erlitten. Schwerin, Görlitz<br />
- und Cuxhaven gehörten<br />
dazu. Andere verwandelten<br />
sich in gigantische<br />
Trümmerwüsten. Dazu gehörten<br />
Dresden, Hamburg,<br />
Schweinfurt, Nürnberg und<br />
sogar das „hinten“ liegende<br />
Königsberg. Im deutschen<br />
Nordseeküstenbereich hatten<br />
Wilhelmshaven, Geestemünde<br />
(Bremerhaven),<br />
Bremen und besonders die<br />
ostfriesische Seehafenstadt<br />
Emden zu leiden. Die Geschichte<br />
von den „Drei dunklen<br />
Königen“ hätte überall<br />
in den Trümmerwüsten<br />
spielen können. Aber der<br />
Hamburger Wolfgang Borchert<br />
hatte mit Sicherheit<br />
seine zerstörte Heimatstadt<br />
dabei im Sinn.<br />
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