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Fine_416_Champagne Grandes Maisons - Perrier-Jouet

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DAS WEINMAGAZIN<br />

Pfalz: Weingut Reichsrat von Buhl<br />

Stuart Pigott: Riesling 2015<br />

Piemont: Elio Grasso<br />

Kloster Eberbach: Hundert Jahre Weingeschichte<br />

Kalifornien: Die Weinikonen (2)<br />

C H A M P A G N E R


Hüterin der Flamme<br />

Die Union<br />

des <strong>Maisons</strong> de<br />

<strong>Champagne</strong><br />

Von Stefan Pegatzky<br />

Fotos Marco Grundt<br />

Weltberühmt und einzigartig wie die Kathedrale von<br />

Reims sind auch die Weine der <strong>Champagne</strong>. In der<br />

Hauptstadt der Region wacht die Union des <strong>Maisons</strong> de<br />

<strong>Champagne</strong> als eine tragende Säule der französischen<br />

Weinwirtschaft penibel über die Markenführung und<br />

die Einigkeit der produzierenden Häuser.<br />

Der moderne Verbraucher ist anspruchsvoll und untreu geworden. Mit einer ruhmreichen<br />

Geschichte alleine kann man ihn nicht mehr überzeugen. Diese Erfahrung mussten in den<br />

letzten Jahren viele französische Weinregionen machen, deren traditionelle Kunden sich in<br />

der Angebotsvielfalt des globalen Weinmarkts verloren und so für eine veritable Krise des<br />

fundamentalen Appellationen-Systems sorgten. Fels in der Brandung ist der <strong>Champagne</strong>r,<br />

der 2015 wieder einen Umsatzrekord erzielen konnte. Das Erfolgsrezept: eine perfekte<br />

Marken führung, verantwortet von einem Interessenverband, der das langfristige Wohl einer<br />

ganzen Region im Auge behält, der Union des <strong>Maisons</strong> de <strong>Champagne</strong>.<br />

12 13<br />

FINE 4 | 2016 FINE CHAMPAGNE


Repräsentativ residiert die Union<br />

in einem Stadtpalais<br />

unweit der Kathedrale in Reims.<br />

Was das Einzigartige an der <strong>Champagne</strong><br />

sei? »Das schlechte Wetter und die<br />

schlechten Böden, das kann man kaum<br />

imitieren«, hat Laurent d’Harcourt, der Aufsichtsratsvorsitzende<br />

von Pol Roger, einmal gescherzt.<br />

Tatsächlich liest sich die Geschichte der Weinbereitung<br />

in der Region als eine unablässige Folge<br />

von Innovationen, seit Ende des 17. Jahrhunderts<br />

die Methode der Schaumweinherstellung ihren Weg<br />

in die <strong>Champagne</strong> gefunden hatte: die Kunst der<br />

Assemblage, die Erzeugung weißer Weine aus roten<br />

Trauben, die Verwendung bruchfester Flaschen, die<br />

Einführung spezieller Korken und vieles mehr. Die<br />

neuen Weine hatten Erfolg. <strong>Champagne</strong>r wurde<br />

schon im 18. Jahrhundert in die ganze Welt exportiert,<br />

und aus den Trauben-Maklern der Region, den<br />

Courtiers-Commissionaires, wurden Négociants,<br />

die den <strong>Champagne</strong>r nicht nur verkauften, sondern<br />

auch machten – gegen eine wachsende Konkurrenz<br />

aus dem In- und Ausland, die am Ruhm<br />

der modischen Prickler teilhaben wollte und ihre<br />

teilweise höchst fragwürdigen Erzeugnisse ebenfalls<br />

»<strong>Champagne</strong>r« nannte.<br />

Die Besitzer dieser ersten <strong>Champagne</strong>r häuser,<br />

der <strong>Maisons</strong> de <strong>Champagne</strong>, die international tätig<br />

waren, machten sich bereits 1830 erste Gedanken<br />

darüber, wie man die einheimischen Erzeugnisse<br />

schützen könnte, aber es sollte zweiundfünfzig Jahre<br />

dauern, bis sich fünfunddreißig Häuser im Syndicat<br />

du Commerce des Vins de <strong>Champagne</strong> mit dem Ziel<br />

zusammenschlossen, den Begriff »<strong>Champagne</strong>r«<br />

zu schützen und gegen den weltweiten Missbrauch<br />

vorzugehen. Auf der Pariser Weltausstellung von<br />

1889, die von zweiund dreißig Millionen Menschen<br />

besucht wurde, erhielt der Pavillon de <strong>Champagne</strong>,<br />

der umfassend über den Weinbau der Region informierte,<br />

den Premier Grand Prix des Präsidenten<br />

der Republik. Nicht zuletzt dieser überwältigenden<br />

Präsentation des Syndikats war es zu verdanken,<br />

dass im selben Jahr das oberste französische Gericht<br />

dessen An sprüche trotz schwacher Rechtsgrundlage<br />

anerkannte. Im Kern: »Il n’est de champagne que<br />

de la <strong>Champagne</strong>« – Nur das ist <strong>Champagne</strong>r, was<br />

