7. sinnliche urbanität schaffen - Kassel gewinnt
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<strong>7.</strong><br />
<strong>sinnliche</strong> <strong>urbanität</strong><br />
<strong>schaffen</strong><br />
Die <strong>sinnliche</strong> Erfahrung des Stadtraums soll zu einem wichtigen Maßstab der Stadtentwicklung werden. Die Sinneslust<br />
der Fürsten bei der Gestaltung ihrer Schlösser und Parks, aber auch die historischen Erfahrungen von Zerstörung und<br />
Wiederaufbau sollen genutzt werden, um eine „Neue <strong>Kassel</strong>er Baukultur“ entstehen zu lassen.<br />
<strong>Kassel</strong> war in seiner Baukultur über Jahrhunderte als fürstliche Residenzstadt geprägt. Die fast vollständige Zerstörung der<br />
schönen Innenstadt war Anlass für eine Wiederaufbauplanung, die sich von der historischen Stadtstruktur bewusst löste<br />
und besonders in den fünfziger Jahren ein davon unabhängiges Konzept des Wiederaufbaus realisierte, das seine Fortsetzung<br />
in der Planung einer autogerechten Stadt fand. Der Verlust der historischen Altstadt wird von vielen Menschen in<br />
<strong>Kassel</strong> immer noch schmerzlich empfunden. Die Entwicklung einer Identität zur neu gebauten Stadt ist bei vielen Menschen<br />
noch nicht gelungen. Die „Neue <strong>Kassel</strong>er Baukultur“ soll eine Wiedergewinnung der Identität ermöglichen und die Stadt<br />
nicht nur mit den Augen, sondern mit allen Sinnen erlebbar machen. Dies wird in der Aufgabe des Herkules: „Sinnliche<br />
Urbanität <strong>schaffen</strong>“ besonders zum Ausdruck gebracht.<br />
In den Leitlinien, die Grundlage für die kulturelle Stadtentwicklung sind, heißt es:<br />
„Baukultur ist Stadtkultur. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil der Bewerbung <strong>Kassel</strong>s als Kulturhauptstadt Europas. <strong>Kassel</strong><br />
wird zeitgemäß und mit hoher Qualität weitergebaut. Dabei werden die Besonderheiten der Stadtbaugeschichte, der Zerstörung<br />
und des Wiederaufbaus als Stadt der Moderne stärker herausgearbeitet. Die städtebauliche Entwicklung bis zum<br />
Jahre 2010 wird auf wenige Schwerpunkte fokussiert mit besonderem Augenmerk auf die Stadt am Fluss, die Topographie<br />
und den Bezug zur Landschaft.<br />
Hohe Qualitätsansprüche der neuen <strong>Kassel</strong>er Architektur werden auch durch geeignete Verfahren und die Vernetzung von<br />
Liegenschaftspolitik und Stadtbaupolitik verwirklicht. Investoren werden für eine hohe Bauqualität gewonnen, die Bevölkerung<br />
wird motiviert, eigene Beiträge zur städtebaulichen Entwicklung zu leisten.<br />
Stadtraum und kulturelle Angebote werden noch eine höhere Aufenthaltsqualität für alle Menschen bieten. <strong>Kassel</strong> wird hier<br />
neue künstlerische Konzepte für die Bespielung öffentlicher Räume und die Innenstadtbelebung unterstützen“.<br />
Eine Arbeitsgruppe des BDA <strong>Kassel</strong> hat im Austausch mit dem Baudezernat der Stadt ein Konzept zur Verwirklichung der<br />
„Neuen <strong>Kassel</strong>er Baukultur“ erarbeitet. Viele Projekte beschäftigen sich mit der Sinneserfahrung im Stadtraum. Ihre<br />
Umsetzung soll bewirken, dass die <strong>sinnliche</strong> Erfahrung des Stadtraums zu einem wichtigen Maßstab der Stadtentwicklung<br />
wird, dass die Stadt mit allen Sinnen erlebt werden kann.<br />
Die <strong>Kassel</strong>er Residenzgärten, der Bergpark mit Schloss Wilhelmshöhe und die Karlsaue mit Orangerie und Marmorbad sollen<br />
zum Weltkulturerbe ernannt werden.<br />
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<strong>7.</strong>1. baukultur<br />
auf dem weg zur kulturhauptstadt mit architektur<br />
und baukultur<br />
Die Stadt <strong>Kassel</strong>, insbesondere ihre Alt- und Innenstadt, wurde am 23. Oktober 1943 weitgehend zerstört. Das Besondere<br />
an <strong>Kassel</strong> ist, dass hier die Zerstörung durch die Bomben mit der Abrissbirne fortgesetzt wurde. Der Wiederaufbau hat<br />
nahezu alles Historische im Stadtzentrum beseitigt. Und das betrifft nicht nur die Bauten. Es betrifft vor allem den Stadtgrundriss,<br />
von dem sich der Wiederaufbau abgekehrt hat, um der modernen, der autogerechten Stadt im wahrsten Sinne<br />
den Boden zu bereiten. Dabei hat es einen Wettbewerb zur Wiederaufbauplanung gegeben, dessen erster Preis sich der<br />
Geschichte verpflichtet fühlte. Es mag manches für die Abkehr verständlich sein: man wollte den engen Gassen und den<br />
unwürdigen Lebensverhältnissen entkommen. Man wollte den Krieg nicht durch „Heilen“ aus dem Gedächtnis löschen,<br />
sondern durch Brüche die Erinnerung daran wach halten. Aber man hat damit ausgelöscht, dass es auch vor dem Krieg<br />
schon eine Geschichte gab. Einige wenige Namen klingen nach, aber lösen vor Ort nicht ein, was sie versprechen: Altmarkt,<br />
Seidenes Strümpfchen, Ständeplatz.<br />
<strong>Kassel</strong> ist eine Stadt der Umbrüche, sie war Residenzstadt und preußische Provinzhauptstadt, später Industriestadt, dann<br />
der bereits erwähnte schmerzlichste Umbruch, die Zerstörung, die aber – wendet man es positiv – zu einem Aufbruch, dem<br />
radikalen Wiederaufbau führte, der damals jedenfalls auch viel Anerkennung fand. Dieser radikale Aufbruch hat <strong>Kassel</strong> zu<br />
einer Stadt der Moderne gemacht, und sie ist allein dadurch bereits etwas Besonderes, ob nun alles schön ist oder nicht.<br />
Zum Zweiten hat <strong>Kassel</strong> eine weitere Besonderheit, die es seiner topographischen Lage zu verdanken hat und die es zu nutzen<br />
wusste: Die gebaute steinerne Stadt öffnete sich über den Friedrichsplatz in die Weite der Landschaft.<br />
Zum Dritten: Zwar wirkt durch die Zerstörung und den radikalen Wiederaufbau <strong>Kassel</strong> – die Innenstadt – wie aus einem<br />
Guss. Denn 50 Jahre sind im Städtebau so gut wie nichts – vergleicht man sie mit der fast 1000jährigen Geschichte, die<br />
<strong>Kassel</strong> vor der Zerstörung aufzuweisen hat. Nach Zerstörung und Abrissbirne folgte zudem keine gute Zeit, die siebziger<br />
und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts haben fast nirgendwo gute Architektur in nennenswertem Umfang hervorgebracht.<br />
Aber das hat sich geändert – auch in <strong>Kassel</strong>. Und hier hat die Universität mit ihrer Architekten-, Stadtplanerund<br />
Landschaftsplanerausbildung segensreich in die Stadt und die Region hineingewirkt. Viele der heute in <strong>Kassel</strong> erfolgreich<br />
arbeitenden Architekten, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten sind unmittelbare – manche auch mittelbare – Früchte<br />
der Universität, und mit ihnen kam Qualität. <strong>Kassel</strong> kann eine Vorreiterrolle in Sachen „Konversion“ für sich in Anspruch<br />
nehmen. Überall leiden die Städte unter dem demographischen Wandel, Bevölkerungsrückgang, unter zu viel statt zu<br />
wenig Fläche, indem Bahnflächen, Militär- und Industriestandorte brachgefallen sind. Man spricht bereits von der „perforierten“<br />
Stadt. Dieser Entwicklung setzte <strong>Kassel</strong> mit dem Wohngebiet an der Hasenhecke, dem Neubau der Universität auf<br />
dem ehemaligen Henschelgelände, der Umwandlung des Bundeswehrstandortes auf der Marbachshöhe und dem<br />
Wiederaufbau der Unterneustadt bereits beispielhafte städtebauliche Konzepte entgegen.<br />
Der eingeschlagene Weg ist richtig und Vorbild. Es heißt, ihn weiter zu gehen. Zum einen muss die Innenverdichtung weiter<br />
betrieben werden, dabei gilt es nach Konzepten zu suchen, die das städtische Flächenangebot mit Wohnbedürfnissen überein<br />
bringen. Einfamilienhauskonzepte, der Wunsch nach einem Garten müssen in der Stadt erfüllt und nicht durch Erschließung<br />
immer neuer Wohngebiete beantwortet werden.<br />
Zum zweiten gilt es, Potenziale zu nutzen. Wann immer ein neues Projekt ansteht, muss der Weiterbau der Stadt wenn möglich<br />
an die verschütteten Stadtstrukturen anknüpfen. Der alte Stadtgrundriss sollte wie ein Schnittmuster über der Stadt<br />
liegen und wieder sichtbar gemacht werden. Diese Methode erlaubt, die Stadt wie sie ist, als Ausgangsbasis zu akzeptieren<br />
und ihre Brüche zu wahren.<br />
Zum Dritten muss die Besonderheit der Stadt am Fluss und ihre Lage als Terrasse, als Balkon zur Landschaft ausgebaut<br />
werden. <strong>Kassel</strong> hat das große Glück, dass sich an dieser Kante zugleich eine Fülle kultureller Einrichtungen wie an einer Perlenschnur<br />
aufreiht: Museum für Sepulkralkultur, Weinberg, Neue Galerie, Brüder Grimm, Friedrichsplatz mit Fridericianum,<br />
Ottoneum, Theater, documenta-Halle, Brüderkirche usw. Hier gilt es, Möglichkeiten für Eingriffe, Korrekturen, Potenziale<br />
aufzuzeigen und Investitionen dorthin zu lenken. An die bauliche Umsetzung müssen – nicht nur dort, sondern generell,<br />
höchste Ansprüche gestellt werden, damit eine „Neue <strong>Kassel</strong>er Baukultur“ zum Wohle der Stadt verbindlicher Maßstab wird.<br />
Unter dem Arbeitstitel „Panoramaweg und Stadtterrassen“ konzentriert sich eine Gruppe <strong>Kassel</strong>er Architekten des Bundes<br />
Deutscher Architekten (BDA) derzeit auf die Stärkung dieser besonderen Stadtsituation: die Weiterentwicklung des<br />
Auehanges und der Schönen Aussicht vom Weinberg bis zum Walzenwehr zu einem kulturellen und topographisch erlebnisreichen<br />
Panoramaweg. Dabei soll eine Folge von Stadtterrassen entlang des Auehanges entstehen, auf denen die topographischen<br />
Besonderheiten <strong>Kassel</strong>s intensiv wahrgenommen werden können. Das soll durch bauliche, künstlerische und freiraumplanerische<br />
Maßnahmen erreicht werden, daneben sollen die Ideen anderer Bürger einbezogen werden, die im<br />
Kulturhauptstadtbewerbungsprozess engagiert sind.<br />
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Vorläufig sind sechs Orte entlang einer „Perlenschnur“ aufgefädelt:<br />
• Weinberg mit der städtischen Rückverankerung zum Brüder-Grimm-Platz<br />
• Schöne Aussicht mit der städtischen Rückverankerung in die ehemalige Oberneustadt (Hugenottenstadt)<br />
• Friedrichsplatz mit der städtischen Rückverankerung über die Treppenstraße zum Kulturbahnhof<br />
• Rondell, Fundus und Renthof mit der städtischen Rückverankerung über den Marstall zum Entenanger<br />
• Altmarkt mit städtischer Rückverankerung in die Kurt-Schumacher-Straße und den Pferdemarkt<br />
• Karlshospital und Finkenherd mit städtischer Rückverankerung in das Hochschulquartier<br />
Die Quartiere Entenanger und Pferdemarkt werden auf dem Wege zu einer neuen Altstadt gestärkt. Es sollen Ideen entwickelt<br />
