Rotary Magazin 09/2023
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THÈME DU MOIS – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – SEPTEMBRE 2023
WINGEN, ABER FÖRDERN
liche subjektive Wohlbefinden der
Menschen ab einer bestimmten
Einkommenshöhe stagnieren. Hier
besteht Erklärungsbedarf.
Gerade in hoch entwickelten Ländern
wie der Schweiz sehen wir, dass mit
dem Wirtschaftswachstum Menschen im
Durchschnitt nicht mehr zufriedener werden.
Auf der anderen Seite stellen wir
fest: Reichere Leute sind immer glücklicher
als ärmere. Im ersten Moment
scheint das widersprüchlich zu sein.
Menschen denken stark relativ und vergleichen
sich mit anderen. Wer mehr
Geld hat, fühlt sich gegenüber weniger
Begüterten überlegen. Wer weniger hat,
kann sich nicht dasselbe leisten, blickt
neidvoll und unzufrieden nach oben.
In Ihrem Buch «Die Tretmühlen des
Glücks» besprechen Sie verschiedene
Effekte, welche den Unterschied
zwischen Glücklichsein und persönlichem
Unbehagen begründen. Sehen wir
das richtig: Es geht um Diskrepanzen
zwischen Anspruch und Wirklichkeit?
Diese Diskrepanzen sind ein wichtiger
Aspekt. Sie beeinflussen mein
Glücksempfinden. Je mehr ich bereits
besitze, umso höher steigen tendenziell
meine Ansprüche. Habe ich etwas
erreicht, empfinde ich das anfänglich
zwar als grossartig. Nach einer gewissen
Zeit habe ich mich aber daran gewöhnt
und nehme mir vor, zusätzlichen Wohlstand
anzustreben, wieder etwas Neues
anzuschaffen.
geht es um die persönliche Einschätzung:
Bin ich im Allgemeinen zufrieden mit
meinem Leben? Finde ich Erfüllung im
Beruf? Habe ich genügend Zeit und Geld,
um meinen Hobbys nachzugehen, auch
Freundschaften zu pflegen? Kurzfristig
steht das emotionale Wohlbefinden im
Zentrum. Erfreuen mich auch kleinere
positive Ereignisse im Alltag? Habe ich
etwas zu essen, bin ich glücklich. Stehe
ich im Stau, bin ich verärgert. Wir drehen
uns in einem Auf und Ab. Es sind also
unterschiedliche Aspekte, die für das
Glücksempfinden relevant sind. Wenn
wir jung sind, betrachten wir es als selbstverständlich,
dass wir gesund sind. Wenn
wir älter werden, spielt Gesundheit eine
wichtigere Rolle als alles andere.
Macht Reichtum unglücklich?
Nein, generell nicht. Ich muss da
etwas ausholen: Der Zusammenhang
zwischen Glück und Einkommen ist nur
ein Teil der Wissenschaft. Es gibt Menschen,
die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur
glücklicher sind als andere. Das
ist eine genetische Komponente, die man
weder mit Geld noch mit anderen Gütern
ausgleichen kann.
Welchen Platz in der Glücksskala
belegen wir in der Schweiz?
Die Schweiz zählt laut dem «World
Happiness Report 2022» zu den glücklichsten
Ländern der Welt. Vor ihr liegen
nur Finnland, Dänemark und Island. Wer
sich allerdings über längere Zeit im Ausland
aufgehalten hat und in die Schweiz
zurückkehrt, erhält nicht den Eindruck,
ein speziell glückliches Volk anzutreffen.
Woran liegt das?
An unserer Mentalität, aber auch am
System der sogenannten «social disability
bias». Vor allem wir Deutschschweizer
neigen dazu, Fragen nach unserem
Wohlergehen zu positiv zu beantworten.
Wir müssen doch zufrieden, glücklich
sein, wir haben doch alles, denkt man
und scheut sich davor, das Gegenteil
einzugestehen.
Was sind Tretmühlen?
Tretmühlen sind die Mechanismen,
aufgrund derer wir glauben, beispielsweise
dank mehr Einkommen glücklicher zu werden,
unsere Ziele letztlich aber doch nicht
umsetzen können. Mit anderen Worten:
Wir treten an Ort und Stelle und bewegen
uns dadurch in einem Teufelskreis.
Welche Bedeutung haben
Statussymbole?
Eine grosse. Quasi zeigen zu wollen,
dass ich besser bin, mehr habe als meine
Nachbarn, ist vielen Menschen ein grosses
Bedürfnis. Gewisse Güter haben sich
längst als Statussymbole etabliert. Auf der
einen Seite ist es das Auto, das man fährt,
auf der anderen Seite das Wohnen.
«WENN WIR JUNG SIND,
BETRACHTEN WIR ES
ALS SELBSTVERSTÄNDLICH,
DASS WIR GESUND SIND.
WENN WIR ÄLTER WERDEN,
SPIELT GESUNDHEIT EINE
WICHTIGERE ROLLE ALS
ALLES ANDERE»
Besitz, Zeit und Gesundheit sind Glücksfaktoren.
Wie ordnen Sie diese ein?
Man muss zwischen zwei Auffassungen
von Glück differenzieren. Langfristig
Kann man Glück erzwingen?
Erzwingen nicht, aber fördern, vor
allem mit positivem Denken.
Um glücklich zu werden oder glücklich
zu bleiben, braucht es…
… ein Bewusstsein dafür, was ich
brauche, um glücklich zu sein.
Zum Schluss eine persönliche Frage:
Sind Sie ein zufriedener Mensch?
Insgesamt ja. Ich habe das Privileg,
mich mit Themen beschäftigen zu dürfen,
die mich interessieren. Musik macht
mich glücklich. Hauptsächlich Jazz – ein
Genre, in dem ich selbst aktiv bin.
Spielen Sie Lotto? Kaufen Sie Glückslose?
Nein, niemals. Glücksspiele reizen
mich nicht. Wer spielt, riskiert Verluste.
Anbieter von Glücksspielen gewinnen
immer.
Würden Sie Ja sagen, falls Ihnen einer
unserer Rotary Clubs die Mitgliedschaft
anbieten würde?
Ich würde es mir überlegen. Zwar
halte ich viele Vorträge in Rotary Clubs,
bin bis heute aber noch nie gefragt worden,
ob ich Mitglied werden möchte.
K PDG Paul Meier | A pm
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