aus der <strong>Champagne</strong> stammt. Diese Richtlinie nahm<br />

das Konzept der kontrollierten Ursprungsbezeichnungen<br />

(AOC) um fast fünfzig Jahre vorweg; in den<br />

Geschichtsbüchern des Syndikats ist die Erleichterung<br />

über diese Entscheidung bis heute zu spüren:<br />

Denn ohne dieses Urteil, heißt es dort, »wäre aus<br />

<strong>Champagne</strong>r ein ähnlich gewöhnliches Produkt<br />

geworden wie das ›Eau de Cologne‹«.<br />

Doch das Syndikat wirkte nicht nur nach<br />

außen, sondern auch nach innen. Während<br />

der Reblauskrise waren es die <strong>Grandes</strong><br />

<strong>Maisons</strong>, die im Kampf gegen den Schädling die<br />

größten Anstrengungen unternahmen. Zum ersten<br />

Mal rückten die beiden großen Fraktionen, die<br />

Vigne rons, die die Weinberge bestellen, und die<br />

Négociants, die deren Trauben kaufen und daraus<br />

den <strong>Champagne</strong>r herstellen, eng zusammen. Während<br />

des Zweiten Weltkriegs wurde von den deutschen<br />

Besatzern das Comité Interprofessionnel du<br />

Vin de <strong>Champagne</strong> (CIVC) ins Leben gerufen; was<br />

ursprünglich ein Instrument der Aus beutung war,<br />

verwandelte sich nach dem Krieg in das bis heute<br />

gültige Modell der »Cogestion«, einer gleichberechtigten,<br />

kooperierenden Partnerschaft zwischen<br />

<strong>Champagne</strong>rhäusern und Winzern, die seit<br />

1904 in einem eigenen Syndikat organisiert sind.<br />

1964 benannte sich das Syndicat du Commerce<br />

des Vins de <strong>Champagne</strong> um, fünfundzwanzig Mitglieder<br />

bildeten nun das elitäre Syndicat des <strong>Grandes</strong><br />

Marques de <strong>Champagne</strong>. Tatsächlich war der alte<br />

Name wenig aussagekräftig, zumal es auch ein konkurrierendes<br />

Syndicat des Négociants gab. Was aber<br />

unterscheidet eine Grande Marque von einem einfachen<br />

Négociant? Zum einen der Anspruch auf<br />

herausragende Qualität, zum anderen eine gewisse<br />

Größe, die unabdingbar ist, um weltweite Vertriebswege<br />

zu befüllen und ein entsprechendes Marketing<br />

zu unterhalten. Sowie eine Preispolitik, die<br />

um den Wert des Produkts weiß, und schließlich<br />

eine Konstanz der Überzeugungen, eine Stilistik,<br />

die dem jeweiligen Haus seine Identität gibt. Eine<br />

Grande Marque war immer auch Botschafter französischer<br />

Lebensart. Bei nahezu zehntausend verschiedenen<br />

<strong>Champagne</strong>rmarken am Markt war das<br />

ein Ver sprechen, das wie eine Klassifikation wirkte.<br />

Gerade in den englischsprachigen Ländern galt eine<br />

Grande Marque fast als Grand Cru.<br />

Anfang der 1990er Jahre zeigten sich allerdings<br />

Risse in diesem Selbstbewusstsein, als<br />

auch die Qualitäten der <strong>Grandes</strong> Marques<br />

schwächelten und sich das Syndikat dem Pro blem<br />

nicht stellen wollte. Folgerichtig löste es sich 1994<br />

auf beziehungsweise ging mit dem Syndicat des<br />

Négociants in der neu gegründeten Union des<br />

<strong>Maisons</strong> de <strong>Champagne</strong> auf. Das war kein einfacher<br />

Schritt. Heute ist die Union stolz auf den<br />

Teamgeist, der zwischen ihren fünfundsiebzig<br />

Mitgliedern herrscht, weswegen sie auf jeden Fall<br />

den Eindruck zu vermeiden versucht, es gebe eine<br />

»<strong>Champagne</strong> der zwei Geschwindigkeiten«. Die<br />

»Paix champenoise«, die Einigkeit der <strong>Maisons</strong>,<br />

die zwischen Vignerons und Négociants und insbesondere<br />

die der Appellation, wird als Kern der<br />

Marke »<strong>Champagne</strong>r« begriffen, die es um jeden<br />

Preis zu schützen und zu kommunizieren gilt.<br />

Die Union des <strong>Maisons</strong> ist heute eine der<br />

Säulen der französischen Weinwirtschaft. Sie verantwortet<br />

60 Prozent des Produktionsvolumens<br />

und zwei Drittel der Umsätze der <strong>Champagne</strong>,<br />

davon 85 Prozent im Export, was 20 Prozent des<br />

französischen Gesamtexports von Wein und Spirituosen<br />

entspricht. Zumal bei den aktuellen Verkaufszahlen<br />

könnten sich ihre Mitglieder bequem<br />

zurücklehnen. Und doch lassen einzelne immer<br />

wieder die kreative Unruhe spüren aus der Zeit, als<br />

sich die <strong>Grandes</strong> Marques noch als Loko motive<br />

des Gebiets verstanden. Ihnen genügt es nicht zu<br />

behaupten, der <strong>Champagne</strong>r sei der König der<br />

Weine, sie wollen es beweisen. So wurde 2012 das<br />

große Projekt »<strong>Champagne</strong> 2030« aufgesetzt. Es<br />

soll die Zukunft der Appellation sichern, indem es<br />

massive Anstrengungen zur Verbesserung der Qualität,<br />

des Marketings und des Verhältnisses zwischen<br />

Winzern und Négociants unternimmt.<br />

Noch steht die Bestätigung des Programms<br />

aus, derzeit wird heftig um jeden einzelnen<br />

Punkt gerungen. In einem schwierigen<br />

politischen Umfeld, bei stark wachsender<br />

Konkurrenz und einigen unverändert problematischen<br />

Geschäftspraktiken in der Region ist<br />

das Projekt »<strong>Champagne</strong> 2030« aktueller denn<br />

je. Der Schlüssel für die Zukunft sei, so hat es<br />

Cécile Bonnefond, die Präsidentin der Häuser<br />

Piper- Heidsieck und Charles Heidsieck formuliert,<br />

»Gewinne nicht mehr einfach durch wachsendes<br />

Volumen, sondern durch höhere Qualitäten<br />

zu erzielen«. Eine bessere Aufgabe kann sich ein<br />

Wirtschaftsverband kaum stellen. •<br />

14 FINE 4 | 2016


Millionen und Abermillionen Flaschen feinsten <strong>Champagne</strong>rs<br />

aus den Kreidekellern der eleganten Maison Moët & Chandon<br />

gehen von Epernay in alle Welt. Der MCIII freilich ist ein bis<br />

dahin beispielloses Ultra-Premium-Produkt, mit dem das Haus<br />

ein neues Kapitel seiner Geschichte spektakulär beginnt.<br />

Moët & Chandon<br />

Die Magie<br />

mit der Welt teilen<br />

Zweifellos ist Moët & Chandon das größte <strong>Champagne</strong>rhaus unter den <strong>Grandes</strong><br />

Marques – mit seiner Jahresproduktion von fast dreißig Millionen Flaschen. Die<br />

Trauben kommen aus etwa zwölfhundert Hektar eigenen Weinbergen sowie<br />

dem Dreifachen der Fläche von Vertragswinzern: Beinahe jede zehnte Flasche<br />

<strong>Champagne</strong>r trägt die elegante Halsschleife des Hauses aus Epernay. Doch seit<br />

seiner Gründung im Jahr 1743 hat Moët & Chandon bewiesen, dass es auch hinsichtlich<br />

der übrigen Ansprüche, die man an eine Grande Marque stellen darf, in<br />

der ersten Reihe steht.<br />

Groß geworden ist Moët & Chandon, weil es von Anfang<br />

an <strong>Champagne</strong>r mit Luxus verbunden hat, mit den<br />

Festen der Mächtigen, Erfolgreichen und Schönen.<br />

Schon der Gründer Claude Moët hatte die Vision, den damals<br />

noch kaum bekannten Schaumwein zum Lieblingsgetränk an<br />

den Höfen ganz Europas zu machen. Spätestens seit der Freundschaft<br />

seines Enkels Jean-Rémy Moët mit Kaiser Napoleon<br />

war dieses Ziel erreicht, doch die Mission, »die Magie von<br />

<strong>Champagne</strong>r mit der Welt zu teilen«, ging noch viel weiter. Das<br />

Haus erschuf in phantasievollen Inszenierungen und Ritualen<br />

einen großen Teil des Traums, den wir heute mit <strong>Champagne</strong>r<br />

verbinden, und wurde sein Botschafter auf allen Kontinenten:<br />

Gepflogenheiten wie das Sabrieren, das Köpfen der Flaschen<br />

mit dem Säbel, das Zerschellen von Schaumweinflaschen bei<br />

Schiffstaufen und die <strong>Champagne</strong>rduschen nach Rennsportereignissen<br />

gehen auf Moët & Chandon zurück.<br />

Dabei wird vielfach vergessen, welch bedeutende Rolle<br />

das Haus in der Geschichte der <strong>Champagne</strong> einnahm und<br />

immer noch einnimmt. Moët & Chandon gehörte zu den<br />

bedeutendsten Bekämpfern der verheerenden Reblausplage<br />

Ende des 19. Jahrhunderts, indem es mit dem Fort Chabrol<br />

ein Forschungs institut in Epernay erbauen ließ, an das sich alle<br />

Winzer wenden konnten. Auch in der Wahrnehmung seiner<br />

sozialen Verantwortung war das Haus führend. Bei der fünften<br />

Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 erhielt es die Goldmedaille<br />

für die Präsentation seiner sozialen Aktivitäten, die<br />

von kostenloser medizinischer Versorgung und Familienhilfe<br />

bis zu einer vorbildlichen Altersversorgung reichten. Darüber<br />

hinaus haben große Führungspersönlichkeiten von Moët auch<br />

die Arbeit der verschiedenen Verbände der <strong>Grandes</strong> Marques<br />

et <strong>Maisons</strong> geprägt – vom legendären Robert-Jean de Vogüé<br />

bis zu Jean-Marie Barillère, dem amtierenden Präsidenten der<br />

Union des <strong>Maisons</strong> de <strong>Champagne</strong>, der das ehrgeizige Projekt<br />