werden zum Umbau und Weiterbau der <strong>Kassel</strong>er „Altstadt“, dort soll ein modernes und lebendiges Stadtquartier für<br />
Wohnungen und kleinteiliges Gewerbe herausgebildet werden.<br />
Weitere Informationen und Pläne finden Sie am Ende dieses Bandes.<br />
Initiatoren:<br />
Barbara Ettinger-Brinckmann, Uwe Hoegen, Meinrad Ladleif, Manfred Lenhart,<br />
Hans-Georg Ohlmeier, Reinhard Paulun, Hans-Uwe Schultze,<br />
Arbeitsgruppe Kulturhauptstadt, BDA <strong>Kassel</strong><br />
KAZimKUBA<br />
Das <strong>Kassel</strong>er Architekturzentrum im Kulturbahnhof dient als Ort für gemeinsames Arbeiten und konstruktiv strittige<br />
Diskussion <strong>Kassel</strong>er Architekten. Das KAZimKUBA haben die <strong>Kassel</strong>er BDA-Architekten vor sechs Jahren als gemeinnützigen<br />
Verein gegründet. Hier bieten sie der Öffentlichkeit eine Plattform, sich mit Fragen der gebauten Umwelt<br />
auseinanderzusetzen, ihren Blick zu schärfen, Anforderungen zu formulieren. Das Engagement ist ehrenamtlich –<br />
und auch das ist eine Besonderheit: Hier arbeiten freiberufliche Architekten in ihrer Verantwortung als Bürger zusammen,<br />
um die Stadt voran zu bringen – ganz im Sinne der europäischen Stadt. Wenn das nicht Kultur ist – kulturhauptstadtreif!?<br />
<strong>7.</strong>2. netzwerk kultur<br />
der städtebauliche hauptgedanke für ein netzwerk<br />
kultur ist die eindrückliche und erfahrbare vernetzung<br />
von kulturstandorten in der innenstadt<br />
Die Achsen<br />
• Ständeplatz/Rudolf-Schwander-Straße<br />
• Neue Fahrt/Wolfsschlucht/Mauerstraße<br />
• Königsstraße und ihre Verbindungsstraßen sind eindeutig von den Funktionen Handel und Dienstleistungen geprägt<br />
Demgegenüber sollen ergänzend die Achsen<br />
• Obere und untere Karlsstraße (über den Friedrichsplatz hinweg)<br />
• Schöne Aussicht/Du-Ry-Straße/Promenade bis zum Rondell am Renthof mit ihren Verbindungsstraßen das „Netzwerk<br />
Kultur“ bilden<br />
An dieses Hauptnetzwerk werden einzelne Kulturstandorte in anderen Teilen der erweiterten Innenstadt netzartig angeknüpft,<br />
z.B. Stadtmuseum, Kulturbahnhof, Lutherkirche, Universität, Martinskirche.<br />
Die Karlstraße bildet die sepiafarbene, steinerne, städtische Kulturachse, die Schöne Aussicht in ihrem Verlauf die, blaue',<br />
landschaftsorientierte Achse.<br />
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Netzwerk Kultur<br />
Entscheidend für das erfolgreiche Funktionieren des Netzwerks sind die fußgängerfreundlichen, direkten Verbindungen der<br />
Netzknoten und der Kulturstandorte über die Hauptverkehrsstraße hinweg mittels ampelgeregelter, fußgängerfreundlich<br />
gestalteter Übergänge<br />
• von der Karlskirche zur Hugenottenstraße über die Frankfurter Straße, von der oberen Karlstraße über die Fünffensterstraße<br />
• und möglichst auch von der Friedrichstraße zur neuen Galerie/Brüder-Grimm-Museum<br />
Ein Durchbruch durch den Rathausanbau (vier Fensterachsen, ein bis zwei Geschosse) würde die Wiederherstellung der<br />
historischen Trasse der Karlsstraße durch den Rathaushof möglich machen. Wenn möglich, sollte auch der Teil des Parkdecks<br />
zurückgebaut werden, der sich in den Rathausinnenhof schiebt und auf der alten Karlsstraße steht.<br />
Das Netz ist eine entscheidende stadtbauliche Grundstruktur, die vorhandene und künftige kulturelle Standorte und Einrichtungen<br />
verbindet.<br />
exemplarische aufzählung von ideen und vorschlägen:<br />
1. Zwei Achsen haben ihren Ausgangspunkt am Weinberg. Dort kann neben dem Museum für Sepulkralkultur auf dem<br />
Standort der ehemaligen jüngeren Henschelvilla ein Museumsneubau errichtet werden.<br />
2. In dem verwahrlosten Gebäude Friedrichsstraße 25, der nahezu einzigen klassizistischen Bausubstanz der Oberneustadt,<br />
könnte ein, literarischer Salon' eingerichtet werden, der an die Tradition der Bettina von Arnim und ihres Kreises<br />
anknüpft.<br />
3. Der zugänglich gemachte Rathaus-Innenhof würde zu einem bespielbaren Ort für Konzerte etc. ausgestaltet.<br />
4. Die städtebaulich erwünschte Teilüberbauung des Parkplatzes am Karlsplatz, welche die Fortsetzung der Karlsstraße<br />
berücksichtigt, könnte für eine publikumsanziehende öffentliche kulturelle Nutzung bebaut werden.<br />
5. Der nördliche Teil des Friedrichsplatzes sollte eine Oberfläche erhalten, die eine konfliktfreie Bespielung mit kulturellen<br />
Events, z. B. Zirkusveranstaltungen erlaubt.<br />
6. Zur städtebaulichen Reparatur des Friedrichsplatzes könnte zwischen Fridericianum und Staatstheater am Standort der<br />
ehemaligen Militärschule ein Neubau errichtet werden. Dieser kann z. B. ein, Haus der Wörter“ oder ein, Haus der Universität“<br />
oder ein Kinder- und Jugendtheater oder eine Kombination aus solchen Nutzungen enthalten.<br />
<strong>7.</strong> Auch die Stadtreparatur in den flankierenden Quartiersblöcken an der Oberen Karlsstraße (südlich der Fünffensterstraße)<br />
bietet sich zu kulturergänzender Nutzung an.<br />
8. Der Auehang an der Schönen Aussicht und vor dem Regierungspräsidium wird zu einer landschaftsbezogenen, mit<br />
Kunstwerken bewehrten Kulturpromenade.<br />
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Diese Vorschläge sind als Anregung zu verstehen, nicht als zwingend notwendige Projekte am jeweiligen Standort. Sie<br />
ergänzen den Vorschlag der Arbeitsgruppe des BDA, der vorstehend dargestellt ist. Das Netzwerk muss als konzeptionelle<br />
Festlegung einer flexiblen Struktur begriffen werden, die es nach und nach auszufüllen gilt.<br />
Alle genannten und weiteren denkbaren Projekte erfordern das höchstmögliche gestalterische Niveau. Das gilt für Um- und<br />
Neubauten gleichermaßen. Als Beitrag einer „Neuen <strong>Kassel</strong>er Baukultur“ sind Ideenfindungsverfahren (Wettbewerbe, Gutachterverfahren)<br />
durchzuführen. Hierbei sollten neben den, Profis' in angemessener Weise auch die Studierenden und<br />
Absolventlnnen der <strong>Kassel</strong>er Universität eingebunden werden.<br />
Initiatoren:<br />
Prof. Christian Kopetzki, Prof. Klaus Pfromm, Dieter Hennicken, Michael Volpert, Universität <strong>Kassel</strong><br />
<strong>7.</strong>3. kassel der fünfziger jahre<br />
In wenigen Städten sind die Architektur und der Städtebau der fünfziger Jahre so ausgeprägt wie in <strong>Kassel</strong>. In Abweichung<br />
aber von den Forderungen der klassischen CIAM-Moderne (Funktionstrennung!) hat man beim Wiederaufbau von <strong>Kassel</strong><br />
das Wohnen in der Innenstadt in großem Umfang realisiert. Dieser Baubestand aus den fünfziger Jahren ist bis heute nahezu<br />
vollständig erhalten, jedoch durch Überalterung und Missachtung gefährdet. Es werden Umbauten vorgenommen, die<br />
nicht auf die ursprünglichen Gestaltungsmerkmale und Details Rücksicht nehmen. Die Bewahrung und Wiederbelebung<br />
des Bestandes an Architektur der fünfziger Jahre ist eine für die geschichtliche Identität <strong>Kassel</strong>s wichtige Aufgabe. Der Wert<br />
der Konzeption der fünfziger Jahre liegt auch in der gesundheitsförderlichen Belichtung und Belüftung der Stadtquartiere<br />
und der Wohnungen. Dies sollte man herausstellen und als positiven Beitrag anerkennen, anstatt der untergegangenen<br />
historischen Substanz nachzutrauern und durch “kritische Rekonstruktion” auch noch die Aktivposten des Wiederaufbaus<br />
zu zerstören. Dies gilt umso mehr, als ein Bedarf an weiteren Wohnungen und Büros in der Stadt nicht erkennbar ist und allgemein<br />
die Schrumpfung der Städte durch den Bevölkerungsrückgang bevorsteht. Eine positive Identifizierung mit der<br />
Stadt kann sich auch über das hohe Maß an grünen Freiräumen ergeben. Ein Abriss vorhandener guter Beispiele der fünfziger<br />
Jahre sollte jedenfalls verhindert werden (z. B. Altmarkt Polizeigebäude).<br />
Die Diskussion über die Moderne ist nicht beendet. Das Pro und Contra wird weiter kontrovers diskutiert. Gerade deshalb<br />
erscheint das <strong>Kassel</strong>er Beispiel wichtig, weil hier “in situ” die Diskussion an der konkreten Realität geführt werden kann. Es<br />
fällt dabei auf, dass anders als bei anderen (auch ausländischen) Planungen aus dieser Zeit hier ein Maßstab eingehalten<br />
wurde, der bis heute angemessen geblieben ist. Das heißt aber nicht, dass das hypertrophe Verkehrskonzept jener Zeit<br />
damit entschuldigt wäre.<br />
Vorschlag:<br />
Typische Beispiele aus dieser Zeit sind in ihrer ursprünglichen Form zu sichern bzw. durch geeignete Maßnahmen wieder<br />
aufzuwerten. Insbesondere sollen qualitätvolle und maßstabbildende Bauten nicht nur in Form einer Fassadenerneuerung,<br />
sondern vor allem auch durch eine Nutzungsverbesserung im Inneren auf den Stand des modernen Wohnens gebracht werden.<br />
2010 sollen exemplarische Wohnungs- bzw. andere Nutzungsbeispiele der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.<br />
Dafür sollen nicht nur Fassaden und Grundrisse instand gesetzt, sondern auch ausgewählte Beispiele der Inneneinrichtung<br />
im Stil der fünfziger Jahre realistisch präsentiert werden, wie in dem von der Kulturhauptstadt Rotterdam erstellten<br />
Programm.<br />
Aktionen 2010:<br />
• Besichtigungsprogramm (Wohnungen, Büros, Hotels, Kinos, Kirchen der fünfziger Jahre) für die Besucher der Stadt<br />
• Konferenz: „Wiederaufbau in den fünfziger Jahren“ und „<strong>Kassel</strong> – Stadt im Grünen“ (mit Partnern: Vergleichende<br />
Betrachtung zum fünfziger-Jahre-Siedlungsbau im europäischen Raum, z. B. Tapiola in Finnland u. a.)<br />
Sinnvolle Kooperationen mit bereits vorhandenen Initiativen:<br />
• <strong>Kassel</strong> und seine Identitäten: Dr. Friedhelm Fischer, Prof. Christian Kopetzki, Prof. Ingrid Lübke<br />
• Stadtplanerische Fragen: SRL-Gruppe (Michael Volpert)<br />
• Baukultur: Arbeitsgruppe des BDA<br />
• Inneneinrichtung fünfziger Jahre-Wohnung: Stadtmuseum, Karl-Hermann Wegner<br />
Initiatoren:<br />
Architektursalon-<strong>Kassel</strong>, Dr. Sylvia Stöbe, Michael Krauss<br />
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<strong>Kassel</strong> und seine Identitäten und die Baukultur der fünfziger Jahre werden in zwei Projekten der Universität bei der 6.<br />
Herkules-Aufgabe: Universität und Stadt verflechten dargestellt.<br />
gärten und parks<br />
Die nachfolgenden Projeke beschäftigen sich mit der Garten- und Parklandschaft in <strong>Kassel</strong>.<br />
<strong>7.</strong>4. welterbe residenzgärten<br />
kassels residenzgärten sollen<br />
unesco-weltkulturerbe werden.<br />
Vernichtet wurden <strong>Kassel</strong>s historische Qualitäten bereits zur Genüge. Nicht nur das Inferno der Bombardierungen im II. Weltkrieg<br />
