Frank M. Hannich Destinationsmarken im Special Interest Tourismus
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<strong>Frank</strong> M. <strong>Hannich</strong><br />
<strong>Destinationsmarken</strong> <strong>im</strong> <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>
GABLER EDITION WISSENSCHAFT<br />
Marken- und Produktmanagement<br />
Herausgegeben von<br />
Professor Dr. Franz-Rudolf Esch (schriftf.),<br />
Universität Gießen,<br />
Professor Dr. Reinhold Decker,<br />
Universität Bielefeld,<br />
Professor Dr. Andreas Herrmann,<br />
Universität St. Gallen,<br />
Professor Dr. Henrik Sattler,<br />
Universität Hamburg und<br />
Professor Dr. Herbert Woratschek,<br />
Universität Bayreuth<br />
Die Schriftenreihe gibt Einblick in den aktuellen Stand der Forschung<br />
zum Marken- und Produktmanagement. Sie präsentiert richtungsweisende<br />
Erkenntnisse sowie wichtige empirische Untersuchungen<br />
und Methoden. Ein besonderer Wert wird auf Praxisrelevanz und Anwendungsbeispiele<br />
gelegt. Die Reihe will den Transfer von Forschungsergebnissen<br />
in die Praxis fördern und wendet sich daher nicht nur<br />
an Studierende und Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch an<br />
Marketingpraktiker in Unternehmen, Agenturen, Beratungen und<br />
Verbänden.
<strong>Frank</strong> M. <strong>Hannich</strong><br />
<strong>Destinationsmarken</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
Dargestellt am Beispiel<br />
des Klettertourismus<br />
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Herbert Woratschek<br />
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind <strong>im</strong> Internet über<br />
abrufbar.<br />
Dissertation Universität Bayreuth, 2007<br />
1. Auflage 2008<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008<br />
Lektorat: Frauke Schindler / Stefanie Loyal<br />
Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.<br />
www.gabler.de<br />
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes<br />
ist ohne Zust<strong>im</strong>mung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere<br />
für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die<br />
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem<br />
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche<br />
Namen <strong>im</strong> Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten<br />
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.<br />
Umschlaggestaltung: Regine Z<strong>im</strong>mer, Dipl.-Designerin, <strong>Frank</strong>furt/Main<br />
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier<br />
Printed in Germany<br />
ISBN 978-3-8350-0883-0
Geleitwort<br />
Destinationen spielen <strong>im</strong> Markenmanagement bislang eine untergeordnete Rolle. Erst in den<br />
letzten Jahren häufen sich Veröffentlichungen zu <strong>Destinationsmarken</strong>. Im <strong>Tourismus</strong> besinnt<br />
man sich auf den Aufbau von <strong>Destinationsmarken</strong>, weil die mangelnde Kundenbindung als<br />
ein zentrales Problem <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> gesehen wird. Diese ist der hohen Wettbewerbsintensität<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> geschuldet, aber auch dem Streben nach Abwechslung (Variety-Seeking Behavior),<br />
das die Urlaubsentscheidung der Touristen maßgeblich beeinflusst.<br />
Variety-Seeking Behavior führt dazu, dass auch viele hochzufriedene Urlauber einer Destination<br />
nicht treu bleiben, sondern <strong>im</strong>mer wieder neue Urlaubsziele wählen. Während dieses<br />
Problem gut belegt ist, fehlen bisher jedoch weitgehend Lösungsansätze, wie Destinationen<br />
darauf reagieren sollten. Eine Lösung sieht Herr <strong>Hannich</strong> <strong>im</strong> Aufbau starker <strong>Destinationsmarken</strong>.<br />
Er stellt sich die Frage: „Wie kann das Markenmanagement einen Beitrag zur Lösung<br />
des Problems der geringen Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> leisten, wenn dieses durch<br />
Variety-Seeking Behavior verursacht wird?“ Betrachtet wird die Idee, starke Dachmarken zu<br />
schaffen, die ausreichend Abwechslungsalternativen vereinen, um die Variety-Seeking Touristen<br />
zwar nicht an eine Destination, aber doch innerhalb einer strategischen Allianz in Form<br />
einer Dachmarke zu binden.<br />
Um erfolgreiche Marken <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> zu bilden, welche die Bedürfnisse der Kunden ansprechen,<br />
ist die Kenntnis der Motivationen der Touristen unabdingbar. Die Motivationen,<br />
eine konkrete Destination zu wählen, sind heute jedoch zunehmend fragmentiert. Mit dem<br />
<strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> ist ein eigenes Forschungsfeld entstanden, das sich mit Reisen<br />
beschäftigt, die ganz um ein best<strong>im</strong>mtes Interesse herum geplant werden. So gibt es heute<br />
eigene <strong>Tourismus</strong>segmente wie Weinreisen, Tauchreisen oder Kulturreisen. Herr <strong>Hannich</strong> hat<br />
als Beispiel für seine empirischen Analysen den Klettertourismus gewählt – ein wachsendes<br />
<strong>Tourismus</strong>segment, auf das insbesondere einige Mittelgebirgsdestinationen große Hoffnungen<br />
setzen. Ein Fokus der Arbeit liegt in der Erforschung der Motivationen der Klettertouristen,<br />
um Hinweise für ein Dachmarkenmanagement zu generieren. Die Ausführungen zeigen,<br />
dass es in der Tat Sinn macht, den <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> aufgrund seiner Besonderheiten<br />
als spezifisches Forschungsfeld anzusehen, obgleich auch hier allgemeine betriebswirtschaftliche<br />
Zusammenhänge nicht außer Kraft gesetzt werden.<br />
Das Markenmanagement von Destinationen wurde bisher nur rud<strong>im</strong>entär untersucht und eine<br />
strategische Markenallianz von Destinationen, wie sie Herr <strong>Hannich</strong> untersucht, existiert in<br />
der Praxis bisher nur in Ansätzen. Auf Grund dieser unzureichenden Basis können in der vorliegenden<br />
Arbeit nur grundsätzliche Hinweise auf einige Anhaltspunkte für ein sinnvolles<br />
Management von <strong>Destinationsmarken</strong> und deren Dachmarken gegeben werden. Die genaue<br />
Kenntnis der Motivationen <strong>im</strong> <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> ist hierfür zentral ebenso wie das<br />
Wissen um die Akzeptanzbereitschaft möglicher Dachmarken <strong>im</strong> Destinationsmanagement.<br />
Hierzu liefern die Forschungsergebnisse von Herrn <strong>Hannich</strong> wichtige Erkenntnisse, die nicht<br />
V
nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Praxis interessant sind. In jedem Fall kann hier<br />
den <strong>Tourismus</strong>praktikern die Empfehlung gegeben werden, über strategische Allianzen nachzudenken,<br />
die nicht an eine regionale Zugehörigkeit geknüpft sind, sondern sich vor allem an<br />
den Kundenbedürfnissen orientieren.<br />
Prof. Dr. Herbert Woratschek<br />
VI
Vorwort<br />
Die vorliegende Arbeit wurde <strong>im</strong> Mai 2007 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Fakultät der Universität unter dem Titel „Das Management von <strong>Destinationsmarken</strong> aus<br />
Kundensicht <strong>im</strong> <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>, dargestellt am Beispiel des Klettertourismus“ als<br />
Dissertation angenommen. Sie entstand teilweise während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement und dem Lehrstuhl für Personal-<br />
und Führungslehre an der Universität Bayreuth. Der Hauptteil der Arbeit wurde jedoch<br />
während meiner Tätigkeit als Projektleiter des Forschungsförderprojektes „Chancen durch<br />
Kooperation <strong>im</strong> grenzüberschreitenden Klettertourismus“ der Euregio Egrensis verfasst, aus<br />
dem auch die Daten für diese Arbeit stammen. In dieser Zeit als externer Doktorand erhielt<br />
ich ein Graduiertenstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung. Für die finanzielle und ideelle<br />
Unterstützung bin ich der KAS sehr verbunden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch<br />
meinem Vertrauensdozent Prof. Dr. Peter Oberender danken.<br />
Von Beginn meiner Promotionszeit an faszinierte mich das Phänomen des Variety-Seeking<br />
Behaviors. Es ist unbefriedigend für mich, dass in der wissenschaftlichen Literatur ganz ü-<br />
berwiegend das Phänomen, aber kaum Lösungen untersucht werden. Das Markenmanagement<br />
kann meiner Ansicht nach einen solchen Lösungsansatz bieten, der in meiner Arbeit<br />
diskutiert wird. Zum Klettern bin ich – <strong>im</strong> Gegensatz zu den meisten Wissenschaftlern, die<br />
diesen Sport als Beispiel wählen – aus theoretischer Sicht gekommen. Entscheidend war ausschließlich<br />
die vermutete hohe Relevanz des Variety-Seeking Behaviors und die lokale Relevanz<br />
in der Fränkischen Schweiz. Durch die Arbeit habe ich das Klettern jedoch auch als<br />
faszinierenden Sport kennen gelernt.<br />
Einige Menschen haben besonders zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen, denen ich meinen<br />
Dank aussprechen will.<br />
An erster Stelle danke ich meinem akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Herbert Woratschek,<br />
der mich in seinem Team aufgenommen hat und mir den Zugang zur internationalen Forschung<br />
ermöglicht hat. Er hat mich stets zu Höchstleistungen angespornt, und viele produktive<br />
Diskussionen mit ihm sind in diese Arbeit eingegangen. Für die Übernahme des Zweitgutachtens<br />
und das Vorbild an Begeisterung für das Marketing möchte ich Prof. Dr. Heymo<br />
Böhler danken. Für den Einblick in die Motivationsforschung und die Übernahme des Prüfungsvorsitzes<br />
danke ich Herrn Prof. Dr. Torsten Kühlmann.<br />
Die freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Kollegen am Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement<br />
wird mir stets in bester Erinnerung bleiben. Ich möchte meinen ehemaligen Kollegen<br />
für viele fruchtbare Diskussionen und Anregungen, nicht nur <strong>im</strong> Rahmen der Doktorandenseminare,<br />
danken – ganz besonders Frau Carmen Back für ihre Unterstützung in<br />
manch kritischer Situation.<br />
VII
Für ihren Einsatz bei der Datenerhebung <strong>im</strong> Rahmen ihrer Diplomarbeit danke ich Dipl.-Kffr.<br />
Katrin Beyer, Dipl.-Kfm. Johannes Merker sowie Dipl.-Kfm. Oliver Pongratz.<br />
Vor allem möchte ich mich aber bei meiner Familie bedanken: Bei meiner lieben Frau Katharina<br />
<strong>Hannich</strong>, die <strong>im</strong>mer ein fester Rückhalt für mich war und lange Zeit auch meine Hauptsponsorin,<br />
sowie bei meinen Eltern Ursula und Klaus <strong>Hannich</strong>, die mir die akademische Ausbildung<br />
ermöglicht haben und in dieser Arbeit die geschätzten Leser vor allzu vielen Rechtschreib-<br />
und Grammatikfehlern bewahrt haben.<br />
<strong>Frank</strong> M. <strong>Hannich</strong><br />
VIII
Inhaltsverzeichnis<br />
Geleitwort<br />
V<br />
Vorwort<br />
VII<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
IX<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
XI<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
XIII<br />
1. Einleitung 1<br />
1.1. Problemstellung 1<br />
2.1. Gang der Untersuchung 4<br />
2. Theoretische Grundlagen 5<br />
2.1. Rahmenbedingungen für das Management von <strong>Destinationsmarken</strong> <strong>im</strong> <strong>Special</strong><br />
<strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> 5<br />
2.1.1. Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> 5<br />
2.1.2. Urlaubsmotivationen und Destinationsentscheidung 12<br />
2.1.3. <strong>Tourismus</strong> in Mittelgebirgsregionen 16<br />
2.2. Markenmanagement von Destinationen 19<br />
2.2.1. Grundlagen des Markenmanagements von Destinationen 19<br />
2.2.2. Destinationsdachmarken 27<br />
3. Klettertourismus 32<br />
3.1. Besonderheiten von Kletterern 32<br />
3.1.1. Entwicklung des Klettersports 32<br />
3.1.2. Eigenschaften von Kletterern 39<br />
3.1.3. Die Persönlichkeit von Kletterern 40<br />
3.1.4. Motive von Kletterern 42<br />
3.1.5. Subkultur der Kletterer 46<br />
3.2. Klettertourismus als Teil des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> 48<br />
3.2.1. Definition und Abgrenzung des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> 49<br />
3.2.2. Stand der Forschung zum Klettertourismus 50<br />
3.2.3. Klettertourismus als Teilbereich des Naturtourismus 54<br />
3.2.4. Klettertourismus als Teilbereich des Sporttourismus 55<br />
3.2.5. Klettertourismus als Teilbereich des Abenteuertourismus 58<br />
IX
4. Zwischenfazit und empirische Forschungsfragen 65<br />
5. Aufbau der empirischen Studien 69<br />
5.1. Untersuchungsziele 69<br />
5.2.Untersuchungsdesign und Untersuchungsmethoden 69<br />
5.3. Datengewinnung 73<br />
6. Ergebnisse der empirischen Studien und Diskussion 79<br />
6.1. Deskriptive Statistiken 79<br />
6.2. Analysen zur wirtschaftlichen Attraktivität des Klettertourismus 83<br />
6.3. Motivationen von Klettertouristen 89<br />
6.3.1. Ermittlung und subjektive Bedeutung einzelner Motivationen 89<br />
6.3.2. Kundengruppen <strong>im</strong> Klettertourismus auf der Basis von Motivationen 92<br />
6.4. Markenwechselverhalten <strong>im</strong> Klettertourismus 107<br />
6.5. Akzeptanz von Destinationsdachmarken <strong>im</strong> Klettertourismus 117<br />
6.6. Implikationen für das Management 121<br />
7. Fazit 126<br />
Anhang 131<br />
X
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Modifizierte Service-Profit-Chain; Woratschek & Horbel (2005b), S.286. 6<br />
Abbildung 2: Old and new tourists compared; Poon (2002), S.10. 16<br />
Abbildung 3: Altersstruktur der Gäste in den Mittelgebirgen; Gilles (1999). 17<br />
Abbildung 4: Schulbildung und Haushaltsnettoeinkommen der Gäste in den Mittelgebirgen;<br />
Gilles (1999). 18<br />
Abbildung 5: Nature of environmental challenges in sports; Haywood et al. (1995), S.48. 33<br />
Abbildung 6: Bergsportarten; Harder & Elsner (1987), S.14. 36<br />
Abbildung 7: Disziplinen des Felskletterns; Harder & Elsner (1987), S.14. 37<br />
Abbildung 8: Mittelwerte der Anreizd<strong>im</strong>ensionen; K. Beier (2001), S.293. 45<br />
Abbildung 9: Systematik des Sporttourismus; Robinson & Gammon (2004), S.225. 56<br />
Abbildung 10: Sports Tourism Demand Continuum; Weed & Bull (2004), S. 77. 57<br />
Abbildung 11: Das Abenteuererlebnis – Prozess und Charakteristika; Swarbrooke et al.<br />
(2003), S.15. 59<br />
Abbildung 12: The continuum of soft and hard adventure; Hill (1995). 60<br />
Abbildung 13: Überblick der durchgeführten Befragungen 70<br />
Abbildung 14: Frageformulierungen aus dem Fragebogen der qualitativen Studie 71<br />
Abbildung 15: Skalenbeispiel aus dem Fragebogen der quantitativen Studie 73<br />
Abbildung 16: Aufteilung der Klettertouristen auf Altersgruppen 79<br />
Abbildung 17: Aufenthaltsdauer der Klettertouristen 80<br />
Abbildung 18: Gewählte Unterkunft der Klettertouristen 81<br />
Abbildung 19: Herkunft der Klettertouristen 81<br />
Abbildung 20: Urlaubsbegleitung der Klettertouristen 82<br />
Abbildung 21: Klettererfahrung der Befragten 82<br />
Abbildung 22: Normalerweise gewählter Schwierigkeitsgrad der Kletterrouten 83<br />
Abbildung 23: Durchschnittliche Anzahl von Übernachtungen 85<br />
Abbildung 24: Durchschnittliche Urlaubsausgaben pro Person und Übernachtung 86<br />
Abbildung 25: Durchschnittsalter 87<br />
Abbildung 26: Aktivitäten <strong>im</strong> Kletterurlaub neben dem Klettern 88<br />
Abbildung 27: Reliabilitätskoeffizienten der Inhaltsanalyse 90<br />
XI
Abbildung 28: Zust<strong>im</strong>mungsgrad zu Motivationsaussagen (1) 91<br />
Abbildung 29: Zust<strong>im</strong>mungsgrad zu Motivationsaussagen (2) 92<br />
Abbildung 30: Exemplarische Antwortverteilungen zu Motivationen 93<br />
Abbildung 31: Ergebnisüberblick Motivationsfaktorenanalyse 94<br />
Abbildung 32: Modellzusammenfassung der interkulturellen Diskr<strong>im</strong>inanzanalyse 98<br />
Abbildung 33: Motivationen mit den höchsten stand. Koeffizienten in der<br />
Diskr<strong>im</strong>inanzfunktion 99<br />
Abbildung 34: Ergebnisüberblick Motivationsfaktorenanalyse 2 100<br />
Abbildung 35: Faktorladungen in der rotierten Komponentenmatrix 101<br />
Abbildung 36: Zusammensetzung der Motivationsd<strong>im</strong>ensionen <strong>im</strong> Klettertourismus 102<br />
Abbildung 37: t-Werte der Clustermittelwerte für die Motivationsd<strong>im</strong>ensionen 103<br />
Abbildung 38: Beschreibung der Klettertourismussegmente 104<br />
Abbildung 39: Weitergehende Beschreibung der Klettertourismussegmente 106<br />
Abbildung 40: Messindikatoren der Service-Profit-Chain <strong>im</strong> Klettertourismus 108<br />
Abbildung 41: Service-Profit-Chain <strong>im</strong> Klettertourismus 109<br />
Abbildung 42: Vergleich direkte und mittelfristige Wiederkommensabsicht 110<br />
Abbildung 43: Vergleich Variety-Seeking-Tendenz und Urlaubshistorie 111<br />
Abbildung 44: Messindikatoren für Repertoire Buying 113<br />
Abbildung 45: Regressionergebnisse Weiterempfehlung 114<br />
Abbildung 46: Messindikatoren des Informationsverhaltens 115<br />
Abbildung 47: Informationsquellen der Klettertouristen 115<br />
Abbildung 48: Für die Destinationswahl entscheidende Informationsquelle der<br />
Klettertouristen 116<br />
Abbildung 49: Zust<strong>im</strong>mung zu Kooperationsbereichen 118<br />
Abbildung 50: Zust<strong>im</strong>mung zu internationalem Klettererfestival 119<br />
Abbildung 51: Generelle Akzeptanz einer Kooperation 119<br />
Abbildung 52: Regressionen der generellen Akzeptanz einer Kooperation<br />
nach Segmenten 120<br />
XII
Abkürzungsverzeichnis<br />
ANOVA<br />
bsp.<br />
bzw.<br />
DAV<br />
df<br />
d.h.<br />
DM<br />
DMO<br />
Doc.<br />
e.g.<br />
engl.<br />
ET AL./et al.<br />
e.V.<br />
Analysis of Variance<br />
beispielsweise<br />
beziehungsweise<br />
Deutscher Alpenverein<br />
Freiheitsgrade (engl.= degrees of freedom)<br />
das heißt<br />
Deutsche Mark<br />
Destinationsmanagementorganisationen<br />
Doktor<br />
for example, zum Beispiel<br />
englisch<br />
und andere<br />
eingetragener Verein<br />
f. folgende<br />
GCSI<br />
GG<br />
F.U.R.<br />
IG Klettern<br />
KMO<br />
Mio.<br />
MSA<br />
MW<br />
N<br />
n.s.<br />
OSL<br />
o.V.<br />
German Customer Satisfaction Index<br />
Grundgesamtheit<br />
Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen<br />
Interessengemeinschaft Klettern<br />
Kaiser-Meyer-Olkin-Maß<br />
Millionen<br />
Measure of Sampling Adequacy<br />
Mittelwert<br />
Stichprobengröße<br />
nicht signifikant<br />
Opt<strong>im</strong>um St<strong>im</strong>ulation Level<br />
ohne Verfasser<br />
prozentuale Wahrscheinlichkeit<br />
PhDr.<br />
Prof.<br />
Doktor der Philosophie<br />
Professor<br />
XIII
RA<br />
Reiseanalyse<br />
S. Seite<br />
SD<br />
Sport- und Freizeitakt.<br />
stand. Beta<br />
TTRA<br />
TUI<br />
UIAA<br />
USP<br />
US$<br />
usw.<br />
u.U.<br />
vgl.<br />
VIF<br />
WTO<br />
z.B.<br />
Standardabweichung<br />
Sport- und Freizeitaktivitäten<br />
standardisiertes Beta<br />
Travel and Tourism Research Association<br />
<strong>Tourismus</strong> Union International<br />
Union International Des Associations D’Alpinisme<br />
Unique Selling Proposition<br />
United States Dollars<br />
und so weiter<br />
unter Umständen<br />
vergleiche<br />
Varianzinflationsfaktor<br />
World Tourism Organization<br />
zum Beispiel<br />
XIV
1. Einleitung<br />
1.1. Problemstellung<br />
Sinkende Aufenthaltsdauern und ein <strong>im</strong>mer geringerer Anteil von Stammkunden machen die<br />
Kundenbindung zu einem zentralen Problem <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong>. 1 So haben bei Befragungen in<br />
Garmisch-Partenkirchen 75% der Urlauber angegeben, sie seien sehr oder außerordentlich<br />
zufrieden mit ihrem Aufenthalt, nur 33% planten indes wiederzukommen. 2 Dass dieses Phänomen<br />
branchenweite Bedeutung hat, lässt sich am deutschen Kundenzufriedenheitsbarometer<br />
ablesen, in dem Urlaubsregionen zwar die höchsten Kundenzufriedenheitsraten aller betrachteten<br />
Branchen erreichen, bei der Wiederkaufsabsicht jedoch nur Rang 24 einnehmen. 3<br />
Das Problem geringer Kundenbindung lässt sich gut an Hand des Erklärungsmodells der Service-Profit-Chain<br />
strukturieren. Sie beschreibt den Zusammenhang von Dienstleistungsqualität<br />
und Gewinn. Es wird davon ausgegangen, dass hohe Dienstleistungsqualität zu hoher<br />
Kundenzufriedenheit führt und diese wiederum zu einer erhöhten Kundenbindung. Loyale<br />
Kunden verursachen langfristig geringere Kosten und ermöglichen erhöhte Umsätze, sodass<br />
langfristig höhere Gewinne erzielt werden können. 4 Der postulierte Zusammenhang zwischen<br />
Kundenzufriedenheit und Kundenbindung ist <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> offensichtlich gestört, wie die<br />
empirischen Ergebnisse zeigen. Als eine bedeutende Ursache hierfür gilt das <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
weit verbreitete Phänomen des Variety-Seeking Behavior. 5 Es beschreibt den Umstand, dass<br />
Touristen trotz hoher Zufriedenheit die Destinationen <strong>im</strong> folgenden Urlaub wechseln, weil sie<br />
<strong>im</strong>mer wieder etwas Neues sehen wollen. 6<br />
Als mögliche Lösung für die Kundenbindungsprobleme <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> gilt der Aufbau starker<br />
Marken. So wird die Notwendigkeit der Bildung von <strong>Destinationsmarken</strong> bzw. Marken für<br />
Urlaubsziele gegenwärtig in Wissenschaft und Praxis stark diskutiert. 7 Betrachtet man die<br />
Jahreskonferenzen der Travel and Tourism Research Association (TTRA), so hatte bereits die<br />
Konferenz <strong>im</strong> Jahr 1998 das Leitthema „Branding the Travel Markets“ und auch während der<br />
Konferenz in Dublin 2006 war der Begriff Destinationsmarke in der Mehrzahl der Präsentationen<br />
ein Thema. 8 Im <strong>Tourismus</strong> allgemein und insbesondere unter den Destinationen existieren<br />
nach der Einschätzung vieler Experten jedoch bisher nur wenige profilierte Marken. 9 Die<br />
Bildung einer starken Destinationsmarke wird vielfach als einziger Ausweg gesehen, um <strong>im</strong><br />
verschärften Wettbewerb der Destinationen bestehen zu können. Dies wird damit begründet,<br />
dass von einer starken Destinationsmarke erwartet wird, dass sie die Destination aus Kunden-<br />
1 Woratschek & Horbel (2003b).<br />
2 Woratschek & Horbel (2003a), S.2.<br />
3 Meyer & Dornach (1998), (2001).<br />
4 Heskett, Sasser & Schlesinger (1997).<br />
5 Tscheulin (1994); Woratschek & Horbel (2003a), (2003b).<br />
6 Faison (1977), S.174.<br />
7 Blain, Levy & Ritchie (2005), S.328.<br />
8 Jennings & Beeton (2006).<br />
9 Hankinson (2004), S.112; Quack (2000), S.171; Kaminsky (1999), S.152; Tödter (2000), S.176 f.<br />
1
sicht aus der Angebotsflut herausstechen lässt, das Versprechen einzigartiger Urlaubserlebnisse<br />
transportiert und eine emotionale Bindung der Touristen an die Destination begünstigt.<br />
10<br />
Die bekannten Strategien zum Aufbau starker Marken stammen jedoch vorwiegend aus der<br />
Konsumgüterindustrie. Ihre Anwendung auf Destinationen erfordert die Berücksichtigung<br />
einiger Besonderheiten des <strong>Tourismus</strong>produkts, welche die Markenbildung und deren Vermarktung<br />
durch Destinationsmanagementorganisationen (DMO), wie Verkehrsämtern oder<br />
<strong>Tourismus</strong>verbänden, beeinflussen. 11 Ein zentraler Problembereich ist, dass ein Urlaub zwar<br />
von den Touristen als Gesamtprodukt gesehen und bewertet wird, aus Anbietersicht aber ein<br />
komplexes Leistungsbündel darstellt, das von unabhängigen Leistungsanbietern erstellt wird,<br />
die nicht unbedingt Hand in Hand arbeiten. Die DMO hat somit nur begrenzte Kontrolle über<br />
das Leistungsbündel. 12<br />
Die Frage ist also: Wie kann das Markenmanagement einen Beitrag zur Lösung des Problems<br />
der geringen Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> leisten, wenn dieses durch Variety-Seeking Behavior<br />
verursacht wird? Das Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zur Beantwortung dieser<br />
Frage zu leisten. Als theoretische Basis dienen das Markenmanagement, die <strong>Tourismus</strong>wissenschaft<br />
und das Beziehungsmarketing. Für die Analyse wird der Blickwinkel von DMOs<br />
eingenommen.<br />
Die Vielzahl der an der Erstellung der Urlaubsleistung beteiligten Anbieter bewirkt häufig<br />
eine mangelnde Fähigkeit und einen schwachen Willen der Destinationen sich zu spezialisieren.<br />
Gerade eine Spezialisierung könnte jedoch bessere Voraussetzungen für eine Profilierung<br />
<strong>im</strong> Sinne einer USP 13 schaffen, denn die Kundenorientierung ist eine elementare Erfolgsvoraussetzung<br />
für den Markenaufbau. 14 Die DMO ist deshalb für den Markenaufbau<br />
darauf angewiesen zunächst die Urlaubsbedürfnisse und Urlaubsmotivationen der Touristen<br />
zu kennen. Diese sind jedoch zunehmend inhomogen. Dies führt zu einer Zersplitterung der<br />
Nachfrage und macht die Fokussierung touristischer Destinationen auf einzelne attraktive<br />
Segmente notwendig, um erfolgreiche Marken aufzubauen. Die zunehmende Zersplitterung<br />
der <strong>Tourismus</strong>nachfrage zeigt sich insbesondere bei der steigenden Nachfrage nach vielfältigen,<br />
spezialisierten Reiseangeboten, wie Kulturreisen, Safaris oder Tauchreisen. Das Phänomen,<br />
dass Touristen ihren Urlaub um ein zentrales Interesse herum organisieren, wird unter<br />
dem Begriff <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> untersucht. Durch die spezialisierte Nachfrage entstehen<br />
<strong>Tourismus</strong>segmente, die sich in Zusammensetzung und Bedürfnissen deutlich voneinander<br />
unterscheiden. 15 Es ist unmöglich für DMOs, die Bedürfnisse und Motivationen aller<br />
10 Blain et al. (2005), S.337.<br />
11 Brysch (2000); Hankinson (2004).<br />
12 Middleton (1994), S.230; Blain et al. (2005), S.329.<br />
13 Zur Unique Selling Proposition vgl. Böhler & Scigliano (2005), S.138 f.; Ries & Trout (1986), S.19.<br />
14 Keller (2003), S.39 f.<br />
15 C. M. Hall & Weiler (1992), S.2 f.<br />
2
dieser Segmente zu kennen und adäquate Marktbearbeitungsstrategien für jedes einzelne zu<br />
entwickeln.<br />
Für die empirische Analyse ist in dieser Arbeit dementsprechend ebenfalls eine Spezialisierung<br />
unabdingbar. Ein Typ von Destinationen, der in den vergangenen Jahren besonders mit<br />
Kundenbindungsproblemen zu kämpfen hatte, sind Mittelgebirgsregionen. 16 Ein <strong>Tourismus</strong>segment,<br />
für dessen Bearbeitung Mittelgebirgsregionen jedoch Wettbewerbsvorteile genießen,<br />
sind Klettertouristen. Zusätzlich suchen Kletterer bei der Ausübung ihres Sports in besonderem<br />
Maße nach neuen Erfahrungen und Herausforderungen. 17 Dies lässt eine hohe Relevanz<br />
des Variety-Seeking Behaviors erwarten. Da fast alle Klettergebiete in Mittelgebirgsregionen<br />
und abseits von Ballungsräumen liegen, ist der Klettersport stark mit Reisen speziell<br />
zum Klettern verbunden. Der Klettertourismus ist deshalb ein Segment des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong><br />
<strong>Tourismus</strong>, das sich hervorragend für eine empirische Analyse <strong>im</strong> Sinne des Untersuchungsziels<br />
dieser Arbeit eignet. Für eine empirische Analyse des Potentials des Markenmanagements<br />
<strong>im</strong> Klettertourismus, das Problem der geringen Kundenbindung bei Variety-Seeking<br />
Behavior zu lösen, werden, wie oben dargestellt, tiefer gehende Informationen über das Kundensegment<br />
Klettertouristen benötigt. Deshalb müssen Besonderheiten hinsichtlich der Urlaubsmotivationen<br />
als Basis des Markenaufbaus und des Urlaubsverhaltens von Klettertouristen<br />
ebenfalls ein Untersuchungsgegenstand sein.<br />
Klettern gilt vielen Menschen als Prototyp des Extremsports und die Einstellungen gegenüber<br />
Kletterern reichen von Ablehnung solcher Verrücktheiten bis hin zu Bewunderung. 18 Auch in<br />
der wissenschaftlichen Literatur finden sich eine ganze Reihe von Studien zu den Besonderheiten<br />
bezüglich ihrer Mobilität, 19 ihrer Persönlichkeit, 20 ihrer Motive für die Ausübung des<br />
Klettersports. 21 Ebenso wird die Existenz einer ausgeprägten Subkultur der Kletterer nachgewiesen.<br />
22 Die Frage bleibt jedoch, inwiefern sich diese Besonderheiten des Klettersports<br />
bzw. der Kletterer als betriebswirtschaftlich relevante Besonderheiten des Klettertourismus<br />
bzw. der Klettertouristen auswirken und insbesondere die Markenwahl beeinflussen. Dabei<br />
sind Literaturquellen zum Klettertourismus eher selten und zudem oftmals nicht oder nur<br />
unzureichend empirisch untermauert. 23 Eine umfassende, empirische Analyse der Klettertouristen<br />
aus betriebswirtschaftlicher Sicht steht bisher noch aus.<br />
16 Vgl. Abschnitt 2.1.1. und Brysch (2000), S.36.<br />
17 Vgl. Abschnitt 3.1.4.<br />
18 Brandauer (1994), S.1 f.<br />
19 Stettler (2000).<br />
20 Brandauer (1994).<br />
21 K. Beier (2001).<br />
22 Donelly & Young (1988).<br />
23 Beispiele hierfür sind Bourdeau, Corneloup & Mao (2004) und Grotheer, Märzhäuser, Stölzle & Wagner<br />
(2003).<br />
3
2.1. Gang der Untersuchung<br />
Der Aufbau der vorliegenden Arbeit orientiert sich an dem in der Problemstellung aufgeworfenen<br />
Forschungsproblem. Um Erkenntnisse zu gewinnen, werden sowohl theoretische als<br />
auch empirische Erkenntnisse herangezogen. Die Bearbeitung des Forschungsproblems erfordert<br />
den Rückgriff auf zahlreiche Theoriebereiche. Schwerpunkte bilden jedoch Erkenntnisse<br />
aus dem Markenmanagement, der <strong>Tourismus</strong>wissenschaft und des Beziehungsmarketings<br />
sowie der Literatur speziell zum gewählten Untersuchungsbeispiel Klettertourismus.<br />
Im nachfolgenden Kapitel 2 werden die notwendigen theoretischen Grundlagen der Arbeit<br />
erläutert. Zunächst werden die Rahmenbedingungen des Markenmanagements von Destinationen<br />
dargestellt, um herauszuarbeiten, welche Besonderheiten für das Markenmanagement<br />
berücksichtigt werden müssen. Dafür wird die Problematik der Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
genauer dargestellt. Es folgt eine Analyse der Literatur zu Urlaubsmotivationen sowie<br />
deren Bedeutung für die Destinationsentscheidung und damit für die Markenwahl. Dann wird<br />
auf die spezifische Situation von Destinationen in Mittelgebirgsregionen eingegangen. Das<br />
zweite Teilkapitel der theoretischen Grundlagen ist dann dem Markenmanagement von Destinationen<br />
gewidmet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Möglichkeiten des<br />
Aufbaus von <strong>Destinationsmarken</strong> be<strong>im</strong> Auftreten von Variety-Seeking Behavior.<br />
Kapitel 3 ist einer genaueren Analyse des Untersuchungsbeispiels Klettertourismus gewidmet.<br />
Es wird analysiert, welche Besonderheiten von Kletterern für das Markenmanagement<br />
von Destinationen beachtet werden sollten und welche Anforderungen sich aus der Zugehörigkeit<br />
des Klettertourismus zum <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> ergeben.<br />
Kapitel 4 fasst die theoretischen Ergebnisse der Arbeit zusammen. Auf dieser Basis werden<br />
die empirischen Forschungsfragen erarbeitet. Die nachfolgenden Kapitel 5 und 6 stellen dann<br />
den Aufbau und die Ergebnisse der eigenen internationalen empirischen Studien <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
dar. Hierfür werden in Kapitel 5 zunächst die Ziele der Untersuchungen, das Untersuchungsdesign<br />
und die Datengewinnung erläutert. Kapitel 6 enthält die Darstellung und<br />
Diskussion der Ergebnisse. Diese beginnen mit den deskriptiven Statistiken. Verschiedene<br />
Besonderheiten des Klettertourismus haben eine Diskussion der wirtschaftlichen Attraktivität<br />
des Klettertourismus angestoßen, sodass in Teilkapitel 6.2. einige Analysen hierzu durchgeführt<br />
werden. Der folgende Abschnitt behandelt die empirischen Erkenntnisse bezüglich der<br />
relevanten Motivationen von Klettertouristen für die Wahl von <strong>Destinationsmarken</strong>. Dann<br />
werden die empirischen Ergebnisse zum Markenwechselverhalten <strong>im</strong> Klettertourismus dargestellt.<br />
Dies bildet den Hintergrund für die explorative Analyse der Akzeptanz einer möglichen<br />
Destinationsdachmarke durch die Klettertouristen. Abschnitt 6.6. diskutiert schließlich die<br />
Implikationen, die sich aus den gewonnenen Ergebnissen der Arbeit für das kundenorientierte<br />
Management von <strong>Destinationsmarken</strong> <strong>im</strong> Klettertourismus <strong>im</strong> Speziellen sowie des <strong>Special</strong><br />
<strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> <strong>im</strong> Allgemeinen ergeben. Kapitel 7 fasst schließlich die Ergebnisse der<br />
Arbeit in einem Fazit zusammen.<br />
4
2. Theoretische Grundlagen<br />
2.1. Rahmenbedingungen für das Management von <strong>Destinationsmarken</strong> <strong>im</strong> <strong>Special</strong><br />
<strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
Im folgenden Teilkapitel sollen Rahmenbedingungen, die das Management von <strong>Destinationsmarken</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> nachhaltig beeinflussen, dargestellt werden. Die<br />
zunächst behandelte Problematik der Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> wurde als Anlass der<br />
Arbeit bereits erwähnt und wird <strong>im</strong> folgenden Abschnitt genauer analysiert. Die <strong>im</strong> zweiten<br />
Abschnitt diskutierten Urlaubsmotivationen bilden die Grundlagen für die Bedürfnisse der<br />
Touristen und ihrer Anforderungen an <strong>Destinationsmarken</strong>, sodass sie wichtige Rahmenbindungen<br />
für das Markenmanagement von <strong>Destinationsmarken</strong> darstellen. Schließlich wird die<br />
besondere Situation der Mittelgebirgsdestinationen dargestellt. Mittelgebirgsregionen sind<br />
nicht nur in besonderem Maße von Kundenbindungsschwierigkeiten betroffen, sondern spielen<br />
durch die Lage der Klettergebiete auch für den später behandelten Klettertourismus eine<br />
wichtige Rolle. Die Situation des <strong>Tourismus</strong> in Mittelgebirgsregionen ist deshalb als Rahmenbedingung<br />
dieser Arbeit von Bedeutung.<br />
2.1.1. Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
Die Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> stellt ein zentrales Problem für einzelne touristische Anbieter<br />
und für Destinationen insgesamt dar. Dies lässt sich mit Hilfe der Service-Profit-Chain<br />
verdeutlichen. 24 Diese stellt den Zusammenhang zwischen Dienstleistungsqualität und Gewinn<br />
dar und ist die ökonomische Logik, der die meisten Dienstleistungsunternehmen explizit<br />
oder <strong>im</strong>plizit folgen. An der Service-Profit-Chain lassen sich auch die besonderen Herausforderungen<br />
insbesondere <strong>im</strong> Bereich der Kundenbindung verdeutlichen, denen sich touristische<br />
Destinationen stellen müssen. Nach der Service-Profit-Chain führen Verbesserungen in<br />
der Dienstleistungsqualität zu zufriedeneren Kunden. Diese erhöhte Kundenzufriedenheit<br />
führt dazu, dass die Kunden an den Dienstleister gebunden werden und zu loyalen Stammkunden<br />
werden. Langfristig führt eine höhere Kundenbindung zu verringerten Kosten, da das<br />
Halten von Stammkunden deutlich geringere Kosten verursacht als die Akquisition neuer<br />
Kunden und die bereits vorhandenen Informationen über den Kunden eine effizientere Bedienung<br />
ermöglichen. Gleichzeitig führt eine höhere Kundenbindung auch zu höheren Umsätzen,<br />
da <strong>im</strong> Zeitablauf oft ein zunehmender Anteil der Ausgaben von Stammkunden attrahiert<br />
werden kann. Zudem sind viele Kunden bereit, für eine Leistung, die ihnen als zufrieden<br />
stellend bekannt ist, einen erhöhten Preis zu bezahlen, bevor sie zu einem konkurrierenden<br />
Angebot wechseln, dessen Qualität subjektiv unsicher ist. 25 Auf Grund dieser langfristig<br />
niedrigeren Kosten und höheren Umsätze loyaler Kunden führt eine Erhöhung der Kundenbindung<br />
auch zu langfristig höheren Gewinnen. Dieser idealtypische Zusammenhang stellt<br />
24 Heskett et al. (1997).<br />
25 Reichheld & Sasser (1990), S.106 f.<br />
5
sich in der Realität jedoch komplexer dar und wird durch mehrere zusätzliche Faktoren beeinflusst.<br />
26 Die folgende Grafik stellt die modifizierte Service-Profit-Chain dar.<br />
Variety -Seeking<br />
Behavior<br />
_<br />
Wettbewerb<br />
_<br />
Dienstleistungsqualität<br />
+ +<br />
+<br />
Langfristig<br />
höherer<br />
Gewinn<br />
+ +<br />
+<br />
+<br />
+ positive Korrelation<br />
- negative Korrelation<br />
Kundenzufriedenheit<br />
Kundenbindung<br />
Weiterempfehlung<br />
+<br />
Reputation<br />
Abbildung 1: Modifizierte Service-Profit-Chain; Woratschek & Horbel (2005b), S.286.<br />
Die dargestellten Zusammenhänge und insbesondere die Modifikatoren sollen <strong>im</strong> Folgenden<br />
etwas detaillierter betrachtet werden.<br />
Im Dienstleistungsmanagement ist es gut dokumentiert und etabliert, dass die Wahrnehmung<br />
der Dienstleistungsqualität durch die Kunden ihre Zufriedenheit beeinflusst. 27 Die Wirkung,<br />
die konkrete Verbesserungen der Dienstleistungsqualität auf die Kundenzufriedenheit haben<br />
hängt jedoch auch von den individuellen Erwartungen der Kunden ab, 28 da sich Kundenzufriedenheit<br />
als Ergebnis eines Vergleichs von Erwartungen und wahrgenommener Dienstleistungsqualität<br />
ergibt. 29 Wenn ein Kunde ein best<strong>im</strong>mtes Dienstleistungsattribut erwartet, wird<br />
es seine Zufriedenheit demnach nicht oder nur geringfügig erhöhen, wenn diese Erwartung<br />
erfüllt wird. Übertragen auf ein <strong>Tourismus</strong>beispiel bedeutet dies, dass ein Besucher eines<br />
Fünf-Sterne-Hotels unter Umständen frische Blumen auf seinem Z<strong>im</strong>mer erwartet, während<br />
dieselbe Maßnahme ihn in einer Pension positiv überraschen würde. Gleichzeitig ist es nicht<br />
notwendigerweise der Fall, dass ein Kunde eine solche Maßnahme des Dienstleisters auch<br />
tatsächlich als Verbesserung der Dienstleistungsqualität empfindet, beziehungsweise, dass sie<br />
nicht notwendigerweise in erhöhter Zufriedenheit und Zahlungsbereitschaft seitens des Kun-<br />
26 Woratschek & Horbel (2003a).<br />
27 Zeithaml & Bitner (2000), S.74-76.<br />
28 Woratschek (2002), S.28; Parasuraman, Zeithaml & Berry (1988).<br />
29 Stauss (1999), S.8.<br />
6
den resultiert. Aus diesem Grund haben RUST ET AL. die Notwendigkeit unterstrichen, Maßnahmen<br />
zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität hinsichtlich ihrer Wirkung und der damit<br />
verbundenen Kosten genau zu überprüfen. Demnach kann man auch zu viel für die Verbesserung<br />
der Dienstleistungsqualität ausgeben und nicht alle Maßnahmen zur Verbesserung<br />
sind gleichermaßen lohnend. 30 Solange jedoch mit Qualitätsverbesserungen keine Kosten<br />
verbunden sind, gibt es keinen Grund, sie nicht zu max<strong>im</strong>ieren. Ein wichtiges Beispiel hierfür<br />
<strong>im</strong> Dienstleistungsbereich ist die Freundlichkeit gegenüber den Kunden bzw. die Gastfreundlichkeit<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong>. 31<br />
“Customer satisfaction drives customer loyalty.” 32 Die prinzipielle Richtigkeit dieser Aussage<br />
ist <strong>im</strong> Dienstleistungsmanagement unumstritten. 33 Welches Kundenzufriedenheitsniveau jedoch<br />
notwendig ist, um eine starke Kundenbindung zu erreichen, schwankt von Branche zu<br />
Branche erheblich. Dies lässt den Schluss zu, dass der Zusammenhang von Kundenzufriedenheit<br />
und Kundenbindung von weiteren Faktoren beeinflusst wird. Zwei auch <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
relevante Modifikatoren sind der Wettbewerb und das Variety-Seeking Behavior. 34<br />
BHOTE hat gezeigt, dass der Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung<br />
von der Intensität des Wettbewerbs in einer Branche abhängt. Je höher die Wettbewerbsintensität,<br />
desto höher muss die Kundenzufriedenheit sein, um zur Kundenbindung zu führen. 35<br />
Wettbewerbsintensive Branchen zeichnen sich durch niedrige Wechselbarrieren aus. Barrieren<br />
für den Wechsel zwischen den Angeboten verschiedener Dienstleister können Risiken<br />
beziehungsweise Verhaltensunsicherheit, Wechselkosten, wenige Substitute, hohe Differenzierung<br />
der konkurrierenden Dienstleistungen, Patente, staatlich garantierte Monopole oder<br />
wirkungsvolle Kundenbindungsprogramme sein. Kunden sind zudem eher geneigt, den Anbieter<br />
zu wechseln, wenn ihr Produktinvolvement gering ist. Deshalb ist es in wettbewerbsintensiven<br />
Branchen, zu denen der <strong>Tourismus</strong> zweifellos zählt, nicht ausreichend, die Kunden<br />
zufrieden zu stellen. Man muss sie begeistern. 36 Dem Deutschen Kundenzufriedenheitsbarometer<br />
(German Customer Satisfaction Index, GCSI) kann man entnehmen, dass Urlaubsregionen<br />
zwar die höchsten Kundenzufriedenheitsraten aller betrachteten Branchen erreichen, bei<br />
der Wiederkaufsabsicht jedoch nur Rang 24 einnehmen. 37 Der Zusammenhang von Kundenzufriedenheit<br />
und Kundenbindung erscheint <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> also in besonderem Maße gestört<br />
und nur sehr hohe Kundenzufriedenheit führt zu Kundenbindung.<br />
Eine der Ursachen der mangelnden Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> ist das Variety-Seeking<br />
Behavior. 38 Dieses Phänomen beschreibt die Tatsache, dass Kunden trotz hoher Zufriedenheit<br />
30 Rust, Zahorik & Keiningham (1995).<br />
31 Woratschek (2001), S.18 f.<br />
32 Heskett, Jones, Loveman, Sasser & Schlesinger (1994), S.165.<br />
33 Herrmann & Johnson (1999), S.579.<br />
34 Woratschek (2002); Woratschek & Horbel (2003b).<br />
35 Bhote (1996).<br />
36 Bhote (1996); Jones & Sasser (1995).<br />
37 Meyer & Dornach (1998), (2001).<br />
38 Für einen sehr guten State-of-the-Art zum Variety-Seeking Behavior vgl. Helmig (1997), S.8-60.<br />
7
mit dem Anbieter bei einer erneuten Inanspruchnahme der Dienstleistung eine andere Marke<br />
wählen, weil sie aus der Abwechslung einen eigenständigen Nutzen ziehen. GIVON beschreibt<br />
Variety-Seeking Behavior folgerichtig als “the phenomenon of an individual consumer<br />
switching brands (or repeat buying) induced by the utility (or disutility) she derives from the<br />
change itself irrespective of the brands she switches to or from.” 39 Die gravierenden Folgen<br />
hieraus für Dienstleister beschreibt ein Zitat von FAISON: “Even though a consumer is completely<br />
satisfied with the brands he is buying, he occasionally buys another brand just for the<br />
hell of it.” 40 Entgegen der Logik der Service-Profit-Chain werden solche Variety-Seeker also<br />
auch nicht durch hohe Zufriedenheit zu Stammkunden. Gerade <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> hat die Suche<br />
nach Abwechslung und der damit verbundene häufige Wechsel der Leistungen eine nachgewiesen<br />
hohe Bedeutung. 41 Viele Urlauber wollen einfach oft woanders ihren Urlaub verbringen.<br />
Dies bestätigen auch Untersuchungen, die verstärktes Variety-Seeking Behavior bei hedonistisch<br />
motivierten Kaufentscheidungen feststellten. 42 Im Fall von Urlaubsreisen scheint<br />
dieser Einfluss bedeutender zu sein als der Umstand, dass es sich bei der Destinationswahl<br />
um eine nicht habitualisierte Kaufentscheidung handelt, die subjektiv als relativ risikoreich<br />
empfunden wird. Solche Kaufentscheidungen sind sonst tendenziell weniger von Variety-<br />
Seeking Behavior betroffen. 43<br />
Die Abwechslung zwischen Destinationen spielt auch eine große Rolle in der Urlaubertypologie<br />
von PLOG, die in der <strong>Tourismus</strong>literatur große Beachtung gefunden hat. PLOG klassifiziert<br />
die Urlauber entlang eines psychographischen Kontinuums. Das eine Extrem bilden<br />
Menschen, die es bevorzugen, in jedem Urlaub in neue und andersartige Destinationen zu<br />
reisen. Diese werden als Venturers oder Allocentrics bezeichnet. Touristen, die es bevorzugen,<br />
stets in bekannte Destinationen zu reisen, bilden das andere Extrem und werden Dependables<br />
oder Psychocentrics genannt. 44 Reine Venturers und reine Dependables machen als<br />
extreme Gruppen nur jeweils etwa 4% der Urlauber aus, während die Verteilung zwischen<br />
diesen Polen in etwa der Normalverteilung folgt. Etwa jeweils 12% der Urlauber werden als<br />
Venturer-nahe und Dependables-nahe klassifiziert, während mit 48% die Masse sich in der<br />
Mitte des Kontinuum befindet und keine klare Tendenz in Richtung Venturers oder Dependables<br />
hat. 45<br />
Venturers werden als Menschen charakterisiert, die besonders extrovertiert, abenteuerlustig,<br />
neugierig und kontaktfreudig sind. Sie reisen häufiger und weiter, haben generell ein großes<br />
Reiseinvolvement und sind die ersten, die neue Destinationen erschließen. 46 Typischen Varie-<br />
39 Givon (1984), S.2.<br />
40 Faison (1977), S.174.<br />
41 Tscheulin (1994); Woratschek & Horbel (2003a), (2003b).<br />
42 Inman (2001), (2003); Trijp, Hoyer & Inman (1996).<br />
43 Helmig (1997), S.54-57.<br />
44 Plog (1974), (2001b).<br />
45 Plog (2001a), S.79.<br />
46 Goeldner & Ritchie (2003), S.545 und Plog (2001a), S.66 f.<br />
8
ty-Seekern werden ganz ähnliche Eigenschaften zugeschrieben. 47 Wichtiger aus Anbietersicht<br />
ist jedoch die Gemeinsamkeit des häufigen Destinationswechsels aus dem Motiv der Abwechslungssuche<br />
heraus. Ein entscheidender Unterschied zwischen Variety-Seekern und<br />
Venturern besteht jedoch. PLOG differenziert in seiner Typologie nicht in zufriedene und unzufriedene<br />
Touristen, während Variety-Seeker per Definition die Destination wechseln, obwohl<br />
sie zufrieden waren. Nichtsdestotrotz unterstreichen beide Konstrukte gleichermaßen<br />
die hohe Bedeutung der Abwechslungssuche als Motiv <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong>.<br />
Da Variety-Seeker nicht gebunden werden können, müssen von Variety-Seeking Behavior<br />
betroffene Anbieter und Destinationen Wege finden, neue Kunden zu akquirieren, um diese<br />
zu ersetzen. Verschiedene Autoren haben betont, dass es notwendig ist, entsprechende Handlungsmechanismen<br />
zu entwickeln. 48 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich Variety-<br />
Seeking Behavior <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> auf verschiedene Ebenen beziehen kann:<br />
1. Ebene: Abwechslungssuche bezüglich verschiedener Sport- und Freizeitaktivitäten an<br />
einem Urlaubsort<br />
2. Ebene: Abwechslungssuche bezüglich der Urlaubsdestination<br />
3. Ebene: Abwechslungssuche bezüglich verschiedener Urlaubsformen. 49<br />
Eine naheliegende Empfehlung zur Reaktion auf das Auftreten von Variety-Seeking Behavior<br />
in der ersten Form ist, diesen Kunden innerhalb des eigenen Angebotes ausreichend Wechselalternativen<br />
zu bieten. In der Konsumgüterindustrie wird dies teilweise durch ständig neue<br />
Produktvarianten, wie das Eis des Jahres oder die Yoghurtsorte des Monats, umgesetzt. 50 Aus<br />
der Sicht einer Urlaubsdestination, z.B. in den Bayerischen Alpen, kann folglich die erste<br />
Form bewältigt werden, indem man versucht, ein möglichst breites Angebot an Sport- und<br />
Freizeitaktivitäten zur Verfügung zu stellen. Verschiedene Studien zum Variety-Seeking Behavior<br />
haben jedoch nachgewiesen, dass es sich um ein attributsspezifisches Phänomen handelt.<br />
51 Dies bedeutet, dass die Kunden bei einigen Leistungsaspekten nach Abwechslung suchen<br />
und bei anderen nicht. In seiner Studie zum Variety-Seeking Behavior bei Kreuzfahrttouristen<br />
fand TSCHEULIN beispielsweise, dass die Variety-Seeker unter den Touristen Abwechslung<br />
insbesondere bei den angelaufenen Zielen sowie den genutzten Kreuzfahrtschiffen<br />
und deren Größe wünschten, nicht aber bezüglich des Veranstalters der Kreuzfahrt. 52 Es ist<br />
also aus Sicht der Destinationen und der einzelnen touristischen Leistungsanbieter nicht sinnvoll,<br />
wahllos alternative Angebote zu bieten. Wissen über die Urlaubselemente, bei denen die<br />
Gäste Abwechslung suchen, ist notwendig, um in diesen Bereichen gezielt und strategisch die<br />
Anstrengungen zur Schaffung attraktiver Alternativangebote zu konzentrieren.<br />
47 Woratschek & Horbel (2005a), S.8 f.<br />
48 Kahn & Isen (1993), S. 4; Helmig (1999), S.105-120.<br />
49 Woratschek & Horbel (2003a), S.5.<br />
50 Pessemier & Handelsman (1984), S.442.<br />
51 McAlister & Pessemier (1982); Tscheulin (1994); Überblick weiterer Quellen in Helmig (1997), S.46 f.<br />
52 Tscheulin (1994), S.5.<br />
9
Begrenzte Möglichkeiten stehen auch zur Verfügung, um mit der dritten Ebene umzugehen,<br />
indem man z.B. sowohl für Individualtouristen als auch für Pauschaltouristen Angebote bereithält.<br />
Bezieht sich das Abwechslungsbedürfnis der Kunden jedoch auf Dienstleistungsaspekte der<br />
Destination insgesamt, wie Skigebiet, Kultur oder die Destination selbst (zweite Ebene), können<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong>bereich nur wenige Anbieter, wie überregionale Hotelketten oder große<br />
Reiseveranstalter, aus eigener Kraft darauf reagieren. Aus Sicht eines kleinen oder mittelständischen,<br />
lokalen <strong>Tourismus</strong>anbieters besteht diese Möglichkeit nicht. Es zeigt sich also,<br />
dass gerade für Urlaubsdestinationen und für kleinere und mittlere <strong>Tourismus</strong>unternehmen<br />
das Phänomen Variety-Seeking Behavior ein ernsthaftes Problem darstellt. Zwei denkbare<br />
Strategien, um die unvermeidbaren Kundenverluste zu kompensieren, sind die St<strong>im</strong>ulierung<br />
von Weiterempfehlungen und Kooperationen zur Neukundengewinnung.<br />