»<strong>Champagne</strong> 2030« angestoßen hat.<br />

Aber auch hinsichtlich der Qualität war Moët & Chandon<br />

immer wieder Vorreiter der Appellation, etwa bei der Einführung<br />

von Edelstahltanks – traditionell wird großen Wert<br />

auf die Abwesenheit von Sauerstoff bei der Fermentation gelegt,<br />

um zu einem möglichst puren, nicht-oxidativen Stil zu gelangen.<br />

Auch bei der optimalen Selektion der Gärhefen war das Haus<br />

führend. Seit 2005 Benoît Gouez mit fünfunddreißig Jahren<br />

jüngster Chef de Cave wurde, hat die Qualität der Weine noch<br />

einmal zugelegt. Der Brut Impérial, mit einem Anteil von 85<br />

Prozent an der Produktion das Aushängeschild des Hauses,<br />

erhielt eine niedrigere Dosage und wurde damit spannungsreicher.<br />

Die Jahrgangschampagner, die sich traditionell durch<br />

ein hervorragendes Preisleistungsverhältnis auszeichnen, tragen<br />

die Handschrift eines Jahrgangs nun noch deutlicher als früher.<br />

Mit großer Vorfreude wird daher der Grand Vintage 2008<br />

erwartet, der in diesen Tagen in den Handel kommt; er ist der<br />

Nachfolger des 2006ers – von 2007 wird es keinen Vintage<br />

geben. 2008 war ein recht kühles Jahr, aber es war perfekt für<br />

langlebigen Chardonnay und hat etwa im Chablis phantas tische<br />

Weine hervorgebracht. Entsprechend sieht Benoît Gouez in<br />

der frischen und kompromisslosen, aber nie aggressiven Säure<br />

die bestimmende Charakteristik des Jahrgangs. Vokabeln wie<br />

pastell farben und frühlingshaft fallen ihm zu dem Wein ein,<br />

dessen innere Spannung derzeit noch etwas versteckt sei. In<br />

einigen Jahren werde er einmal ein hervorragender Essensbegleiter<br />

sein.<br />

Dass Innovation das Herz des Hauses ist, wie Stéphane<br />

Baschiera, der Präsident von Moët & Chandon, es<br />

formu liert, zeigt sich bei der jüngsten und spektakulären<br />

Neuheit im Portfolio der Marke: dem MCIII. Dieses<br />

Ultra-Premium-Produkt ist ein <strong>Champagne</strong>r, dessen Textur<br />

sich der Verbindung von Weinen aus allen drei Umgebungen<br />

verdankte, in denen ein <strong>Champagne</strong>r reifen kann. Neben<br />

einer Vielzahl von Weinen, die im Stahltank, und solchen, die<br />

im Holz ausgebaut wurden, kam daher auch der Inhalt von<br />

exklu siven Grand-Vintage-Abfüllungen in die Assemblage –<br />

die dann noch neun Jahre auf der Hefe lag und 2014 degorgiert<br />

wurde. Für Benoît Gouez ist es eine spannende Erfahrung, die<br />

Entwicklung dieses beispiellosen Weins mitzuverfolgen, der im<br />

Sommer letzten Jahres vorgestellt wurde (siehe <strong>Fine</strong> 3|15). Der<br />

vollständige Name MCIII 001.14 deutet schon an, dass Moët &<br />

Chandon hier den ersten Vertreter einer neuen <strong>Champagne</strong>r-<br />

Generation präsentiert hat, ein neues Kapitel in der Geschichte<br />

einer wahrhaft großen Marke. •<br />

16 17<br />

FINE 4 | 2016 FINE CHAMPAGNE


<strong>Perrier</strong>-Jouët<br />

Das Lächeln<br />

Frankreichs<br />

Wie ein sinnlich-nostalgischer Gruß aus jener schönen Zeit, der die Prestige-Cuvée des Hauses <strong>Perrier</strong>-Jouët ihren Namen<br />

verdankt, erscheint uns heute jede Flasche Belle Epoque. Deren Dekoration aus Blüten und Knospen weißer japanischer<br />

Anemonen scheint die Pforte eines Gartens zu bilden, hinter der das wahre Glück wartet. Für <strong>Perrier</strong>-Jouët war der Entwurf<br />

des Art-Déco-Künstlers Emile Gallé ein genialer Coup der Produktgestaltung, aber sie hatte auch eine Kehrseite, denn das<br />

Haus wurde in der Folge allzu oft auf die Präsentation seiner Weine reduziert. Dabei ist <strong>Perrier</strong>-Jouët, auf Platz zehn der weltweit<br />

meist verkauften <strong>Champagne</strong>r, eine der klassischen <strong>Grandes</strong> Marques, die eine große Geschichte mit bestem Savoirfaire<br />

und herausragendem Weinbergsbesitz vereint.<br />

die <strong>Champagne</strong>r ohne Dosage herzustellen, was allerdings<br />

ein Misserfolg war, weil den Kunden die Weine dann doch zu<br />

»brute« (sic) erschienen; noch war die Zeit für diese Art von<br />

Weinen nicht reif. Doch der Wunsch nach Präzision und Klarheit<br />

brachte <strong>Perrier</strong>-Jouët – mit wesentlich mehr Erfolg – 1858<br />

dazu, den Weinbergsnamen und den Jahrgang in den Kork zu<br />

brennen und 1860 auf das Label zu drucken: die Geburt des<br />

Vintage-<strong>Champagne</strong>rs.<br />

Dieser pure Stil eroberte ganz Europa: <strong>Perrier</strong>-Jouët<br />

wurde Hoflieferant von Kaiser Napoleon III., Queen<br />

Victoria und König Leopold von Belgien. Um 1900<br />

wurde trotz der grassierenden Rebkrankheiten mehr als eine<br />

Million Flaschen verkauft – und zwei Jahre später sollte Henri<br />

Gallice, der damalige Präsident des Hauses, Emile Gallé mit der<br />

Gestaltung einer besonderen <strong>Champagne</strong>rflasche beauftragen.<br />

Es muss an dessen Kampf gegen die Reblaus gelegen haben, bei<br />

dem er als Mitgründer der Association Viticole Champenoise<br />

in erster Reihe stand, dass die Entwürfe in Vergessenheit gerieten.<br />

Erst 1969 wurden die alten Muster wiederentdeckt, als fünftausend<br />

Flaschen Belle Epoque Jahrgang 1964 nach dem Design<br />

von Gallé zur Feier des 70. Geburtstag von Duke Ellington<br />

gefüllt wurden. Die Cuvée wurde ein solcher Erfolg, dass sie<br />

das meistverkaufte Produkt unter den Prestige-Cuvées werden<br />

sollte, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Markt kamen.<br />

<strong>Champagne</strong> <strong>Perrier</strong>-Jouët wird allgemein als feminin wahrgenommen,<br />

was sicher auch daran liegt, dass er der Lieblingschampagner<br />

von Grace Kelly war und das Haus auch heute noch<br />

die Nähe zu weiblicher Schönheit sucht. Hervé Deschamps, der<br />

Chef de Cave, arbeitet etwa mit Schauspielerinnen wie Gong<br />

Kostbar und rar ist der <strong>Champagne</strong> Belle Epoque Blanc de<br />

Blancs der Maison <strong>Perrier</strong>-Jouët. Im historischen Anemonen-<br />

