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FINE_222_Das-Grosse-Dutzend-Gereifte_Rose

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ASSMANNSHÄUSER HÖLLENBERG<br />

ZEITREISE MIT SPÄTBURGUNDERN<br />

Toskana Bordeaux-Probe Rheinhessen Spirituosen Saint-Émilion<br />

Wolfgang Reitzle Der unterschätzte Philipp Wittmanns Obstbrände Auf Tertre Roteboeuf<br />

und sein Loto Jahrgang 1970 große Rieslinge von Ziegler gelten eigene Regeln


MEHR ALS NUR EIN TREND<br />

ROSÉ ENTWICKELT SICH<br />

ZUM NEUEN CHAMPAGNER<br />

112 <strong>FINE</strong> 2 | 2022 DAS GROSSE DUTZEND<br />

DAS GROSSE DUTZEND <strong>FINE</strong> 2 | 2022 113


DAS GROSSE DUTZEND<br />

GEREIFTER ROSÉ<br />

Von UWE KAUSS<br />

Fotos GUIDO BITTNER<br />

<strong>Gereifte</strong>n Rosé verkosten? <strong>Das</strong> klingt für viele Weinfreunde, als würde ihnen<br />

Rotwein aus Rieslingtrauben angeboten. Denn Rosé gilt als das Bier der Weinliebhaber:<br />

Hauptsache, frisch und kühl eingeschenkt, völlig unkompliziert und<br />

ebenso schnell nachgefüllt wie ausgetrunken. Die meisten guten Roséweine sind<br />

längst ausverkauft, wenn’s im Jahr nach der Ernte wieder warm und lange hell ist.<br />

114 <strong>FINE</strong> 2 | 2022 DAS GROSSE DUTZEND<br />

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Was nur die wenigsten wissen: Der meist ohne größeren Anspruch produzierte Sommerund<br />

Terrassenwein ist inzwischen in die internationale Fine-Wine-Liga aufgestiegen. Die<br />

Spitzenrosés einiger südfranzösischer Güter kosten längst an die 300 Euro pro Flasche.<br />

Zur Verkostung von zwölf Rosés aus sechs Anbauregionen und insgesamt zwölf Rebsorten<br />

erklärte <strong>FINE</strong>-Herausgeber Ralf Frenzel seine überraschende Perspektive auf diese Weinkategorie:<br />