Weiterempfehlungen als kostengünstiger Weg, neue Kunden zu gewinnen, werden in der<br />
Literatur zum Beziehungsmarketing intensiv diskutiert. 53 Im <strong>Tourismus</strong> stellen Weiterempfehlungen<br />
die bedeutendste Informationsquelle der Urlauber bei der Wahl von <strong>Destinationsmarken</strong><br />
dar. 54 In der Darstellung der modifizierten Service-Profit-Chain in Abbildung 1 wurde<br />
die Wirkungsweise dieser Mund-zu-Mund-Propaganda bereits dargestellt. Hohe Zufriedenheit<br />
mit der wahrgenommenen Dienstleistungsqualität führt zu einer erhöhten Bereitschaft<br />
zur Weiterempfehlung des Anbieters. 55 Wiederholte Weiterempfehlungen erhöhen zusätzlich<br />
die Reputation des Anbieters. 56 Einige Studien fanden auch einen positiven Zusammenhang<br />
zwischen Kundenbindung <strong>im</strong> Sinne von emotionaler Verbundenheit mit dem Anbieter und<br />
der Bereitschaft zur Weiterempfehlung. 57 Im <strong>Tourismus</strong>kontext würde dies bedeuten, dass es<br />
weniger bedeutend ist, Variety-Seeker zufrieden zu stellen, da sie ja, wie bereits dargestellt,<br />
sowieso nicht gebunden werden können und nach den genannten Studien als nicht loyale<br />
Kunden auch weniger Weiterempfehlungen abgeben. In tourismusspezifischen Studien konnte<br />
die Richtigkeit dieser Überlegungen jedoch nur bedingt nachgewiesen werden. Zwar wurde<br />
grundsätzlich ein negativer Zusammenhang zwischen der Tendenz zum Variety-Seeking und<br />
der Bereitschaft zur Weiterempfehlung festgestellt, den vergleichsweise dominanten Einfluss<br />
auf die Weiterempfehlungsabsicht hatte jedoch die Kundenzufriedenheit. 58 Ganz <strong>im</strong> Gegenteil<br />
wurde <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong>kontext sogar diskutiert, ob Weiterempfehlungen von Variety-<br />
Seekern nicht sogar besonders wertvoll sind. Dies wurde mit empirischen Hinweisen begründet,<br />
dass Variety-Seeking-Touristen gleichzeitig häufig Meinungsführer in ihrem eigenen<br />
sozialen Netzwerk für das Thema Urlaub sind, da sie über ein großes, leistungsspezifisches<br />
53 Anderson (1998); Harrison-Walker (2001); Helm (2000).<br />
54 Bieger & Laesser (2001).<br />
55 Bone (1992); Harrison-Walker (2001).<br />
56 Woratschek & Horbel (2003a).<br />
57 Harrison-Walker (2001).<br />
58 Woratschek & Horbel (2003c).<br />
10
Interesse und umfangreiche Reiseerfahrung verfügen. 59 Um dem Rechnung zu tragen, bildeten<br />
beispielsweise Variety-Seeker unter der Bezeichnung „Interactive Travellers“ die Hauptzielgruppe<br />
der <strong>Destinationsmarken</strong>kampagne „100% New Zealand“. 60 Es zeigt sich, dass die<br />
St<strong>im</strong>ulierung von Weiterempfehlungen eine wirksame Strategie für die Kompensierung der<br />
Auswirkungen von Variety-Seeking Behavior sein kann. Noch bestehen in diesem Bereich<br />
allerdings erhebliche Forschungsdefizite, insbesondere bezüglich der Frage, wie Weiterempfehlungen<br />
gesteuert werden können und wie sie über die Erzeugung von Kundenzufriedenheit<br />
hinaus effektiv st<strong>im</strong>uliert werden können.<br />
Der Fokus dieser Arbeit liegt jedoch auf der Kooperation als Strategie, um die Auswirkungen<br />
des Variety-Seeking Behaviors zu kompensieren. In Form von strategischen Allianzen zum<br />
Aufbau von Dachmarken ergibt sich ein direkter Ansatzpunkt für diese Strategie aus dem<br />
Markenmanagement. Um die Möglichkeiten von Destinationen hierfür aus Sicht des Markenmanagements<br />
fundiert erörtern zu können, werden <strong>im</strong> Folgenden zunächst die Besonderheiten<br />
des Managements der Service-Profit-Chain für Destinationen und in Kapitel 2.2.1. die<br />
Grundlagen des Markenmanagements für Destinationen dargestellt.<br />
Das Management der Service-Profit-Chain <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> wird durch die Besonderheiten des<br />
Urlaubsproduktes erschwert. Der Urlaub wird vom Touristen als eine Gesamtleistung wahrgenommen<br />
und letztendlich auch so bewertet. 61 Es handelt sich bei einer Urlaubsreise jedoch<br />
um ein komplexes Bündel vielfältiger Produkte und vor allem Dienstleistungen wie Transport,<br />
Unterkunft und Freizeitaktivitäten, die typischerweise von einer großen Anzahl unabhängiger<br />
Dienstleister erbracht wird. 62 Der Raum, also der Ort oder die Region, in dem dieses<br />
Leistungsbündel mit Ausnahme der Transportleistung erstellt wird, ist die Destination. Eine<br />
Destination kann definiert werden als „geographischer Raum (Ort, Region, Weiler), den der<br />
jeweilige Gast (oder ein Gästesegment) als Reiseziel auswählt. Sie enthält sämtliche für den<br />
Aufenthalt notwendigen Einrichtungen für Beherbergung, Verpflegung, Unterhaltung/Beschäftigung.<br />
Sie ist damit die Wettbewerbseinheit <strong>im</strong> Incoming <strong>Tourismus</strong>, die als<br />
strategische Geschäftseinheit geführt werden muss.“ 63 Was für den einzelnen Touristen die<br />
Destination ist, wird subjektiv von ihm festgelegt, hält sich normalerweise nicht an politische<br />
Grenzen und kann von einem einzelnen Hotel oder Resort bis zu einem ganzen Kontinent<br />
reichen. Vielfältige Faktoren beeinflussen die Definition der Destination durch den Touristen.<br />
Beispiele sind der Umfang der Erfahrung mit der Destination, die Urlaubsmotivationen und<br />
die durchgeführten Aktivitäten während des Urlaubs. Folgt man der Definition von BIEGER,<br />
dann muss es eine Organisation geben, welche die Wettbewerbseinheit Destination führt und<br />
vermarktet. Als Überbegriff für die vielfältigen Organisationsformen, wie beispielsweise<br />
Fremdenverkehrsamt, Kurverwaltung oder <strong>Tourismus</strong>verband, ist der Begriff Destinations-<br />
59 Woratschek & Horbel (2005a).<br />
60 Morgan & Pritchard (2002), S.30.<br />
61 Hu & Ritchie (1993); Murphy, Pritchard & Smith (2000); Seaton & Benett (1996), S.350.<br />
62 Woratschek, Roth & Pastowski (2003), S.263.<br />
63 Bieger (2002), S.56.<br />
11
managementorganisation (DMO) weit verbreitet. 64 Da in dieser Arbeit das Leistungsbündel<br />
Urlaub bzw. Kletterurlaub als Ganzes betrachtet werden soll, wird der Blickwinkel einer Destinationsmanagementorganisation<br />
eingenommen.<br />
Die Beziehungen der touristischen Leistungsanbieter einer Destination sind sowohl kooperativ<br />
als auch konkurrierend. Es gilt zunächst, gemeinsam die Touristen in die Destination zu<br />
locken. Wenn die Touristen sich in der Destination befinden, konkurrieren die Anbieter jedoch<br />
um das Urlaubsbudget dieser Touristen. Für die Gesamtzufriedenheit sind dann wiederum<br />
alle Dienstleister gemeinsam verantwortlich. Einzelne negative Serviceerlebnisse der<br />
Touristen können hierbei unter Umständen die Anstrengungen aller anderen Dienstleister<br />
zunichte machen. 65 Die Anbieterstruktur einer Destination zeichnet sich durch eine große<br />
Anzahl von Substituten z.B. <strong>im</strong> Hotel- und Gaststättenbereich aus. Da Abwechslung insbesondere<br />
der Sport- und Freizeitmöglichkeiten und so auch in der Gastronomie von vielen<br />
Touristen gewünscht wird, ist dies auch notwendig, um die Urlauber zufrieden zu stellen,<br />
sorgt aber gleichzeitig für konkurrierende Interessen. Die Gleichzeitigkeit von Kooperation<br />
und Konkurrenz, Kooperenz genannt, ist demnach in Destinationen konstitutiv. Der DMO<br />
kommt deshalb die Rolle eines Monitors zu, der kooperative Aufgaben übern<strong>im</strong>mt, Konflikte<br />
möglichst entschärft und Kontroll- und Anreizmechanismen installiert. Ein besonderer Problembereich<br />
ist die Finanzierung der Werbung für die Destination, von deren positiven Wirkungen<br />
kein Anbieter in der Destination ausgeschlossen werden kann, an deren Finanzierung<br />
sich jedoch nicht alle <strong>im</strong> gleichen Maße beteiligen wollen. 66<br />
Als Prinzip des Destinationsmanagements setzt sich zunehmend die Nachhaltigkeit gegenüber<br />
der kurzfristigen Max<strong>im</strong>ierung der Gästezahlen und Gewinne durch. Es geht dabei aber<br />
keineswegs ausschließlich um den Erhalt der natürlichen Ressourcen einer Destination, sondern<br />
um die Sicherstellung ihrer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit, die ebenso gesellschaftliche<br />
bzw. kulturelle wie wirtschaftliche Nachhaltigkeit erfordert. 67 Dies macht es notwendig,<br />
die vielfältigen Anspruchsgruppen einer Destination zu berücksichtigen, die neben den touristischen<br />
Anbietern beispielsweise auch die Bevölkerung der Destination, verschiedene Interessensverbände,<br />
Sponsoren, übergeordnete Regierungsstellen und die Öffentlichkeit umfassen.<br />
68<br />
2.1.2. Urlaubsmotivationen und Destinationsentscheidung<br />
Im folgenden Abschnitt werden Urlaubsmotivationen als Rahmenbedingungen des Markenmanagements<br />
von Destinationen dargestellt. Die Begriffe Motivation und Motive werden in<br />
der <strong>Tourismus</strong>forschung oft und auf vielfältige Weise verwendet und aus verschiedenen theo-<br />
64 Ritchie & Crouch (2003), S.95-97.<br />
65 Woratschek (2001), S.9-15.<br />
66 Woratschek et al. (2003), S.267-270; Woratschek & Roth (2003), S.149-152.<br />
67 Bieger (2002), S.111-117. Ein umfassendes Modell der nachhaltig wettbewerbsfähigen Destination entwickelten<br />
Ritchie und Crouch. Ritchie & Crouch (2003); Crouch & Ritchie (1999).<br />
68 Sheehan & Ritchie (2005).<br />
12
etischen Blickwinkeln heraus analysiert. 69 Für diese Arbeit sind Motivationen in zweierlei<br />
Hinsicht von besonderer Bedeutung. Zunächst spielen Motivationen eine entscheidende Rolle<br />
bei der Definition und Abgrenzung der verschiedenen <strong>Tourismus</strong>segmente, insbesondere<br />
auch der hier relevanten <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>segmente. Der Hauptgrund oder Zweck<br />
einer Reise wird als namensgebende (Urlaubs-) Reisemotivation verwandt, um <strong>Tourismus</strong>segmente<br />
wie Kurtourismus, Naturtourismus oder eben auch Klettertourismus zu bilden. 70<br />
Bei allen Differenzen in der Forschung ist relativ unstrittig, dass das Konzept der Motivation<br />
einen zentralen Einfluss auf das Verhalten, insbesondere die Destinationswahl der Touristen,<br />
darstellt. 71 Damit eine Destinationsmarke von Urlaubern gewählt wird, ist es entscheidend,<br />
dass ihr subjektives Image kongruent zu den Motivationen des jeweiligen Reisenden ist. 72 So<br />
sind detaillierte Kenntnisse der Motivationen auch unerlässlich für erfolgreiches Markenmanagement.<br />
Das bereits von DANN diskutierte und heute in der <strong>Tourismus</strong>literatur wohl am weitesten verbreitete<br />
Erklärungsmodell für die Motivationen von Urlaubern unterteilt die Urlaubsmotive in<br />
push- und pull-Faktoren 73 bzw. Schubfaktoren und Zugfaktoren 74 . Bei Push-Faktoren handelt<br />
es sich um sozio-psychologische Motive, die Individuen dazu antreiben - sozusagen anschieben<br />
- zu verreisen. Wenn die generelle Entscheidung zu verreisen getroffen ist, werden die<br />
Urlauber von Pull-Faktoren in eine konkrete Destination gezogen. Es handelt sich bei den<br />
Zugfaktoren also um die St<strong>im</strong>uli, die eine Destination aus Sicht des Reisenden bietet. Dementsprechend<br />
werden allgemeine Urlaubsmotive und Motivationen für konkrete Reiseentscheidungen<br />
sowie konkretes Verhalten am Urlaubsort unterschieden. 75 In seiner grundlegenden<br />
Studie identifizierte CROMPTON neun für die Destinationswahl relevante Urlaubsmotive,<br />
die er in sozio-psychologische und kulturelle einteilte. Die Entstehung und Befriedigung der<br />
sozio-psychologischen Urlaubsmotive hängen nicht von Attributen einer speziellen Destination,<br />
sondern von sozialen oder psychologischen Faktoren des Individuums oder der Reisegruppe<br />
ab. Die Destination ist dabei nur ein Medium, durch das diese Motive befriedigt werden<br />
konnten. Sieben Motive oder eher Motivbereiche wurden der sozio-psychologischen<br />
Gruppe zugeordnet: 76<br />
- Flucht aus einer als banal wahrgenommenen Umwelt: Das Urlaubsumfeld sollte sich<br />
physisch und sozial vom normalen Lebens- und Arbeitsumfeld unterscheiden.<br />
69 Dann (1981), S.190-198; Iso-Ahola (1982).<br />
70 Cooper, Fletcher, Gilbert, Shepherd & Wanhill (1998), S.34; Freyer (2001), S.70-74.<br />
71 Moutinho (1987), S.18; Cha, McCleary & Uysal (1995), S.33 f.; Gnoth (1997); Goosens (2000).<br />
72 Moutinho (1987), S.18.<br />
73 Ateljevic (2000); Crompton (1979); Dann (1981).<br />
74 Krauß (1993), S.85-88.<br />
75 Seitz & Meyer (2006), S.157; Moutinho (1987), S.17 f.<br />
76 Crompton (1979), S.415-421.<br />
13
- Selbsterfahrung: Die Selbsterfahrung der Urlauber in neuen Situationen und teilweise<br />
auch be<strong>im</strong> Überwinden von Schwierigkeiten trug zur Selbstfindung und in einigen<br />
Fällen auch zu neuem Selbstvertrauen bei.<br />
- Entspannung: Entspannung war ein durchgängiges Motiv der Teilnehmer in der Untersuchung,<br />
allerdings eher die psychische als die physische Entspannung durch die<br />
Möglichkeit, eigene Interessen zu verfolgen.<br />
- Prestige: Prestigegründe als Reise- und Destinationswahlmotiv wurden interessanterweise<br />
meist nur Dritten unterstellt und nicht für sich selbst eingeräumt.<br />
- Regression: Dieser Motivkomplex beinhaltete die Möglichkeit, sich von den he<strong>im</strong>ischen<br />
Rollenzwängen zu lösen und ein Verhalten an den Tag zu legen, das zu Hause<br />
nicht oder nicht mehr möglich erschien, wie kindisches Verhalten oder Verhalten, das<br />
einem früheren, unkomplizierteren Lebensstil entsprach.<br />
- Vertiefung verwandtschaftlicher Beziehungen: Urlaub wurde als Gelegenheit wahrgenommen,<br />
die Familie näher zusammenzubringen.<br />
- Förderung von sozialer Interaktion: Ein wichtiges Motiv für einige Urlauber war das<br />
Knüpfen von Kontakten mit neuen Leuten an verschiedenen Orten.<br />
Die beiden als kulturell bezeichneten Motive bezogen sich direkt auf die besuchte Destination:<br />
- Neuheit: Die Suche nach neuen Erfahrungen wurde mit Begriffen wie Neugier, Abenteuer,<br />
neu oder anders beschrieben. Der Wunsch, eine neue Destination unabhängig<br />
von der Zufriedenheit mit der zuletzt besuchten zu bereisen, wurde von etlichen Probanden<br />
genannt.<br />
- Bildung: Das Bildungsmotiv umfasste sowohl den Wunsch, die eigene Bildung oder<br />
die der mitreisenden Kinder abzurunden, als auch etwas zu sehen, das man gesehen<br />
haben „muss“.<br />
In der <strong>Tourismus</strong>literatur findet sich eine Fülle von qualitativen und quantitativen Untersuchungen,<br />
die ebenfalls die Identifikation von Urlaubsmotiven zum Ziel haben. 77 So erhebt der<br />
Studienkreis für <strong>Tourismus</strong> 78 bereits seit 1970 jährlich die Urlaubsmotive der Deutschen <strong>im</strong><br />
Rahmen der Reiseanalyse (RA). 79<br />
Es ist in der <strong>Tourismus</strong>literatur häufig zu beobachten, dass die Begriffe Motiv und Motivation<br />
schlicht als Synonyme verwendet werden. Auch wenn enge Verknüpfungen bestehen,<br />
handelt es sich dennoch um zwei separate Konstrukte. Motive sind die grundsätzlichen An-<br />
77 Einige bekannte Beispiele sind: Crandall (1980); Loker & Perdue (1992); Lundberg (1971); McIntosh, Goeldner<br />
& Ritchie (1995); Yuan & McDonald (1990) für eine umfassende Liste vgl. Freyer (2001), S.74 f.<br />
78 Heute: Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R.).<br />
79 Vgl. zahlreiche Veröffentlichungen zu den RA 1970-2006. Zuletzt F.U.R. (2006).<br />
14
triebskräfte des Urlaubsverhaltens, die von inneren Trieben und Bedürfnissen beeinflusst<br />
werden. Sie sind situationsunabhängig, sodass das gleiche Motiv je nach Situation zu unterschiedlichem<br />
Verhalten und verschiedene Motive zu gleichem Verhalten führen können. Motivationen<br />
dagegen sind kognitiver und beziehen sich auf konkrete Situationen und Objekte,<br />
wie zum Beispiel <strong>im</strong> Urlaubsfall auf Destinationen. 80 Schließt man sich dieser Abgrenzung<br />
an, wie das in dieser Arbeit der Fall sein soll, ist also von Motiven zu sprechen, soweit Push-<br />
Faktoren untersucht werden und von Motivationen, wenn Pull-Faktoren betrachtet werden.<br />
Motivationen werden <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> zunehmend als Basis für die Bildung von Touristentypologien<br />
und Marktsegmenten genutzt und gelten einigen Autoren als effektivste Segmentierungskriterien<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong>. 81 Hierbei werden häufig breite Definitionen angewandt, die<br />
Urlaubsmotivationen als Synonyme für Urlaubsbedürfnisse, -anforderungen und –<br />
erwartungen sehen 82 oder Motivationen mit benefits bzw. Nutzenerwartungen aus dem Urlaub<br />
gleichsetzen. 83<br />
Viele Forscher, die sich mit den Trends <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> beschäftigen, sehen den traditionellen<br />
Massentourismus als ein Auslaufmodell. In CROMPTONS Untersuchung von 1979 bildeten die<br />
massentourismusaffinen Touristen noch den Kern der Stichprobe. So stellte er fest, dass für<br />
die Touristen, die vornehmlich von den Motiven Flucht, Selbsterfahrung und Regression angetrieben<br />
wurden, keine ausgefeilten kulturellen Attraktionen in den Destinationen notwendig<br />
waren, sondern lediglich ein physisch und sozial anderes Umfeld als das he<strong>im</strong>atliche. Aus<br />
seiner Sicht konnten buchstäblich tausende austauschbarer Destinationen dies bieten, die<br />
dementsprechend in erster Linie über den Preis konkurrierten. 84 Die seitdem insbesondere <strong>im</strong><br />
Strandmassentourismus beobachtbaren Entwicklungen können wohl als Bestätigung dieser<br />
Einschätzung dienen. POON sieht mehr als zwei Jahrzehnte später allerdings gravierende Änderungen<br />
in der <strong>Tourismus</strong>landschaft und stellt den früheren Massentouristen als „alten Touristen“<br />
die „neuen Touristen“ gegenüber, zu denen die Klettertouristen in dieser Einteilung<br />
gezählt werden müssen. 85 In den Veränderungen der Eigenschaften und Motive der Touristen<br />
sieht sie eine der strategischen Herausforderungen, auf welche die <strong>Tourismus</strong>industrie reagieren<br />
muss. Die folgende Tabelle gibt die aus ihrer Sicht wichtigsten Unterschiede wieder.<br />
80 Gnoth (1997); Heckhausen (1989), S.7-16; C. B. Green (2003), S.129; Kroeber-Riel & Weinberg (2003),<br />
S.53.<br />
81 Schewe (1990); Bieger & Laesser (2002), S.69.<br />
82 Seitz & Meyer (2006), S.157.<br />
83 Sarigöllü & Huang (2005), S.278 und dort zitierte Literatur.<br />
84 Crompton (1979), S.422.<br />
85 Dies wird <strong>im</strong> folgenden Kapitel 3. zum Klettertourismus deutlich werden.<br />
15
Old tourists<br />
Search for the sun<br />
Follow the masses<br />
Here today, gone tomorrow<br />
Just to show that you had been<br />
Having<br />
Superiority<br />
Like attractions<br />
Precautious<br />
Eat in hotel dining room<br />
Homogeneous<br />
New tourists<br />
Experience something different<br />
Want to be in charge<br />
See and enjoy but do not destroy<br />
Just for the fun of it<br />
Being<br />
Understanding<br />
Like Sports<br />
Adventurous<br />
Try out local fare<br />
Hybrid<br />
Abbildung 2: Old and new tourists compared; Poon (2002), S.10.<br />
Die zunehmende Selbstverständlichkeit des Reisens und die zunehmende Reiseerfahrung<br />
haben zu tief greifenden Veränderungen in den Werten, den Motiven und folgerichtig auch<br />
<strong>im</strong> Verhalten vieler Touristen geführt. Die Motive des traditionellen Massentourismus, wie<br />
die Flucht aus dem Alltag, die Suche nach der Sonne und das Reisen als Statussymbol, sind<br />
auf dem Rückzug. Die neuen Touristen suchen nach aktiveren, erlebnisintensiveren und auch<br />
abenteuerreicheren Urlaubsformen, wie der Vergleich in Abbildung 2 verdeutlicht. Diese<br />
Tendenzen erhöhen die Bedeutung der Pull-Faktoren der Destinationen und bieten diesen<br />
gleichzeitig neue Möglichkeiten, sich durch individuelle Dienstleistungen zu positionieren<br />
und von anderen Destinationen zu differenzieren. Zunehmende Vergleichsmöglichkeiten<br />
durch die gestiegene Reiseerfahrung haben die Touristen aber auch anspruchsvoller und unabhängiger<br />
gemacht. Ihr Verhalten ist spontaner, in den Motivationen eine best<strong>im</strong>mte Destinationsmarke<br />
zu wählen differenzierter und hybrider geworden. Um konkurrenzfähige Leistungen<br />
und auch attraktive Marken anbieten zu können, ist deshalb von Seiten der Destinationen<br />
auch eine sehr viel genauere Kenntnis der Touristen notwendig. 86 Diese Veränderungen<br />
der Motive der Touristen werden nicht zuletzt auch für die Entstehung und das Wachstum des<br />
<strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> verantwortlich gemacht. 87<br />
2.1.3. <strong>Tourismus</strong> in Mittelgebirgsregionen<br />
Die deutschen Mittelgebirgsdestinationen hatten zusätzlich zu den Marktanteilsverlusten des<br />
Inlands- gegenüber dem Auslandstourismus, der seit 1954 fast kontinuierlich anhält, 88 auch<br />
unter einem Marktanteilsverlust gegenüber den anderen innerdeutschen Großlandschaften -<br />
Küstengebiete, Alpen und Alpenvorland sowie Städteurlaube - zu kämpfen. Von 1990 bis<br />
86 Poon (2002), S.9-11 und S.113-145 und ähnlich auch Krippendorf (1987), S.174-176; Generell gestiegene<br />
Ansprüche in den Urlaubsmotiven wurden auch <strong>im</strong> Zeitreihenvergleich der RA festgestellt. Lohmann & A-<br />
derhold (2000), S.29-33.<br />
87 C. M. Hall & Weiler (1992), S.1 f.<br />
88 1954 betrug der Marktanteil innerdeutscher Reiseziele an den Reisezielen deutscher Touristen noch weit über<br />
80%. Im Jahr 2005 wurden nur noch 30,4% gemessen. F.U.R. (2006), S.3.<br />
16
1999 gingen so die Übernachtungszahlen in den deutschen Mittelgebirgen um über 15% zurück,<br />
wobei große regionale Unterschiede insbesondere zwischen den alten und neuen Bundesländern<br />
bestehen. 89 Als Ursachen werden spezifische Probleme der deutschen Mittelgebirgsregionen<br />
benannt:<br />
- Rückgang der Kurgäste: Als Folge der Gesundheitsreform von 1997 ging die Zahl der<br />
Kurgäste stark zurück. Hiervon waren Mittelgebirgsdestinationen besonders betroffen,<br />
die Krise kann jedoch nicht allein mit der Gesundheitsreform begründet werden,<br />
da sie bereits deutlich vor der Gesundheitsreform begann. 90<br />
- Polarisierung der <strong>Tourismus</strong>märkte: Während qualitativ hochwertige Angebote und<br />
Niedrigpreisangebote insbesondere <strong>im</strong> Pauschaltourismus wachsende Marktanteile<br />
verbuchen, sinkt die Nachfrage nach der qualitativen Mitte zunehmend. Die Beherbergungsstruktur<br />
in den Mittelgebirgen ist jedoch gerade durch Zwei-bis-drei-Sterne-<br />
Unterkünfte und kleine Privatvermieter gekennzeichnet. Zudem existiert oftmals ein<br />
erheblicher Modernisierungsbedarf in den Unterkünften und Freizeiteinrichtungen,<br />
der entsprechende Qualitätsprobleme nach sich zieht. Dies drückt sich auch <strong>im</strong> negativen<br />
Abschneiden bei Kundenzufriedenheitsvergleichen zu alternativen Reisezielen<br />
aus. 91<br />
- Konzentration auf Kunden über 60: Die traditionellen Mittelgebirgstouristen, auf die<br />
sich die Destinationen lange Zeit konzentrierten, bilden heute die Gruppe der über 60-<br />
Jährigen. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass die jüngeren Kundengruppen, die<br />
mit Flug- und Auslandsreisen aufgewachsen sind, mit steigendem Alter automatisch<br />
zu Mittelgebirgstouristen werden, anstatt weiterhin ausländische Reiseziele zu besuchen.<br />
92 Viele Regionen haben versucht, durch Förderung des Sporttourismus mit Hilfe<br />
von „Erlebnis“- oder „Aktiv“-Programmen hierauf zu reagieren und jüngere Kundengruppen<br />
in ihre Destination zu locken. Die folgenden Grafiken, die auf der Basis der<br />
Reiseanalyse 1999 die demographische Zusammensetzung der Mittelgebirgstouristen<br />
mit allen Reisenden vergleichen, verdeutlichen die Problematik.<br />
Altersgruppe Reisen gesamt Reisen in deutsche<br />
Mittelgebirge<br />
14-29 Jahre 21% 14%<br />
30-39 Jahre 19% 13%<br />
40-59 Jahre 35% 33%<br />
60 Jahre und älter 26% 40%<br />
Gesamt 100% 100%<br />
Abbildung 3: Altersstruktur der Gäste in den Mittelgebirgen; Gilles (1999).<br />
89 Kern (2001), S.51-57.<br />
90 M. Beier (1999); Karg (1999).<br />
91 Feige (1999), S.4 ff.<br />
92 Döring (1997) zitiert in Kern (2001), S.58.<br />
17
Gäste von 14 bis 39 Jahren sind <strong>im</strong> Vergleich zur Zusammensetzung aller Reisenden<br />
stark unterrepräsentiert, während die Gäste deutlich häufiger über 60 Jahre alt sind.<br />
Bildungsgruppe Reisen gesamt Reisen in deutsche<br />
Mittelgebirge<br />
Hauptschule 44% 54%<br />
Realschule 34% 30%<br />
Abitur+ 22% 16%<br />
Gesamt 100% 100%<br />
Einkommensgruppe Reisen gesamt Reisen in deutsche<br />
Mittelgebirge<br />
bis DM 2999 27% 34%<br />
DM 3000 – DM 4999 45% 44%<br />
über DM 5000 28% 22%<br />
Gesamt 100% 100%<br />
Abbildung 4: Schulbildung und Haushaltsnettoeinkommen der Gäste in den Mittelgebirgen;<br />
Gilles (1999).<br />
Ebenso sind Gäste mit hoher Bildung und mit hohem Einkommen seltener vertreten<br />
als <strong>im</strong> Durchschnitt aller Reisenden, wie Abbildung 4 zeigt.<br />
- Imagedefizite und fehlendes Profil: Die Konzentration auf ältere Kunden hat zu einem<br />
weit verbreiteten und schwer zu verändernden Image als Rentnerdestinationen geführt.<br />
Generell wird ein Profilierungsdefizit vieler Mittelgebirgsdestinationen kritisiert.<br />
93<br />
Vor dem Hintergrund der dargestellten Probleme insbesondere deutscher Mittelgebirgsregionen<br />
müssen diese sowohl Wege finden, die Kundenbindung zu erhöhen, als auch neue Kundengruppen<br />
erschließen, welche die Gästestruktur <strong>im</strong> Sinne der Destinationen verändern.<br />
Hierfür sind insbesondere junge, aktive und gebildete Kundengruppen gefragt. Klettertouristen,<br />
die in dieser Arbeit als Untersuchungsbeispiel gewählt wurden, könnten eine solche Kundengruppe<br />
darstellen. Eine Analyse der Chancen, die sich für diese Destinationen aus dem<br />
Klettertourismus möglicherweise ergeben, ist also von besonderem Interesse.<br />
Mittelgebirgsregionen sind für jede Untersuchung des Klettertourismus von besonderer Bedeutung,<br />
da die große Mehrzahl der Klettergebiete in Mittelgebirgen liegt. So befinden sich<br />
beispielsweise 127 von 145 der <strong>im</strong> deutschen Kletteratlas aufgelisteten Klettergebiete außerhalb<br />
der Alpen und ganz überwiegend in Mittelgebirgsregionen. 94 Für Mittelgebirgsregionen<br />
besteht somit auch das größte Potential, vom Klettertourismus zu profitieren. Bisher standen<br />
<strong>im</strong> Sporttourismus in den Bergen jedoch eindeutig die Hochgebirgsdestinationen <strong>im</strong> Fokus,<br />
die klare Wettbewerbsvorteile bezüglich der natürlichen Ressourcen für traditionelle<br />
Bergsportarten wie Skifahren oder Bergsteigen besitzen. Die Entdeckung von Abenteuer-<br />
93 Deutscher <strong>Tourismus</strong>verband (1998); Kern (2001); Brysch (2000).<br />
94 Goedecke (1992); Die Anzahl der Klettergebiete ist insofern irreführend, als große Klettergebiete in Teilgebiete<br />
unterteilt werden: z.B. Nördlicher <strong>Frank</strong>enjura (7) oder Elbsandsteingebirge (6).<br />
18
sportarten wie Wildwasserdisziplinen, Mountainbiking und eben auch Felsklettern als touristische<br />
Potentiale hat niedrigeren Lagen neue Chancen eröffnet, da diese stärker in den Tälern<br />
der Hochgebirge und in den Mittelgebirgen ausgeübt werden. 95<br />
Nachdem die wichtigsten Rahmenbedingungen für das Management von <strong>Destinationsmarken</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> dargestellt wurden, wird <strong>im</strong> Folgenden das Markenmanagement<br />
von Destinationen als zweiter Teil der theoretischen Grundlagen dieser Arbeit diskutiert.<br />
2.2. Markenmanagement von Destinationen<br />
Neben der tourismuswissenschaftlichen Literatur bildet das Markenmanagement die theoretische<br />
Basis der vorliegenden Arbeit. Dementsprechend werden in diesem Kapitel zunächst die<br />
Grundlagen des Markenmanagements für Destinationen dargestellt. Da Urlaubsgebiete für<br />
das Markenmanagement einige Besonderheiten aufweisen, wie zuvor dargestellt, stützt sich<br />
die Darstellung vorwiegend auf die verfügbare Literatur zum Management von <strong>Destinationsmarken</strong>.<br />
Quellen aus dem allgemeinen Markenmanagement werden nur insoweit berücksichtigt,<br />
wie sie auf das Management von <strong>Destinationsmarken</strong> anwendbar erscheinen. Das<br />
zweite Teilkapitel geht speziell auf Destinationsdachmarken ein.<br />
2.2.1. Grundlagen des Markenmanagements von Destinationen<br />
Die Notwendigkeit, starke Marken zu schaffen, um die eigenen Leistungen in Zeiten austauschbarer<br />
Produkte und Dienstleistungen sowie der Reizüberflutung von Konsumenten von<br />
den Leistungen der Konkurrenz aus Konsumentensicht zu differenzieren, ist in der Marketingliteratur<br />
für Konsumgüter bereits seit langem ein Megathema. 96 In den letzten Jahren<br />
wurden zunehmend auch die Notwendigkeit und die Besonderheit der Markierung von<br />
Dienstleistungen diskutiert 97 und schließlich auch die Bedeutung des Markenaufbaus für Destinationen<br />
erkannt. 98<br />
Das erhöhte Markenbewusstsein <strong>im</strong> Destinationsmanagement lässt sich vor dem Hintergrund<br />
markanter Marktveränderungen für Destinationen erklären:<br />
- Die Zahl der weltweit existierenden <strong>Tourismus</strong>destinationen, die um Touristen werben,<br />
steigt beständig an. 99<br />
- Viele Destinationen agieren mit austauschbaren Positionierungen am Markt und versuchen<br />
damit dieselben <strong>Tourismus</strong>segmente wie ihre Konkurrenten anzusprechen. 100<br />
Auf der Nachfrageseite sind gleichzeitig gravierende Veränderungen eingetreten:<br />
95 Bourdeau et al. (2004), S.28.<br />
96 Bennett & Rundle-Thiele (2005).<br />
97 Dibb & S<strong>im</strong>kin (1993); Dobree & Page (1990); Richter & Werner (1998); Stauss (1998); Tomczak & Ludwig<br />
(1998).<br />
98 Ritchie & Ritchie (1998).<br />
99 Leisen (2001), S.49; Steinecke (2001), S.9.<br />
100 Morgan & Pritchard (2002), S.20 f.<br />
19
- Das subjektiv wahrgenommene Risiko eines Destinationswechsels aus Sicht der Urlauber<br />
ist drastisch gesunken. Dies ist zum einen durch eine stetig steigende durchschnittliche<br />
Reiseerfahrung der Touristen bedingt und zum anderen durch zunehmende<br />
Standardisierung der Qualität zentraler Elemente des Leistungsbündels Urlaub, wie<br />
zum Beispiel die zunehmende Standardisierung der Unterkunftsqualität.<br />
- Wie bereits in Abschnitt 2.1.2 <strong>im</strong> Zusammenhang der Urlaubsmotivationen diskutiert,<br />
haben sich die Urlaubsmotive und damit die Bedürfnisse und Ansprüche der Touristen<br />
stark differenziert. Dies wird als eine Ursache des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> gesehen<br />
und in den Abschnitten 3.1.4. und 6.3. für das konkrete Beispiel des Klettertourismus<br />
detailliert untersucht.<br />
Der Aufbau einer starken Destinationsmarke wird verbreitet als in diesem Umfeld überlebensnotwendige<br />
Strategie gesehen. 101<br />
In den vergangenen Jahren hat sich eine steigende Anzahl von Quellen mit <strong>Destinationsmarken</strong><br />
beschäftigt. HANKINSON unterscheidet vier Perspektiven, aus denen <strong>Destinationsmarken</strong><br />
betrachtet und analysiert werden, die aus der klassischen Marketingliteratur entnommen<br />
sind: 102<br />
1. <strong>Destinationsmarken</strong> als Kommunikationsmittel 103<br />
2. <strong>Destinationsmarken</strong> als Wahrnehmungseinheiten 104<br />
3. <strong>Destinationsmarken</strong> als Werttreiber 105<br />
4. <strong>Destinationsmarken</strong> als Beziehungen 106<br />
Die erste Perspektive, <strong>Destinationsmarken</strong> als Kommunikationsmittel, entspricht der ursprünglichen,<br />
sehr engen Markendefinition, wie sie beispielsweise in der Abgrenzung von<br />
KOTLER oder der American Marketing Association zum Ausdruck kommt: „a name, term,<br />
symbol or design, or a combination of them, intended to identify the goods or services of one<br />
seller or a group of sellers and to differentiate them from those of competitors.“ 107 Branding<br />
umfasst in diesem Sinne also lediglich die Markierung eines Produktes oder einer Dienstleistung.<br />
108 Zumindest in der Praxis ist dies nach wie vor die am weitesten verbreitete Sichtweise<br />
von Marken. Auch unter Destinationsmanagern herrscht diese enge Sicht des Markenaufbaus<br />
bzw. Brandings vor. 109 Aus dieser Perspektive hat sich das Konzept der Markenidentität als<br />
101 D'Hauteserre (2001); Ritchie & Ritchie (1998); Crocket & Wood (2000).<br />
102 Hankinson (2004), S.110-115.<br />
103 Beispiele sind: Kirchgeorg (2005); Leisen (2001); Walmsley & Young (1998); Woodside & Lysonski<br />
(1989); Nickerson & Moisey (2000).<br />
104 Beispiele sind: D. Hall (1999); Kotler & Gertner (2002); Morgan & Pritchard (2002).<br />
105 Beispiele sind: Kotler & Gertner (2002); Morgan & Pritchard (2002); Sirgy & Su (2000).<br />
106 Beispiele sind: Thode & Masulka (1998); Westwood (2000) zitiert in Hankinson (2004).<br />
107 Kotler (1991), S.442.<br />
108 Esch (2004), S.19-22.<br />
109 Blain et al. (2005), S.328 f.<br />
20
Weiterentwicklung herausgebildet, dessen bekanntester Vertreter AAKER ist. 110 Hierbei wird<br />
zunächst die Markenidentität als Markenvision des Unternehmens erarbeitet, die auch als<br />
Selbstbild bezeichnet wird. 111 Diese wird dann an die Kunden kommuniziert, um die gewünschte<br />
Positionierung <strong>im</strong> Vergleich zum Wettbewerb zu erreichen. 112 Markenidentität lässt<br />
sich definieren als: „diejenigen raum-zeitlich gleichartigen Merkmale der Marke, die aus<br />
Sicht der internen Zielgruppen in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägen.“ 113 Es<br />
handelt sich also um eine inside-out oder inputorientierte Perspektive des Brandings, die stark<br />
auf dem Resource-Based View aufbaut. 114 In einem Anwendungsbeispiel wurden beispielsweise<br />
„Lebensqualität“, „Kultur/Stadtbild“ und „Bildung/Wissenschaft“ als Identitätskern der<br />
Stadt Münster festgelegt. Befragungen von potentiellen Gästen haben jedoch große Unterschiede<br />
zwischen diesem Selbstbild und der Wahrnehmung der Marke Münster außerhalb der<br />
Stadt aufgedeckt. 115 Die Diskrepanz zwischen dem, wie wichtige interne Stakeholder, insbesondere<br />
die Bevölkerung, ihre Destination sehen, und der Kundensicht, weist auf eine der<br />
zentralen Schwierigkeiten des Aufbaus von <strong>Destinationsmarken</strong> hin. Anschließend an die<br />
vier grundsätzlichen Sichtweisen von <strong>Destinationsmarken</strong> werden deshalb die spezifischen<br />
Schwierigkeiten dargestellt.<br />
Die zweite Perspektive, <strong>Destinationsmarken</strong> als Wahrnehmungseinheiten, n<strong>im</strong>mt die Kundenperspektive<br />
ein. Hier steht das Image als das Fremdbild von Marken <strong>im</strong> Mittelpunkt. 116<br />
Marken werden als Wahrnehmungseinheiten gesehen, welche die Konsumenten auf kognitiver<br />
und affektiver Ebene ansprechen. Das Marken<strong>im</strong>age setzt sich aus einzelnen Assoziationen<br />
mit der Destination oder Wahrnehmungen von Attributen durch die Konsumenten bezüglich<br />
der Marke zusammen. 117 Welche Attribute wahrgenommen werden und welche davon<br />
subjektive Bedeutung für das Marken<strong>im</strong>age erlangen, ist dabei unter Umständen zwischen<br />
den Konsumenten individuell sehr unterschiedlich, 118 weshalb auch <strong>im</strong> empirischen Teil der<br />
Arbeit eine Fokussierung auf ein Beispiel – die Klettertouristen – stattfindet. Das Zustandekommen,<br />
die Zusammensetzung und die Wirkungen des Images von Destinationen insbesondere<br />
auf die Destinationswahl n<strong>im</strong>mt in der <strong>Tourismus</strong>literatur breiten Raum ein. 119 Dies unterstreicht<br />
die Bedeutung der Kundenperspektive <strong>im</strong> Destinationsmarketing, die auch in dieser<br />
Arbeit als entscheidend angesehen wird. Bei der Perspektive von <strong>Destinationsmarken</strong> als<br />
Wahrnehmungseinheiten handelt es sich zusammenfassend um die Betrachtung des Fremdbilds<br />
der Marke, also einer outside-in-Perspektive. 120<br />
110 Meffert & Burmann (2005b); D. A. Aaker (1991), (1996); D. A. Aaker & Joach<strong>im</strong>sthaler (2000).<br />
111 Meffert & Burmann (2005a), S.52.<br />
112 Esch (2004), S.86-89.<br />
113 Burmann, Blinda & Nitschke (2003), S.16 zitiert in Meffert & Burmann (2005a), S.49.<br />
114 Hankinson (2004), S.110.<br />
115 Ebert (2005), S.575-578.<br />
116 Zum Destinations<strong>im</strong>age vgl. Echtner & Ritchie (1991); Papadopoulos & Heslop (2002).<br />
117 Echtner & Ritchie (1993), S.3.<br />
118 Keller (1993), S.3-8; Leisen (2001).<br />
119 Vgl. die Zusammenstellung von 142 einschlägigen Quellen bei Pike (2002).<br />
120 Hankinson (2004), S.110 f.<br />
21
Die dritte Perspektive, <strong>Destinationsmarken</strong> als Werttreiber, stellt die Sichtweise des strategischen<br />
Markenmanagements dar. Sie hat den Markenwert oder brand equity als Teil und Mittel<br />
zur Erhöhung des Unternehmenswertes <strong>im</strong> Blick. Der Wert einer Marke hängt zunächst<br />
von ihrer Bekanntheit in den relevanten Kundensegmenten ab. Ebenso von der wahrgenommenen<br />
Qualität, für welche die Marke steht, den Assoziationen, welche die Konsumenten mit<br />
der Marke verbinden und letztendlich von der Loyalität der Kunden gegenüber der Marke. 121<br />
Die positive Wirkung starker Marken, Vertrautheit mit einer Marke und eine positive Qualitätswahrnehmung<br />
fördern das Vertrauen der Kunden, die richtige Wahl getroffen zu haben<br />
und erhöhen so die Wiederkaufswahrscheinlichkeit. Ebenso wird die Toleranz bei einzelnen<br />
Negativerlebnissen mit der betreffenden Leistung erhöht. Einzigartige Assoziationen bezüglich<br />
einer Marke führen zu einer emotionalen Verbundenheit, die es Konkurrenten schwer<br />
macht, diese Kunden zu einem Wechsel zu bewegen. 122 Dies scheint in besonderem Maße für<br />
Erfahrungsgüter zu gelten, deren Qualität durch die Konsumenten erst nach persönlicher Erfahrung<br />
der Leistung zuverlässig eingeschätzt werden kann. 123 Zu den Erfahrungsgütern zählt<br />
auch ein Urlaub. Zur Diskussion des Markenwerts gehört jedoch nicht nur die Managementsicht,<br />
auch aus Kundensicht kann eine Marke Wert schaffen, indem sie das Kaufrisiko 124 sowie<br />
die Suchkosten 125 für die Konsumenten reduzieren. Auch in der erhöhten Qualitätseinschätzung<br />
starker Marken durch die Konsumenten drückt sich Markenwert aus Kundensicht<br />
aus. Sozial auffällige Marken dienen Konsumenten auch als Mittel der Selbstdefinition und<br />
zur Erhöhung des eigenen sozialen Status. 126 In der Literatur zum Branding von Destinationen<br />
nehmen nur wenige Autoren die Perspektive der Destinationsmarke als Werttreiber<br />
ein. 127 Dies ist insofern nicht verwunderlich, da es nur relativ wenige börsennotierte <strong>Tourismus</strong>konzerne<br />
wie die TUI gibt, für die die Messung des Markenwertes von besonderer Bedeutung<br />
ist. 128 Die Destinationsmarke als positiver Einfluss auf die Qualitätswahrnehmung<br />
bzw. das Image und als Mittel zur Erhöhung der Kundenbindung, die hier betont werden, ist<br />
jedoch für alle Destinationen relevant.<br />
Die vierte Perspektive, <strong>Destinationsmarken</strong> als Beziehungen, sieht diese als Kristallisationspunkt<br />
von Beziehungen zu den wichtigsten Interessengruppen bzw. Stakeholdern der Destination,<br />
insbesondere den Kunden. Für diese Sichtweise ist das Konzept der Markenpersönlichkeit<br />
von entscheidender Bedeutung. Demnach können Marken aus Sicht der Konsumenten<br />
Persönlichkeitseigenschaften, sehr ähnlich denen einer natürlichen Person, annehmen. 129<br />
Diese eigene Persönlichkeit von Marken ermöglicht Beziehungen zu den Konsumenten. Eine<br />
121 Aaker 1991, S.15-21.<br />
122 Keller (2003), S.104 f.; D. A. Aaker (1996), S.21-25.<br />
123 Tullin (1998).<br />
124 Keller (1993), S.17.<br />
125 Jacoby, Szybillo & Busato-Schach (1977), S.214 f.<br />
126 Biel (2001), S.68-70.<br />
127 Hankinson (2004), S.114.<br />
128 Lambertz (2005).<br />
129 J. L. Aaker (1997); Levy (1985).<br />
22
möglichst hohe Kongruenz zwischen der Markenpersönlichkeit und dem Selbstverständnis<br />
des Konsumenten ist für die Entwicklung dieser Beziehung förderlich, 130 ebenso wie eine<br />
Übereinst<strong>im</strong>mung zwischen den physischen und psychischen Bedürfnissen des Konsumenten<br />
und den funktionalen und symbolischen Attributen der Marke. 131 Im Falle von <strong>Destinationsmarken</strong><br />
ist es beispielsweise von besonderer Bedeutung, dass die Wahrnehmung der Gäste<br />
einer Destination mit der Selbstwahrnehmung potentieller Besucher übereinst<strong>im</strong>mt, damit<br />
diese sich für einen Aufenthalt dort entscheiden. 132 Durch die Integrativität von Dienstleistungen,<br />
die eine enge Interaktion zwischen Servicemitarbeitern und Kunden <strong>im</strong> Erstellungsprozess<br />
bedingt, ist diese Perspektive für Dienstleistungen von besonderer Bedeutung. 133 Dies<br />
bedingt gleichzeitig, dass die Mitarbeiter zu einem zentralen Stakeholder werden,<br />
deren Akzeptanz und Verkörperung der Markenidentität von entscheidender Bedeutung für<br />
den erfolgreichen Markenaufbau sind. 134 Neben den Konsumenten der Marke, zu denen auch<br />
die Mitarbeiter lokaler Organisationen und die Bewohner der Destination gerechnet werden,<br />
nennt HAKINSON drei weitere Stakeholdergruppen <strong>im</strong> Beziehungsgeflecht einer Destinationsmarke:<br />
Touristische Service Provider, Markeninfrastruktur und die Medien. Die Beziehungen<br />
zur Markeninfrastruktur umfassen dabei die Beziehungen zu Organisationen und Personen,<br />
welche den Zugang zur Destination ermöglichen, Hygienefaktoren der Destination wie<br />
Parkplätze oder öffentliche Toiletten zur Verfügung stellen und die sogenannte Markenlandschaft<br />
kontrollieren. Markenlandschaft bezeichnet hier das bauliche Umfeld, in das die zentralen<br />
touristischen Dienstleistungen der Destination eingebettet sind. 135<br />
Die vier beschriebenen Perspektiven des Markenaufbaus können auch als vier verschiedene<br />
Aufgaben von <strong>Destinationsmarken</strong> verstanden werden. Dies zeigt die Definition von Destination<br />
Branding von BLAIN, LEVY und RITCHIE, der in dieser Arbeit gefolgt wird: „Destination<br />
branding is the set of marketing activities that (1) support the creation of a name, symbol,<br />
logo, word mark or other graphic that readily identifies and differentiates a destination; that<br />
(2) consistently convey the expectation of a memorable travel experience that is uniquely<br />
associated with the destination; that (3) serve to consolidate and reinforce the emotional connection<br />
between the visitor and the destination; and that (4) reduce consumer search costs<br />
and perceived risk. Collectively, these activities serve to create a destination <strong>im</strong>age that positively<br />
influences consumer destination choice.” 136 Indem sie von einem „set of marketing<br />
activities“ spricht, reiht sich diese Definition in die Reihe von modernen, erweiterten Mar-<br />
130 Sirgy (1982); McCracken (1993), S.126 zitiert in Herrmann, Huber & Braunstein (2001), S.111.<br />
131 D. A. Aaker, Batra & Myers (1992), S.254; D. A. Aaker (1996).<br />
132 Sirgy & Su (2000).<br />
133 Richter & Werner (1998), S.25-29; Zur Integrativität von Dienstleistungen und ihren Folgen vgl. Engelhardt,<br />
Kleinaltenkamp & Reckenfelderbäumer (1993).<br />
134 Hankinson (2004), S.116; Zur Bedeutung der Mitarbeiter <strong>im</strong> Dienstleistungsprozess vgl. Woratschek & Horbel<br />
(2002) und Ellenhuber, Pechlaner & Matzler (2004).<br />
135 Hankinson (2004), S.114-117.<br />
136 Blain et al. (2005), S.337. Diese Definition basiert weitgehend auf einer früheren Version aus Ritchie &<br />
Ritchie), S.103.<br />
23
kendefinitionen ein, die über die reine Markierung einer Leistung alle Aktivitäten, die zum<br />
Aufbau einer Marke notwendig sind, als dem Branding bzw. Markenaufbau zugehörig definieren.<br />
137 Der Aufbau von <strong>Destinationsmarken</strong> ist demnach auch nicht mit der Etablierung<br />
eines positiven Images der Destination abgeschlossen, sondern erheblich umfassender. 138 Die<br />
Definition bezieht die oben genannten vier Perspektiven des Brandings von Destinationen als<br />
Aufgaben von <strong>Destinationsmarken</strong> mit ein. Die Identifikations- und Differenzierungsfunktion<br />
entspricht der Marke als Kommunikations-mittel. Die Perspektive der Destinationsmarke als<br />
Wahrnehmungseinheit ist <strong>im</strong> übergreifenden Ziel der Schaffung eines positiven, verhaltenssteuernden<br />
Destinations<strong>im</strong>ages abgedeckt. Die Perspektive des Markenwertes wird durch die<br />
Reduzierung von Suchkosten und subjektivem Risiko aus Konsumentensicht aufgegriffen.<br />
Die Perspektive der Destinationsmarke als Beziehung kommt schließlich in der Fokussierung<br />
auf denkwürdige Urlaubserlebnisse an Stelle einer hohen Qualität der Teilleistungen des<br />
Leistungsbündels Urlaub zum Ausdruck, sowie in dem Ziel, eine emotionalen Bindung der<br />
Urlauber an die Destinationsmarke zu erreichen.<br />
Der Aufbau von <strong>Destinationsmarken</strong> ist mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden, die<br />
in erster Linie von Besonderheiten des Destinationsmanagements und des Produktes Urlaub<br />
verursacht werden. Diese Schwierigkeiten haben dazu geführt, dass nach Expertenmeinungen<br />
bisher nur wenige <strong>Destinationsmarken</strong> existieren 139 bzw. dass Destinationen bisher von den<br />
Konsumenten überhaupt nicht als Marken wahrgenommen werden. 140 MORGAN und PRIT-<br />
CHARD zählen fünf Herausforderungen be<strong>im</strong> Aufbau von <strong>Destinationsmarken</strong> auf: 141<br />
1. Begrenzte Werbebudgets<br />
2. Politische Einflussnahme<br />
3. Externe Einflüsse<br />
4. Destinationsprodukt<br />
5. Differenzierung<br />
Destinationen konkurrieren mit anderen Destinationen um die Aufmerksamkeit der potentiellen<br />
Touristen. Um diese Aufmerksamkeit buhlen jedoch alle anderen Werbetreibenden, wie<br />
zum Beispiel große Konsumgüterhersteller. Dabei haben DMOs typischerweise sehr begrenzte<br />
Werbebudgets zur Verfügung. Das Werbebudget von Sony ist mit rund 300 Mio. US$ bereits<br />
fast so hoch wie das von der World Tourism Organization (WTO) auf rund 350 Mio.<br />
US$ geschätzte Gesamtausgabevolumen aller Regierungen für nationale Destinationswerbung.<br />
142 Destinationen benötigen deshalb in besonderem Maße innovative, intelligente und<br />
137 Esch (2004), S.19-25; Esch & Langner (2005), S.441.<br />
138 Ritchie & Ritchie (1998), S.89 f.<br />
139 Kaminsky (1999), S.152 f.<br />
140 Blain et al. (2005), S.329.<br />
141 Morgan & Pritchard (2002), S.13-21.<br />
142 Morgan & Pritchard (2002), S.13 f.<br />
24
prägnante Markenstrategien, um die Aufmerksamkeit der relevanten Kundensegmente zu<br />
gewinnen und eine vorteilhafte Positionierung zu erreichen. Im empirischen Teil dieser Arbeit<br />
werden für das konkrete Beispiel des Markenmanagements <strong>im</strong> Klettertourismus einige<br />
Ansatzpunkte aufgezeigt, wie dieser Anspruch umgesetzt werden kann.<br />
Ein weiterer Problembereich des Destination Branding ist die politische Einflussnahme, die<br />
mit der Struktur von Destinationen und der weitgehend öffentlichen Finanzierung von DMOs<br />
einhergeht. Politischer Einfluss auf die Markenpolitik von Destinationen läuft häufig der<br />
Notwendigkeit der Kontinuität zum Aufbau einer starken Marke zuwider. Ebenso existiert<br />
auf allen Ebenen, ob es sich nun um lokale, regionale oder nationale <strong>Destinationsmarken</strong><br />
handelt, politischer Druck auf die Gestaltung der Marke selbst und der zugehörigen Kommunikationsstrategie.<br />
Eine häufige Quelle von Konflikten ist die Verwendung von Clichés in der<br />
Werbung, die in den Köpfen der Touristen über die Destination bereits vorhanden sind, aber<br />
per Definition veraltet und vereinfachend sind, sodass sie oftmals nicht dem Selbstbild bzw.<br />
dem gewünschten Destinations<strong>im</strong>age der Bevölkerung der Destination entsprechen. MORGAN<br />
und PRITCHARD schlagen hier vor, die vorhandenen Clichés als Aufhänger in der Werbung<br />
für den Transport einer aktualisierten und differenzierten Markenidentität zu nutzen. 143 Die<br />
Innenwirkung einer Marke bzw. das Innenmarketing ist also <strong>im</strong> Falle von Destinationen von<br />
ähnlicher Bedeutung wie das Außenmarketing. Zusätzlich möchte typischerweise eine Fülle<br />
von weiteren Stakeholdern ihre Interessen <strong>im</strong> Branding der Destination berücksichtigt wissen,<br />
was eine starke Markenprofilierung, die <strong>im</strong>mer eine Beschränkung auf das Wesentliche<br />
erfordert, 144 behindert. 145 Prinzipiell bietet der identitätsorientierte Ansatz gute Möglichkeiten,die<br />
Stakeholder einer Destination in die Festlegung der Markenidentität einzubeziehen.<br />
Speziell bei der Anwendung dieses Ansatzes aus der Konsumgüterindustrie ist jedoch zu beachten,<br />
dass eine Destinationsmarke nicht so einfach neu- oder umpositioniert werden kann,<br />
wie eine Konsumgütermarke. Die zentralen Positionierungselemente müssen den bereits vorhandenen<br />
und weitgehend unveränderlichen Merkmalen der Destination, wie deren Kultur<br />
und natürlichen Gegebenheiten, entsprechen. 146 Ebenso ist es wenig hilfreich, wenn die Markenidentität<br />
den Wünschen der internen Stakeholder entspricht, aber die Motivationen und<br />