allein mit Zehntausenden von Toten und zerstörten Gebäuden und Kunstwerken, vor allem der vermeintliche Modernisierungsdruck<br />
vernichtet fortschreitend die ererbte Schönheit von Landschaft, Dörfern und Städten oder genauer: was<br />
davon noch übrig ist. Es handelt sich um Qualitäten, die in ihrer originalen Substanz für immer und unwiederbringlich verloren<br />
gehen, nicht nur für uns, sondern auch für unsere Nachkommen. Es ist eine Vernichtung der eigenen Kultur, der europäischen<br />
Kultur, der Weltkultur.<br />
1972 beschloss die unesco die einrichtung des welterbes<br />
»im Hinblick darauf, dass das Kulturerbe und das Naturerbe zunehmend von Zerstörung bedroht sind, nicht nur durch die<br />
herkömmlichen Verfallsursachen, sondern auch durch den Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, der<br />
durch noch verhängnisvollere Formen der Beschädigung oder Zerstörung die Lage verschlimmert«.<br />
Welterbestätten sind „Meisterwerke der menschlichen Schöpferkraft“, „zeigen während einer Zeitspanne in einem Kulturgebiet<br />
der Erde einen bedeutenden Austausch menschlicher Werte in Bezug auf die Entwicklung von Architektur und Landschaftsgestaltung“,<br />
„sind ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis einer kulturellen Tradition“ und<br />
„ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen Ensembles oder Landschaften, die mehrere<br />
Abschnitte der Geschichte versinnbildlichen“.<br />
Die UNESCO fordert Qualitäten im Weltmaßstab, „außergewöhnlichen universellen Wert, Einzigartigkeit und die<br />
Authentizität im Sinne der historischen Echtheit und Unversehrtheit als auch überzeugende Erhaltungsplanungen“.<br />
<strong>Kassel</strong>s Residenzgärten als UNESCO-Weltkulturerbe auszuweisen, bietet nach der Anlage der großen Gärten im 18.<br />
Jahrhundert und dem Bau der sie mit der Kernstadt und ihren großen Plätzen verbindenden Alleen zum zweiten Mal die<br />
Chance zu einer ästhetischen Neudefinition der eigenen Stadt. Gefahren durch Stadtentwicklung, Verkehr, Bebauung,<br />
Lärm, Abgase, Schäden durch Touristen und Besucher soll damit vorgebeugt werden. „Es wird von wesentlicher Bedeutung<br />
sein, die Strategien zur Erhaltung des Erbes in regionale Raumordnungspläne und Stadtentwicklungsprogramme sowie in<br />
Strategien für nachhaltige Entwicklung (sanfter Tourismus eingeschlossen) zu integrieren.“ (UNESCO)<br />
In <strong>Kassel</strong> sind verschiedene Vorhaben in der Diskussion, die die zukünftigen Welterbestätten deutlich betreffen und im<br />
Falle falscher Lösungen außerordentlich gefährden würden, z. B. Multifunktionshalle, Vierter Turm des Augustinums,<br />
Verkehr Auedamm, Mulangstraße, Bergparkstraße, Tulpen- und Rasenallee, Auestadion mit Tribünenüberdachung und Flutlichtanlage,<br />
städtebauliche, architektonische und künstlerische Vorhaben im Zusammenhang mit der Kulturhauptstadt<br />
2010. Die Probleme sind durchaus lösbar im Sinne einer für <strong>Kassel</strong> positiven Entwicklung hin zu einer schöneren Stadt, zu<br />
einer Stadt neuer Garten-, Landschafts- und Baukultur. Die „Bürger für das Welterbe“ wollen durch ihre Mitarbeit in dem<br />
von der Stadt <strong>Kassel</strong> gemeinsam mit dem Land Hessen und dem Landkreis <strong>Kassel</strong> gebildeten Arbeitskreis „Welterbe“ helfen,<br />
diese Chance für die Stadt zu wahren.<br />
Die Bürger, die sich in <strong>Kassel</strong> für die Bewerbung und Anerkennung der <strong>Kassel</strong>er Residenzgärten einsetzen, fühlen sich den<br />
Ansprüchen der UNESCO im Sinne des Dialogs zwischen den Kulturen und der Bewahrung des bedeutenden Erbes der<br />
Menschheit verpflichtet. In diesem Sinne geht es nicht allein um den unbedingten Schutz der hiesigen historischen Gartenkunstwerke<br />
und deren Initialzündung für die zeitgenössische Entwicklung der Gartenkunst. In gleicher Intensität geht es<br />
um den Austausch mit Menschen und Gruppen, die sich für die europäischen und außereuropäischen Gärten engagieren,<br />
die für die Entwicklung der <strong>Kassel</strong>er Gärten so entscheidend waren: Italien, Frankreich, Holland, England, Schweden,<br />
Deutschland und China. Die „Bürger für das Welterbe“ werden versuchen, diese Kontakte aufzubauen und fruchtbar zu<br />
machen.<br />
110
Ausgehend von den europäischen und überseeischen Bezügen der <strong>Kassel</strong>er Gartenkunstwerke wird ein Museum der<br />
Gartenkunst vorgeschlagen. Ideal dafür wäre die Orangerie in der Karlsaue gemeinsam mit der Hessenkampfbahn.<br />
Neue Gärten sollen in <strong>Kassel</strong> durch international bedeutende Künstler entworfen werden. Zum Beispiel ein Moderner<br />
Stadtgarten, KinderGärten, von Kindern und Jugendlichen angelegte und gepflegte Gärten. 2010 könnte das Gründungsjahr<br />
der periodisch stattfindenden <strong>Kassel</strong>er Internationalen Gartenkunstausstellung sein.<br />
Die historischen Gärten in <strong>Kassel</strong> und der Region, teilweise sind sie wenig bekannt, sollen als Gartenreich Nordhessen in<br />
die Präsentation der Welterbegärten mit einbezogen werden: Park Schönfeld mit dem Botanischen Garten, der Henschelgarten<br />
am Weinberg, Park von Gut Windhausen in Niestetal-Heiligenrode, Park von Gut Freienhagen an der Fulda, Schlosspark<br />
Gut Escheberg, Fürstenbad Gesundbrunnen Hofgeismar und Schloß und Park Arolsen. Mit einzubeziehen ist der direkte<br />
Vorläufer des englischen Landschaftsparks in Wilhelmshöhe, der Park in Wilhelmsbad bei Hanau, das Erstlingswerk des<br />
Landgrafen Wilhelm IX.<br />
Von europäischem Rang ist ohne Zweifel das mehrtausendjährige „Waldgeschichtsbuch“ Reinhardswald mit seinen<br />
Eichenhute-Beständen, dem „Urwald“, stein- und bronzezeitlichen Fundstätten, vielfältig erhaltenen historischen Zeugnissen<br />
der Waldnutzung, dem ehemaligen Jagdschloss Sababurg mit Tierpark und Alleen, dazu das Gut Beberbeck u. v. a. mehr.<br />
Hessens ältestes technisches Denkmal, der Messinghof, Herstellungsort des Herkules in <strong>Kassel</strong>s Industriestadtteil<br />
Bettenhausen, ist wiederherzustellen und in die Welterbestätte einzubeziehen.<br />
Weitere wünschenswerte Maßnahmen:<br />
• Wiederherstellung des Neuen Wasserfalls<br />
• Verbindung von Großparkplätzen und Bahnhof Wilhelmshöhe über einen intensiven Shuttledienst mit den Parks, Schlössern<br />
und Museen Karlsaue, Orangerie, innerstädtischen Museumsstandorten und Besucherzentrum hinauf nach Wilhelmshöhe<br />
zu den Alten Meistern, Löwenburg und Herkules und weiter nach Wilhelmsthal<br />
• Verlängerung der Linie 3 als neue Herkulesbahn hinauf zu <strong>Kassel</strong>s Wahrzeichen, verbunden mit einer ästhetischen Neuordnung<br />
des Herkulesumfeldes in einer dem Welterbe gemäßen Form<br />
• Verlängerung der Linie 1 bis zum Schloss (nur unterirdisch) und Bezeichnung als neue MuseumsParkBahn, die Kulturtram<br />
• Rückbau von Park- und Tennisplätzen und anderer Deformationen innerhalb der Parkareale und Rekonstruktion des<br />
Landschaftsparks an ihrer Statt<br />
• Ausweisen neuer absolut ruhiger, hochqualitativer Hotelstandorte<br />
Für die Arbeitsgruppe auf der Open Space-Konferenz: Klaus Beckenbach, Maren Brechmacher-Ihnen, Klaus Lometsch,<br />
Folckert Lücken-Isberner, Hermann Mielke, Hans-Friedrich Werner und die „Bürger für das Welterbe“, Park Wilhelmshöhe,<br />
Karlsaue und Wilhelmsthal e. V., Vorsitzender: Prof. Hardy Fischer<br />
<strong>7.</strong>5. gartenkunst und ihre deutung<br />
natur/kultur – ringvorlesung. symposium und publikation.<br />
forschungsvorhaben zur deutungs- und<br />
wahrnehmungsgeschichte der gartenkunst<br />
Die Gartenkunst als Disziplin der Kunstgeschichte entwickelte ihre Stile durch alle Epochen der europäischen Geschichte.<br />
Seit der Antike entfalteten sich die Gärten zunehmend zu einem Experimentierfeld neuartiger sozialer Beziehungen und<br />
komplexer wahrnehmungsästhetischer Abläufe. In der Ausdifferenzierung der Bedeutungsebenen und Wahrnehmungsformen<br />
der Gärten äußern sich seit Anbeginn der Gartenkunst die politischen, religiösen, sozialen und kulturellen Vorstellungen<br />
einer Epoche.<br />
Die Gartenkunst respektive die Beschäftigung der Kunst mit der Natur im weitesten Sinne wurde in Deutschland aber bisher<br />
nur unzureichend hinsichtlich ihrer kulturspiegelnden bzw. kulturstiftenden Bedeutung hinterfragt. Es fehlt nach wie<br />
vor an wissenschaftlichen Untersuchungen zur Deutungs- und Wahrnehmungsgeschichte – u. a. zur Repräsentations-,<br />
Sozial-, Nutzungs- und Ideengeschichte – des Gartens bzw. des künstlerisch besetzten Naturraumes. Hier ist insbesondere<br />
die Zusammenarbeit der Kunstgeschichte mit den künstlerischen Disziplinen gefordert.<br />
Das Forschungsvorhaben „Gartenkunst und ihre Deutung“ untersucht die sich wandelnden Deutungs- und Wahrnehmungsformen<br />
der Gartenkunst. Zu den Themengebieten zählen u. a. Park-, Garten- und Kuranlagen, einzelne künstlerische<br />
Arbeiten, städtisch-urbanistische Planungen und kulturell genutzte Naturräume aus allen Epochen, die über eine besondere<br />
Wirkungs- und Deutungsgeschichte verfügen.<br />
Gegenstand der Forschung werden die mit der Deutung und Wahrnehmung von Kunst und Natur einhergehenden Be-, Um-,<br />
und Entwertungen sein. Diese gilt es letztlich ins Verhältnis zu setzen zu den ursprünglichen funktionalen und repräsentativen<br />
Absichten der (Garten)Künstler und Auftraggeber.<br />
111
Dabei sind die jeweiligen Entstehungsgeschichten nebst den zeitlichen Umständen, die Auftraggeber, Künstler, Funktionen<br />
und Vorbilder zu berücksichtigen. Das Hauptaugenmerk gilt den wissenschaftlichen, künstlerischen und populären Deutungs-<br />
und Wahrnehmungsmustern. Diese, seien sie national, ideologisch, politisch, religiös, stilgeschichtlich, sozial- oder<br />
mentalitätsgeschichtlich, müssen jeweils in ihren ideengeschichtlichen Kontext eingeordnet werden. Darüber hinaus ist zu<br />
prüfen, wie sich die Deutungs- und Wahrnehmungsmuster im Laufe der Zeit verschränken oder ändern, so dass beispielsweise<br />
bestimmte Muster überlagert werden. Ferner gilt es auch, die Deutungs- und Wahrnehmungsgeschichte für spätere<br />
Umgestaltungen und denkmalpflegerische Maßnahmen im Auge zu behalten.<br />
Eine die Beiträge bündelnde Publikation ist beabsichtigt. Der Band soll sich dabei sowohl an ein wissenschaftliches<br />
Publikum wie an eine größere Leserschaft richten, die an Garten-, Architektur- und Kunstgeschichte interessiert ist.<br />
Das Projekt soll 2004 mit der Recherche und 2005 mit der Ringvorlesung beginnen.<br />