»Rosé ist der neue Champagner.«<br />

In der beschaulichen Weinszene spielen Hypes<br />

und Trends, anders als etwa bei Restaurants oder<br />

Spirituosen, nur selten eine Rolle. Der Rosé bildet<br />

seit einigen Jahren die große Ausnahme, denn wenn<br />

es einen internationalen Megatrend beim Wein gibt,<br />

dann diesen – in allen Preisklassen. Vor 50 Jahren<br />

war Rosé noch nicht einmal eine anerkannte Weinkategorie.<br />

Später entwickelte er sich zum schlichten<br />

günstigen Sommergetränk, das die Winzer bis heute<br />

mit moderatem Aufwand in großer Menge abfüllen.<br />

Von dort war der Weg nicht weit in die Großkellereien,<br />

die für Supermärkte produzieren.<br />

Doch vor allem in der Provence begann schon<br />

vor etlichen Jahren die zunächst nur von wenigen<br />

Kennern beachtete Gegenbewegung. Bis heute steht<br />

Südfrankreich für Spitzenqualität beim Rosé, trotz<br />

internationaler Konkurrenz. Einer der wichtigsten<br />

Pioniere dort war das erst 2006 gegründete Château<br />

d’Esclans, das 2019 vom Luxuskonzern LVMH<br />

übernommen wurde. Der Gründer Sacha Lichine<br />

engagierte zum Start den legendären Patrick Léon<br />

als Berater, der durch seine Arbeit etwa mit Mouton<br />

Rothschild und Opus One über seinen Tod im Jahr<br />

2018 hinaus zu den einflussreichsten Önologen<br />

der Welt zählt. Die beiden begannen Weine zu<br />

produzieren, die sie »Grand Rosé« nannten.<br />

Lichine kam genau zur richtigen Zeit, denn<br />

in diesen Jahren fing die »Generation X« an, sich<br />

auch für höherwertige Weine zu interessieren. Die<br />

zwischen 1965 und 1980 Geborenen verdienten<br />

gut, wussten wenig über Wein, waren aber für<br />

neue Trends sehr aufgeschlossen und lehnten die<br />

konservative Bordeaux-Vorliebe ihrer Eltern ab. Der<br />

neue hochwertige Rosé weckte ihr Interesse – und<br />

<strong>FINE</strong>TASTING|Uwe Kauss verkostet<br />

zwölf gereifte Rosés<br />

von 2008 bis 2020<br />

er machte ihnen den Einstieg leicht. So begann<br />

die Nachfrage ebenso zu wachsen wie die Zahl der<br />

Weingüter, die komplexen, anspruchsvollen und<br />

lagerfähigen Rosé produzierten. Sie arbeiten heute<br />

mit sorgfältigen Anbaumethoden, auf den Punkt<br />

terminierter Ernte, Barrique-Ausbau und präzise<br />

abgestimmter Maischestandzeit, setzen auf Trauben<br />

von uralten Rebstöcken und auf Spannung durch<br />

Reife in Kombination mit Trinkfluss und Leichtigkeit.<br />

All diese Aspekte treffen übrigens auch auf<br />

den Champagner zu, dessen Rosé-Cuvées schon<br />

seit längerer Zeit weltweit immer gefragter sind.<br />

So beschäftigen sich nun auch die Fine-Wine-<br />

Freunde aller Altersklassen mit diesem bislang unentdeckten<br />

Wein, dessen Farbe in <strong>Dutzend</strong>en Nuancen<br />

schillert: Von kräftigem Ziegelrot über Lachstöne<br />

bis hin zu nur sehr zarten, kaum noch merklichen<br />

Rosanuancen ist die Vielfalt fast unerschöpflich. <strong>Das</strong><br />

Spannende bei den besten dieser Weine ist ihre bislang<br />

kaum entdeckte Aromatik, vor allem, wenn sie,<br />

wie in dieser Verkostung, einige Jahre reifen durften –<br />

der älteste Rosé, der Viña Tondonia von López de<br />

Heredia aus der Rioja, stammte von 2008. Noten<br />

von Stroh oder exotischen Gewürzen wie Curry<br />

und Kurkuma sowie elegante Bittertöne machen das<br />

Verkosten dieser Weine zur Entdeckungsreise.<br />

2019 Les Clans<br />

Château d’Esclans (Côtes de Provence)<br />

93/92 P<br />

Grenache, Vermentino, Syrah Weißlich-helles Rosa. Zurückhaltende Nase, im<br />

Mund Passionsfrucht, Granatapfel, etwas Pfirsich, Erdbeere und Vanille. Feines<br />

Salz, etwas Piment, animierende Mineralität und runde Gerbstoffe. Sehr schön<br />

schlank und dicht, toller Trinkfluss, wunderbare Balance und intensiver Nachhall.<br />

2019 281<br />

Château Minuty (Côtes de Provence)<br />

90+/91 P<br />

Grenache, Syrah Helles Rosa. Curry und etwas Kurkuma, gelbe Melone,<br />

Passionsfrucht, ein wenig Erdbeere. Kräftige Salznoten, ein paar Kräuter, etwas<br />

raues Tannin und kräftige Säure. Sehr leicht mit guter Balance, schöner Nachhall.<br />

2020 Muse de Miraval<br />

Château de Miraval (Côtes de Provence)<br />

92/92 P<br />

Grenache, Rolle Helles Lachsrosa. Duft nach Keksen und Rosinenbrot, im Mund<br />

reife Pflaume, Mirabelle, Wacholder, Jodsalz, weiße Schokolade, etwas Karamell<br />

und wieder Butterkeks. Zarte Mineralität und feine Salznoten, etwas trockene<br />

Gerbstoffe, fein eingebundene Säure, schöne Balance mit wunderbarer Länge.<br />

2017 Garrus<br />

Château d’Esclans (Côtes de Provence)<br />

95/93 P<br />

Grenache, Rolle Sehr helles Rosa. Animierende Nase. Am Gaumen Mirabellen,<br />

ein wenig reife Pflaume, etwas Melone, Walderdbeere und Salz mit dichtem,<br />

rundem Tannin und frischer Säure. Tolle Komplexität mit hochpräziser Balance<br />

