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2019-4 REISE und PREISE

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ECUADOR DIE REPORTAGE

ECUADOR DIE REPORTAGE Reise ins Tal der Hundertjährigen Menschenleer und artenreich wie kein anderes erstreckt sich das kleine Land zwischen Pazifik und Amazonas. Ski pisten und tropische Regenwälder liegen nur wenige Kilometer auseinander. Jeder See, jeder Berg und Vulkan, jedes Tal umgibt ein Mythos, erzählt eine Legende, verspricht ein Abenteuer. VON LISA ALIX BRANDAU Hier ist es sicher, ihr könnt zu Fuß gehen«. Es ist 23:00 Uhr in Otavalo, im Nordosten Ecuadors. Es ist dunkel, kalt, wie ausgestorben. Trotzdem versichert die junge Frau, die in einem der Restaurants an der Umgehungsstraße arbeitet, dass einem hier nichts passiert – und das ist für Südamerika ungewöhnlich. Die Straße ist Teil der legendären Panamericana. An ihr halten in Südamerika fast alle Busunternehmen, statt bis ins Zentrum der Stadt zu fahren. Auch nachts. »In Otavalo leben überwiegend Indios, die Ureinwohner sind ehrbare Menschen. Kriminelle müssen damit rechnen, aus der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden«, meint Maria. Egal ob man die Grenze von Kolumbien oder Peru aus überschreitet, etwas spürt man sofort: Ecuadors positive Energie. Optimistisch. Fröhlich. Selbstbewusst. Dabei galt das kleine Land, das seit 1830 unabhängig ist, vor wenigen Jahrzehnten noch als Bananenrepublik, arm, geplagt von politischen Unruhen. Mit einem einzigartigen Kraftaufwand jedoch investierte das Land in Bildung, Gesundheitssystem, Infrastruktur. Ecuadors Präsident ist beliebt, die Menschen sind hoffnungsvoll, mit einem starken, stolzen Selbstverständnis. Auch die indigene Bevölkerung, die sich ihre Identität bis heute bewahrt hat. Doch gerade für sie kommt Ecuadors Aufschwung mit einem Preis: Um die riesigen Ölvorkommen des Landes zu erschließen, roden ausländische Firmen den Dschungel – auf Kosten der Natur und der indigenen Völker, deren Heimat systematisch zerstört wird. Das sieht man auch um Otavalo: Wo einst Wälder standen, prägen karge Hügel das Bild. In keinem anderen Land Südamerikas wird so viel ab - geholzt wie in Ecuador. Gut 95 Prozent seines Waldes hat das Land bereits verloren. Vielleicht wirkt Ecuador deshalb weit und verlas- 68 REISE & PREISE 4-2019

Blick von Quitos Altstadt auf die Statue der»Jungfrau von El Panecillo« Fotos: Shutterstock/Aurora Nordnes, Corbin17/Sébastien Lecoq/Alamy Stock Photo sen, obwohl es die höchste Bevölkerungs - dichte Südamerikas hat. Dennoch: Die Tierund Pflanzenwelt des Landes zählt zu den viel fältigsten des Kontinents. Anden, Küste, Dschungel – Schnee und tropische Hitze sind nur durch wenige Kilometer getrennt. Der größte Kunsthandwerker - markt von Südamerika Otavalo ist mit seinen gut 53.000 Einwohnern vor allem bekannt für seinen traditionellen Kunsthandwerksmarkt, dem größten Südamerikas, den es schon vor der Zeit der Inka gab. Jeden Samstag findet er auf dem Plaza de Ponchos statt – an den anderen Tagen in kleinerem Umfang. Es herrscht wuseliges Treiben. Verkäufer bieten indigene Kunst, Yak-Ponchos, Nippes, Webkunst und Lederwaren an. Viele der Dinge kommen aus den nahegelegenen Dörfern Peguche, Ilumán und Agato. Es lohnt, über den Markt zu schlendern, aber auch den Kopf zu heben für das Panorama aus Imbabura, Cotacachi und Fuya Fuya, alle drei gut über 4.000 Meter hoch. Die Vulkane und Berge sind nicht nur beliebte Ausflugsziele, sondern auch Heimat vieler Mythen und Legenden, wie die der mörderischen Familie Pucho Remaches, die das Fleisch ihrer Opfer an Wanderer in der Region verkaufte. Oder die von der Lagune Warmikucha, die – einst lebendig – alle verschlang, die an ihrem Ufer spazierten. Am Busbahnhof in Otavalo verkaufen indigene Frauen das typische Gebäck Ecuadors: leicht süßliches, trockenes Brot, mit Zuckerguss verziert, das an einen Lebkuchenmann erinnert. Wie die Verkäuferin lächeln auch die Brotfiguren freundlich drein. Am Nachbarstand brutzelt Ecuadors berühmt-berüchtigte Fleisch-Spezialität: Cuyo, Meerschweinchen vom Grill. Wie immer hängt das ganze Tier über dem Feuer – mitsamt Kopf: »Damit die Leute sehen, dass es keine Ratte ist«, erklärt die zierliche Verkäuferin in traditioneller Tracht, die ihr Baby in einem Tuch auf dem Rücken trägt. Trubel in der Hauptstadt Quito Mit 2.850 Metern ist Quito die höchstgelegene Hauptstadt der Welt. Über 1,7 Millionen Menschen leben hier. Vom Busbahnhof fahren öffentliche Busse direkt in das historische Zentrum der Kolonialstadt, einem quirligen Gewirr aus Kopfsteinpflastergassen und Kirchen, wie der im Inneren mit Gold verzierten Iglesia de la Compania de Jesus und der gotischen Basilika del Sagrado Voto Nacional. Quito ist das wohl beeindruckendste Erbe des spanischen Eroberers Francisco Pizarro, der 1532 in Peru landete. In kurzer Zeit eroberten die Spanier das gesamte Inka-Imperium und besetzen bis ins 19. Jh. Teile Südamerikas. Während die Besatzer in Reichtum lebten, waren es vor allem die Ureinwohner und Mestizos, Kinder aus Mischehen, die Unterdrückung und Armut erfuhren. Dann führte der venezuelische Freiheitskämpfer Simon Bolivar erst Kolumbien, dann Ecuador in die Freiheit. 1830 wurde Ecuador ein unabhängiger Staat. Das heutige Quito ist ein Gemisch aus europäischer und indigener Kultur und Kunst. Das Herz der Altstadt ist der Plaza ➔ Indigene Frauen auf dem Markt von Otavalo (links). Ein Lama vor Bergkulisse im Cajas-Nationalpark westlich von Cuenca (rechts) REISE & PREISE 4-2019 69

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