Design des Jugendstilkünstlers Emile Gallé feiert das in<br />

Epernay ansässige Traditionshaus mit Chef de Cave Hervé<br />

Deschamps die Vollendung seines Stils.<br />

Li und Sophie Marceau an der Komposition ganz persön licher<br />

Cuvées. Diese publicity-wirksamen Aktionen sollen aber nicht<br />

überdecken, dass <strong>Perrier</strong>-Jouët eigentlich ein sehr klassisches<br />

Haus ist, das sich im Kern über die mehr als zweihundert Jahre<br />

seines Bestehens, und über alle Besitzerwechsel hinweg, treu<br />

geblieben ist: Seit 1811 ist Hervé Deschamps erst der siebte Chef<br />

de Cave; und von der Belle Epoque schreibt <strong>Champagne</strong>r- Autor<br />

Tom Stevenson, keine andere Prestige-Cuvée weise eine »vergleichbare<br />

stilistische Beständigkeit« auf.<br />

Heute produziert <strong>Perrier</strong>-Jouët 3,2 Millionen Flaschen<br />

im Jahr – davon sechshunderttausend Belle Epoque;<br />

etwa fünfundachtzig Prozent gehen in den Export.<br />

Noch immer bestimmt der Chardonnay den Style de la Maison,<br />

auch wenn man überrascht ist, wie hoch der Anteil anderer<br />

Reb sorten in den Cuvées ist. Das liegt sicher auch daran, dass<br />

der Pinot Noir aus den kühleren Lagen von Mailly stammt, der<br />

nörd lichen Spitze des »magischen Dreiecks« von Grand-Cru-<br />

Lagen des Hauses, das sich von dort über Dizy und Aÿ nach<br />

Avize und Cramant erstreckt. Dieses Dreieck ist die Grundlage<br />

all seiner <strong>Champagne</strong>r – vom Grand Brut bis zum jüngsten<br />

Produkt, der Belle Epoque Edition Première 2007, einem<br />

Saison- <strong>Champagne</strong>r, mit dem <strong>Perrier</strong>-Jouët den Frühling feiert,<br />

der so sehr mit dem Bild der Marke verbunden ist. <strong>Champagne</strong>r,<br />

so hat Louis Budin, einer der Präsidenten des Hauses, einmal<br />

geschrieben, sei das Lächeln Frankreichs. In den <strong>Champagne</strong>rn<br />

von <strong>Perrier</strong>-Jouët kommt man ihm ganz nahe. •<br />

Es ist nur wenig bekannt, wie sehr Geschichte und Geografie<br />

die Stilistik der <strong>Champagne</strong>rhäuser geprägt haben.<br />

Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Standorte für die<br />

<strong>Maisons</strong> von entscheidender Bedeutung: Die Häuser in Epernay<br />

nutzten die Marne zum Vertrieb ihrer Weine, die auf Frachtkähnen<br />

über Paris Richtung England und Neue Welt transportiert<br />

wurden – in Reims dagegen dienten die Fern handelsstraßen<br />

als Vertriebswege in den Norden, nach Holland und<br />

Schweden, und nach Osten, nach Russland. Zugleich war<br />

Epernay das Tor zur Côte des Blancs und deren Chardonnay-<br />

Weinbergen, während Reims die Montagne de Reims mit<br />

ihren Pinot-Noir-Lagen vor der Haustür hatte. Als das Ehepaar<br />

Pierre- Nicolas <strong>Perrier</strong> und Rose-Adélaïde Jouët im Jahr<br />

1811 beschloss, in Epernay ein <strong>Champagne</strong>rhaus zu gründen,<br />

nutzten sie genau diese beiden Gegebenheiten klarsichtig aus:<br />

1815 wurde der erste <strong>Champagne</strong>r nach England verkauft, 1837<br />

in die Ver einigten Staaten. Und sukzessive wurden Weinberge<br />

erworben: Heute sind es etwa hundert Hektar, fast ausschließlich<br />

Grand-Cru-Lagen, davon vierzig Hektar mit herausragendem<br />

Chardonnay in Avize und Cramant, der den Charakter von<br />

<strong>Champagne</strong> <strong>Perrier</strong>- Jouët bis heute prägt.<br />

Von Pinot Noir dominierte <strong>Champagne</strong>r sind voll und kräftig,<br />

während die von Chardonnay geprägten eher floral, fokussiert<br />

und delikat sind. Vielleicht liegt es daran, dass <strong>Perrier</strong>-<br />

Jouët ein Pionier bei der Erzeugung trockner Weine war und<br />

das erste <strong>Champagne</strong>rhaus überhaupt, das Weine ohne Zugabe<br />

von Zucker produzierte – einem englischen Händler hatten<br />

die Grundweine so sehr gefallen, dass er 1846 das Haus bat,<br />

18 19<br />

FINE 4 | 2016 FINE CHAMPAGNE


Lanson<br />

Renaissance in Reims<br />

Von überragender Bedeutung für jedes <strong>Champagne</strong>rhaus ist der Style de la Maison,<br />

der ganz individuelle, in vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten gebildete Ausdruck,<br />

der alle <strong>Champagne</strong>r eines Hauses verbindet. Dafür, dass dieser Stil eine<br />

ganze Geschmacksrichtung definieren sollte wie beim Style Lanson, hatte es selbst<br />

unter den <strong>Grandes</strong> Marques nur ganz wenige Beispiele gegeben. Doch nachdem<br />

in den 1990er Jahren fast der gesamte Weinbergsbesitz beinahe über Nacht verloren<br />

gegangen war, schien die Identität von Lanson zerstört. Heute glänzen die<br />

Weine wie selten zuvor – und die bravouröse Prestige Cuvée Clos Lanson kündet<br />

von der Wiedergeburt des Hauses.<br />

Markant schmückt das siegellackrote achtspitzige<br />

Kreuz der Malteser jedes Etikett – nicht nur ein<br />

werbe wirksames Emblem, sondern vor allem ein<br />

Zeichen für die enorme Prinzipientreue, die das Haus seit seiner<br />

Gründung im Jahr 1760 auszeichnet. François Delamotte, der<br />

zusammen mit seiner Frau Weinberge in Aÿ und in Cumières<br />

besaß, hatte das zunächst nach ihnen benannte <strong>Champagne</strong>rhaus<br />

eröffnet; es ist eines der ältesten der <strong>Champagne</strong>. 1798 trat<br />

sein Sohn Nicolas Louis in die Firma ein. Der war Ritter des<br />

Malteserordens, den die Französische Revolution wenige Jahre<br />

zuvor verboten hatte und der nach der Eroberung von Malta<br />

durch Napoleon im Jahr 1798 von seinem maltesischen Stammsitz<br />

vertrieben worden war. Nicolas Louis Delamotte war es, der<br />

das Kreuz des Ordens zum Markenzeichen des <strong>Champagne</strong>rhauses<br />