Das Projekt würde erstmals eine übergreifende Untersuchung ermöglichen, die exemplarisch unterschiedliche Facetten<br />
einer Auseinandersetzung von Kunst und Natur zusammenfasst und sie deutungs- und wahrnehmungsgeschichtlich einordnet.<br />
Damit wird einerseits ein kulturhistorisches Kapitel der europäischen Gartenkunst erfasst und andererseits eine<br />
übergreifende wissenschaftliche und künstlerische Diskussion an der Kunsthochschule <strong>Kassel</strong> unterstützt.<br />
Die Verortung eines solchen Forschungsvorhabens in einer Region mit einzigartigen Park- und Gartenanlagen von internationalem<br />
Rang, weltweit bedeutenden künstlerischen Ausstellungen wie der documenta und den derzeit avancierten<br />
Kulturprojekten ist als besonders sinnvoll zu erachten.<br />
Initiatoren:<br />
Prof. Karin Stempel, Dr. Dirk Steimann,<br />
Kunsthochschule <strong>Kassel</strong><br />
<strong>7.</strong>6. gartenkulturpfad<br />
die grünen schätze der stadt erschliessen<br />
Der Reichtum an Grünflächen ist den <strong>Kassel</strong>ern ein eigenes Ritual wert: einmal jährlich im September findet die so genannte<br />
63 Prozent-Wanderung statt. Angeführt vom Oberbürgermeister, wandern Bürger durch <strong>Kassel</strong> und Umgebung, um die<br />
Kunde zu verbreiten: <strong>Kassel</strong> ist eine grüne Stadt!<br />
Wohl kaum eine andere Stadt dieser Größenordnung in Deutschland kann mit zwei (mit dem Park Wilhelmstal drei) bedeutenden<br />
historischen Parkanlagen aufwarten, die als Zeugnis einer bis ins frühe 18. Jahrhundert zurückreichenden fürstlichen<br />
Gartenkultur erhalten sind. Darüber hinaus prägt eine Vielzahl kleinerer Parks und Plätze das Stadtbild, wie auch die<br />
gebaute Stadt selbst sich durch Grünzüge nach allen Himmelsrichtungen mit dem Landschaftsraum verbindet. 43 Dauerkleingartenanlagen<br />
mit zahlreichen Auszeichnungen in Bundes- und Landeswettbewerben zeugen von einer blühenden<br />
gärtnerischen- bzw. Gartenbaukultur, die alle Generationen verbindet. 1955 fand die Bundesgartenschau in <strong>Kassel</strong> statt.<br />
Mit der Bundesgartenschau 1981 entstand das weitläufige Erholungsgebiet der Fuldaaue. 1982 wurde mit dem documenta-<br />
Beitrag „7000 Eichen“ von Joseph Beuys die „Stadtverwaldung“ mit 7000 Stadtbäumen initiiert. Diese Potenziale sollen im<br />
Rahmen der Kulturhauptstadtbewerbung zu einem „Gartenkulturpfad“ entwickelt werden.<br />
Der Pfad führt durch die gartenkulturellen Schätze der Stadt <strong>Kassel</strong> und ihrer Umgebung, wobei Gartenkultur weit<br />
gefächert ist. Stationen sollten sein:<br />
• Historische Garten- und Parkanlagen<br />
• Naherholungsgebiete<br />
• Naturschutzgebiete<br />
• Industriebrachen<br />
• Kleingärten<br />
• Privatgärten<br />
• Innenhöfe<br />
• Friedhöfe<br />
• Kindertagesstätten<br />
• Schulhöfe<br />
Der Gartenkulturpfad wird zur Bühne für Veranstaltungen (Kunst, Kultur, Fortbildung). Er vernetzt Altes mit Neuem und ist<br />
offen für Zukünftiges/Experimentelles. Hier finden die Naturforscher der Goethezeit wie Soemmering und Forster ebenso<br />
Platz wie zeitgenössische Künstler, die mit Pflanzen experimentieren. Eine Kooperation mit den <strong>Kassel</strong>er Museen ist<br />
112
geplant. Der Pfad bietet Raum für die Integration anderer Projekte, die für die Kulturhauptstadt angemeldet wurden (z. B.<br />
Permakultur, Klanginstallationen, Erfahrungsraum der Sinne nach Kükelhaus, Miradouros etc.).<br />
Als Kooperationspartner sind vorgesehen:<br />
• Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten<br />
• Universität <strong>Kassel</strong>, Studienbereich 06<br />
• Stadt- und Kreisverband der Kleingärtner e. V.<br />
• Gesellschaft der Staudenfreunde e. V.<br />
• Kakteenfreunde e. V.<br />
• Freundeskreis Botanischer Garten e. V.<br />
• Hessisches Dienstleistungszentrum für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz<br />
• Forstverwaltung<br />
• Schulen<br />
• Kindertagesstätten<br />
• Berufsverbände<br />
• Naturkundemuseum im Ottoneum<br />
• Staatliche Museen<br />
• Museum für Sepulkralkultur<br />
• etc.<br />
In der Entwicklung des Gartenkulturpfades liegt die Chance, das positive Image von <strong>Kassel</strong> als „grüne Stadt“ zu stärken<br />
und weiterzuentwickeln. Es gilt insbesondere Schätze zu heben, die noch nicht so bekannt sind oder in Vergessenheit<br />
gerieten und gleichzeitig die vielen Akteure in der Stadt, die im weitesten Sinne zur Gartenkultur beitragen, zu vernetzen.<br />
Initiatoren:<br />
Garten- und Umweltamt, Regula-Maria Ohlmeier, Margit See<br />
<strong>7.</strong><strong>7.</strong> kunst-stadt-garten<br />
konversionsflächen werden grün<br />
Ein Projekt des Fachbereichs Architektur, Stadtplanung und Landschaftsplanung der Universität wird besondere Themen<br />
der Garten- und Parkkultur aufgreifen. Industrielle, militärische und Bahn-Konversionflächen sollen als Kunst-Stadt-Garten-Landschaft<br />
entwickelt werden. Historische Industriestandorte, ehemalige Kasernengebiete und Flächen, die durch Veränderungen<br />
des Bahnverkehrs frei werden, bieten besondere Möglichkeiten einer „grünen“ Stadtentwicklung.<br />
Wie kann die Kunst in dieses Projekt integriert werden? Zuallererst durch hervorragende landschaftsarchitektonische<br />
Gestaltung, am besten in Kooperation mit Künstlern (Wettbewerbe). Außerdem durch künstlerische Interventionen im öffentlichen<br />
(Park-)Raum (z. B. wie bei dem Licht-Kunst-Projekt im Bergpark Wilhelmshöhe im Jahre 2002).<br />
akteure<br />
Staatliche Schlösser und Gärten, Stadt <strong>Kassel</strong> (Federführung Gartenamt), Universität <strong>Kassel</strong> (Fachbereich 06 Architektur,<br />
Stadtplanung, Landschaftsplanung) und Kunsthochschule, Berufsverbände, insbes. BDLA Bund Deutscher Landschaftsarchitekten,<br />
aber auch BDA, SRL (jeweils die <strong>Kassel</strong>er Orts-/Regionalgruppen), Große Flächeneigentümer, z. B. DB, Eigentümer<br />
von lndustrie(brachen)standorten in <strong>Kassel</strong>-Bettenhausen, Planungs- und Entwicklungsbeauftragte<br />
Initiator:<br />
Prof. Christian Kopetzki, Universität <strong>Kassel</strong><br />
113
<strong>7.</strong>8. licht(e)wege<br />
Im Sommer 2002 ließen sich 20.000 Besucher von den Lichtinstallationen im Bergpark Wilhelmshöhe zu einem nächtlichen<br />
Spaziergang begeistern. Die Ausstellung LICHT(E)WEGE war für viele ein überraschendes Erlebnis – eine Entdeckungstour<br />
zu imaginärem Licht – Naturerlebnis und Kunstgenuss in einem. LICHT(E)WEGE hat alte Traditionen der „festlichen<br />
Beleuchtung“ von Parkanlagen aufgegriffen und hat dies mit künstlerischem Engagement zeitgemäß interpretiert. Mit<br />
gezielten Eingriffen haben bildende Künstler den visuellen Ablauf beeinflusst und damit Wahrnehmungsvorgänge verändert<br />
und Sehgewohnheiten aufgebrochen. Die zeitgenössischen künstlerischen Arbeiten mit Licht haben auf den heutigen<br />
Kontext aufmerksam gemacht und im historischen Umfeld einen anderen Blick ermöglicht.<br />
Im Jahr 2005 soll LICHT(E)WEGE II stattfinden. Für 2010 ist im Bergpark ein besonderes Kunstereignis mit internationalem<br />
Anspruch geplant.<br />
Initiatoren:<br />
Markus Hutter, Herwig Thol<br />
<strong>7.</strong>9. hinterhöfler machen<br />
gartenkunst<br />
die öffnung von halb privaten räumen<br />
Es gibt Orte, von denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen bleibt, Orte, wo Alltag, Erholung und Geselligkeit der Anwohnenden<br />
Platz finden können, Orte, die in einem sozial-künstlerischen Projekt zugänglich gemacht werden können: Hinterhöfe<br />
sind urbane Spielorte, die für Anwohner einen hohen Stellenwert haben und von der Öffentlichkeit entdeckt werden können.<br />
Die Möglichkeit zur Teilhabe an fremden, privaten Bereichen hat für Besucher einen besonderen Reiz. Andererseits<br />
trifft man bei Hausbewohnern oft auf große Offenheit, sich mit persönlichen (privaten) Leistungen öffentlich präsentieren<br />
zu können. Wer über einen Hinterhof verfügen kann, hat die Möglichkeit, einen Ort zu gestalten, der zusätzlich zu den<br />
geschlossenen Wohnräumen offen ist für vieles.<br />
Die „Hinterhöfler“ sollen in einen kreativen, vitalen Prozess von Gestaltung und Präsentation einbezogen werden. Fotografie<br />
kann als lmpulsmedium dienen; fotografische Dokumentation weckt und begleitet die Bereitschaft, Veränderungen vorzunehmen.<br />
Jeder Hinterhof, in dem Beteiligte für eine Mitwirkung gewonnen werden können, entwickelt eine eigenständige, individuelle<br />
Gestaltung, die sich an Vorgefundenem, Funktionen, Bedürfnissen und Phantasien orientiert. Das Spektrum reicht<br />
vom gut situierten, privaten Innenhof bis zum sozialen Brennpunkt. In der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen<br />
Ambitionen werden die ästhetischen Ansprüche zu klären sein. Typische Innenhöfe und Hinterhöfe aus anderen Ländern<br />
liefern zusätzliche Anregungen. Vorhandene eigene Potenziale können im Projekt unterstützt werden durch Fachleute und<br />
Künstler. Unterschiedliche Gestaltungsmedien wie Anpflanzungen, Wasser, Licht, Mosaik, Graffito, Musik, Geräusche,<br />
Wind, Architektur, Farbe, Holzbau, Draht und Metall, Glas und Spiegel, Recycling, Bildhauerei und soziale Arbeit gehen im<br />
Gartenkunstprozess eigenwillige und spektakuläre Verbindungen ein. Hinterhöfe liefern nicht nur den Raum, sondern auch<br />
Themen für Inszenierungen.<br />
Gartenkunst wird als organische, nachhaltig wirkende Tätigkeiten interpretiert, die sich durch Originalität, Phantasie und<br />
soziales Verständnis auszeichnen. Hinterhöfe werden in Szene gesetzt und sprengen den Rahmen des Gewohnten. Der<br />
Prozess ist lang anhaltend, viele Personen treten zueinander in Bezug. Beteiligte nutzen ihre Hinterhöfe und geben Auskunft.<br />
Im Jahr 2010 werden die Orte mit informativ und thematisch eigens dafür ausgestalteten öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
erschlossen sowie mit Veranstaltungen und Workshops bespielt.<br />
Initiatoren:<br />
elfi&pitzeEckart<br />
114
<strong>7.</strong>10. kulturpflanzen – pflanzenkultur<br />
– permakultur<br />
Die Entwicklung einer modernen, auf Nachhaltigkeit, Nutzen und Synergien setzenden, urbanen Grünflächengestaltung<br />
würde das Spektrum der Gartenkunst und Parkgestaltung sinnvoll ergänzen.<br />
Bis zum Jahr 2010 sollen verschiedene Standorte nach den Prinzipien der Permakultur gestaltet werden. Die Pflanzenauswahl<br />
ist standortabhängig; bei genügendem Abstand zum Straßenverkehr sind Obstbäume und Beerensträucher, Teestauden<br />
