FINE_122_Chablis_Jean-Paul-Benoit-Droin
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CHÂTEAU LAFLEUR<br />
DAS GROSSE RÄTSEL VON POMEROL<br />
<strong>Chablis</strong> Champagner Katalonien Toskana Mosel<br />
Fünf Güter, Olivier Krug Grans Muralles und Zwölf Jahrgänge Hofgut Falkenstein und<br />
fünf Stile im Interview Milmanda von Torres Monteverro Bischöfliche Weingüter Trier
MIT TRADITION<br />
UND SMARTPHONE<br />
DIE FAMILIE DROIN GEHÖRT ZU DEN ÄLTESTEN WINZER-<br />
DYNASTIEN IM DORF CHABLIS. LANGE ZEIT EHER UNAUFFÄLLIG,<br />
HAT SICH IHR GUT UNTER DER FÜHRUNG VON BENOÎT DROIN<br />
SEIT 1999 MIT PRÄZISEN, KRISTALLINEN CHARAKTERWEINEN ZU<br />
EINER DER FEINSTEN ADRESSEN DER REGION GEMAUSERT<br />
Von BIRTE JANTZEN<br />
Fotos LEIF CARLSSON<br />
Energiegeladen trabt Benoît <strong>Droin</strong> von einem Stahltank zum anderen, verkostet flott die dort heranreifenden<br />
Weine des Jahrgangs 2020. Er redet gern, erklärt, debattiert, ist ständig in Bewegung. Und dann sind da die<br />
Weine: gesetzt, frisch und präzise, von fast schon kontemplativer Ruhe im Glas. Es heißt, Gegensätze zögen<br />
sich an. Benoît <strong>Droin</strong> und Chardonnay auf Kimmeridgium könnten diese Lebensweisheit kaum besser verkörpern<br />
– und beide ergänzen sich wohl auch gerade deshalb perfekt.<br />
Auf den 26 Hektar Rebfläche, die <strong>Droin</strong> von seiner Familie<br />
pachtet, keltert er 16 verschiedene Weine, die Mehrheit<br />
davon auf Premier- und Grand-Cru-Lagen. Dass er<br />
keine eigenen Weinberge besitzt, ist für ihn<br />
kein Problem, schließlich handelt es sich<br />
um Familieneigentum, gesichert durch die<br />
gemeinschaftliche Form GFA (Groupement<br />
Foncier Agricole, eine landwirtschaftliche<br />
Grundstücksvereinigung). Das hat heutzutage<br />
durchaus Vorteile, besonders in<br />
Anbetracht des stetig steigenden Wertes<br />
der Rebberge: Während Petit-<strong>Chablis</strong>- und<br />
<strong>Chablis</strong>-Lagen noch für einen halbwegs<br />
vernünftigen Preis zu haben sind, wird so mancher Hektar<br />
Premier- oder Grand-Cru-Lage mittlerweile zu einem einstelligen<br />
Millionenbetrag gehandelt.<br />
Für kleine Güter sind das utopische<br />
Summen, besonders, wenn ein Winzer wie<br />
Benoît <strong>Droin</strong> seine Weine zu erschwinglichen<br />
Preisen auf den Markt bringen<br />
möchte. Wegen dieser Wertinflation des<br />
Bodens, bedingt durch starke Nachfrage und<br />
große Beliebtheit der Weine, muss das Vererben<br />
von Familienbesitz mittlerweile lange<br />
im Voraus geplant werden. »Generationswechsel<br />
sind meist nicht ganz einfach«, sagt<br />
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<strong>Droin</strong>, »manchmal möchte die jüngere Generation nicht weitermachen,<br />
manchmal gibt es Streit mit der Familie. Die Versuchung,<br />
zu verkaufen, ist einfach sehr groß. GFA ist also ein<br />
hervorragender Weg, das Familienerbe zu schützen.«<br />
<strong>Chablis</strong> und neue Barriques?<br />
Ja, das kann passen<br />
So hat er heute dank vorausschauender Eltern und Großeltern<br />
genügend Platz, seine Vision von <strong>Chablis</strong> zu verwirklichen.<br />
»Wein ist Arbeit für die Zukunft«, sagt er: »Dazu gehört auch,<br />
manche Weine im Holzfass reifen zu lassen, um ihnen Langlebigkeit<br />