Bedürfnisse der Touristen nicht anspricht. Durch unterschiedliche Ansprüche an den <strong>Tourismus</strong><br />
und vor allem durch unterschiedliche Kenntnisse über die Destination unterscheidet sich<br />
die Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung und potentieller Gäste oft erheblich. 147 Der<br />
Wahrnehmung der Bevölkerung (Eigenbild) und der Sollvorstellung von der Markenidentität<br />
steht das Image bei den Touristen als Fremdbild gegenüber, das notwendigerweise vereinfacht<br />
und häufig von Vorurteilen geprägt ist. Dabei ist die Attraktivität des Erlebnisses, das<br />
den Touristen durch die Destinationsmarke versprochen wird, entscheidend für die Kunden-<br />
143 Morgan & Pritchard (2002), S.15.<br />
144 Beispiele unter vielen für diese Meinung sind: Gilmore (2002a), S.58; Burmann (2005), S.856.<br />
145 Buhalis (2000), S.112; Curtis (2001).<br />
146 Gilmore (2002a), S.63.<br />
147 Am Beispiel der Stadt Münster wurde dies empirisch anschaulich gezeigt. Ebert (2005).<br />
25
gewinnung. Dieses Versprechen kann jedoch nur erfüllt werden, wenn alle Stakeholder die<br />
Markenvision annehmen und aktiv <strong>im</strong> Alltag umsetzen.<br />
Eine weitere Herausforderung für das Branding von Destinationen ist die Sensibilität des<br />
<strong>Tourismus</strong> gegenüber externen Einflüssen, speziell externen Schocks. Solche externen Einflüsse<br />
können die internationale Politik sein, die Wirtschaftsentwicklung in den Quellmärkten,<br />
Terrorismus oder Umweltkatastrophen. Für jeden dieser Bereiche lassen sich unmittelbar<br />
Beispiele in den letzten Jahren finden, die das Reiseverhalten der Deutschen und ihr Bild<br />
best<strong>im</strong>mter Destinationen nachhaltig beeinflusst haben 148 und auch die beste Markenstrategie<br />
wirkungslos verpuffen lassen können.<br />
Besondere Herausforderungen für den Aufbau von <strong>Destinationsmarken</strong> ergeben sich auch<br />
durch die Besonderheiten des Destinationsproduktes als komplexes Leistungsbündel. Wie in<br />
der obigen Definition beschrieben, transportieren die Brandingaktivitäten der Destination das<br />
Versprechen einzigartiger Urlaubserlebnisse in der Destination. Dieses Versprechen muss<br />
jedoch gemeinsam von den touristischen Serviceprovidern und sämtlichen anderen Stakeholdern<br />
erfüllt werden, während die DMO hierüber nur begrenzte Kontrolle hat. Gelingt das<br />
Zusammenspiel jedoch und wird das Versprechen einzigartiger Urlaubserlebnisse erfüllt, hat<br />
das Destinationsprodukt wie kaum eine andere Leistung das Potential, jene emotionale Verbindung<br />
zwischen Marke und Konsument herzustellen, die eine Grundvoraussetzung für einen<br />
erfolgreichen Markenaufbau und insbesondere von Markenloyalität bildet. 149,150<br />
Die vielleicht größte Herausforderung <strong>im</strong> Destination Branding ist die Differenzierung der<br />
eigenen Destination aus Kundensicht gegenüber der Vielzahl konkurrierender Destinationen.<br />
Um zu wissen, welches hierfür die entscheidenden Differenzierungsd<strong>im</strong>ensionen sind, müssen<br />
die für die Destinationswahl relevanten Motivationen der anvisierten Kundengruppen<br />
bekannt sein. Die konkurrierenden Destinationen gehen in jedem Fall zumindest zum Teil<br />
von ganz ähnlichen Voraussetzungen aus wie die eigene Destination z.B. bezüglich natürlichen<br />
Ressourcen und kulturellem Erbe. Ziel ist es, eine aus Kundensicht einzigartige Wettbewerbsposition,<br />
eine USP, zu erlangen. Hierzu muss ein Markenkern gefunden werden, der<br />
sowohl originell und differenzierend als auch glaubhaft und relevant für die anvisierten Kundensegmente<br />
ist. Nicht zuletzt muss dieses Differenzierungsmerkmal nachhaltig von Bedeutung<br />
und als Differenzierungsmerkmal nachhaltig zu verteidigen sein, um für einen langfristigen<br />
Markenaufbau geeignet zu sein. 151<br />
Betrachtet man die Empfehlungen verschiedener Autoren für das effektivste Vorgehen zum<br />
Aufbau von <strong>Destinationsmarken</strong>, so fällt auf, dass <strong>im</strong>mer, auch in Beiträgen, die explizit nach<br />
148 Bsp. sind die zweite Intifada in Palästina, die wirtschaftliche Rezession in Deutschland, Terroranschläge auf<br />
dem Sinai, Bali oder das Erdbeben in Südostasien.<br />
149 Baloglu & Brinberg (1997).<br />
150 Zur Bedeutung des Urlaubserlebnisses für die Kundenzufriedenheit von Touristen vgl. Otto & Ritchie<br />
(1996).<br />
151 Morgan & Pritchard (2002), S.20 f.<br />
26
dem identitätsorientierten Ansatz vorgehen, die Marktforschung an erster Stelle steht. Vor der<br />
Festlegung der Markenidentität bzw. des Markenkerns muss eine Analyse des relevanten<br />
Marktes und der Kunden erfolgen. Hierzu ist eine Analyse der wichtigsten Marktakteure,<br />
insbesondere der Wettbewerber erforderlich, ebenso wie eine Untersuchung der eigenen<br />
Stärken und Schwächen und der aktuellen Positionierung der Marke. Unerlässlich ist hierbei<br />
jedoch auch die Analyse potentieller Kundengruppen sowie deren Charakteristika und Motivationen.<br />
152 Eine genaue Kenntnis der Kundenmotivationen ermöglicht Aussagen darüber,<br />
welche angebotenen Benefits die Kunden zum Kauf der Marke motivieren können. AAKER<br />
empfiehlt bezüglich der funktionalen Benefits den folgenden Fragen nachzugehen: 153<br />
- Welche funktionalen Benefits sind relevant für die Kunden?<br />
- Wie gestaltet sich die relative Bedeutung der einzelnen Benefits?<br />
- Können auf der Basis der Benefits Kundensegmente definiert werden?<br />
Um die Zahl der Benefits für das Markenmanagement überschaubar zu halten, empfiehlt er<br />
zusätzlich, die Möglichkeit einer faktoranalytischen Verdichtung auf wenige Benefitd<strong>im</strong>ensionen<br />
zu prüfen.<br />
Die Diskussion des Aufbaus von <strong>Destinationsmarken</strong> hat gezeigt, dass die klassischen Methoden<br />
des Markenmanagements grundsätzlich auch für das Destinationsmanagement Relevanz<br />
besitzen. Die spezifischen Herausforderungen des Destinationsmarketings erfordern<br />
jedoch eine Anpassung des Vorgehens und der Ziele. Der Aufbau einer starken Destinationsmarke<br />
kann dazu beitragen, die Zahl der Stammkunden zu max<strong>im</strong>ieren und diese stark an<br />
die Destination zu binden. Ebenso kann die Gewinnung neuer Kunden erleichtert werden.<br />
Wie der vorangegangene Abschnitt zur Kundenbindungsproblematik <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> gezeigt<br />
hat, ist jedoch auch eine erfolgreiche Destinationsmarke nicht ausreichend, um der Variety-<br />
Seeking- Problematik wirksam zu begegnen. Für Variety-Seeker ist der Nutzen aus der Abwechslung<br />
größer als der aus der Bindung an eine einzelne Destination. So führt auch opt<strong>im</strong>ale<br />
Bedürfnisbefriedigung und Kundenzufriedenheit <strong>im</strong> letzten Urlaub bei Variety-Seekern<br />
nicht zur Wiederkehr <strong>im</strong> nächsten Urlaub. Im Folgenden werden deshalb die Möglichkeiten<br />
durch Destinationsdachmarken vorgestellt.<br />
2.2.2. Destinationsdachmarken<br />
Die Bildung von Destinationsdachmarken, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen, ist weit<br />
verbreitet. In diesem Abschnitt soll diskutiert werden, ob und wie die Bildung einer Dachmarke<br />
auch eine sinnvolle Handlungsalternative zur Kompensation von Variety-Seeking Behavior<br />
sein kann.<br />
152 D. Hall (1999); Morgan & Pritchard (2002), S.26-30, S.173; Gilmore (2002a), S.58 f.<br />
153 D. A. Aaker (1996), S.189-193.<br />
27
Dachmarkenstrategien sind speziell bei Dienstleistungen weit verbreitet. Nach BECKER sind<br />
sie dadurch gekennzeichnet, dass sämtliche Leistungen eines Unternehmens unter einer einheitlichen<br />
Marke (engl.: Umbrella Brand) angeboten werden. Im Vordergrund der Profilierungsbemühungen<br />
steht die Firma und ihre Kompetenz bzw. ihr Sympathiepotential oder das<br />
Vertrauen in sie. 154 Diese Charakterisierung ist zunächst stark auf Konsumgüterkonzerne<br />
zugeschnitten. So werden Markenallianzen von rechtlich unabhängigen Partnern auch Meta-<br />
Marken, 155 wie <strong>im</strong> Falle der Star Alliance in der Luftfahrtbranche, oder Mega-Brands 156 genannt.<br />
In der Literatur zum Destinationsmanagement wird jedoch weiterhin der Begriff<br />
Dachmarke für die aus Markenallianzen von Destinationen entstehenden Marken verwendet.<br />
157 An eine Dachmarke anzuknüpfen ist nach BIEGER die häufigste Form der Markenkooperation<br />
von Destinationen. 158<br />
Im Prinzip stellen Destinationen, selbst wenn sie nur einzelne Orte umfassen, bereits eine<br />
Dachmarke für die ortsansässigen <strong>Tourismus</strong>dienstleister dar. Die Destinationen selbst sind<br />
wiederum üblicherweise in eine geographische Hierarchie von Dachmarken eingebunden.<br />
Regionale Marken fassen die lokalen <strong>Destinationsmarken</strong> unter einem Dach zusammen 159<br />
und diese werden wiederum in den meisten Ländern nochmals einer nationalen Marke untergeordnet.<br />
160 Eine Reihe von wissenschaftlichen Beiträgen hat sich mit der Schaffung solcher<br />
nationalen Marken beispielsweise für Großbritannien, 161 Spanien, 162 der Isle of Man 163 und<br />
Neuseeland 164 beschäftigt. Diese <strong>Destinationsmarken</strong> sind weitgehend von der Wirtschaftspolitik<br />
der jeweiligen Region oder der jeweiligen Länder initiiert und werden auch weitgehend<br />
aus öffentlichen Geldern finanziert. Die Zugehörigkeit zu einer Dachmarke orientiert sich<br />
dabei rein an geographischen Kriterien - meist an politischen Grenzen. Ziele dieser Dachmarken<br />
sind vor allem, mit gebündelten Ressourcen auf den internationalen <strong>Tourismus</strong>märkten<br />
mehr Aufmerksamkeit zu erringen und insbesondere schwache lokale <strong>Destinationsmarken</strong><br />
be<strong>im</strong> Marktauftritt zu unterstützen. 165 CAI untersuchte empirisch verschiedene Beispiele kooperativer<br />
Anstrengungen zum Aufbau regionaler <strong>Destinationsmarken</strong> in den USA. Dabei<br />
wurde festgestellt, dass gerade für eher schwache, ländliche <strong>Destinationsmarken</strong> durch eine<br />
Dachmarke eine größere Bekanntheit und ein positiveres Image erreicht werden konnte. 166<br />
154 Becker (2001), S.306.<br />
155 Kernstock (1998), S.222.<br />
156 Esch & Redler (2004), S.185.<br />
157 Vgl. Bieger (2000), S.205 oder Freyer (2004), S.435 f.<br />
158 Bieger (2000), S.205.<br />
159 Für das Beispiel der Marke Tirol vgl. Margreiter (2001); für Westaustralien vgl. Crocket & Wood (2000).<br />
160 Zu dieser Hierarchie und nationalen <strong>Tourismus</strong>organisationen vgl. Middleton (1994), S.227-243.<br />
161 J. Hall (2004).<br />
162 Gilmore (2002b).<br />
163 Harrison (2002).<br />
164 Gnoth (2002).<br />
165 Freyer (2004), S.435 f.<br />
166 Cai (2002).<br />
28
Im Sinne dieser Arbeit ist jedoch die Frage zu stellen, ob Destinationsdachmarken in der eben<br />
beschriebenen Form eine Lösung für die in Abschnitt 2.1.2. skizzierte Kundenbindungsproblematik<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> darstellen können. Die Möglichkeit, durch die Bildung einer Destinationsdachmarke<br />
auf Variety-Seeking Behavior zu reagieren, wurde empirisch nach Kenntnisstand<br />
des Autors bisher nicht untersucht. Auf theoretischer Basis lassen sich jedoch die Erfolgsvoraussetzungen<br />
einer solchen Markenallianz formulieren: 167<br />
1. Eigenständiger USP jeder beteiligten Destinationsmarke aus Kundensicht<br />
2. Abwechslungsreiches Markenportfolio<br />
3. „Best-of“-Dachmarke<br />
4. Kundenlenkung innerhalb des Markenverbundes<br />
Zunächst ist ein eigenständiger USP jeder beteiligten Destinationsmarke aus Kundensicht<br />
notwendig. Gerade die weite Verbreitung des Variety-Seeking Behaviors <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
macht Stammkunden für Destinationen besonders wertvoll. Um durch die Dachmarkenstrategie<br />
nicht ungewollt die eigenen Stammkunden zu einem Wechsel des Urlaubsortes anzuregen,<br />
muss diesen durch klare Benefits und emotionale Bindung an die Destinationsmarke<br />
eindeutig bewusst gemacht werden, warum nur diese Marke für sie die richtige ist. Ein klarer<br />
USP ist aber auch notwendig, um eine wahrnehmbare und möglichst attraktive Abwechslungsalternative<br />
für die Variety-Seeker darzustellen und diese in die Destination zu locken.<br />
<strong>Destinationsmarken</strong>, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, werden durch den Anschluss an<br />
die Dachmarke nicht profitieren, da sie Stammkunden an andere beteiligte Destinationen verlieren<br />
und gegenüber anderen Destinationen weniger Variety-Seeker zu einem Besuch anregen<br />
können.<br />
Zudem muss die Dachmarke insgesamt ein Markenportfolio vereinen, welches es den Variety-Seekern<br />
erlaubt, ihre Abwechslungsbedürfnisse auszuleben, ohne eine Marke außerhalb<br />
des Dachmarkenportfolios zu wählen. Wie bereits dargestellt, ist Variety-Seeking Behavior<br />
attributsspezifisch. Das Markenportfolio muss also in den Attributen dort variantenreich sein,<br />
wo die Urlauber nach Abwechslung zwischen komplementären Alternativen suchen. 168 Welche<br />
Attribute dies sind, muss leistungs- und kundengruppenspezifisch untersucht werden.<br />
Des Weiteren muss die Dachmarke den Urlaubern einen zusätzlichen Nutzen gegenüber Einzelmarken<br />
bieten. Im Hinblick auf das Variety-Seeking Behavior ist dies zunächst der Anspruch,<br />
die besten Abwechslungsalternativen unter einem Dach zu vereinen, sodass aus Kundensicht<br />
keine Alternativensuche außerhalb des Markenportfolios mehr notwendig ist. Diesen<br />
„Best-of“-Anspruch aufrecht zu erhalten, erfordert bei gleichzeitiger Betonung der Vielfalt<br />
auch die Formulierung von Kriterien für den Beitritt zur Kooperation 169 und gemeinsame<br />
167 Eine modelltheoretische Analyse auf der Basis der Systemtheorie erfolgte durch Breiholtz (2002), S.37-57.<br />
168 Haseborg & Mäßen (1997), S.182.<br />
169 Woratschek et al. (2003), S.257 f.<br />
29
Qualitätsstandards. 170 Wie auf der vorgelagerten Ebene des Destinationsmarketings der einzelnen<br />
Orte ist also Kooperenz als Gleichzeitigkeit kooperativer und kompetitiver Interessen<br />
konstitutiv. Dabei ist auch gerade die Konkurrenz unter den Partnerdestinationen unerlässlich<br />
für den Erfolg der Dachmarke. Alle unter der Dachmarke vereinigten Einzelmarken müssen<br />
kontinuierlich gepflegt werden, indem Maßnahmen zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität<br />
und Imagemaßnahmen zur Erhaltung des USP durchgeführt werden. Nur so lässt sich der<br />
Anspruch der Dachmarke, die attraktivsten Alternativen zu vereinen, aufrechterhalten. Eine<br />
attraktive Dachmarke kann letztlich über das Ziel, die Variety-Seeker an sich zu binden hinaus,<br />
auch zusätzlich die Kundengewinnung begünstigen und so zu einer erhöhten Nutzungsintensität<br />
<strong>im</strong> Sinne einer erhöhten Urlaubsfrequenz führen. 171<br />
Um das Potential der Dachmarke voll auszuschöpfen sind aktive Maßnahmen zur Kundenlenkung<br />
notwendig. Dies kann beispielsweise durch gemeinsame Informationsmaterialien,<br />
gemeinsame Events oder Marketingmaßnahmen direkt in den Partnerdestinationen geschehen.<br />
Gelingt die Bildung einer starken Dachmarke, durch die Variety-Seeker auf dieser Ebene<br />
gebunden werden, so entsteht für die beteiligten Destinationen ein Wettbewerbsvorteil gegenüber<br />
den Konkurrenten außerhalb der Kooperation. Das Variety-Seeking Behavior stellt<br />
damit tatsächlich nicht nur eine Bedrohung dar, sondern beinhaltet für Destinationen, die fähig<br />
sind angemessen zu reagieren, auch eine Chance. 172<br />
Stellt man die existierende geographische Hierarchie von Dachmarken <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> den<br />
obigen vier Erfolgsvoraussetzungen gegenüber, entstehen jedoch große Zweifel, ob diese für<br />
die Kompensation von Variety-Seeking Behavior geeignet sind, wenn sich das Abwechslungsbedürfnis<br />
auf Eigenschaften der gesamten Destination oder die Destination selbst bezieht<br />
173 . Bezüglich der ersten Erfolgsvoraussetzung einer eigenständigen USP jeder beteiligten<br />
Marke ist zu konstatieren, dass es gerade ein Ziel traditioneller Dachmarken ist, das Marketing<br />
von touristischen Serviceprovidern oder Destinationen zu unterstützen, die über keine<br />
eigene starke Marke und keine eigene USP verfügen. Ebenso ist bezüglich der zweiten Erfolgsvoraussetzung<br />
eines abwechslungsreichen Markenportfolios zu sagen, dass sich Destinationen,<br />
die auf Grund von räumlicher Nähe zusammengefasst werden, tendenziell in genau<br />
den Attributen gleichen, in denen bezüglich des Variety-Seeking Behaviors Vielfalt von Nöten<br />
wäre. Die Abwechslungssuche von Urlaubern kann von einer einzelnen Destination, insbesondere<br />
auf der Ebene von Attributen der Destination insgesamt, wie natürlichen Gegebenheiten,<br />
kulturellen Attributen und Ähnlichem nicht befriedigt werden. Typischerweise ähneln<br />
sich räumlich nahe gelegene Destinationen gerade in diesen Merkmalen. Bei traditionellen<br />
Dachmarkenstrategien wird nach diesen Gemeinsamkeiten sogar gezielt gesucht, um gemein-<br />
170 Fischer & Margreiter (1999), S.253.<br />
171 Bänsch (1995), S.355.<br />
172 Trijp (1995), S.4.<br />
173 Also gemäß den Erläuterungen zum Variety-Seeking Behavior in Kapitel 2.1.1. auf die zweite Ebene.<br />
30
same Versprechungen bezüglich der zu erwartenden Urlaubserlebnisse innerhalb des Dachmarkengebietes<br />
abgeben zu können. Wenn jede Destination rein auf Grund ihrer geographischen<br />
Lage an der Dachmarke beteiligt ist, lässt sich auch die dritte Erfolgsvoraussetzung<br />
einer „Best-of“-Dachmarke nicht realisieren. Die vierte Erfolgsvoraussetzung der Kundenlenkung<br />
innerhalb des Dachmarkenportfolios ist zwar grundsätzlich <strong>im</strong> Rahmen der existierenden<br />
Destinationsdachmarken zu erfüllen, wird aber voraussichtlich nicht zur Bindung der<br />
Variety-Seeker führen. Variety-Seeker durch die existierenden Destinationsdachmarken zu<br />
binden, die auf geographischer Nähe beruhen, ist also nicht möglich.<br />
Der Aufbau von Destinationsdachmarken als Lösung bei Variety-Seeking Behavior erfordert<br />
folglich ein grundsätzliches Umdenken. Plakativ ausgedrückt ist es erforderlich, Vielfalt zusammenzufassen<br />
und zu vermarkten statt „mehr vom Gleichen“ anzubieten.<br />
Die Feststellung, dass ein völlig neuer Typ von Dachmarken geschaffen werden muss, um<br />
dem Variety-Seeking Behavior wirksam zu begegnen, wirft eine Fülle strategischer Fragen<br />
auf. Aus Sicht der Markenpolitik ist in erster Linie die Kundensicht von Interesse. Wie bei<br />
der Schaffung einzelner <strong>Destinationsmarken</strong> ist auch zum Aufbau einer Destinationsdachmarke<br />
als erster Schritt die Analyse des relevanten Marktes erforderlich. Dies umfasst in erster<br />
Linie die Untersuchung der Zusammensetzung der relevanten Kundengruppen und ihrer<br />
Anforderungen. Insbesondere die Untersuchung der Motivationen kann hierzu Hinweise liefern.<br />
Ebenso sind aber auch Erkenntnisse notwendig, welche Benefits eine Dachmarke von Destinationen<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> bieten müsste, um von den Urlaubern akzeptiert zu werden.<br />
31
3. Klettertourismus<br />
Während der Darstellung der allgemeinen theoretischen Grundlagen der Arbeit <strong>im</strong> vorangegangenen<br />
Kapitel wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass für ein erfolgreiches Markenmanagement<br />
umfassende Erkenntnisse über die anvisierten Kundengruppen notwendig sind.<br />
Die Nachfrage <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> hat sich jedoch in vielfältige Kundengruppen differenziert, die<br />
sich teilweise durch sehr unterschiedliche Interessen, Motivationen und Bedürfnisse auszeichnen.<br />
Um der zentralen Forschungsfrage der Arbeit vertiefend nachzugehen, ist also die<br />
Fokussierung der Analyse auf ein konkretes Beispiel notwendig. Das folgende Kapitel enthält<br />
eine Analyse der vorhandenen Literatur zum gewählten Untersuchungsbeispiel Klettertourismus.<br />
Hierbei wird insbesondere versucht, die Besonderheiten dieses <strong>Tourismus</strong>segments<br />
herauszuarbeiten, die <strong>im</strong> spezifischen Markenmanagement berücksichtigt werden müssen.<br />
3.1. Besonderheiten von Kletterern<br />
Um sich den Besonderheiten der Klettertouristen als Kundengruppe anzunähern, ist es zunächst<br />
notwendig, sich mit den Besonderheiten des Klettersports und der Kletterer zu beschäftigen,<br />
da zu erwarten ist, dass diese entscheidend zu den Unterschieden zu anderen <strong>Tourismus</strong>segmenten<br />
beitragen. Das folgende Kapitel gibt zunächst einen kurzen Abriss der Entwicklung<br />
des Kletterns, die sich in Teilen deutlich von anderen tourismusrelevanten Sportarten<br />
unterscheidet. Es folgt ein Abschnitt zu den demographischen Eigenschaften der Kletterer.<br />
In weiteren Abschnitten werden auf der Basis der vorhandenen psychologischen Studien<br />
die Besonderheiten der Kletterer bezüglich ihrer Persönlichkeit, ihrer Motive und ihrer Subkultur<br />
dargestellt.<br />
3.1.1. Entwicklung des Klettersports<br />
Klettertourismus wird allgemein zum Sporttourismus gezählt. Traditionelle Definitionen des<br />
Begriffs Sport, wie die von COAKLEY, nach der Sport sich durch körperliche Aktivität<br />
und/oder Fähigkeiten, Wettbewerb und schriftlich niedergelegte Regeln auszeichnet, 174 werfen<br />
jedoch die Frage auf, ob Klettern überhaupt zu den Sportarten zu zählen ist. Während die<br />
Notwendigkeit intensiver körperlicher Anstrengung und sportlicher Fähigkeiten für das Klettern<br />
unstrittig ist, wird die Frage, inwiefern Klettern ein kompetitiver Sport ist und welche<br />
Regeln gelten sollten, unter Kletterern und in der Wissenschaft intensiv diskutiert, wie <strong>im</strong><br />
Folgenden noch zu sehen sein wird. Zudem schließt eine so enge Definition auch viele weitere<br />
sportliche Aktivitäten, wie Schw<strong>im</strong>men oder Wandern, aus dem Bereich des Sports aus,<br />
die für den <strong>Tourismus</strong> große Relevanz besitzen. In Nordamerika, wo Sport stark auf organisierten<br />
und kompetitiven Sport reduziert wird, werden diese Aktivitäten lediglich zu den<br />
Freizeitaktivitäten 175 gezählt. 176,177 Insofern macht sich diese Arbeit die breitere Sportdefini-<br />
174 Coakley (1990).<br />
175 Engl. = recreational activities.<br />
32
tion des Europarats zu eigen, die von WEED und BULL zitiert wird. Danach umfasst Sport „all<br />
forms of physical activities which, through casual or organized participation, a<strong>im</strong> at <strong>im</strong>proving<br />
physical fitness and mental well-being, forming social relationships, or obtaining results<br />
in competition at all levels”. 178 Das Sportmodell von HAYWOOD und KEW unterscheidet<br />
Sportarten mit vornehmlich interpersonellen Herausforderungen und Sportarten mit umweltbedingten<br />
Herausforderungen. Die Umweltherausforderungen können natürlicher Art sein,<br />
wie Schnee und Wasser, oder künstlicher Art, wie Trampoline oder Bungeeseile. Die Herausforderungen<br />
werden weiter in zweckbest<strong>im</strong>mte und ästhetische eingeteilt, wobei bei zweckbest<strong>im</strong>mten<br />
das Ergebnis und bei ästhetischen die Art der Ausführung entscheidend ist. 179<br />
Environmental challenges<br />
Natural<br />
Artificial<br />
Purposive<br />
(e.g. cl<strong>im</strong>bing)<br />
Aesthetic<br />
(e.g. ice dancing)<br />
Aesthetic<br />
(e.g. gymnastics)<br />
Purposive<br />
(e.g. athletics)<br />
Abbildung 5: Nature of environmental challenges in sports; Haywood et al. (1995), S.48.<br />
Wie die Abbildung 5 zeigt, stellt be<strong>im</strong> Felsklettern die natürliche Umgebung die Herausforderung<br />
dar und es wird zu den zweckbest<strong>im</strong>mten Sportarten gezählt. Die folgenden Ausführungen<br />
werden jedoch zeigen, dass für viele Kletterer die Art der Zielerreichung und der ästhetische<br />
Ausdruck durchaus ebenfalls von Bedeutung sind.<br />
Um die heutige Situation <strong>im</strong> Klettertourismus zu verstehen und das Verhalten sowie die Werte<br />
der Kletterer zu erklären, ist ein kurzer Abriss der Entwicklung des Kletterns unabdingbar.<br />
Obwohl Klettern zu den aktuellen Trendsportarten gezählt wird, 180 blickt es als Sportart bereits<br />
auf eine lange Geschichte zurück. Die ersten, die das Klettern als Selbstzweck und nicht<br />
als notwendiges Übel betrieben, waren die frühen, vor allem britischen Alpinisten des 19.<br />
Jahrhunderts. Die Besteigung des Matterhorns als letztem unbestiegenem Alpengipfel <strong>im</strong> Jahr<br />
1865 gilt als Beginn des Felskletterns, da die Beschaffenheit des Matterhorns erstmals lange<br />
Kletterpassagen notwendig machte. Kurz darauf erreichte das Felsklettern auch die Mittelgebirge<br />
Großbritanniens und Deutschlands. Die deutschen Anfänge des Freikletterns liegen <strong>im</strong><br />
Elbsandsteingebirge. Zunehmend wurde Felsklettern nicht mehr nur als ein Bestandteil von<br />
Bergtouren oder als Training für ebensolche, sondern um seiner selbst willen betrieben. Im<br />
Elbsandsteingebirge liegt auch die Wiege des Freikletterns. Hier wurden 1913 die ersten<br />
176 Standeven & De Knop (1999), S.7 f.<br />
177 Nur nach dieser engen Definition lässt sich herleiten, dass Sporttourismus <strong>im</strong> Kern Eventtourismus sei.<br />
Deery, Jago & Fredline (2004).<br />
178 Council (1994), S.4 zitiert in Weed & Bull (2004), S.42.<br />
179 Haywood et al. (1995), S.48.<br />
180 Tomlinson, Ravenscroft, Wheaton & Gilchrist (2005) und Lorch (1995).<br />
33
Kletterregeln aufgestellt, die Seile und Haken lediglich als Sicherungsmittel erlaubten. 181 Das<br />
Freiklettern blieb lange Zeit auf das Elbsandsteingebirge beschränkt, während andernorts das<br />
sogenannte technische Klettern dominierte. Kletterer und Bergsteiger nutzten dabei alle erdenklichen<br />
und technisch <strong>im</strong>mer ausgefeilteren Hilfsmittel, um Felswände zu bezwingen.<br />
Schließlich wurde in der Mitte des 20. Jahrhunderts die sogenannte Diretiss<strong>im</strong>a zur Ideallinie<br />
des Kletterns. Mit Hilfe von Bohrhaken versuchte man dazu be<strong>im</strong> Erkl<strong>im</strong>men möglichst exakt<br />
der Falllinie zu folgen. Man bohrte sich sozusagen die Wand hinauf. Parallel wurde jedoch<br />
von sächsischen Auswanderern in den USA, insbesondere <strong>im</strong> Yosemite Valley, das<br />
Freiklettern mitgebracht und dort weiterentwickelt. Das sogenannte Clean Cl<strong>im</strong>bing wurde<br />
dort propagiert, welches das Klettern unter Zurücklassung möglichst weniger Spuren wie<br />
Haken oder Felsbeschädigungen vorsah. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde<br />
das Freiklettern dann auch wieder nach Europa getragen und fiel dort auf fruchtbaren Boden.<br />
Das technische Klettern hatte dort zu einer Stagnation geführt, da die technischen Hilfsmittel<br />
keine echten sportlichen Herausforderungen übrig ließen und die attraktiven Felswände oftmals<br />
durch technische Kletterer mit Bohrhaken übersät waren. So wurde die weitere Verbreitung<br />
des Kletterns verhindert. Das Free Cl<strong>im</strong>bing oder Freiklettern bedeutete dagegen neue<br />
Herausforderungen und Entfaltungsmöglichkeiten für Kletterer und erlebte seither einen regelrechten<br />
Boom in den Aktivenzahlen. 182<br />
Die Schätzungen der Anzahl der aktiven Kletterer schwanken stark. Für Deutschland ging der<br />
Deutsche Alpenverein (DAV) 1970 von etwa 40.000 Kletterern, 183 2000 von etwa 76.500<br />
aus, von denen etwa 63,5% <strong>im</strong> DAV organisiert waren und weitere etwa 6,5% in anderen<br />
Klettererverbänden. 184 Der Organisationsgrad der Kletterer ist jedoch rückläufig. 185 Im Jahr<br />
2002 wird der DAV dann als Quelle für eine Schätzung von 200.000 Kletterern zitiert. 186 Das<br />
Institut für Freizeitwirtschaft schätzt dagegen 350.000 Kletterer <strong>im</strong> Jahr 2002, wobei 160.000<br />
nur gelegentlich <strong>im</strong> Urlaub klettern. Für das Jahr 2010 werden 440.000 Kletterer in Deutschland<br />
geschätzt. 187<br />
Klettern ist jedoch in der gesamten westlichen Welt als Sportart verbreitet. Die Anzahl der<br />
Kletterer in <strong>Frank</strong>reich schätzte Bourdeau 1993 bereits auf 800.000. 188 Die National Survey<br />
on Recreation and the Environment schätzte 1995 die Zahl der Kletterer in den USA auf 7,5<br />
Millionen. 189 2004 ermittelte die Outdoor Industry Foundation mit 7,6 Mio. eine vergleichbare<br />
Zahl, wobei 1,6 Mio. als regelmäßige Kletterer klassifiziert wurden. Davon wurden 4,7<br />
181 Hasse (2000), S.42-53.<br />
182 Perwitzschki (2003), S.10 f.; Creasey (2001), S.8-17; Donelly (1982) und Hausenberger (2004), S.4-25.<br />
183 Hanemann (2000), S.21.<br />
184 Schurz (2000), S.33 f. zum Vergleich: in <strong>Frank</strong>reich beträgt der Organisationsgrad nur ca. 20% Hanemann<br />
(2000), S.23.<br />
185 Roth, Jakob & Türk (2002).<br />
186 Grotheer et al. (2003), S.48.<br />
187<br />
o.V. (2003), S.366-379.<br />
188 Bourdeau (1993), S.13 zitiert in Hanemann (2000), S.21.<br />
189 Cordell et al. (1999), S.224.<br />
34
Mio. Felskletterer, 5.1 Mio. Kletterer an künstlichen Kletterwänden und 1,1 Mio. Eiskletterer<br />
geschätzt, wobei eine gleichzeitige Ausübung der Disziplinen üblich war. 190 Auch für Großbritannien,<br />
191 Italien 192 und die Schweiz 193 liegen Zahlen vor, die eine weite Verbreitung des<br />
Klettersports in diesen Ländern belegen.<br />
Mit der Anzahl der Kletterer ist auch die Zahl der Klettergebiete und beschriebenen Kletterrouten<br />
gestiegen. 1999 verzeichnete <strong>Frank</strong>reich etwa 1750 Klettergebiete und Deutschland<br />
etwa 250. Die Größe dieser Gebiete kann von einzelnen Felsen bis zu Arealen mit mehreren<br />
tausend Felstürmen reichen. Während in <strong>Frank</strong>reich noch Potential gesehen wird, gilt die<br />
Erschließung von Kletterfelsen in Deutschland als weitgehend abgeschlossen. 194 Wegen<br />
Sperrungen von Felsen oder sogar ganzen Gebieten aus Naturschutzgründen dürfte die Zahl<br />
der Klettergebiete in Deutschland in den letzten Jahren sogar deutlich zurückgegangen sein.<br />
Sowohl in Deutschland als auch in <strong>Frank</strong>reich konzentrieren sich die Klettermöglichkeiten<br />
auf den Süden des Landes. Generell lässt sich sagen, dass Klettergebiete selten in der Nähe<br />
großer Ballungsräume liegen, wo ein großer Teil der Kletterer lebt. 195 Da die oben genannten<br />
Zählungen von Klettergebieten auch einzelne Felsen enthalten, sind bei weitem nicht alle<br />
diese Gebiete touristisch relevant. In <strong>Frank</strong>reich gelten nur 2% der Klettergebiete als von<br />
nationalem Interesse, ähnliches gilt für die Tschechische Republik, 196 und auch in Deutschland<br />
gibt es nur wenige Gebiete mit bundesweiter oder gar internationaler Bekanntheit. Die<br />
beliebtesten Klettergebiete Deutschlands sind die Fränkische Schweiz und das Elbsandsteingebirge.<br />
197 In der Bedeutung weit abgeschlagen, aber dennoch relativ bekannt, sind auch die<br />
Pfalz 198 und das Altmühltal 199 . Betrachtet man ausschließlich Klettergebiete, die vom Angebot<br />
an Klettermöglichkeiten einen gezielten Kletterurlaub rechtfertigen, bleiben also nur eine<br />
Handvoll Destinationen. Die begrenzte Anzahl von Destinationen für Klettertouristen unterscheidet<br />
den Klettertourismus deutlich von anderen Sporttourismussegmenten, wie dem<br />
Wander-, Rad- oder Skitourismus, für die eine deutlich größere Anzahl von Destinationen<br />
hervorragende natürliche Voraussetzungen bieten. Obwohl Klettern bisher keine wirkliche<br />
Massensportart ist, können deshalb die Klettertouristen auf Grund der Konzentration auf relativ<br />
wenige Gebiete in best<strong>im</strong>mten Destinationen eine bedeutende Kundengruppe darstellen.<br />
Der Umstand, dass es zur Ausübung des Felskletterns notwendig ist, sich in eines dieser Gebiete<br />
zu begeben, ist auch als ein Grund für die intensive Reisetätigkeit der Kletterer zu se-<br />
190 Outdoor_Industry_Association (2004), S.202-215.<br />
191 Laut einer repräsentativen Umfrage von Key Note gingen 3,1% der Britischen Bevölkerung 2003 klettern<br />
oder bergsteigen. Tomlinson et al. (2005), S.28-30.<br />
192 Lorch (1995), S.91 f.<br />
193 1997 gab es in der Schweiz geschätzte 30.000 Sportkletterer; Stettler (2000), S.33.<br />
194 Hanemann (2000), S.22.<br />
195 Bourdeau et al. (2004), S.23 f.<br />
196 Mázlová & Mázl (2005).<br />
197 Ergebnis einer Umfrage der Zeitschrift KLETTERN Heft 11 (2001), S.11 zitiert in: Philipsenburg (2001),<br />
S.108.<br />
198 Barry & Mear (1989), S.134.<br />
199 Philipsenburg (2001), S.110.<br />
35
hen. Untersuchungen zur sportbedingten Mobilität in der Schweiz wiesen Kletterer als eine<br />
der mobilsten Sportlergruppen aus. 200<br />
Klettern bzw. englisch: Cl<strong>im</strong>bing wird in der Literatur als Begriff oft ungenau und unter verschiedenen<br />
Bedeutungen benutzt. Hinzu kommt, dass sich das Verständnis <strong>im</strong> Zeitablauf insbesondere<br />
durch Ausdifferenzierung der Bergsportarten und der Emanzipierung der Einzeldisziplinen<br />
stark gewandelt hat, ganz zu schweigen von den verschiedenen Begehungsstilen<br />
von Kletterrouten, die sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet haben. Es gilt also, etwas<br />
Ordnung ins Chaos zu bringen und festzulegen, was unter Klettern <strong>im</strong> Sinne dieser Arbeit<br />
zu verstehen ist. Dies geschieht aus dem Blickwinkel von touristischen Destinationen.<br />
Die Komplexität für die Marktbearbeitung ist möglichst niedrig zu halten, aber dennoch muss<br />
die für die Bedürfnisbefriedigung der Klettertouristen notwendige Differenzierung erreicht<br />
werden. Wenn in dieser Arbeit also von Klettern gesprochen wird, so ist das Klettern an natürlichen<br />
Felswänden, also das sogenannte Felsklettern, gemeint. Die Betrachtung ist zudem<br />
auf das Sportklettern beschränkt, welches Klettern ohne technische Hilfsmittel an Felswänden<br />
von 20-30 Metern Höhe bezeichnet. Dieses wird <strong>im</strong> Folgenden von den anderen<br />
Bergsportarten abgegrenzt.<br />
HARDER und ELSNER unterscheiden zehn Bergsportarten, wie die folgende Abbildung zeigt.<br />
Wandern<br />
Klettersteige<br />
Hochgebirgswandern<br />
Alpines Klettern<br />
Sportklettern<br />
Skibergsteigen<br />
Bergsport<br />
Hochtouren<br />
Alpines Eisklettern<br />
Eisfallklettern<br />
Expeditionsbergsteigen<br />
Abbildung 6: Bergsportarten; Harder & Elsner (1987), S.14.<br />
Von den in der Abbildung dargestellten Disziplinen des Bergsports sind nur die vier Kletterdisziplinen<br />
für die Untersuchung relevant. Aus touristischer Sicht ist eine Konzentration auf<br />
das Felsklettern sinnvoll, da gerade die Suche nach geeigneten Felsen ein zentrales Reisemotiv<br />
für Kletterer darstellt. In den letzten Jahren hat die Zahl der Kletterhallen in Deutschland,<br />
wie auch in anderen Ländern, stark zugenommen, sodass fast jede größere Stadt inzwischen<br />
200 Stettler (1997), S.134 f.; Stettler (2000), S.33-36.<br />
36
über eine Kletterhalle verfügt. 201,202 Hallenklettern ist deshalb bisher stärker als Freizeit- und<br />
Naherholungsaktivität verbreitet und wird eher nicht als touristische Aktivität betrieben.<br />
Während der Besuch einer künstlichen Klettermöglichkeit in der Zukunft durchaus ein Reisemotiv<br />
darstellen kann, ist dies bisher kaum festzustellen. Kletterwettkämpfe werden nach<br />
dem Reglement der UIAA 203 jedoch ausschließlich an künstlichen Kletterwänden durchgeführt.<br />
204<br />
Felsklettern wird definiert als: „...das Auf – und Abwärtsbewegen in felsigem Gelände, wozu<br />
neben den Beinen auch die Hände zur Erhaltung des Gleichgewichts und der Fortbewegung<br />
verwendet werden.“ 205 Auch das Felsklettern untergliedert sich nochmals in Unterdisziplinen,<br />
wie die folgende Abbildung zeigt:<br />
Klettersteigklettern<br />
Freiklettern<br />
Sportklettern<br />
Felsklettern<br />
Bouldern<br />
Alpines Felsklettern<br />
Abbildung 7: Disziplinen des Felskletterns; Harder & Elsner (1987), S.14.<br />
Klettersteigklettern ist der Übergang zwischen Wandern und Klettern. Klettersteige sind spezielle<br />
Wanderwege, die durch eine Sicherung mit Drahtseilen und Steighilfen wie fest angebrachten<br />
Leitern ein Vordringen in Felsregionen ermöglichen, die sonst nur von Bergsteigern<br />
zu erreichen sind. Klettersteigklettern ist für viele der Einstieg in andere Kletterdisziplinen,<br />
kann jedoch auch die einzige Betätigung am Fels sein. 206<br />
Das Freiklettern oder Freecl<strong>im</strong>bing stellt die ursprüngliche Form des Kletterns dar, die in<br />
Deutschland <strong>im</strong> Elbsandsteingebirge schon seit Beginn des vorangegangenen Jahrhunderts<br />
praktiziert wurde. 207 Die Aufwärtsbewegung am Fels erfolgt mit Hilfe natürlicher Tritte und<br />
Haltepunkte am Fels. Hilfsmittel wie Seile und Haken dienen ausschließlich zur Sicherung. 208<br />
Wird auf diese Absicherung ebenfalls verzichtet, spricht man von einer Free Solo Bege-<br />
201 Auf www.kletterhallen.kletterwaende.de steht eine sehr umfangreiche Auflistung künstlicher Kletteranlagen<br />
in Deutschland zur Verfügung.<br />
202 Zur Verbreitung künstlicher Kletteranlagen in Großbritannien vgl. Beedie (2003), S.230-234.<br />
203 Union International Des Associations D’Alpinisme.<br />
204 Neukam (2004), S.57.<br />
205 Harder (1987), S.75.<br />
206 Harder & Elsner (1987), S.76.<br />
207 Perwitzschki (2003), S.10 f.<br />
208 Harder & Elsner (1987), S.77.<br />
37
hung. 209 Das genaue Gegenteil stellt das künstliche oder technische Klettern dar. Hierbei ist<br />
die Verwendung von Hilfsmitteln über die reine Sicherung hinaus auch zum Ausruhen oder<br />
Fortkommen erlaubt. Oft werden hierbei vom Kletterer selbst feste Bohrhaken <strong>im</strong> Fels angebracht,<br />
was allerdings inzwischen in den meisten Klettergebieten verboten ist. 210<br />
Die Begriffe Freiklettern und Sportklettern werden teilweise synonym verwendet, da eine<br />
klare Trennlinie schwer zu ziehen ist und Freiklettern eher eine Kletterphilosophie als eine<br />
Kletterdisziplin darstellt. Das in dieser Arbeit betrachtete Sportklettern konzentriert sich<br />
meist auf kürzere Passagen von nicht mehr als einer Seillänge, also etwa 25-30 Metern. Die<br />
kürzere Routenlänge und die Absicherung mit Seil und Haken gegen das Sturzrisiko ermöglichen<br />
die Konzentration auf die Bewältigung von max<strong>im</strong>alen Schwierigkeitsgraden. Sportklettern<br />
wird inzwischen auch als Leistungssport mit offiziellen Regeln und Wettkämpfen durchgeführt.<br />
Es stellt heute die mit Abstand beliebteste Kletterdisziplin dar. 211 Zusätzlich für den<br />
<strong>Tourismus</strong> interessant ist, dass Sportkletterer in aller Regel bereits bestehende Routen nutzen,<br />
von denen eine Beschreibung existiert, welche in speziellen Kletterführern, sogenannten Topoführern,<br />
oder zunehmend auch <strong>im</strong> Internet nachgelesen werden kann. Für diese Routen<br />
wurde nach Erstbegehung und Beschreibung jeweils der Schwierigkeitsgrad best<strong>im</strong>mt und<br />
oftmals wurden feste Haken zur Absicherung angebracht. 212 Dies eröffnet dem Destinationsmanagement<br />
Handlungsspielräume durch die gezielte Schaffung von Zugängen zu Felsen, an<br />
denen Klettern aus Naturschutzsicht unbedenklich ist, oder durch die gezielte Einrichtung<br />
von Routen. So können bis zu einem gewissen Grade die Aktivitäten der Sportkletterer gelenkt<br />
werden und die Attraktivität eines Gebietes für Sportkletterer beeinflusst werden. In<br />
Abgrenzung zum Sportklettern wird teilweise noch das Abenteuerklettern unterschieden bzw.<br />
das saubere Klettern, das an unerschlossenen Felsmassiven und ausschließlich mit wiederentfernbarer<br />
Sicherungstechnik praktiziert wird. 213<br />
Anhand der Routenlänge lassen sich zwei weitere Disziplinen des Felskletterns unterscheiden:<br />
das Bouldern und das alpine Klettern. Bouldern erfolgt ohne jegliche Sicherung, jedoch<br />
nur bis zu einer Höhe, aus der ein sicherer Absprung zum Boden jederzeit möglich ist. Bouldern<br />
kann an einzelnen Felsblöcken oder <strong>im</strong> Einstiegsbereich längerer Routen durchgeführt<br />
werden. Es stellt sowohl eine Trainingsmöglichkeit für alle Kletterer dar, um beispielsweise<br />
extrem schwierige Bewegungsabläufe zu trainieren, als auch eine eigene Kletterdisziplin mit<br />
speziellen Wettkämpfen. 214 Aus touristischer Sicht können und müssen Boulderer also nicht<br />
streng von Sportkletterern getrennt werden.<br />
209 Creasey (2001), S.15.<br />
210 Barry & Mear (1989), S.43.<br />
211 Winter (2000), S.10.<br />
212 Harder & Elsner (1987), S.78 f. und Hanemann (2000), S.21.<br />
213 Hanemann (2000) und Donelly (1997).<br />
214 Perwitzschki (2003), S.15 f.<br />
38
Be<strong>im</strong> alpinen Klettern werden Routen von mehreren Seillängen <strong>im</strong> Hochgebirge erklommen.<br />
Zur reinen klettertechnischen Schwierigkeit kommen be<strong>im</strong> alpinen Klettern die zusätzlichen<br />
Anforderungen durch die Länge der Route und die alpinen Gefahren, wie unberechenbares<br />
Wetter oder schwierige Bergung bei Verletzungen, hinzu. 215 Alpines Klettern kann also nur<br />
in Hochgebirgen durchgeführt werden und hat für Mittelgebirgsdestinationen keine Relevanz.<br />
Da es sich be<strong>im</strong> Sportklettern mit seinen Unterdisziplinen bei weitem um die verbreitetste<br />
Kletterdisziplin handelt und diese auch in den <strong>Tourismus</strong>destinationen in den Mittelgebirgen<br />
durchgeführt wird, ist das Sportklettern die für diese Arbeit entscheidende Kletterdisziplin.<br />
Insofern wird unter Klettern <strong>im</strong> Folgenden Sportklettern an natürlichen Felsen verstanden.<br />
3.1.2. Eigenschaften von Kletterern<br />
Um ein besseres Bild der Kletterer zu gewinnen, sollen zunächst einige demographische Sekundärdaten<br />
dargestellt werden. SCHURZ vergleicht die Ergebnisse einiger vom DAV durchgeführter<br />
oder unterstützter Studien. Sie kommt zu dem Schluss, dass Kletterer in Deutschland<br />
zu etwa 70% männlich und 30% weiblich sind, wobei einige Studien einen noch höheren<br />
Männeranteil aufwiesen. 216 Ähnliche Ergebnisse bezüglich des Geschlechterverhältnisses<br />
werden auch aus den USA berichtet. 217 In den Untersuchungen des Alpenvereins bildeten die<br />
19 bis 30 Jährigen durchweg die stärkste Gruppe mit in der Regel über 50%. Nur einen relativ<br />
geringen Anteil machten Kletterer unter 18 Jahren mit zwischen 1% und 13% aus. Auch<br />
bei den verbleibenden Kletterern über 30 Jahren, die in allen Untersuchungen mindestens ein<br />
Viertel der Probanden ausmachten, lag ein Schwerpunkt auf der Altersklasse von 30 bis 40<br />
Jahren. Das Durchschnittsalter rangierte in den betrachteten Studien zwischen 28 und 30 Jahren.<br />
218 Auch amerikanische Studien ermittelten, dass Klettern überwiegend von jungen Menschen<br />
betrieben wird. Hier war bei etwas anderer Einteilung die Gruppe der 16 bis 24 Jährigen<br />
<strong>im</strong> Zeitreihenvergleich der Jahre 1999 bis 2004 durchweg die zahlenmäßig stärkste. 219<br />
Dies liegt an der mit dem Klettern verbundenen, teilweise starken körperlichen Beanspruchung.<br />
Auch der rege Zulauf überwiegend junger Menschen, die das Klettern in den letzten<br />
Jahren neu für sich entdeckt haben, senkt das Durchschnittsalter. Zusätzlich führt die zunehmende<br />
Verbreitung des Klettersports an Schulen und in der Pädagogik allgemein mehr Menschen<br />
unter 18 Jahren zum Klettern. 220 Auffällig ist das hohe Ausbildungsniveau der Kletterer.<br />
So verfügten in den von SCHURZ betrachteten Studien die Befragten durchweg zu zwei<br />
Dritteln über Abitur oder einen Hochschulabschluss, 221 und auch neuseeländische Studien<br />
kamen zu ähnlichen Ergebnissen, 222 wobei aufgrund der Altersstruktur zu bedenken ist, dass<br />
215 Harder & Elsner (1987), S.79.<br />
216 Schurz (2000), S.35.<br />
217 Outdoor Industry Association (2004), S.208.<br />
218 Schurz (2000), S.36.<br />
219 Outdoor Industry Association (2004), S.208.<br />
220 Reuß, Grundgeiger, Schmidt-Volkmar & Braun (1994) und Winter (2000).<br />
221 Schurz (2000), S.36.<br />
222 Johnston (1992), S.163.<br />
39
sich viele der befragten Kletterer noch in der Ausbildung befanden, was diese Zahlen tendenziell<br />
sogar noch nach unten verzerrt. Bedenkt man die in Abschnitt 2.1.3. dargestellte Schieflage<br />
der Gästestruktur in Mittelgebirgsdestinationen für genau die Merkmale Alter und Bildungsniveau,<br />
erscheinen Kletterer als ideale Kundengruppe für diese Regionen.<br />
Die Kletterer werden teilweise auch nach den bewältigten Routenschwierigkeitsgraden unterteilt.<br />
In Studien des Alpenvereins werden Kletterer, die Routen der Schwierigkeitsgrade I bis<br />
III auf der internationalen UIAA Skala 223 bewältigen, als Anfänger, Gelegenheitskletterer und<br />
leicht kletternde Bergsteiger bezeichnet. Bei Umfragen in Klettergebieten gehörten 10 bis<br />
22% der Befragten zu dieser Gruppe, wobei ihr Anteil in alpinen Klettergebieten am höchsten<br />
war. Bei Befragungen in den Alpenvereinssektionen erreichte diese Gruppe dagegen einen<br />
Anteil von über 50%. Dies spricht für eine deutlich niedrigere Frequenz von Reisen in Klettergebiete<br />
als bei Kletterern der höheren Schwierigkeitsgrade. Die fortgeschritteneren Kletterer<br />
werden in Genusskletterer schwierigerer Routen (Schwierigkeitsgrade IV bis VI) und Extremkletterer<br />
(Schwierigkeitsgrade VII und darüber) unterteilt, deren Anteil an den Befragten<br />
in Klettergebieten zwischen 40 und 63% für die Genusskletterer und zwischen 27 und 46%<br />
für die Extremkletterer liegen. 224 Im Lichte dessen, dass die Extremkletterer in allen Studien<br />
von einem knappen Drittel bis fast die Hälfte der Probanden ausmachten, passt die Bezeichnung<br />
„extrem“ eigentlich nur für den gewählten Schwierigkeitsgrad und das dafür notwendige<br />
intensive Training, nicht aber für die Größe der Gruppe. Soweit sich die unterschiedlichen<br />
bevorzugten Routenschwierigkeiten der Kletterer in unterschiedliche Motivationen bei der<br />
Auswahl von <strong>Destinationsmarken</strong> bzw. unterschiedliche Anforderungen an Destinationen<br />
auswirken, ist diese Unterscheidung durchaus auch touristisch interessant. Dies wird auch in<br />
den empirischen Teilen der Arbeit zu untersuchen sein.<br />
3.1.3. Die Persönlichkeit von Kletterern<br />
Es existiert eine breite sportwissenschaftliche Literatur, die sich mit den Besonderheiten von<br />
Sportklettern beschäftigt. Insbesondere werden hierbei die Persönlichkeit, 225 die Subkultur 226<br />
und die Motive 227 der Kletterer untersucht.<br />
Die Persönlichkeit eines Menschen hat Einfluss sowohl auf seine Bedürfnisse als auch auf<br />
sein Verhalten. Die Persönlichkeit von Bergsportlern <strong>im</strong> Allgemeinen und Kletterer <strong>im</strong> Besonderen<br />
war als vermutete Extremgruppe <strong>im</strong>mer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.<br />
228 In einer Kombination standardisierter psychologischer Tests und Tiefeninterviews<br />
untersuchte BRANDAUER die Persönlichkeit von Sportkletterern und zog sowohl<br />
223 Die Skala der UIAA beginnt bei I und ist nach oben offen. Die gegenwärtig schwersten existierenden Routen<br />
haben den Grad XI. Neben dieser internationalen Skala existieren zahlreiche nationale und regionale<br />
Schwierigkeitsskalen, so z.B. in <strong>Frank</strong>reich, England und in Sachsen.<br />
224 Schurz (2000), S.37-39.<br />
225 Brandauer (1994).<br />
226 Donelly & Young (1988).<br />
227 Mitchell (1983), Brandauer (1986), Winter (2000), K. Beier (2001).<br />
228 Vgl. z.B. Aufmuth (1988), Cronin (1991), Levebre (1980), Levenson (1990).<br />
40
Vergleiche zwischen den Geschlechtern, als auch mit Hilfe von Sekundärdaten zur Normalbevölkerung,<br />
zu Bergsteigern und zu Aktiven anderer Sportarten. Die von ihm untersuchten<br />
österreichischen Sportkletterer unterschieden sich in ihren Persönlichkeiten deutlich zur Referenzgruppe<br />
der deutschen Normalbevölkerung. Die Sportkletterer erwiesen sich als unkonventioneller,<br />
unbefangener und flexibler. Auf Sekundärfaktorebene war es vor allem die niedrigere<br />
Normgebundenheit der Kletterer, die gegenüber der Durchschnittsbevölkerung hervorstach.<br />
229 Klettern als eine Sportart, die den größten Teil ihres Bestehens ohne verbindliche,<br />
schriftlich niedergelegte Regeln und ohne formale Organisationen auskam und sich rein auf<br />
sozial konstruierte und sanktionierte Regeln berief, 230 ist für Personen mit diesen Persönlichkeitsmerkmalen<br />
offensichtlich besonders attraktiv. Auch geschlechtsspezifische Unterschiede<br />
wurden gefunden. So zeigten sich Sportkletterinnen signifikant selbstsicherer und sozial potenter<br />
als die Frauen in der Normalbevölkerung, während die männlichen Sportkletterer deutlich<br />
sensibler und sozial zurückhaltender als die Männer in der Normalbevölkerung waren.<br />
Dies war verknüpft mit einer eher depressiven Grundbefindlichkeit. Zusätzlich wurde festgestellt,<br />
dass sich die besten Kletterer selbst als deutlich introvertierter, zurückhaltender, sensibler<br />
und weniger kontaktfreudig beschrieben. 231 Hier ist jedoch kritisch anzumerken, dass die<br />
gesamte betrachtete Stichprobe aus Kletterern mit weit überdurchschnittlichen Kletterfähigkeiten<br />
bestand, während aus touristischer Sicht gerade auch die Masse der Freizeit- und Gelegenheitskletterer<br />
interessant ist. Es kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass<br />