und wunderbarem Trinkfluss. Dabei animierend, sehr cremig, kraftvoll und<br />

überaus elegant. Toller, nicht endender Nachhall.<br />

2020 Rosy<br />

Pio Cesare (Piemont)<br />

89/88 P<br />

2019 Clos Mireille<br />

Domaines Ott (Côtes de Provence)<br />

88/89 P<br />

2019 Étoile<br />

Domaines Ott (Côtes de Provence)<br />

89/91 P<br />

2017 Rosé<br />

Château Musar (Libanon)<br />

94/93 P<br />

Nebbiolo, Syrah Tiefes Lachsrosa. Verhaltene Nase, am Gaumen Erdbeere,<br />

Johannisbeere, Macadamia und Rhabarber, etwas Salz und ein paar grüne<br />

Noten. Recht dicht, präsente Säure, intensive Frucht. Kraftvoll, gute Balance,<br />

aber eher wenig komplex.<br />

Syrah, Cinsault, Grenache Helles Lachsrosa. Zurückhaltend in der Nase, am<br />

Gaumen Granatapfel, Rhabarber, etwas Erdbeere mit präsenter Säure, viel<br />

Mineralität und etwas rauem Tannin. Sehr dicht mit leicht kantigem Nachhall.<br />

Grenache, Mourvèdre Helles Rosa. Etwas zurückhaltende Nase. Am Gaumen<br />

ein paar grüne Noten und Zündhölzer, Reneklode, Erdbeere, Rhabarber, Stroh,<br />

trockenes Holz und ein paar mineralische Noten. Recht präsentes Tannin,<br />

kräftig-animierende Säure, mittlerer Nachhall.<br />

Obaideh, Merwah und Cinsault Lachsrosa. Schöne Nase mit präsenten<br />

Fruchtnoten, am Gaumen getrocknete Aprikose, etwas Pfirsich, Feige, Pfeffer<br />

und etwas Salz. Feine Mineralität, tolle Balance mit gerundeten Gerbstoffen,<br />

animierender, fein ausbalancierter Säure und wunderbarem Nachhall. Erstklassiger<br />

Speisenbegleiter!<br />

2019 Sancerre Rosé<br />

Domaine de Terres Blanches (Sancerre)<br />

90/88 P<br />

2019 Clos du Temple<br />

Gérard Bertrand (Languedoc)<br />

91/93 P<br />

2018 Clos du Temple<br />

Gerard Bertrand (Languedoc)<br />

93/94 P<br />

2008 Viña Tondonia<br />

López de Heredia (Rioja)<br />

93+/91 P<br />

Pinot Noir Kräftiges Ziegelrot. Zurückhaltend in der Nase, am Gaumen reife<br />

Erdbeeren und Süßkirsche, Stachelbeere, Granatapfel und etwas Kiwi. Sehr nussig<br />

und würzig mit Salz und weißem Pfeffer, schöne Präsenz, etwas Mineralität,<br />

recht dicht. Guter Trinkfluss mit gut eingebundener, kräftiger Säure, etwas<br />

raue Länge.<br />

Grenache, Cinsault, Syrah, Mourvèdre, Viognier Sehr helles Rosa. Intensive<br />

Frucht in der Nase, im Mund ein paar Grasnoten, Erdbeerpüree, Passionsfrucht<br />

und Melone mit Spuren von Barrique und Vanille, etwas Salz. Gute Balance,<br />

recht rundes Tannin, sehr schöner, dichter Nachhall.<br />

Grenache, Cinsault, Syrah, Mourvèdre, Viognier Weißlich-helles Rosa. In der<br />

Nase und am Gaumen sehr intensive Aromen mit etwas Vanille, Erdbeere und<br />

Aprikose, etwas gelber Apfel. Fein ausgewogene Balance mit gut gebundener,<br />

frischer und animierender Säure mit dichtem, fast wuchtigem Nachhall.<br />

Garnacha, Tempranillo und Viura Ziegelrot. Intensive Nase mit dunklen Noten<br />

von roten Früchten und Nüssen. Am Gaumen Lakritz, Trockenfrüchte, reife<br />

Pflaume und Feige, Nüsse und zarte Gewürz-Bitternoten, schwarzer Pfeffer<br />

und etwas Salz. Feine, reife Säure, sehr dicht und dennoch leicht, tolle Balance<br />

mit animierendem Nachhall.<br />

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DAS GROSSE DUTZEND <strong>FINE</strong> 2 | 2022 117


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