und Eleganz zu verleihen. Bei jüngeren Weinen kann<br />
es schon mal vorkommen, dass sich das Holz bemerkbar macht.<br />
Nach fünf bis zehn Jahren Lagerung kehrt aber wieder Gleichgewicht<br />
ein.«<br />
Tatsächlich lässt der Jahrgang 2020 hier und da eine Holznote<br />
durchschauen – sie nimmt jedoch nie überhand und bleibt<br />
stets bestens integriert, wohl auch, weil <strong>Droin</strong> keinen Wein<br />
komplett in seinen neuen und gebrauchten Holzfässern ausbaut,<br />
sondern bei jedem mehr als die Hälfte im Stahltank reifen lässt.<br />
»Wir haben ein ausdrucksstarkes Terroir, frisch und mit viel<br />
Energie. Da passt die dynamische Finesse von neuen Barriques<br />
hervorragend«, findet er und schwimmt damit in <strong>Chablis</strong> eher<br />
gegen den Strom. Von ausladenden, cremigen Chardonnays,<br />
wie manch einer sie in der Côte de Beaune produziert, ist man<br />
hier aber weit entfernt.<br />
Gourmet, der er ist, vergleicht Benoît <strong>Droin</strong> seine<br />
Arbeitsphilosophie mit dem <strong>Chablis</strong>-Schinken: »Jede<br />
Familie hat ihr eigenes Rezept, das von Generation zu<br />
Generation weitergegeben wird und von dem jeder sagt, es sei<br />
das beste. Und das stimmt auch! Das zeigt, wie viele Möglichkeiten<br />
es gibt, etwas zu tun. Übrigens ist <strong>Chablis</strong>-Schinken<br />
eine wundervolle Spezialität, heutzutage aber selten geworden.<br />
Sie besteht aus einer pikanten Sauce mit gegrillten Schalotten,<br />
Tomatenkonzentrat und <strong>Chablis</strong> zum Würzen. Das kommt<br />
dann auf eine dicke Scheibe Schinken. Lecker!« Ob seine Vorfahren<br />
dies zur Stärkung während der Weinernte genossen<br />
haben oder im Winter vor dem knisternden Kamin, während<br />
der Winter Eiskristalle an die Fensterscheiben malte, weiß er<br />
aber nicht zu sagen. Besser erforscht ist die Familienhistorie.<br />
»Mein Vater <strong>Jean</strong>-<strong>Paul</strong> liebt Genealogie«, erzählt Benoît <strong>Droin</strong><br />
lachend, »und konnte unsere Geschichte zurückverfolgen. Seit<br />
1620 wird das Weingut vom Vater auf den Sohn übertragen,<br />
ohne eine Generation zu überspringen – meine Kinder und<br />
ich stehen also ordentlich unter Druck.«<br />
Vier Jahrhunderte Erfolge<br />
und Rückschläge<br />
Die erste Spur geht zurück auf Charles <strong>Droin</strong> (1614–1685).<br />
Damals gab es in <strong>Chablis</strong> 750 Winzer für 600 Hektar Weinberge,<br />
sämtliche Lagen waren mit Reben bepflanzt und trugen dieselben<br />
Namen wie heute. Das Familienarchiv offenbart auch die<br />
Schattenseiten des Winzerlebens: Spätfrost war schon damals<br />
ein Problem, genau wie der Traubenwickler. Seinetwegen fiel<br />
die Ernte 1650 besonders klein aus, 1659 wurde sie durch Kälte<br />
zerstört. Charles <strong>Droin</strong> jr. (1640–1718) erging es nicht anders,<br />
und auch die darauffolgenden Generationen erlitten in regelmäßigen<br />
Abständen ein ähnliches Schicksal. 1709 war es sogar<br />
so kalt, dass im Keller der Wein in den Fässern gefror. Lediglich<br />
<strong>Jean</strong> <strong>Droin</strong> (1668–1721) erlebte das umgekehrte Extrem:<br />
1691 brachte er die Trauben bereits Ende August ein. Erst 312<br />
Jahre später, am Ende des Hitzesommers 2003, gab es wieder<br />
eine derart frühe Ernte.<br />