diese über die gleichen Persönlichkeitsmerkmale verfügen. BRANDENBURGERS qualitative<br />
Ergebnisse aus den standardisierten Tests nachfolgenden Tiefeninterviews stützten weitgehend<br />
die beschriebenen Ergebnisse. So stützten sie auch die These deutlicher Persönlichkeitsunterschiede<br />
zwischen den Bergsportarten Sportklettern und Bergsteigen, insbesondere<br />
<strong>im</strong> Sinne von höherer Konventionalität, aber auch deutlich höherer Risikobereitschaft der<br />
Bergsteiger. 232<br />
Weitere Persönlichkeitsstudien von Alpinisten und insbesondere Kletterern konzentrierten<br />
sich auf das Sensation-Seeking. 233 ZUCKERMAN definiert sensation seeking als: „the seeking<br />
of varied, novel, complex and intense sensations and experiences and the willingness to take<br />
physical and social risks for the sake of such experiences”. 234 Das Phänomen des Sensation-<br />
Seeking weist demnach große Ähnlichkeit mit dem <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong>bereich untersuchten Variety-Seeking<br />
Behavior auf, das den Wechsel zwischen Angeboten und Destinationen aus einem<br />
Abwechslungsbedürfnis heraus beschreibt. Wie be<strong>im</strong> Variety-Seeking Behavior, dessen zentrales<br />
Erklärungsmodell der Opt<strong>im</strong>um St<strong>im</strong>ulation Level (OSL) ist, versuchen Personen, die<br />
Sensation-Seeking zeigen, nach Möglichkeiten, ihr Erregungsniveau auf ein opt<strong>im</strong>ales Ni-<br />
229 Brandauer (1994), S.115-122.<br />
230 Donelly (1993b), S.126 f.<br />
231 Brandauer (1994), S.122-157.<br />
232 Brandauer (1994), S.159-180.<br />
233 Breivik (1996); Rossi & Cereatti (1993).<br />
234 Zuckerman (1979), S.10.<br />
41
veau anzuheben. Der Klettertourismus bietet hierzu eine Fülle von Möglichkeiten, die teilweise<br />
<strong>im</strong> Rahmen der Motive des Abenteuertourismus in Abschnitt 3.2.5. diskutiert werden.<br />
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass in einer Fülle psychologischer Studien ein starkes<br />
Sensation-Seeking- Bedürfnis für Kletterer und Bergsteiger gemessen wurde. 235 Insofern ist<br />
auch eine verstärkte Tendenz zum Variety-Seeking Behavior von Kletterern zu erwarten.<br />
3.1.4. Motive von Kletterern<br />
Die Diskussion des Sensation-Seeking von Kletterern bildet bereits einen Übergang zwischen<br />
der Betrachtung der Persönlichkeit und den Motiven der Kletterer, da Sensation-Seeking sowohl<br />
als Persönlichkeitsmerkmal als auch als Motiv für die Ausübung des Sports beschrieben<br />
wird. Im Folgenden wird Literatur zu den Motiven für die Ausübung des Kletterns als Sport<br />
erläutert. Die Suche nach Erlebnissen, die das Aktivierungsniveau erhöhen, spielt auch dort<br />
eine bedeutende Rolle.<br />
BRANDAUER unterscheidet auf der Basis von Tiefeninterviews und Expertenmeinungen sieben<br />
Motivkomplexe, die dem Klettern zugrunde liegen: 236<br />
1. Naturerleben<br />
2. Bewegungserleben<br />
3. Risiko- und Angsterleben<br />
4. Individualitäts- und Gemeinschaftserleben<br />
5. Leistungserleben<br />
6. Grenzerleben<br />
7. Konzentration und Flow-Erleben<br />
Das Naturerleben stellt be<strong>im</strong> Felsklettern ein zentrales Element des Erlebnisses dar. Aus<br />
sportlicher Sicht bezieht es sich jedoch in erster Linie auf das direkte, tätige Erleben der Felsen.<br />
Neue Eindrücke ergeben sich aus unterschiedlichen Gesteinsarten, Felsbeschaffenheit<br />
und Felsformationen. Nach der Meinung weiterer Autoren suchen die Felskletterer jedoch<br />
auch nach der meditativen Wirkung der Natur, die das Felsklettererlebnis bereichert. 237<br />
Das Erklettern senkrechter Felswände fordert den gesamten Körper. Die Vielfältigkeit der<br />
Bewegungsabläufe eröffnet ein einzigartiges Bewegungserleben. Während gerade in schwierigen<br />
Routen <strong>im</strong>mer neue und teilweise für die Bewältigung zwingende Bewegungsabläufe<br />
notwendig sind, muss gleichzeitig <strong>im</strong>mer auch eine individuell auf den eigenen Körper angepasste<br />
Lösung gefunden werden. Klettern bietet so die Möglichkeit, die eigene Problemlö-<br />
235 Brandauer (1994); Cronin (1991); Gomà i Freixanet (1991); Jack & Ronan (1998).<br />
236 Brandauer (1986); Brandauer (1994), S.18-20.<br />
237 Vgl. z.B. Aufmuth (1988), S.45.<br />
42
sungskompetenz und Kreativität einzusetzen und zu erleben. 238 WINTER sieht <strong>im</strong> Bewegungserleben<br />
des Kletterns nicht nur einen Weg, einzigartige Eindrücke zu sammeln, sondern auch<br />
eine Form, sich selbst in seinem individuellen Kletterstil auszudrücken. 239<br />
Sicherlich der umstrittenste Motivkomplex ist das Risiko- und Angsterleben. Das eingegangene<br />
Risiko kann der Kletterer bereits durch die Wahl der Disziplin bzw. durch den gewählten<br />
Begehungsstil stark beeinflussen. Zumindest <strong>im</strong> Bereich des Sportkletterns ist ein hohes<br />
Maß an Kalkulierbarkeit gegeben. Die Sturzangst ist dennoch stets präsent, insbesondere,<br />
wenn an der individuellen Leistungsgrenze geklettert wird. Dies gilt, auch wenn ein Sturz<br />
keine Lebensgefahr bedeutet. Dennoch sieht die Mehrzahl der Autoren in der Möglichkeit,<br />
ein kalkuliertes Wagnis einzugehen, einen zentralen Anreiz des Kletterns. 240 In einer Befragung<br />
von Outdoorsportlern in Neuseeland gaben die Kletterer zu 28,5% an, dass vorhandenes<br />
Risiko das Klettererlebnis positiv beeinflusse, während 26,5% das Risiko eher negativ sahen.<br />
Die größte Gruppe mit 40,8% sah sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss<br />
des Risikos auf das Klettererlebnis. Dabei stieg mit der Erfahrung die Sichtweise des Risikos<br />
als positive Herausforderung und unter den Geschlechtern waren Männer deutlich risikoaffiner.<br />
Insgesamt unterschieden sich die Kletterer in ihrer Bewertung des Einflusses des Risikos<br />
auf die Erlebnisqualität jedoch nur relativ wenig von den anderen untersuchten Aktivitäten,<br />
wie Skifahren und Wandern. Die Ergebnisse unterstützen die Sichtweise, dass Risiko eine<br />
Bedrohung darstellt, aber auch eine Herausforderung, die bei Bewältigung ein besonders intensives<br />
Gefühl der Selbstbestätigung ermöglicht. 241 In eine ähnliche Richtung gehen die Ergebnisse<br />
von BEIER zur Bereitschaft der Kletterer, das Risiko einer Verletzung in Kauf zu<br />
nehmen. Zwar gaben 90,7% der Befragten Kletterer an, ein leichtes Verletzungsrisiko in<br />
Kauf zu nehmen, aber nur 2,3% ein mittleres und kein Proband ein hohes. So wurden die<br />
Kletterer <strong>im</strong> Vergleich zu fünf anderen untersuchten Outdoorsportarten, deren Teilnehmer<br />
teilweise ein deutlich höheres Risiko akzeptierten, sogar als eher sicherheitsorientiert eingestuft.<br />
242<br />
Ein weiterer Motivkomplex ist das Individualitäts- und Gemeinschaftserleben. Sportklettern<br />
ist zunächst eine sehr individuelle Sportart. Auch wenn für gewöhnlich ein Partner den Kletterer<br />
absichert, ist er bei der Bewältigung der selbst gestellten Aufgabe <strong>im</strong> Unterschied zur<br />
Seilschaft be<strong>im</strong> Bergsteigen ganz auf sich allein gestellt und auch nur von sich selbst abhängig.<br />
Dies ermöglicht das Erleben von Eigenverantwortung sowie der eigenen Stärken und<br />
Grenzen. So ist die Belohnung der Leistung auch zunächst intrinsischer Natur. Einen wichtigen<br />
sozialen Bezugsrahmen stellen jedoch auch die anderen Kletterer dar, die durch die gemeinsame<br />
Aktivität zusammengeschweißt werden. Die Gemeinschaft bietet den Kletterern<br />
238 Hausenberger (2004), S.56.<br />
239 Winter (2000), S.26 f.<br />
240 Vgl. z.B. Opaschowski (2000), S.110; Hausenberger (2004), S.53; Brandauer (1994), S.19.<br />
241 Johnston (1992), S.163-167.<br />
242 K. Beier (2001), S.243.<br />
43
die Möglichkeit, die Klettererlebnisse zu teilen. Die Suche nach Anerkennung durch die Klettererszene<br />
ist dabei ebenfalls ein starkes Motiv.<br />
Da das Meistern schwieriger Kletterrouten konditionelle, koordinative und psychische<br />
Höchstleistungen erfordert, ist auch das eigene Leistungserleben ein Motiv be<strong>im</strong> Klettern,<br />
wobei der Kletterer Zeit, Ort und Art der Herausforderung selbst wählen kann. Diese Freiheit<br />
wird teilweise als eigenes Motiv herausgestellt. 243 Auch wenn die Einführung von Schwierigkeitsgraden<br />
den interpersonellen Vergleich erleichtert und Konkurrenz <strong>im</strong> Klettern von Beginn<br />
an existierte, 244 steht dabei die eigene, direkte Auseinandersetzung mit dem Fels <strong>im</strong><br />
Vordergrund und nicht der Vergleich mit anderen Kletterern. Durch das Aufkommen von<br />
Kletterwettkämpfen in den letzten Jahren änderte sich dies grundlegend. Zeit, Ort und Art der<br />
Aufgabe sind in diesen Fällen festgelegt und die eigene Leistung wird <strong>im</strong> Vergleich zur Leistung<br />
anderer definiert. 245<br />
Auch das Motiv des Grenzerlebens ist für das Klettern typisch. Die Erfahrung der eigenen<br />
Grenzen <strong>im</strong> Sinne von psychischer und physischer Leistungsgrenze, aber auch oftmals<br />
Schmerzgrenze, 246 spielt für Kletterer eine wichtige Rolle, insbesondere das Erleben der Relativität<br />
dieser Grenzen, die mit zunehmender Erfahrung und zunehmendem Können <strong>im</strong>mer<br />
weiter hinausgeschoben werden.<br />
Als letzter Motivkomplex wird von BRANDAUER Konzentration und Flow-Erleben genannt.<br />
Klettern erfordert unter anderem wegen des stets präsenten Sturzrisikos ständige Konzentration<br />
auf die Tätigkeit, während andere Gedanken in den Hintergrund gedrängt werden. Das<br />
Klettern erfüllt so in idealer Weise die Voraussetzungen für Flow-Erlebnisse. Diese bezeichnen<br />
besonders befriedigende Erlebnisse, während denen ein völliges Aufgehen in einer Tätigkeit<br />
eintritt. Für die Dauer von Flow-Erlebnissen besteht ein Gleichgewicht von Anforderung<br />
und Können. Darüber werden Alltagssorgen oder Selbstzweifel vergessen. Man befindet<br />
sich „<strong>im</strong> Fluss“. 247 Ebenso wie für Flow-Erlebnisse ist für das Erleben von Peak Experiences,<br />
248 die ebenfalls <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Klettern diskutiert werden, ein perfektes<br />
Gleichgewicht aus Anforderungen und Fähigkeiten erforderlich.<br />
Einen quantitativen Messansatz wählte BEIER, der die subjektive Wichtigkeit ausgewählter<br />
Anreize zur Partizipation in den Outdoorsportarten Klettern, Mountainbiking, Rennradfahren,<br />
Skifahren, Snowboardfahren und Skitourengehen untersuchte. 249 Für 40 Anreize wurde auf<br />
einer 5er Skala (1= absolut unwichtig bis 5= sehr wichtig) von den Probanden die subjektive<br />
Wichtigkeit für die persönlichen Sportausübung abgefragt. Mit Hilfe einer Faktorenanalyse<br />
243 Aufmuth (1988), S.46.<br />
244 Donelly (1981).<br />
245 Winter (2000), S.22 f.<br />
246 Güllich & Kubin (1986), S.120 f.<br />
247 Anft & Heß (1993), S.353; Csikszentmihalyi (1992).<br />
248 Priest (1992).<br />
249 K. Beier (2001), S.196-299.<br />
44
wurden die 40 Anreizitems zu acht Anreizd<strong>im</strong>ensionen zusammengefasst. Die folgende Grafik<br />
gibt die Ergebnisse für die Kletterer, sortiert in der Reihenfolge der durchschnittlichen<br />
Wichtigkeit, wieder:<br />
Mittelwerte der Anreizd<strong>im</strong>ensionen<br />
Soziales Wohlbefinden<br />
3.99<br />
Naturerleben<br />
3.93<br />
Kompetenzerleben/Leistungsverbesserung<br />
3.91<br />
Anregung und Erregung erleben<br />
3.82<br />
Psychisches Wohlbefinden<br />
3.73<br />
Bewegungserleben<br />
3.60<br />
Gesundheit und Fitness<br />
3.31<br />
Leistungspräsentation<br />
2.89<br />
2.00 3.00 4.00 5.00<br />
Abbildung 8: Mittelwerte der Anreizd<strong>im</strong>ensionen; K. Beier (2001), S.293.<br />
Mit einem Durchschnittwert von 3,99 auf der 5er Skala wurden die <strong>im</strong> Faktor „soziales<br />
Wohlbefinden“ zusammengefassten Anreize am höchsten eingestuft. Die Herstellung, der<br />
Genuss und die Pflege sozialer Kontakte machten diese Anreizd<strong>im</strong>ension aus. Diese D<strong>im</strong>ension<br />
ähnelt also dem obigen Motivkomplex Gemeinschaftserleben. In keiner der anderen untersuchten<br />
Sportarten waren die sozialen Kontakte ähnlich wichtig. Den zweiten Rang nahm<br />
mit durchschnittlich 3,93 das „Naturerleben“ ein, das nur von den Skitourengehern in seiner<br />
Bedeutung höher eingeschätzt wurde. Es folgten „Kompetenzerleben und Leistungsverbesserung“<br />
mit 3,91, die sich auf Anreize wie Selbstbeherrschung, Selbstbewertung und die Steigerung<br />
der physischen Fähigkeiten bezogen . Diese D<strong>im</strong>ension umfasst den intrinsischen Teil<br />
des obigen Leistungserlebens. Die folgende D<strong>im</strong>ension „Anregungen und Erregung erleben“,<br />
umfasst mit Angstlust, Herausforderung und Spannung sowohl den Risikoaspekt als auch den<br />
Bereich Konzentration, Selbstvergessenheit und generell die Möglichkeit Neues zu erleben.<br />
In der D<strong>im</strong>ension „Psychisches Wohlbefinden“ ist neben Abschalten und psychischer Regeneration<br />
der Anreiz „Alleinsein“ enthalten. Die D<strong>im</strong>ension „Bewegungserleben“ deckt sich<br />
mit dem obigen Motivkomplex. Einen Durchschnittswert von nur noch 3,31 erreicht die D<strong>im</strong>ension<br />
„Gesundheit und Fitness“. Diese spielte in den bisherigen Ausführungen zu den Motiven<br />
des Kletterns keine Rolle und auch <strong>im</strong> Vergleich zu den anderen untersuchten Sportarten<br />
wurde sie von den Kletterern eher niedrig bewertet. Dennoch wird dem Klettersport insbesondere<br />
durch die Beanspruchung aller Muskelgruppen <strong>im</strong> Körper und positive Auswir-<br />
45
kungen auf die Psyche grundsätzlich gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben. 250 Die<br />
geringste Wichtigkeit maßen die Kletterer der D<strong>im</strong>ension Leistungspräsentation mit 2,89 zu,<br />
wobei diese D<strong>im</strong>ension möglicherweise durch den Versuch der Probanden verzerrt wird, sozial<br />
erwünschte Antworten zu geben. Dass mit der eigenen Leistungsfähigkeit zu prahlen<br />
nicht zu den sozial akzeptierten Verhaltensweisen unter Kletterern gehört, zeigt auch die folgende<br />
Diskussion der Subkultur der Kletterer.<br />
3.1.5. Subkultur der Kletterer<br />
Eine weiteres Motiv des Kletterns, die von WINTER genannt wird, leitet zur Notwendigkeit<br />
über, die Subkultur der Kletterer bzw. die bereits erwähnte Klettererszene näher zu betrachten.<br />
Durch die Ausübung des Klettersports bringt man gleichzeitig die Zugehörigkeit zu dieser<br />
Subkultur zum Ausdruck. 251 Kletterer werden teilweise als verrückt betrachtet, aber<br />
gleichzeitig auch als außergewöhnlich, dynamisch oder wagemutig bewundert, sodass der<br />
Wunsch, sich durch das Klettern von der Masse abzuheben, ein Motiv für das Klettern darstellen<br />
kann. 252 JANSEGERS hat auf der Basis einer Synthese der Literatur zu Subkulturen vier<br />
definitorische Eigenschaften von Subkulturen herausgestellt: Eine Subkultur ist demnach eine<br />
identifizierbare Kollektivität<br />
1. mit einem für die Kultur spezifischen Muster von Werten, Normen, Sanktionen, Einstellungen,<br />
Ritualen und Symbolen<br />
2. mit einer spezifischen Sozialstruktur<br />
3. mit einem sichtbaren Einfluss auf das Verhalten und den Lebensstil ihrer Mitglieder<br />
4. und sie existiert als eigenständige Einheit, aber nicht völlig losgelöst von der dominanten<br />
Kultur. 253<br />
DONELLY und YOUNG beschreiben den Prozess des Einstiegs von Anfängern in eine Subkultur:<br />
“New members of subcultures begin to deliberately adopt mannerisms and attitudes, and<br />
styles of dress, speech, and behavior that they perceive to be characteristic of established<br />
members of the achieved subculture.” 254 Die Versuche, durch die Übernahme dieser wahrnehmbaren<br />
Kennzeichen die Zugehörigkeit zur Subkultur zu demonstrieren, richten sich an<br />
zwei verschiedene Bezugsgruppen: Angehörige der Subkultur und die Gesellschaft insgesamt.<br />
255 Aktivitäten, die mit einer starken Subkultur verbunden sind, werden nicht nur ausgeübt,<br />
weil sie einen unterhaltsamen Zeitvertreib darstellen, sondern auch, um gegenüber sich<br />
selbst, den Angehörigen der Subkultur und der Gesellschaft insgesamt etwas über die eigene<br />
250 Winter (2000), S.23 f. und Geiger (2000).<br />
251 Aufmuth (1988), S.25 ff.<br />
252 Brandauer (1994), S.7.<br />
253 Jansegers (1981) zitiert in Vanreusel & Renson (1982), S.184.<br />
254 Donelly & Young (1988), S.224.<br />
255 Donelly & Young (1988), S.224; Bourdeau et al. (2004), S.24.<br />
46
Identität auszusagen. 256 Ebenso wie die Freizeitgestaltung hat in den westlichen Gesellschaften<br />
die Urlaubsgestaltung eine untrennbare Verbindung zur individuellen Selbstverwirklichung.<br />
257 Eine Reihe von Untersuchungen der Subkulturen verschiedener Sportarten haben<br />
deutliche Unterschiede ergeben. 258 Dies gilt auch für verschiedene Risikosportarten und für<br />
die Subkultur der Kletterer innerhalb des Alpinismus, sodass es notwendig ist, die zentralen<br />
Elemente der Kletterersubkultur näher zu betrachten. 259<br />
Laut DONELLY und YOUNG zeichnet sich die Subkultur der Kletterer insbesondere durch Risikobereitschaft,<br />
Selbstbeherrschung in Gefahrensituationen und Herunterspielen der eigenen<br />
Leistung aus. Diese Werte spielen auch in den mündlichen und schriftlichen Erzählungen<br />
eine bedeutende Rolle, die stark von Abenteuergeschichten, Risiko und Unfällen geprägt<br />
sind. 260 Um den sozialen Status innerhalb der Subkultur zu erhöhen, sind hohe Kletterfähigkeiten<br />
und hohe Integration in die Kletterszene entscheidend. 261 Ein weiteres wichtiges Element<br />
der Kletterersubkultur ist die Ablehnung fixer, zentral festgelegter und sanktionierter<br />
Regeln und der dafür erforderlichen Organe. Auch wenn durch die Einführung von Wettkämpfen<br />
sowie international gültigen Schwierigkeitsgraden und nicht zuletzt durch die Notwendigkeit,<br />
drohenden Felssperrungen in organisierter Form zu begegnen, die Bedeutung von<br />
zentralen Organisationen an Bedeutung gewonnen hat, sind Autonomie, Selbstorganisation<br />
und oft auch ein gewisser Antikonformismus nach wie vor in der Kletterszene verbreitete<br />
Werte. Wie sich an der historischen Entwicklung des Kletterns, zum Beispiel der Entwicklung<br />
des clean cl<strong>im</strong>bing, ablesen lässt, war die „richtige“ Art zu klettern stets Gegenstand<br />
intensiver Diskussionen in der Subkultur. Diese wurden mündlich und über Kletterzeitschriften<br />
ausgetragen. Heutzutage kommt natürlich das Internet mit seinen Diskussionsforen hinzu.<br />
Den jeweils aktuellen Diskussionsstand gibt die sogenannte Kletterethik wieder. 262 Spezialisierte<br />
Medien wie Printmedien und Internetseiten sind Teil des Informationsverhaltens, das<br />
die Subkultur der Kletterer auszeichnet. Dieses zeichnet sich außerdem durch eigene Begrifflichkeiten<br />
und eine hohe Bedeutung von mündlicher Kommunikation und Weiterempfehlungen<br />
aus. 263<br />
Eine Subkultur ist jedoch niemals statisch und unveränderlich. 264 Gerade <strong>im</strong> Klettern gibt es<br />
gravierende regionale Unterschiede in der Kletterethik, welche die in der lokalen Subkultur<br />
vorherrschende Meinung über die richtige Art des Kletterns wiedergibt. Zudem stellen nicht<br />
nur die verschiedenen Disziplinen des Kletterns Impulse für die Veränderung und unter Um-<br />
256 Kleiber & Kirshnit (1991), B. C. Green & Chalip (1998), S.280-282.<br />
257 Gnoth, S.287; Allcock (1994), S.77 f.<br />
258 Donelly (1993a); Donelly & Young (1988); B. C. Green & Chalip (1998); Theberge (1995); Vanreusel &<br />
Renson (1982).<br />
259 Winter (2000), S.1.<br />
260 Vanreusel & Renson (1982), S.194 f.; Donelly & Young (1988), S.230-234. Für eine ausführlichere Analyse<br />
der Kommunikation unter Kletterern und Bergsteigern vgl. Mitchell (1983), S.68-77.<br />
261 Vanreusel & Renson (1982), S.194; Devall (1973), S.57.<br />
262 Donelly (1993a), S.126.<br />
263 Bourdeau et al. (2004), S.24.<br />
264 Donelly (1993a); Donelly & Young (1988), S.237.<br />
47
ständen das Auseinanderdriften der Subkultur z.B. zwischen Abenteuerkletterern und Sportkletterern<br />
265 dar, sondern auch die unterschiedlichen Zugänge durch kommerzielle Kurse,<br />
Schul- oder Universitätskurse oder Klettervereine. Zusätzlich variiert das Verständnis des<br />
Kletterns zwischen Trendsport, Freizeitbeschäftigung und Leistungssport.<br />
Wirtschaftlich bedeutsam ist die Feststellung, dass die Zugehörigkeit zur Kletterersubkultur<br />
auch durch die „richtige“ Ausrüstung, Kleidung und Accessoires demonstriert wird. Hierbei<br />
spielen auch subkulturspezifische Marken eine große Rolle. Insbesondere Neulinge sehen<br />
hier eine Möglichkeit oder gar Notwendigkeit, sich die Zugehörigkeit zur Subkultur sozusagen<br />
zu erkaufen. 266 Für Firmen eröffnet dies natürlich Marketingchancen und der von Experten<br />
berichtete Trend zur Kommerzialisierung des Kletterns, 267 wie er auch bei den Abenteuersportarten<br />
zu beobachten ist, 268 kann so kaum überraschen. Aus Sicht des Markenmanagements<br />
spricht man von einer Subculture of Consumption oder Konsumsubkultur, wenn ein<br />
„gemeinsames Interesse, Marke oder Aktivität und die damit verbundenen Konsumerfahrungen“<br />
269 vorliegen. Die Kletterer können also als Subculture of Consumption bezeichnet werden,<br />
die sich in ihren gemeinsamen Einstellungen, Werten, Sprache, Ritualen und gewählter<br />
Symbolik von der dominierenden Kultur unterscheiden. 270 Die Kenntnis der Differenzierungsmerkmale<br />
der Subkultur der Kletterer liefert also wertvolle Hinweise für die opt<strong>im</strong>ale<br />
Gestaltung der Markenpolitik.<br />
Einen letzten Aspekt der Kletterersubkultur beschreiben GRIJALVA und SHAW. Sie nennen ein<br />
Beispiel aus der Szenesprache: „<strong>Interest</strong>ingly, a cl<strong>im</strong>ber somet<strong>im</strong>es refers to success as bagging<br />
a route, which conjures up the hunter’s cla<strong>im</strong> of bagging a deer or an elk.” 271 Kletterer,<br />
die sich so ausdrücken, suchen nach neuen Herausforderungen, sobald sie eine best<strong>im</strong>mte<br />
Route gemeistert haben. Im Fall des <strong>Frank</strong>enjuras existieren regelrechte Aufstellungen der<br />
schwersten Routen, die dann nacheinander abgehakt werden können. Aus touristischer Sicht<br />
ist dies als Motiv für Novelty-Seeking bzw. Variety-Seeking Behavior durch die Klettertouristen<br />
zu werten.<br />
3.2. Klettertourismus als Teil des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
Klettern ist ein Teilsegment des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>, da Klettern die zentrale und namensgebende<br />
Urlaubsaktivität ist, um die der Urlaub von den Kletterern herum organisiert<br />
wird. Die Analyse des Klettertourismus als Teilsegment des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> ermöglicht<br />
Erkenntnisse aus anderen hochspezialisierten <strong>Tourismus</strong>segmenten für die Analyse<br />
heranzuziehen. Zunächst wird <strong>im</strong> folgenden Abschnitt der Begriff <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
265 Donelly (1997), S.79.<br />
266 Donelly & Young (1988), S.229.<br />
267 Donelly (1993b), S.131.<br />
268 Ravenscroft, Wheaton & Gilchrist (2005), S.54; Bourdeau et al. (2004) und Donelly (1997), S.79.<br />
269 Loewenfeld (2006), S.33.<br />
270 Schouten & McAlexander (1995).<br />
271 Grijalva & Shaw (2002), S.71.<br />
48
abgegrenzt. In einem weiteren Abschnitt werden die vorhandenen Studien speziell zum Klettertourismus<br />
dargestellt, die jedoch nicht sehr zahlreich sind. Deshalb wird in drei weiteren<br />
Abschnitten mit dem Naturtourismus sowie dem Sporttourismus und dem Abenteuertourismus<br />
auf drei breitere Teilbereiche des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> eingegangen, denen der<br />
Klettertourismus jeweils zugeordnet wird, um zusätzliche Erkenntnisse für die Arbeit zu gewinnen.<br />
3.2.1. Definition und Abgrenzung des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
Da Klettertourismus in dieser Arbeit als eine Form des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> untersucht<br />
wird, ist es notwendig, diesen zu definieren und abzugrenzen. READ beschreibt <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong><br />
<strong>Tourismus</strong> folgendermaßen: „<strong>Special</strong> interest travel is travel for people who are going<br />
somewhere because they have an interest that can be pursued in a particular region or at a<br />
particular destination. It is the hub around which the total travel experience is planned and<br />
developed.” 272 Man kann also von <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> sprechen, wenn die Reisemotivation<br />
und Reiseentscheidung weitgehend von einem speziellen Interesse des Reisenden best<strong>im</strong>mt<br />
wird. 273 Zum Klettertourismus gehören demnach alle Reisen, bei denen die Möglichkeit<br />
der Ausübung des Klettersports ein zentraler Reisegrund ist. In der vorliegenden Arbeit<br />
ist die Analyse des Klettertourismus zudem auf Urlaubsreisen beschränkt. Die Definition des<br />
<strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> von READ lässt ein sehr breites Spektrum an Urlaubsformen zu,<br />
die unter den Begriff subsummiert werden können, da die zentralen Interessen, die mit der<br />
Reise befriedigt werden sollen, sehr vielfältig sein können. So werden Kultur- und Bildungstourismus<br />
ebenso dem <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> zugerechnet wie Sporttourismus und Naturtourismus.<br />
Auch Nischenmärkte, wie der Weintourismus, wurden bereits als Form des<br />
<strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> untersucht. 274<br />
Dass die Forschung zum <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> noch weiter entwickelt werden muss,<br />
stellten MCKERCHER und CHAN in einem viel beachteten Beitrag <strong>im</strong> Journal of Travel Research<br />
fest. 275 Sie formulierten die Frage: „How special is special interest tourism?“ Die Analyse<br />
der Autoren von Studien zu verschiedenen Sparten des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> stellt<br />
die dort berichtete methodische Vorgehensweise und die daraus abgeleitete ökonomische<br />
Relevanz des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> in Frage. Die Autoren stellen richtigerweise fest,<br />
dass für sinnvolle Strategie- und Produktentwicklung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> Sekundärdaten über die<br />
Urlaubsaktivitäten nicht ausreichen. Vielmehr werden hierfür fundierte Informationen über<br />
Bedürfnisse und Motivationen der Touristen benötigt. 276<br />
272 Read (1980), S.195.<br />
273 C. M. Hall & Weiler (1992), S.5.<br />
274 Brown & Getz (2005).<br />
275 McKercher & Chan (2005).<br />
276 McKercher & Chan (2005), S.30.<br />
49
Als gemeinsame Verhaltensweise der <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> Touristen wird die aktive Kontaktsuche<br />
mit dem kulturellen und/oder physischen Umfeld des Urlaubs gesehen. 277 Es geht diesen<br />
Touristen demnach nicht nur darum, an einen best<strong>im</strong>mten Ort zu reisen, sondern auch darum,<br />
dort das kulturelle und/oder physische Umfeld zu erleben und daran teilzunehmen. 278 Dies<br />
bedeutet eine erhöhte Anforderung an die lokale Bevölkerung, die sich einbringen und ein<br />
Teil des touristischen Erlebnisses werden muss. 279 Als bedeutende Motivationen von <strong>Special</strong><br />
<strong>Interest</strong> Touristen werden Novelty-Seeking, Weiterbildung und Selbstverwirklichung genannt.<br />
280 Insofern sind die <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> Touristen wohl überwiegend diesem allozentrischen<br />
Bereich auf dem zuvor in Abschnitt 2.1.1. beschriebenen Kontinuum von PLOG zuzuordnen.<br />
Dies lässt dann auch eine starke Tendenz zu Variety-Seeking Behavior erwarten.<br />
Die <strong>im</strong> Rahmen der Literatur zum <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> genannten Bereiche sind nicht<br />
überschneidungsfrei. 281 So wird Klettertourismus gleichzeitig drei verschiedenen Teilbereichen<br />
des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> zugerechnet: dem Naturtourismus, 282 dem Sporttourismus<br />
283 sowie dem Abenteuertourismus 284 . Zu jedem dieser Teilbereiche existiert inzwischen<br />
ein breiter Literaturkreis, der sich mit den jeweiligen Besonderheiten beschäftigt. Aus der<br />
näheren Betrachtung der Literatur zu den Besonderheiten des Naturtourismus, Sporttourismus<br />
und Abenteuertourismus ist ein Erkenntnisgewinn für das Verständnis des Klettertourismus<br />
zu erwarten, sodass die drei Teilbereiche des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> später etwas genauer<br />
dargestellt werden. Zunächst folgt jedoch eine Zusammenfassung der Literatur, die sich speziell<br />
mit dem Klettertourismus befasst.<br />
3.2.2. Stand der Forschung zum Klettertourismus<br />
CREASEY beginnt seine Beschreibung der bedeutendsten Klettergebiete mit der Aussage:<br />
„Heute ist Felsklettern ein weltweit gültiger Reisepass ins Abenteuer. Dank gesunkener Flugpreise<br />
ist es deutlich leichter geworden, auch abgelegene Klettergebiete zu erreichen. Zumal<br />
das Erleben exotischer Ziele mindestens genauso interessant ist, wie der Klettersport selbst.<br />
Für manchen Bergfreund ist das Klettern oft gar nur noch ein Vorwand, um in die Traumregionen<br />
dieser Erde zu entfliehen.“ 285 Dieses Zitat ist nur ein Beispiel für die enge Verknüpfung<br />
von Klettern und <strong>Tourismus</strong> aus Sicht der Kletterer selbst. Kletterer sind jedoch nicht<br />
automatisch Touristen. Wie andere Sportarten auch kann Klettern als Freizeitaktivität oder <strong>im</strong><br />
Rahmen von Tagesausflügen ausgeübt werden. Von Klettertouristen wird in dieser Arbeit<br />
gesprochen, wenn Personen mindestens eine Nacht außerhalb ihres üblichen Wohn- und Ar-<br />
277 C. M. Hall & Weiler (1992); Read (1980).<br />
278 C. M. Hall & Weiler (1992), S.5.<br />
279 Read (1980), S.199.<br />
280 C. M. Hall & Weiler (1992), S.4.<br />
281 Weiler & Hall (1992), S.199.<br />
282 Valentine (1992).<br />
283 Standeven & De Knop (1999).<br />
284 Beedie (2003); C. M. Hall (1992), S.144.<br />
285 Creasey (2001), S.234.<br />
50
eitsumfeldes verbringen, um Klettern als pr<strong>im</strong>ärer Freizeitaktivität nachzugehen. In diesem<br />
Fall kommen zu den oben diskutierten Motiven zur Ausübung des Klettersports zusätzlich<br />
Urlaubsmotive hinzu. Während jedoch zum Klettersport vielfältige wissenschaftliche Literatur<br />
existiert, finden sich nur relativ wenige Quellen zum Klettertourismus. In der <strong>Tourismus</strong>literatur<br />
wird Klettern oftmals nicht differenziert vom Bergsporttourismus <strong>im</strong> Allgemeinen<br />
behandelt 286 oder in anderen Fällen lediglich als ein Beispiel in Veröffentlichungen zum A-<br />
benteuertourismus erwähnt. 287 Im Folgenden werden die speziell zum Klettertourismus verfügbaren<br />
Quellen dargestellt.<br />
Die Sperrung einzelner Felsen oder ganzer Felsgebiete für das Klettern bzw. Planungen in<br />
diese Richtung haben zu einer Reihe volkswirtschaftlicher Studien zum ökonomischen Nutzen<br />
des Kletterns geführt. 288 Mit unterschiedlichen Methoden, die jedoch letztlich alle auf der<br />
max<strong>im</strong>alen Zahlungsbereitschaft beruhen, wird versucht, den Nutzen eines Kletteraufenthalts<br />
bzw. den Nutzenverlust durch Felssperrungen in Geldeinheiten zu quantifizieren. Die Ergebnisse<br />
für den Nutzenverlust durch die betrachteten Sperrmaßnahmen variieren auf Grund unterschiedlicher<br />
Messmethoden und Untersuchungsobjekte dramatisch von wenigen Dollar bis<br />
hin zu mehreren hundert Dollar. Bezogen auf die gesamte Gruppe der betroffenen Kletterer<br />
wird ein Nutzenverlust von bis zu 179 Millionen Dollar errechnet. 289 Durch die doch sehr<br />
verschiedenen Untersuchungsziele bietet diese Gruppe von Studien nur einen begrenzten Erkenntnisgewinn<br />
für die vorliegende Arbeit. Zwei Ergebnisse lassen sich jedoch festhalten:<br />
Erstens können Kletterer trotz ihrer <strong>im</strong> Vergleich zu Massensportarten geringen Aktivenzahlen<br />
in den Destinationen, in denen sie sich konzentrieren, einen bedeutenden ökonomischen<br />
Faktor darstellen. Zweitens unterstreicht die geographische Bandbreite der verwendeten Beispiele<br />
aus den USA, Schottland und den Alpen, dass die Kooperation mit Naturschutzinstitutionen<br />
und Klettererinteressenvertretungen unverzichtbare Elemente <strong>im</strong> Destinationsmanagement<br />
für den Klettertourismus sind.<br />
Ein Beitrag, der ebenfalls durch drohende Felssperrungen aus Naturschutzgründen motiviert<br />
ist, stammt von HANEMANN. Dieser stützt sich auf theoretische Überlegungen und Sekundärdaten.<br />
Die Autorin stellt zunächst die steigende Bedeutung des Klettertourismus in Deutschland<br />
und <strong>Frank</strong>reich dar. Sie konstatiert jedoch auch, dass die Erschließung neuer Klettergebiete<br />
in Deutschland kaum noch möglich ist, die Klettermöglichkeiten durch Sperrungen sogar<br />
abnehmen, was zu umfangreichen Ausweichbewegungen der Kletterer in die verbliebenen<br />
Gebiete führt. Neben den touristischen Effekten führt dies auch zu steigenden Belastungen<br />
der Natur in den verbliebenen Gebieten. An den Beispielen des <strong>Frank</strong>enjura und des<br />
Département Ardèche in <strong>Frank</strong>reich, wo der Klettertourismus gezielt gefördert wird, zeigt<br />
286 Bourdeau et al. (2004); Pomfret (2006).<br />
287 Beedie (2003).<br />
288 Grijalva, Berrens, Bohara, Jakus & Shaw (2002); Loewenstein (1999); Shaw & Jakus (1996); Thiene (2002).<br />
Für einen Überblick weiterer Studien vgl. Grijalva & Shaw (2002).<br />
289 Grijalva & Shaw (2002), S.70.<br />
51
HANEMANN auf, wie durch eine Kletterkonzeption und intelligente Zonierung sowohl dem<br />
Naturschutz als auch dem Klettertourismus Rechnung getragen werden kann. 290<br />
Im Kontext von Fun- und Trendsportarten als <strong>Tourismus</strong>magneten 291 analysiert PHILIPSEN-<br />
BURG auf der Basis von Sekundärdaten und theoretischen Überlegungen Potentiale des Klettertourismus<br />
sowie strategische Handlungsempfehlungen für Mittelgebirgsdestinationen. Er<br />
betont <strong>im</strong> Rahmen seiner Marktanalyse das Fehlen verlässlicher Marktforschungsergebnisse<br />
zur Zielgruppenbeschreibung. Die Klettertouristen werden von ihm grob in drei Gruppen<br />
unterteilt:<br />
- Extremkletterer, die stark selbstorganisiert und deshalb durch mehrwertschaffende<br />
touristische Angebote nur schwer zu erreichen sind.<br />
- Die Masse der Kletterer, für die er einen steigenden Komfortanspruch an den Urlaub<br />
konstatiert und eine zunehmende Offenheit für Zusatzangebote. Diese könnten Destinationen<br />
zusätzliche Umsätze bringen. Dies gilt insbesondere für etwas ältere Kletterer.<br />
Da der Kletterboom bereits seit Anfang der 80er Jahre anhält, n<strong>im</strong>mt deren Zahl<br />
stetig zu, soweit sie dem Klettern treu geblieben sind.<br />
- Eine dritte Gruppe bilden die Neugierigen, die bisher noch nicht klettern und deshalb<br />
auf Pauschalen oder zumindest Kursangebote angewiesen sind.<br />
Auch eine mögliche Destinationsstrategie <strong>im</strong> Klettertourismus wird angerissen. Als Elemente,<br />
die miteinander zu verzahnen sind, werden empfohlen:<br />
- Naturräumliches Potential<br />
- Wahrnehmbares Angebotsbündel Kletterregion<br />
- Kletterkonzeption<br />
- Indoorangebote Klettern/ nicht Klettern<br />
- Komplementärangebote<br />
- Events<br />
- Mehrwertthemen Klettertourismus<br />
- Zielgruppenorientierte Unterkünfte/ Gastronomie<br />
- Kooperationen (z.B. mit Ausrüstern oder Reiseveranstaltern).<br />
Wie eine solche Strategie konkret ausgestaltet werden könnte und sollte, wird <strong>im</strong> Lichte der<br />
empirischen Ergebnisse dieser Arbeit noch zu diskutieren sein. Insgesamt wird der Klettertourismus<br />
von PHILIPSENBURG als attraktives Mittel zur Profilierung insbesondere für Mittelgebirgsdestinationen<br />
gesehen. Dies wird zum einen auf positive Erfahrungen aus <strong>Frank</strong>reich<br />
290 Hanemann (2000).<br />
291 Faby, Fontanari & Treinen (2001).<br />
52
mit der relativ einkommensstarken Kundengruppe zurückgeführt und zum anderen auf die<br />
bisher kaum erfolgte Besetzung dieser Marktnische durch deutsche Destinationen. Weiterhin<br />
werden auch positive Imagewirkungen auf die Destinationsmarke insgesamt durch die Attraktivität<br />
eines Urlaubsgebiets für Kletterer angeführt und diese als zusätzliche Zuschauerattraktion<br />
für nicht kletternde Touristen hervorgehoben.<br />
Mit dem Klettertourismus in Spanien, wo sich dieser ebenfalls zunehmend als Wirtschaftsfaktor<br />
entwickelt, beschäftigt sich eine Fallstudie von SWARBROOKE ET.AL. In diesem Fall<br />
beruhen die Überlegungen hauptsächlich auf persönlicher Kommunikation mit Experten und<br />
Marktbeobachtungen. Interessant ist die Fallstudie, da sie konkrete Erfolgsfaktoren für Destinationen<br />
<strong>im</strong> internationalen Klettertourismus nennt. Dies sind eine gute Verkehrsanbindung,<br />
insbesondere günstige Flüge, die Verfügbarkeit von Kletterführern über die Region, vielfältige<br />
Klettermöglichkeiten über alle Schwierigkeitsgrade hinweg, spezielle Reise- und Kletterkursangebote<br />
und eine für Kletterer nutzbare <strong>Tourismus</strong>infrastruktur. 292<br />
Eine Pr<strong>im</strong>äruntersuchung zum Klettertourismus in Deutschland und insbesondere der Südpfalz<br />
wurde von GROTHEER ET.AL. durchgeführt. Sie befragten die Sektionen des DAV und<br />
der IG Klettern schriftlich. Die Untersuchung deckt also nur organisierte Kletterer ab, wobei<br />
von den Autoren selbst Unterschiede in Motivation und Verhalten zu den nicht organisierten<br />
Kletterern vermutet wurden. Leider bleibt in dieser Studie unklar, wer die Fragebögen tatsächlich<br />
beantwortete und ob die Antwortenden sich für ihre Vereinssektion insgesamt oder<br />
nur für sich selbst äußerten. So entstehen unklare Aussagen wie 85% der Kletterer seien 14-<br />
29% Jahre und 65% 30-39 Jahre. Dennoch handelt es sich um eine Pionierarbeit. Als wichtigste<br />
Entscheidungskriterien <strong>im</strong> Sinne von am häufigsten genannten Kriterien für die Wahl<br />
des Klettergebietes ergaben sich die räumliche Nähe zum Wohnort, die Attraktivität der Kletterregion<br />
und ein breites Angebot zum Klettern. Als weitere Motivationen der Destinationswahl<br />
wurden die klettertechnischen Herausforderungen durch die Routen des Gebietes, Empfehlungen<br />
für die Region, ein angepasstes Angebot, gute Absicherung, ein gewisses Maß an<br />
Infrastruktur und ergänzende Angeboten angegeben. Zusätzlich wurden als feste Antwortvorgaben<br />
die Hauptmotive der Kletterer für die Ausübung ihres Sports abgefragt. „Sportlicher<br />
Reiz“ fand die größte Zust<strong>im</strong>mung (92%) vor „Natur erleben“ (69%), „Gemeinschaft“ (54%),<br />
„Alpinistischer Leistung“ (40%), „Risiko und Abenteuer“ (34%), „Flow-Effekt“ (34%) und<br />
„Familienabenteuer“ (9%). Die Untersuchung stellte überwiegend geringe Urlaubsausgaben<br />
der Kletterer fest, die zu einem großen Teil auf Fahrtkosten entfielen und dass die Probanden<br />
am häufigsten eine Unterkunft in der Parahotellerie bevorzugten. Je 52% der Antwortenden<br />
gaben an, ein durchschnittliches oder geringes Interesse an weiteren touristischen Attraktionen<br />
in der Kletterdestination zu haben und nur 3% äußerten daran großes Interesse. 293 Insgesamt<br />
kommt die Studie zu dem Fazit, dass auf Grund des Reiseverhaltens und der Segment-<br />
292 Swarbrooke, Beard, Leckie & Pomfret (2003), S.315-321.<br />
293 Auch hier zeigt sich die Problematik der unklaren Mehrfachantworten.<br />
53
größe nur ein relativ geringes Potential <strong>im</strong> Klettertourismus bestehe, das von einzelnen Regionen<br />
zur Angebotsergänzung genutzt werden könnte. 294<br />
Der Überblick über die existierenden Studien zum Klettertourismus macht die Notwendigkeit<br />
weiterer, insbesondere empirischer Arbeiten in diesem Bereich mehr als deutlich. In den folgenden<br />
drei Teilkapiteln wird aus diesem Grund die Literatur zu Natur-, Sport und Abenteuertourismus<br />
näher vorgestellt und nach Erkenntnissen untersucht, die auf den Klettertourismus<br />
übertragbar sind, um die theoretische Basis der Arbeit zu verbreitern.<br />
3.2.3. Klettertourismus als Teilbereich des Naturtourismus<br />
Naturtourismus oder synonym auch Eco-<strong>Tourismus</strong>, naturorientierter <strong>Tourismus</strong>, naturbasierter<br />
<strong>Tourismus</strong> genannt, kann nach VALENTINE recht pragmatisch definiert werden: „naturebased<br />
tourism is pr<strong>im</strong>arily concerned with the direct enjoyment of some relatively undisturbed<br />
phenomenon of nature.“ 295 Diese Definition deckt eine sehr breite Palette von <strong>Tourismus</strong>formen<br />
ab. Outdoorsportarten gehören ebenso zum Naturtourismus wie Reisen, denen ein<br />
spezielles Interesse an botanischen Studien oder Tierbeobachtungen zu Grunde liegt. CAS-<br />
SELLS und VALENTINE systematisieren die verschiedenen Aktivitäten nach der Abhängigkeit<br />
des Urlaubserlebnisses von natürlichen Gegebenheiten in drei Kategorien:<br />
1. Aktivitäten oder Erlebnisse, die ohne das Vorhandensein spezifischer Naturphänomene<br />
nicht möglich sind.<br />
2. Aktivitäten oder Erlebnisse, die durch die Beschaffenheit der Natur unterstützt, verbessert<br />
oder intensiviert werden.<br />
3. Aktivitäten oder Erlebnisse, für welche die natürlichen Gegebenheiten nebensächlich<br />
sind. 296<br />
Abgesehen vom Klettern an künstlichen Kletterwänden, das bisher aus touristischer Sicht nur<br />
eine untergeordnete Rolle spielt, gehört der Klettertourismus eindeutig zur ersten Kategorie.<br />
Das Klettererlebnis ist abhängig von der Verfügbarkeit geeigneter Felsen. Destinationen, die<br />
nicht über die notwenigen natürlichen Ressourcen in Form von geeigneten Felsen verfügen,<br />
können also nicht vom Klettertourismus profitieren. Welche Felsen als geeignet zu bezeichnen<br />
sind, liegt natürlich zum einen subjektiv <strong>im</strong> Auge des jeweiligen Kletterers und hängt<br />
zum anderen auch teilweise von der betrachteten Kletterdisziplin ab, wie in Abschnitt 3.1.1.<br />
bereits dargestellt wurde.<br />
Die Qualität des Urlaubserlebnisses <strong>im</strong> Naturtourismus ist aber nicht nur abhängig von der<br />
Natur, es bedingt gleichzeitig eine Beanspruchung der Natur. Das Erlebnis eines relativ ungestörten<br />
Naturphänomens, wie es in der obigen Definition heißt, ist gleichzeitig durch den Na-<br />
294 Grotheer et al. (2003), S.56-70.<br />
295 Valentine (1992), S.109.<br />
296 Cassells & Valentine (1990) zitiert in Valentine (1992), S.110.<br />
54
turtourismus selbst gefährdet. Wie und bis zu welchem Grade Naturtourismus naturverträglich<br />
bzw. nachhaltig gestaltet werden kann, ist deshalb per Definition ein zentrales Thema der<br />
Forschung zum Naturtourismus. So unterschiedlich die verschiedenen mit dem Naturtourismus<br />
verbundenen Aktivitäten sind, so unterschiedlich sind auch die von ihnen ausgehenden<br />
Beeinträchtigungen der Natur in Form und Intensität. Auch in der Literatur zum Klettersport<br />
und Klettertourismus setzt man sich intensiv mit den Konsequenzen des Sports für die Natur<br />
und den Folgen naturschutzbedingter Kletterverbote für den <strong>Tourismus</strong> auseinander. 297 In<br />
vielen Fällen liegen gerade die besten Klettergebiete in Naturschutzgebieten, sodass Wege<br />
gefunden werden müssen, wie Naturschutz und Klettern in Einklang gebracht werden können.<br />
Es gibt inzwischen eine Reihe von erfolgreichen Lösungen für diese Problematik. Ein<br />
Beispiel, das in Deutschland inzwischen weite Verbreitung gefunden hat, sind sogenannte<br />
Kletterkonzeptionen, in denen der Zugang zu Kletterfelsen unter Berücksichtigung von Naturschutz<br />
sowie sportlichen und touristischen Interessen einvernehmlich geregelt wird. 298,299<br />
Aus der Zugehörigkeit des Klettertourismus zum Naturtourismus ergibt sich zusammenfassend<br />
für Destinationen die Notwendigkeit, über natürliche Ressourcen in Form von zum Klettern<br />
geeigneten Felsen zu verfügen sowie die Notwendigkeit, eine nachhaltige Nutzung dieser<br />
Ressourcen zu erreichen. Die Klettermöglichkeiten sind dementsprechend auch ein unverzichtbarer<br />
Bestandteil der Markenidentität und der Markenkommunikation von <strong>Destinationsmarken</strong><br />
<strong>im</strong> Klettertourismus. Zusätzlich ergibt sich die Annahme, dass naturbezogene<br />
Motivationen für Klettertouristen bei der Destinationswahl und für die Urlaubszufriedenheit<br />
von herausragender Bedeutung sind.<br />
3.2.4. Klettertourismus als Teilbereich des Sporttourismus<br />
Der zweite Bereich des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>, dem der Klettertourismus zugeordnet<br />
wird, ist der Sporttourismus. Dieser kann definiert werden als: ”All forms of active or passive<br />
involvement in sporting activity, participated casually or in an organized way for noncommercial<br />
or business/ commercial reasons, that necessitate travel away from home and work<br />
locality.“ 300 Wie in dieser Definition und auch bei HALL 301 liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit<br />
auf Urlaubs- und nicht auf Geschäftsreisen. Durch die Einbeziehung der passiven Teilnahme<br />
an Sportaktivitäten wird Reisen, um als Zuschauer an sportlichen Aktivitäten teilzunehmen,<br />
ausdrücklich zum Sporttourismus hinzugezählt.<br />
Im Sporttourismus haben sich Forscher besonders intensiv mit dem Wesen der Verknüpfung<br />
von Sport und <strong>Tourismus</strong> und Möglichkeiten einer sinnvollen Systematisierung des Sporttou-<br />
297 Brendel (2000); Herter (2000); Kleinhans (2001); Senn (1995); Wesseley & Schneeberger (1999).<br />
298 Vgl. auch die Beschreibung der Untersuchungsgebiete der empirischen Untersuchungen in Teil VI Kapitel 1.<br />
299 Für einen Überblick über Probleme und mögliche Lösungsstrategien vgl. DAV (2000); Neukam (2004); Senn<br />
(1995).<br />
300 Standeven & De Knop (1999), S.12.<br />
301 C. M. Hall (1992), S.147.<br />
55
ismus beschäftigt. 302 Einige der entstandenen Kategorisierungen des Sporttourismus können<br />
dazu beitragen, den Blick bei der Analyse des Klettertourismus als einer Form des Sporttourismus<br />
auf zentrale Aspekte zu lenken. Sie werden deshalb hier kurz vorgestellt.<br />
Eine der ersten Systematiken des Sporttourismus stammt von GAMMON und ROBINSON 303 und<br />
wurde später von denselben Autoren weiterentwickelt. 304 Sie betonen, dass <strong>im</strong> Sporttourismus<br />
grundsätzlich eine Mischung aus touristischen und sportlichen Motivationen vorliegt und<br />
unterscheiden je nachdem, welche Motivationen dominieren bzw. welche als pr<strong>im</strong>äre und<br />
welche als nachgelagerte Motivationen zu bezeichnen sind, in Sporttourismus und <strong>Tourismus</strong>sport,<br />
wie die Abbildung 9 verdeutlicht. Die Dominanz sportlicher Motivationen kann<br />
nach Meinung einiger Experten so weit gehen, dass sie vor „Sportjunkies“ warnen, die rein<br />
auf ihre singuläre, sportliche Motivation fokussiert sind und deshalb wenig Cross-Selling<br />
Potential und damit wenig zusätzliche Umsätze für touristische Destinationen bringen. 305 Ein<br />
solches ausschließlich eind<strong>im</strong>ensionales Interesse an Kletteraktivitäten wird auch teilweise<br />
für den Fall der Klettertouristen konstatiert. 306<br />
SPORT and TOURISM<br />
Sport Tourism<br />
Tourism Sport<br />
hard definition<br />
soft definition<br />
soft definition<br />
hard definition<br />
Passive or active<br />
participation at a<br />
competitive sporting<br />
event<br />
Pr<strong>im</strong>arily active<br />
recreational<br />
participation in sport<br />
Visitors who engage<br />
in some minor form<br />
of sport or leisure;<br />
their participation is<br />
purely incidental<br />
Tourists who as a<br />
secondary<br />
reinforcement<br />
passively or actively<br />
participate in sport.<br />
Olympic Games etc.<br />
Cl<strong>im</strong>bing:<br />
Tournaments e.g.<br />
Rockmaster<br />
Hiking holidays,<br />
skiing holidays etc.<br />
Cl<strong>im</strong>bing:<br />
Cl<strong>im</strong>bing Holidays<br />
This category is open<br />
to interpretation and<br />
includes all sport<br />
related facilities that<br />
tourists encounter<br />
during their stay<br />
though they wouldn‘t<br />
necessarily consider<br />
using them.<br />
Cl<strong>im</strong>bing: E.g. watch<br />
cl<strong>im</strong>bers while incidentally<br />
passing by.<br />
Mainly based on<br />
holiday center industry.<br />
Cl<strong>im</strong>bing: E.g.<br />
cl<strong>im</strong>bing as one<br />
activity among others<br />
during a club holiday<br />
or holiday camp.<br />
Abbildung 9: Systematik des Sporttourismus; Robinson & Gammon (2004), S.225.<br />
GAMMON und ROBINSON unterscheiden weiterhin in eine harte und eine weiche Definition<br />
von Sporttourismus und <strong>Tourismus</strong>sport. Die harte Definition von Sporttourismus umfasst<br />
die aktive oder passive Teilnahme an einer kompetitiven Sportveranstaltung. Eventtourismus<br />
302 Gibson (2004), S.247 ff.<br />
303 Gammon & Robinson (1997).<br />
304 Robinson & Gammon (2004).<br />
305 Faulkner, Tideswell & Weston (1998) zitiert in Gibson (2004), S.249.<br />
306 Grotheer et al. (2003), S.70.<br />
56
und sportliche Wettbewerbe spielen jedoch <strong>im</strong> Klettersport bisher eine eher untergeordnete<br />
Rolle. Die weiche Definition des Sporttourismus umfasst Urlaube mit der Ausübung einer<br />