machte.<br />

Auch der Mann, nach dem die Maison später benannt<br />

werden sollte, stand nicht gerade in Übereinstimmung mit dem<br />

Zeitgeist. Jean-Baptiste Lanson flüchtete 1792 als Sechzehnjähriger<br />

aus Frankreich aus Furcht vor der Revolution. Bei seiner<br />

deutschen Gastfamilie in Münster wurde er, so heißt es, mit den<br />

kaufmännischen Grundlagen vertraut gemacht und knüpfte<br />

erste Handelskontakte. Bei seiner Rückkehr 1807 gelangte er<br />

nach Reims, wo er die Bekanntschaft der Familie Delamotte<br />

machte. 1828 wurde er Teilhaber des Unternehmens, und neun<br />

Jahre später, nach dem Tod von Nicolas Louis Delamotte,<br />

Geschäftsführer. Bald wurde das Haus in Lanson umbenannt<br />

und der Name Delamotte nur noch als Handelsmarke benutzt.<br />

Die Lansons sollten dem Haus Wohlstand bringen, zumindest<br />

die nächsten hundertfünfzig Jahre. Die Kontakte von Jean-<br />

Baptiste Lanson nach Deutschland begründeten die starke<br />

Stellung des Hauses hierzulande, ein hundert Jahre dauernder<br />

Exklusivvertrag von 1882 mit dem Londoner Händler Percy<br />

Fox die in Großbritannien. Lanson war das erste <strong>Champagne</strong>rhaus,<br />

das seine Etiketten mit dem begehrten Royal Warrent versehen<br />

durfte: »By Appointment to HM The Queen«. Mit Jean-<br />

Baptiste Lansons Sohn Victor, der 1855 die Geschäfte übernahm<br />

und als eine der prägenden Figuren der Region gilt, sollte das<br />

Haus in den Zenit seines Erfolgs aufsteigen. Er konzen trierte<br />

den Fokus auf den Brut sans Année, den er Black Label taufte.<br />

In den Jahren der Depression zwischen den Weltkriegen bewies<br />

er immensen Weitblick, als er zweihundert Hektar erst klassiger<br />

Chardonnay- und Pinot-Noir-Weinberge kaufte, die in den<br />

Nachkriegsjahrzehnten die Grundlage für die hohe Qualität<br />

der <strong>Champagne</strong>r von Lanson bilden sollten.<br />

Tatsächlich sind die Anforderungen an die Traubenqualität<br />

bei Lanson vor allem deshalb sehr hoch, weil<br />

der Stil des Hauses durch eine ganz besondere kellertechnische<br />

Eigenart geprägt ist: Anders als nahezu die gesamte<br />

Konkurrenz verzichtet Lanson auf die zweite, die sogenannte<br />

malo laktische Gärung, die auch biologischer Säureabbau<br />

genannt wird und in der die härtere Äpfelsäure in die weichere<br />

Milchsäure umgewandelt wird. Traditionell war und ist<br />

man in der Maison der Auffassung, dass die <strong>Champagne</strong>r Non-<br />

Malo, also ohne diesen Schritt, frischer, reiner und nicht durch<br />

milchig-buttrige Noten geprägt seien. Allerdings bedeutet dies,<br />

dass die so entstandene höhere Säure auf die eine oder andere<br />

Art gebändigt werden muss, wozu neben reiferem und höherwertigem<br />

Lesegut etwa auch der stärkere Einsatz von Reserve-<br />

Weinen gehört.<br />

Lanson wurde jedenfalls eine ganz besondere Perle unter<br />

den <strong>Grandes</strong> Marques – kein Wunder, dass sich bald auch<br />

Konzerne für das Haus interessierten. Mit dem Eintritt des<br />

Pastis- Herstellers Ricard begann 1970 ein Reigen von Besitzerwechseln,<br />

der seinen »Höhepunkt« 1990 fand, als LVMH das<br />

Haus übernahm, um es vier Monate später wieder zu ver kaufen –<br />

allerdings ohne den Weinbergsbesitz, den es für seine anderen<br />

Marken behielt. Lediglich die Immobilien und die Weinbestände<br />

blieben bei Lanson. Für das Haus und insbesondere<br />

für Kellermeister Jean-Paul Gandon begann die Herkules arbeit,<br />

aus dem Nichts wieder anzufangen und vor allem an den Style<br />

de la Maison anzuknüpfen. Das war nicht einfach, denn eines<br />

der wenigen Mittel, ohne Zugriff auf bestes Lesegut die hohe<br />

Säure zu kompensieren, war eine deutlich höhere Dosage.<br />

Die Wende kam 2006, als die <strong>Champagne</strong>rgruppe BCC<br />

die Maison Lanson übernahm. Einer ersten Konsolidierung<br />

folgte 2014 ein Investitionsschub von 14 Millionen Euro. Damit<br />

wurden zahlreiche neue Gärtanks erworben, um noch mehr<br />

Parzellen einzeln ausbauen und damit die Assemblage verfeinern<br />

zu können. Auch die Zahl der Eichenfässer wurde stark<br />

erhöht, um die Langlebigkeit der Reserveweine zu steigern.<br />

Heute vollendet Hervé Dantan als Chef de Cave Jean-Paul<br />

Gandons Mission, die frische Non-Malo-Stilistik wieder zum<br />

Strahlen zu bringen. Traditionell sind die gereiften Vintage-<br />

<strong>Champagne</strong>r Lansons herausragende Botschafter: Als eines der<br />

ersten Häuser hat Lanson eine eigene Vintage Collection herausgebracht<br />

und damit den neuen Sammlertrend nach alten<br />

Jahrgangs champagnern als echte Vins de Garde mitbegründet.<br />

Vollendeter als in dem Clos Lanson kann dieser Stil nicht<br />

zum Ausdruck gebracht werden; er stammt aus einem der<br />

ganz wenigen mit Mauern umgebenen Weinbergen (Clos) in<br />

der <strong>Champagne</strong>, dem einzigen Hektar, der nach dem Verkauf<br />

der Rebflächen im Besitz von Lanson verblieben war. Es ist<br />

ein veritabler »geheimer Garten« – und wie in dem gleichnamigen<br />

Kinderbuch von Frances Hodgson Burnett musste<br />

er lange Jahre warten, bis ihn die jüngste Generation wieder<br />

zum Leben erweckte. 2006 wurde der Clos Lanson zum ersten<br />

Mal als Einzel lage ausgebaut, und in diesem Jahr wurde er vorgestellt.<br />

Nun erstrahlt in ihm von neuem die alte Größe des<br />

Hauses Lanson. •<br />

Brillant und strahlend<br />

präsentieren sich die<br />

<strong>Champagne</strong>r der Maison<br />

Lanson zu Reims nach ihrer<br />

Wiedergeburt, Ergebnis<br />

auch einer speziellen Kellertechnik.<br />

Das zeigt sich<br />

überragend im Vintage<br />

Blanc de Blancs Clos Lanson,<br />

dem Stolz von Chef de Cave<br />

Hervé Dantan.<br />

20 21<br />

FINE 4 | 2016 FINE CHAMPAGNE


Pol Roger<br />

<strong>Champagne</strong>r<br />

für Gentlemen<br />

Eine Grande Marque zu sein bedeutet immer auch, <strong>Champagne</strong>r auf allen wichtigen<br />

Märkten der Welt zu vertreiben. Kaum eines der großen Häuser hat dies in<br />

den harten Zeiten der Globalisierung vermocht, ohne sich in den Schutz eines<br />

Konzerns zu begeben. Die Maison Pol Roger hingegen, eines der wenigen noch<br />

familiengeführten Unternehmen, hat ihre Position durch die außergewöhnliche<br />

