Spectrum_1_2020
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DIE ANDERE
Text Natalie Meleri
Photo Pixabay
Zum gesamten Interview
mit Christina Messerli:
Ohne Kaffee läuft hier nichts
Kaffee ist der Studierenden ständiger Begleiter. Nicht verwunderlich, denn die Schweiz hat weltweit
den dritthöchsten Kaffeekonsum. Koffein kann aber Psyche und Gesundheit beeinflussen.
Kaffee ist aus dem Alltag vieler Menschen
nicht mehr wegzudenken. Er
begleitet uns vom Aufstehen an durch den
gesamten Tag und fungiert als Genussmittel,
Muntermacher und fördert soziale
Bindungen. Es existiert aber auch die rare
Sorte von Menschen, die keinen Kaffee
trinkt. Zu der gehöre ich. Trotzdem ist das
Getränk auch in meinem Alltag ein ständiger
Begleiter.
07:00 Uhr
Der Wecker klingelt mal wieder viel zu
früh, aber die Pflichtvorlesung an der Uni
um acht Uhr verbietet mir das Weiterschlafen.
In der Küche fällt mein Blick als
erstes auf die Kaffeemaschine, die gerade
ziemlich verlockend auf mich wirkt. Dennoch
schnappe ich mir den Wasserkocher
und brühe mir einen Tee. Viele Leute hätten
wohl die Kaffeemaschine am liebsten
neben dem Bett, um die erste Dosis Koffein
noch vor dem Aufstehen erhalten zu
können. Zwei kanadische Forscher haben
jedoch herausgefunden, dass wir gleich
nach dem Aufstehen auf keinen Fall Koffein
zu uns nehmen sollten, da unser
Biorhythmus bereits dafür sorgt, dass wir
nach dem Aufwachen munter werden. Zu
diesem Zeitpunkt einen Kaffee zu trinken,
führt nicht dazu, dass wir munterer werden.
Da habe ich ja nochmals Glück gehabt!
10:15 Uhr
In der Pause gibt es Kaffee und einen Snack,
wie schon das Wort Kaffeepause zeigt. Auch
ich spreche häufig von einer Kaffeepause –
vergeblich habe ich versucht, die Teepause
durchzusetzen. Fragen wie: «Holen wir uns
einen Kaffee?», beantworte ich häufig einfach
mit einem Ja, anstatt jedes Mal zu erklären,
dass ich keinen Kaffee trinke. In der
weltweiten Rangliste des Kaffeekonsums
von 2018 schafft es die Schweiz auf den
dritten Platz hinter Deutschland und Norwegen.
1’110 Tassen Kaffee werden hierzulande
jährlich pro Person konsumiert.
Das entspricht einem Schnitt von drei Tassen
am Tag. Kein Wunder ernte ich oft ungläubige
Blicke, wenn ich erzähle, dass ich
Kaffee nicht mag. In der Schweiz gehöre ich
wirklich einer raren Spezies an.
12:45 Uhr
Das Mittagessen ist vorüber und langsam
setzt eine gewisse Trägheit ein. Um wieder
in Schwung zu kommen, greifen viele zu einer
weiteren Tasse Kaffee. Eine erwiesene
Wirkung des Getränks ist die Beseitigung
von Müdigkeitserscheinungen. Ausserdem
verbessert Kaffee die Speicherfähigkeit des
Gehirns sowie die Konzentration. Gerade
in Prüfungsphasen kann sich Koffein so
positiv auf die Lernleistung auswirken.
Klar also, dass sich das Heissgetränk unter
Studierenden grosser Beliebtheit erfreut.
15:20 Uhr
Nach zwei Stunden lernen in der Bibliothek
übermannt mich die Nachmittagsmüdigkeit.
Die Luft im Raum ist stickig und
verbraucht. In so einem Moment wünsche
ich mir tatsächlich, ich würde Kaffee mögen.
Die Vorstellung, dass mich ein Getränk
wieder munter macht, ist faszinierend.
Nicht selten werde ich gefragt, wieso
ich mich nicht einfach an Kaffee gewöhnen
würde. Doch möchte ich mich an etwas
gewöhnen, das mir unter Umständen
nicht guttut? Denn nebst den zahlreichen
positiven Wirkungen kann das Getränk
auch schädlich sein. Schlafstörungen,
Kopfschmerzen und Nervosität sind nur
einige Nebenwirkungen, die bei übermässigem
Konsum auftreten können. Von der
Stiftung Berner Gesundheit, die unter anderem
Suchtberatung anbietet, wollte ich
wissen, ob Koffein zur Sucht werden kann.
«Koffein ist ein Stimulans», sagt Christina
Messerli, Regionalleiterin des Zentrums
in Bern. Das bedeutet, dass Koffein eine
wahrnehmungsverändernde Substanz ist.
Übermässiger Konsum werde aber aus
fachlicher Sicht nicht als Sucht verstanden
wie die Abhängigkeit von legalen oder illegalen
Substanzen oder Verhaltenssüchte
wie Glücksspiel oder Onlinesucht. Es gebe
daher nur wenige Fälle davon. «Wenn man
aber das Gefühl hat, zu viel Koffein zu konsumieren,
sollte man dieses Unbehagen
ernst nehmen», erklärt Christina Messerli.
In einem ersten Schritt könne man den
Konsum reduzieren und die Auswirkungen
beobachten.
18:00 Uhr
Der Feierabend ruft. Für viele ist somit
auch die Zeit des Kaffeekonsums vorbei,
denn wir wollen nicht vom Schlafen abgehalten
werden. Wie bei vielem im Leben ist
auch Kaffee nur solange nicht schädlich,
wie er nicht übermässig konsumiert wird.
Ich habe für mich trotzdem entschieden,
dass mein Muntermacher der Schwarztee
bleibt. ■
Alle Infos zur Berner Gesundheit findest
du hier:
https://www.bernergesundheit.ch
Nur in Norwegen und Deutschland wird mehr Kaffee getrunken als in der Schweiz.
02.2020
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