19.02.2013 Aufrufe

Forschung im Schatten - Akrützel

Forschung im Schatten - Akrützel

Forschung im Schatten - Akrützel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Praktikanten kochen Kaffee – stehen<br />

allenfalls noch am Kopierer. Was als<br />

Klischee daherkommt, verschleiert die<br />

grundlegende Frage: Welche Arbeit leisten<br />

Praktikanten? Dass sie längst nicht mehr<br />

nur fürs Aktenvernichten und Frankieren<br />

beschäftigt werden, zeigt die Studie „Generation<br />

Praktikum 2011“ des Deutschen<br />

Gewerkschaftsbundes (DGB).<br />

Maria Rauter hat nach ihrem Bachelorabschluss<br />

einige Praktika absolviert und<br />

strebt nun ihren Master an. Sie weiß, dass<br />

Praktikanten einen wichtigen Beitrag zur<br />

Arbeit in Unternehmen leisten. Als Uniabgängerin<br />

kann sie die Forderungen des<br />

DGB zum Schutz unbezahlter Mitarbeiter<br />

nachvollziehen, als Fachfrau für Personalfragen<br />

hingegen bleibt die Studentin<br />

skeptisch. Sie kennt auch die Theorie, da<br />

sie derzeit Personalmanagement studiert.<br />

Sie erklärt, warum Praktikanten für die<br />

Unternehmen so wichtig sind: „Die Kopfzahlen<br />

der Vollzeitstellen in einzelnen<br />

Abteilungen sind viel zu gering, daher sind<br />

diese auf die Mitarbeit von Praktikanten<br />

angewiesen.“<br />

Die vorliegende Studie bestätigt dies. In<br />

drei von vier Fällen ersetzt der Praktikant<br />

eine vollwertige Stelle und ist in die Betriebsabläufe<br />

fest eingebunden.<br />

Praktikanten als<br />

Vollzeitarbeitskräfte<br />

Dass dies nichts mit dem eigentlichen<br />

Gedanken eines Praktikums zu tun hat,<br />

bemerkt René Rudolf, Bundesjugendsekretär<br />

des DGB: „Wenn Unternehmen ihre<br />

Arbeitsabläufe nicht ohne Praktikanten am<br />

Laufen halten können, stellt das einen Missbrauchsfall<br />

dar. Dies muss ausgeschlossen<br />

werden.“ Praktika müssen Lernverhältnisse<br />

sein, lautet seine Forderung. Dann ergebe<br />

sich eine „win-win-Situation“. Bei als Praktikum<br />

getarnten Arbeitsverhältnissen sei<br />

das nicht der Fall: „Reguläre Stellen, in denen<br />

reguläre Arbeit geleistet wird, müssen<br />

auch regulär vergütet werden!“ Dies setzt<br />

ein ordentliches Beschäftigungsverhältnis<br />

voraus, das vielen Hochschulabgängern<br />

nicht zugestanden wird.<br />

Der Fokus der <strong>im</strong> Mai vorgestellten Studie<br />

lag auf den Praktika, die einem abgeschlossenen<br />

Studium folgen. DGB und<br />

Hans-Böckler-Stiftung befragten für die<br />

Ergebnisse Studenten der Universitäten<br />

Köln, Hamburg, Rostock, sowie der FU<br />

Berlin. Die 674 Befragten gaben für den<br />

Zeitraum von dreieinhalb Jahren nach<br />

dem Ende ihres Studiums Auskunft über<br />

Ausgebeutet<br />

Generation Praktikum – kein Ende in Sicht<br />

ihre Beschäftigung. Der DGB fordert<br />

nun, Praktika nach Studienabschluss zu<br />

verbieten. Die Verantwortung liege hier<br />

bei den Unternehmen, Trainee- und Berufseinstiegsprogramme<br />

anzubieten, die<br />

entweder tariflich, oder mit mindestens<br />

8,50 Euro pro Stunde vergütet werden.<br />

Die Forderung des DGB nach Trainee-<br />

Programmen für Hochschulabsolventen<br />

hält Maria Rauter für „utopisch“. Diese<br />

durchzuführen sei für Unternehmen viel<br />

zu teuer. „Wenn Praktika nach Studienabschluss<br />