Sportart als pr<strong>im</strong>ärer Freizeitaktivität. Im Rahmen des <strong>Tourismus</strong>sports ist Sport dagegen nur<br />
eine sekundäre Motivation, während der Urlaub die pr<strong>im</strong>äre Motivation der Reise darstellt,<br />
die nach der harten Definition dadurch bereichert wird, dass auch Sport betrieben wird. Die<br />
weiche Definition ist eher schwammig und schließt jeden zufälligen Kontakt mit Sport während<br />
des Urlaubs ein. STANDEVEN und DE KNOP betonen zusätzlich, dass auch Multisporturlaube<br />
zum Sporttourismus zu zählen sind, sofern die Sportausübung die zentrale Urlaubsmotivation<br />
darstellt. 307 Im Zusammenhang des Kletterns sind dies beispielsweise Abenteuersporturlaube,<br />
bei denen Klettern neben Rafting, Canyoning oder Ähnlichem ausgeübt wird.<br />
WEED und BULL propagieren, dass zum besseren Verständnis des Sporttourismus der Fokus<br />
von den sporttouristischen Aktivitäten hin zu den Sporttouristen verlegt werden muss. Sie<br />
präsentieren das Sports Tourism Demand Continuum, das darstellt, wie sich die Bedeutung<br />
des Sports für die Destinationsentscheidung und das Urlaubsverhalten entwickelt, je nachdem,<br />
wie intensiv die sportliche Aktivität während des Urlaubs ist. Der Grad der Ausübung<br />
sportlicher Aktivitäten während des Urlaubs reicht von zufälliger (engl.= incidental) Ausübung<br />
bis zum rein sportgetriebenen (engl.= driven) Urlaub. Die Auswirkungen auf die Urlaubsentscheidung,<br />
Teilnahme- und Nichtteilnahmefaktoren, das typische Gruppenprofil, den<br />
Lebensstil und die Sportausgaben werden in Matrixform dargestellt, wie in der folgenden<br />
Grafik zu sehen:<br />
Summary<br />
Characteristics<br />
Incidental Sporadic Occasional Regular Committed Driven<br />
Decision<br />
making<br />
factors<br />
Participation<br />
factors<br />
Nonparticipation<br />
factors<br />
Typical group<br />
profile<br />
Lifestyle<br />
Sports<br />
expenditure<br />
Impromptu Un<strong>im</strong>portant Can be<br />
determining<br />
factor<br />
Fun or duty to<br />
others<br />
Prefer<br />
relaxation<br />
non-activity<br />
Family groups<br />
Sport is<br />
insignificant<br />
Min<strong>im</strong>al<br />
If convenient<br />
Welcome<br />
addition to<br />
tourism<br />
Easily Many<br />
constrained or commitment<br />
put off. Not preferences<br />
essential to<br />
life profile<br />
Family and<br />
friendship<br />
groups<br />
Often<br />
friendship or<br />
business<br />
groups<br />
Sport is nonessential.<br />
Like essential but<br />
Sport is not<br />
but not a significant<br />
priority<br />
Min<strong>im</strong>al<br />
except<br />
sporadic<br />
High on<br />
occasions<br />
Important<br />
Significant<br />
part of<br />
experience<br />
Money or<br />
t<strong>im</strong>e<br />
constraints<br />
Group or<br />
individuals<br />
Sport is<br />
<strong>im</strong>portant<br />
Considerable<br />
Very<br />
<strong>im</strong>portant<br />
Central to<br />
experience<br />
Only<br />
unforeseen or<br />
significant<br />
constraints<br />
Invariably<br />
groups of<br />
like-minded<br />
people<br />
Sport is a<br />
defining part<br />
of life<br />
Extremely<br />
high and<br />
consistent<br />
Essential<br />
Often sole<br />
reason for<br />
travel<br />
Injury, illness<br />
or fear of<br />
illness<br />
Elite groups<br />
or individuals<br />
with support<br />
Sport is<br />
professionally<br />
significant<br />
Extremely<br />
significant.<br />
Funding<br />
Abbildung 10: Sports Tourism Demand Continuum; Weed & Bull (2004), S. 77.<br />
307 Standeven & De Knop (1999), S.13.<br />
57
Das Modell muss nach Meinung der von WEED und BULL jedoch noch an verschiedenen<br />
Punkten ergänzt werden, um seine max<strong>im</strong>ale Tauglichkeit als Managementhilfe <strong>im</strong> Sporttourismus<br />
zu entfalten. So sollte die Gruppe der „Getriebenen“ <strong>im</strong> Hinblick auf passive Sporttouristen<br />
nicht auf Elitesportler begrenzt werden, sondern auf Individuen mit außergewöhnlichem<br />
Engagement in der Sportausübung bezogen werden. Sie schlagen zusätzlich vor, das<br />
Modell um die D<strong>im</strong>ension der subjektiven Bedeutung zusätzlich zur tatsächlichen Ausübungsintensität<br />
zu ergänzen. Während die subjektive Bedeutung der sportlichen Aktivitäten<br />
für die Urlaubszufriedenheit und das Selbstbild der Urlauber in den intensivsten Stufen der<br />
Partizipation <strong>im</strong> Modell generell hoch ist, können sportliche Aktivitäten <strong>im</strong> Urlaub auch bei<br />
niedriger Intensität eine hohe subjektive Bedeutung haben. Es wird sogar eine explizite Berücksichtigung<br />
von „Intenders“ vorgeschlagen, also von Touristen, die zwar beabsichtigen<br />
eine sportliche Aktivität <strong>im</strong> Urlaub auszuführen und gegebenenfalls ihre Destination dahingehend<br />
auszuwählen, jedoch nie zur tatsächlichen Ausübung schreiten. Diese Gruppe ist in<br />
verschiedener Hinsicht managementrelevant. Sie bietet zusätzliches Kundenpotential, soweit<br />
es gelingt, die Verhaltensabsichten in tatsächliches Verhalten zu verwandeln, und sie unterstreicht,<br />
dass ein breites Angebot an Sportdienstleistungen von dieser Gruppe als Wert an<br />
sich wahrgenommen wird, auch wenn es nicht genutzt wird. 308<br />
Ob dieses allgemeine Modell auch auf den Klettertourismus zu übertragen ist, bleibt zu prüfen.<br />
Es unterstreicht jedoch, dass der Grad der Fähigkeiten in einer Sportart sowie Intensität<br />
und Häufigkeit der Ausübung <strong>im</strong> Urlaub großen Einfluss auf die Anforderungen an eine<br />
sporttouristische Destination und auf das Urlaubsverhalten der Sporttouristen haben. Diese<br />
Aspekte sollten deshalb auch in einer Untersuchung des Klettertourismus berücksichtigt werden.<br />
Ebenso sollte das konkrete Zusammenspiel von sportbezogenen und urlaubsbezogenen<br />
Motivationen <strong>im</strong> Klettertourismus untersucht werden.<br />
3.2.5. Klettertourismus als Teilbereich des Abenteuertourismus<br />
In den vorangegangenen Abschnitten wurden bereits einige Überschneidungen des Abenteuertourismus<br />
mit dem Naturtourismus und dem Sporttourismus deutlich. Die spezifische Literatur<br />
zum Abenteuertourismus behandelt jedoch auch einige zusätzliche Aspekte und Besonderheiten,<br />
die zu einem vollständigeren Bild des Klettertourismus beitragen.<br />
Es existiert ein breites Spektrum von Definitionen der Begriffe Abenteuer und Abenteuertourismus<br />
in der Literatur, die sehr unterschiedliche Aspekte und Blickwinkel betonen. 309 Abenteuertourismus<br />
wird oft stark auf das Durchführen abenteuerlicher Aktivitäten beschränkt und<br />
so hauptsächlich als Abenteuersporttourismus verstanden und <strong>im</strong> sporttouristischen Kontext<br />
untersucht. 310 Obwohl dies natürlich auch die Perspektive dieser Arbeit ist, können Abenteuertourismuserlebnisse<br />
grundsätzlich ebenso intellektueller Natur sein, wenn man reist, um<br />
308 Weed & Bull (2004), S.76-83 und die dort angegebene Literatur.<br />
309 Für eine umfassende Aufstellung vgl. Swarbrooke et al. (2003), S.28 f.<br />
310 Neirotti (2003).<br />
58
sich geistig an neue Grenzen zu führen, oder emotionaler Natur, wenn man beispielsweise an<br />
Glücksspieltourismus denkt, oder spiritueller Natur, wenn die Reise der eigenen Erleuchtung<br />
dienen soll. 311 Um zu erkennen, was Abenteuertourismus ausmacht, ist es sinnvoller, zunächst<br />
das Phänomen Abenteuer näher zu betrachten, als die verschiedenen Definitionen von<br />
Abenteuertourismus durchzugehen. Die folgende Grafik zeigt die zentralen Elemente des<br />
Abenteuererlebnisses, wie SWARBROOKE ET.AL sie sehen. Die Wissenschaftler betonen selbst,<br />
dass große Interdependenzen und auch Überschneidungen zwischen den einzelnen Elementen<br />
bestehen. Dennoch beschreiben sie in der Summe sehr anschaulich, was das Phänomen Abenteuer<br />
ausmacht. Die Überschneidungen mit den bereits diskutierten Motiven der Ausübung<br />
des Klettersports zeigen, dass Klettern nicht unbegründet zu den Abenteuersportarten gezählt<br />
wird.<br />
Abbildung 11: Das Abenteuererlebnis – Prozess und Charakteristika; Swarbrooke et al. (2003), S.15.<br />
Die Ungewissheit des Ausgangs (engl.= uncertainty) des Erlebnisses wird häufig als definitorisches<br />
Element eines Abenteuers beschrieben. 312 Die Ungewissheit des Ausgangs wird bedingt<br />
durch die Neuheit des Erlebnisses (engl.= novelty) und das Vorhandensein von Gefahr<br />
und damit Risiko (engl.= danger and risk). Umgekehrt trägt die Ungewissheit auch zu mehr<br />
Gefahr und Risiko bei. Risiken können sowohl körperliche Verletzungen sein als auch solche<br />
psychologischer Natur, z.B. sich zu blamieren oder an Selbstvertrauen zu verlieren. Die Erforschung<br />
des Risikos <strong>im</strong> Zusammenhang mit Abenteuertourismus ist ein Schwerpunkt der<br />
Literatur in diesem Bereich. Das freiwillige Eingehen von Risiken wird als definitorisches<br />
311 Swarbrooke et al. (2003), S.XII.<br />
312 Fluker & Turner (2000), S.380.<br />
59
Element des Abenteuertourismus gesehen. 313 Auch das Phänomen des Risikos wird untersucht.<br />
314 Wobei festzustellen ist, dass das wahrgenommene Risiko ebenso wie die Risikotoleranz<br />
subjektiv und individuell sind. 315 Eine Typologie des Abenteuertourismus, die in vielen<br />
wissenschaftlichen Veröffentlichungen aufgegriffen wurde, ist das Kontinuum zwischen soft<br />
adventure und hard adventure, das Abenteuertourismusaktivitäten ebenfalls unter Risikogesichtpunkten<br />
systematisiert.<br />
Soft adventure<br />
‘Refers to activities with a perceived<br />
risk but low levels of real risk, requiring<br />
min<strong>im</strong>al commitment and beginning<br />
skills; most of these activities are led<br />
by experienced guides.’<br />
Hard adventure<br />
‘Refers to activities with high levels of<br />
risk, requiring intense commitment and<br />
advanced skills;<br />
Abbildung 12: The continuum of soft and hard adventure; Hill (1995).<br />
Soft adventure, also weiches oder geringes Abenteuer, bedeutet nach dieser Typologie, dass<br />
die durchgeführten Aktivitäten in der subjektiven Wahrnehmung des Touristen riskant sind,<br />
aber kein objektives Risiko damit verbunden ist. Soft adventure Aktivitäten erfordern typischerweise<br />
geringe Vorkenntnisse und geringes Engagement von Seiten des Touristen und<br />
werden meist von einem erfahrenen Führer begleitet. Hard adventure oder harte Abenteueraktivität<br />
bezeichnet dagegen Aktivitäten, die mit erheblichem Risiko verbunden sind und sowohl<br />
hohes Können als auch hohes Engagement des Touristen erfordern. 316 Der Begriff objektives<br />
Risiko sollte hier besser durch statistisches Risiko ersetzt werden. Da Untersuchungen<br />
ergeben haben, dass Leichtsinn, fahrlässiges Verhalten, Missachtung von Sicherheitshinweisen<br />
und Fehleinschätzungen der eigenen Fähigkeiten zu den häufigsten Unfallursachen<br />
<strong>im</strong> Abenteurertourismus zählen, 317 ist das Risiko in gewisser Weise <strong>im</strong>mer subjektiv, auch<br />
wenn es von Experten wie z.B. professionellen Abenteuertourismusanbietern eingeschätzt<br />
wird, die über einen besseren Informationsstand als der individuelle Urlauber verfügen. MIL-<br />
LINGTON ET. AL. plädieren dafür, die Abgrenzung rein anhand aktivitätsspezifischer Vorkenntnisse<br />
und Fähigkeiten vorzunehmen. 318 Klettern wird nach dieser Systematisierung den<br />
harten Abenteueraktivitäten zugeordnet. 319 Man könnte jedoch je nach konkreter Ausführung<br />
ein eigenes Kontinuum für den Klettersport aufstellen. Dies würde am weichen Ende mit eng<br />
von geschulten Trainern betreuten Anfängerkursen an leichten Routen mit perfekter Absicherung<br />
beginnen. Wenn man als Kletteranfänger das erste Mal aus fünf Metern Höhe nach unten<br />
blickt, kann das subjektiv empfundene Risiko trotz aller Absicherung dennoch durchaus<br />
hoch sein. Das andere Extrem bilden <strong>im</strong> Klettersport z.B. ungesicherte Alleinbegehungen<br />
313 C. M. Hall (1992), S.143.<br />
314 Vgl. z.B.Johnston (1992); Allen (1987) und Fluker & Turner (2000).<br />
315 Cheron & Ritchie (1982).<br />
316 Hill (1995).<br />
317 Page, Bentley & Walker (2003), S.390-393.<br />
318 Millington, Locke & Locke (2001).<br />
319 Vgl. z.B. Neirotti (2003), S.16.<br />
60
extrem schwerer Routen oberhalb einer Höhe, die ein sicheres Abspringen erlaubt. Im Klettern<br />
existieren, wie <strong>im</strong> Abschnitt 3.1. bereits angesprochen, sehr unterschiedliche Disziplinen<br />
und Begehungsstile von Kletterrouten, die einen großen Einfluss auf das Risiko haben.<br />
Ein weiteres Charakteristikum des Abenteuerphänomens ist die Herausforderung (engl.=<br />
challenge). Der Grad der Herausforderung ergibt sich aus der Kombination des eingegangenen<br />
Risikos und den individuellen Fähigkeiten. Der subjektive Grad der Herausforderung ist<br />
auch entscheidend für die Intensität des Abenteuererlebens. Der Begriff Herausforderung<br />
beinhaltet jedoch, dass die gestellte Aufgabe noch mit den Fähigkeiten des Ausführenden zu<br />
bewältigen ist und dass subjektiv eine grundsätzliche Erfolgserwartung besteht. 320 Für das<br />
Bestehen von Herausforderungen ist die für Abenteuererlebnisse typische Fokussierung und<br />
Konzentration auf die gestellte Aufgabe notwendig (engl.= absorption and focus). Im Bereich<br />
der Sportpsychologie wird dies als Voraussetzung der flow-Erlebnisse und peak experiences<br />
genannt. Das Meistern von selbst gestellten Herausforderungen führt zu den erwarteten Belohnungen<br />
(engl.= anticipated rewards), die Menschen dazu bringen, sich freiwillig in Abenteuer<br />
zu stürzen. Neben extrinsischen Belohnungen, wie beispielsweise einem höheren sozialen<br />
Status in der Subkultur, sind diese erwarteten Belohnungen häufig intrinsischer Natur,<br />
wie beispielsweise ein erhöhtes Selbstwertgefühl. Es besteht ein gewisser Widerspruch zwischen<br />
erwarteten Belohnungen und der Notwendigkeit des ungewissen Ausgangs. 321 Dieses<br />
Paradoxon wird ebenfalls in einer Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen zum Abenteuertourismus,<br />
322 insbesondere in den Bergen, thematisiert. 323 Um Abenteuer als kommerzielle<br />
und verlässliche Dienstleistung anzubieten, ist eine gewisse Planung und Standardisierung<br />
erforderlich, die dem Wesen des Phänomens Abenteuer eigentlich zuwiderläuft. Abenteuertourismusanbieter<br />
sind so ständig der Gefahr ausgesetzt, dass ihre Leistungen als langweilig,<br />
künstlich oder inszeniert wahrgenommen werden, während gleichzeitig die Kunden<br />
vor physischem und psychischem Schaden bewahrt werden müssen. 324<br />
Die Ausführungen müssen sich nun nochmals der ersten Determinanten, der Ungewissheit<br />
des Ausgangs des Abenteuererlebnisses, zuwenden, d.h. der Neuheit des Erlebten. Die exakte<br />
Wiederholung eines Erlebnisses ist niemals ein Abenteuer. Zumindest geringe Veränderungen<br />
der Umstände sind notwendig. Dies ist ein Grund, warum gerade der <strong>Tourismus</strong> schier<br />
unendliche Möglichkeiten, Abenteuer zu erleben, bietet. Der <strong>Tourismus</strong> kann Menschen st<strong>im</strong>ulierende<br />
und erregende Erlebnisse (engl.= st<strong>im</strong>ulation and excitement) ermöglichen, die<br />
auch be<strong>im</strong> Eingehen eines Abenteuers gesucht werden. Dem Alltag zu entfliehen oder sich<br />
vom Alltäglichen abzusetzen (engl.= escapism and separation) ist eines der zentralen Urlaubsmotive<br />
und ebenso ein Abenteuermotiv.<br />
320 Mortlock (1984) zitiert in Swarbrooke et al. (2003), S.11.<br />
321 Beedie (2003), S.206.<br />
322 Cloke & Perkins (2002).<br />
323 Beedie & Hudson (2003).<br />
324 Ewert & Hollenhorst (1989), S.128.<br />
61
Ein weiteres zentrales Element des Abenteuers ist Erforschung und Entdeckung (engl.= exploration<br />
and discovery). Da in der heutigen Zeit kaum noch echte geographische Neuentdeckungen<br />
möglich sind, geht es hier eher darum, etwas für sich selbst zu entdecken bzw. auch<br />
sich selbst zu erfahren und zu entdecken, indem man sich neuen, st<strong>im</strong>ulierenden und herausfordernden<br />
Erlebnissen aussetzt. Ein Charakteristikum des Abenteuers sind auch die gegensätzlichen<br />
Emotionen (engl.= contrasting emotions), die von den Teilnehmern <strong>im</strong> Verlauf des<br />
Abenteuers erlebt werden. In viel stärkerem Maße als in anderen <strong>Tourismus</strong>formen ist die<br />
Phase der Vorbereitung auf eine Abenteuerreise nicht nur von freudiger Erwartung, sondern<br />
auch von der Antizipierung der zu erwartenden Herausforderungen und möglichen Gefahren<br />
und Entbehrungen geprägt. Das Herantasten an die eigenen physischen und psychischen<br />
Grenzen, das zum Wesen eines Abenteuers gehört, kann auch durchaus stark negative Emotionen<br />
während des Abenteuererlebnisses selbst bedingen.<br />
Die in der Abbildung 11 dargestellten Schritte 3 und 4 des Abenteuererlebens - Entdecken<br />
und Nutzen (engl.= discovery and benefit) - umreißen den besonderen Reiz des Abenteuers,<br />
der dazu führt, dass Touristen sich für eine Abenteuerreise und nicht für eine andere, meist<br />
deutlich bequemere Reiseform entscheiden. Das Gefühl der persönlichen Weiterentwicklung<br />
sowie das Gefühl, durch das Überwinden von Schwierigkeiten etwas erreicht zu haben, das<br />
die während des Erlebnisses möglicherweise aufgetretenen negativen Emotionen oder körperlichen<br />
Strapazen wert gewesen ist, geben den Ausschlag. Dieser Zweck der konkreten Abenteueraktivität<br />
steht bei der Analyse des Abenteuertourismus anders als be<strong>im</strong> Sporttourismus<br />
weit mehr <strong>im</strong> Vordergrund als die Aktivität selbst.<br />
Überträgt man die wichtigsten Kernelemente des Phänomens Abenteuer auf den <strong>Tourismus</strong>kontext,<br />
wird klar, dass ein sehr breites Spektrum an touristischen Aktivitäten und touristischen<br />
Umfeldern geeignet ist, ein Abenteuererlebnis zu ermöglichen. Dies gilt umso mehr, da<br />
es völlig subjektiv ist, was ein Abenteuer darstellt. „...any tourism experience that a participant<br />
thinks is an adventure, is an adventure.” 325 Dennoch sind best<strong>im</strong>mte Aktivitäten und<br />
Orte dafür besonders prädestiniert. Als Aktivitäten sind dies anspruchsvolle physische Aktivitäten,<br />
wie zum Beispiel Felsklettern, Kontakt mit der Natur oder mit anderen Kulturen und<br />
best<strong>im</strong>mte Fortbewegungsmethoden, auf Tieren, zu Land, in der Luft oder auf dem Meer. Als<br />
Orte sind es Outdoor oder gar Wildnisumgebungen, sowie versteckte, ungewöhnliche oder<br />
exotische Orte. 326<br />
Die diskutierten Kernelemente des Abenteuertourismus greift nach Meinung des Autors die<br />
Definition von SUNG ET. AL. am besten auf: „Adventure tourism is the sum of the phenomena<br />
and relationships arising from the interactions of adventure touristic activities with the natural<br />
environment away from the participant’s usual place of residence area and containing ele-<br />
325 Swarbrooke et al. (2003), S.16.<br />
326 Swarbrooke et al. (2003), S.16 ff.<br />
62
ments of risk in which the outcome is influenced by the participation, setting, and the organizer<br />
of the tourist’s experience.” 327<br />
BEEDIE stellt fest, dass bei allen Besonderheiten der Abenteuertourismus ein Geschäft ist. 328<br />
Sowohl die gewählten Destinationen als auch die touristischen Anbieter unterscheiden sich<br />
jedoch oft deutlich von denen des Massentourismus. <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> generell und<br />
Abenteuertourismus <strong>im</strong> Besonderen machen Regionen für den <strong>Tourismus</strong> interessant, die für<br />
den klassischen Massen- und Erholungstourismus bisher uninteressant waren, da die Abenteuertouristen<br />
oft gerade nach extremen Umweltbedingungen suchen. Dschungelsafaris, Wüstentouren<br />
oder Survivalcamps sind nur einige Beispiele hierfür, ebenso wie schroffe, unbegehbare<br />
Felsen, die für andere <strong>Tourismus</strong>formen uninteressant sein mögen, aber von Klettertouristen<br />
speziell aufgesucht werden. Aber auch die oben beschriebene Motivation, die lokale<br />
Kultur erleben zu wollen, die Suche nach authentischen, besonderen und individuellen Urlaubserlebnissen<br />
treibt die <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> Touristen weg von den Zentren des Massentourismus<br />
in oftmals ländliche und noch wenig touristisch erschlossene Gebiete. So eröffnen<br />
sich Wettbewerbschancen für Regionen, die bisher in anderen <strong>Tourismus</strong>bereichen Wettbewerbsnachteile<br />
hatten. 329 Z.B. liegen die bevorzugten Klettertourismusdestinationen in den<br />
Mittelgebirgen, während diese Gebiete in anderen <strong>Tourismus</strong>segmenten klare Wettbewerbsnachteile<br />
haben.<br />
Bei den Anbietern von Abenteueraktivitäten handelt es sich überwiegend um kleinere und<br />
mittlere Unternehmen, 330 was das Marketing oft erschwert. Ihnen bietet das Internet heute<br />
neue und günstigere Möglichkeiten, Kunden zu erreichen. Auch <strong>im</strong> Bereich der Veranstalter<br />
von Abenteuertourismusreisen existieren eine Vielzahl kleiner Unternehmen. Allerdings existieren<br />
in diesem Bereich der Branche auch bereits etablierte Spezialreiseanbieter mit umfassendem<br />
Angebot, und eine zunehmende Anzahl großer Reiseveranstalter, wie Thomas Cook,<br />
bieten Spezialkataloge mit Outdoor- und Abenteuerreisen an. Eine herausragende Stellung <strong>im</strong><br />
Markt für Klettertourismus in Deutschland hat der Alpenverein. Er stellt nicht nur den Sportverband<br />
und die größte Interessenvertretung der Kletterer dar, sondern betreibt auch eine<br />
große Anzahl von Kletterhallen, ist mit den Alpenvereinshütten eine bedeutende Größe <strong>im</strong><br />
Unterkunftsbereich und bietet über die einzelnen Sektionen Kletterkurse und Kletterreisen an.<br />
Zum Alpenverein gehört mit dem Summit Club auch einer der prominentesten kommerziellen<br />
Spezialreiseanbieter. Weitere Spezialreiseveranstalter spielen hier eine Rolle, denn Klettern<br />
wird zusammen mit anderen Abenteuersportarten auch <strong>im</strong> Rahmen von Incentivereisen<br />
für Unternehmensmitarbeiter oder als Rahmenprogramm bei Tagungen und Kongressen angeboten.<br />
Klettern eignet sich in diesem Zusammenhang besonders, da es auch Frauen an-<br />
327 Sung, Morrison & O'Leary (1997), S.57.<br />
328 Beedie (2003), S.209.<br />
329 Valentine (1992), S.113; C. M. Hall (1989), S.87 f.<br />
330 Page et al. (2003).<br />
63
spricht. 331,332 Nach Meinung vieler Klettertrainer fällt Frauen das Erlernen des Kletterns sogar<br />
leichter, da sie sich von Beginn an stärker auf die richtige Technik als auf die eigene Körperkraft<br />
verlassen. 333<br />
Typischer als Pauschalreisen sind <strong>im</strong> Abenteuertourismus allgemein und auch <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
jedoch Individualreisen. 334 Kommerzielle Pauschalangebote inklusive einem Einführungskurs<br />
dienen jedoch häufig als Einstieg in diese Aktivitäten. 335<br />
Die Betrachtung des Klettertourismus als Teil des Abenteuertourismus zeigt deutlich den<br />
Eigenbeitrag der Touristen zum Urlaubserlebnis. Die Abenteuertouristen definieren selbst,<br />
was für sie Abenteuer ist und auf wie viel Abenteuer, Herausforderung oder Entbehrungen sie<br />
sich einlassen wollen und ebenso wie viel konkretes Risiko sie für sich akzeptieren. Fehleinschätzungen,<br />
die viel zu häufig schwerwiegende Verletzungsfolgen haben, sind hier allerdings<br />
nicht ausgeschlossen. Die touristischen Anbieter sind gefordert, die passenden Wahlmöglichkeiten<br />
anzubieten und Informationen zur Verfügung zu stellen, die den Abenteuerurlaubern<br />
eine realistische Selbsteinordnung erlauben. Dies ermöglicht dann auch ein <strong>im</strong> Ergebnis<br />
für die Gäste lohnendes Urlaubserlebnis bei gleichzeitiger Reduzierung der Verhaltensunsicherheit<br />
des Anbieters. 336<br />
331 Alge (2001), S.47-50; zu Incentivereisen vgl. auch Dittrich (2001).<br />
332 Von Seiten der Praxis wurde dies auch von Martin Meier von Aktiv-Reisen in Muggendorf, einem Anbieter<br />
solcher Programme, bei einem Vortrag in Pottenstein am 9.5.2005 berichtet.<br />
333 Winter (2000), S.9.<br />
334 Swarbrooke et al. (2003), S.319 f.<br />
335 C. M. Hall (1992), S.143-147.<br />
336 Zur Selbsteinordnung der Kunden bei anbieterseitiger Verhaltensunsicherheit vgl. z.B. Woratschek (1998),<br />
S.44-53 und S.133-156.<br />
64
4. Zwischenfazit und empirische Forschungsfragen<br />
In den vorangegangenen Kapiteln der Arbeit wurde auf theoretischer Basis untersucht, wie<br />
das Markenmanagement einen Beitrag zur Lösung des Problems der geringen Kundenbindung<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> leisten kann, wenn dieses durch Variety-Seeking Behavior verursacht<br />
wird? Hierzu wurden zunächst die touristischen Rahmenbedingungen, insbesondere die Problematik<br />
der Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong>, erläutert. Ebenso wurden die Grundlagen und<br />
Besonderheiten des Markenmanagements für Destinationen erläutert. Erfolg <strong>im</strong> Markenmanagement<br />
setzt die Orientierung an Kundenbedürfnissen voraus. Die Kundenbedürfnisse sind<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> und insbesondere <strong>im</strong> <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> nicht homogen, sodass wirklich<br />
kundenorientierte Lösungen zunächst die separate Betrachtung der Besonderheiten und<br />
Bedürfnisse einzelner Kundengruppen erfordern. Die zentrale Fragestellung der Arbeit soll<br />
<strong>im</strong> Folgenden auch empirisch an einem konkreten Beispiel untersucht werden. Auf Grund der<br />
erwarteten hohen Relevanz der Kundenbindungsproblematik in diesem Segment und der Relevanz<br />
für die hier besonders betrachteten Mittelgebirgsdestinationen wurde der Klettertourismus<br />
als Untersuchungsbeispiel gewählt. Die Analyse der verfügbaren Literatur zum Klettertourismus<br />
hat zudem gezeigt, dass durch eine umfassende betriebswirtschaftliche Untersuchung<br />
des Klettertourismus eine Forschungslücke verringert werden kann. Die <strong>im</strong> Hinblick<br />
auf das Design einer empirischen Studie wichtigsten Ergebnisse werden <strong>im</strong> Folgenden dargestellt<br />
und daraus zentrale Fragestellungen für die empirische Untersuchung abgeleitet.<br />
Die Diskussion der Kundenbindungsproblematik <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> hat ergeben, dass der in der<br />
Service-Profit-Chain postulierte Zusammenhang zwischen Dienstleistungsqualität und Gewinn<br />
insbesondere durch das Variety-Seeking Behavior stark gestört ist. Mehrere Indizien<br />
deuten darauf hin, dass dieser Störfaktor <strong>im</strong> Klettertourismus sogar noch von größerer Bedeutung<br />
ist, als <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> allgemein. So stellt die Suche nach neuen Erfahrungen und neuen<br />
Herausforderungen zentrale Motivationen des Kletterns dar. Durch die mit der Ausübung des<br />
Klettersports verbundene hohe Reiseaktivität handelt es sich bei Klettertouristen überwiegend<br />
um sehr reiseerfahrene Urlauber, die bereits viele Destinationen kennen und kaum von Verhaltensunsicherheit<br />
am Destinationswechsel gehindert werden. Die Analyse der Service-<br />
Profit-Chain <strong>im</strong> Klettertourismus und insbesondere des Variety-Seeking Behaviors hilft insofern<br />
auch, die Besonderheiten der Klettertouristen als Kundensegment zu erforschen.<br />
Durch die erhöhte Aufmerksamkeitswirkung und eine verbesserte Differenzierung von Konkurrenzangeboten<br />
können starke Marken zur Gewinnung von Neukunden einen wichtigen<br />
Beitrag leisten. Ebenso begünstigen sie die emotionale Bindung von Kunden, <strong>im</strong> vorliegenden<br />
Fall von Urlaubern, an eine Leistung bzw. hier an eine Destination. Für die Problematik<br />
des Variety-Seeking Behaviors bietet der Aufbau starker Marken jedoch zunächst keine Lösung.<br />
Da das Abwechslungsbedürfnis von Variety-Seekern dominant ist, lassen sie sich nicht<br />
an eine Marke binden, die dieses Bedürfnis nicht befriedigt. Für den <strong>Tourismus</strong> wurde das<br />
Variety-Seeking Behavior jedoch als weit verbreitetes Phänomen nachgewiesen. Es reicht<br />
65
deshalb nicht aus, eine weite Verbreitung zu konstatieren. Ebenso müssen mögliche Lösungsstrategien<br />
für die betroffenen Destinationen untersucht werden. Mit der St<strong>im</strong>ulierung von<br />
Weiterempfehlungen und Kooperationen zwischen Destinationen wurden bereits zwei Lösungsstrategien<br />
skizziert. Das Markenmanagement kann insbesondere einen Beitrag zur Umsetzung<br />
der Kooperationsstrategie leisten. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt deshalb auf<br />
dem Aufbau einer Dachmarke als Möglichkeit, den Kundenverlust durch das Variety-Seeking<br />
Behavior auszugleichen. Ziel wäre es dann, Variety-Seeker, die auch an keine noch so starke<br />
Marke gebunden werden können, zumindest an diese Dachmarke zu binden. Die Gestaltungsmöglichkeiten<br />
und Erfolgsvoraussetzungen einer Dachmarke von Destinationen als Reaktion<br />
auf Variety-Seeking Behavior wurden bisher nicht empirisch untersucht, sodass sich<br />
eine Fülle von Forschungsfragen stellt. Entscheidend für den Erfolg jeder Markenkooperation<br />
und so auch einer solchen Dachmarkenstrategie ist jedoch die Akzeptanz durch die Kunden.<br />
Es muss also untersucht werden, auf welche Inhalte sich eine Dachmarke von Destinationen<br />
konzentrieren müsste, um diese Akzeptanz zu erreichen. Dementsprechend ist die erste in der<br />
folgenden empirischen Untersuchung zu behandelnde Forschungsfrage:<br />
- Durch welche Inhalte kann die Bildung einer Dachmarke mit anderen Destinationen<br />
eine von den Kunden akzeptierte Reaktion auf das Variety-Seeking Behavior <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
darstellen?<br />
Da diese Option jedoch noch kaum untersucht ist und bisher keine entsprechende Kooperation<br />
existiert, kann dies nur explorativ und nur prognostizierend, nicht konfirmatorisch geschehen.<br />
Erfolgreiches Markenmanagement erfordert eine strategische Anpassung an die anvisierte<br />
Kundengruppe, <strong>im</strong> hier gewählten Beispiel der Klettertouristen. Die Analyse der Sekundärdaten<br />
zu Kletterern hat ergeben, dass für Klettertouristen deutliche Unterschiede in der demographischen<br />
Struktur gegenüber dem Durchschnitt aller Touristen zu erwarten sind. Kletterer<br />
waren deutlich häufiger männlich, jünger und besser ausgebildet als die Durchschnittsbevölkerung.<br />
Auch <strong>im</strong> Reiseverhalten sind deutliche Unterschiede zu erwarten. In den bisher verfügbaren<br />
Untersuchungen neigten Klettertouristen zur Wahl von einfachen Unterkünften <strong>im</strong><br />
Bereich der Parahotellerie oder zu gänzlich unentgeltlichen Übernachtungsformen wie wildem<br />
Camping. Zudem zeigten sie eine deutliche Neigung zu Kurztrips bei einer gleichzeitig<br />
sehr hohen Urlaubsfrequenz. Es wird zu prüfen sein, ob sich diese Befunde in der folgenden<br />
empirischen Studie widerspiegeln.<br />
Die Relevanz des Variety-Seeking Behaviors und der Zusammenhänge in der Service-Profit-<br />
Chain für den allgemeinen <strong>Tourismus</strong> wurde in den vorangegangenen Kapiteln nachgewiesen<br />
und für den Klettertourismus zumindest plausibel gemacht. Dennoch muss auch der empirische<br />
Nachweis der Gültigkeit für die vorliegenden Daten erbracht werden, um die obige Fragestellung<br />
zu bearbeiten.<br />
66
Da die Gruppe der Klettersportler deutlich besser untersucht ist als die der Klettertouristen,<br />
wird insbesondere zu beachten sein, welche der in Abschnitt 3.1. dargelegten Besonderheiten<br />
von Kletterern sich auch als Besonderheiten in den Merkmalen, Anforderungen und Urlaubsverhalten<br />
von Klettertouristen erweisen. Ziel der empirischen Studien muss es demnach sein,<br />
die Besonderheiten der Klettertouristen darzustellen, die bei der Markenbildung von Destinationen<br />
<strong>im</strong> Klettertourismus zu berücksichtigen sind. Die zweite zentrale Fragestellung lautet<br />
dementsprechend:<br />
- Welche <strong>im</strong> Klettersport begründeten Besonderheiten sind bei der Markenbildung von<br />
Destinationen für Klettertouristen relevant?<br />
Auch auf Grund dieser Besonderheiten in Demographie und Urlaubsverhalten ist die Wirtschaftlichkeit<br />
des Klettertourismus umstritten. So wird auch von verschiedenen Autoren ein<br />
Trend zu stärkeren Komfortwünschen <strong>im</strong> Klettertourismus gesehen. 337 Trotz des nachgewiesenen<br />
Wachstums des Segments bei gleichzeitiger Konzentration auf wenige Gebiete werden<br />
Kletterer teilweise bereits auf der Basis der Aktivenzahlen als uninteressant eingeschätzt.<br />
Andererseits hat die Analyse der Situation von Mittelgebirgsdestinationen gezeigt, dass ein<br />
Engagement <strong>im</strong> Klettertourismus geeignet ist, den Problemen bezüglich der Altersstruktur<br />
und des unerwünschten Images dieser Destinationen zu begegnen. So ist es auch nicht überraschend,<br />
dass die vorgestellten Untersuchungen zum Klettertourismus zu stark unterschiedlichen<br />
Einschätzungen der wirtschaftlichen Attraktivität dieses <strong>Tourismus</strong>segments gelangen.<br />
Eine Verbesserung der empirischen Basis dieser Diskussion ist hier dringend geboten. Letztlich<br />
entscheidet die Einschätzung der wirtschaftlichen Attraktivität durch die lokalen <strong>Tourismus</strong>manager<br />
über ein Engagement <strong>im</strong> Klettertourismus. Die Situation der Destinationsmanager<br />
trägt zur Bedeutung der Frage nach der Wirtschaftlichkeit bei. DMOs arbeiten üblicherweise<br />
mit sehr begrenzten Budgets und personellen Ressourcen in gerade durch den <strong>Special</strong><br />
<strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> zunehmend komplexen <strong>Tourismus</strong>märkten, sodass eine Konzentration auf<br />
wenige attraktive Segmente zwingend notwendig ist. 338 Die Frage nach der wirtschaftlichen<br />
Attraktivität des Klettertourismus muss also auch in den folgenden empirischen Studien gestellt<br />
werden. Deshalb wurde mit dem Kapitel 6.2 eine Analyse der Wirtschaftlichkeit des<br />
Klettertourismus in den untersuchten Destinationen der Untersuchung der zentralen empirischen<br />
Fragestellungen als Grundlage vorangestellt.<br />
Im Zuge der vorangegangenen Kapitel wurde wiederholt die Bedeutung der Kundenmotivationen<br />
sowohl für das Markenmanagement als auch für die Destinationswahl von Touristen<br />
herausgestellt. Motivationen können als Anhaltspunkte dienen, welche Benefits eine Marke<br />
bieten sollte, um die Kunden zum Kauf zu motivieren. Die diskutierten Untersuchungen aus<br />
dem allgemeinen <strong>Tourismus</strong>, dem Sport- sowie dem Abenteuertourismus und der Sportpsychologie<br />
lassen die Relevanz einer komplexen Mischung aus sport- und urlaubsbezogenen<br />
337 Philipsenburg (2001), S.116; Bourdeau et al. (2004), S.29; Roth et al. (2002), S.40.<br />
338 Middleton (1994), S.233; Fontanari (2000), S.79-82.<br />
67
Motivationen bei Klettertouristen erwarten. Da jedoch nur sehr begrenzte Erkenntnisse zu<br />
den Motivationen speziell von Klettertouristen vorliegen, sollte deren Analyse einen Schwerpunkt<br />
der empirischen Studie bilden. Der herausragenden Bedeutung der Motivationen für<br />
das Thema dieser Arbeit wird durch die dritte Forschungsfrage Rechnung getragen:<br />
- Welche Motivationen sind aus der Sicht der Klettertouristen für ihre Wahl ihrer Destinationsmarke<br />
relevant?<br />
Aus der bisherigen Diskussion haben sich starke Indizien dafür ergeben, dass die Motivationen<br />
der Klettertouristen nicht homogen sind. Der sehr unterschiedliche Zugang zum Klettern<br />
als Trend-, Breiten-, oder Leistungssport und die ganz unterschiedliche Intensität der Ausübung<br />
des Sports während des Urlaubs sind zwei Beispiele hierfür. So stellt sich die Frage,<br />
ob homogenere Teilgruppen der Klettertouristen als Basis für eine effektive Marktbearbeitung<br />
gebildet werden können.<br />
68
5. Aufbau der empirischen Studien<br />
5.1. Untersuchungsziele<br />
Ziel der empirischen Untersuchungen ist es, Erkenntnisse für die Beantwortung der <strong>im</strong> vorangegangenen<br />
Kapitel formulierten Fragestellungen der Arbeit zu gewinnen. Hierbei bietet<br />
es sich an, die Reihenfolge der Bearbeitung umzudrehen, damit die Reihenfolge des Vorgehens<br />
einer strategischen Markenanalyse entspricht. So werden erst die allgemeinen Besonderheiten<br />
des Kundensegments Klettertouristen untersucht, nachfolgend die Motivationen<br />
von Klettertouristen und schließlich die Akzeptanz von Destinationsdachmarken <strong>im</strong> Klettertourismus.<br />
Wie <strong>im</strong> vorangegangenen Kapitel diskutiert, ist die Frage der wirtschaftlichen<br />
Attraktivität noch stark umstritten. Deshalb werden in Kapitel 6.2. vergleichende Analysen zu<br />
dieser Frage angestellt, bevor die zentralen empirischen Fragestellungen der Arbeit untersucht<br />
werden.<br />
Um Antworten auf die Fragestellung „Welche <strong>im</strong> Klettersport begründeten Besonderheiten<br />
sind bei der Markenbildung von Destinationen für Klettertouristen relevant?“ zu generieren,<br />
sollen die Eigenschaften und das Verhalten der Klettertouristen als Kundengruppe untersucht<br />
werden. Schwerpunkte sind dabei die deskriptive Statistik in Abschnitt 6.1., die wirtschaftliche<br />
Attraktivität des Klettertourismus <strong>im</strong> Vergleich zum allgemeinen <strong>Tourismus</strong> in Abschnitt<br />
6.2. und die Überprüfung des Markenwechselverhaltens <strong>im</strong> Klettertourismus in 6.4.<br />
Um die zentrale Fragestellung „Welche Motivationen sind aus der Sicht der Klettertouristen<br />
für ihre Destinationsentscheidung relevant?“ zu beantworten, müssen diese zunächst empirisch<br />
ermittelt werden. Dies wird in Abschnitt 6.3.1. beschrieben. Im folgenden Abschnitt<br />
6.3.2. wird dann geprüft, ob sich auf der Basis der Motivationen homogenere Kundengruppen<br />
bilden lassen, die eine effiziente Marktbearbeitung ermöglichen.<br />
Auf die dritte zentrale Fragestellung der Arbeit „Durch welche Inhalte kann die Bildung einer<br />
Dachmarke mit anderen Destinationen eine von den Kunden akzeptierte Reaktion auf das<br />
Variety-Seeking Behavior <strong>im</strong> Klettertourismus darstellen? wird in Abschnitt 6.5. eingegangen.<br />
Zuvor wird hierfür in Kapitel 6.4. die Relevanz des Variety-Seeking Behaviors überprüft.<br />
Da es auch ein Ziel der empirischen Untersuchungen ist, Ansatzpunkte für DMOs zu generieren,<br />
die <strong>im</strong> Klettertourismus erfolgreich sein wollen, folgt in Abschnitt 6.6. eine Analyse der<br />
Management<strong>im</strong>plikationen aus den empirischen Ergebnissen.<br />
5.2.Untersuchungsdesign und Untersuchungsmethoden<br />
Die vorangegangenen Teile der Arbeit, in denen die vorhandene Literatur zum Klettern und<br />
zum Klettertourismus analysiert wurde, haben gezeigt, dass zwar umfangreiche sportwissenschaftliche<br />
Literatur zum Klettern sowie zur Psychologie des Kletterns und ebenso zu verschiedenen<br />
<strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>beispielen existiert, aber nur eine sehr begrenzte An-<br />
69
zahl fundierter Quellen speziell zum Klettertourismus. Diesem Umstand wurde durch das<br />
Untersuchungsdesign Rechnung getragen, indem Experteninterviews und eine qualitative<br />
Vorstudie durchgeführt wurden. Das Untersuchungsdesign enthält so qualitative und quantitative<br />
Elemente. Dieses kombinierte Vorgehen wird mittlerweile von vielen wissenschaftlichen<br />
Autoren empfohlen, um die Stärken beider Vorgehensweisen zu nutzen. 339 Die qualitativen<br />
Studien dienen hier der Vorbereitung und Absicherung des quantitativen Befragungsinstruments<br />
und unterstützen die Interpretation der quantitativen Ergebnisse. Die folgende Abbildung<br />
zeigt einen Überblick der durchgeführten Befragungen.<br />
1. Experteninterviews (N=13)<br />
- Probanden: Kletterer, Klettersportexperten, Klettertourismusanbieter und Destinationsmanager<br />
2. Qualitative Vorstudie (N=83)<br />
- Probanden: Klettertouristen in der Fränkischen Schweiz<br />
3. Quantitative Studie (N=320)<br />
- Probanden: Klettertouristen in der Fränkischen Schweiz, dem Elbsandsteingebirge,<br />
Garmisch-Partenkirchen, Arco, Perstejn und Kozelka<br />
Abbildung 13: Überblick der durchgeführten Befragungen<br />
Die Daten wurden in drei Schritten erhoben: Experteninterviews, gefolgt von einer qualitativen<br />
Vorstudie und schließlich einer quantitativen Studie, bestehend aus sechs Teilbefragungen.<br />
Als erste Untersuchung wurden sowohl mit Kletterern verschiedenen Leistungsstandes,<br />
Klettersportexperten, Anbietern rund um den Klettertourismus und vor allem Destinationsmanagern<br />
der späteren Untersuchungsgebiete insgesamt 13 problemzentrierte Interviews 340<br />
geführt. Dabei handelte es sich um halbstrukturierte Interviews für die theoriegeleitet ein Interviewleitfaden<br />
mit offenen Fragen erstellt wurde. Bezüglich der Themenreihenfolge wurde<br />
jedoch flexibel auf die Gesprächspartner eingegangen. Die Interviews hatten eine Dauer zwischen<br />
30 und 90 Minuten. Um die Reaktanz der Interviewten möglichst niedrig zu halten,<br />
wurden die Antworten schriftlich fixiert. Die explorative Befragung der Experten war durch<br />
die in vielen Punkten neuartige Problemstellung der Untersuchung notwendig. Die Tiefeninterviews<br />
dienten der Präzisierung des Forschungsproblems und der Untersuchungsplanung.<br />
Zusätzlich sollte die Möglichkeit wahrgenommen werden, durch die Experten auf bis zu diesem<br />
Zeitpunkt nicht bedachte Gesichtspunkte aufmerksam gemacht zu werden. 341 Ein<br />
339 Vgl. Stahl (1998), S.123 f. und dort angegebene Literatur.<br />
340 Zu problemzentrierten Interviews vgl. Mayring (1996), S.50-54 und Flick (1998), S.105-109.<br />
341 Böhler (1992), S.30 f.<br />
70
Schwerpunkt der Experteninterviews waren Gespräche mit Destinationsmanagern der Untersuchungsgebiete<br />
der späteren quantitativen Studie. Die Destinationsmanager wurden insbesondere<br />
zur Bedeutung des Klettertourismus für ihre Destinationen und des Stellenwerts des<br />
Klettertourismus für das jeweilige Destinationsmarketing befragt. Dies ermöglichte zudem<br />
die Erstellung kurzer Fallstudien zu allen Untersuchungsgebieten mit Ausnahme der tschechischen.<br />
Diese Fallstudien sind in die in diesem Kapitel enthaltenen Beschreibungen der<br />
Untersuchungsgebiete eingegangen. Weitere Schwerpunktthemen waren die Charakterisierung<br />
der Kundengruppe aus Expertensicht, der Markt für Klettertourismus sowie aktuelle<br />
Entwicklungstrends. Die Interviewteilnehmer konnten selbst ebenfalls Themen ansprechen,<br />
die ihnen bedeutsam erschienen und die bisher nicht bedacht wurden. Ein weiteres Ziel wurde<br />
durch die Tiefeninterviews der Klettersportler verfolgt: Nach MAYRING ermöglichen solche<br />
Einzelfallanalysen durch qualitative Interviews auch eine bessere Interpretation später erhobener<br />
quantitativer Daten. 342<br />
Den zweiten Schritt <strong>im</strong> Untersuchungsdesign bildete eine qualitative Pilotstudie. 83 Klettertouristen<br />
wurden vor Ort in der Fränkischen Schweiz mit Hilfe von strukturierten Interviews<br />
mit offenen Fragen persönlich befragt. 343,344 Ziel dieser Untersuchung war die Identifikation<br />
der subjektiv relevanten Bewertungskriterien für Klettergebiete durch die Befragten sowie die<br />
Motivationen, eine best<strong>im</strong>mte Kletterurlaubsdestination zu besuchen. Die hierfür eingesetzten<br />
Frageformulierungen gibt die folgende Tabelle wieder:<br />
Nummer Frageformulierung<br />
<strong>im</strong> Fragebogen<br />
2 Wieso sind Sie gerade in die Fränkische Schweiz zum Klettern gekommen?<br />
8 Was reizt Sie daran, in neue Klettergebiete zu fahren?<br />
9 Was muss ein Klettergebiet mindestens bieten, damit Sie dorthin fahren?<br />
10 Was macht für Sie ein Klettergebiet besonders attraktiv?<br />
11 Bitte beschreiben Sie Ihr Lieblingsklettergebiet.<br />
12 Bitte vergleichen Sie Ihr Lieblingsklettergebiet mit der Fränkischen<br />
Schweiz? (Wenn bereits Fränkische Schweiz, dann eines nach Wahl)<br />
Abbildung 14: Frageformulierungen aus dem Fragebogen der qualitativen Studie<br />
Gemäß der hier angewandten Elicitation-Technik wurde davon ausgegangen, dass die von<br />
den Probanden zuerst genannten Kriterien auch die höchste subjektive Relevanz besitzen. 345<br />
Der Logik des Repertory-Grids 346 folgt die Frage 12 nach dem Vergleich eines selbstgewähl-<br />
342 Mayring (1996), S.30.<br />
343 Vgl. hierzu Schnell, Hill & Esser (1999), S.299-312.<br />
344 Die vollständigen verwendeten Fragebögen sind <strong>im</strong> Anhang abgedruckt.<br />
345 Böhler (1979), S.270.<br />
346 Böhler (2004), S.126 f.<br />
71
ten Klettergebiets mit der Fränkischen Schweiz. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die<br />
zur Beurteilung der Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit herangezogenen Merkmale die relevanten<br />
Beurteilungsmerkmale der betrachteten Objekte - hier Kletterurlaubsdestinationen - darstellen.<br />
Die Durchführung eines vollständigen Repertory-Grids, bei dem verschiedene Objekttriples<br />
verglichen werden, bis der Proband keine weiteren Unterscheidungsmerkmale<br />
mehr nennen kann, hätte aus Sicht des Autors jedoch die <strong>im</strong> Rahmen dieser Untersuchung zu<br />
erwartende Auskunftsbereitschaft der Probanden überfordert. Zur Generierung von Items für<br />
geschlossene Fragen <strong>im</strong> Rahmen einer quantitativen Studie wurden zudem die Sport- und<br />
Freizeitaktivitäten <strong>im</strong> Urlaub neben dem Klettern abgefragt, sowie die zur Informationssuche<br />
vor dem Urlaub herangezogenen Quellen. Zusätzlich wurden demographische Daten erhoben.<br />
Mit Hilfe von Inhaltsanalysen wurden aus den Antworten auf die offenen Fragen schließlich<br />
Kategorien gebildet. Um den direkten Bezug zu den Ergebnissen zu wahren, wird auf das<br />
genaue Vorgehen während der Inhaltsanalyse erst in Abschnitt 6.3.1. zu den Motivationen<br />
der Klettertouristen eingegangen.<br />
Der dritte Schritt <strong>im</strong> Untersuchungsdesign waren schließlich stark strukturierte, überwiegend<br />
quantitative Befragungen von insgesamt 320 Klettertouristen in Deutschland (<strong>Frank</strong>enjura,<br />
Elbsandsteingebirge und Garmisch-Partenkirchen), in Italien (Arco) und in der Tschechischen<br />
Republik (Perstejn und Kozelka).<br />
Die Fragebogeninhalte für die quantitativen Befragungen orientierten sich an den zentralen<br />
Fragestellungen der Arbeit. So enthielt der Fragebogen Fragen zum Urlaubsverhalten und den<br />
Charakteristika der Klettertouristen sowie zu ihren Motivationen der Destinationswahl. Um<br />
die Service-Profit-Chain <strong>im</strong> Klettertourismus nachvollziehen zu können, enthielt das Befragungsinstrument<br />
Fragen zu Bewertungen der Untersuchungsgebiete, zur Urlaubszufriedenheit<br />
und zum Abwechslungsverhalten der Klettertouristen. Um auch mögliche Lösungsstrategien<br />
bei Variety-Seeking Behavior <strong>im</strong> Klettertourismus analysieren zu können, wurden Fragen<br />
zum Informationsverhalten der Klettertouristen und zur Kundensicht möglicher Kooperationen<br />
zwischen Destinationen <strong>im</strong> Klettertourismus aufgenommen. Letztere Fragen so zu formulieren,<br />
dass nach Kooperationen statt nach Dachmarken gefragt wurde, bot sich <strong>im</strong> Hinblick<br />
auf die eher antikommerzielle Einstellung vieler Klettertouristen an, die ja bereits <strong>im</strong><br />
Rahmen der Vorstellung der Kletterersubkultur in Abschnitt 3.1.5. zur Sprache kam. Auf<br />
diese Weise sollte unnötige Reaktanz vermieden werden. In sämtlichen Untersuchungsgebieten<br />
wurden bis auf die Änderung des Namens der Destination identische Fragebögen verwendet.<br />
Um internationale Touristen opt<strong>im</strong>al zu berücksichtigen, wurden die Fragebögen auch<br />
auf Englisch, Italienisch und Tschechisch zur Verfügung gestellt.<br />
Die Items wurden, soweit es sich nicht um ratioskalierte wie Alter, Einkommen oder ordinal<br />
skalierte Daten handelte, als Grad der Zust<strong>im</strong>mung zu Aussagen auf einer 7er Likertskala<br />
abgefragt. Die Verwendung einer 7er Skala sollte den Probanden <strong>im</strong> Vergleich zu lediglich<br />
72
fünf Bewertungsstufen ein differenzierteres Urteil ermöglichen. 347 Lediglich für die Frage<br />
nach der Gesamtzufriedenheit mit dem Urlaub kam eine 5er Skala zum Einsatz (1= unzufrieden<br />
bis 5= außerordentlich zufrieden), um eine direkte Vergleichbarkeit mit früheren Studien<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> herzustellen. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel aus dem Fragebogen.<br />
348<br />
6. Inwieweit treffen folgende Aussagen auf Dich 349 zu?<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
trifft<br />
überhaupt<br />
nicht zu<br />
trifft<br />
nicht<br />
zu<br />
trifft<br />
eher<br />
nicht zu<br />
trifft<br />
teilweise<br />
zu<br />
trifft<br />
eher<br />
zu<br />
trifft zu<br />
trifft<br />
voll und<br />
ganz zu<br />
kann ich<br />
nicht<br />
beurteilen<br />
Im Kletterurlaub suche<br />
ich auch nach Ruhe<br />
und Erholung.<br />
1 2 3 4 5 6 7 <br />
Abbildung 15: Skalenbeispiel aus dem Fragebogen der quantitativen Studie<br />
Für die so gewonnenen Daten wird, wie in den Sozialwissenschaften üblich, das Intervallskalenniveau<br />