Qualität ihrer <strong>Champagne</strong>r gesichert – und durch eine Ikone des 20. Jahr hunderts,<br />

die zu ihrem unsterblichen Markenbotschafter wurde.<br />

Auch wenn seit 1998 die Vereinigten Staaten Exportpartner<br />

Nummer eins für das <strong>Champagne</strong>rhaus in<br />

Epernay sind, wird für Pol Roger zumindest historisch<br />

immer ein anderes Land bedeutender bleiben: Groß britannien.<br />

Es ist kaum zu erklären, warum vor allem die Engländer einen<br />

so enormen Durst auf französische Schaumweine entwickelten,<br />

sicher ist aber, dass ohne sie die Geschichte der <strong>Champagne</strong><br />

anders verlaufen wäre. Auch der junge Pol Roger hatte sich<br />

früh nach England orientiert. Als Achtzehnjähriger war er<br />

1849, ohne eigene Weinberge oder gar ein Weingut zu besitzen,<br />

zufällig ins Weingeschäft geraten. Nach dem Tod seines Vaters,<br />

eines Notars, musste er dessen Fälle abwickeln, darunter auch<br />

den eines Négociants aus Aÿ, seinem Geburtsort. Die Branche<br />

faszi nierte ihn so sehr, dass er beschloss, selbst ein <strong>Champagne</strong>rhaus<br />

zu gründen. Epernay, wo die Familie seit 1851 lebte, war<br />

wegen des Hafens an der Marne immer schon ein guter Ort für<br />

die Verschiffung nach England gewesen, und folgerichtig ging<br />

auch die erste von Pol Roger exportierte Flasche ins Vereinigte<br />

Königreich. Aus der Familienhistorie geht zudem hervor, dass<br />

er bereits seit 1855 trocknen <strong>Champagne</strong>r erzeugt hatte, weil er<br />

wusste, dass die Engländer eine Vorliebe dafür hatten.<br />

Das schien keine falsche Entscheidung gewesen zu sein,<br />

denn das Haus wuchs, auch nach Pol Rogers Tod im Jahr<br />

1899. Seine Söhne hatten durch präsidialen Erlass erwirkt, dass<br />

der Name des Gründers in der Form »Pol-Roger« der neue<br />

Familien name werden durfte, während die Firma weiterhin »Pol<br />

Roger« heißen sollte. Bald zählten Prominenz und Adel zu den<br />

Abnehmern. 1911 wurde die Grande Marque Hoflieferant des<br />

britischen Königshauses und durfte fortan das begehrte Royal<br />

Warrant tragen. Eine vor einigen Jahren gefundene Rechnung<br />

aus dem Jahre 1908 belegt, dass drei Jahre zuvor ein Kunde<br />

gewonnen wurde, dessen Bedeutung für das Haus alle gekrönten<br />

Häupter in den Schatten stellte: Winston Churchill.<br />

Der initiale Moment für die vielleicht nachhaltigste Verbindung<br />

zwischen einem Weinproduzenten und seinem<br />

Kunden sollte sich aber erst gegen Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs ereignen, als der Premierminister im November 1944<br />

bei einem Ball in der Britischen Botschaft in Paris Odette Pol-<br />

Roger, die Frau von Pol Rogers Enkel Jacques, traf, die dort den<br />

1928er Jahrgang präsentierte. Churchill war hingerissen – von<br />

Odette wie vom <strong>Champagne</strong>r. Von nun an versäumte er keine<br />

Gelegenheit, seine Vorliebe für Pol Roger zu demons trieren,<br />

sogar sein Rennpferd benannte er nach der Maison. Es war eine<br />

Leiden schaft, die er an seine Familie weitergab: Sein Schwiegersohn<br />

Christopher Lord Soames, der letzte Britische Gouverneur<br />

von Rhodesien, hatte die Dauer der Verhandlungen über<br />

die Unabhängigkeit des Landes auf dreißig Tage festgelegt. Auf<br />

die Frage, wie er auf diese Zahl käme, antwortete er: »Weil ich<br />

nur noch dreißig Flaschen Pol Roger übrig habe.«<br />

Was genau schätzte Winston Churchill an Pol Roger? Sicher<br />

war es die sehr klassische, vom Pinot Noir dominierte körperreiche<br />

Stilistik der Weine, die den französischen Schriftsteller<br />

Jean-Paul Kauffman in seiner »Voyage en <strong>Champagne</strong>« bemerken<br />

ließ, dass Pol Roger der <strong>Champagne</strong>r der Gentlemen sei.<br />

Die Maison ist berühmt für ihre Vintage-<strong>Champagne</strong>r – der<br />

1928er, der Churchill 1944 so überzeugte, gehört zu den Legenden<br />

des Jahrhunderts. Es ist einmal bemerkt worden, das Haus<br />

verfüge eigentlich nur über durchschnittliche Weinberge, mit<br />

Ausnahme des Besitzes in Cramant. Tatsächlich wurde erst 1955<br />

eigenes Rebland gekauft, um dessen Bewirtschaftung man sich<br />

erst recht spät kümmerte. Heute sind es immerhin neunundachtzig<br />

Hektar, von denen etwa die Hälfte der Trauben für die<br />

1,8 Millionen Flaschen stammt. Mit Evelyne de Billy verantwortet<br />

zudem ein Mitglied der Familie die gesamte Weinbergsarbeit.<br />

Aber der eigentliche Schlüssel zur Qualität von Pol<br />

Roger liegt im Keller.<br />

Jahrgang für Jahrgang orderte seit 1905 der berühmteste Kunde der<br />

Maison Pol Roger den <strong>Champagne</strong>r des Hauses in Epernay: Winston<br />

Churchill. Ihm zu Ehren wurde 1984 in geheimer Assemblage aus<br />

Weinen des Jahrgangs 1975 die Prestige-Cuvée Sir Winston Churchill<br />

erstmals aufgelegt. Erst fünfzehn Mal wurde sie seither produziert.<br />

Der ist tiefer und bis zu eineinhalb Grad kälter als die Keller<br />

der meisten übrigen Häuser. Das hat Folgen insbesondere für<br />

die Milchsäuregärung, bei der die harte Apfelsäure in die weichere<br />

Milchsäure umgewandelt wird. Bei tieferen Temperaturen<br />

dauert sie entsprechend länger, was viele für die große <strong>Fine</strong>sse<br />

und Langlebigkeit der Weine verantwortlich machen. Eine weitere<br />

Eigenheit betriff die doppelte Kalt-Vorklärung des Mostes –<br />

ein Verfahren, das von der Braukunst inspiriert wurde –, die ein<br />

weiteres Filtrieren unnötig macht und für besonders fruchtige<br />

Weine sorgt. Von entscheidender Bedeutung aber ist sicher die<br />

Kunst der Assemblage, die bei Pol Roger von Generation auf<br />

Generation weitergegeben wird. Immer ist die Familie verantwortlich<br />

für das finale Blending, und immer noch müssen Vertreter<br />

zweier Generationen an der Entscheidung beteiligt sein:<br />

Garantie für eine einzigartige stilistische Kontinuität.<br />

Doch auch ein solcher Fels der Tradition kann sich der<br />

Gegenwart nicht verschließen. Zur Jahrtausendwende übernahmen<br />

erstmals Manager von außerhalb der Familie das operative<br />

Geschäft, mit Maßnahmen, die verbunden waren mit erheblichen<br />

Investitionen in Keller und Weinberge. Gleich zeitig<br />

wechselte der Chef de Cave Dominique Petit von Krug zu Pol<br />

Roger. Für ihn war es der Wechsel aus der Welt der üppigen, in<br />

Eichenholz ausgebauten <strong>Champagne</strong>r in die Frische und Präzision<br />

des Edelstahls. Doch für entscheidend hält er letztlich<br />

etwas anderes: rigorose Auswahl und Unnachgiebigkeit. Nur<br />

dank dieser Prinzipien könne die wahre Eleganz und <strong>Fine</strong>sse<br />

großer <strong>Champagne</strong>r entstehen. •<br />

22 23<br />

FINE 4 | 2016 FINE CHAMPAGNE


Nicolas Feuillatte<br />

Das Gold<br />

der Genossen<br />

Der Erfolg von Nicolas Feuillatte ist spektakulär: 1986 präsentierte sich die<br />