u. a. denkbar, an schadstoffbelasteten Standorten sollen z. B. schwermetallsammelnde und -bindende Pflanzen<br />
angepflanzt werden. Die verschiedenen Gestaltungen markieren und verbinden ausgewählte Orte in <strong>Kassel</strong> unter dem<br />
Motto KULTURPFLANZEN und/oder einem noch zu entwickelnden Logo.<br />
Permakultur-Gärten müssen nicht besonders groß sein, daher gibt es unzählige mögliche Standorte in der Stadt.<br />
Eine weitere Idee ist ein öffentlicher Anbau-Garten, um Bürgern Gartenkultur (wieder) zugänglich zu machen. Dort könnten<br />
Pflanzen für die verschiedenen Standorte produziert und vermehrt werden, was auch dem Gemeinsinn und dem Verantwortungsgefühl<br />
für den gemeinsamen Lebensraum dienen würde. Hier sind Flächen in der Karlsaue oder auf dem Gelände der<br />
ehemaligen Bundesgartenschau denkbar.<br />
Initiator:<br />
Karsten Winnemuth<br />
permakultur<br />
Permakultur ist eine Entwurfs- und Gestaltungsmethode, die sich mit der Anlage von nachhaltigen, energieeffizienten<br />
menschlichen Lebensräumen befasst. Der Begriff Permakultur diente ursprünglich zur Beschreibung einer dauerhaften<br />
Landwirtschaft, die sich am Vorbild eines vielfältigen Ökosystems orientiert. Heute wird das Konzept darüber<br />
hinaus in vielen anderen Bereichen umgesetzt.<br />
<strong>7.</strong>11. hanna-müller-baumpark<br />
Die Jacob-Grimm-Schule liegt an der Achse Herkules-Wilhelmshöher Allee in der Nähe des Zentrums. Das Gelände der Schule<br />
öffnet sich dem Umfeld der Wilhelmshöher Allee, deren Alleecharakter durch eine nahezu geschlossene Bebauung betont<br />
wird. Die durch Einzelbauten bedingte durchlässige Struktur des Gebäudekomplexes der Jacob-Grimm-Schule unterstreicht<br />
diese Öffnung. Der Bestand an Einzelbäumen und Sträuchergruppen ergibt ein parkähnliches Bild.<br />
Die Recherche der Geschichte, das Kennenlernen der Initiatorin der Bepflanzung aus Hinterlassenschaft der Bundesgartenschau<br />
von 1955 und Kontakte zum Stadtgartenamt sowie der staatlichen Schloss- und Gartenverwaltung haben wesentlich<br />
dazu beigetragen, dass die Idee geboren wurde, den ersten hessischen Schulbaumpark an der Jacob-Grimm-Schule einzurichten<br />
und als Hanna-Müller-Baumpark zu benennen.<br />
Der Park ist in einzelne Bereiche, wie zum Beispiel Banken- und Industrieviertel, Schülerrefugium und Künstlerkolonie<br />
unterteilt. Hier haben Sponsoren, Privatpersonen und Schülergruppen Patenschaften übernommen, so dass die Finanzierung<br />
der Namensbeschilderung der Bäume und Neuanpflanzungen gesichert ist.<br />
Initiator:<br />
Jacob-Grimm-Schule, Heinrich Hellwig, Schulbaumpark AG<br />
115
wasser<br />
Die nachfolgenden Projeke beschäftigen sich mit <strong>Kassel</strong> als Stadt am Fluss.<br />
<strong>7.</strong>12. vier flüsse<br />
Vier Flüsse gingen vom Paradies aus. An ihnen entstanden die ersten großen Kulturen der Menschheit: Assyrien, Babylon,<br />
Ägypten, Palästina. Die enge Verbindung von Fließgewässer und Kultur ist auch jenseits der Genesis bis in die kleinste Verästelung<br />
des weltweiten Systems von Wasseradern zu beobachten. Quellen, Bäche und kleine Nebenflüsse spielen dabei<br />
eine wichtige Rolle. Sie speisen frisches Wasser in das globale Gewässernetz ein. In den Flusstälern entstanden wichtige<br />
Verkehrswege, die Voraussetzungen boten für die Ansiedelung von Gewerbe und Industrie.<br />
Vier kleine Flüsse entspringen und münden im Landkreis <strong>Kassel</strong>. Bauna, Ahna, Esse und Warme haben die Entwicklung der<br />
Region entscheidend mitgeprägt.<br />
Ihre Bedeutung soll in einem additiven, mehrjährigen Vorhaben durch unterschiedliche Aktionen und Veranstaltungen<br />
herausgestellt werden – mit folgenden Zielen:<br />
• Eröffnung neuer Tätigkeitsfelder für Künstlerinnen und Künstler<br />
• Bereicherung des touristischen Angebots<br />
• Stärkung der öffentlichen Sensibilität für die Gewässerökologie und wasserwirtschaftliche Bedeutung der Nebenflüsse<br />
• Stärkung der regionalen Identität<br />
Seit 2003 erarbeitet die Zentrale für aktive Kunst (ZAK) eine Bestandsaufnahme nichtinstitutioneller, kultureller Ressourcen<br />
der vier Flusstäler. Jeder Fluss überrascht dabei mit einem ganz eigenen Charakter, der sich auf vielfältige Weise zeigt.<br />
Die Ergebnisse der Recherche werden im Rahmen von Ausstellungen ab Winter 2003/04 der Öffentlichkeit vorgestellt. In<br />
den folgenden Jahren sollen entlang der Flussläufe künstlerische Einzelprojekte entwickelt und realisiert werden. Höhepunkt<br />
soll im Jahr 2010 eine Freiraum-Ausstellung sein, die an ungewöhnlichen Standorten entlang der vier Flüsse Werke europäischer<br />
Kunst der Gegenwart präsentiert, die sich unter dem Begriff „Landart“ zusammenfassen lassen. Besucher sollen dabei<br />
einbezogen werden in ein spannendes Wechselspiel von Kunst und Wirklichkeit, das sich beim Wandern oder Radfahren<br />
zwischen Quelle und Mündung eröffnet.<br />
Initiatorin:<br />
Heidi Rühlmann, ZAK, Zentrale für aktive Kunst<br />
<strong>7.</strong>13. stadtleben am fluss<br />
Die Geschichte der Stadt ist durch zum Teil radikale wirtschaftliche, kulturelle und in Folge auch soziale Paradigmenwechsel<br />
geprägt. Von jeher spiegelt sich mit und an der Fulda – dem Fluss durch die Innenstadt – diese Geschichte wieder.<br />
In der Unterneustadt an der Fulda sind vielfältige Zeugnisse der Entwicklungen und Verwicklungen <strong>Kassel</strong>s als Stadt am<br />
Fluss zu finden.<br />
Die Unterneustadt vermag deshalb in eigener Weise die gesellschaftlichen und kulturellen Identitäten <strong>Kassel</strong>s als „Stadt im<br />
Fluss“, ihr historisches Erbe, ihre Potenziale, aber auch das Vergessene und Verhinderte aufzeigen. Ein aktuelles Beispiel<br />
dafür ist die preisgekrönte „Wiedergründung der Unterneustadt“ – eine städtebauliche Leistung, die der Unterneustadt<br />
erst zum Ende des 20. Jahrhunderts wieder eine adäquate Stellung in der Stadt verschaffte.<br />
Der Ortsbeirat Unterneustadt hat sich das Projekt „StadtLeben am Fluss“ zu Eigen gemacht. Das Projekt schafft eine neue<br />
Perspektive auf Bestehendes, aber auch einen Blick auf das vergessen Geglaubte. „StadtLeben am Fluss“ soll die vielfältig<br />
vorhandenen und identifikationsstiftenden Potenziale in der Unterneustadt hervorheben und die vergessenen Orte mit<br />
neuem Leben erfüllen. Dabei werden vergessene Orte beidseits der Fulda entdeckt und kulturell genutzt. Der Prozess ist<br />
offen für alle Interessierten. Neue Projekte wie Kulturspaziergänge oder die Absolventenakademie für Kunststudenten aus<br />
Europa werden ihren Beitrag zur Entwicklung der Orte an der Fulda leisten.<br />
Als Antwort auf die Frage, in welcher Form die vergessenen Orte belebt werden können, entstand die Idee einer Sommerakademie/<br />
Absolventenakademie. Durch Kurse, Workshops, Arbeits- und Ausstellungsreihen mit Absolventen europäischer<br />
Kunsthochschulen/-akademien sollen künstlerische Projekte und Konzepte entwickelt werden, um die vergessenen Orte in<br />
den öffentlichen Diskurs zu bringen und sie mit Leben zu erfüllen.<br />
116
Die Fulda soll als Lebensader der Stadt wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. 40 Orte am Fluss warten auf<br />
ihre Entdeckung.<br />
Initiatoren:<br />
Joachim Schleissing, Andreas Süßenguth<br />
mit Unterstützung des Ortbeirates Unterneustadt<br />
Bildlegende<br />
Kurzbeschreibung der Orte<br />
1. Galerie AAA, Salztorstr. 3A, Ufernah, an der städtischen Schleuse<br />
In der Galerie AAA wird das Projekt dokumentiert. Zudem werden begleitende<br />
Veranstaltungen stattfinden und eine Ausstellung zum Thema: *Kunststadt am<br />
Fluss" konzipiert. Ausstellungsort. An der Uferpromenade.<br />
2. Spielplatz Hafenstrasse, Lage: Zwischen Hafenstrasse und der Fulda<br />
Veranstaltungen um Rahmen: *Kinder und Kunst", ein vergessenes Handlungsfeld.<br />
Teil der Uferpromenade<br />
3. Haus der Jugend/Kasematten<br />
Ausbau des Innenhofes/Freilegung der Kasematten (Eigenes Projekt mit Ortsbeirat<br />
Unterneustadt), Beteiligung an: „Kinder und Kunst“, Teil der Uferpromenade<br />
4. Nautik Park, Lage: An der Fulda, zwischen Spielplatz Hafenstrasse<br />
und Wallstrasse<br />
Grünanlage führt ein Schattendasein im wörtlichen Sinn. Planerisch vernachlässigt,<br />
gartenamtlich versorgt, aber nicht gepflegt. Teil der Uferpromenade.<br />
Bietet Raum für Kunst am Fluss. Ein Vergessener Ort.<br />
5. Brücke zwischen Wallstrasse und Finanzzentrum/ehemals<br />
Polizeipräsidium<br />
Noch nicht realisisiert. Die Brückenköpfe am Ufer der Fulda sind für die<br />
Fußgänger- und Fahrradbrücke freigehalten. Unverzichtbar für die Anbindung<br />
Universität/ Stadtteilentwicklung des Viertels Pferdemarkt-Osten <strong>Kassel</strong>s. Am<br />
Beispiel der Karl-Branner-Brücke lässt sich leicht ablesen, wie eminent wichtig<br />
eine fußläufige Überquerung des Flusses für die angrenzenden Stadtteile ist,<br />
und wie weit sie darüber hinaus zur grundlegenden Belebung der Stadt beiträgt.<br />
Die Brückenköpfe rechts und links der Fulda sind Vergessene Orte.<br />
6. Alte Mühle<br />
Zwischen Fulda und Mühlengasse gelegen. Ruine, Vergessener Ort.<br />
<strong>7.</strong> Finanzzentrum, Lage: An der Fuldabrücke/Schleuse- ehemalige<br />
Polizeipräsidium<br />
Vom Land Hessen geplant. Die Stadt <strong>Kassel</strong> erarbeitet Planungsgrundlagen.<br />
Offene Fragen: Wettbewerb, Nutzungsweise, Verkehrsanbindung, z.B. Fußgängerbrücke,<br />
Einfahrt von und Querung der Weserstrasse. Noch Vergessener Ort.<br />
8. Werkhof Unterneustadt, Lage: Christophstrasse, vor Bombenangriff<br />
1943 innerstädtische Bebauung, zwischen 1943–1995 Vergessener<br />
Ort.<br />
Gemeinnütziger Verein. Organisiert vielfältiges Angebot und bietet Plattform<br />
und Organisationsgrundlage für eine Reihe von Initiativen, erarbeitet Projekt für<br />
den Park an der Zollmauer zwischen Maulbeerplantage und Fulda.<br />
9. Park an der Zollmauer, Lage: Zwischen Fulda und Maulbeerplantage<br />
Bietet Raum für Kunst am Fluss. Projekt: Werkhof Unterneustadt. Teil der Uferpromenade<br />
10. Promenade zwischen Karl-Branner Brücke und Fuldabrücke<br />
Teilweise fertiggestellt, zur Bebauung vorgesehen, noch nicht realisiert. In dem<br />
Bereich, Vergessener Ort.<br />
11. Wassersportverein an der Drahtbrücke/Kurbad Jungborn<br />
12. Grünanlage der Genossenschaft 1889 e.V. zwischen Drahtbrücke<br />
und Jahnstrasse direkt an der Fulda.<br />
13. Jahnstrasse an der Fulda, Fortsetzung der Promenade direkt am Ufer<br />
bis zum <strong>Kassel</strong>er Kanuclub.<br />
117
14. Freiflächen an der Schwimmbadbrücke (nicht im Plan)<br />
