Rotary Magazin 09/2023
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ROTARY SUISSE – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – SEPTEMBRE 2023
ROBIJ
WISSEN IST MACHT
… und nichts wissen macht nichts, plappert manch Erstsemestler
schon einmal leichtfertig dahin. Wie grundlegend er sich damit
irrt und wie elementar sowohl die Gegenwart als auch die
Zukunft von Wissen abhängig sind, erfuhren jugendliche Asylsuchende
bei einem Workshop der rotarischen Initiative ROBIJ
am eigenen Leib.
Marianne Hopsch hat eine Vision. Unermüdlich
setzt sich die Rotarierin, Unternehmerin
und Präsidentin des Vereins
ROBIJ für die Integration jugendlicher
Asylsuchender ein. So organisiert sie nicht
nur Berufserkundungstage, an denen sich
Firmen und Lehrstellensuchende gegenseitig
beschnuppern, sondern schult die
Jugendlichen auch im Hinblick auf berufliche
Ethik. Sie erklärt ihnen aus erster
Hand, worauf Unternehmer bei der Besetzung
einer Lehrstelle achten. Ihre Tipps
sind unbezahlbar.
In den Genuss genau dieser kamen
die Teilnehmer des Workshops «Schnuppern
– Bin ich fit?». An einem späten
Nachmittag im August trafen 16 männliche
Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren
im MNA-Zentrum Lilienberg ein. Nur
vier von ihnen erschienen ein paar Minuten
vor Beginn der Veranstaltung und
damit pünktlich. Sie erhielten auf ihrem
Namensschild eine kleine Markierung, die
im weiteren Verlauf des Workshops noch
wichtig werden sollte. Was auffiel: Alle
Teilnehmer waren ausgesucht höflich. Sie
begrüssten die Kursleiterin freundlich und
bewiesen in leichter Konversation, welche
Fortschritte sie mit der deutschen Sprache
bereits gemacht hatten. Die meisten der
jungen Asylsuchenden lernen sehr schnell,
und das aus gutem Grund: Sie haben verstanden,
dass gerade die Sprache ihnen
viele Türen öffnen kann.
Aufmerksam und aktiv lauschten die
Teilnehmer den Ausführungen Marianne
Hopschs. In der Theorie war ihnen klar,
dass gerade Pünktlichkeit im beruflichen
Umfeld eine grosse Rolle spielt. «Weil
sonst viele auf einen warten müssen», wie
Muharaksha ergänzte. In der Praxis indes
schien es mit der Pünktlichkeit jedoch
mächtig zu hapern; nicht umsonst waren
von 16 Teilnehmern lediglich vier rechtzeitig
erschienen. Diese hatten, wie eingangs
erwähnt, eine kleine Zeichnung auf ihr
Namensschild erhalten – und durften jetzt
stolz auf sich sein. Den übrigen war’s eine
Lektion. «Pünktlichkeit», erklärte ihnen die
Präsidentin von ROBIJ, «steht für Zuverlässigkeit,
was wiederum Zufriedenheit
schafft – beim Kunden, beim Unternehmer
und schlussendlich auch beim Mitarbeiter.»
Genau diese Zufriedenheit sei es,
die man eines Tages im günstigsten Falle
in der Lohntüte zu spüren bekäme.
Doch nicht nur die Pünktlichkeit kam
beim ROBIJ-Workshop zur Sprache. Auch
Themen wie Höflichkeit, Hilfsbereitschaft,
Sauberkeit oder Teamfähigkeit wurden
behandelt. Dass all diese Eigenschaften
wichtig sind und von einem Lehrling
erwartet werden, war Janali und seinen
Mitstreitern klar. Dass alle Mitarbeiter, und
damit auch die Lehrlinge, Vertreter der
jeweiligen Firma sind, dass sie das Unternehmen
repräsentieren und einen wichtigen
Teil zum Image des Betriebes leisten
können, hörten die Teilnehmer hingegen
zum ersten Mal. «Wer Firmenkleider in der
Öffentlichkeit trägt», so die Referentin,
«gibt seinen Namen in der Umkleidekabine
ab.» Diese Botschaft musste erst
einmal verdaut werden.
Schritt für Schritt, in kleinen Dosen,
erfassten die jungen Zuhörer die Zusammenhänge.
Sie verstanden, dass nicht nur
sie einen Betrieb beschnuppern, sondern
dass sie im Gegenzug auch selbst ge -
nauestens auf ihre Eignung überprüft
werden. Sie begriffen die weitreichenden
Konsequenzen von Verspätung und Un -
freundlichkeit. Und sie lernten, was So -
lidarität ist und wie wichtig echtes
Interesse, Respekt und Kommunikation
sind.
Betretene Stille trat ein, als Marianne
Hopsch aus ihrem Berufsalltag erzählte.
«Wichtiger als gute Schulnoten», so
Hopsch, «ist die Anzahl der Absenzen, vor
allem der unentschuldigten, im Zeugnis.»
Das war den Asylsuchenden vorher nicht
bewusst gewesen. An dieser Stelle schloss
sich der Kreis: Spätestens jetzt hatten alle
die Sache mit der Pünktlichkeit und der
Zuverlässigkeit wirklich verstanden.
Wenngleich es für die Feinheiten der
deutschen Sprache streng genommen
noch zu früh war, wollte die Unternehmerin
ihren Schützlingen unbedingt noch
etwas mit auf den Weg geben. So vermittelte
sie den jungen Lehrstellensuchenden
den Unterschied zwischen müssen, sollen,
können und dürfen. Das ist schon hohe
Schule, mag man meinen. Doch wer den
Lehrmeister fragt, was er tun «darf», und
nicht etwa, was er tun «muss», schafft die
vorher angesprochene Zufriedenheit. Und
was mit dieser einhergeht, wussten die
Burschen jetzt …
Im Anschluss an den eigentlichen
Workshop nahm sich die Kursleiterin viel
Zeit für die Beantwortung von Fragen; sie
ging dabei ausführlich auf die Teilnehmer
und ihre Belange ein. Etwas nicht wissen,
das hatten inzwischen alle verstanden,
macht eben doch was!
K red | A zvg
Ganz in die Arbeit vertieft: Rot. Marianne Hopsch, Unternehmerin und Präsidentin
des Vereins ROBIJ, mit jungen Asylsuchenden bei einem Workshop
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