<strong>Champagne</strong>r marke zum ersten Mal unter diesem Namen, heute ist sie Marktführer<br />

in Frankreich und der drittgrößte Produzent weltweit. Dabei stammen die<br />

<strong>Champagne</strong>r von der größten Genossenschaft der Region, dem Centre Vinicole<br />

de la <strong>Champagne</strong> (CVC) – dem genauen Gegenbild dessen also, was wir im Kopf<br />

haben, wenn wir an prickelnden Schaumwein denken. Und natürlich ist Nicolas<br />

Feuillatte auch keine Grande Marque – aber der Name gehört deshalb nicht<br />

weniger zur Geschichte der Appellation. Zumal die <strong>Champagne</strong>r des Hauses<br />

immer besser werden.<br />

Beim Blick auf die <strong>Grandes</strong> <strong>Maisons</strong> mit ihren erstaunlichen<br />

Produktionszahlen kann man leicht aus den Augen<br />

verlieren, dass die Struktur der <strong>Champagne</strong> eigentlich<br />

sehr kleinteilig ist. Mehr als zehntausend Winzer bewirtschaften<br />

teilweise nur Parzellen, deren Ertrag früher oft zum Leben<br />

zu wenig und zum Sterben zu viel war. Gerade in Notzeiten<br />

wie Wirtschaftskrisen, nach wiederholten Missernten oder bei<br />

massivem Schädlingsbefall waren vor allem die Kleinwinzer<br />

schwer betroffen. Eine der Folgen der massiven Reblauskrise<br />

war die Gründung des Syndicat Général des Vignerons de la<br />

<strong>Champagne</strong>, das nicht zuletzt ein Gegengewicht zu den Syndikaten<br />

der großen Marken und Négociants bilden sollte, die<br />

Trauben und Wein der Winzer nahezu komplett aufkauften<br />

und dann vermarkteten. Nach dem Ersten Weltkrieg hielt die<br />

Genossenschaftsidee Einzug in der <strong>Champagne</strong>, und 1920 formierten<br />

sich die ersten dreißig Kooperativen.<br />

Im Zweiten Weltkrieg kam es unter deutscher Besatzung<br />

zur Zwangsfusion der Verbände der Négociants und der Winzer<br />

im Comité Interprofessionnel du Vin de <strong>Champagne</strong> (CIVC) –<br />

eine Institution, die nach Kriegsende einen neuen Sinn erhielt,<br />

indem sie durch das Modell der Mitbestimmung das fried liche<br />

Zusammenspiel beider Fraktionen sichern sollte. Tatsächlich<br />

bereitete sie die Grundlage für den ersten bescheidenen Wohlstand<br />

auch der Winzer. Mitverantwortlich dafür war nicht<br />

zuletzt der junge Sozialist Henri Macquart, der als führen der<br />

Vertreter der Winzerschaft von 1946 bis 1959/60 Präsident des<br />

Syndikats der Winzer und Co-Präsident des CIVC war.<br />

In den 1960er Jahren wurde er Präsident der Fédération des<br />

Coopératives Champenoises, des Dachverbands der Genossenschaften,<br />

deren Zahl auf mehr als hundert angewachsen war<br />

und die 1964 schon 36 Prozent der Ernte der Appellation selbst<br />

vermarkteten. Auch wenn es Probleme mit Image und Vertrieb<br />

dieser Genossenschafts-<strong>Champagne</strong>r gab, prophezeite Henri<br />

Macquart bereits 1968, der Tag sei nicht weit, dass die Genossenschaften<br />

Zugang zu den Vertriebskanälen gewännen, die nur<br />

den ganz großen Produktionseinheiten offen standen. Nachdem<br />

1970 eine gewaltige Ernte mit enormen Über kapazitäten<br />

den Genossenschaften ihre begrenzten Mittel vor Augen führte,<br />

musste er handeln: 1972 gründete er das Centre vinicole de la<br />

<strong>Champagne</strong> (CVC), ursprünglich ein Bund von Genossenschaften,<br />

der ab 1976 begann, erste Cuvées zu erzeugen.<br />

Das Problem der Größe hatte Henri Macquart gelöst, was<br />

blieb, war das Problem mit dem Image. Da traf er einen<br />

Mann, der das exakte Gegenteil eines »Genossen«<br />

war: Nicolas Feuillatte. Der Freund von Jackie Kennedy und<br />

Lauren Bacall hatte sein Geld in den Vereinigten Staaten mit<br />

dem Handel von afrikanischem Kaffee gemacht und war Ständiger<br />

Gesandter der Elfenbeinküste bei den Vereinten Nationen.<br />

1972, in dem Jahr, als Henri Macquart das CVC gegründet hatte,<br />

kam er nach Frankreich zurück, weil er mit seinem Bruder einen<br />

zwölf Hektar großen Weinberg unweit von Reims erworben<br />

hatte. Hier wollte er nun <strong>Champagne</strong>r produzieren, der so hedonistisch<br />

sein sollte wie er selbst. Doch für den Einzelkämpfer<br />

war das schwerer als erwartet. Da traf er Macquart. Der kaufte<br />

das Unternehmen für das CVC, vor allem aber: die Marke. Die<br />

Kalkulation ging auf: Zwischen 1986 und 1990 steigerte sich<br />

der Verkauf von fünfhunderttausend Flaschen auf 1,2 Millionen.<br />

Doch das Ende der Fahnenstange war damit noch lange nicht<br />

erreicht. Nicolas Feuillatte stieß in eine Lücke, die sich auftat,<br />

weil die <strong>Grandes</strong> Marques unter großen, teils haus gemachten<br />

Problemen litten. Zudem war es die Zeit, in der das Wort Preisleistungsverhältnis<br />

seinen Siegeszug begann. Feuillatte setzte auf<br />

den Vertrieb in den Supermärkten – <strong>Champagne</strong>r war damals<br />

in Frankreich noch den großen Familien feiern vor behalten –<br />

und verbreitete die Botschaft vom <strong>Champagne</strong>r als Getränk in<br />

allen Lebenslagen, weshalb ein entsprechend breites Angebot<br />

zur Verfügung gestellt wurde. Das gewaltige voll automatisierte<br />

Produktionszentrum in Chouilly präsentierte das CVC stolz<br />

als bewussten Gegenentwurf zur Keller- und Katakomben-<br />

Ästhetik der klassischen <strong>Maisons</strong> – was <strong>Champagne</strong>r freunde<br />

im Ausland irritieren mag, die sehr technikaffnen Franzosen<br />

aber begeisterte. Kurz: Nicolas Feuillatte demokratisierte den<br />

<strong>Champagne</strong>rkonsum und modernisierte dessen Image.<br />

Heute umfasst das Centre Vinicole de la <strong>Champagne</strong> –<br />

Nicolas Feuillate (CV-CNF), wie es seit 1986 heißt,<br />

zweiundachtzig von einhundertvierzig Kooperativen<br />

in der <strong>Champagne</strong>, zu denen fünftausend Winzer gehören, die<br />