Ende der innerstädtischen Promenade, Entrée zum Buga-Gelände/Karlsaue<br />
15. Gartengemeinschaft Blücherstrasse/Jahnstrasse<br />
Vielfältige Initiativen, Kunst im Quartier/Kleinkunst, z.B. Gartenzirkus etc.<br />
16. <strong>Kassel</strong>er Schlagd/Renthof Brüderkirche<br />
Ensemble (hat den Bombenangriff 1943 teilweise überlebt, bzw. wurde mehr<br />
oder minder sorgsam rekonstruiert) zählt zu den ältesten und markantesten Plätzen<br />
der Stadt. War bis zur „Wiederbegründung der Unterneustadt“ Vergessener Ort.<br />
1<strong>7.</strong> Innenhof an der Kettengasse<br />
Innenhof des Viertels zwischen Fluss, an der Fuldabrücke und Brüderstrasse.<br />
Von hohem Verkehrsaufkommen der umliegenden Strassen eingeschnürt, dabei<br />
freundlicher Innenhofcharakter, Vergessener Ort.<br />
18. Terassen an der Fuldabrücke<br />
19. Finanzzentrum/ehemaliges Polizeipräsidium/Mündener Schlagd<br />
Lage: Zwischen Fluss, An der Fuldabrücke und Weserstrasse, fünfziger Jahre-Bau<br />
zum Abriss bestimmt. Finanzzentrum soll hier errichtet werden. Brückenkopf für<br />
mögliche Fußgänger/Radfahrerbrücke von der Unterneustädter Seite her. Denkmalgeschütztes<br />
Spitalgebäude und temporär genutzte Freiflächen, Vergessener<br />
Ort.<br />
20. Ehemaliges Karlshospital, neben ehemaligem Polizeipräsidium,<br />
direkt an der Fulda gelegen.<br />
Historisches Sandsteingebäude, mit Notdach eingedeckt, jahrzehntelanger<br />
Leerstand und Verlegenheitsnutzung als Schießstand. Zwischen Spital und<br />
zukünftigem Finanzzentrum könnte die Rad- und Fußgängerüberquerung der<br />
Fulda von der Wallstraße am anderen Ufer ankommen und auf den bestehenden<br />
Uferfuß- und Radweg stoßen. Die Brückenköpfe sind projektiert. Gebäude und<br />
Freiflächen sind Vergessene Orte.<br />
21. Finkenherd<br />
Insel nahe der Ahnemündung. Fuß- und Radweg erschließt die Insel, wie eine private<br />
Stichstrasse für die Bewohner. Der Rad- und Fußweg schwenkt nach verlassen<br />
der Insel auf die Weserstrasse, weil keine Fußgängerbrücke die Ahnemündung<br />
quert und den Grünbereich in Richtung Hafenbrücke weiter erschließt. Eine<br />
ufernahe Verbindung zum unweit bestehenden Weg unter der Hafenbrücke hindurch<br />
in Richtung Wolfsanger fehlt also. Der Grünbereich jenseits der Ahne ist<br />
ein Vergessener Ort.<br />
22. Renthof/Innenhof mit Brüderkirche<br />
Markiert, vom Königsplatz via Entenanger kommend den Beginn der ufernahen<br />
Bebauung. Die Achse Königsplatz-Karl-Brannerbrücke wartet auf ihre Entwicklung.<br />
Innerstädtischer Bereich/Planerisch ein Vergessener Ort.<br />
23. Rondell<br />
Bauliche Hinterlassenschaft des Stadtschlosses (Im 1943 schwer beschädigt,<br />
musste der neuen Verkehrsführung weichen, jetzt Regierungspräsidium) direkt<br />
an der Fulda. Im Sommer als Biergarten genutzt. Lange Zeit Vergessener Ort. Das<br />
Innere (Bastion Kunst) bietet Raum für temporäre Ausstellungen.<br />
24. Treppe vom Regierungspräsidium zur Karlsaue<br />
<strong>7.</strong>14. der neue wasserfall im neuen<br />
garten<br />
Der neue Wasserfall ist seit seiner Beschädigung im II. Weltkrieg außer Betrieb. Seine Sanierung ist ein wichtiger Beitrag für<br />
die Attraktivität des Bergparks und für die Heilung einer Wunde, die der Krieg <strong>Kassel</strong> geschlagen hat. Die Sanierung soll den<br />
historischen Zustand wieder herstellen, besonders dann, wenn dies für die Anerkennung des Bergparks als Welterbe erforderlich<br />
ist. Denkbar wäre jedoch auch eine moderne, zeitgenössische Parklandschaft, die der Tradition <strong>Kassel</strong>s entsprechend<br />
den Geist der Moderne berücksichtigt. Wenn die Sanierung im Sinne einer modernen, zeitgenössischen Parkgestaltung<br />
möglich ist, sollte sich die moderne Ergänzung im Wesentlichen nach Norden erstrecken, um den Kernbereich des<br />
Welterbes „Park Wilhelmshöhe“ zu schonen.<br />
Aufgabe eines dazu notwendigen internationalen Wettbewerbs müsste sein, die Landschaftskunst und die Kunst in der<br />
Landschaft in die Tradition der documenta einzubinden.<br />
Initiator:<br />
Prof. Klaus Pfromm, Universität <strong>Kassel</strong><br />
118<br />
25. Kulturzelt<br />
Auf der Wiese vor der sogenannten Löwenbrücke unterhalb des Regierungspräsidiums.<br />
Direkt an der Fulda/Drahtbrücke und am Uferweg gelegen, der hier<br />
mittels einer Holzbrücke die Kleine Fulda (Drusel) überquert. Steht in den Sommermonaten.<br />
Bietet anspruchsvolle und unterhaltsame Musikveranstaltungen. Weit<br />
über die Stadtgrenzen bekannt, Biergarten.<br />
26. Regattawiese<br />
Während des „Zissel“ (Volksfest) für vier Tage im Jahr belebt als Standort für<br />
Freibühne und Buden. Ansonsten Vergessener Ort zwischen Drahtbrücke und<br />
Pumpstation.<br />
2<strong>7.</strong> Orangerie, Lustschloss der <strong>Kassel</strong>er Landgrafen nahe der Fulda<br />
Nach dem Krieg wieder aufgebaut. Ausstellungsort der ersten documenta und<br />
Teilbereich weiterer documenta-Ausstellungen.<br />
28. Uferbereich nahe der Orangerie<br />
Vergessener Ort<br />
29. Ahnemündung, zwischen Insel Finkenherd und Hafenbrücke<br />
Brücke fehlt, als Verbindung des Radweges Schlagd * Finkenherd zum Radweg<br />
Richtung Hann. Münden.<br />
30. Bleichwiesen an der Schützenstraße<br />
Vergessener Ort<br />
31. Häuser am Wehr und umliegende Wiesen<br />
Vergessener Ort<br />
32. Park/Freifläche am Katzensprung längs der Ahne<br />
Vergessener Ort<br />
33. Bleichwiesen am Bleichenweg<br />
Vergessener Ort<br />
34. Mündung des Wahlebach<br />
Vergessener Ort<br />
35. Fuldawiese am Anglerheim/Hafenstrasse<br />
36. Alte Mühle am Finkenherd<br />
Vergessener Ort<br />
3<strong>7.</strong> Anglerheim<br />
Gelände an der Hafenbrücke<br />
38. Parkplatz Bindingbrauerei<br />
An der Hafenbrücke. Vergessener Ort<br />
39. Binding-Brauerei<br />
Teilweise bebautes Areal zwischen Hafenstraße und Scharnhorststraße.<br />
Vergessener Ort<br />
40. <strong>Kassel</strong>er Hafen<br />
In den siebziger Jahren stillgelegter Frachthafen. Jetzt als Yachthafen genutzt.
<strong>7.</strong>15. kassel und seine bäder<br />
Im Leben <strong>Kassel</strong>s hat die Bäderbewegung Tradition. In der Gründerzeit um die Jahrhundertwende entstanden zahlreiche<br />
Sanatorien, Hotels, Restaurants und Gastwirtschaften – oft „im Grünen“ und in attraktiver Lage. Zahlreiche Vereine, die<br />
sich der Gesundheit verpflichtet fühlten, legten solche Anlagen und Gärten an. Da <strong>Kassel</strong> im II. Weltkrieg durch Bomben<br />
stark zerstört worden war, existierten nach 1945 viele der Anlagen nicht mehr. Gleichwohl gibt es heute wieder ein umfangreiches<br />
Angebot. Neben der Therme in Bad Wilhelmshöhe besitzt die Stadt mehrere Hallen- und Freiluftbäder, daneben gibt<br />
es im Bergpark Wilhelmshöhe sowie im Stadtgebiet ein System von Kneipp-Wassertretanlagen. Bürgerengagement bewirkte<br />
in den vergangenen Jahren gleich mehrfach den Erhalt von Freibädern. Mitten im Habichtswald existiert ein sozial- und<br />
kulturhistorisch bedeutsames Kneipp-Heil- und Luftbad.<br />
Das bestehende Potenzial soll durch neue Angebote erweitert und verbessert werden. Eine neue Attraktion könnte ein<br />
„Bad der Sinne“ sein, das neben einem modernen Bäderbetrieb auch eine Sauna mit verschiedensten Kräutern, Rinden<br />
und Nadeln bietet. Frei- und Hallenbäder könnten z.B. zu Erlebnisbädern mit Fitness – und Ruhezonen ausgestaltet werden.<br />
Auf Lehrpfaden soll nicht nur das Kennenlernen der Botanik möglich sein, sondern auch ihre Anwendung in Ernährung und<br />
Medizin.<br />
Damit verbunden werden Projekte im Kurbetrieb wie auch in Kunst und Musik (z.B. Ausstellungen und Konzerte), Theater<br />
und Literatur, Angebote für Gäste und Einwohner <strong>Kassel</strong>s. Vorgeschlagen wird die Entwicklung und Vernetzung von gemeinsamen<br />
attraktiven Programmen auch für Kinder und Jugendliche.<br />
Initiator:<br />
Ingmar Willkomm<br />
<strong>7.</strong>16. glashaus<br />
mitten in der stadt die natur entdecken<br />
Das Glashaus ist ein von Grün überwuchertes Bauwerk – mitten in der Stadt. Der Besuch des Glashauses ist ein Abenteuer,<br />
wie es sich viele Erwachsene als Kinder immer gewünscht haben. In diesem Haus und dem umliegenden Gelände soll eine<br />
Begegnung der Stadt-Menschen mit Natur und Kunst stattfinden, Besucher sollen ausprobieren können, wie Kunst und<br />
Natur zusammenwirken. Sie sollen auch einen Ort der Ruhe finden.<br />
Ein Glashaus ist transparent: die Natur darin lebt vom einfallenden Licht, und die Menschen fühlen sich eingeladen, das Innere<br />
der Hülle zu betrachten. Die lichte Atmosphäre ist ein besonderes Ambiente, um scheinbar Unvereinbares in einander<br />
bereichernde Harmonie zu bringen. Die Konstante ist die Natur, auch wenn sie durch Wachstum und Blütenstand in Bewegung<br />
ist. Die Variablen sind die Menschen, ihre Aktivitäten, ihre Kunstgegenstände oder künstlerischen Darbietungen.<br />
Das GLASHAUS soll eine Oase in der Stadt zu sein, die auf kürzestem Weg zu erreichen ist.<br />
Zielgruppe sind sowohl Kinder als auch Erwachsene – Bewohner von Seniorenheimen genau so wie Patienten in Reha-<br />
Gruppen oder Teilnehmer einer Tagung. Angegliedert ist ein „Grünes Café“. Geplant sind eine „Kindergärtnerei“, daneben<br />
„Naturkurse“ für Alt und Jung, Kunst-Events, Workshops, Konzerte und Ausstellungen.<br />
Der künstlerische Prozess und die daran gekoppelte intensive Beschäftigung mit natürlichen Strukturen, Formen, Farben<br />
und Materialien führt zu einer intensiven Wahrnehmung von Natur. Land-Art-Projekte reflektieren die Gegebenheiten unveränderter<br />
oder gestalteter Natur, betonen mit einer großen ästhetischen Komponente die Eigenheiten des speziellen Areals.<br />
Die Arbeit mit unterschiedlichen Materialien, Stoffen und Farben schärft den Blick, macht aufmerksam, verändert<br />
Sichtweisen. Die Arbeit selbst wie auch die Rezeption des Ergebnisses vergrößert das Verständnis für das Wesen der Natur.<br />
Die Wahrnehmung von Zeit, Wetter, Licht, Tages- und Jahreszeiten wird zunehmend sensibilisiert.<br />
Ausflüge und das Spielen im Garten dienen dazu, dass die Kinder Erfahrungen mit der Umwelt sammeln. So können sie sich<br />
im Garten frei bewegen. Sie legen Beete an, ernten selbst Blumen und Gemüse. Unter fachkundiger Anleitung wird der<br />
Umgang mit Pflanzen spielerisch und im jahreszeitlichen Rhythmus erlernt. Im GLASHAUS wird – im ästhetischen Sinne –<br />
die Lust der Menschen auf die Schönheit der Dinge gelenkt.<br />
Initiatorinnen:<br />
Iris Hollstein, Josephine Heyne, GLASHAUS <strong>Kassel</strong> e.V.<br />
