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Niederösterreich mal anders

niederösterreich /

niederösterreich / ESSAY DAS IST NIEDERÖSTERREICH! UND DAS AUCH! UND DAS … Farblich zwischen Rapsgelb und Donaublau und sprachlich kaum einordenbar – das ist Niederösterreich für viele, die hier nicht zu Hause sind. Dabei ist es wohl seine Vielfalt, die das größte Bundesland Österreichs so einzigartig macht. Und seine Gelassenheit. Schon des Öfteren musste ich mir außerhalb Niederösterreichs die Frage »Wo kommst du denn eigentlich her?« stellen lassen. Nicht wegen meines augenscheinlich tschechischen Nachnamens, sondern wegen meines Dialekts – oder eben dessen Nichtvorhandenseins. Denn der Dialekt liegt im Ohr des Zuhörers, und wie man von Tulln bis St. Pölten spricht, das erkennen die anderen Bundesländer oft genug nicht. Dazu kommt, dass alles was östlich von Langenlebarn liegt, in deren Ohren schon wieder wienerisch klingt und in die andere Richtung fängt hinter Loosdorf für manche ohnehin schon das Oberösterreichische an. Und wieder andere Gegenden, wie zum Beispiel der Norden, die Hochebene des Waldviertels, dieses mystische »Herr-der-Wackelsteine«- Land, sind außerhalb oft sogar gänzlich unbekannt. Als Niederösterreicherin bleibt man somit in anderen Teilen Österreichs mitunter inkognito, was durchaus bemerkenswert ist, sind wir doch als Bundesland flächenmäßig am größten und von der Bevölkerung her das zweitgrößte. KEIN BELLEN, KEIN KRACHEN Weil bei uns nicht gebellt oder gekracht wird, ist man selbst jedoch leicht beeindruckt von derlei kräftig stimmlich gefärbter Ausdrucksweise und so kommt es, dass mir Kommilitonen aus dem südlichen Burgenland und Arbeitskollegen aus Tirol mit ihren Dialekten oft Striche durch den eigenen gemacht haben, deren Spuren noch Jahre später verwaschen hörbar sind – was zur Verwirrung meiner Gesprächspartner in ihrer Zuordnungsverzweiflung beiträgt. 104 falstaff document8144945809528150822.indd 104 12.08.21 14:28

CORNELIA TRAVNICEK Die aus St. Pölten gebürtige Autorin errang 2012 den Publikumspreis beim Bachmann- Wettbewerb. Ihr Erfolgsroman »Chucks« wurde 2015 verfilmt. Illustration: Gina Mueller, Fotos: Shutterstock, Paul Feuersänger Verwaschen ist wohl auch oft genug das konkrete Bild unseres Bundeslandes vor den inneren Augen Auswärtiger: Ein paar Felder, ein paar Flüsse, ein paar Kirchen, ein paar Bahnhöfe und ein paar Hügel, die an den Rändern noch zu Bergen werden. Donaublau, Semmeringgrün, Marillenorange, Rapsgelb und Lachsforellengrau ist dieses durchaus hübsche Aquarell, mit Grünem Veltliner statt mit Wasser angemischt, doch es bleibt schemenhaft: Irgendetwas zwischen Bratislava, Krumau und »Ist das nicht schon in der Steiermark?«. NIEDERÖSTERREICH UND WIEN – GEBEN UND NEHMEN Ein Dazwischen also. Für andere ist Niederösterreich mehr ein Rundherum: Der Uterus, in dem Wien wie ein Embryo eingebettet liegt, mit der Westbahn als Nabelschnur und dem Marchfeld als Plazenta. In den letzten Jahren macht sich in unserem Bundesland allerdings verstärkt eine Art umgekehrte Zentrifugalkraft bemerkbar, die seine BewohnerInnen von den Rändern in diverse Zentren zieht, während Wien weiterhin gerne seine Arbeitskräfte zum Wohnen über die Stadtgrenze hinauskatapultiert. Daraus resultiert eine rege Bautätigkeit, durch die in vorher eher verschlafenen kleinen Dörfern des erweiterten und noch einmal erweiterten Speckgürtels der Bundeshauptstadt plötzlich ganze neue Wohnviertel entstehen, in denen vor Niedrigenergie-Häusern neben hölzernen Hochbeeten Hybridautos parken. Von Alteingesessenen werden diese Wohnviertel halb liebevoll »Schlumpfhausen« getauft, während das malerische Grenzland Niederösterreichs stetig malerischer wird. DIE MENSCHEN IN NIEDERÖSTERREICH SEHEN DAS ALLES UNAUFGEREGT – AUSSER JEMAND AUS EINEM ANDEREN DORF SCHNEIDET IHNEN DEN MAIBAUM UM. Auch im Ausland komme ich von Zeit zu Zeit in die Not zu erklären, in welchem Teil Österreichs ich nun genau lebe und was diesen ausmacht und das ist durchaus kompliziert, wenn die eigene Wohngegend nicht unbedingt gemeinsam mit den Lipizzanern in der Tourismuswerbung vorkommt oder Austragungsort von Skiweltcup-Veranstaltungen ist. Und so wie das Fehlen eines distinguierten Dialekts möchten so manche, ich bin versucht zu schreiben Uninformierte, Niederösterreich gerne einen Mangel an Identität nachsagen. Ich sage, es hat mehr als genug davon, genügend Identitäten. Zwischen Wald, Wein, Most und Industrie wohnen mindestens vier Seelen in der niederösterreichischen Brust, der Donauraum ist ohnehin ein eigenes Kapitel, und irgendwie haben wir auch noch ein Stück Alpen abgestaubt. Die Menge an Mi kroklimas könnte sogar die ZAMG überfordern, und man kann hier als Aufwachsende schon eine veritable Identitätskrise erleiden, wenn einem der lokale Wein der Wahl nicht ans Herz wachsen möchte (oder an den Magen), trotz all seiner Auszeichnungen. Wären wir ein neuer Kleinstaat, jemand aus der globalen Community würde uns einen Nation-Building-Process aufoktroyieren. VON NIEDERÖSTERREICH LERNEN Die NiederösterreicherInnen selbst ficht das alles selten an, sie gehen grundsätzlich eher entspannt durchs Leben – außer jemand aus einem anderen Dorf schneidet ihnen den Maibaum um. Mittlerweile sehe ich zum Beispiel meinen über Generationen innerhalb Österreichs weitervererbten tschechischen Nachnamen als das Niederösterreichischste überhaupt an mir. Interessierten ausländischen Besuch nehme ich gerne mit auf ein Kellergassenfest, zu Feuerflecken und Ribiseltorte, denn Erläuterungen zu komplexen Lokalkulturtheorien gehen zwar nicht durch den Magen, sind vor vollen Tellern jedoch entspannter zu führen. Weißwein trinke ich immer noch wenig, Traisental-Kindheit hin oder her, aber es gibt im Leben ja noch mehr. Blauen Zweigelt etwa. Wenn nun manche behaupten, Niederösterreich wäre schwer zu fassen, tangiert das dieses Bundesland nicht einmal peripher. Denn wenn es eines hat, dann gesundes Selbstbewusstsein. Und das ist etwas, das man von Niederösterreich lernen kann – und das auf alle EinwohnerInnen ein bisschen abfärbt. falstaff 105 document8144945809528150822.indd 105 12.08.21 14:28

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