über zweitausendeinhundertvierzig Hektar Rebland verfügen.<br />

Nahezu 10 Millionen Flaschen werden verkauft. Beim Stil der<br />

Weine legt man – bei allem Bekenntnis zu Frische und Eleganz<br />

– Wert auf die Zugänglichkeit, was häufig durch einen<br />

hohen Pinot-Meunier-Anteil erreicht wird. Feuillatte-Weine<br />

gelten auch als Einstiegschampagner. Guillaume Roffaen, der<br />

Direktor für Önologie und Qualität, und David Hénault, der<br />

Chef de Cave, arbeiten daran, diese Stilistik etwas zu straffen<br />

und langlebigere Weine zu erzeugen. Nicht zuletzt bildet<br />

die enorme Vielfalt an Weinbergen mit teilweise exquisiten<br />

Lagen die Basis für das immense Potential der Kooperative:<br />

Die <strong>Champagne</strong>r überzeugen nicht nur durch eine konstant<br />

gute Qualität, es lassen sich immer wieder auch ausgesprochene<br />

Perlen darunter entdecken. •<br />

Erfolgreich und mit<br />

modern sten Mitteln erzeugt<br />

die Groß kooperative Nicolas<br />

Feuillatte aus den Trauben<br />

von fünftausend Weinbauern<br />

ihre <strong>Champagne</strong>r,<br />

leicht zu trinkende<br />

Volumen weine von hoher<br />

Qualität, die Guillaume<br />

Roffaen ver antwortet. Über<br />

jeden Zweifel erhaben<br />

ist Palmes d‘Or, die edle<br />

Jahrgangs-Cuvée aus<br />

Chardonnay und Pinot<br />

Noir bester Lagen, sinnlich,<br />

fruchtig, elegant.<br />

24 25<br />

FINE 4 | 2016 FINE CHAMPAGNE


FINE TASTING<br />

Stefan Pegatzky verkostet …<br />

… den Moët & Chandon MCIII<br />

Nach der Premiere im Sommer letzten Jahres meine zweite Flasche. In Paris war der Wein in breiten Zalto-Bordeaux-Gläsern<br />

serviert worden, wodurch die Perlage nicht sehr stabil wirkte. Im Zalto-Universal-Glas war das kein Problem.<br />

Sehr transparentes, helles Goldgelb bei lebhafter, sehr feiner Perlage. In der Nase Apfel, Pfirsich und etwas Holunderblüte,<br />

dazu Honig und Austernschale, ganz junger Brie. Wirkt integrierter als im letzten Jahr, zeigt sich trotz aller Vielschichtigkeit eindeutiger<br />

und hat gewissermaßen zu sich gefunden: mittlere Intensität, aber wunderbare Textur und feinste Cremigkeit, dabei<br />

knackig trocken bei präsenter Säure. Der Wein vereint Leichtigkeit und Tiefe – und besitzt diese Idee von Kreidigkeit, die große<br />

<strong>Champagne</strong>r auszeichnet.<br />

… den <strong>Perrier</strong>-Jouët Belle Epoque Blanc de Blancs 2000<br />

Der Blanc de Blancs ist <strong>Perrier</strong>-Jouëts kostbarster und rarster Wein. Er stammt aus den beiden Parzellen Bourons Leroy und<br />

Bourons du Midi am nördlichen Rand der Grand-Cru-Gemeinde Cramant, direkt an dem Südsüdosthang der Butte de Saran;<br />

manche sagen, dass hier die besten Chardonnay-Trauben der <strong>Champagne</strong> wachsen. Der 2000er, der am 16. Oktober 2006 degorgiert<br />

wurde, ist erst der vierte Jahrgang seit 1982.<br />

Der Wein zeigt, wie gut die <strong>Champagne</strong>r von <strong>Perrier</strong>-Jouët altern können. Nach einiger Belüftungszeit, in der die anfangs sehr<br />

präsenten laktischen Noten gebändigt werden, dominieren feine reife Walnussnoten, Toast und etwas Anis, bei blassem Gold im<br />

Glas. Der <strong>Champagne</strong>r wirkt mit seiner verhaltenen Perlage sehr weinig, er ruht in sich und erinnert an einen rassigen Chablis.<br />

Deutlich mineralisches Rückgrat, gleichsam die Essenz des Hauses. Ein <strong>Champagne</strong>r für Kenner.<br />

… den Clos Lanson 2006<br />

Siebentausendachthundertsiebzig Flaschen wurden von diesem Blanc de Blancs (also 100 Prozent Chardonnay) produziert. Die<br />

Mauern um die kleine, biodynamisch bewirtschaftete Parzelle mit reinem Kalksteinboden im Herzen von Reims schützen vor<br />

kalten Winden und erhöhen so die Durchschnittstemperatur um etwa anderthalb Grad. Der Wein, der sechs bis acht Monate in<br />

gebrauchten Fässern ausgebaut wurde, erhielt eine minimale Dosage von 2 bis 3 Gramm.<br />

Helles bis mittleres Goldgelb bei deutlichem Glycerin und feinster, lebhafter Perlenbildung. In der Nase sehr edel mit Apfel,<br />

Walnuss und Fresien. Wunderschöne, ganz leicht mürbe Textur und <strong>Fine</strong>sse, feine Säure, sehr trocken und weinig. Trotz der<br />

Beschränkung auf eine Einzellage wirkt der <strong>Champagne</strong>r enorm komplett – dabei nicht in erster Linie überwältigend oder komplex,<br />

sondern wie eine zauberhafte, lang andauernde Melodie.<br />

… den Pol Roger Sir Winston Churchill 2004<br />

Die Prestige-Cuvée, erstmals aus dem Jahrgang 1975, zehn Jahre nach Churchills Tod, produziert und exklusiv in Magnums gefüllt,<br />

wurde 1984 auf Blenheim Palace, dem Stammsitz der Herzöge von Marlborough und Geburtsort Winston Churchills, präsentiert.<br />

Erst fünfzehn Jahrgänge der Pinot-Noir-dominierten Cuvée, deren Zusammensetzung auf Wunsch der Familie nicht bekanntgegeben<br />

werden darf, sind seither vorgelegt worden.<br />

Sir Winston wäre vermutlich stolz gewesen: ein Glas voll leuchtendem Gold mit ultrafeiner Perlage. In der noch verhaltenen<br />

Nase Biskuit, Apfel, Pfirsich und Mandeln. Am Gaumen mit zunehmender Belüftung sehr vielschichtig, intensiv, cremig und lang<br />

anhaltend. Ein Wein, der nach elf Jahren Ausbau strahlend jung erscheint und einen hinreißenden Genuss bietet.<br />

… und den Nicolas Feuillatte Palmes d’Or 2006<br />

Der Name bezieht sich nicht auf die Filmfestspiele in Cannes, sondern ist Nicolas Feuillattes Hommage an eine Operndiva, die in<br />

seinem Leben eine bedeutende Rolle spielte. Die Cuvée aus gleichen Anteilen von Chardonnay- und Pinot-Noir-Trauben bester<br />

Lagen wurde neun Jahre auf der Hefe ausgebaut.<br />

Leuchtendes Gold mit zarten Lachs-Reflexen bei lebhafter bis üppiger Perlage. Eine Spur Hefe, feine Brioche sowie gelbe<br />

und rote Früchte. Voll, rund und präsent, mit guter Cremigkeit bei milder Säure. Die sinnliche Fruchtigkeit fasziniert wie die<br />

Um armung einer schönen Frau, die man nicht mehr vergisst. •<br />

www.schlumberger.de<br />

1<br />

26 FINE 4 | 2016


FINE<br />

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