angenommen. 350 Zusätzlich zu den geschlossenen Fragen wurden jedem Fragenblock<br />
offene Fragen angefügt, die nach aus Probandensicht notwendigen Ergänzungen<br />
forschten. Dies hatte zum Ziel, die aus der Vorstudie gewonnenen Fragebogenitems nochmals<br />
auf Vollständigkeit zu prüfen. Nur wenige Probanden konnten, trotz nachdrücklicher<br />
Aufforderung, hierauf zusätzliche Angaben machen. Zudem waren diese Antworten ganz<br />
überwiegend Wiederholungen der bereits geschlossen abgefragten Items. Dies ist ein Indiz<br />
für eine umfassende Itemerfassung <strong>im</strong> Rahmen der qualitativen Vorstudie.<br />
5.3. Datengewinnung<br />
Daten über Klettertouristen zu gewinnen ist mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, da<br />
keine verlässlichen Daten über die Grundgesamtheit existieren, 351 die als Basis für ein Quotenmodell<br />
dienen könnten. Drei Vorgehensweisen der Datengewinnung werden in empirischen<br />
Studien zu Kletterern und Klettertouristen verwendet: 352<br />
1. Repräsentative Haushaltsbefragungen: 353 Hierbei wird eine in der Regel für die Bevölkerung<br />
eines Landes repräsentative Stichprobe zu ihren allgemeinen Sport- und<br />
<strong>Tourismus</strong>gewohnheiten befragt. Neben dem Kostenaspekt hat dieses Vorgehen den<br />
347 Die Verwendung ähnlicher Skalen ist in tourismuswissenschaftlichen Studien verbreitet. Ebenfalls eine 7er<br />
Likertskala mit denselben Polen verwenden beispielsweise Pritchard & Howard (1997), S.5.<br />
348 Ein Beispiel für die vollständigen verwendeten Fragebögen ist <strong>im</strong> Anhang abgedruckt.<br />
349 Ein Element der Kletterersubkultur ist, dass andere Kletterer grundsätzlich geduzt werden.<br />
350 Zur Diskussion über die Korrektheit dieser Annahme vgl. Böhler (1992), S.101.<br />
351 Shaw & Jakus (1996), S.134.<br />
352 Grijalva & Shaw (2002), S.65.<br />
353 Beispiele für dieses Vorgehen sind: Cordell et al. (1999) und Outdoor Industry Association (2004).<br />
73
Nachteil, dass Kletterer nur einen sehr kleinen Anteil der Gesamtbevölkerung darstellen.<br />
Die Aussagen speziell zu Kletterern beruhen folgerichtig auf kleinen Fallzahlen<br />
und erweisen sich <strong>im</strong> Vergleich zu parallelen Studien und <strong>im</strong> Zeitablauf als stark<br />
schwankend und damit wenig reliabel. 354<br />
2. Befragungen von Kletterervereinsmitgliedern: 355 Es wird die Gesamtheit oder eine<br />
Auswahl der Mitglieder eines Kletterer- oder Alpenvereins befragt. Über die Mitglieder<br />
liegen in der Regel verlässliche demographische Daten vor, sodass bei anderweitig<br />
korrektem Vorgehen valide Aussagen getroffen werden können. Allerdings ausschließlich<br />
für die <strong>im</strong> Verein organisierten Personen. Der Deutsche Alpenverein<br />
(DAV) schätzt beispielsweise, dass bis zu 70% der Kletterer in Deutschland Mitglied<br />
in einem Kletterverein sind. 356 Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Kletterer, die<br />
über kommerzielle Anbieter zu ihrem Sport gelangt sind oder sich bewusst gegen die<br />
organisierte Sportausübung entschieden haben, sich für viele Fragestellungen von den<br />
Vereinsmitgliedern unterscheiden, sodass die Ergebnisse solcher Studien nicht ohne<br />
Weiteres auf die Gesamtheit der Kletterer übertragen werden sollten.<br />
3. Befragungen vor Ort: 357 Hierbei werden die Kletterer direkt be<strong>im</strong> Klettern befragt. So<br />
werden die bei den vorangegangenen Methoden auftretenden Verzerrungen vermieden.<br />
Ob die so befragten Kletterer repräsentativ für die Grundgesamtheit sind, bleibt<br />
jedoch unklar. Diese Befragungsmethode wird zusätzlich durch die Weitläufigkeit der<br />
meisten Klettergebiete und die Abgeschiedenheit vieler Kletterfelsen erschwert.<br />
Die vorliegende Untersuchung gehört zur dritten Kategorie. Um die Gefahr einer Verzerrung<br />
der Stichprobe möglichst gering zu halten, wurden als Befragungszeitpunkte ausschließlich<br />
Wochenenden in der Hauptklettersaison der jeweiligen Gebiete gewählt. Für die Befragung<br />
wurden als Orte besonders beliebte Felsen oder Parkplätze an den Zugängen zu Kletterfelsen<br />
mit Routen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade gewählt, um Kletterer aller Leistungsstufen<br />
zu erfassen. Dennoch kann nicht von der Repräsentativität der Stichprobe ausgegangen<br />
werden. In die Untersuchung wurden nur Personen aufgenommen, die mindestens eine Nacht<br />
als Touristen <strong>im</strong> Befragungsgebiet verbrachten und sich selbst als Klettertouristen bezeichneten.<br />
Soweit sich dennoch Tagestouristen <strong>im</strong> Datensatz befanden, wurden diese nachträglich<br />
aussortiert. Damit wurde die Studie bewusst auf Urlauber fokussiert und Tagestouristen ausgeschlossen.<br />
Freizeitkletterer und Klettertouristen nutzen zwar oft die gleichen Felsen, 358<br />
bezüglich der Motivationen und Anforderungen an die Destination sind jedoch Unterschiede<br />
zu erwarten. Wie POMFRET für Bergsportler <strong>im</strong> Allgemeinen feststellte, sehen die Freizeit-<br />
354 Siehe auch die Ergebnisbandbreite der in Abschnitt 3.2. zu den Eigenschaften von Kletterern zitierten Studien.<br />
355 Für einen Überblick der vom DAV unterstützten Studien vgl. Schurz (2000). Internationale Beispiele sind<br />
Shaw & Jakus (1996) und Thiene (2002).<br />
356 Schurz (2000), S.31.<br />
357 Die Befragung während der Ausübung wird beispielsweise von Pomfret empfohlen. Pomfret (2006), S.121.<br />
358 Williams (2003).<br />
74
sportler ihre sportliche Aktivität oft rein unter Trainingsaspekten. 359 Verschiedene weitere<br />
Untersuchungen <strong>im</strong> Sporttourismus weisen darauf hin, dass sich Tagesausflügler und Sporttouristen<br />
mit mindestens einer Übernachtung in der Destination in ihrem Verhalten deutlich<br />
unterscheiden. Unterschiede wurden insbesondere bezüglich der Ausgaben und der traditionellen<br />
touristischen Aktivitäten neben der sportbasierten Hauptaktivität des Aufenthalts festgestellt.<br />
360<br />
Die Fragen des Fragebogens wurden den Probanden vom Interviewer vorgelesen und dieser<br />
trug die Antworten in den Fragebogen ein. Zur Entscheidungsunterstützung wurden den Probanden<br />
zusätzlich Karten mit den verwendeten Skalen gereicht. Dieses Vorgehen führt <strong>im</strong><br />
Vergleich zum selbstständigen Ausfüllen zunächst zu erhöhtem Aufwand, ermöglicht aber<br />
auch eine Min<strong>im</strong>ierung von frühzeitigen Abbrüchen der Beantwortung, von Fehlern be<strong>im</strong><br />
Ausfüllen und von fehlenden Werten. Die Möglichkeit von Rückfragen beugt zudem Missverständnissen<br />
bei den Befragten vor. Die Befragungen wurden von Diplomanden des Lehrstuhls<br />
für Dienstleistungsmanagement von Prof. Woratschek an der Universität Bayreuth<br />
durchgeführt, die dabei durch den Autor betreut wurden. Die Daten aus den tschechischen<br />
Untersuchungsgebieten wurden von Kooperationspartnern von der Karlsuniversität in Prag<br />
unter Leitung von Doc. PhDr. Jan Neuman, CSc. erhoben.<br />
Die Daten wurden in das Statistikprogramm SPSS eingegeben und durch Häufigkeitsanalysen<br />
und Stichproben intensiv auf Fehler geprüft.<br />
Im Rahmen der quantitativen Studie wurden insgesamt 320 Kletterer befragt. Auf die Untersuchungsgebiete<br />
verteilt, wurden 96 Kletterer in der Fränkischen Schweiz, 87 Kletterer in<br />
Arco in Italien, 59 Kletterer in Garmisch-Partenkirchen und 18 Kletterer in der Sächsischen<br />
Schweiz, 48 Kletterer in Perstejn und 12 in Kozelka in der Tschechischen Republik befragt.<br />
Die ausgewählten Untersuchungsgebiete unterscheiden sich bezüglich ihrer Hauptcharakteristika<br />
und auch in ihren Strategien für den Klettertourismus teilweise deutlich. Dies war bei<br />
der Auswahl der Untersuchungsgebiete von Bedeutung, da es <strong>im</strong> Hinblick auf einen Vergleich<br />
der Klettertouristen in den verschiedenen Gebieten und eine mögliche Kooperation als<br />
Reaktion auf Variety-Seeking Behavior von Interesse ist. Die sechs Gebiete werden <strong>im</strong> Folgenden<br />
näher beschrieben und ihre Auswahl als Untersuchungsgebiet begründet.<br />
Die Fränkische Schweiz liegt <strong>im</strong> Städtedreieck zwischen Bayreuth, Bamberg und Nürnberg.<br />
Die international gebräuchliche Bezeichnung der Fränkischen Schweiz als Klettergebiet ist<br />
Nördlicher <strong>Frank</strong>enjura. Dieser erstreckt sich allerdings noch ein Stück nach Osten über die<br />
Fränkische Schweiz hinaus. Die Landschaft ist geprägt von spektakulären Kalksteinfelsen,<br />
von denen einige weltweite Bekanntheit als Kletterfelsen erlangt haben. Mehrere tausend<br />
Kletterrouten aller Schwierigkeitsgrade stehen den Kletterern zur Verfügung. 361 Eine Beson-<br />
359 Pomfret (2006), S.116.<br />
360 Gibson (2004), S.249; Nogawa, Yamguchi & Hagi (1996); Gibson, Willming & Holdnak (2003).<br />
361 Eine detaillierte Beschreibung vieler dieser Kletterrouten findet sich in Thum (2003).<br />
75
derheit ist die <strong>im</strong> Vergleich zu den meisten anderen Klettergebieten große Anzahl sehr<br />
schwerer Routen. Viel Pionierarbeit <strong>im</strong> Klettern z.B. in der Entwicklung der Schwierigkeitsgrade<br />
ist in der Fränkischen Schweiz geleistet worden und begründet teilweise die große Bekanntheit<br />
des Klettergebiets. So entstand unter anderem die Rotpunktbewegung 362 <strong>im</strong> <strong>Frank</strong>enjura<br />
und mit „Action Directe“ wurde dort die erste Route mit Schwierigkeitsgrad XI auf<br />
der internationalen UIAA 363 Skala von dem Sportkletterer Wolfgang Güllich gemeistert. Die<br />
zahlenmäßige Bedeutung des Klettersports als <strong>Tourismus</strong>faktor für die Region ist hoch. Insbesondere<br />
an schönen Wochenenden nach Ostern besuchen nach Schätzung eines der befragten<br />
Destinationsmanager 3000-5000 Kletterer die Fränkischen Schweiz. Internationale Touristen<br />
spielen in der Fränkischen Schweiz gerade <strong>im</strong> Kletterbereich durch die Bekanntheit des<br />
Klettergebiets eine größere Rolle als in anderen deutschen Klettergebieten und auch als in<br />
anderen <strong>Tourismus</strong>segmenten in der Fränkischen Schweiz. Eine neuere Entwicklung ist ein<br />
reger Zustrom von Kletterern aus der Tschechischen Republik durch die Grenzöffnung und<br />
die relative Nähe zu Prag. Eine segmentspezifische <strong>Tourismus</strong>strategie oder spezielle Marketinganstrengungen<br />
der Destination Fränkische Schweiz für den Klettertourismus existieren<br />
jedoch nicht, da nur begrenztes Erlöspotential gesehen wird. Die Kletterfelsen liegen überwiegend<br />
<strong>im</strong> Naturpark Fränkische Schweiz - Veldensteiner Forst, sodass auch die Naturparkverwaltung<br />
einen bedeutenden Faktor für den Klettertourismus darstellt. Die Naturparkleitung<br />
fördert indirekt das Klettern, indem sie ein Aktionsprogramm zur Freilegung der für das<br />
Landschaftsbild der Fränkischen Schweiz charakteristischen Felsen durchführt. 364 Die kooperativ<br />
mit den Kletterverbänden erstellte Kletterregelung, die den Erhalt der Klettermöglichkeiten<br />
mit den Anforderungen des Naturschutzes in Einklang bringt, gilt als vorbildlich in<br />
Deutschland. 365<br />
Die Sächsische Schweiz liegt südöstlich von Dresden entlang der Elbe. Das betreffende Klettergebiet<br />
ist unter der Bezeichnung Sächsische Schweiz oder auch Elbsandsteingebirge bekannt<br />
und zeichnet sich durch einzigartige Sandsteinfelsformationen aus. Eine Vielzahl von<br />
Routen steht den Klettertouristen zur Verfügung. 366 Das Felsklettern begann in Deutschland<br />
<strong>im</strong> Elbsandsteingebirge und hat dort eine über hundertjährige Tradition. Klettern hat als<br />
Sportart eine hohe regionale Bedeutung und ist bei Sportlern aller Altersklassen beliebt. Die<br />
lange Tradition und auch der besonders schutzbedürftige Sandstein haben zur Entwicklung<br />
einer eigenen Kletterkultur beigetragen, die sich in Regelwerk, Routenauszeichnung und<br />
Mentalität der Kletterer niederschlägt. Das Klettern <strong>im</strong> Elbsandsteingebirge wurde in den<br />
Tiefeninterviews insbesondere durch den vorgeschriebenen, weiten Hakenabstand und die<br />
strenge Begrenzung der erlaubten Hilfsmittel oftmals als schwierig, gewöhnungsbedürftig<br />
oder sogar als gefährlich bezeichnet. Klettern stellt einen der vier Marketingschwerpunkte der<br />
362 Die Rotpunktbewegung trieb die Wiederentdeckung des Kletterns ohne technische Hilfsmittel voran.<br />
363 UIAA steht für Union Internationale des Associations d’Alpinisme.<br />
364 Popp (2003).<br />
365 Mailänder (2000), S.131.<br />
366 Der beliebteste Topoführer der Region umfasst sechs Einzelbände: Fritzsch & Heinicke (1991-2001).<br />
76
Sächsischen Schweiz dar, steht hier allerdings an vierter Stelle. Dennoch richten sich <strong>im</strong>mer<br />
wieder gezielte Marketinganstrengungen an Kletterer. Internationale Klettertouristen spielen<br />
in der Sächsischen Schweiz praktisch keine Rolle. Teilweise, mit Sicherheit als Folge der<br />
DDR-Zeit, dominieren nach wie vor Gäste aus den neuen Bundesländern und Berlin. Die<br />
Kletterfelsen liegen <strong>im</strong> Nationalpark Sächsische Schweiz, doch auch hier wurde eine einvernehmliche<br />
Kletterkonzeption erarbeitet. 367 Eine touristisch relevante Besonderheit ist die Erlaubnis<br />
des sogenannten Boofens, welches das Übernachten <strong>im</strong> Freien direkt unter den Felsen<br />
bezeichnet. 368<br />
Garmisch-Partenkirchen bzw. das Wettersteingebirge liegt am Rand des Klettergebiets Nördliche<br />
Kalkalpen, das einige herausragende Klettermöglichkeiten bietet und zu einem großen<br />
Teil in Österreich liegt. 369 Dieses Klettergebiet wurde in die Untersuchung aufgenommen, um<br />
auch eine alpine, sportgeprägte Destination zu berücksichtigen. Nicht alle Kletterführer über<br />
diese Region zählen jedoch Kletterrouten <strong>im</strong> Wettersteingebirge zu den herausragenden Kletterzielen<br />
der Region. 370 Be<strong>im</strong> Felstyp handelt es sich wie in der Fränkischen Schweiz um<br />
Kalkstein, <strong>im</strong> Hochgebirge sind jedoch erheblich längere Kletterrouten möglich als in den<br />
Mittelgebirgen. Um die Vergleichbarkeit mit den Mittelgebirgen zu wahren, wurden jedoch<br />
nur Sportkletterer befragt. In Garmisch-Partenkirchen bestehen eine ganze Reihe von Anbietern,<br />
die sich auf Dienstleistungen rund ums Klettern oder den Bergsport allgemein spezialisiert<br />
haben. Es existieren allein sechs Bergsteigerschulen, eine Kletterhalle und mehrere Klettergärten<br />
in Garmisch-Partenkirchen und in der näheren Umgebung. Der Klettertourismus<br />
spielt dennoch in Garmisch-Partenkirchen bisher nur eine Nebenrolle. Klettern wird <strong>im</strong> Marketing<br />
nicht differenziert vom allgemeinen Bergsport behandelt.<br />
Arco, das als Synonym für die Kletterregion des Sarcatals verwendet wird, liegt nördlich des<br />
Gardasees in Italien. Die zum Gardasee steil abfallenden Felsen bieten eine Vielzahl an Klettermöglichkeiten.<br />
Das milde Kl<strong>im</strong>a ermöglicht eine erheblich längere Klettersaison als in den<br />
deutschen Kletterregionen. Arco ist eines der bedeutendsten Kletterzentren Europas, das sich<br />
auch bei deutschen Kletterern sehr großer Beliebtheit erfreut. Es gibt eine Vielzahl auf Klettern<br />
spezialisierter Anbieter und mit „Rock Master“ findet einer der bedeutendsten Kletterwettkämpfe<br />
der Welt in Arco statt. Der Wettkampf und das begleitende Festival ziehen alljährlich<br />
mehrere tausend Klettertouristen nach Arco und sind ein sehr seltenes Beispiel für<br />
Eventtourismus in diesem Segment. In Arco wird der Klettertourismus gezielt und strategisch<br />
schon seit Beginn der 80er Jahre gefördert. Laut der dort geführten Tiefeninterviews war seit<br />
dieser Zeit die Entwicklung vieler Klettertouristen vom recht abgerissen aussehenden Studenten<br />
zum gutsituierten Akademiker zu beobachten, der nach wie vor zum Klettern in die Des-<br />
367 Mailänder (2000), S.131.<br />
368 Geidel (2001).<br />
369 Beschreibungen des Klettergebiets finden sich in: Pfanzelt (2003) und unter<br />
http://www.garmisch.de/download.php?artid={40d6cfc7-e419-84ca-6c8b-457a1db755e7} (Zugriff am<br />
09.05.2006).<br />
370 Heller (1991) und Höfler (1991).<br />
77
tination kommt, jedoch mit veränderten finanziellen Möglichkeiten und Ansprüchen. Klettertourismus<br />
bietet demnach dort auch eine Möglichkeit, die Übernachtungskapazitäten in der<br />
Nebensaison besser auszulasten, da die Hauptsaison für das Klettern vor bzw. nach der Sommerreisezeit<br />
liegt.<br />
Das Klettergebiet Perstejn liegt nordöstlich von Karlsbad in der Tschechischen Republik. Das<br />
Gebiet besteht aus kompakten Gneisfelsen. Mit etwas über 200 überwiegend leichten Routen<br />
gehört es zu den interessanten Klettergebieten der Tschechischen Republik, aber nicht zu den<br />
größten und international bekannten.<br />
Ebenso <strong>im</strong> deutsch-tschechischen Grenzgebiet etwa 40 Kilometer nördlich von Pilsen liegt<br />
das zweite tschechische Untersuchungsgebiet Kozelka. Das Gebiet besteht aus vulkanischem<br />
Gestein und liegt in einem Naturschutzgebiet, sodass nur die tschechische Klettertechnik zugelassen<br />
ist, die den felsschonenden Best<strong>im</strong>mungen <strong>im</strong> Elbsandsteingebirge ähnelt. Auch für<br />
dieses tschechische Gebiet gilt, dass es zwar ein interessantes, aber kein international relevantes<br />
Klettergebiet ist. Ausschlaggebend für die Wahl dieser beiden tschechischen Gebiete war<br />
die Empfehlung der tschechischen Kooperationspartner und die Förderrichtlinien der EURE-<br />
GIO EGRENSIS 371 , welche die Datenerhebung finanziell gefördert hat.<br />
371 EUREGIO EGRENSIS bezeichnet zunächst ein Gebiet, das Grenzregionen in Bayern, Thüringen, Sachsen<br />
und der Tschechischen Republik umfasst. Gleichzeitig vergibt die EUREGIO EGRENSIS Fördergelder aus<br />
den Interregprogrammen der Europäischen Union für grenzüberschreitende Projekte. Siehe auch<br />
www.euregio-egrensis.de.<br />
78
6. Ergebnisse der empirischen Studien und Diskussion<br />
6.1. Deskriptive Statistiken<br />
Die männlichen Kletterer befinden sich mit 67,2% in der Stichprobe deutlich in der Mehrheit<br />
gegenüber 32,8% Frauen. Dies entspricht <strong>im</strong> Wesentlichen den in Abschnitt 3.1.2. beschriebenen<br />
Ergebnissen des DAV zur Geschlechterverteilung <strong>im</strong> Klettersport.<br />
Die folgende Abbildung zeigt die Verteilung der Stichprobe auf Altersgruppen.<br />
50%<br />
Altersgruppen<br />
40%<br />
36.88%<br />
39.38%<br />
30%<br />
20%<br />
17.81%<br />
10%<br />
5.94%<br />
0%<br />
bis 20 Jahre 21 bis 30 Jahre 31 bis 40 Jahre Über 40 Jahre<br />
Abbildung 16: Aufteilung der Klettertouristen auf Altersgruppen<br />
Das Alter der Probanden schwankte von 13 bis 68 Jahren bei einem Durchschnitt von 33 Jahren.<br />
Die Besonderheit der Altersstruktur der Klettersportler findet sich also auch als Besonderheit<br />
der Klettertouristen wieder.<br />
Bezüglich der Aufenthaltsdauer dominieren Kurzurlaube, wie aus der Abbildung 17 ersichtlich<br />
ist. Fast drei Viertel der Klettertouristen bleiben nur für eine oder zwei Übernachtungen<br />
in der jeweiligen Destination. Dies überrascht insofern nicht, als Klettern häufig als Wochenendhobby<br />
ausgeübt wird. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 3,08 Übernachtungen.<br />
Die durchschnittliche Anzahl von Kletterurlauben pro Jahr lag während dessen bei gegenüber<br />
anderen <strong>Tourismus</strong>segmenten beachtlichen 8,63 Kletteraufenthalten mit mindestens<br />
einer Übernachtung in der Fremde. In der Reiseanalyse des Jahres 1999 lag die Reiseintensität,<br />
also der Anteil der Bevölkerung, der Kurzreisen unternahm, bei 36,7%. Diese unternahmen<br />
durchschnittlich 2,3 Kurzurlaube von 2-4 Tagen pro Jahr. 372 Die hohe Urlaubsfrequenz<br />
372 Lohmann & Aderhold (2000), S.26 f.<br />
79
ist als direkte Auswirkung der zuvor beschriebenen hohen Mobilität der Kletterer und der<br />
Lage der besten Klettergebiete abseits der Ballungsräume zu sehen.<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
42.50%<br />
Aufenthaltsdauer<br />
31.56%<br />
20%<br />
10%<br />
14.06%<br />
11.88%<br />
0%<br />
1 Übernachtung 2 Übernachtungen 3-6 Übernachtungen über eine Woche<br />
Abbildung 17: Aufenthaltsdauer der Klettertouristen<br />
Die betrachteten Klettertouristen favorisieren Camping als Unterkunftsart, wie die folgende<br />
Abbildung 18 zeigt. Zusammengefasst wählten 35% der Probanden eine unbezahlte Unterkunftsform,<br />
indem sie wild campten oder <strong>im</strong> eigenen Auto außerhalb von Campingplätzen<br />
übernachteten. 39% entschieden sich für eine Übernachtung auf dem Campingplatz und lediglich<br />
20% hatten eine feste Unterkunft in Form eines Hotels, einer Pension, einer Ferienwohnung<br />
oder eines Gasthofes. Diese Zahlen unterscheiden sich stark vom Gesamttourismus.<br />
So ergab die Reiseanalyse 1999 einen Anteil von 46% für Hotels, weitere 35% für andere<br />
feste Unterkünfte, 7% Camping und 10% Unterkunft bei Verwandten oder Bekannten. Diese<br />
Anteile schwanken jedoch nach Reiseziel und Urlaubsform stark. Hotels dominieren insbesondere<br />
bei Fernreisen und Pauschalurlauben. 373<br />
373 Lohmann & Aderhold (2000), S.59-61.<br />
80
Pension<br />
8%<br />
Gasthof<br />
1%<br />
Ferienwohnung<br />
9%<br />
Sonstige<br />
6%<br />
Unterkunft<br />
Campingplatz<br />
39%<br />
Wildes Camping<br />
16%<br />
Hotel<br />
2%<br />
Übernachtung <strong>im</strong><br />
Auto<br />
19%<br />
Abbildung 18: Gewählte Unterkunft der Klettertouristen<br />
Die befragten Klettertouristen kamen zu zwei Dritteln aus Deutschland, da auch Arco als italienisches<br />
Klettergebiet zu einem großen Teil von deutschen Kletterern besucht wird.<br />
Herkunft<br />
Österreich<br />
9%<br />
Italien<br />
3%<br />
Sonstige<br />
3%<br />
Tschechische<br />
Republik<br />
19%<br />
Deutschland<br />
66%<br />
Abbildung 19: Herkunft der Klettertouristen<br />
Über 60% der befragten Klettertouristen reisten in Begleitung von Freunden und gut die<br />
Hälfte mit ihren Ehe- oder Lebenspartnern. Organisierte Reisegruppen und insbesondere Alleinreisende<br />
blieben eine Randerscheinung. Mögliche Gründe für den geringen Anteil Alleinreisender<br />
sind zum einen die Notwendigkeit eines Partners zur Sicherung des Kletternden,<br />
zum anderen der hohe Organisationsgrad der Kletterer in Vereinen und letztlich die hohe<br />
81
Bedeutung sozialer Kontakte innerhalb der Subkultur, die in Abschnitt 3.1.5. beschrieben<br />
wurde.<br />
Urlaubsbegleitung<br />
Freunde<br />
63.44%<br />
Partner/in<br />
52.19%<br />
Familie<br />
13.75%<br />
Kind/er<br />
9.69%<br />
Organisierte Reisegruppe<br />
4.06%<br />
Sonstige<br />
2.81%<br />
Alleine<br />
0.94%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />
Abbildung 20: Urlaubsbegleitung der Klettertouristen<br />
Die befragten Kletterer hatten zwischen ein und 35 Jahren Erfahrung <strong>im</strong> Klettern, wobei der<br />
Durchschnitt bei neuneinhalb Jahren lag.<br />
Klettererfahrung in Jahren<br />
über 10 Jahre<br />
31%<br />
Ein Jahr<br />
5%<br />
2 bis 5 Jahre<br />
35%<br />
5 bis 10 Jahre<br />
29%<br />
Abbildung 21: Klettererfahrung der Befragten<br />
82
Auf die Frage, welchen Schwierigkeitsgrad 374 sie normalerweise kletterten, antworteten die<br />
Untersuchungspersonen <strong>im</strong> Durchschnitt mit 6,6. Die gruppierte Darstellung zeigt, dass mit<br />
73% fast drei Viertel der Klettertouristen Routen mit Schwierigkeitsgraden zwischen 4 und 7<br />
wählen. Immerhin 26% klettern nach eigenen Angaben normalerweise Routen mit Schwierigkeitsgraden<br />
über 7, was regelmäßiges und intensives Training voraussetzt.<br />
Gewählter Schwierigkeitsgrad<br />
über 7<br />
26%<br />
1 bis 3<br />
1%<br />
4 bis 7<br />
73%<br />
Abbildung 22: Normalerweise gewählter Schwierigkeitsgrad der Kletterrouten<br />
Die Betrachtung des Datensatzes hat bereits gezeigt, dass sich die <strong>im</strong> Abschnitt 3.1. der Arbeit<br />
beschriebenen Besonderheiten der Klettersportler verschiedentlich als Besonderheiten<br />
von Klettertouristen auswirken. Aus wirtschaftlicher Sicht wird diese Analyse <strong>im</strong> folgenden<br />
Kapitel vertieft.<br />
6.2. Analysen zur wirtschaftlichen Attraktivität des Klettertourismus<br />
Destinationsmanagementorganisationen arbeiten oftmals mit sehr begrenzten Ressourcen an<br />
Zeit, Geld und Personal. Sie sind deshalb darauf angewiesen, diese auf besonders lohnende<br />
Aktivitäten und insbesondere lohnende Kundensegmente zu konzentrieren. 375 Die Darstellung<br />
der existierenden Studien zum Klettertourismus hat gezeigt, dass es in der Wissenschaft<br />
durchaus umstritten ist, ob der Klettertourismus ein aus wirtschaftlicher Sicht attraktives<br />
Segment ist. Auch die <strong>im</strong> Rahmen der Experteninterviews befragten Destinationsmanager<br />
äußerten sehr unterschiedliche Ansichten. Diese reichten von klarer Verneinung der wirtschaftlichen<br />
Attraktivität des Segments, über Unentschlossenheit bis hin zur Bewertung als<br />
hochattraktiv. Die Diskussion der wirtschaftlichen Attraktivität des Klettertourismus stützt<br />
sich bisher jedoch noch stark auf Beobachtungen und Meinungen von Experten und zu wenig<br />
374 Gemessen auf der Skala des internationalen Kletterverbandes UIAA.<br />
375 Frömbling (1993).<br />
83
auf fundierte empirische Ergebnisse. In diesem Teilkapitel werden deshalb die Ergebnisse der<br />
Untersuchungen zur ökonomischen Attraktivität des Klettertourismus näher betrachtet.<br />
Die Daten aus den eigenen Befragungen werden hierzu, soweit verfügbar, mit Sekundärdaten<br />
über den allgemeinen <strong>Tourismus</strong> in denselben Destinationen verglichen. Allgemeiner <strong>Tourismus</strong><br />
bedeutet hier einen Querschnitt über alle <strong>Tourismus</strong>segmente. Die Sekundärdaten zu<br />
Arco, der Fränkischen Schweiz und dem Elbsandsteingebirge wurden freundlicherweise jeweils<br />
von einer lokalen Destinationsmanagementorganisation zur Verfügung gestellt, wobei<br />
sich die Daten für Arco lediglich auf den Bereich Sporttourismus beschränken. Im Fall von<br />
Garmisch-Partenkirchen dient eine frühere Untersuchung zum allgemeinen <strong>Tourismus</strong> als<br />
Vergleichsbasis. 376 Für die beiden tschechischen Destinationen stehen leider keine Vergleichsdaten<br />
zur Verfügung.<br />
Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus wurden die Klettertouristen in den hier bereits vorgestellten<br />
Quellen insbesondere als Gäste beschrieben, die für eine Destination verhältnismäßig<br />
geringe Umsätze generieren, da sie sich durch geringe Urlaubsausgaben und kurze Aufenthaltsdauern<br />
auszeichnen. 377 Für die Bewertung der Attraktivität von Kundensegmenten <strong>im</strong><br />
<strong>Tourismus</strong> sind dies jedoch die am häufigsten beachteten Kennzahlen. Zudem wird beschrieben,<br />
dass sich Klettertouristen sehr stark auf die Ausübung ihres Sports beschränken, 378 was<br />
zu geringen Cross-Selling Potenzialen für andere touristische Angebote führt und damit ebenfalls<br />
das Umsatzpotential begrenzt. Gleichzeitig werden Kletterer aber auch als junge und<br />
gebildete Kundengruppe beschrieben, die deshalb langfristig überdurchschnittlich steigende<br />
Einkommen erzielen werden, was zukünftige Umsatzpotenziale verspricht. 379 Will man also<br />
die Frage nach der wirtschaftlichen Attraktivität des Klettertourismus für Destinationen untersuchen,<br />
sind insbesondere die Urlaubsausgaben, Aufenthaltsdauer sowie Aktivitäten neben<br />
dem Klettern und das Alter der Klettertouristen zu betrachten.<br />
Das erste zu betrachtende Kriterium ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer. Gemäß der<br />
obigen Diskussion werden <strong>im</strong> Klettertourismus vergleichsweise kurze Aufenthaltsdauern<br />
erwartet. Um eine korrekte Überprüfung zu ermöglichen, lautet die erste Hypothese jedoch:<br />
H1: Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Klettertouristen unterscheidet sich<br />
nicht vom <strong>Tourismus</strong> insgesamt.<br />
Die folgende Tabelle zeigt die durchschnittliche Anzahl von Übernachtungen, unterteilt nach<br />
Untersuchungsgebieten, <strong>im</strong> Vergleich mit Sekundärdaten zum allgemeinen <strong>Tourismus</strong>.<br />
376 Woratschek (2002).<br />
377 Bourdeau et al. (2004).<br />
378 Grotheer et al. (2003).<br />
379 Ravenscroft et al. (2005) sowie Outdoor Industry Association (2004).<br />
84
Übernachtungen<br />
Klettertourismus<br />
Standardfehler<br />
des Mittelwertes<br />
Allgemeiner<br />
<strong>Tourismus</strong><br />
Signifikanz<br />
(t-Test)<br />
<strong>Frank</strong>enjura 3,35 0,49 4,40
nicht in den Destinationen verausgabt werden und so das Bild aus Sicht der Destinationen<br />
verzerren würden.<br />
Urlaubsausgaben<br />
Klettertourismus<br />
Standardfehler<br />
des Mittelwertes<br />
Allgemeiner<br />
<strong>Tourismus</strong><br />
Signifikanz<br />
(t-Test)<br />
<strong>Frank</strong>enjura 26,80 € 2,41 55,00 €
Alter<br />
Klettertourismus<br />
Standardfehler<br />
des<br />
Mittelwertes<br />
Allgemeiner<br />
<strong>Tourismus</strong><br />
Signifikanz<br />
(t-Test)<br />
<strong>Frank</strong>enjura 32,00 0,86 50,66<br />
Garmisch-<br />
33,77 1,00 43,99
Aktivitäten neben dem Klettern<br />
Essen gehen<br />
60.00%<br />
Wandern<br />
45.00%<br />
Einkaufen<br />
Mountainbike/ Fahrradfahren<br />
Wassersport<br />
Ausflüge und Kulturprogramm<br />
Joggen<br />
Sonstige<br />
34.06%<br />
29.06%<br />
28.13%<br />
21.25%<br />
15.94%<br />
12.19%<br />
0.00% 10.00% 20.00% 30.00% 40.00% 50.00% 60.00% 70.00%<br />
Abbildung 26: Aktivitäten <strong>im</strong> Kletterurlaub neben dem Klettern<br />
Da hier Mehrfachantworten zulässig waren, addieren sich die Prozentzahlen nicht zu hundert,<br />
sondern geben jeweils den Anteil der Touristen an, welche der jeweiligen Aktivität in diesem<br />
Urlaub nachgehen. So gingen 60% der Probanden Essen, 45% neben dem Klettern auch<br />
Wandern und gut 34% zum Einkaufen <strong>im</strong> jeweiligen Untersuchungsgebiet. Die tschechischen<br />
Destinationen weisen deutlich weniger Aktivitäten neben dem Klettern auf. Die Gründe dafür<br />
könnten mangelndes Interesse, geringere finanziellen Möglichkeiten, aber auch fehlende<br />
Sport- und Freizeitangebote sein. Dies wird bei der Betrachtung der Motivationen in Abschnitt<br />
6.3.1. näher untersucht. In jedem Fall ist die These, dass Klettertouristen sich rein aufs<br />
Klettern beschränken, <strong>im</strong> Lichte dieser Ergebnisse kaum haltbar.<br />
Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse dieses Kapitels, dass Klettertourismus <strong>im</strong> <strong>Frank</strong>enjura,<br />
<strong>im</strong> Elbsandsteingebirge und in Garmisch-Partenkirchen durch niedrigere Aufenthaltsdauern<br />
und geringere Urlaubsausgaben als <strong>im</strong> allgemeinen <strong>Tourismus</strong> bisher ein vergleichsweise<br />
unattraktives Kundensegment ist. Das Beispiel Arco zeigt aber auch, dass dies nicht zwingend<br />
der Fall sein muss. Bezeichnenderweise ist Arco auch die einzige der untersuchten Destinationen,<br />
die seit Beginn der 80er Jahre den Klettertourismus gezielt und strategisch fördert<br />
und nun die Früchte erntet. Denn aus den abgerissenen Studenten der Anfangszeit sind inzwischen<br />
oftmals gut situierte Akademiker geworden, die <strong>im</strong>mer noch gerne in Arco klettern,<br />
aber inzwischen ein deutlich ausgabenfreudigeres Urlaubsverhalten zeigen. Die Ergebnisse<br />
zu Alter und Ausbildung der Klettertouristen lassen vermuten, dass eine Verstärkung dieses<br />
Trends zu erwarten ist. Ein Trend zu bequemeren und teureren Formen des Abenteuertourismus<br />
wird auch in der Literatur zunehmend festgestellt und weiterhin prognostiziert. 381 Die<br />
Implikation der beschriebenen Ergebnisse ist also, dass Klettertourismus durchaus ein attrak-<br />
381 Bourdeau et al. (2004).<br />
88
tives Kundensegment sein kann, wenn das Marketing für Klettertouristen verbessert wird.<br />
Die Frage ist nur: Wie könnte und wie sollte das Destinationsmarketing für Klettertouristen<br />
verbessert werden? Einige Antworten auf diese Frage ermöglicht das folgende Teilkapitel zu<br />
den Motivationen der Klettertouristen, die in der Auswahl einer Destination für den Kletterurlaub<br />
relevant sind.<br />
6.3. Motivationen von Klettertouristen<br />
6.3.1. Ermittlung und subjektive Bedeutung einzelner Motivationen<br />
Die Identifizierung der Motivationen der Klettertouristen, die für die Wahl einer Destinationsmarke<br />
relevant sind, ist ein zentrales Anliegen dieser Arbeit. Dies hat mehrere Gründe:<br />
Den Motivationen der Touristen zu entsprechen ist eine zentrale Voraussetzung, um Kundenzufriedenheit<br />
<strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> zu erreichen. 382 Motivationen wird zudem ein starker Einfluss<br />
auf die Destinationswahl von Touristen zugesprochen, 383 wie bereits <strong>im</strong> Abschnitt 2.1.2 festgestellt<br />
wurde. Gleichzeitig werden gerade <strong>im</strong> Bereich der Motivationen den Kletterern sowohl<br />
in der sportwissenschaftlichen Literatur als auch in der <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>literatur<br />
Besonderheiten zugeschrieben. Detaillierte Kenntnisse der Motivationen von Klettertouristen<br />
sind also eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Markenführung <strong>im</strong> Klettertourismus.<br />
Gemäß dem Zwischenfazit der Arbeit sollen <strong>im</strong> Folgenden zunächst die Motivationen<br />
der Klettertouristen ermittelt werden. Hierfür gilt die Annahme, dass ein komplexes Zusammenspiel<br />
zwischen sport- und urlaubsbasierten Motivationen in der Destinationsentscheidung<br />
der Klettertouristen relevant ist. Des Weiteren soll clusteranalytisch die Annahme überprüft<br />
werden, dass die Klettertouristen nicht homogen in ihren Motivationen sind.<br />
Grundlage für die explorative Ermittlung der Motivationen der Klettertouristen bildeten die<br />
Antworten auf die in Abschnitt 5.2. zu den Untersuchungsmethoden bereits beschriebenen<br />
offenen Fragen der qualitativen Studie. Für die Ermittlung der Motivationen wurden die Fragen<br />
2 (Motivationen für die Wahl gerade der Fränkischen Schweiz), 8 (Motivationen, neue<br />
Klettergebiete zu besuchen), 9 (Mindestanforderungen bei der Wahl eines Klettergebietes)<br />
und 10 (Gründe für die subjektive Attraktivität eines Klettergebietes) herangezogen. Auf diese<br />
Fragen wurden insgesamt 699 einzelne freie Antworten durch die Probanden gegeben, die<br />
zunächst möglichst wortgetreu von den Interviewern festgehalten wurden. Diese bildeten den<br />
Ausgangspunkt für eine Inhaltsanalyse mit dem Ziel, die zentralen Motivationen herauszufiltern.<br />
Für die Durchführung der Inhaltsanalyse wurden insgesamt vier verschiedene Auswertende<br />
eingesetzt, die bereits Erfahrung mit der Durchführung von Inhaltsanalysen hatten und<br />
eine themenspezifische Einführung erhielten. 384<br />
382 Dunn Ross & Iso-Ahola (1991).<br />
383 Moutinho (1987), S.18; Cha et al. (1995), S.33 f.; Gnoth (1997); Goosens (2000).<br />
384 Für einen Überblick der Qualitätskriterien für bei der Durchführung von Inhaltsanalysen in der Konsumentenforschung<br />
vgl. Gremler (2004); Kassarjian (1977); Kolbe & Burnett (1991).<br />
89
Als erster Schritt der Inhaltsanalyse bildeten zwei Auswertende unabhängig von einander<br />
Kategorien aus den freien Antworten. 385 Diese Kategorien sollten untereinander keine Überschneidungen<br />
aufweisen und gleichzeitig zusammen möglichst alle Antworten erfassen. Die<br />
Übereinst<strong>im</strong>mung der zu den einzelnen Fragen gebildeten Kategorien betrug zwischen 54%<br />
und 64%. Uneinigkeiten bezogen sich dabei vorwiegend auf die opt<strong>im</strong>ale Anzahl und Ausdifferenzierung<br />
der Kategorien und weniger auf die inhaltliche Benennung. Die Differenzen<br />
wurden durch Diskussion ausgeräumt. Für die einzelnen Fragen wurden schließlich zwischen<br />
9 und 14 Kategorien festgelegt. In einem zweiten Schritt ordneten zwei weitere Auswertende<br />
die freien Antworten unabhängig voneinander in das <strong>im</strong> ersten Schritt gebildete Kategoriensystem<br />
ein. Die Reliabilität der Zuordnung durch die zwei Forscher wurde mit Hilfe des einfachen<br />
Übereinst<strong>im</strong>mungskoeffizients gemessen, der den am weitesten verbreiteten Messindikator<br />
der Reliabilität zwischen Forschern von Inhaltsanalysen darstellt, 386 sowie mit Hilfe<br />
des Reliabilitätsindexes von PERREAULT und LEIGH, der die Anzahl der Kategorien berücksichtigt.<br />
387 Die folgende Tabelle zeigt die für die einzelnen Fragen erreichte Reliablilität.<br />
Übereinst<strong>im</strong>mungs- Perreault und Leigh<br />
koeffizient Index I r<br />
Frage 2 0,887 0,936<br />
Frage 8 0,896 0,939<br />
Frage 9 0,879 0,932<br />
Frage 10 0,807 0,890<br />
Abbildung 27: Reliabilitätskoeffizienten der Inhaltsanalyse<br />
In der Literatur zu Inhaltsanalysen gelten Werte von 0,8 und darüber auf dem Reliabilitätsindex<br />
als wünschenswert. 388 Dies wurde für beide Reliabilitätskriterien durchgehend erreicht,<br />
sodass die Reliabilität insgesamt als zufriedenstellend angesehen wird.<br />
Die Inhaltsanalyse ergab schließlich 20 eigenständige Motivationen, die für die Destinationswahl<br />
von Klettertouristen relevant sind. Diese wurden in den Fragebogen für die folgenden<br />
quantitativen Befragungen aufgenommen, indem für jede Motivation eine motivationale<br />
Aussage formuliert wurde. Der Grad der Zust<strong>im</strong>mung zu diesen Aussagen wurde dann auf<br />
einer 7er Likertskala in den Frageblöcken 6, 12 und 13 abgefragt. Zusätzlich zu diesen 20<br />
Motivationen wurden vier weitere hinzugefügt. Dies waren <strong>im</strong> Einzelnen zunächst die Suche<br />
385 Die Vorgehensweise der Inhaltsanalyse ist angelehnt an Keaveney (1995) und Woratschek & Horbel<br />
(2005a).<br />
386 Der Übereinst<strong>im</strong>mungskoeffizient oder coefficient of agreement berechnet sich als Quotient der übereinst<strong>im</strong>menden<br />
Kategoriezuordnungen F 0 durch die Gesamtzahl der Zuordnungsentscheidungen N; Kolbe &<br />
Burnett (1991), S.248 f.<br />
387 Der Reliabilitätsindex von PERREAULT und LEIGH wird aus I 0,5 für F 0 /N>1/k berechnet, wobei k die Anzahl<br />
der Kategorien angibt. Perreault & Leigh (1989), S.140 f.<br />
388 Gremler (2004), S.75.<br />
90
nach Ruhe und Erholung <strong>im</strong> Kletterurlaub, die sich, wie in Abschnitt 2.1.2. gezeigt, in <strong>Tourismus</strong>studien<br />
durchgehend als bedeutende Motivation ergab. 389 Die Suche nach Abwechslung<br />
bezüglich der Destination als Ganzes wurde auf der Basis der Erkenntnisse zu den verschiedenen<br />
Ebenen des Variety-Seeking Behaviors <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> aufgenommen. In früheren<br />
Untersuchungen wurde diese Frage zudem als Indikator für die Variety-Seeking Tendenz<br />
verwandt. 390 Der Wunsch, an Treffpunkte der Kletterszene zu reisen, wurde in der qualitativen<br />
Studie nicht häufig genug genannt, um eine eigene Kategorie zu rechtfertigen. Auf Grund<br />
der in Abschnitt 3.1.5. diskutierten Bedeutung der Kletterersubkultur wurde hierzu dennoch<br />
eine Frage aufgenommen. Schließlich wurde auf Grund der Klassifizierung der Kletterer als<br />
Abenteuersportler sowie als teilweise antikommerzielle Subkultur und der expliziten Einteilung<br />
der Kletterer in Abenteuerkletterer und Sportkletterer eine Frage aufgenommen, inwiefern<br />
die Klettertouristen lieber in touristisch noch weniger erschlossene Gebiete reisen. Um<br />
die vollständige Erfassung der Motivationen zusätzlich abzusichern, wurde jedem Frageblock<br />
mit den Motivationsaussagen eine offene Frage hinzugefügt, ob aus Sicht der Probanden weitere<br />
Motivationen zu berücksichtigen wären. Trotz sorgfältiger Nachfragen der Interviewer<br />
zu diesen offenen Fragen ergaben sich hieraus jedoch keine weiteren Motivationen, was als<br />
Indiz für die vollständige Erfassung der Motivationen gewertet wird.<br />
Die folgenden beiden Schaubilder zeigen, wie stark die Probanden die einzelnen Aussagen zu<br />
den Motivationen für sie persönlich als zutreffend bewerteten. Die Übersicht macht deutlich,<br />
dass, wie auf der Basis der Theorie prognostiziert, sowohl klettersportbezogene Motivationen<br />
als auch Urlaubsmotivationen für die befragten Klettertouristen Relevanz besitzen.<br />
Zust<strong>im</strong>mungsgrad zu Urlaubsmotivationen (1)<br />
Ich finde es reizvoll, <strong>im</strong> Kletterurlaub neue Landschaften zu erleben.<br />
5.56<br />
Ich freue mich über Gelegenheiten, <strong>im</strong> Kletterurlaub neue Leute kennen zu<br />
lernen.<br />
Ich möchte <strong>im</strong>mer eine große Auswahl an für mich geeigneten Kletterrouten.<br />
Ich probiere <strong>im</strong> Kletterurlaub gern eine neue regionale Küche aus.<br />
Ich fahre vorzugsweise in ein Klettergebiet, wenn ich erwarte, dass es dort<br />
trocken ist und die Temperatur ideal für mich ist.<br />
Ich erwarte, dass die Kletterrouten gut gesichert und gepflegt sind.<br />
5.45<br />
5.41<br />
5.40<br />
5.36<br />
5.33<br />
Es sollten preisgünstige Übernachtungsmöglichkeiten vorhanden sein.<br />
Detaillierte Informationen über das Klettergebiet müssen vorhanden sein.<br />
5.22<br />
5.21<br />
Es ist mir wichtig <strong>im</strong>mer neue Felsen und Routen zu klettern.<br />
Ich möchte be<strong>im</strong> Kletterurlaub neue Länder und Kulturen kennen lernen.<br />
Die einzelnen Kletterfelsen müssen gut erschlossen und erreichbar sein.<br />
Im Kletterurlaub suche ich auch nach Ruhe und Erholung.<br />
5.10<br />
5.04<br />
4.97<br />
4.93<br />
4.6 4.7 4.8 4.9 5.0 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7<br />
Abbildung 28: Zust<strong>im</strong>mungsgrad zu Motivationsaussagen (1)<br />
389 Vgl. auch die RA Lohmann & Aderhold (2000), S.30.<br />
390 Woratschek & Horbel (2003a).<br />
91
Zust<strong>im</strong>mungsgrad zu Urlaubsmotivationen (2)<br />
Das Gebiet darf <strong>im</strong> Verhältnis zu seiner Größe nicht von vielen anderen<br />
Kletterern besucht werden.<br />
Ich fahre besonders gerne in noch wenig touristisch erschlossene Gebiete.<br />
Ich suche be<strong>im</strong> Klettern stets nach neuen und einzigartigen Erfahrungen und<br />
Herausforderungen.<br />
Das Gebiet muß für mich gut erreichbar sein.<br />
Einkaufsmögl. für Verpflegung und Ausrüstung usw. müssen vorhanden sein.<br />
Es kommt mir nicht nur auf die Klettermöglichkeiten an. Andere Sport- und<br />
Freizeitmöglichkeiten sind für mich ebenfalls wichtig.<br />
Ich wechsle die Klettergebiete auch um Abwechslung bei Sport- und<br />
Freizeitmöglichkeitne neben dem Klettern zu haben.<br />
Ich fahre zum Klettern am liebsten dorthin, wo ich mich auskenne.<br />
Ich versuche möglichst viele berühmte Klettergebiete und Kletterrouten zu<br />
besuchen.<br />
4.79<br />
4.70<br />
4.69<br />
4.65<br />
4.61<br />
4.31<br />
4.17<br />
4.11<br />
4.01<br />
In jedem Kletterurlaub reise ich an einen neuen Ort.<br />
Es müssen komfortable Unterkünfte vorhanden sein.<br />
Das Gebiet muß ein Szenetreffpunkt für Kletterer sein.<br />
3.22<br />
3.14<br />
3.50<br />
0 1 2 3 4 5 6<br />
Abbildung 29: Zust<strong>im</strong>mungsgrad zu Motivationsaussagen (2)<br />
Den höchsten durchschnittlichen Grad der Zust<strong>im</strong>mung erreichte mit einem Mittelwert von<br />
5,56 auf der 7er Skala (1= triff überhaupt nicht zu bis 7= trifft voll und ganz zu) der Wunsch,<br />
<strong>im</strong> Kletterurlaub neue Landschaften zu erleben. Es folgten der Wunsch, neue Leute kennen<br />
zu lernen (5,45), der Wunsch nach einer großen Auswahl an Routen (5,41), der Wunsch, eine<br />
neue Küche zu kosten (5,40) und der Wunsch nach idealen Wetterbedingungen (5,36). Die<br />
geringste durchschnittliche Zust<strong>im</strong>mung erreichte der Wunsch, in jedem Urlaub an einen<br />
neuen Ort zu reisen (3,50), die Suche nach komfortablen Unterkünften (3,22) und der<br />
Wunsch, an einen Treffpunkt der Kletterszene zu reisen (3,14). Die Mittelwerte unter 4 auf<br />
der 7er Skala bedeuten dabei durchschnittlich ablehnende Beurteilungen durch die Befragten.<br />
Die Zusammensetzung der Motivationen unterstützt die zuvor getroffene Annahme, dass sowohl<br />
sport- als auch urlaubsbasierte Motivationen für Klettertouristen für ihre Destinationswahl<br />
relevant sind.<br />
6.3.2. Kundengruppen <strong>im</strong> Klettertourismus auf der Basis von Motivationen<br />
Betrachtet man die Standardabweichungen der Antworten zu den Motivationsstatements, so<br />
bewegen sich diese zwischen Werten von 1,037 und 1,671, was auf erhebliche Unterschiede<br />
in den Antworten der Klettertouristen hindeutet. Die folgende Grafik zeigt exemplarisch die<br />
Antwortverteilungen der Fragen zur Bedeutung alternativer Freizeitmöglichkeiten und der<br />
subjektiven Bedeutung der Kletterszene.<br />
92
Es kommt mir nicht nur auf die Klettermöglichkeiten an.<br />
Andere Sport- und Freizeitmgl. sind für mich ebenfalls wichtig.<br />
Das Gebiet muß ein Szenetreffpunkt für Kletterer sein.<br />
80<br />
80<br />
60<br />
60<br />
Häufigkeit<br />
40<br />
Häufigkeit<br />
40<br />
20<br />
20<br />
0<br />
trifft trifft nicht<br />
überhaupt zu<br />
nicht zu<br />
trifft eher<br />
nicht zu<br />
trifft<br />
teilweise<br />
zu<br />
trifft eher<br />
zu<br />
trifft zu<br />
trifft voll<br />
und ganz<br />
zu<br />
0<br />
trifft trifft nicht<br />
überhaupt zu<br />
nicht zu<br />
trifft eher<br />
nicht zu<br />
trifft<br />
teilweise<br />
zu<br />
trifft eher<br />
zu<br />
trifft zu<br />
trifft voll<br />
und ganz<br />
zu<br />
Abbildung 30: Exemplarische Antwortverteilungen zu Motivationen<br />
Beide exemplarisch gezeigten Verteilungen erstrecken sich über die gesamte Skala. Die Relevanz<br />
zumindest einiger Motivationen für die Klettertouristen ist also deutlich inhomogen.<br />
Die Betrachtung der arithmetischen Mittelwerte ist in derartigen Fällen irreführend, da diese<br />
nur die Meinung Weniger wiedergeben, während tatsächlich zwei Extremmeinungen existieren,<br />
die durch den Mittelwert nicht wiedergegeben werden. Eine Orientierung des Destinationsmanagements<br />
an den Mittelwerten würde deshalb zu Strategien führen, die statt die Masse<br />
der Touristen anzusprechen, an den Wünschen der meisten Touristen vorbeizielt. Es ist also<br />
sinnvoll zu überprüfen, ob sich die Klettertouristen bezüglich ihrer Motivationen in homogenere<br />
Untergruppen unterteilen lassen, um Ansatzpunkte für eine effektive Markenpolitik für<br />
Destinationen zu finden.<br />
Wie bereits in Abschnitt 2.1.2. festgestellt, gilt die Segmentierung nach Motivationen <strong>im</strong><br />
<strong>Tourismus</strong> als besonders effektiv und ist in der Literatur weit verbreitet. Das Vorgehen der<br />
Segmentierung ist dabei in der Regel dreistufig: Der eigentlichen Clusteranalyse geht eine<br />
Faktorenanalyse voraus, die zu einer Standardisierung der Werte führt und durch die Reduzierung<br />
der Kriterien zur Segmentbeschreibung die Ergebnisinterpretation erleichtert. Es folgt<br />
als zweiter Schritt die eigentliche Clusteranalyse und schließlich eine weitergehende Beschreibung<br />
der Segmente mit Hilfe von zusätzlichen, häufig soziodemographischen Kriterien.<br />
391<br />
Die Eignungsprüfung der Daten für eine Faktorenanalyse nach dem Kaiser-Meyer-Olkin-<br />
Maß 392 ergibt für die hier verwendeten Daten aus der quantitativen Studie einen KMO-Wert<br />
von 0,699, was von BACKHAUS ET.AL. als „ziemlich gut“ bezeichnet wird. Der Bartletttest ist<br />
391 Beispiele für dieses Vorgehen sind: Bieger & Laesser (2001); Cha et al. (1995); Sarigöllü & Huang (2005).<br />
392 Steward (1981), S.57 f.<br />
93
gleichzeitig hochsignifikant. 393 Auch die Betrachtung der MSA-Werte der einzelnen Motivationsvariablen<br />
verlangt nicht nach einem Ausschluss einzelner Variablen. 394 Da das Ziel der<br />
Faktorenanalyse das Zusammenfassen der Motivationen zu möglichst wenigen Motivationsd<strong>im</strong>ensionen<br />
war, wurde die Methode der Hauptkomponentenanalyse zur Extraktion der Faktoren<br />
eingesetzt. 395 Nach dem Eigenwertkriterium ergibt sich eine Lösung mit sieben Faktoren,<br />
die zusammen 58,52% der Varianz erklären. Die Hinzunahme eines achten Faktors mit<br />
einem Eigenwert von 0,946 führt jedoch zu inhaltlich schlüssigeren Motivationsd<strong>im</strong>ensionen,<br />
sodass eine Lösung mit acht Faktoren gewählt wurde. Hierdurch steigt die erklärte Varianz<br />
auf 62,64%, wie Abbildung 31 zeigt. Die Faktorwerte wurden als Variablen gespeichert und<br />
als Basis der nachfolgenden Clusteranalyse verwendet.<br />
Anfängliche Eigenwerte<br />
Erklärte Gesamtvarianz<br />
Summen von quadrierten Faktorladungen<br />
für Extraktion<br />
Rotierte Summe der quadrierten Ladungen<br />
Komponente Gesamt % der Varianz Kumulierte % Gesamt % der Varianz Kumulierte % Gesamt % der Varianz Kumulierte %<br />
1<br />
3,288 14,294 14,294 3,288 14,294 14,294 2,940 12,782 12,782<br />
2<br />
3,031 13,177 27,471 3,031 13,177 27,471 2,602 11,314 24,095<br />
3<br />
2,027 8,812 36,284 2,027 8,812 36,284 1,811 7,873 31,968<br />
4<br />
1,639 7,124 43,408 1,639 7,124 43,408 1,718 7,471 39,439<br />
5<br />
1,220 5,305 48,713 1,220 5,305 48,713 1,657 7,204 46,643<br />
6<br />
1,186 5,156 53,868 1,186 5,156 53,868 1,272 5,532 52,175<br />
7<br />
1,070 4,651 58,520 1,070 4,651 58,520 1,257 5,463 57,638<br />
8<br />
,946 4,115 62,635 ,946 4,115 62,635 1,149 4,996 62,635<br />
9<br />
,886 3,851 66,486<br />
10<br />
,850 3,694 70,180<br />