119
erfahrungsraum der sinne<br />
Die folgenden Projekte sind zum einen Stationen, um die Stadt mit allen Sinnen erleben zu können, sie geben aber auch<br />
Hilfen und Maßstäbe, um das Ziel „Sinnliche Urbanität“ in der Stadtplanung zu verwirklichen.<br />
<strong>7.</strong>1<strong>7.</strong> erfahrungsfeld zur entfaltung<br />
der sinne<br />
in kassel neu sehen, hören, fühlen lernen<br />
Das „Erfahrungsfeld der Sinne” will den ganzen Menschen ansprechen und fördert das bewusste Erleben komplexer Sinne-<br />
Erfahrungen. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf die Erscheinungen der Natur und ihre Gesetzmäßigkeiten.<br />
Dadurch, dass der Spielende sie eigentätig erzeugt, sie sich zu Eigen macht, werden sie zu wirklichen Erlebnissen. So wird<br />
neben dem Spiel- und Freizeitwert für Groß und Klein ein Beitrag zur menschlichen Bildung geleistet. Die Schwerpunkte liegen<br />
im Bereich der eigenen Wahrnehmung und des eigenen Tuns – Ansätze, die in der heutigen Schulbildung oft zu kurz<br />
kommen. In Zukunft wird der gesundheitsfördernde Wert des Erfahrungsfeldes, seine Einsatzmöglichkeiten im Bereich der<br />
Prävention und Therapie immer wichtiger werden.<br />
Kindern gehen heute mehr und mehr natürliche Spielräume verloren; es mangelt ihnen oft an basalen Sinneserfahrungen,<br />
was dazu führt, dass die Sinne nicht richtig miteinander korrespondieren und verkümmern. Auch die Arbeitsplätze der<br />
Erwachsenen werden immer einseitiger. Hier kann ein „Erfahrungsfeld der Sinne” auf spielerischem Wege den ganzen<br />
Menschen fördern und heilend wirken.<br />
Es soll ein „Erfahrungsfeld der Sinne” für Kinder und Erwachsene ge<strong>schaffen</strong> werden. Die Spiel- und Erfahrungsobjekte<br />
sollen den ganzen Menschen in seinem Verhältnis zur Außenwelt anregen, so z. B.:<br />
• Fassen, Fühlen, Begreifen, Tasten<br />
• Gehen, Stehen, Ver-Stehen<br />
• Hören, Lauschen<br />
• Riechen<br />
• Sehen, Schauen, Erkennen<br />
• Bewegung und Gleichgewicht<br />
Das „Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne“ soll in, mit und für <strong>Kassel</strong> wachsen. Das heißt, Menschen werden in Prozesse<br />
einbezogen, sie können Erfahrungs- und Spielstationen selbst errichten, Neues entwickeln, erspüren, was in <strong>Kassel</strong> lebt<br />
und was <strong>Kassel</strong> braucht.<br />
Bestandteile des Erfahrungsfeldes:<br />
• Vielgestaltiges Außengelände mit unterschiedlichen Spiel- und Erfahrungsbereichen, die von geschulten Mitarbeitern<br />
betreut werden<br />
• Räume oder Zelt für Erfahrungsstationen, die einen abgeschlossenen Raum benötigen<br />
• Dunkelcafé/Dunkelgang, die gleichzeitig auch Aufgaben für blinde Mitbürger bieten können<br />
• Erfahrungsspielplatz für Kinder, Spiel mit den vier Elementen<br />
• Raum für Fortbildungen und Seminare<br />
• Restaurant/Café<br />
• Aufbau eines mobilen „Erfahrungsfeldes zur Entfaltung der Sinne”, für die Arbeit in Schulen, Ausbildungsstätten, heilpädagogischen<br />
Einrichtungen usw.<br />
Das Erfahrungsfeld wird ein Ort werden, an dem sich die ganze Familie, Jung und Alt, einen Tag lang erholen, besinnen, spielen<br />
und vielfältige Erfahrungen machen kann.<br />
Initiator:<br />
Nothart Rohlfs, Kulturinitiative <strong>Kassel</strong><br />
120
erfahrungsfelder zur entfaltung der sinne<br />
Begründer des „Erfahrungsfelds zur Entfaltung der Sinne“ war Hugo Kükelhaus (1900-1984). Er hat zum ersten Mal<br />
1967 – auf der Weltausstellung in Montreal – sein „naturkundliches Erfahrungsspielzeug“ präsentiert. Sein Anliegen<br />
war es, anhand von unterschiedlichen Erfahrungsstationen auf die Gesetzmäßigkeiten aufmerksam zu machen, die<br />
sowohl unserem menschlichen Organismus als auch der Natur zugrunde liegen. „Wie können wir uns in Anbetracht der<br />
drohenden Zerstörung aller unserer Lebensgrundlagen wieder so mit der Schöpfung verbinden, dass wir befähigt werden,<br />
sinnvoll mit der Natur umzugehen?“ Dies war die Ausgangsfrage, die Hugo Kükelhaus in seinem Geleitwort für das<br />
Erfahrungsfeld in Montreal beantwortete: Kükelhaus: „Indem der Besucher während eines Rundgangs durch 35 Stationen<br />
dazu gelangt, spielend zu erfahren,<br />
1. wie das Auge sieht, das Ohr hört, die Nase riecht, die Haut fühlt, die Finger tasten, der Fuß (ver)steht, die Hand<br />
(be)greift, das Gehirn denkt, die Lunge atmet, das Blut pulst, der Körper schwingt, und<br />
2. dass die Wahrung der Gesetze der eigenen Natur des Menschen befähigt, in den Erscheinungen der äußeren<br />
Natur die gleiche Gesetzlichkeit sowohl wahrzunehmen als auch zu wahren“.<br />
<strong>7.</strong>18. phänorama<br />
Phänorama ist ein ökopädagogisch orientierter Erlebnisbereich, der als Modell eines überdimensionalen, „begehbaren“<br />
Menschen entsteht. Dieser „Mensch“ soll durch die Besucher in seinen Funktionen erfahren und erlebt werden. Hierbei soll<br />
die Erlebnisbreite die gesamte Skala der menschlichen Sinneswahrnehmungen erfassen. Stille, Ruhe, Hektik, Aktion, Licht,<br />
Farbe, Dunkelheit, Schnelligkeit sind nur einige Qualitäten, die bei der aktiven Erkundung des begehbaren Menschen erlebt<br />
werden können. Die Besucher sollen mit Spiel- und Entdeckerlust etwas über sich und ihre Innen- und Außenwelt erfahren.<br />
Die spezifischen Erlebnismomente sind in ihrer Ausführung direkt an die entsprechenden menschlichen Organe gebunden<br />
und leiten sich in ihrer Funktion von diesen ab. Der Herzschlag, das Trommelfell, die Flimmerhaare der Lunge, der Verdauungsapparat<br />
und die verschlungenen Pfade des Blutkreislaufes bieten ein breites Spektrum an erlebnisorientierten<br />
Handlungsabläufen. Sowohl bei der Gestaltung der jeweiligen erlebnispädagogisch orientierten „Attraktionen“ als auch<br />
der Darbietung des gesamten Umfeldes des „begehbaren Menschen“ sollen die von Hugo Kükelhaus entwickelten Gedanken<br />
zum Tragen kommen. Darüber hinaus lehnt sich die Entwicklung des Sinnen- und Erlebensparkes an die von John Dewey<br />
zu Beginn dieses Jahrhunderts in den USA entwickelten reformpädagogischen Überlegungen und die auf dieser Grundlage<br />
in den USA bereits vielfach entstandenen Kindermuseen an. Schon von außen betrachtet soll das Objekt sowohl durch<br />
seine Größe als auch seine (menschliche) Form eine Attraktion und ein optischer Anziehungspunkt sein.<br />
Initiator:<br />
Jürgen Kopp<br />
<strong>7.</strong>19. klanginstallationen und<br />
-skulpturen für die räume<br />
der stadt<br />
Durch Klanginstallationen sollen Räume zum Klingen gebracht werden, so als werde der Klang vom Raum selber erzeugt.<br />
Geplant sind Projekte an besonders attraktiven Orten wie dem Bergpark Wilhelmshöhe und/oder der Karlsaue. Öffentliche<br />
Gärten und Plätze, Unterführungen, leerstehende Fabrikgebäude, Haltestellen des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs<br />
bieten sich für Klanginstallationen an. Über Lautsprecher wird Musik ausgestrahlt, die gezielt auf die Be<strong>schaffen</strong>heit des<br />
jeweiligen Ortes eingeht. Die Lautstärke der Musik ist so gering, dass sie Vogelgezwitscher nicht übertönt. Denn die „künstliche“<br />
Musik soll den Hör-Spaziergänger nicht „anspringen“. So wird der Naturraum quasi akustisch gestaltet. Die Wahrnehmung<br />
der Klänge wird sich durch unterschiedliche Jahres-, Tageszeiten und Witterungseinflüsse verändern. So entsteht<br />
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eine kongeniale Verbindung von optischen und akustischen Eindrücken. Eine „Musik des Raumes“ wird durch das Ineinanderwirken<br />
von topographischer und musikalischer Struktur komponiert.<br />
Durch Livekonzerte mit speziell für den jeweiligen Raum komponierter Musik – etwa für die Glocken der Kirchen <strong>Kassel</strong>s,<br />
zum Beispiel für das Glockenspiel der Karlskirche, wo alljährlich Glockenfestspiele stattfinden, sollen Orte in der Stadt auf<br />
neue Weise gehört werden, zu Gehör kommen.<br />
Kompositionsaufträge für Klanginstallationen und Livekonzerte sollen Komponistinnen und Komponisten in Deutschland<br />
und Europa, die Erfahrungen mit Raummusik haben, erhalten.<br />
In der Stadt sollen auch Klangskulpturen/Klangobjekte z.B. Klangbrunnen, Windspiele, Lithophone, Metallophone aufgestellt<br />
werden in Parkanlagen, auf Spielplätzen und auf Schulhöfen. In einem „Klanggarten“ mit einem „Hörpavillon“ werden<br />
die jedem Menschen innewohnenden Gestaltungskräfte durch den produktiven Umgang mit musikalischen Spielfeldern<br />
freigesetzt werden. Die Projekte werden in einer Kooperation von Universität, Freier Szene, Kirchenmusik, Musikakademie<br />
und dem Bärenreiter-Verlag realisiert.<br />
Initiatoren:<br />
Dr. Ulrich Etscheit, Prof. Walter Sons<br />
<strong>7.</strong>20. miradouros<br />
aussichtsplattformen für kassel<br />
MIRADOUROS bedeutet in der portugiesischen Sprache „Aussichtsplattform“. Der Begriff steht auch für Treffpunkt,<br />
Weitblick, neue Perspektiven, Ziel, Betrachtung, Entspannung, Abenteuer, Kommunikation, Horizont. Bei diesem Projekt<br />
sollen Orte mit „guten Aussichten“ inszeniert werden. Dazu sollen vorhandene, aber kaum bekannte „Aussichtsplattformen“<br />
in <strong>Kassel</strong> genutzt werden. Die Stadt <strong>Kassel</strong> liegt in einem Talkessel, eingebettet in die Höhen von Reinhardswald, Habichtswald<br />
und Kaufunger Wald. Die natürliche Attraktion der Stadt ist ihr Bezug zur umliegenden Landschaft. Die Topographie<br />
der Stadt selbst ist geprägt durch Stadtkanten und Erhebungen. Nahezu in jedem Stadtteil gibt es einen Punkt, der hoch<br />
genug ist, die Stadt zu überblicken und mit den Augen in die Landschaft dahinter zu wandern.<br />
Durch die Gestaltung der „Aussichtsplattformen“ sollen diese Orte aus ihrem „Dornröschenschlaf“ geweckt werden. Sie<br />
ermöglichen spannende Ausblicke zu besonderen Orten, <strong>schaffen</strong> Bewusstsein für die Topographie der Stadt, die Landschaft<br />
um die Stadt herum und die Landschaft in der Stadt. Durch kreative, künstlerische Auseinandersetzung mit der Besonderheit<br />
jeden Ortes entsteht ein Netz besonderer Orte, die vielfältige Blicke auf die Stadt erschließen. Die Vernetzung der<br />
individuell geprägten Orte ist unsichtbar, denn jeder Mensch kann gleichzeitig nur an einem Ort sein. Jede der Aussichtsplattformen<br />
ist umso kraftvoller, weil es die anderen auch gibt. Im Stadtplan sind diese Orte gekennzeichnet, ein Leitsystem<br />
aus einprägsamen Schildern lockt zum Spaziergang. Wer Lust hat, kann sich am jeweiligen Ort über die Geschichte der<br />