Trotz regelmäßiger klimatischer Rückschläge und<br />
schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen wuchs das Gut<br />
im Lauf der Jahrhunderte, auch weil Polykultur den Lebensunterhalt<br />
der Familie sicherte. 1866 gab es eine besondere<br />
Ehre: Napoleon III., auf Durchreise in <strong>Chablis</strong>, überreichte<br />
Edme-Auguste <strong>Droin</strong> (1838–1924) persönlich einen silbernen<br />
Tastevin mit eingraviertem Reichswappen. Im selben Jahr fand<br />
die erste Klassifizierung der <strong>Chablis</strong>-Weine statt: Le Clos, Valmur,<br />
Grenouille und Mont de Milieu waren die Spitzenreiter, gefolgt<br />
von Vaulorent, Vosgros, Côte de Léchet, Fourchaume und<br />
Vaucoupin.<br />
<strong>Chablis</strong> stand im 19. Jahrhundert auf den Tafeln von<br />
Europas Fürsten- und Königshäusern. Vielversprechend,<br />
wären da nicht der Falsche Mehltau und Phylloxera<br />
gewesen, die den Weinbauern Umsatz und Stimmung verdarben.<br />
Im 20. Jahrhundert engagierte sich die Familie <strong>Droin</strong><br />
stark für <strong>Chablis</strong>, seine Renaissance und seinen Schutz, sowohl<br />
politisch als auch auf lokaler Ebene. Benoît <strong>Droin</strong> hingegen<br />
hält Abstand von den Machtkämpfen hinter den Kulissen, die<br />
er durch seinen Vater <strong>Jean</strong>-<strong>Paul</strong> nur zu gut kennt. »Gewerkschaftsarbeit<br />
ist Politik im Kleinen«, sagt er: »Ich hätte Dinge<br />
angeprangert, die niemandem gefallen hätten. Mir erscheint<br />
es wesentlich einfacher, als Außenstehender etwas voranzubringen,<br />
auch weil man von keiner Seite blockiert werden kann.«<br />
Es ist vielleicht gerade diese Unabhängigkeit, die jetzt die<br />
Weine der Familie endlich ins Rampenlicht rücken ließ – auch<br />
wenn der Urgroßvater Marcel seine Flaschen schon in den 1920erund<br />
30er-Jahren in die USA verkaufte. »Marcel liebte Wein«,<br />
erzählt Benoît <strong>Droin</strong>, »kurioserweise gab er seine Ambitionen<br />
eher an meinen Vater weiter als an meinen Großvater <strong>Paul</strong>.«<br />
Der begann zwar bereits 1973 wieder, selbst abzufüllen, verkaufte<br />
aber mangels Infrastruktur doch den größten Teil der<br />
Produktion als Fasswein. Sein Sohn <strong>Jean</strong>-<strong>Paul</strong> vergrößerte<br />
das Gut von acht auf 18 Hektar, baute einen neuen Keller und<br />
schuf dank exzellenter Auswahl der Parzellen die Grundlage<br />
fürs heutige Renommee. Aber auch er verkaufte noch immer<br />
das meiste an Weinhändler.<br />
Insgesamt 26 Hektar Rebfläche hat Benoît <strong>Droin</strong><br />
von seiner Familie gepachtet. Neben dem stolzen<br />
Wappen am Tor stehen die Namen von Vater<br />
und Sohn gleichberechtigt beieinander, doch der<br />
Senior hat sich schon lange zurückgezogen<br />
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BURGUND <strong>FINE</strong> 1 | 2022 53
Weingut Robert Weil – Riesling Großes Gewächs.<br />
Einer der Großen Weine der Welt.<br />
Holzfässer spielen hier eine Hauptrolle.<br />
Deswegen müssen manche Weine lange reifen,<br />
bis die Aromen im Gleichgewicht sind<br />
Erst Benoît <strong>Droin</strong> setzte der Tradition ein Ende: Alles, was<br />
er keltert, füllt er heute auf dem Weingut ab – und macht seinen<br />
Großvater damit stolz. Der 96-Jährige fährt seinem Alter zum<br />