11<br />
,779 3,386 73,567<br />
12<br />
,737 3,206 76,773<br />
13<br />
,725 3,153 79,926<br />
14<br />
,639 2,778 82,704<br />
15<br />
,603 2,620 85,324<br />
16<br />
,562 2,444 87,769<br />
17<br />
,493 2,141 89,910<br />
18<br />
,470 2,044 91,954<br />
19<br />
,447 1,943 93,897<br />
20<br />
,414 1,798 95,695<br />
21<br />
,367 1,597 97,292<br />
22<br />
,355 1,542 98,834<br />
23<br />
,268 1,166 100,000<br />
Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse.<br />
Abbildung 31: Ergebnisüberblick Motivationsfaktorenanalyse<br />
Zur Durchführung von Clusteranalysen steht eine Fülle verschiedener Methoden bzw. Clusteralgorithmen<br />
zur Verfügung. Es gibt jedoch dabei kein allgemein als überlegen anerkanntes<br />
Verfahren. Stattdessen sind unterschiedliche Verfahren, je nach Datenbeschaffenheit und<br />
Forschungsziel, empfehlenswert. 396 Die hier beschriebene Kombination von Verfahren und<br />
Kennzahlen wurde erstmals ausführlich in einem Arbeitspapier der Rechts- und Wirschaftswissenschaftlichen<br />
Fakultät der Universität Bayreuth beschrieben. 397 Auf Grund der unterschiedlichen<br />
Vorteile kamen in der vorliegenden Clusteranalyse drei verschiedene Verfahren<br />
393 Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber (2000), S.269.<br />
394 Als inakzeptabel für die Faktorenanalyse gelten MSA-Werte von unter 0,5 Brosius (2002), S.647.<br />
395 Backhaus et al. (2000), S.285 f.<br />
396 Zu den verschiedenen Methoden der Clusteranalyse vgl. Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber (2003),<br />
S.479-542.<br />
397 Woratschek et. al. (2007).<br />
94
zum Einsatz, um zu opt<strong>im</strong>alen Ergebnissen zu gelangen. Das Single Linkage Verfahren gilt<br />
als probates Verfahren, um Ausreißer zu identifizieren. 398 Diese <strong>im</strong> Merkmalsraum isoliert<br />
positionierten Werte führen bei der Anwendung anderer Clusterverfahren zu starken Ergebnisverzerrungen,<br />
sodass sie zunächst identifiziert und aussortiert werden sollten. Im vorliegenden<br />
Beispiel zeigt das Dendrogramm der Clusteranalyse nach der Single Linkage oder<br />
auch Nächstgelegener- Nachbar- Methode, dass der Fragebogen 112 nicht in die Clusteranalyse<br />
einbezogen werden sollte, um Ergebnisverzerrungen zu vermeiden. Innerhalb der hierarchischen<br />
Clusterverfahren wird die Wardmethode teilweise als überlegenes Verfahren angesehen<br />
399 und wurde deshalb hier als zweites Verfahren angewandt. Es wurden Lösungen mit<br />
zwei bis sieben Kundengruppen errechnet und betrachtet. Generell sind unter dem Gesichtspunkt<br />
der Managementeffizienz Lösungen mit möglichst wenig Clustern zu bevorzugen. Ziel<br />
jeder Segmentierung ist die Entwicklung segmentspezifischer Strategien, um die einzelnen<br />
Segmente erfolgreicher zu bearbeiten, als dies eine undifferenzierte Bearbeitung der Grundgesamtheit<br />
ermöglichen würde. Dies bedeutet <strong>im</strong> Gegenzug steigenden Aufwand mit jedem<br />
zusätzlichen Segment. Zusätzlich sinkt die durchschnittliche Zahl der Konsumenten pro<br />
Segment, sodass mit der segmentspezifischen Strategie <strong>im</strong>mer weniger Kunden angesprochen<br />
werden. Aus Managementgesichtpunkten sollte deshalb die Zahl der gebildeten Segmente<br />
also möglichst gering gehalten werden. Dies gilt umso mehr in Nischenmärkten wie dem<br />
Klettertourismus, wo bereits die Grundgesamtheit eine begrenzte Größe besitzt. Aus Effizienzgesichtspunkten<br />
ist auch zu berücksichtigen, dass für jedes sich ergebende Kundensegment<br />
eine eigene Marktbearbeitungsstrategie erarbeitet werden muss.<br />
Als dritter Analyseschritt wurde die <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong>bereich dominierende Clusterzentrenanalyse<br />
eingesetzt. Diese ist mit erheblich weniger Rechenaufwand verbunden als hierarchische<br />
Verfahren und wird deshalb für große Stichprobengrößen empfohlen. 400 Die Startwerte der<br />
Variablen in der Clusterzentrenanalyse können entweder zufällig gewählt werden oder auf<br />
der Basis theoretischer Vorüberlegungen vorgegeben werden. Im vorliegenden Fall wurden<br />
die Mittelwerte der Faktorwerte aus den Lösungen nach der Wardmethode als Startwerte für<br />
die Clusterzentrenanalyse vorgegeben, die ebenfalls für Lösungen mit zwei bis sieben<br />
Clustern durchgeführt wurde. Anschließend wurden die Lösungen der Ward- und der<br />
Clusterzentrenmethode gegenübergestellt, um die opt<strong>im</strong>ale Lösung zu ermitteln.<br />
In Segmentierungsstudien ist es nicht durchweg üblich, die Kriterien offen zu legen, die zu<br />
der Entscheidung für die konkrete Anzahl der Segmente geführt hat. Da in der Realität die<br />
Auswahl der opt<strong>im</strong>alen Lösung in der Regel nicht von vornherein eindeutig ist und oft subjektiven<br />
Charakter hat, ist dies aus Sicht des Autors jedoch wichtig. Zumal gerade bei der am<br />
weitesten verbreiteten Clusterzentrenanalyse vom Forscher die Anzahl der Cluster vorgegeben<br />
wird. Im Folgenden werden dementsprechend die in dieser Arbeit verwendeten Entschei-<br />
398 Backhaus et al. (2003), S.509.<br />
399 Bergs (1980), S.96 f.<br />
400 Brosius (2002), S.721.<br />
95
dungskriterien erläutert. SARIGÖLLÜ und HUANG haben die folgenden Kriterien einer effektiven<br />
Segmentierung zusammengetragen: 401<br />
1. Die Segmente sollten in sich homogen sein und Konsumenten mit ähnlichen Bedürfnissen,<br />
Einstellungen und Reaktionen auf Marketingmaßnahmen aufweisen.<br />
2. Die Segmente sollten sich voneinander klar abgrenzen lassen.<br />
3. Die Segmente sollten groß genug sein, um eine profitable Bearbeitung zu erlauben.<br />
4. Die Segmente sollten klare Ansatzpunkte für die Entwicklung einer segmentspezifischen<br />
Strategie liefern.<br />
Die Homogenität der einzelnen Segmente lässt sich mit Hilfe von F-Werten verdeutlichen,<br />
welche sich durch die Varianz eines Faktors innerhalb eines Segments geteilt durch die Varianz<br />
des Faktors in der Gesamtstichprobe ergibt. 402 Je niedriger diese F-Werte sind, desto homogener<br />
sind die einzelnen Segmente bezüglich des entsprechenden Faktors. Demgegenüber<br />
bedeuten F-Werte über eins, dass die einzelnen Segmente bezüglich des Faktors weniger homogen<br />
sind als die Grundgesamtheit. Dies sollte dementsprechend möglichst selten vorkommen.<br />
Die Abgrenzbarkeit der Segmente lässt sich statistisch durch ANOVA-Prozeduren und<br />
t-Werte darstellen. Die ANOVA-Prozedur prüft die Wahrscheinlichkeit, dass die Mittelwertunterschiede<br />
eines Faktors in den Segmenten zufällig zustande gekommen sind. Dem kann<br />
sich eine paarweise Prüfung der Mittelwertunterschiede durch Post-hoc-Tests anschließen.<br />
Die t-Werte geben den standardisierten Abstand des Faktormittelwerts in einem Segment<br />
vom Faktormittelwert in der Grundgesamtheit an. 403 Hochsignifikante ANOVA-Ergebnisse<br />
und insbesondere große Unterschiede in den t-Werten bedeuten demnach eine klare Abgrenzbarkeit<br />
der Segmente.<br />
Ansatzpunkte für segmentspezifische Strategien ergeben sich aus der Interpretation der Faktormittelwertunterschiede<br />
zwischen den Segmenten, sowie aus der weiterführenden Segmentbeschreibung.<br />
Insofern kann auch die eher qualitative Interpretierbarkeit der aus der<br />
Clusteranalyse resultierenden Segmente als Entscheidungskriterium zwischen den alternativen<br />
Lösungen dienen.<br />
Vergleicht man die Lösungen nach der Ward und der Clusterzentrenmethode, so zeigt sich,<br />
dass <strong>im</strong> vorliegenden Fall die Lösungen nach letzterer Methode bezüglich der Homogenität,<br />
gemessen an den durchschnittlichen F-Werten und bis auf einen Fall auch gemessen an der<br />
Anzahl der absoluten F-Werte über 1, überlegen sind. Während die durchschnittlichen F-<br />
Werte naturgemäß mit der Anzahl der Cluster sinken, zeigt sich nach der Lösung mit fünf<br />
401 Sarigöllü & Huang (2005), S.281 f.; Perreault & McCarthy (2000), S.62; Weinstein (1987), S.43 f.<br />
402 Backhaus et al. (2003), S.533.<br />
403 Formel: (MW des Faktors j in Cluster i – MW des Faktors in der GG)/ SD des Faktors in der GG Backhaus et<br />
al. (2003), S.534.<br />
96
Segmenten ein deutliches Abflachen dieser Verbesserung, weshalb letztlich die Lösung mit<br />
fünf Clustern präferiert wurde. Dies trägt auch dem Wunsch nach Managementeffizienz und<br />
Interpretierbarkeit Rechnung. Der durchschnittliche F-Wert liegt bei dieser Lösung mit 0,629<br />
deutlich unter eins und lediglich acht von 40 F-Werten liegen über eins, sodass von einer<br />
deutlichen Verbesserung der Homogenität gegenüber der unsegmentierten Betrachtung gesprochen<br />
werden kann. Die ANOVA-Prozedur ergibt für alle Faktoren hochsignifikante Ergebnisse<br />
(p
Unterschiede zwischen Ländermärkten <strong>im</strong>mer noch von großer Bedeutung für die Markenpositionierung<br />
und die Markenkommunikation, trotz der Entwicklung hin zu einer globalen<br />
Konsumkultur in einigen Bereichen. 407 In Abschnitt 3.1.5. zur Subkultur der Kletterer wurde<br />
ebenfalls bereits erwähnt, dass in dieser Hinsicht teilweise starke regionale Unterschiede bestehen.<br />
Die interkulturellen Unterschiede in den Motivationen zwischen den tschechischen<br />
Klettertouristen und den befragten Klettertouristen aus westeuropäischen Ländern, insbesondere<br />
Deutschland, haben sich in der vorliegenden Untersuchung als dominant gegenüber der<br />
Bildung von Motivationssegmenten über alle Nationalitäten hinweg erwiesen. Dementsprechend<br />
erfolgt nun zunächst der interkulturelle Segmentvergleich.<br />
Die folgende Diskr<strong>im</strong>inanzanalyse mit der Nationalität als abhängiger Variable und den 24<br />
Motivationen als unabhängige Variablen soll verdeutlichen, welchen Motivationen die deutschen<br />
und tschechischen Klettertouristen signifikant unterschiedliche Bedeutungen be<strong>im</strong>essen<br />
und welche Motivationen am besten zur Unterscheidung der Gruppen geeignet sind. Die<br />
folgende Abbildung fasst die Prüfung des Diskr<strong>im</strong>inanzanalysemodells zusammen. 408<br />
Eigenwerte<br />
Funktion Eigenwert % der Varianz Kumulierte % Kanonische Korrelation<br />
1 2,174 100,0 100,0 ,828<br />
Wilks' Lambda<br />
Test der Funktion(en) Wilks-Lambda Chi-Quadrat df Signifikanz<br />
1 ,315 274,871 24 ,000<br />
Abbildung 32: Modellzusammenfassung der interkulturellen Diskr<strong>im</strong>inanzanalyse<br />
Die verschiedenen Gütemaße, nämlich hoher Eigenwert, hohe kanonische Korrelation, niedriges<br />
Wilsks’ Lambda und hohe Signifikanz des Chi-Quadrat-Tests drücken aus, dass die<br />
beiden Gruppen deutlich anhand der Zust<strong>im</strong>mung zu den Motivationen unterschieden werden<br />
können. Das gebräuchlichste Gütemaß ist Wilks’ Lambda. Der Wert 0,315 drückt aus, dass<br />
68,5% der Streuung durch Gruppenunterschiede erklärt werden können. Nach der resultierenden<br />
Diskr<strong>im</strong>inanzfunktion werden 97,2% der Fälle korrekt klassifiziert.<br />
Betrachtet man die einzelnen Motivationen, so ergeben sich für 13 von 24 Motivationen signifikante<br />
Mittelwertunterschiede zwischen den tschechischen und den deutschen Probanden.<br />
Davon sind zehn hochsignifikant (p
Standardisierte Koeffizienten<br />
Das Gebiet muß ein Szenetreffpunkt für Kletterer sein.<br />
0.650<br />
Ich fahre vorzugsweise in ein Klettergebiet, wenn ich erwarte, dass es dort<br />
trocken ist und die Temp. ideal für mich ist.<br />
Ich möchte <strong>im</strong>mer eine große Auswahl an für mich geeigneten Kletterrouten.<br />
Ich wechsle die Klettergebiete auch um Abwechslung bei Sport- und<br />
Freizeitmgl. neben dem Klettern zu haben.<br />
- 0,442<br />
- 0,420<br />
0.414<br />
Es müssen komfortable Unterkünfte vorhanden sein.<br />
Ich freue mich über Gelegenheiten <strong>im</strong> Kletterurlaub neue Leute kennen zu<br />
lernen.<br />
Es kommt mir nicht nur auf die Klettermöglichkeiten an. Andere Sport- und<br />
Freizeitmgl. sind für mich ebenfalls wichtig.<br />
Das Gebiet muß für mich gut erreichbar sein.<br />
Einkaufsmögl. für Verpflegung und Ausrüstung usw. müssen vorhanden sein.<br />
Das Gebiet darf <strong>im</strong> Verhältnis zu seiner Größe nicht von vielen anderen<br />
Kletterern besucht werden.<br />
0.328<br />
- 0,276<br />
- 0,209<br />
- 0,206<br />
- 0,173<br />
0.171<br />
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7<br />
Abbildung 33: Motivationen mit den höchsten stand. Koeffizienten in der Diskr<strong>im</strong>inanzfunktion<br />
Der Schluss vom Betrag der standardisierten Koeffizienten auf den Einfluss, den diese Motivationen<br />
auf die abhängige Variable haben, ist nicht ohne weiteres zulässig, wenn Wechselwirkungen<br />
<strong>im</strong> Sinne von hohen Korrelationen zwischen den einzelnen, unabhängigen Variablen<br />
bestehen. In den hier verwendeten Daten existiert nur eine Korrelation mit einem Betrag<br />
über 0,3.<br />
Die in Abbildung 33 dargestellten Koeffizienten der Diskr<strong>im</strong>inanzfunktion sagen aus, dass<br />
sich die tschechischen von den deutschen Klettertouristen am besten unterscheiden lassen<br />
durch ihren stärkeren Wunsch, die Kletterszene zu treffen, durch die geringere Wetterabhängigkeit,<br />
durch geringere Ansprüche bezüglich der Routenauswahl, durch eine höhere Motivation,<br />
Klettergebiete auf Grund von Sport- und Freizeitmöglichkeiten zu wechseln, sowie anhand<br />
des größeren Bedürfnisses der Tschechen nach komfortablen Unterkünften <strong>im</strong> Klettergebiet.<br />
Insgesamt hat der interkulturelle Vergleich mit Hilfe der Diskr<strong>im</strong>inanzanalyse gezeigt, dass<br />
deutliche Unterschiede in der Bedeutung der Motivationen für die Wahl von <strong>Destinationsmarken</strong><br />
zwischen den tschechischen und deutschen Klettertouristen bestehen. Es ist davon<br />
auszugehen, dass die, durch den Eisernen Vorhang bedingt, weitgehend getrennte Entwicklung<br />
der tschechischen Kletterersubkultur hierzu beigetragen hat. Die zuvor erwähnten offenen<br />
Fragen nach weiteren Motivationen zur Überprüfung der vollständigen Erfassung der<br />
Motivationen führten in den tschechischen Befragungen jedoch nicht zur Ermittlung zusätzlicher<br />
Motivationen der tschechischen Klettertouristen. Es haben sich demnach, wie in der zuvor<br />
erwähnten Untersuchung von YUAN und MCDONALD, keine Hinweise ergeben, dass<br />
grundsätzlich andere Motivationen existieren. Lediglich unterschiedliche Prioritäten zwischen<br />
den Nationalitäten wurden belegt.<br />
99
Nach der gesonderten Analyse der tschechischen Daten war es notwendig, die dreistufige<br />
Segmentierung mit den verbliebenen deutschen und italienischen Daten erneut durchzuführen.<br />
Die Eignungsprüfung der Daten für die Faktorenanalyse ergab ein KMO von 0,699. Auf<br />
Grund der MSA-Werte musste ebenfalls keine Variable ausgeschlossen werden. Nach dem<br />
Eigenwertkriterium ergibt sich eine Lösung mit acht Faktoren, die zusammen 61,19% der<br />
Varianz erklären.<br />
Anfängliche Eigenwerte<br />
Erklärte Gesamtvarianz<br />
Summen von quadrierten Faktorladungen<br />
für Extraktion<br />
Rotierte Summe der quadrierten Ladungen<br />
Komponente Gesamt % der Varianz Kumulierte % Gesamt % der Varianz Kumulierte % Gesamt % der Varianz Kumulierte %<br />
1<br />
3,577 14,903 14,903 3,577 14,903 14,903 2,705 11,272 11,272<br />
2<br />
3,127 13,029 27,932 3,127 13,029 27,932 2,474 10,310 21,581<br />
3<br />
1,984 8,268 36,200 1,984 8,268 36,200 1,998 8,326 29,907<br />
4<br />
1,361 5,669 41,869 1,361 5,669 41,869 1,716 7,152 37,059<br />
5<br />
1,293 5,387 47,255 1,293 5,387 47,255 1,657 6,903 43,962<br />
6<br />
1,193 4,971 52,227 1,193 4,971 52,227 1,513 6,306 50,267<br />
7<br />
1,140 4,752 56,978 1,140 4,752 56,978 1,346 5,608 55,875<br />
8<br />
1,010 4,210 61,188 1,010 4,210 61,188 1,275 5,313 61,188<br />
9<br />
,933 3,886 65,074<br />
10<br />
,879 3,663 68,737<br />
11<br />
,841 3,506 72,243<br />
12<br />
,786 3,276 75,518<br />
13<br />
,754 3,142 78,660<br />
14<br />
,678 2,826 81,486<br />
15<br />
,642 2,673 84,159<br />
16<br />
,599 2,495 86,654<br />
17<br />
,576 2,402 89,056<br />
18<br />
,491 2,045 91,101<br />
19<br />
,460 1,917 93,019<br />
20<br />
,425 1,772 94,791<br />
21<br />
,361 1,504 96,295<br />
22<br />
,344 1,431 97,726<br />
23<br />
,295 1,228 98,955<br />
24<br />
,251 1,045 100,000<br />
Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse.<br />
Abbildung 34: Ergebnisüberblick Motivationsfaktorenanalyse 2<br />
Auf der Basis der Faktorladungen wurden die 24 Motivationen den acht Faktoren bzw. den<br />
acht Motivationsd<strong>im</strong>ensionen zugeordnet. Die rotierte Komponentenmatrix in Abbildung 35<br />
zeigt, welche Items bzw. Motivationen auf die einzelnen Motivationsd<strong>im</strong>ensionen laden.<br />
Rotierte Komponentenmatrix(a)<br />
Komponente<br />
1 2 3 4 5 6 7 8<br />
Frage 12/Aussage 4: In jedem Kletterurlaub<br />
reise ich an einen neuen Ort.<br />
Frage 12/Aussage 8: Ich versuche möglichst<br />
viele berühmte Klettergebiete und<br />
Kletterrouten zu besuchen.<br />
Frage 12/Aussage 3: Ich möchte be<strong>im</strong><br />
Kletterurlaub neue Länder und Kulturen<br />
kennen lernen.<br />
Frage 12/Aussage 5: Ich finde es reizvoll <strong>im</strong><br />
Kletterurlaub neue Landschaften zu erleben.<br />
Frage 12/Aussage 7: Ich probiere <strong>im</strong> Kletterurlaub<br />
gern eine neue regionale Küche<br />
aus.<br />
,708<br />
,700 -,332<br />
,682<br />
,645<br />
,401 ,401 ,388<br />
100<br />
(Fortsetzung nächste Seite)
Frage 13/Aussage 1: Es sollten preisgünstige<br />
Übernachtungsmöglichkeiten vorhanden<br />
sein.<br />
Frage 13/Aussage 10: Einkaufsmögl. für<br />
Verpflegung und Ausrüstung usw. müssen<br />
vorhanden sein.<br />
Frage 13/Aussage 8: Ich erwarte, dass die<br />
Kletterrouten gut gesichert und gepflegt<br />
sind.<br />
Frage 13/Aussage 9: Die einzelnen Kletterfelsen<br />
müssen gut erschlossen und erreichbar<br />
sein.<br />
Frage 13/Aussage 5: Das Gebiet muss für<br />
mich gut erreichbar sein.<br />
Frage 13/Aussage 3: Detaillierte Informationen<br />
über das Klettergebiet müssen vorhanden<br />
sein.<br />
Frage 13/Aussage 2: Es müssen komfortable<br />
Unterkünfte vorhanden sein.<br />
Frage 12/Aussage 9: Ich wechsle die Klettergebiete<br />
auch um Abwechslung bei Sportund<br />
Freizeitmgl. neben dem Klettern zu<br />
haben.<br />
Frage 6/Aussage 6: Es kommt mir nicht nur<br />
auf die Klettermöglichkeiten an. Andere<br />
Sport- und Freizeitmgl. sind für mich ebenfalls<br />
wichtig.<br />
Frage 13/Aussage 6: Das Gebiet muß ein<br />
Szenetreffpunkt für Kletterer sein.<br />
Frage 6/Aussage 3: Ich fahre zum Klettern<br />
am liebsten dorthin, wo ich mich auskenne.<br />
Frage 12/Aussage 2: Ich suche be<strong>im</strong> Klettern<br />
stets nach neuen und einzigartigen<br />
Erfahrungen und Herausforderungen.<br />
Frage 12/Aussage 1: Es ist mir wichtig<br />
<strong>im</strong>mer neue Felsen und Routen zu klettern.<br />
Frage 6/Aussage 8: Ich fahre vorzugsweise<br />
in ein Klettergebiet, wenn ich erwarte, dass<br />
es dort trocken ist und die Temp. ideal für<br />
mich ist.<br />
Frage 13/Aussage 4: Ich möchte <strong>im</strong>mer eine<br />
große Auswahl an für mich geeigneten<br />
Kletterrouten.<br />
Frage 6/Aussage 5: Im Kletterurlaub suche<br />
ich auch nach Ruhe und Erholung.<br />
Frage 6/Aussage 12: Ich fahre besonders<br />
gerne in noch wenig touristisch erschlossene<br />
Gebiete.<br />
Frage 12/Aussage 6: Ich freue mich über<br />
Gelegenheiten, <strong>im</strong> Kletterurlaub neue Leute<br />
kennen zu lernen.<br />
Frage 13/Aussage 7: Das Gebiet darf <strong>im</strong><br />
Verhältnis zu seiner Größe nicht von vielen<br />
anderen Kletterern besucht werden.<br />
,665<br />
,583<br />
,578 ,388<br />
,577 ,313<br />
,495<br />
,460 ,336 -,378<br />
,393 ,393 -,353<br />
,853<br />
,831<br />
,722<br />
,601<br />
,820<br />
,719<br />
,766<br />
,429 ,671<br />
,787<br />
,357 ,649<br />
,422 -,485<br />
,341 ,345 ,319 ,483<br />
Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse.<br />
Rotationsmethode: Var<strong>im</strong>ax mit Kaiser-Normalisierung.<br />
a Die Rotation ist in 16 Iterationen konvergiert.<br />
Abbildung 35: Faktorladungen in der rotierten Komponentenmatrix<br />
101
Auf der Basis der zugeordneten Motivationen wurde versucht, treffende Bezeichnungen für<br />
die Motivationsd<strong>im</strong>ensionen zu finden. Diese Begriffsbildung verdeutlicht Abbildung 36.<br />
Neuer Ort<br />
Berühmte Felsen<br />
und Routen<br />
Neue Kultur<br />
Neue Landschaft<br />
Regionale Küche<br />
Neue<br />
Klettererlebnisse<br />
Neue Felsen und<br />
Routen<br />
Neue Sport- und<br />
Freizeitakt.<br />
Aktivitäten<br />
neben Klettern<br />
Nicht zu<br />
touristisch<br />
Keine neuen Leute<br />
Nicht überfüllt<br />
Destinationsbez.<br />
Novelty-Seeking<br />
Kletterbezogenes<br />
Novelty-Seeking<br />
Sport- und<br />
Freizeitakt.<br />
neben Klettern<br />
Abgeschiedenheit<br />
Kletterszenetreffpunkt<br />
Klettertouristische<br />
Infrastruktur<br />
Kletterbedingungen<br />
(Wetter,<br />
Routenauswahl)<br />
Ruhe und<br />
Erholung<br />
Preiswerte<br />
Unterkunft<br />
Einkaufsmögl.<br />
Absicherung<br />
Felszugang<br />
Erreichbarkeit<br />
des Gebietes<br />
Informationen<br />
Bequeme<br />
Unterkunft<br />
Ideales Wetter<br />
Routenauswahl<br />
Ruhe und<br />
Erholung<br />
Treffpunkt der<br />
Kletterszene<br />
Bekanntes<br />
Gebiet<br />
Abbildung 36: Zusammensetzung der Motivationsd<strong>im</strong>ensionen <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
Die Faktorwerte wurden als Variablen gespeichert und als Basis für den zweiten Analyseschritt<br />
eingesetzt. Für die Clusteranalyse wurden wiederum die drei Verfahren Single Linkage,<br />
Ward und Clusterzentrenanalyse verwendet. Auf der Basis der Ergebnisse des Single Linkage<br />
Verfahrens wurde ein Ausreißer von der weiteren Analyse ausgeschlossen, um die Ergebnisse<br />
nicht zu verzerren.<br />
Der Vergleich der Ergebnisse der Segmentierung nach der Ward und der Clusterzentrenanalyse<br />
ergibt, wie <strong>im</strong> Fall der vorangegangenen Analyse mit dem vollständigen Datensatz ebenfalls<br />
für die Clusterzentrenanalyse durchweg bessere Ergebnisse für die Clusterzentrenlösungen<br />
bezüglich der durchschnittlichen F-Werte und der Anzahl der absoluten F-Werte über 1.<br />
Da sich die Homogenität der Cluster ab der Lösung mit vier Clustern nur noch geringfügig<br />
verbessert, wurde diese Lösung gewählt. Die resultierenden vier Segmente sind bei einem<br />
durchschnittlichen F-Wert von 0,679 deutlich homogener als die unsegmentierten Daten. Dabei<br />
waren acht von 32 F-Werten größer als eins. Die ANOVA-Prozedur für den Test der Mittelwertgleichheit<br />
der Segmente ergibt hochsignifikante Ergebnisse für die ersten sieben Faktoren<br />
(p
für, dass die Segmente nicht nur in sich homogen sind, sondern auch bezüglich der Motivationsd<strong>im</strong>ensionen<br />
klar voneinander zu unterscheiden sind.<br />
Einen besseren Überblick der Unterschiede zwischen den Segmenten vermittelt jedoch die<br />
Betrachtung der t-Werte. Die folgende Tabelle zeigt diese für die vier resultierenden Segmente<br />
bezüglich der acht Motivationsd<strong>im</strong>ensionen. Die t-Werte verdeutlichen, welchen Motivationsd<strong>im</strong>ensionen<br />
die Segmente relativ zum Durchschnitt aller Befragten besondere Bedeutung<br />
be<strong>im</strong>essen.<br />
Loyale Szene<br />
Kletterer<br />
(N=53)<br />
Abenteuerkletterer<br />
(N=61)<br />
Novelty-<br />
Seeking<br />
Touristen<br />
(N=59)<br />
Sport- und<br />
Freizeittouristen<br />
(N=71)<br />
Destinationsbezogenes<br />
Novelty Seeking<br />
-0,354 -0,030 0,790 -0,367<br />
Klettertouristische<br />
Infrastruktur<br />
0,633 -0,415 0,607 -0,621<br />
Sport- und Freizeitaktivitäten<br />
neben Klettern<br />
-0,771 -0,794 0,725 0,655<br />
Kletterszenetreffpunkt 0,592 -0,636 -0,108 0,194<br />
Kletterbezogenes Novelty-Seeking<br />
-0,458 0,678 0,193 -0,401<br />
Kletterbedingungen<br />
(Wetter, Routenauswahl)<br />
-0,372 0,023 -0,287 0,496<br />
Ruhe und Erholung 0,103 -0,292 -0,141 0,292<br />
Abgeschiedenheit 0,194 0,084 -0,275 0,012<br />
Abbildung 37: t-Werte der Clustermittelwerte für die Motivationsd<strong>im</strong>ensionen<br />
Die Betrachtung der t-Werte deckt deutliche Unterschiede in den Prioritäten zwischen den<br />
vier Segmenten auf, die als Basis für die Namensfindung für die Segmente und die weiterführende<br />
Ergebnisinterpretation dienen können. Als Interpretationsbeispiel soll der Wert –0,771<br />
der loyalen Szenekletterer be<strong>im</strong> Faktor Sport- und Freizeitaktivitäten neben dem Klettern<br />
dienen. Er zeigt, dass die loyalen Szenekletterer diesen Faktor <strong>im</strong> Vergleich zum Durchschnitt<br />
aller Segmente deutlich niedriger bewertet haben bzw. für diesen Faktor einen deutlich<br />
niedrigeren Durchschnittswert als die Gesamtstichprobe aufweisen. Positive t-Werte bedeuten<br />
dementsprechend, dass einem Faktor von einem Cluster höhere Bedeutung als vom<br />
Durchschnitt der Gesamtstichprobe beigemessen wird. Zur Benennung und weiterführenden<br />
Beschreibung der Segmente werden zusätzliche soziodemographische Merkmale und Merkmale<br />
des Urlaubsverhaltens herangezogen. Zur Überprüfung der Signifikanz von Unterschieden<br />
zwischen den Gruppen kommen für intervallskalierte Daten die ANOVA-Prozedur und<br />
für ordinal oder nominal skalierte Daten Chi 2 –Tests zum Einsatz.<br />
Die nachfolgende Tabelle gibt die herausstechenden Charakteristika der vier Touristensegmente<br />
<strong>im</strong> Klettertourismus wieder, die als Grundlage der Namensfindung für die Segmente<br />
gedient haben.<br />
103
Kundengruppe<br />
Charakterisierung<br />
Loyale Szenekletterer<br />
(N=53)<br />
Abenteuerkletterer<br />
(N=61)<br />
Novelty-Seeking<br />
Touristen<br />
(N=59)<br />
Sport- und<br />
Freizeittouristen<br />
(N=71)<br />
- Messen der Motivationsd<strong>im</strong>ension Kletterszenetreffpunkt die größte<br />
Bedeutung aller Segmente bei.<br />
- Gute klettertouristische Infrastruktur und Abgeschiedenheit sind diesem<br />
Segment relativ am wichtigsten.<br />
- Geringes Interesse an Sport- und Freizeitaktivitäten neben dem Klettern.<br />
- Niedrigste Ausprägung aller Segmente der Motivationsd<strong>im</strong>ensionen kletterbezogenes<br />
Novelty-Seeking und Kletterbedingungen.<br />
- Wechselten mit 3,31 verschiedenen besuchten Destinationen in den letzten<br />
fünf Kletterurlauben am seltensten die Destinationsmarke.<br />
- Suchen am stärksten nach neuen und einzigartigen Klettererlebnissen.<br />
- Sind am wenigsten an Aktivitäten neben dem Klettern interessiert.<br />
- Motivationsd<strong>im</strong>ensionen Ruhe und Erholung sowie Kletterszenetreffpunkt<br />
haben die relativ geringste Bedeutung aller Segmente.<br />
- Suchen am stärksten nach neuen und einzigartigen Urlaubserlebnissen.<br />
- Legen den größten Wert auf Sport- und Freizeitaktivitäten neben dem<br />
Klettern.<br />
- Weisen von allen Segmenten die niedrigste Ausprägung der Motivationsd<strong>im</strong>ension<br />
Abgeschiedenheit auf.<br />
- Legen ebenfalls relativ großen Wert auf Sport- und Freizeitaktivitäten<br />
neben dem Klettern.<br />
- Legen von allen Segmenten den größten Wert auf Ruhe und Erholung<br />
sowie auf gute Kletterbedingungen.<br />
- Geringste Werte für die Motivationsd<strong>im</strong>ension Destination-Novelty-<br />
Seeking und relativ geringe Bedeutung guter klettertouristischer Infrastruktur.<br />
Abbildung 38: Beschreibung der Klettertourismussegmente<br />
Der Überblick der Klettertourismussegmente zeigt, dass mit den als loyalen Szenekletterern<br />
und als Abenteuerkletterern bezeichneten Segmenten zwei Kundengruppen mit einer starken<br />
Fokussierung auf klettersportliche Motivationen existieren, denen mit den Novelty-Seeking-<br />
Touristen sowie den Sport- und Freizeittouristen zwei Segmente gegenüber stehen, die auch<br />
deutlich von allgemeinen Urlaubsmotivationen geprägt sind.<br />
Das hier als loyale Szenekletterer bezeichnete Segment der Klettertouristen entspricht in vielerlei<br />
Hinsicht am ehesten dem klassischen Bild der Kletterer, hat jedoch mit knapp 22% den<br />
kleinsten Anteil an der Stichprobe. Loyale Szenekletterer sind fokussiert auf den Klettersport<br />
und schätzen am stärksten den Kontakt zur Klettererszene. Die hohe Ausprägung der Motivationsd<strong>im</strong>ension<br />
„Abgeschiedenheit“ zeigt jedoch ein geringes Interesse daran, neue Leute<br />
außerhalb dieses Kreises kennen zu lernen, den Wunsch, be<strong>im</strong> Klettern die gewählten Routen<br />
ohne Störungen in Angriff nehmen zu können und das Meiden touristisch hochentwickelter<br />
104
Regionen. Eine gute klettertouristische Infrastruktur, wie die gute Erreichbarkeit des Klettergebietes<br />
sowie der einzelnen Felsen, eine gute Absicherung der Routen und ausreichend verfügbare<br />
Informationen über die Klettermöglichkeiten sind für diese Gruppe besonders wichtig.<br />
Geringer als bei den anderen Segmenten ist jedoch die Motivation, nach <strong>im</strong>mer neuen<br />
und einzigartigen Klettererlebnissen zu suchen. Dies deckt sich mit dem Wechselverhalten<br />
zwischen <strong>Destinationsmarken</strong> dieser Gruppe. Während der <strong>im</strong> Fragebogen abgefragten letzten<br />
fünf Kletterurlaube besuchten die loyalen Szenekletterer 3,31 verschiedene Destinationen,<br />
was dennoch die geringste Wechselrate aller Segmente darstellt. Das relativ geringe Interesse<br />
an Aktivitäten neben dem Klettern deckt sich mit dem tatsächlichen Verhalten. Mit 2,76 verschiedenen<br />
Sport- und Freizeitaktivitäten gingen sie den zweitwenigsten Aktivitäten neben<br />
dem Klettern nach. Mit 4,43 Übernachtungen weisen die loyalen Szenekletterer die höchste<br />
Aufenthaltsdauer auf und verfügen mit 43,3% über den höchsten Frauenanteil aller Gruppen.<br />
Das als Abenteuerkletterer benannte Segment ist die extremste Kletterergruppe. Herausragende<br />
Motivationsd<strong>im</strong>ension ist hier die Suche nach neuen und einzigartigen Erlebnissen<br />
be<strong>im</strong> Klettern. Dementsprechend klettern die Abenteuerkletterer mit einer durchschnittlichen<br />
Schwierigkeitsgrad von 7,39 nach eigenen Angaben auch die schwierigsten Routen, haben<br />
mit 10,40 Kletterurlauben mit mindestens einer Übernachtung pro Jahr die höchste Urlaubshäufigkeit,<br />
und die Motivationsd<strong>im</strong>ension Ruhe und Erholung hat für dieses Segment die<br />
geringste Bedeutung. Aktivitäten neben dem Klettern spielen als Motivation der Destinationswahl<br />
die relativ geringste Rolle aller Segmente und werden mit durchschnittlich 2,47 auch<br />
am seltensten ausgeführt. Im Gegensatz zum ersten Segment legen die Abenteuerkletterer<br />
jedoch geringen Wert auf den Kontakt zur Kletterszene. Mit 80,3% weist dieses Segment den<br />
höchsten Anteil männlicher Kletterer auf.<br />
105
Loyale<br />
Szene<br />
Kletterer<br />
(N=53)<br />
Abenteuerkletterer<br />
(N=61)<br />
Novelty-<br />
Seeking<br />
Touristen<br />
(N=59)<br />
Sport- und<br />
Freizeittouristen<br />
(N=71)<br />
Gesamt<br />
Urlaubsausgaben in €<br />
(pro Tag; pro Person)<br />
33,26 27,61 32,40 43,13 34,44<br />
Aufenthaltsdauer<br />
(Übernachtungen)<br />
4,43 3,10 3,61 3,00 3,48<br />
Urlaubshäufigkeit<br />
(Kletterurlaube pro<br />
Jahr)* 409 9,19 10,40 7,66 6,02 8,20<br />
Gekletterte Schwierigkeitsgrade<br />
(UIAA)*<br />
Anzahl verschiedener<br />
Aktivitäten neben<br />
dem Klettern<br />
6,89 7,39 6,42 6,60 3,48<br />
2,76 2,47 3,36 2,89 2,87<br />
Abbildung 39: Weitergehende Beschreibung der Klettertourismussegmente<br />
Das hier als Novelty-Seeking-Touristen benannte Segment sucht relativ am stärksten nach<br />
neuen und einzigartigen Urlaubserlebnissen und misst der Motivationsd<strong>im</strong>ension Sport- und<br />
Freizeitaktivitäten die höchste Bedeutung aller Segmente bei. Dies deckt sich mit der höchsten<br />
durchschnittlichen Anzahl verschiedener durchgeführter Aktivitäten neben dem Klettern<br />
mit 3,36. Die Novelty-SeekingTouristen weisen mit 3,48 verschiedenen Destinationen während<br />
der letzten fünf Kletterurlaube die zweithöchste Wechselhäufigkeit auf.<br />
Das letzte Segment wird als Sport- und Freizeittouristen bezeichnet. Diese Klettertouristen<br />
sind nicht in erster Linie auf das Klettern fixiert, sondern legen auch großen Wert auf Aktivitäten<br />
neben dem Klettern und führen mit 2,89 auch überdurchschnittlich viele durch. Die<br />
klassische Urlaubsmotivation Ruhe und Erholung und angenehme Kletterbedingungen sind<br />
ihnen von allen Segmenten am wichtigsten. Die Sport- und Freizeittouristen bilden mit 29%<br />
aller Probanden das größte Segment und tätigen mit 43,13€ die höchsten Urlaubsausgaben<br />
pro Übernachtung. Dem steht die mit durchschnittlich 3,00 Übernachtungen niedrigste Aufenthaltsdauer,<br />
mit 6,02 Kletterurlauben die geringste Urlaubshäufigkeit und mit 3,81 verschiedenen<br />
Destinationen während der letzten fünf Kletterurlaube der häufigste Markenwechsel<br />
gegenüber.<br />
Die Analyse der Motivationen der Klettertouristen hat gezeigt, dass <strong>im</strong> Klettertourismus, wie<br />
auf der Basis der theoretischen Analyse vermutet, sowohl klettersportbezogene Motivationen<br />
als auch allgemeine Urlaubsmotivationen für die Wahl einer Destinationsmarke relevant sind.<br />
Die Klettertouristen sind bezüglich ihrer Motivationen jedoch nicht homogen. So bestehen<br />
deutliche interkulturelle Unterschiede zwischen den tschechischen und deutschen Kletterern<br />
409 Mit * gekennzeichnete Zeilen weisen signifikante ANOVA-Ergebnisse bezüglich der Zufallswahrscheinlichkeit<br />
der Mittelwertunterschiede der Segmente auf.<br />
106
und die nicht-tschechischen Klettertouristen lassen sich anhand ihrer Motivationen in vier<br />
deutlich verschiedene und klar abgrenzbare Kundensegmente unterteilen, sodass auch die<br />
zweite <strong>im</strong> Vorfeld getroffene Annahme der Nichthomogenität der Klettertouristen bestätigt<br />
wurde. Wie das Destinationsmanagement auf diese Erkenntnisse reagieren kann, wird <strong>im</strong><br />
Abschnitt 6.6. zu den Implikationen für das Management diskutiert werden.<br />
6.4. Markenwechselverhalten <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
In diesem Kapitel soll überprüft werden, ob die in der Service-Profit-Chain postulierten und<br />
für den allgemeinen <strong>Tourismus</strong> mit Modifikationen bereits nachgewiesenen Zusammenhänge<br />
von Qualität, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung auch <strong>im</strong> Klettertourismus nachgewiesen<br />
werden können, oder ob sich durch die Besonderheiten der Klettertouristen als Kundengruppe<br />
auch Veränderungen in der Service-Profit-Chain des Klettertourismus ergeben.<br />
Diese Erkenntnisse sind insbesondere als Hintergrund für die Schaffung einer Dachmarke<br />
von Destinationen von Bedeutung, da sich aus diesen Besonderheiten gegebenenfalls erst die<br />
Notwendigkeit zur Kooperation ergibt. Die Beziehungen der Variablen werden mit Hilfe von<br />
Korrelationsanalysen und einer Regression geprüft, wobei auf der Basis der Theorie bereits<br />
eindeutige Annahmen über die Richtung der Zusammenhänge bestehen.<br />
Auf der Basis der bisherigen Erkenntnisse wird die generelle Gültigkeit der Service-Profit-<br />
Chain auch <strong>im</strong> Klettertourismus angenommen. Im Einzelnen bedeutet dies, dass die durch die<br />
Klettertouristen wahrgenommene Qualität der Destination positiv mit der Zufriedenheit der<br />
Kunden mit dem aktuellen Urlaub korreliert ist, sowie dass die Kundenbindung bei höherer<br />
Kundenzufriedenheit ebenfalls ansteigt. Das Variety-Seeking Behavior hat sich in früheren<br />
<strong>Tourismus</strong>studien als bedeutender Störfaktor der Beziehung zwischen Kundenzufriedenheit<br />
und Kundenbindung herausgestellt. Die vorangegangene Analyse der Motivationen der Klettertouristen<br />
bei der Destinationswahl hat gezeigt, dass die Suche nach Abwechslung für viele<br />
sowohl <strong>im</strong> Hinblick auf Urlaubserlebnisse als auch <strong>im</strong> Hinblick auf Klettererlebnisse eine<br />
bedeutende Rolle spielt. Insofern wird angenommen, dass eine höhere Variety-Seeking Tendenz<br />
zu einer Verringerung der Kundenbindung führt und dass häufige Destinationswechsel<br />
in der Urlaubshistorie mit geringer Kundenbindung korrelieren.<br />
Als ein möglicher Weg, den Kundenverlust <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> durch Variety-Seeking Behavior<br />
auszugleichen, wurden bereits Weiterempfehlungen erwähnt. <strong>Tourismus</strong>studien haben gezeigt,<br />
dass ein enger Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und der Bereitschaft,<br />
positive Weiterempfehlungen abzugeben, besteht. Ein geringer, aber signifikanter negativer<br />
Zusammenhang wurde zwischen einer höheren Tendenz zum Variety-Seeking und der Bereitschaft<br />
zur Weiterempfehlung festgestellt. 410 Der intensive Austausch über Klettererlebnisse<br />
gilt als ein fester Bestandteil der Subkultur der Kletterer. Es wird daher angenommen, dass<br />
die für den allgemeinen <strong>Tourismus</strong> festgestellten Zusammenhänge auch <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
410 Woratschek & Horbel (2003a).<br />
107
Gültigkeit besitzen. Da diese Zusammenhänge durch eine Regression überprüft werden sollen,<br />
können die folgenden Hypothesen formuliert werden. Für die statistische Prüfung wurden<br />
diese entgegen der Annahmen formuliert.<br />
H4: Es besteht kein positiver Zusammenhang zwischen der Kundenzufriedenheit und<br />
der Bereitschaf zu positiven Weiterempfehlungen.<br />
H5: Die Variety-Seeking Tendenz der Klettertouristen wirkt sich nicht negativ auf die<br />
Bereitschaft zur Weiterempfehlung aus.<br />
H6: Der Einfluss der Kundenzufriedenheit auf die Bereitschaft zur Weiterempfehlung<br />
ist stärker als der Einfluss der Variety-Seeking Tendenz auf diese.<br />
Da es sich bei den untersuchten Größen durchgehend um hypothetische Konstrukte handelt,<br />
müssen Indikatoren zu ihrer Messung festgelegt werden. Die verwendeten Messindikatoren<br />
zeigt Abbildung 40.<br />
Variable<br />
Wahrgenommene Qualität<br />
Kundenzufriedenheit<br />
Kundenbindung<br />
(Wiederkommensabsicht)<br />
Variety-Seeking Tendenz<br />
Variety-Seeking Behavior<br />
Weiterempfehlung<br />
Indikator<br />
Wie bewertest Du insgesamt ...[die jeweilige Destination] als<br />
Gebiet für Kletterurlaube?<br />
Wie zufrieden bist Du insgesamt mit Deinem Urlaub in<br />
...[der jeweiligen Destination]?<br />
Wo verbringst Du Deinen nächsten Kletterurlaub?<br />
Planst Du innerhalb der kommenden drei Jahre nochmals zu<br />
kommen?<br />
In jedem Kletterurlaub reise ich an einen neuen Ort.<br />
Wo hast Du die letzten fünf Kletterurlaube verbracht?<br />
Kundenzufriedenheit: „sehr zufrieden“ (=4) oder „außerordentlich<br />
zufrieden“ (=5) und<br />
Direkte Wiederkommensabsicht: „nein“ oder „weiß nicht“<br />
Ich empfehle ...[die jeweilige Destination] gern als Urlaubsort<br />
weiter.<br />
Abbildung 40: Messindikatoren der Service-Profit-Chain <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
Der gewählte Indikator für die Qualität orientiert sich eng an der Definition der Gesellschaft<br />
für Qualität: „Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Tätigkeit,<br />
die sich auf deren Eignung zur Erfüllung gegenüber Erfordernissen bezieht.“ 411 Die<br />
Kundenbindung wurde als Wiederkommensabsicht operationalisiert. Es wurde sowohl die<br />
direkte Wiederkommensabsicht <strong>im</strong> nächsten Kletterurlaub abgefragt, als auch die Wiederkommensabsicht<br />
innerhalb von drei Jahren. Die Klettertouristen konnten jeweils antworten,<br />
sicher nicht wiederkommen zu wollen, sich noch nicht sicher zu sein oder auf jeden Fall wie-<br />
411 Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. (1993) zitiert in: Woratschek (1999), S.578.<br />
108
derkommen zu wollen. Die Variety-Seeking Tendenz wurde entsprechend früherer <strong>Tourismus</strong>untersuchungen<br />
412 mit der Aussage, jeden Urlaub an einen neuen Ort zu reisen, operationalisiert.<br />
Neben dieser Verhaltensabsicht wurde auch das tatsächliche Abwechslungsverhalten<br />
in der Vergangenheit erfragt, indem die Probanden gebeten wurden, die während der letzten<br />
fünf Kletterurlaube mit mindestens einer Übernachtung besuchten Destinationen anzugeben.<br />
Für die Abfrage der Weiterempfehlungsabsicht wurde bei der Wahl des Indikators<br />
wiederum auf existierende <strong>Tourismus</strong>studien aufgebaut. 413<br />
Da die gemessenen Größen in der Grundgesamtheit nicht normalverteilt sind und die Wiederkommensabsicht<br />
zudem nur ordinalskaliert ist, wurden die statistischen Voraussetzungen<br />
für die Verwendung des Korrelationskoeffizienten nach PEARSON nicht erfüllt. Deshalb wurde<br />
SPEARMAN’S Rho angewandt, das auf der Basis von Rangreihen berechnet wird und für<br />
welches deshalb nicht dieselben hohen Anforderungen gelten. 414 Abbildung 41 zeigt die Stärke,<br />
Richtung und Signifikanz der gemessenen Korrelationen.<br />
Variety-Seeking<br />
Tendenz<br />
-0,148**<br />
-0,065<br />
Variety-Seeking<br />
Behavior<br />
-0,287**<br />
-0,133*<br />
**p
Anhand der Korrelationsanalyse können die grundsätzlichen Zusammenhänge der Service-<br />
Profit-Chain auch <strong>im</strong> Klettertourismus gezeigt werden. Zwischen der Qualitätsbewertung und<br />
der Kundenzufriedenheit besteht eine starke und hochsignifikante Korrelation. Auch die Korrelation<br />
zwischen der Kundenzufriedenheit und der Wiederkommensabsicht ist hochsignifikant.<br />
Der Koeffizient ist hier jedoch deutlich niedriger, was auf weitere Einflüsse auf die<br />
Kundenbindung hindeutet.<br />
Bei der Formulierung der Annahmen wurde davon ausgegangen, dass die Verbindung von<br />
Kundenzufriedenheit und Kundenbindung durch Variety-Seeking Behavior gestört wird. Wie<br />
postuliert, besteht tatsächlich eine hochsignifikante, negative Korrelation sowohl zwischen<br />
der Variety-Seeking Tendenz und der direkten Wiederkommensabsicht als auch zwischen<br />
dem Abwechslungsverhalten in der Vergangenheit und der direkten Wiederkommensabsicht.<br />
Betrachtet man jedoch die Wiederkommensabsicht innerhalb von drei Jahren, kann nur für<br />
das Abwechslungsverhalten ein signifikanter Zusammenhang festgestellt werden. Mit –0,133<br />
ist der Korrelationskoeffizient zudem nur gering ausgeprägt. Die getroffenen Annahmen<br />
können also nur für die direkte Wiederkommensabsicht eindeutig bestätigt werden. Dies stellt<br />
zunächst einen überraschenden Widerspruch dar, der genauer untersucht werden muss. Es<br />
wäre zu erwarten gewesen, dass die mittelfristige Wiederkommensabsicht innerhalb von drei<br />
Jahren ebenso deutlich negativ von der Variety-Seeking Tendenz und in der Vergangenheit<br />
gezeigtem Variety-Seeking Behavior beeinflusst wird. Betrachtet man zunächst rein deskriptiv<br />
die Antworten der Probanden, wie sie in Abbildung 42 und Abbildung 43 dargestellt sind,<br />
so zeigt sich ein höchst widersprüchliches Bild.<br />
Wo verbringst du deinen nächsten<br />
Kletterurlaub?<br />
Planst du innerhalb der nächsten<br />
drei Jahre nochmals zu kommen?<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
5<br />
(1,62%)<br />
39<br />
(12,66%)<br />
264<br />
(85,71%)<br />
woanders weiß nicht <strong>im</strong><br />
Untersuchungsgebiet<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
5<br />
(1,62%)<br />
39<br />
(12,66%)<br />
264<br />
(85,71%)<br />
nein vielleicht ja<br />
Abbildung 42: Vergleich direkte und mittelfristige Wiederkommensabsicht<br />
Lediglich 18,33% der Probanden wollen ihren nächsten Kletterurlaub sicher in derselben<br />
Destination verbringen. Definiert man Variety-Seeker als Touristen, die zwar hochzufrieden<br />
sind, aber dennoch nicht <strong>im</strong> nächsten Urlaub wiederkommen, wie dies bereits bei den Messindikatoren<br />
in Abbildung 40 aufgeführt wurde, wären demnach 44,6% 415 der Probanden Variety-Seeker.<br />
416 Zieht man jedoch die mittelfristige Perspektive heran, erscheinen die befrag-<br />
415 Unentschlossene Probanden wurden für diese Klassifizierung als fehlende Werte behandelt.<br />
416 Diese Abgrenzung wurde bereits in früheren <strong>Tourismus</strong>untersuchungen eingesetzt. Vgl. Woratschek (2001).<br />
110
ten Klettertouristen mit 85,7% Wiederkommensabsicht innerhalb von drei Jahren als sehr<br />
loyale Kunden.<br />
Ein weiterer Widerspruch ergibt sich bei der ‚Gegenüberstellung der Variety-Seeking Tendenz<br />
und dem tatsächlichen Abwechslungsverhalten in der Vergangenheit.<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
In jedem Kletterurlaub reise ich an<br />
einen neuen Ort<br />
22<br />
(6,92%)<br />
trifft<br />
überhaupt<br />
nicht zu<br />
79<br />
69<br />
68<br />
(24,84%)<br />
(21,70%) (21,38%) 44<br />
(13,84%) 28<br />
(8,81%)<br />
trifft nicht<br />
zu<br />
trifft eher<br />
nicht zu<br />
trifft<br />
teilweise<br />
zu<br />
trifft eher<br />
zu<br />
trifft zu<br />
8<br />
(2,52%)<br />
trifft voll<br />
und ganz<br />
zu<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Anzahl der unterschiedlichen<br />
Destinationen während der letzten<br />
fünf Kletterurlaube<br />
101<br />
(42,08%)<br />
19<br />
(7,92%)<br />
25<br />
(10,42%)<br />
38<br />
(15,83%)<br />
57<br />
(23,75%)<br />
1 2 3 4 5<br />
Abbildung 43: Vergleich Variety-Seeking-Tendenz und Urlaubshistorie<br />
Die klare Mehrheit mit 53,5% der Klettertouristen gab an, eher nicht in jedem Kletterurlaub<br />
an einen neuen Ort zu reisen. Betrachtet man jedoch die Urlaubshistorie, haben mit 65,8%<br />
fast zwei Drittel der Klettertouristen für ihre letzten fünf Kletterurlaube vier oder fünf verschiedene<br />
Destinationen gewählt.<br />
Einen Ansatz zur Auflösung dieser Widersprüche bietet die Betrachtung der Urlaubsfrequenz<br />
der Klettertouristen <strong>im</strong> Vergleich zur Anzahl der relevanten Destinationen für Kletterurlauber.<br />
Es wurde in Abschnitt 3.1.1. bereits dargestellt, dass zwar eine recht große Anzahl bekletterbarer<br />
Felsen existiert, aber nur eine relativ geringe Anzahl von Klettergebieten, die für<br />
mehrtägige Kletteraufenthalte in Frage kommen. Der Klettertourismus konzentriert sich deshalb<br />
auf nur wenige Destinationen. Die Befragten gaben jedoch durchschnittlich an, pro Jahr<br />
8,63 Mal zum Kletterurlaub zu fahren. Insofern ist es auch bei hohem Abwechslungsbedürfnis<br />
für Klettertouristen nur schwer möglich, <strong>im</strong>mer ein neues Klettergebiet zu besuchen. Dies<br />
unterscheidet den Klettertourismus deutlich von anderen Sporttourismussegmenten, wie dem<br />
Wander-, Ski.-, Rad- oder Golftourismus, wo deutlich mehr Wechselalternativen zur Verfügung<br />
stehen. Dementsprechend konnten auch nur wenige Klettertouristen auf die Indikatorfrage<br />
für die Variety-Seeking Tendenz mit gutem Gewissen angeben, für jeden Kletterurlaub<br />
an einen neuen Ort zu reisen, obwohl dies möglicherweise ihren Präferenzen entsprochen<br />
hätte. Es existiert also insofern eine außergewöhnliche Marktsituation, dass die Klettertouristen<br />
einerseits häufig ein hohes Abwechslungsbedürfnis haben und durch die häufigen Wechsel<br />
auch über große Reiseerfahrung verfügen. So besteht typischerweise keine Verhaltensunsicherheit<br />
bzw. subjektiv wahrgenommenes Risiko bei einem Destinationswechsel. Andererseits<br />
besteht durch die begrenzte Anzahl von alternativen Destinationen ein gewisser Druck,<br />
mittelfristig in bereits besuchte Gebiete zurückzukehren.<br />
Einen weiteren Erklärungsansatz für das spezifische Abwechslungsverhalten der Klettertouristen<br />
könnte das sogenannte Repertoire Buying darstellen. Dieses Verhalten bei der Mar-<br />
111
kenwahl wurde bisher hauptsächlich bei schnelldrehenden Konsumgütern beobachtet, 417 zuletzt<br />
aber auch auf das Verhalten von Fußballfans übertragen. 418 Bei Konsumgütern wird Repertoire<br />
Buying in Abgrenzung zu markentreuen und rein preisorientierten Käufern als weitere<br />
Markenwahlstrategie beschrieben, bei der Kunden in jeder Kaufsituation aus einem gegebenen<br />
Set an Marken auswählen. Die konkrete Entscheidung wird auf der Basis einer Reihe<br />
möglicher Kriterien spontan getroffen. Diese Kriterien können Produkteigenschaften, Verfügbarkeit,<br />
Preis, z.B. Sonderangebote, aber auch Abwechslungssuche, also Variety-Seeking<br />
sein. 419 Das Repertoire Buying wird gegenüber der Markentreue und der rein preisorientierten<br />
Markenwahl als am weitesten verbreitete Markenwahlstrategie beschrieben, unabhängig davon,<br />
welche Produktkategorie oder welchen Ländermarkt man betrachtet. 420 Markentreue<br />
kann in diesem Zusammenhang dann auch auf der Basis von Kaufanteilen definiert werden.<br />
Man ist nach dieser Definition der Marke treu, für die man den größten Anteil seines Budgets<br />
ausgibt. 421 In einer umfassenden Untersuchung zur Loyalität der Fans eines britischen Fußballvereins<br />
wurden solche Fans als „Repertoire Fans“ bezeichnet, die neben den Spielen, an<br />
denen ihre „eigene“ Mannschaft beteiligt war, auch Spiele anderer Mannschaften besuchten.<br />
Repertoire Fans waren in dieser Untersuchung mit größerer Wahrscheinlichkeit Fans des<br />
Sportes Fußball als Fans eines best<strong>im</strong>mten Clubs, betrachteten sich aber selbst dennoch ü-<br />
berwiegend als loyale Fans des untersuchten Profivereins. 422 Auch für den Klettersport erscheint<br />
es für den Autor plausibel, dass Kletterer zwischen Destinationen wechseln, um ein<br />