Stadtteile, Geologie und Botanik des Ortes und die Landschaft dahinter informieren. Menschen schweifen umher, begegnen<br />
sich, treten in Kommunikation, genießen neue Perspektiven.<br />
Initiatorin:<br />
Johanna M. Debik<br />
<strong>7.</strong>21. kassel – open city<br />
143+1 dialoge<br />
„klangorte“ und „antennen“ fördern die kommunikation<br />
der kulturen<br />
In der Stadt <strong>Kassel</strong> leben Menschen aus vielen Kulturen, aus 143 Nationen und Menschen, die staatenlos (+1) sind. Auf der<br />
Welt gibt es 193 Staaten. Hinzu kommen noch viele Menschen, die eine deutsche Staatsbürgerschaft haben, aber dennoch<br />
Mitglieder einer nicht-deutschen Kultur sind. Aber auch viele Deutsche kommen aus verschiedenen Regionen, die unterschiedliche<br />
kulturelle Zugänge des Deutschen widerspiegeln.<br />
Zugleich finden sich in der Stadt Quartiere, in denen sich die Bewohner und Bewohnerinnen konzentrieren, die keine deutsche<br />
Staatsbürgerschaft haben, andere, die fast ausschließlich von deutschen <strong>Kassel</strong>ern bewohnt werden. Die Vielfalt der<br />
Orte, in denen sich das kulturelle Leben abspielt, soll durch das Projekt in das Bewusstsein der <strong>Kassel</strong>er und der Gäste<br />
<strong>Kassel</strong>s gerufen und so zu einem Teil der Stadtkultur werden.<br />
Entlang der Straßenbahnlinien 1 und 3 sollen an insgesamt 12 Haltestellen Plakate aufgestellt werden, die Szenen jeweils der<br />
122
kulturellen Orte zeigen, an denen man sich gerade nicht befindet. Im Westen der Stadt soll es Bilder aus dem Osten und<br />
Norden geben und umgekehrt. Dieser Bilddialog wird die Neugier wecken, sich an den jeweils anderen Ort zu bewegen.<br />
An einem zentralen Ort soll es eine Installation (Turm o.ä.) im öffentlichen Raum geben, die ähnlich der Funktion von Antennen,<br />
Klangorte der Menschheit empfangen hat und nun in sich bewahrt. Alle 143 + 1 Nationen, die in <strong>Kassel</strong> leben, finden<br />
sich hier auf Türschildern wieder. Drückt man die „Klingeln“ so kann man Klänge von Orten hören, die sich als Typ in fast<br />
allen Kulturen finden („Klangorte der Menschheit“), wie sie in dem jeweiligen Land typisch sind.<br />
Diese Klangorte sind:<br />
• ein Ort des Handels ( Markt, Supermarkt oder Kaufhaus)<br />
• ein Ort der Religion (Kirche, Synagoge, Moschee, Tempel, heiliger Ort)<br />
• ein Ort der Bewegung (Bahnhof, Bushaltestelle, Straße)<br />
Für einige andere Klänge gibt es entlang der Linie 1 und 3 eine Art „Paten“ zu den Antennen (in einem Krankenhaus in <strong>Kassel</strong><br />
kann man Klänge eines Krankenhauses und einer Ambulanz aus Angola hören, bei der Feuerwehr die Klänge der Feuerwehr<br />
aus Israel, in einer Fabrik die Klänge aus dem Pearl River Delta in China, einer Schule in Tobago etc). Die Antennen und ihre<br />
Paten verbinden <strong>Kassel</strong> mit der Welt. Die Prinzipien der Bewusstwerdung der kulturellen Vielfalt der Stadtkultur sind also<br />
Bewegung, Spiegelung und Empfang. Die Medien sind Klang und Bild.<br />
Der Prozess der Entstehung ist so wichtig wie das Ergebnis – deshalb ist eine breite Beteiligung beim Entstehungsprozess<br />
der Bild- und Klangfindung vorgesehen. Die Bilder der Orte der Kulturen in <strong>Kassel</strong> (als Grundlage der Plakate) sollen von<br />
<strong>Kassel</strong>ern/<strong>Kassel</strong>erinnen gefunden werden. Es wird einen Fotowettbewerb geben, an dem sich alle beteiligen können. Das<br />
ist nicht nur individuell, sondern in Gruppen (Schulklasse, Krankenhausstation, Büro, ein Seminar an der Universität,<br />
Verein, interkulturelle Schulungsgruppe) möglich. Eine Jury aus zwei professionellen europäischen Fotografen und zwei<br />
Kennern von <strong>Kassel</strong> wählt dann zwölf Bilder aus. Die Klänge werden in Zusammenarbeit mit dem „World Sound Forum“<br />
(Vancouver) gesammelt.<br />
Die Gestaltung der Präsentationsflächen, d. h.<br />
• die „Antennen“ der Klangorte und ihre „Paten“, sowie<br />
• die Träger der Fotografien<br />
entstehen als Ergebnis eines europäischen Wettbewerbs von Architektur-, Planungs- und Designfakultäten. Der Prozess<br />
wird so die Idee nach innen und nach außen tragen und selbst schon Tausende von Dialogen anstoßen.<br />
Initiatoren:<br />
Arbeitsgruppe Empirische Planungsforschung, Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung der Universität <strong>Kassel</strong> , Prof. Dr. Detlev Ipsen.<br />
<strong>7.</strong>22. stadt-licht-plan<br />
stadtgestaltung durch das medium licht<br />
Ein Stadt-Licht-Plan wird die unterschiedlichen Belange und Konzepte der Stadtbeleuchtung zusammenführen. Funktionale<br />
Beleuchtung wie die Straßenbeleuchtung gehört genauso dazu wie einzelne künstlerische Objekte. Ziel ist es neben<br />
der Orientierung, die nächtliche Stadt <strong>Kassel</strong> optisch aufzuwerten. Anhand eines Lichtplanes können vorhandene Defizite<br />
dargestellt und Einzel-Objekte sowie Lichtprojekte miteinander verknüpft werden. Der Stadt-Licht-Plan stellt ein<br />
Planungsinstrument für zukünftige Beleuchtungskonzepte in der Stadt dar. Lichtkunst-Objekte erlauben buchstäblich<br />
andere Sichtweisen auf die Stadt und führen zu einer Auseinandersetzung mit dem Ort.<br />
Innerstädtische, prägnante Gebäude und Orte in <strong>Kassel</strong> werden besonders beleuchtet, um Sichtachsen zu markieren und<br />
um Orientierung zu ermöglichen. Geeignete Gebäude sind die Friedenskirche, ein Hochhaus in der Goethestraße oder der<br />
Mercedes-Stern auf einem Gebäude in der Innenstadt.<br />
Verschiedene Plätze in <strong>Kassel</strong> bekommen eine unverwechselbare Beleuchtung und werden in das Straßenbeleuchtungskonzept<br />
eingebunden. Etwa der Bebelplatz, der Entenanger, der Wehlheider Platz oder der Leipziger Platz. Für alle Hauptverkehrs-<br />
und Nahverkehrsstraßen sowie Fußwege wird ein Beleuchtungskonzept erstellt, das flexibel und kostengünstig<br />
sein muss und bei zukünftigen Straßenerneuerungen eingesetzt werden kann. Schlecht ausgeleuchtete Wege und Plätze<br />
(„Angsträume“) werden benannt und entsprechend verbessert. Einzelobjekte und spezifische Orte von besonderer, allgemeiner,<br />
historischer oder stadtgeschichtlicher Bedeutung werden künstlerisch illuminiert. Vorbilder sind Projekte wie<br />
„Licht(e)Wege“ und das documenta-Projekt „Laserskulptur“.<br />
Initiatoren:<br />
Elmar Kriesten, Herwig Thol<br />
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<strong>7.</strong>23. raumchiffren<br />
interventionen im stadtraum<br />
Bewegung ist für den Menschen eine elementare Notwendigkeit. Über den Körper tritt er mit der Umwelt in Kontakt. Wir<br />
können nur wahrnehmen, wenn wir uns bewegen. Das heißt, unsere Wahrnehmung, unser Denken, unsere Persönlichkeit entwickelt<br />
sich durch Bewegung.<br />
Die Bewegung schafft nicht nur unsere Existenz, sie schafft auch Raum. Raum entsteht erst, wenn unser Körper mit ihm in Beziehung<br />
tritt. Bewegung ist für den Raum ein konstituierendes Element, im Gegenzug lenkt der gebaute Raum unsere Bewegung.<br />
Raum und Bewegung stehen also in einer engen wechselseitigen Beziehung, die sich an der Stadt ablesen lässt.<br />
Der Stadtraum ent- und besteht nicht als Objektivität, sondern wird durch den Menschen er<strong>schaffen</strong> und laufend umgeformt,<br />
um den sich ändernden Lebensverhältnissen angepasst zu werden. Der Umgang mit dem Wandel der Stadt ist ein zentrales<br />
Thema in unserer Gesellschaft. Gleichzeitig verändern sich in einer zunehmend mobilen Gesellschaft die Paradigmen<br />
von Raum, Zeit und Bewegung und der bewegte Mensch <strong>gewinnt</strong> an Bedeutung in der Architekturdiskussion.<br />
Unser Projektvorschlag für <strong>Kassel</strong>2010 setzt an der Schnittstelle von Raum und Bewegung an und sieht eine Reihe von Interventionen<br />
im Stadtraum vor. Dazu werden KünstlerInnen aus <strong>Kassel</strong> und Europa eingeladen, sich am Beispiel <strong>Kassel</strong> mit<br />
diesem Thema auseinander zu setzen. Diese sollen ein möglichst breites Spektrum der Bildenden und darstellenden Kunst<br />
repräsentieren, um eine vielschichtige Betrachtungsweise zu ermöglichen. Denkbar ist eine Reihe von Installationen,<br />
Architekturen, Performances, Vorträgen, etc. an verschiedenen Plätzen der Stadt.<br />
Auf dem Weg zur Kulturhauptstadt sollen bereits in den nächsten Jahren erste Arbeiten entstehen, die in loser Abfolge präsentiert<br />
und dokumentiert werden.<br />
Für 2010 ist die Verwirklichung eines umfassenden KunstParcours geplant. Dieser zeigt zeitgleich permanente und temporäre<br />
Interventionen an verschiedenen Orten in <strong>Kassel</strong> und fasst die künstlerischen Beiträge und Veranstaltungen zusammen.<br />
So soll von <strong>Kassel</strong> ein Beitrag zu einer wichtigen und aktuellen Diskussion ausgehen.<br />
Initiatoren:<br />
Mirjam Henß, Jörg Hoefer, Delia Henss, Biele Emmenberger<br />
<strong>7.</strong>24. raum in bewegung<br />
kassel hat eine zeitgenössische tanzszene<br />
Neben der Tanzsparte am Staatstheater <strong>Kassel</strong> arbeiten und produzieren eine Handvoll TänzerInnen und ChoreografInnen<br />
seit Jahren kontinuierlich in <strong>Kassel</strong>, da sie sich für <strong>Kassel</strong> als ihren Lebensort entschieden haben, trotz schwieriger Rahmenbedingungen.<br />
Aufgrund ihrer Zusammensetzung (die KünstlerInnen kommen aus dem europäi-schen Ausland oder wurden dort ausgebildet)<br />
verfügen sie über enge Kontakte zu den deutschen Nachbarländern wie z.B. Polen, Schweiz oder den Niederlanden.<br />
Die freie Tanzszene <strong>Kassel</strong> möchte den Bewerbungsprozess zur Kulturhauptstadt 2010 aktiv unterstützen. Der Schwerpunkt<br />
kommender Projekte ab 2004 liegt auf dem Thema RAUM IN BEWEGUNG. Dabei wird eine enge Zusammenarbeit mit<br />
TänzerInnen und ChoreografInnen aus den Ländern Europas angestrebt.<br />
Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Knüpfen von Tanznetzwerken, die den Dialog und Austausch der KünstlerInnen untereinander<br />
fördern und es ermöglichen, das <strong>Kassel</strong>er Tanzgeschehen im Ausland zu präsentieren und den europäischen Tanz<br />
nach <strong>Kassel</strong> zu holen.<br />
Tanz als die nonverbale Form der darstellenden Kunst teilt sich jenseits von Worten mit und ist über seine Bewegungssprache<br />
einem internationalem Publikum zugäng-lich.<br />
Initiative:<br />
Forum für zeitgenössischen Tanz<br />
Mirjam Henß, Bettina Helmrich, Birgit Kaiser<br />
Brigitte Gautschi, Roman Komassa<br />
Initiatorin:<br />
Mirjam Henß<br />
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