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EVANGELISCH in BIEBRICH

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Liebe Leser<strong>in</strong>nen und Leser!<br />

Auf me<strong>in</strong>em Schreibtisch liegt immer e<strong>in</strong>e<br />

Liste mit allem, was ich erledigen muss. In<br />

der Regel ist sie ziemlich voll. Manchmal<br />

habe ich die Sorge, das alles gar nicht<br />

schaffen zu können.<br />

Natürlich habe ich e<strong>in</strong>e Strategie entwickelt, wie ich mit<br />

der‚To-do-Liste' umgehe: Wenn ke<strong>in</strong>e Trauungen oder<br />

besonderen Gottesdienste anliegen, erledige ich<br />

samstags zum Beispiel gerne Aufgaben, die handwerklich-manueller<br />

Natur s<strong>in</strong>d: Die Hecke am Geme<strong>in</strong>dehaus<br />

schneiden, Bastelentwürfe für den Religionsunterricht<br />

ausprobieren, Fahrrad reparieren – eben alles, was<br />

sich ohne langes Nachdenken erledigen lässt.<br />

Das geistliche Wort<br />

e<strong>in</strong> paar Tage Zeit, das Aufräumen me<strong>in</strong>es Arbeitszimmers<br />

ist auch nicht so eilig, solange ich noch f<strong>in</strong>de, was<br />

ich suche. Aber der Besuch im Krankenhaus, der rutscht<br />

ganz oben h<strong>in</strong>, der muss se<strong>in</strong>. Und natürlich der K<strong>in</strong>dergeburtstag<br />

der jüngsten Tochter. Und für die Predigt am<br />

kommenden Sonntag will ich mir auch genug Zeit<br />

nehmen.<br />

So trennt sich vor der Frage Jesu wie von selbst, was für<br />

me<strong>in</strong>e Seele wichtig ist, von dem, was eher weniger<br />

Bedeutung hat und sich nur auf me<strong>in</strong>er Liste so wichtig<br />

ausnimmt. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die<br />

ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an<br />

se<strong>in</strong>er Seele?<br />

An Predigten arbeite ich gerne freitags, ansonsten<br />

verteilen sich Vorbereitungsaufgaben, Arbeitskreise,<br />

Unterrichtsstunden, Beerdigungen und Besuche auf die<br />

restlichen Wochentage. Behördengänge und Steuerangelegenheiten<br />

lege ich mir dagegen gerne <strong>in</strong> die<br />

Urlaubszeit, weil da mehr Zeit zur Verfügung steht.<br />

Es gibt aber auch solche Aufgaben, die ich wochenlang<br />

vor mir her schiebe, weil sie zeitraubend s<strong>in</strong>d oder ich<br />

nicht so recht weiß, wie ich sie angehen soll. Sie quälen<br />

mich, sobald ich sie auf der Liste sehe.<br />

Bisweilen erlebe ich Zeiten, <strong>in</strong> denen die To-do-Liste<br />

e<strong>in</strong>fach nicht leerer wird. Wenn der Druck wächst, hilft<br />

mir dann e<strong>in</strong>er der genialsten Aussprüche Jesu: „Was<br />

hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt<br />

gewönne und nähme doch Schaden an se<strong>in</strong>er Seele?“<br />

(Matthäus 16, 26). Gerade diese wunderbaren Konjunktive<br />

der Lutherübersetzung schaffen es, dass ich wieder<br />

ruhiger werde. Ich werde nämlich dazu ermutigt,<br />

Prioritäten zu setzen: Der Heckenschnitt kann noch e<strong>in</strong><br />

paar Wochen warten, mit der Traupredigt habe ich noch<br />

Nicht selten leben wir ja <strong>in</strong> der Überzeugung, alles h<strong>in</strong>ge<br />

von uns ab. Wir müssten alles tun, wir müssten alles <strong>in</strong><br />

Bewegung halten, wir müssten immer alles bewältigen -<br />

immer voll im E<strong>in</strong>satz, immer perfekt. Doch im Grunde<br />

machen wir uns da etwas vor. Viel menschlicher und<br />

hilfreicher ist die Erkenntnis, die ich aus dem Wort Jesu<br />

ableite: Ich muss eben NICHT alles tun, ich muss nicht<br />

alles wissen, ich muss nicht überall dabei se<strong>in</strong>.<br />

Diese Erkenntnis ist befreiend. Und sie verdient, dass<br />

wir sie uns regelmäßig <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung rufen, gerade<br />

angesichts unserer Aufgabenlisten und Anforderungen.<br />

Weil nun Vorrang haben darf, was von echter Bedeutung<br />

für me<strong>in</strong> Leben und me<strong>in</strong>e Seele ist: Die Begegnung mit<br />

Menschen, das Durchatmen, Luft schöpfen, Raum<br />

f<strong>in</strong>den. Ich muss nicht die ganze Welt gew<strong>in</strong>nen. Es<br />

reicht völlig, wenn ich mich <strong>in</strong> ihr nicht verliere.<br />

Ich wünsche Ihnen e<strong>in</strong>e gesegnete Frühl<strong>in</strong>gszeit mit<br />

vielen Pausen zum Durchatmen.<br />

Herzlichst<br />

Ihr Mart<strong>in</strong> Roggenkämper<br />

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