Repertoire zusammenzustellen, das eine einzelne Destination nicht bieten kann. Kletterrouten<br />
können sehr unterschiedliche Charakteristika aufweisen, wie in der bisherigen Arbeit bereits<br />
mehrfach angeklungen ist<br />
- Unterschiede in den Gesteinsarten<br />
- Unterschiede in der Länge der Routen<br />
- Unterschiede in den erlaubten Hilfsmitteln<br />
- Unterschiede in der Beschaffenheit der Felsen wie Löcher, Kanten, Risse, Überhänge<br />
usw.<br />
All diese unterschiedlichen Charakteristika verlangen und ermöglichen auch verschiedene<br />
Klettertechniken und vermitteln verschiedenartige Klettererlebnisse. Kein noch so vielfältiges<br />
Klettergebiet kann jedoch annähernd alle denkbaren Charakteristika von Kletterrouten bieten.<br />
Dies beginnt bereits bei der Gesteinsart, wovon typischerweise in jedem Klettergebiet eine<br />
417 Hallberg (2004); Hallberg (1995), S.54.<br />
418 Tapp (2004); Tapp & Clowes (2002).<br />
419 Hallberg (2004), S.15; In der Literatur zum Konsumentenverhalten wird dies auch unter dem Stichwort Multi<br />
Brand Loyalty diskutiert: Kroeber-Riel & Weinberg (1996), S.394 und Bennett & Rundle-Thiele (2005),<br />
S.252-254.<br />
420 Hallberg (2004), S.15 f.; Antonides & Van Raaij (1998), S.558.<br />
421 Kroeber-Riel & Weinberg (1996), S.394; Hallberg (1995), S.54-58.<br />
422 Tapp (2004), S.207.<br />
112
einzige dominiert. Wer also nicht das Ziel hat, Spezialist für eine Spielart des Kletterns wie<br />
z.B. das Klettern an Sandstein nach den sächsischen Kletterregeln zu sein, sondern versucht,<br />
umfassende Klettererfahrungen und Kletterfähigkeiten zu erreichen, ist auf einen Wechsel<br />
zwischen verschiedenen Klettergebieten angewiesen. Der Wechsel, um ein solches Repertoire<br />
zusammenzustellen, schließt dann auch die Existenz eines Lieblings- oder Stammklettergebiets<br />
nicht aus, dem sich der Kletterer besonders verbunden fühlt und das er auch möglichst<br />
häufig besucht. Um ein breites Repertoire an Klettererfahrungen abzudecken, ist dennoch<br />
die Abwechslung der Kletterdestinationen notwendig. Auch wenn die vorliegende Studie<br />
ursprünglich nicht dafür konzipiert wurde, Repertoire Buying von Klettertouristen zu untersuchen,<br />
lassen sich eine Reihe von Indizien für die Relevanz von Repertoire Buying als<br />
Grund für den Wechsel zwischen Destinationen in den gewonnenen Daten finden. In der qualitativen<br />
Studie werden Spezifika der Felsen und der Routen häufig als Kriterien für den Vergleich<br />
der Klettergebiete genutzt. Ebenso wurden Merkmale des Gesteins und der Routen<br />
häufig als Gründe genannt, neue Klettergebiete zu besuchen. Hier nannten die 83 Probanden<br />
der qualitativen Studie 47 Mal Abwechslung bei Felsen und Routen und 17 Mal Abwechslung<br />
bezüglich des Gesteins als Gründe, neue Klettergebiete zu besuchen. So ergaben sich<br />
aus der Inhaltsanalyse Motivationen, die zumindest teilweise auf die Zusammenstellung oder<br />
die Abarbeitung eines Repertoires hindeuten könnten:<br />
- die Suche nach neuen Felsen und Routen<br />
- die Suche nach neuen Erfahrungen und Herausforderungen be<strong>im</strong> Klettern<br />
- der Wunsch, möglichst viele berühmte Klettergebiete und Kletterrouten zu besuchen.<br />
Auch in der quantitativen Befragung können einzelne Fragen als Indikatoren für Repertoire<br />
Buying dienen, wie die folgende Aufstellung zeigt.<br />
Repertoire Buying<br />
Es ist mir wichtig, <strong>im</strong>mer neue Felsen und Routen zu klettern.<br />
Ich suche be<strong>im</strong> Klettern stets nach neuen und einzigartigen<br />
Erfahrungen und Herausforderungen.<br />
Ich versuche möglichst viele berühmte Klettergebiete und<br />
Kletterrouten zu besuchen.<br />
Abbildung 44: Messindikatoren für Repertoire Buying<br />
Direkt auf die Zusammenstellung eines Repertoires bezieht sich die <strong>im</strong> Fragebogen abgeprüfte<br />
Aussage: „Ich versuche möglichst viele berühmte Klettergebiete und Kletterrouten zu besuchen“.<br />
Für <strong>im</strong>merhin 38,7% der Probanden traf diese spezielle Form des Repertoire Buying<br />
eher zu, voll zu oder sogar voll und ganz zu (Werte von 5 bis 7 auf der 7er Skala). Vergleicht<br />
man die vier <strong>im</strong> vorangegangenen Kapitel identifizierten Kundensegmente mit Hilfe von<br />
ANOVA-Prozeduren und Post-Hoc-Tests bezüglich der Repertoire Buying Indikatoren, so<br />
zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Alle drei Indikatoren sind für<br />
die Segmente der Abenteuerkletterer und Novelty-Seeking Kletterer von signifikant höherer<br />
Bedeutung, als für die verbliebenen Segmente.<br />
113
Die Analyse der vorhandenen Daten <strong>im</strong> Hinblick auf Repertoire Buying hat zusammenfassend<br />
Indizien für die Relevanz dieses Phänomens für die Destinationswahl der Klettertouristen<br />
geliefert. Auf der Basis der vorhandenen Daten lässt es sich jedoch nicht klar vom Variety-Seeking<br />
<strong>im</strong> Sinne der Suche nach neuartigen Klettererlebnissen abgrenzen.<br />
Unabhängig davon, ob der häufige Wechsel zwischen den Destinationen auf Variety-<br />
Seeking-Behavior oder Repertoire Buying zurückzuführen ist, müssen aus Sicht des jeweiligen<br />
Destinationsmanagements ständig neue Kunden gewonnen werden, um die Verluste auszugleichen.<br />
Ein besonders aus Kostengründen attraktiver Weg ist die St<strong>im</strong>ulierung positiver<br />
Weiterempfehlungen. Zur Prüfung der Hypothesen 4 bis 6 wurde eine lineare Regression mit<br />
der Weiterempfehlungsabsicht als abhängiger Variable und der Kundenzufriedenheit und der<br />
Variety-Seeking Tendenz als unabhängigen Variablen durchgeführt. Die folgende Abbildung<br />
zeigt eine Zusammenfassung der Ergebnisse.<br />
Beta Beta stand. Wahrscheinlichkeit VIF<br />
Kundenzufriedenheit 0,658 0,399 P
Informationsquellen<br />
Entscheidende Informationsquellen<br />
Abbildung 46: Messindikatoren des Informationsverhaltens<br />
Wo hast Du Dich vor Deinem Urlaub in ...[der jeweiligen<br />
Destination] informiert?<br />
Welche Informationsquelle war für Deinen Wunsch, nach<br />
...[jeweilige Destination] zu kommen, entscheidend?<br />
Bei der ersten Frage waren Mehrfachantworten zulässig. Abbildung 47 zeigt die Ergebnisse.<br />
Vor dem Urlaub genutzte Informationsquellen<br />
Empfehlung Freunde/Bekannte<br />
79,3%<br />
Spezieller Kletterführer<br />
Internet<br />
50,8%<br />
42,9%<br />
Kletterzeitschriften<br />
25,7%<br />
Empfehlung Experten<br />
13,5%<br />
Reiseführer<br />
<strong>Tourismus</strong>information<br />
Sonstige<br />
gar nicht informiert<br />
Radio/Fernsehen<br />
5,0%<br />
3,1%<br />
1,6%<br />
1,6%<br />
0,6%<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90<br />
Abbildung 47: Informationsquellen der Klettertouristen<br />
Weiterempfehlungen hatten deutlich die höchste Verbreitung als Informationsquelle unter<br />
den befragten Klettertouristen. 79,3 % der Probanden nahmen eine Empfehlung von Freunden<br />
oder Bekannten entgegen. 13,5% hatten zudem eine Empfehlung von Experten wie Leitern<br />
von Kletterkursen oder spezialisierten Reiseveranstaltern erhalten. Weit verbreitet war<br />
jedoch auch die Information über spezielle Kletterführer, das Internet und Kletterzeitschriften.<br />
Die Betrachtung der Nutzungshäufigkeit sagt jedoch nur wenig über die relative Bedeutung<br />
der Weiterempfehlungen für die Destinationsentscheidung <strong>im</strong> Vergleich zu den anderen<br />
Informationsquellen aus. Deshalb wurden die Befragungsteilnehmer zusätzlich gefragt, welche<br />
Informationsquelle für die Wahl des Untersuchungsgebietes, in dem sie befragt wurden,<br />
entscheidend war. Die Probanden mussten sich so für ihre subjektiv bedeutendste Informationsquelle<br />
entscheiden.<br />
115
Empfehlung Freunde/Bekannte<br />
Entscheidende Informationsquelle für die<br />
Destinationswahl<br />
78,43%<br />
Spezieller Kletterführer<br />
Empfehlung Experten<br />
Kletterzeitschriften<br />
Internet<br />
Sonstige<br />
gar nicht informiert<br />
<strong>Tourismus</strong>information<br />
Reiseführer<br />
6,21%<br />
4,58%<br />
3,59%<br />
2,94%<br />
2,61%<br />
0,65%<br />
0,65%<br />
0,33%<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90<br />
Abbildung 48: Für die Destinationswahl entscheidende Informationsquelle der Klettertouristen<br />
Die Fokussierung auf die entscheidende Informationsquelle zeigt eine dominante Bedeutung<br />
der Weiterempfehlung. Mit 78,43% gaben fast vier von fünf Befragten an, eine Weiterempfehlung<br />
durch Freunde oder Bekannte sei für die Wahl der gegenwärtigen Destination entscheidend<br />
gewesen. Wie bereits dargestellt, sind Weiterempfehlungen <strong>im</strong> allgemeinen <strong>Tourismus</strong><br />
ebenfalls die bedeutendste Informationsquelle für eine Destinationsentscheidung. Eine<br />
der <strong>im</strong> Klettertourismus gefundenen Dominanz der Mund-zu-Mund Propaganda vergleichbare<br />
Bedeutung wurde in anderen <strong>Tourismus</strong>segmenten jedoch bisher nicht festgestellt und<br />
stellt eine Besonderheit des Klettertourismus dar.<br />
Die Regressionsanalyse hat gezeigt, dass der entscheidende Faktor für die Bereitschaft zur<br />
Weiterempfehlung die Kundenzufriedenheit ist. Es besteht zwar auch eine signifikante Korrelation<br />
zwischen mittelfristiger Wiederkommensabsicht und Weiterempfehlungsabsicht, die<br />
Kundenbindung wird jedoch ihrerseits positiv durch hohe Zufriedenheitswerte beeinflusst.<br />
Der Fokus <strong>im</strong> Marketing für Klettertouristen muss also in der Erreichung hoher Kundenzufriedenheitswerte<br />
liegen, denn eine gute Reputation ist <strong>im</strong> Klettertourismus absolut lebenswichtig.<br />
Es müssen sowohl Stammkunden als auch Variety-Seeker und Repertoire-Kunden<br />
zufriedengestellt werden, damit sie die Destination weiterempfehlen. Ansatzpunkte für den<br />
Erhalt und die Verbesserung der Zufriedenheit der Kletterer mit ihrem Aufenthalt hat bereits<br />
die Analyse der Motivationen der Klettertouristen <strong>im</strong> vorangegangenen Kapitel aufgezeigt.<br />
Diese werden in Abschnitt 6.6. zu den Management<strong>im</strong>plikationen vertieft.<br />
Zusammenfassend hat die Analyse des Markenwechselverhaltens der Klettertouristen ergeben,<br />
dass die grundsätzlichen Beziehungen der Service-Profit-Chain und deren Modifikationen<br />
analog zum allgemeinen <strong>Tourismus</strong> auch <strong>im</strong> Klettertourismus gültig sind. Bezüglich des<br />
Markenwechselverhaltens wurden jedoch auch erhebliche Besonderheiten des Klettertouris-<br />
116
mus aufgedeckt. Klettertouristen suchen zu einem großen Teil Abwechslung sowohl bei Urlaubs-<br />
als auch bei Sportaspekten der Destinationsmarke. Dies schlägt sich auch <strong>im</strong> tatsächlichen,<br />
häufigen Markenwechsel nieder, sodass kurzfristig nur wenige Klettertouristen einer<br />
Destinationsmarke treu sind. Mittelfristig plant jedoch ein sehr großer Anteil der Klettertouristen<br />
zurückzukommen. Dies ist wahrscheinlich in der spezifischen Marktsituation <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
mit einer begrenzten Anzahl an Alternativen begründet. Neben Variety-Seeking<br />
Behavior, das, wie zuvor auf Basis der Erkenntnisse aus dem allgemeinen <strong>Tourismus</strong> erwartet,<br />
<strong>im</strong> Klettertourismus weit verbreitetet ist, hat sich Repertoire Buying als zweiter Erklärungsansatz<br />
des Markenwechselverhaltens <strong>im</strong> Klettertourismus herauskristallisiert. Demnach<br />
wechseln Klettertouristen zwischen <strong>Destinationsmarken</strong>, um sich ein Repertoire an Klettererfahrungen<br />
zusammenstellen.<br />
Der Kundenverlust, ob nun bedingt durch Variety-Seeking Behavior oder Repertoire Buying<br />
verursacht, verlangt von den DMO Lösungsstrategien. Im folgenden Kapitel werden die empirischen<br />
Ergebnisse zur Akzeptanz von Destinationsdachmarken <strong>im</strong> Klettertourismus dargestellt,<br />
um diese mögliche Lösungsstrategie am Beispiel des Klettertourismus näher zu analysieren.<br />
6.5. Akzeptanz von Destinationsdachmarken <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
Als dritte zentrale Fragestellung dieser Arbeit wurde formuliert: Durch welche Inhalte kann<br />
die Bildung einer Dachmarke mit anderen Destinationen eine von den Kunden akzeptierte<br />
Reaktion auf die Besonderheiten <strong>im</strong> Klettertourismus darstellen?<br />
In diesem Teilkapitel sollen deshalb die Ergebnisse der quantitativen Studie zur Akzeptanz<br />
einer möglichen Kooperation von Destinationen durch die Klettertouristen dargestellt und<br />
diskutiert werden.<br />
Als ein zentraler Störfaktor in der Service-Profit-Chain <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> wurde bereits das Variety-Seeking<br />
Behavior herausgestellt. Dass dieses auch <strong>im</strong> Klettertourismus ein bedeutendes<br />
Phänomen ist, lässt sich auf verschiedenen Ebenen zeigen. Auf der Motivationsebene besteht,<br />
wie aus dem Abschnitt 6.3. ersichtlich, bei vielen Klettertouristen der Wunsch nach Abwechslung<br />
bezüglich Destinationseigenschaften wie Landschaft oder regionaler Kultur, die<br />
eine einzelne Destination nicht befriedigen kann. Auf der Ebene des beabsichtigten Verhaltens<br />
und des tatsächlichen Verhaltens in der Vergangenheit wurde <strong>im</strong> vorangegangenen Kapitel<br />
die Bedeutung dieses Phänomens <strong>im</strong> Klettertourismus nachgewiesen. Diese Ergebnisse<br />
unterstreichen, dass auch bei hoher Kundenzufriedenheit (in der quantitativen Studie durchschnittlich<br />
3,93; bei 4= sehr zufrieden) ein großer Teil der Klettertouristen nicht als Kunden<br />
gehalten werden kann. Einen Weg, diesen unvermeidlichen Kundenverlust auszugleichen,<br />
könnten, wie bereits diskutiert, Kooperationen mit anderen Destinationen sein, die vor dem<br />
gleichen Problem stehen.<br />
Das zentrale Ziel jeder Marketingkooperation ist es, den Kunden durch die Kooperation einen<br />
Zusatznutzen zu bieten, der zu einem komparativen Konkurrenzvorteil gegenüber Konkurren-<br />
117
ten außerhalb der Kooperation führt. Es ist also von zentraler Bedeutung, herauszufinden<br />
welche Dachmarkeninhalte sich eignen, um einen Zusatznutzen aus Kundensicht zu erreichen<br />
und welche Kooperationsmaßnahmen die Kundenakzeptanz einer Destinationsdachmarke <strong>im</strong><br />
Klettertourismus am stärksten beeinflussen.<br />
Da bisher keine solche Kooperation <strong>im</strong> Klettertourismus existiert, war für die vorliegende<br />
Untersuchung ein exploratives Vorgehen notwendig. Auf der Basis theoretischer Überlegungen,<br />
sowie den Erkenntnissen aus den Tiefeninterviews und der qualitativen Pilotstudie, wurden<br />
den befragten Klettertouristen <strong>im</strong> Rahmen der quantitativen Studie Aussagen zu fünf<br />
Kooperationsbereichen zur Zust<strong>im</strong>mung vorgelegt. Abbildung 29 zeigt den durchschnittlichen<br />
Grad der Zust<strong>im</strong>mung zu diesen Aussagen.<br />
Zust<strong>im</strong>mung zu Kooperationsbereichen<br />
Gemeinsame Standards bei<br />
der Ausweisung der<br />
Kletterrouten<br />
Einheitl.<br />
Naturschutzstandards z.B. für<br />
Felssperrungen<br />
Gemeinsame Internetseite<br />
mit Informationen über die<br />
Gebiete.<br />
4.98<br />
5.11<br />
5.10<br />
Gemeinsame<br />
Quartierbuchungsmöglichkeit<br />
<strong>im</strong> Internet<br />
4.03<br />
Internationales Festival für<br />
Kletterer in wechselnden<br />
Klettergebieten<br />
3.52<br />
3.00 3.50 4.00 4.50 5.00 5.50<br />
Abbildung 49: Zust<strong>im</strong>mung zu Kooperationsbereichen<br />
Mit nahezu dem gleichen Wert (1= trifft überhaupt nicht zu bis 7= trifft voll und ganz zu)<br />
erhalten gemeinsame Standards bei der Ausweisung der Kletterrouten und einheitliche Naturschutzstandards<br />
die höchste durchschnittliche Zust<strong>im</strong>mung. Es folgt der Wunsch nach einer<br />
gebietsübergreifenden Informationsseite <strong>im</strong> Internet. Etwas weniger Zust<strong>im</strong>mung erlangt eine<br />
zentrale Quartierbuchungsmöglichkeit <strong>im</strong> Internet, wobei zu bedenken ist, dass wildes Camping<br />
(16,3% der Teilnehmer) und die Übernachtung <strong>im</strong> eigenen Auto (18,8% der Teilnehmer)<br />
unter Kletterern sehr beliebt sind, was eine Quartierbuchungsmöglichkeit unnötig macht. Im<br />
Durchschnitt am wenigsten Zust<strong>im</strong>mung fand ein wechselnd in verschiedenen Klettergebieten<br />
veranstaltetes Klettererfestival. Die Betrachtung der Häufigkeitsverteilung in der folgenden<br />
Abbildung 50 zeigt jedoch, dass hier die Meinungen weit auseinandergehen. Immerhin<br />
noch fast 32% der Probanden wären einer solchen Kooperationsmaßnahme zugeneigt.<br />
118
25%<br />
Zust<strong>im</strong>mung zu internationalem Klettererfestival<br />
20%<br />
19.30% 20.57% 13.61%<br />
11.71%<br />
15.51%<br />
15%<br />
14.87%<br />
10%<br />
5%<br />
4.43%<br />
0%<br />
trifft<br />
überhaupt<br />
nicht zu<br />
trifft nicht zu<br />
trifft eher<br />
nicht zu<br />
trifft trifft eher zu trifft zu trifft voll und<br />
teilweise zu<br />
ganz zu<br />
Abbildung 50: Zust<strong>im</strong>mung zu internationalem Klettererfestival<br />
Etwas über 60% der Klettertouristen in den Untersuchungen waren generell einer Kooperation<br />
von Kletterdestinationen eher zu- als abgeneigt, wie die folgende Abbildung deutlich<br />
macht. Die Meinungen hierzu sind jedoch breit gestreut.<br />
Generelle Akzeptanz einer Kooperation<br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
25.33%<br />
29.61%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
5.92%<br />
10.20% 8.88%<br />
14.47%<br />
5.59%<br />
0%<br />
trifft<br />
überhaupt<br />
nicht zu<br />
trifft nicht zu<br />
trifft eher<br />
nicht zu<br />
trifft trifft eher zu trifft zu trifft voll und<br />
teilweise zu<br />
ganz zu<br />
Abbildung 51: Generelle Akzeptanz einer Kooperation<br />
Diese Heterogenität in den Ansichten deckt sich mit den Ergebnissen der vorangegangenen<br />
Analysen zu den Motivationen der Klettertouristen. Um Hinweise zu erhalten, welche der<br />
abgefragten Inhalte die generelle Akzeptanz einer Kooperation am stärksten beeinflusst und<br />
die demnach zentrale Inhalte bei der Gestaltung einer Dachmarke bilden sollten, bietet sich<br />
eine lineare Regression an, die als abhängige Variable die generelle Akzeptanz hat. Als un-<br />
119
abhängige Variablen dienen die zur Zust<strong>im</strong>mung vorgelegten Kooperationsinhalte. Diese<br />
Regression kann gemeinsam für den gesamten Datensatz durchgeführt werden. 423 Da jedoch<br />
bereits gezeigt wurde, dass sich die befragten Klettertouristen in den Motivationen der <strong>Destinationsmarken</strong>wahl<br />
deutlich unterscheiden, ist dies auch für die Determinanten der Akzeptanz<br />
einer Dachmarke zu vermuten. Aus diesem Grund wurden vier separate Regressionen<br />
für die vier motivationsbasierten Segmente und eine weitere für die tschechischen Klettertouristen<br />
durchgeführt. Abbildung 52 fasst die Ergebnisse dieser Regressionen zusammen. R 2 als<br />
Maß der Anpassungsgüte des Modells betrug zwischen 0,331 und sehr zufrieden stellenden<br />
0,713. Dies bedeutet, dass für alle Kletterersegmente, bis auf die tschechischen Kletterer,<br />
mehr als 50% der Schwankungen der generellen Akzeptanz einer Kooperation von Klettergebieten<br />
in der Stichprobe durch die abgefragte Zust<strong>im</strong>mung zu den Kooperationsinhalten erklärt<br />
werden kann. Die ermittelten Varianzinflationswerte deuten nicht auf Multikollinearität<br />
hin. 424 Die Abbildung 52 zeigt auch die Ergebnisse bezüglich einzelner Variablen. Für jede<br />
der fünf Einzelregressionen wurden die stärksten drei Einflussfaktoren, gemessen an den<br />
standardisierten Betawerten, wiedergegeben.<br />
Loyale Szenekletterer<br />
Abenteuer-<br />
Kletterer<br />
Gemeinsame<br />
Informationsseite<br />
(0.543)**<br />
Novelty-<br />
Seeking<br />
Touristen<br />
Sport- und<br />
Freizeittouristen<br />
Tschechische<br />
Klettertouristen<br />
Stärkster<br />
Einfluss<br />
(stand. Beta)<br />
Zweitstärkster<br />
Einfluss<br />
(stand. Beta)<br />
Naturschutz Gemeinsame<br />
(0.333)* 425 Informationsseite<br />
(0.322)<br />
Gemeinsame<br />
Informationsseite<br />
(0.464)**<br />
Gemeinsame<br />
Informationsseite<br />
(0.455)**<br />
Gemeinsame<br />
Informationsseite<br />
(0.475)**<br />
Buchungsmöglichkeit<br />
(0.239)*<br />
Festival<br />
(0.273)**<br />
Festival<br />
(0.279)**<br />
Festival<br />
(0.233)<br />
Drittstärkster<br />
Einfluss<br />
(stand. Beta)<br />
Festival<br />
(0.201)<br />
Festival<br />
(0.197)**<br />
Buchungsmöglichkeit<br />
(0.231)*<br />
Routen- beschreibung<br />
(0.133)<br />
Gemeinsame<br />
Standards<br />
der Routenauszeichnung<br />
(-0,213)<br />
r 2<br />
Max.<br />
VIF<br />
0.576 3.058<br />
0.707 1.447<br />
0.713 2.298<br />
0.695 2.980<br />
0,334 1,398<br />
Abbildung 52: Regressionen der generellen Akzeptanz einer Kooperation nach Segmenten<br />
423 Woratschek, <strong>Hannich</strong>, Neuman & Vomacko (2006), S.41-45.<br />
424 Backhaus et al. (2000), S.1-70 und Brosius (2002), S.566.<br />
425 *bedeutet Signifikanz auf dem 5%-Niveau. **steht für Signifikanz auf dem 1%-Niveau.<br />
120
Die Regressionsmodelle für die fünf separaten Segmente der Klettertouristen unterscheiden<br />
sich in der Rangfolge der bedeutendsten Einflüsse auf die Akzeptanz einer Destinationsdachmarke.<br />
Keine zwei Modelle sind in dieser Hinsicht identisch. Dennoch ergeben sich einige<br />
Parallelen. So ist die Befürwortung einer gemeinsamen Informationsseite in vier von<br />
fünf Regressionsmodellen der gewichtigste Einfluss auf die generelle Akzeptanz und <strong>im</strong> fünften<br />
<strong>im</strong>merhin an zweiter Stelle. Die loyalen Szenekletterer stechen dadurch hervor, dass für<br />
sie einheitliche Naturschutzstandards am stärksten die Akzeptanz einer Destinationsdachmarke<br />
beeinflussen, während dies für kein anderes Segment zu den bedeutendsten drei Einflüssen<br />
gehört. Obwohl, wie oben grafisch dargestellt, ein gemeinsames Klettererfestival nur bei einem<br />
Teil der Klettertouristen gewünscht wird, ist diese Variable in allen Regressionsmodellen<br />
unter den drei stärksten Einflüssen auf die generelle Akzeptanz.<br />
Die durchgeführten Regressionsanalysen zeigen, dass für alle fünf betrachteten Kundengruppen<br />
ein enger Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen subjektiven Nutzen einer<br />
Dachmarke von Kletterdestinationen und deren Akzeptanz besteht. Welche Inhalte die Akzeptanz<br />
einer solchen Dachmarke am stärksten beeinflussen, ist jedoch teilweise unterschiedlich.<br />
Insofern ist auch hier eine nach Kundengruppen getrennte Betrachtung angebracht und<br />
Destinationsdachmarken sollten entsprechend den anvisierten Zielgruppen gestaltet werden.<br />
6.6. Implikationen für das Management<br />
Im Laufe der Arbeit wurden Ergebnisse bezüglich der Besonderheiten des Klettertourismus,<br />
der Motivationen von Klettertouristen und dem Aufbau von Destinationsdachmarken erarbeitet.<br />
Was diese für die praktische Arbeit von <strong>Tourismus</strong>managern insbesondere in DMOs bedeuten,<br />
soll in diesem Kapitel dargestellt werden.<br />
Die vorangegangenen Analysen des Klettertourismus haben Parallelen zu anderen <strong>Tourismus</strong>segmenten,<br />
aber auch spezifische Besonderheiten ergeben, die eine angepasste Strategie<br />
von DMOs erfordern, die <strong>im</strong> Klettertourismus erfolgreich aktiv werden wollen. Zunächst<br />
müssen die natürlichen Voraussetzungen gegeben sein. Eine Destination, die nicht über ausreichend<br />
Felsen mit hervorragenden Klettermöglichkeiten verfügt, kann die Bedürfnisse von<br />
Klettertouristen nicht erfüllen. Die Naturgebundenheit macht gleichzeitig die lokalen Naturschutzverantwortlichen<br />
zu wichtigen Stakeholdern in diesem <strong>Tourismus</strong>segment, insbesondere<br />
da die meisten Klettergebiete direkt in Naturschutzgebieten liegen. Dass Kletterverbände<br />
und Vereine wichtige Stakeholder darstellen, ist ebenfalls eine Besonderheit, die DMOs in<br />
ihrer Strategie berücksichtigen müssen. Dies liegt am hohen Organisationsgrad der Kletterer<br />
und an der starken Rolle der Organisationen als Anbieter verschiedener klettertouristischer<br />
Dienstleistungen, hat aber auch Effizienzgründe. So gibt es in einigen Klettergebieten mit den<br />
Kletterverbänden Kooperationen bezüglich der Ausweisung und Instandhaltung von Kletterrouten.<br />
Die beschriebene Notwendigkeit für DMOs, eine eigene Strategie für den Klettertourismus zu<br />
entwickeln, und spezielle Angebote, Infrastruktur und Informationen bereitzustellen, gilt auch<br />
121
für andere Segmente des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>, sei es nun eine andere Form des Sporttourismus<br />
oder beispielsweise Kulturtourismus. Dies bindet Managementkapazitäten und<br />
finanzielle Mittel und erfordert deshalb eine Spezialisierung von DMOs auf wenige Segmente.<br />
Hierbei ist es sinnvoll, nach Synergien mit anderen Segmenten zu suchen, die ähnliche<br />
Motivationen verfolgen und idealer Weise auch eine gemeinsame Infrastruktur nutzen, ohne<br />
sich gegenseitig zu stören. 426 Für den Klettertourismus bieten sich hierfür insbesondere andere<br />
Abenteuer- und Outdoorsporttourismussegmente an. Betrachtet man die großen Unterschiede<br />
in den Motivationen zwischen den einzelnen Segmenten <strong>im</strong> Klettertourismus, kann es<br />
sinnvoller für Destinationen sein, ähnliche Segmente aus verschiedenen Teilbereichen des<br />
<strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> gemeinsam anzusprechen, als der Versuch, alle Klettertourismussegmente<br />
gleichzeitig zufriedenstellen zu wollen. So stehen sich abenteuerorientierte Rafter<br />
und Abenteuerkletterer unter Umständen in ihren Motivationen und Anforderungen, abgesehen<br />
von den sportartbezogenen, näher als Abenteuerkletterer und die Sport- und Freizeittouristen<br />
unter den Kletterern.<br />
Entscheidend für den Erfolg <strong>im</strong> Klettertourismus ist, trotz dem ausgeprägten Markenwechselverhalten,<br />
eine hohe Urlaubszufriedenheit zu erreichen. Eine Basis für die Ableitung konkreter<br />
Kundenzufriedenheitsmaßnahmen können die erhobenen Motivationen sein. Die Abfrage<br />
der Zust<strong>im</strong>mung zu den Motivationsaussagen hat gezeigt, dass einige Motivationen für<br />
fast alle Klettertouristen von Bedeutung waren, während andere nur für einen Teil der Probanden<br />
subjektiv wichtig waren. Im Falle der letzteren Motivationen hat es sich <strong>im</strong> Zuge der<br />
Clusteranalysen als sinnvoll erwiesen, vier Kundensegmente zu unterscheiden, wobei die<br />
tschechischen Klettertouristen ein eigenes, fünftes Segment bilden. DMOs können auf der<br />
Basis der dargestellten Unterschiede in den Prioritäten und Eigenschaften dieser Segmente<br />
einen Vergleich mit den vorhandenen Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten der eigenen<br />
Destination erstellen und sind so besser in der Lage zu entscheiden, welche Klettertouristensegmente<br />
als Zielgruppe für die Destination am attraktivsten sind. Touristisch noch wenig<br />
entwickelte Destinationen können beispielsweise mit relativ geringen Investitionen die loyalen<br />
Szenekletterer anlocken, welche die damit verbundene Ruhe und Abgeschiedenheit schätzen<br />
und relativ geringen Wert auf alternative Freizeitangebote sowie allgemeine touristische<br />
Infrastruktur legen. Um die von den loyalen Szenekletterern geforderte gute klettertouristische<br />
Infrastruktur zu erreichen, kann die Kooperation mit den oben genannten Klettererorganisationen<br />
und Naturschutzverwaltungen gesucht werden. Zusätzlich muss die Destination<br />
bereits ein Treffpunkt der Kletterszene sein oder sich als solcher etablieren. Dies kann beispielsweise<br />
durch spezialisierte Treffpunkte und Unterkünfte sowie Public Relation Arbeit<br />
mit spezialisierten Medien, Internetangeboten oder speziellen Events vorangetrieben werden.<br />
Eine hohe Urlaubszufriedenheit ist ebenfalls notwendig, um einen möglichst hohen Anteil an<br />
markentreuen Kunden zu halten, um von positiven Weiterempfehlungen zu profitieren und<br />
426 Siehe z.B. die Konflikte zwischen Wanderern und Mountainbikern.<br />
122
um die große Mehrheit der Markenwechsler zumindest mittelfristig wieder als Gäste zu gewinnen.<br />
Im Hinblick auf den hohen Anteil von Markenwechslern unter den Klettertouristen<br />
und der Vermutung, dass deren Markenwechsel neben Variety-Seeking Behavior auch durch<br />
Repertoire Buying verursacht werden, lässt eine Änderung der Definition der Markentreue<br />
hin zu einer kaufanteilsbasierten Definition sinnvoll erscheinen. Klettertouristen vollständig<br />
an die eigene Destination zu binden, erscheint in den meisten Fällen <strong>im</strong> Lichte der empirischen<br />
Ergebnisse ein unerreichbares Ziel. Das Vorhaben, einen möglichst hohen Anteil an<br />
den Urlauben der einzelnen Kletterer auf sich zu ziehen, ersetzt dann das hier unrealistische<br />
Ziel der exklusiven Bindung.<br />
Unabhängig davon, ob die häufigen Markenwechsel der Klettertouristen von Variety-Seeking<br />
Behavior oder Repertoire Buying verursacht werden, müssen Destinationen Lösungsstrategien<br />
entwickeln, um den vorhandenen Kundenverlust auszugleichen. Der Aufbau einer Destinationsdachmarke,<br />
um die Variety-Seeker auf dieser Ebene zu binden, wurde als Lösungsstrategie<br />
in dieser Arbeit untersucht. Aus theoretischer Sicht ließen sich vier Erfolgsvoraussetzungen<br />
herausstellen. Dies waren ein eigenständiger USP jeder beteiligten Destinationsmarke,<br />
ein abwechslungsreiches Markenportfolio, das von der Dachmarke zusammengefasst<br />
wird, Qualitätssicherungsmaßnahmen, die eine „Best-of“-Dachmarke begründen und aktive<br />
Kundenlenkung innerhalb des Markenverbundes. Aus Sicht von DMOs ergibt sich hieraus<br />
die Notwendigkeit, zunächst die eigene Destination in die Lage zu versetzen, vor allem das<br />
erste Kriterium einer eigenen USP zu erfüllen und sich dann mit Partnern zusammenzuschließen,<br />
mit denen gemeinsam die weiteren Erfolgskriterien erfüllt werden können. Die<br />
geographische Nähe kann dann nicht das entscheidende Kriterium sein, welche Destinationen<br />
als Partner für den Aufbau einer Destinationsdachmarke gewählt werden. Vielmehr müssen<br />
die anderen Submarken Variety-Seekern Alternativen bieten, die ihnen einen Wechsel zu<br />
einer Destinationsmarke außerhalb des Markenportfolios der Dachmarke unnötig und unattraktiv<br />
erscheinen lassen. Aus Sicht des Repertoire Buying ist es sinnvoll herauszustellen, dass<br />
die Dachmarke in der Lage ist, das vollständige gesuchte Repertoire abzudecken und zu zeigen,<br />
welche Elemente des Repertoires die jeweilige beteiligte Destinationsmarke beiträgt.<br />
Hierzu sollten auch die berühmtesten und spektakulärsten Kletterrouten jeder Destination<br />
herausgestellt werden, sowie die Kletterfähigkeiten, die sich auf Grund der Beschaffenheit<br />
des jeweiligen Klettergebietes dort besonders gut erproben lassen.<br />
Die Analyse der Motivationen bietet auch Ansatzpunkte für die Positionierungsstrategie einer<br />
Dachmarke. So zeigte sich, dass sich die große Mehrheit der Befragten bei einigen Aspekten,<br />
wie einer großen Auswahl an geeigneten Kletterrouten, deren Absicherung und dem Informationsangebot,<br />
einheitliche Standards wünschten, die für eine einheitliche Positionierung und<br />
gemeinsame Qualitätsstandards aller Submarken bezüglich dieser Aspekte sprechen. In anderen<br />
Bereichen, wie der Landschaft oder der regionsspezifischen Gastronomie, wünschte sich<br />
die große Mehrheit der Probanden gezielt Abwechslung, sodass sich die einzelnen <strong>Destinationsmarken</strong><br />
in dieser Hinsicht abgrenzen sollten. Für viele andere Aspekte, für welche die<br />
123
Meinung der befragten Klettertouristen heterogener war, ist jedoch eine segmentspezifische<br />
Betrachtung sinnvoller. Falls mit der Dachmarke eher die rein sportorientierten Klettertouristen<br />
angesprochen werden sollen, müsste in der Positionierung besonderer Wert auf die Qualität<br />
und Vielfalt der Klettermöglichkeiten gelegt werden. Im Falle einer Wahl der ebenfalls<br />
urlaubsorientierten Segmente als Zielgruppen muss auch die Qualität und Vielfalt der Angebote<br />
neben dem Klettern, die unter der Dachmarke zusammengefasst sind, kommuniziert<br />
werden. Hierfür ist dann zwar erheblich mehr touristische Infrastruktur notwendig, andererseits<br />
ergeben sich auch erweiterte Cross-Selling Möglichkeiten.<br />
Die explorative Untersuchung, welche konkreten Benefits oder Nutzen eine Dachmarke bieten<br />
sollte, um von den Klettertouristen akzeptiert zu werden, hat gezeigt, dass die Klettertouristen<br />
mehrheitlich eine Destinationsdachmarke begrüßen würden, soweit sie für sich selbst<br />
einen konkreten Nutzen in der zu schaffenden Dachmarke sehen. Für vier von fünf Klettertouristensegmente<br />
hatte die Bereitstellung einer gemeinsamen Informationsseite zu den Klettergebieten<br />
<strong>im</strong> Internet die größte Wirkung auf die generelle Akzeptanz einer Dachmarke.<br />
Auch diejenigen Kletterer, die besonders ein Klettererfestival in wechselnden Destinationen<br />
begrüßen würden, waren über alle Segmente hinweg besonders offen für eine Destinationsdachmarke.<br />
Mit welchen weiteren Angeboten die Dachmarken verknüpft werden sollten, ist<br />
zwischen den verschiedenen Klettertouristengruppen unterschiedlich und hängt somit davon<br />
ab, welche Segmente durch die Dachmarke angesprochen werden sollen. Zusätzlich bietet<br />
eine Destinationsdachmarke, welche die oben zitierten Erfolgskriterien erfüllt, den Touristen<br />
eine Reduzierung ihrer Suchkosten durch die Zusammenfassung der besten Alternativen und<br />
eine Reduzierung der aus Qualitätsunsicherheit entstehenden Verhaltensunsicherheit be<strong>im</strong><br />
Markenwechsel, soweit er innerhalb des Portfolios der Dachmarke stattfindet. Gleichzeitig<br />
werden so Barrieren für einen Wechsel zu Marken außerhalb des Dachmarkenportfolios geschaffen.<br />
Durch ein überlegenes Informationsangebot, zum Beispiel durch ein gemeinsames<br />
Internetportal, kann dies zusätzlich unterstützt werden. Betrachtet man die Ergebnisse zur<br />
Akzeptanz einer Dachmarke, kristallisiert sich das Internet als entscheidendes Medium zur<br />
Umsetzung heraus. Dies deckt sich mit der wichtigen Stellung des Internets als Informationsquelle<br />
für Klettertouristen nach der persönlichen Weiterempfehlung. In das Internetangebot<br />
integrierte Online-Communities können auch eine Plattform zur Generierung positiver Weiterempfehlungen<br />
sein. Auch die Notwendigkeit für die finanziell oft eingeschränkten Destinationen,<br />
den Aufbau einer Destinationsdachmarke möglichst kostengünstig umzusetzen,<br />
spricht für das Internet. Hier existieren zu jedem der untersuchten Gebiete auch bereits spezialisierte<br />
Internetinformationsangebote, mit denen eine Kooperation zur Kostenersparnis sinnvoll<br />
wäre. DMOs verfügen zudem häufig nicht über das spezielle Fachwissen, das für ein<br />
effektives Markenmanagement für ein <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>segment wie den Klettertourismus<br />
notwendig ist. Auch dieses benötigte Fachwissens könnte über Kooperationen mit<br />
spezialisierten Anbietern leichter erworben werden. Insgesamt bieten die untersuchten Benefits<br />
bereits gute Ansatzpunkte für die Umsetzung einer Destinationsdachmarke <strong>im</strong> Klettertou-<br />
124
ismus. Es sollten jedoch weitere Marktforschungsstudien durchgeführt werden, um die gefundenen<br />
Erkenntnisse zu festigen und zu erweitern.<br />
125
7. Fazit<br />
Die vorliegende Arbeit behandelte das Management von <strong>Destinationsmarken</strong> aus Kundensicht<br />
<strong>im</strong> <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>. Ziel der Arbeit war es, einen Beitrag zur Forschungsfrage<br />
zu leisten:<br />
Wie kann das Markenmanagement einen Beitrag zur Lösung des Problems der geringen<br />
Kundenbindung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> leisten, wenn dieses durch Variety-Seeking Behavior verursacht<br />
wird?<br />
Dies wurde am Beispiel des Klettertourismus theoretisch und empirisch untersucht. Die Arbeit<br />
gliederte sich in einen theoretischen Teil, in dem Klettertourismus zunächst in den Kontext<br />
der <strong>Tourismus</strong>wissenschaft und Markenführung eingebettet wurde und in dem die bereits<br />
existierenden Erkenntnisse zum Klettertourismus dargestellt wurden, sowie einen empirischen<br />
Teil, der die relevanten Ergebnisse eigener empirischer Untersuchungen darstellte.<br />
Das zweite Kapitel der Arbeit zu ihren theoretischen Grundlagen verdeutlichte vor allem,<br />
warum und unter welchen Umständen kooperative Dachmarken eine Lösungsstrategie darstellen<br />
können. Das „warum“ ist in der Relevanz des Variety-Seeking Behaviors <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong><br />
und der Unfähigkeit einzelner Destinationen, darauf zu reagieren, begründet. Dies gilt<br />
insbesondere, wenn sich das Variety-Seeking Behavior auf die gesamte Destination oder zumindest<br />
Eigenschaften der Destination insgesamt bezieht. Mit „unter welche Umständen“ ist<br />
gemeint, dass eine kooperative Dachmarke von Destinationen nur als Lösung Erfolg versprechend<br />
ist, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:<br />
1. Eigenständiger USP jeder beteiligten Destinationsmarke aus Kundensicht<br />
2. Abwechslungsreiches Markenportfolio<br />
3. „Best-of“-Dachmarke<br />
4. Kundenlenkung innerhalb des Markenverbundes.<br />
Auf der Basis der Analyse von verfügbaren Sekundärquellen standen drei zentrale Fragestellungen<br />
<strong>im</strong> Mittelpunkt der empirischen Analysen:<br />
1. Welche <strong>im</strong> Klettersport begründeten Besonderheiten sind bei der Markenbildung von<br />
Destinationen für Klettertouristen relevant?<br />
2. Welche Motivationen sind aus der Sicht der Klettertouristen für ihre Wahl ihrer Destinationsmarke<br />
relevant?<br />
3. Durch welche Inhalte kann die Bildung einer Dachmarke mit anderen Destinationen<br />
eine von den Kunden akzeptierte Reaktion auf die Besonderheiten <strong>im</strong> Klettertourismus<br />
darstellen?<br />
Die folgende Zusammenfassung integriert die Erkenntnisse zu den zentralen Fragestellungen<br />
aus den theoretischen bzw. sekundären ebenso wie den empirischen Analysen.<br />
126
Als Ergebnis der Analysen zur ersten Fragestellung ist festzuhalten, dass die in der Literatur<br />
beschriebenen Besonderheiten von Klettersportlern sich auch als Besonderheiten in den Motivationen<br />
und <strong>im</strong> Urlaubsverhalten als Klettertouristen auswirken und insofern auch Relevanz<br />
für die Markenbildung der Destinationen besitzen. Es handelt sich um eine überwiegend<br />
junge, männliche und hoch gebildete Kundengruppe, die sehr häufige, aber kurze Urlaubsreisen<br />
zur Ausübung ihres Sports untern<strong>im</strong>mt und <strong>im</strong> Vergleich zu anderen <strong>Tourismus</strong>segmenten<br />
deutlich häufiger eine Unterkunft in der Parahotellerie wählt. Wie dies von einem <strong>Special</strong><br />
<strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>segment zu erwarten ist, stand die Klettersportausübung <strong>im</strong> Zentrum der<br />
Urlaubsaktivitäten, es werden aber dennoch auch andere Sport- und Freizeitaktivitäten neben<br />
dem Klettern ausgeübt, sodass Cross-Selling Möglichkeiten für andere touristische<br />
Dienstleister bestehen. Die verbreitet festgestellte geringe wirtschaftliche Attraktivität des<br />
Klettertourismus kann durch eine spezialisierte Strategie überwunden werden, wie der Vergleich<br />
der Untersuchungsgebiete gezeigt hat. Gerade für Destinationen in Mittelgebirgsregionen,<br />
die über hervorragende Klettermöglichkeiten verfügen, sind Klettertouristen auf Grund<br />
der spezifischen Probleme von Mittelgebirgsdestinationen eine hochinteressante Zielgruppe.<br />
Eine weitere zentrale Besonderheit ist auch das Informationsverhalten der Klettertouristen,<br />
das von persönlichen Weiterempfehlungen dominiert wird. Ein Grund für diese Besonderheit<br />
ist in der kommunikativen Subkultur der Kletterer zu sehen. Zu beachten ist auch der hohe<br />
Organisationsgrad der Kletterer, der sich in einer starken Stellung der Klettererverbände <strong>im</strong><br />
Markt für Klettertourismus auswirkt.<br />
Bezüglich der zweiten zentralen Fragestellung nach den Motivationen der Klettertouristen<br />
konnten ebenso die auf Basis der Literatur getroffenen Annahmen weitgehend empirisch bestätigt<br />
werden. Für die befragten Klettertouristen waren sowohl klettersportliche Motivationen<br />
als auch allgemeine Urlaubsmotivationen für ihre Destinationswahl relevant. Insgesamt wurden<br />
24 verschiedene Motivationen berücksichtigt, die sich zu acht Motivationsd<strong>im</strong>ensionen<br />
zusammenfassen ließen. Das in psychologischen Untersuchungen von Kletterern verbreitet<br />
festgestellte Sensation-Seeking und die Suche der Kletterer nach neuen Herausforderungen<br />
und Erfahrungen schlug sich ebenso wie in den zitierten Untersuchungen zum Abenteuertourismus<br />
in den Motivationen der Probanden nieder. Dies zeigte sich in der Suche nach Abwechslung<br />
und außergewöhnlichen Erlebnissen sowohl bezüglich des Kletterns während des<br />
Urlaubs als auch bezüglich allgemeiner Urlaubsaspekte und der sonstigen Sport- und Freizeitaktivitäten.<br />
Die Prioritätensetzung bezüglich der Motivationen war jedoch so heterogen,<br />
dass es sich als vorteilhaft erwies, die Klettertouristen in vier deutlich homogenere Segmente<br />
zu .unterteilen. Zusätzlich waren die interkulturellen Unterschiede zwischen den tschechischen<br />
Kletterern und den weiteren Befragten so deutlich, dass die tschechischen Kletterer<br />
bezüglich ihrer Motivationen ein separates Segment bildeten. Die Diskussion der Management<strong>im</strong>plikationen<br />
der gefundenen Ergebnisse hat gezeigt, dass die dargestellten Motivationsanalysen<br />
eine gute Basis für die Angebotsgestaltung von Destinationen bilden, die <strong>im</strong><br />
Klettertourismus erfolgreich sein wollen.<br />
127
Der Wunsch nach Abwechslung, der sich in den Motivationen der befragten Klettertouristen<br />
widerspiegelte, wirkte sich auch in einem intensiven Markenwechselverhalten aus. Trotz hoher<br />
Zufriedenheit mit dem aktuellen Urlaub plante nur eine kleine Minderheit der Klettertouristen<br />
in den Untersuchungen für den nächsten Kletterurlaub zurückzukehren. Mittelfristig<br />
bot sich ein völlig anderes Bild. Die große Mehrheit der Befragten plante, innerhalb von drei<br />
Jahren in das jeweilige Untersuchungsgebiet zurückzukehren. Der Grund hierfür ist jedoch<br />
weniger in einem geringen Abwechslungsbedürfnis als in der geringen Anzahl von attraktiven<br />
Destinationen zu sehen. Die <strong>im</strong> Vergleich zum deutschen Durchschnitt extrem hohe Urlaubsfrequenz<br />
der Kletterer bei gleichzeitig geringer Anzahl akzeptabler Alternativen erzwingt<br />
teilweise eine Rückkehr in dieselben Destinationen. Dass dies für die eigene Destination<br />
möglichst bald und möglichst häufig der Fall ist, muss das vorrangige Ziel von DMOs<br />
sein.<br />
Ein weiterer denkbarer Erklärungsansatz für das spezifische Abwechslungsverhalten der<br />
Klettertouristen könnte das Repertoire Buying sein. Es ist plausibel, dass Klettertouristen<br />
zwischen <strong>Destinationsmarken</strong> wechseln, um bekannte Kletterrouten „abzuhaken“ oder sich<br />
ein Set von verschiedenen Klettererlebnissen und Herausforderungen zusammenzustellen,<br />
das ihnen ermöglicht, ihre Fähigkeiten und Erfahrungen zu vervollständigen. In den erhobenen<br />
Daten konnten einige Indizien für die Relevanz des Repertoire Buyings gefunden werden.<br />
Für einen verlässlichen empirischen Nachweis ist jedoch weitere Forschungsarbeit notwendig.<br />
Um der dritten Fragestellung Rechnung zu tragen, war die Möglichkeit, durch den Aufbau<br />
einer Destinationsdachmarke auf das intensive Markenwechselverhalten der Klettertouristen<br />
zu reagieren, ein zentrales Thema der Arbeit. Auf der Basis theoretischer Überlegungen wurden<br />
ein eigenständiger USP jeder beteiligten Destinationsmarke, ein abwechslungsreiches<br />
Markenportfolio, das von der Dachmarke zusammengefasst wird, Qualitätssicherungsmaßnahmen,<br />
die eine „Best-of“-Dachmarke begründen und aktive Kundenlenkung innerhalb des<br />
Markenverbundes als Erfolgsvoraussetzungen herausgestellt. Können diese Voraussetzungen<br />
durch die neu geschaffene Destinationsdachmarke erfüllt werden, so erscheint diese als eine<br />
Erfolg versprechende Strategie, um die negativen Auswirkungen des Markenwechselverhaltens<br />
zu kompensieren. Die explorative Analyse einiger ausgewählter Benefits, die eine Destinationsdachmarke<br />
den Klettertouristen bieten könnte, hat gezeigt, dass die Klettertouristen<br />
eine Destinationsdachmarke überwiegend akzeptieren würden, wenn sie einen konkreten subjektiven<br />
Nutzen von dieser erwarten. Segment übergreifend waren für die Akzeptanz einer<br />
Destinationsdachmarke eine gemeinsame Informationsseite zu den Klettergebieten <strong>im</strong> Internet<br />
und ein Klettererfestival in wechselnden Destinationen von Bedeutung. Die Bedeutung<br />
weiterer Inhalte variierte wie <strong>im</strong> Falle der Motivationen je nach betrachtetem Klettertouristensegment.<br />
Die Ergebnisse dieser Arbeit sind auch über den Klettertourismus hinaus für andere Segmente<br />
des <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> relevant. So ist die Erkenntnis übertragbar, dass für eine<br />
128
erfolgreiche Bearbeitung eines <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>segmentes zunächst ein tieferes<br />
Verständnis der Besonderheiten der Touristen und der daraus resultierenden Bedürfnisse erforderlich<br />
ist. In einem zweiten Schritt sollte dann nach Synergien der Bearbeitung zusammen<br />
mit kompatiblen Segmenten gesucht werden. Da zu erwarten ist, dass sowohl das Variety-Seeking<br />
Behavior als auch das Repertoire Buying ebenso in anderen Bereichen des <strong>Special</strong><br />
<strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong> relevant ist, sollte die Umsetzbarkeit einer spezialisierten Destinationsdachmarke<br />
als Lösungsstrategie auch für andere <strong>Special</strong> <strong>Interest</strong> <strong>Tourismus</strong>segmente geprüft<br />
werden.<br />
Die Wirksamkeit von kooperativen Dachmarken als Reaktion auf Variety-Seeking Behavior<br />
erscheint in weiteren Anwendungsbereichen auf der Basis der vorliegenden theoretischen und<br />
empirischen Analysen plausibel, muss jedoch für weitere Beispiele auch aus anderen Branchen<br />
überprüft werden.<br />
129
Anhang<br />
A Fragebogen qualitative Studie<br />
Prof. Dr. Herbert Woratschek<br />
Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement - BWL VIII<br />
Telefon: 0921/55-3497<br />
Telefax: 0921/55-3496<br />
E-Mail: bwl8@uni-bayreuth.de<br />
Begrüßung<br />
Grüß Gott, darf ich fragen, ob Sie in der Fränkischen Schweiz Urlaub machen?<br />
Sind Sie hier zum Klettern?<br />
Wenn ja:<br />
Mein Name ist .......................................<br />
Ich komme von der Universität Bayreuth. Wir führen in Zusammenarbeit mit<br />
dem Gebietsausschuss der Fränkischen Schweiz eine Untersuchung zum Klettertourismus<br />
durch. Dürfte ich Ihnen hierzu einige Fragen stellen? Die Ergebnisse<br />
dienen dazu, die Fränkische Schweiz für Sie als Kletterer noch attraktiver<br />
zu machen.<br />
131
1. Woher kommen Sie?<br />
2. Wieso sind Sie gerade in die Fränkische Schweiz zum Klettern gekommen?<br />
3. Wie haben Sie sich vor Ihrem Urlaub über die Fränkische Schweiz informiert?<br />
4. Für wie viele Übernachtungen sind Sie in der Fränkischen Schweiz?<br />
_____________________<br />
5. Mit wem machen Sie Urlaub hier?<br />
132
6. In welchen Klettergebieten waren Sie bereits?<br />
7. Wie oft <strong>im</strong> Jahr fahren Sie zum Klettern in den Urlaub?<br />
8. Was reizt Sie daran, in neue Klettergebiete zu fahren?<br />
9. Was muss ein Klettergebiet mindestens bieten, damit Sie dorthin fahren?<br />
133
10. Was macht für Sie ein Klettergebiet besonders attraktiv?<br />
11. Bitte beschreiben Sie Ihr Lieblingsklettergebiet.<br />
Gebiet:<br />
12. Bitte vergleichen Sie Ihr Lieblingsklettergebiet mit der Fränkischen<br />
Schweiz? (Wenn bereits Fränkische Schweiz, dann eines nach Wahl)<br />
13. Was machen Sie außer Klettern noch in Ihrem Urlaub hier?<br />
134
B Fragebogen (Beispiel Arco) quantitative Studie<br />
Prof. Dr. Herbert Woratschek<br />
Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement - BWL VIII<br />
Telefon: 0921/55-3497<br />
Telefax: 0921/55-3496<br />
E-Mail: bwl8@uni-bayreuth.de<br />
Begrüßung:<br />
Grüß Gott, darf ich fragen, ob Du in Arco Urlaub machst?<br />
Bist Du hier zum Klettern?<br />
Wenn ja:<br />
Mein Name ist .......................................<br />
Ich komme von der Universität Bayreuth. Wir führen in Zusammenarbeit mit Trentino<br />
S.p.A. eine Untersuchung zum Klettertourismus in Arco durch. Dürfte ich Dir hierzu<br />
einige Fragen stellen? Die Ergebnisse dienen zu Forschungszwecken. Sie werden in<br />
mehrere Diplomarbeiten und eine Doktorarbeit einfließen und zum Teil veröffentlicht.<br />
Die Ergebnisse können auch dazu führen, dass Arco für Dich als Kletterer noch attraktiver<br />
wird.<br />
135
136
137
138
139
140
141
Literatur<br />
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