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Spectrum_5_2019

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KOMMENTAR<br />

Nicht so knausrig, liebe Mensa<br />

Alea Sutter<br />

Die frohe Botschaft war violett. Pünktlich zum Semesterstart<br />

ploppte ein Artikel des Online-Magazins Alma & Georges auf<br />

meinem Handybildschirm auf. Ich las, dass in allen drei Mensen<br />

der Universität Freiburg Menus zum Mitnehmen von nun an in<br />

lilafarbenem wiederverwendbarem Take-away-Geschirr gereicht<br />

werden. Das ging aber schnell, dachte ich mir. Denn selbst hatte<br />

ich mit dem Geschirr der Marke reCIRCLE auch erst vor einigen<br />

Monaten Bekanntschaft gemacht. Vor kurzem im grossen Zürich<br />

und jetzt schon in Freiburg! So viel Innovation bin ich mir von<br />

den universitären Mensen nicht gewohnt. Umso grösser war natürlich<br />

die Freude.<br />

Strahlend schön war der Tag, an dem ich mich mit einer Freundin<br />

in der Mensa Miséricorde verabredet hatte. Schnell war uns klar,<br />

dass das Mittagessen unter der goldigen Herbstsonne zusammen<br />

mit weiteren Studierenden stattfinden sollte. Wie schön, dass wir<br />

uns nun auch kein schlechtes Gewissen wegen des Wegwerfgeschirrs<br />

aus Plastik mehr machen oder möglichst unentdeckt mit<br />

einem normalen Teller aus dem Gebäude schleichen mussten.<br />

Gleich beim Eingang der Mensa prangte ein violettes Plakat,<br />

das mit weisser Schrift verkündete: reCIRCLE – Wir sind dabei!<br />

Das Prinzip hinter reCIRCLE ist ganz einfach: Man kauft sich für<br />

zehn Franken eine Box, befüllt sie mit allerlei leckerem Essen<br />

und sobald man die leere Schale wiederbringt, gibts das Geld<br />

zurück. Das Ziel des Gründerteams ist es, das System schweizweit<br />

auszubauen. So würde man in einigen Jahren überall das<br />

gleiche Take-away-Geschirr beziehen und an einem beliebigen<br />

Ort wieder abgeben können.<br />

Doch ihr ahnt es, die ganze Geschichte hat einen Haken. Und<br />

was für einen. Kaum hatten wir die violette Fahne hinter uns,<br />

erinnerte nichts mehr an die wiederverwendbaren Boxen. Irgendwo<br />

in einer kleinen Ecke, hoch oben auf einer Glasvitrine,<br />

konnten wir vier Schüsseln erspähen. Vier Schüsseln für rund<br />

fünftausend Studierende! Auch ich bin gegen überstürztes Vorgehen,<br />

liebe Mensa Miséricorde. Aber bitte nicht in diesem Fall.<br />

Sei stolz auf deinen violetten Zuwachs, werbe für ihn und vor<br />

allem, stelle ihn in angemessener Anzahl zur Verfügung! Danke.<br />

Das Märchen der Zweisprachigkeit<br />

Natalie Meleri<br />

Es war einmal der Traum der Zweisprachigkeit. Im Jahre 1889<br />

wird im beschaulichen Städtchen Freiburg eine Universität gegründet.<br />

Da sich der Ort in einem zweisprachigen Kanton befindet,<br />

beschliesst man, dies auch in der Universität umzusetzen.<br />

130 Jahre später ist die Universität Freiburg die offiziell einzige<br />

zweisprachige Universität der Schweiz. Was nach aussen ein<br />

toller Slogan ist, hapert bei der Umsetzung zuweilen noch. Als<br />

Deutschschweizerin muss ich leider nicht lange suchen, bis<br />

ich über eine seltsame Formulierung auf der Webseite oder in<br />

anderen Dokumenten stolpere. So geschehen zum Beispiel in<br />

der neuen Agenda der AGEF. Als ich den Text über <strong>Spectrum</strong><br />

lese, muss ich sofort meinen Rotstift zücken. In den drei Sätzen<br />

findet man schnell gleich drei offensichtliche Fehler. Nur<br />

wenig später erreicht mich ein Newsletter mit folgendem Satz:<br />

«Es folgt ein Moment der Geselligkeit bei einem Aperitif.» Was<br />

auf Französisch zweifellos toll klingt, ist auf Deutsch ein Satz<br />

aus dem vergangenen Jahrhundert.<br />

Weshalb wird der deutschen Sprache so wenig Beachtung geschenkt?<br />

An der Verteilung der Studierenden kann es kaum<br />

liegen. Gemäss einer Statistik auf der Webseite der Universität<br />

sprechen 36 Prozent der Studierenden Deutsch und 39 Prozent<br />

Französisch als Muttersprache. Es herrscht also ein fast<br />

ausgeglichenes Verhältnis. Es sieht aber danach aus, als habe<br />

sich eine gewisse Nachlässigkeit breit gemacht. Nicht zuletzt<br />

aufgrund von Plattformen wie DeepL ist maschinelles Übersetzen<br />

so akkurat wie noch nie. Trotzdem enthalten die Texte<br />

oft Fehler und sollten nochmals durchgelesen werden. Ich<br />

kann mir nicht vorstellen, dass in den diversen Institutionen<br />

der Universität nicht wenigstens eine deutschsprachige Person<br />

vertreten ist, die einen Text korrekturlesen kann. Gebt<br />

euch mehr Mühe!<br />

Vielleicht sollten wir aber auch etwas Gnade walten lassen.<br />

Schliesslich ist nicht einmal der orange Riese gefeit vor Übersetzungsfehlern.<br />

Man erinnere sich daran, als die Schweizer<br />

Bratbutter auf Französisch ein S zu viel hatte und die italienische<br />

Version «Butter zum Anbraten von Schweizern» anpries.<br />

So bleibt zum Abschluss nur eines übrig: Und wenn der Traum<br />

der Zweisprachigkeit nicht gestorben ist, dann lebt er an der<br />

Universität Freiburg noch heute.<br />

11.<strong>2019</strong><br />

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