Trotz noch immer in die Weinberge, um nach dem Rechten zu<br />
schauen. »Er lebt gefährlich«, sagt der Enkel lachend, »und<br />
er liebt das Wetter. Er kann es einfach nicht lassen, mir davon<br />
zu erzählen. Er liest stets den Regenmesser ab. Jedes Mal sage<br />
ich ihm: ›Opa, ich weiß!‹, und zeige ihm die Wetter-App auf<br />
meinem Smartphone. Davon ist er immer ganz begeistert.«<br />
Von Anfang an hat Benoît <strong>Droin</strong><br />
das Gut allein geleitet<br />
Nach dem Önologiestudium in Dijon übernahm Benoît <strong>Droin</strong><br />
das Gut 1999 und führte es von Anfang an allein – eine Verantwortung,<br />
die er mit Bravour meistert. Die Präzision der<br />
Weine, ihre bemerkenswerte Struktur und Lagerfähigkeit, dazu<br />
die noch immer angemessenen Preise machen diese Adresse<br />
zu einer erstklassigen Quelle für große Weißweine. <strong>Chablis</strong><br />
und Petit <strong>Chablis</strong> gehören ebenso dazu wie die Premiers Crus<br />
Montmains, Vaillons, Vosgros, Côte de Léchet, Vaucoupin, Mont<br />
de Milieu, Fourchaume, Vaulorent und Montée de Tonnerre<br />
sowie natürlich die Grands Crus Blanchot, Valmur, Vaudésir,<br />
Grenouille und Les Clos.<br />
Mit Recht ist <strong>Droin</strong> stolz auf seine Errungenschaften und<br />
schaut pragmatisch in die Zukunft. »Ehrlich gesagt«,<br />
meint er, »die globale Erwärmung ist besorgniserregend,<br />
aber sie hat nicht nur Nachteile.« <strong>Chablis</strong> lag bisher<br />
eher an der nördlichen Reifegrenze des Chardonnays. Heute<br />
reift er harmonischer, wenn auch in jüngster Zeit manchmal<br />
schon fast zu stark, und behält trotz der heißen Jahre seine<br />
Frische. »Früher wollten die Kunden eher Rotweine, Tannine,<br />
mehr Alkohol«, erinnert sich <strong>Droin</strong>, »aber die Ess- und Trinkgewohnheiten<br />
haben sich geändert. Die Menschen essen viel<br />
mehr Salat und Fisch, Frische steht im Mittelpunkt.«<br />
Vorteile sieht er auch anderswo: »Heute sind die Weinberge<br />
im Schnitt 30 bis 40 Jahre alt. Das Terroir kommt viel besser<br />
zum Vorschein, auch dank alter Reben. Wir haben nicht mehr<br />
die gleichen Erträge, arbeiten ganz anders als früher. Heute ist<br />
<strong>Chablis</strong> fast noch magischer als die Weißweine der Côte d’Or –<br />
zu wesentlich bezahlbareren Preisen.« Nachdenklich fügt er<br />
hinzu: »Ich hoffe, das bleibt so. Denn gerade auch deswegen<br />
findet man unsere Weine auf den Karten der ganzen Welt. Was<br />
will man mehr?«<br />
Die Expansionswünsche einiger Kollegen beobachtet der<br />
Winzer mit Sorge: »Ich bin gegen eine Ausweitung der Anbauflächen.<br />
Sicher, die Nachfrage übersteigt das Angebot. Und?«<br />
Die Rebfläche habe sich in den letzten 30 Jahren schon stärker<br />
vergrößert, als gut gewesen wäre. »Wir sollten es dabei belassen<br />
und unser Image nicht missbrauchen«, findet Benoît <strong>Droin</strong>:<br />
»<strong>Chablis</strong> hat einen hervorragenden Ruf. Und auch, wenn heute<br />
hier fast jedes Gut wunderbare Weine produziert, sollten wir<br />
nie vergessen, dass der <strong>Chablis</strong> seine Qualität nicht der Technik<br />
verdankt, sondern dem Terroir.«<br />
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<strong>FINE</strong><br />
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