verboten werden, dann stellen<br />

die Unternehmen dafür Aushilfen ein und<br />

diese Möglichkeit wird für uns wegfallen.“<br />

Die Befragung ergab, dass Praktika die<br />

häufigste Beschäftigungsform nach dem<br />

Studium darstellen. 27 Prozent der Hochschulabgänger<br />

arbeiteten in befristeten<br />

Beschäftigungsverhältnissen und nur<br />

jeder fünfte bekam eine Festanstellung.<br />

Dabei gaben die Befragten als häufigste<br />

Motivation für ein Praktikum nach dem<br />

Uni-Abschluss die Hoffnung auf eine<br />

Übernahme an. So versprechen sich<br />

fünfzig Prozent einen Fuß in der Tür zu<br />

haben. Maria Rauter kann das bestätigen.<br />

Sie empfindet diese Hoffnung <strong>im</strong> Gegensatz<br />

zum DBG auch als berechtigt. „In<br />

meinen drei Praktika nach dem Bachelor<br />

ergab sich <strong>im</strong>mer irgendeine Möglichkeit<br />

<strong>im</strong> Unternehmen zu bleiben.“<br />

Gesetzliche Grauzone<br />

„Die Gesetzeslage ist derzeit völlig unklar“,<br />

klagt Rudolf, „die Unternehmen<br />

nutzen diese Situation aus.“ Durch die<br />

Gesetzeslücke rücken Praktika in die<br />

Nähe von regulären Arbeitsverhältnissen.<br />

„Derzeit existieren keine Regelungen zu<br />

Dauer, Verträgen oder Vergütung von Prak-<br />

tikumsstellen“, erklärt er. Hier fordert der<br />

DGB für Praktikanten das Recht auf einen<br />

Vertrag ein, in dem Lerninhalte und -ziele<br />

genau definiert sind. Außerdem stellen sie<br />

den Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung<br />

von mindestens 300 Euro <strong>im</strong> Monat<br />

und eine Begrenzung auf drei Monate. Bei<br />

längeren Praktika bestehe die Gefahr, dass<br />

der Praktikant fest in die Arbeitsabläufe<br />

eingeplant wird und die Lernfunktion in<br />

den Hintergrund tritt.<br />

Auch Maria ist der Meinung, dass Praktika<br />

in erster Linie dem Lernen und der<br />

beruflichen Orientierung dienen sollten.<br />

Sie sieht hierbei auch sich selbst als Praktikantin<br />

in der Pflicht, Fragen zu stellen<br />

und die Möglichkeit zu vielfältigen Erfahrungen<br />

einzufordern. „Gleichzeitig will<br />

ich aber auch dem Unternehmen nützen<br />

und beweisen, dass ich meinen Beitrag<br />

leisten kann, um dann eventuell auch als<br />

Festangestellter interessant zu werden.“<br />

Sie empfiehlt für Praktikanten auf die Initiative<br />

„Fair Company“ zu achten. „Das<br />

ist eine Vereinigung von Unternehmen,<br />

die sich unter anderem selbst verpflichten<br />

das Lernen in den Vordergrund zu stellen,<br />

keine Vollzeitstellen mit Praktikanten zu<br />

besetzen und Praktika auf höchstens ein<br />

halbes Jahr zu begrenzen.“<br />

René Rudolf fordert vor allem ein neues<br />

Selbstverständnis. Es könne nicht sein, dass<br />

Studenten vermittelt wird, dass gar keine<br />

Chance auf eine feste Stelle bestünde,<br />

würden sie nach dem Studium nicht zuerst<br />

ein Praktikum absolvieren. Er bringt es<br />

mit einer Formel auf den Punkt: Wer gut<br />

ausgebildet ist, hat auch ein Recht auf ein<br />

gutes Beschäftigungsverhältnis. Und darin<br />

sind sich letztendlich beide einig.<br />

Susanne Veil<br />

Uni<br />

FOTO: MAXIMILIAN GERTLER<br />

Symbol der Gängelung<br />

für Kaffeesklaven.<br />

11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!