Forschung im Schatten - Akrützel
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Der Name<br />
„Industrielle<br />
Reserve-Armee“<br />
ist von einer<br />
lokalen Zeitarbeitsfi<br />
rma und<br />
marxistischen<br />
Lehren inspiriert.<br />
FOTO: KATHARINA<br />
SCHMIDT<br />
Blendende<br />
Aussichten für<br />
Frau Korittke<br />
<strong>im</strong> Bild „Die<br />
Sonnenuhr“.<br />
BILD: RUDI HURZLMEIER.<br />
Spurensuche<br />
Politisch motivierte Kunstaktion mit Folgen<br />
Seit drei Wochen streifen Unsichtbare<br />
durch Jena. Auf ihrem Weg durch die<br />
Innenstadt passieren sie mit großen Schritten<br />
einen Friseur, eine Zeitarbeitsfirma und<br />
machen Halt vor den hölzernen Toren der<br />
Universität. Am Ende ihres Weges erreichen<br />
sie die Agentur für Arbeit. Der Regen<br />
hat mittlerweile zwar viele ihrer Fußspuren<br />
verwaschen und auch ihre in Beton gegossenen<br />
Schuhe, die sie feinsäuberlich an<br />
jenen Orten hinterließen, wurden bereits<br />
entfernt. Dennoch sorgt ihre Reise <strong>im</strong> Moment<br />
noch für einiges Aufsehen.<br />
„Es läuft ein Ermittlungsverfahren wegen<br />
Sachbeschädigung. Der Schaden kann<br />
allerdings noch nicht beziffert werden“,<br />
sagt Rico Kühn, Polizeihauptkommissar<br />
in Jena.<br />
Die Urheber der Aktion sind junge Menschen,<br />
die in einem losen Zusammenschluss<br />
auf schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen<br />
aufmerksam machen wollen.<br />
Mit Stempeln und weißer Farbe bewaffnet<br />
markierte eine 14-köpfige Gruppe am<br />
Mittag des 27. April die Innenstadt mit<br />
den etwa 10.000 weißen Fußabdrücken.<br />
Die Polizei beendete die Aktion und nahm<br />
die Personalien auf. Die Idee war von der<br />
selbsternannten „Industriellen Reservearmee“<br />
ausgegangen. „An der sauberen<br />
Fassade Jenas kratzen“ – so beschreibt<br />
die 35 Jahre alte Annekathrin Manger das<br />
vordergründige Ziel.<br />
Gegenwärtig treffen sie sich einmal pro<br />
Woche. Teile von ihnen sind in der Gewerkschaft<br />
organisiert. „Viele Leute sehen<br />
nicht, was für Leid sich hinter der sauberen<br />
Fassade Jenas versteckt. Wir wollen auf<br />
diese unsichtbaren Menschen in prekärer<br />
Lebenslage hinweisen und erreichen, dass<br />
Solidarität auch <strong>im</strong> Alltag gelebt wird“,<br />
erklärt Manger den Hintergrund. Dabei<br />
kritisieren sie auch, dass Festangestellte<br />
<strong>im</strong>mer häufiger durch Hiwis und unbezahlte<br />
Praktikanten ersetzt werden. „Die<br />
ganze Uni funktioniert nur mit Hilfskräften,<br />
aber die meisten Studenten nehmen ihren<br />
unterbezahlten Job dort nicht als Problem<br />
wahr“, meint auch der 27 Jahre alte Frank*.<br />
Das Etappenziel sei es, auf all das aufmerksam<br />
zu machen.<br />
Politisch hat sich das Bündnis jedoch<br />
bereits eindeutig positioniert: „Für die heutigen<br />
Probleme finden wir <strong>im</strong> Kapitalismus<br />
keine Lösung“, erläutert Frank – konkrete<br />
Forderungen formuliere die Gruppe aber<br />
gerade erst. Bewusst sei ihnen durchaus,<br />
dass es zu strafrechtlichen Konsequenzen<br />
kommen könnte. „Das Kommissariat für<br />
Staatsschutz ermittelt hier. Dieses befasst<br />
sich mit politisch motivierten Straftaten“,<br />
erklärt Kühn. Die Gruppe reagiert allerdings<br />
gelassen darauf: „Das Verfahren an<br />
die Abteilung Staatsschutz abzugeben, ist<br />
ebenso absurd wie wenig überraschend“,<br />
entgegnet Manger. Bisher hat der Kommunalservice<br />
Jena vergeblich versucht, die<br />
Abdrücke zu beseitigen. Allein aus diesem<br />
Grund werden sie wohl noch eine Weile<br />
für Gespräche sorgen.<br />
Janina Rottmann<br />
* Name von der Redaktion geändert.<br />
Vom fleischfressenden Pferd<br />
„Meisterwerke“ von Rudi Hurzlmeier <strong>im</strong> Romantikerhaus in Jena<br />
Der Jäger liegt regungslos <strong>im</strong> Gras.<br />
Sein Pferd steht daneben und frisst<br />
sich an ihm satt. Das hat sich der Reiter<br />
in seiner roten Jägersrobe sicher anders<br />
vorgestellt. Es ist eines der bittersüßen<br />
Bilder von Rudi Hurzlmeier, die bis zum<br />
5. Juni <strong>im</strong> Romantikerhaus in Jena ausgestellt<br />
werden.<br />
Der Karikaturist, der seit 25 Jahren für<br />
die Satirezeitschrift Titanic zeichnet, stellt<br />
den Betrachter vor optische Herausforderungen.<br />
Er vermischt den Zeichenstil vergangener<br />
Epochen mit aktuellen Themen<br />
und würzt ihn mit einer Prise schwarzen<br />
Humors. In einer Karikatur ist der H<strong>im</strong>mel<br />
in helles Orange getaucht. Die getupften<br />
Wolkenlandschaften hätte Claude Monet<br />
nicht besser malen können. Unter diesem<br />
<strong>im</strong>pressionistischen H<strong>im</strong>mel spaziert ein<br />
Mann am Fluss entlang. Vor sich her<br />
schiebt er einen Kinderwagen – eine harmonische<br />
Szenerie, wäre da nicht dieses<br />
Baby. Es ist nicht mehr als eine winzige<br />
Hand zu erkennen, aber die genügt, um<br />
Verwirrung zu stiften. Die kleinen Finger<br />
umschließen den Griff einer Pistole, die<br />
auf den vermeintlichen Vater gerichtet ist.<br />
Hurzlmeiers Karikaturen wollen mehrmals<br />
betrachtet werden. Wie bei einem<br />
guten Film finden sich <strong>im</strong>mer wieder<br />
Kleinigkeiten, die einem vorher nicht<br />
FOTO: KATHARINA SCHMIDT<br />
aufgefallen sind. Hat der Betrachter erst<br />
einmal mitbekommen, dass die Vögel<br />
in den Zeichnungen Schuhe tragen,<br />
werden auch bekannte Bilder aufs Neue<br />
durchforstet. Den modebewussten Flattermännern<br />
hat der Künstler eine ganze<br />
Reihe Bilder in der Ausstellung gewidmet.<br />
Da bekommt der Specht passenderweise<br />
Holzschuhe verpasst, Frau Schwalbe trägt<br />
feuerrot glänzende Stilettos und der Spatz<br />
ist mit Wanderstiefeln ausgerüstet.<br />
Neben <strong>im</strong>pressionistischen Landschaften<br />
und besohlten Vögeln ist auch Sex ein<br />
Schwerpunkt des Karikaturisten. Frauen<br />
strecken dem Betrachter ihre Brüste entgegen<br />
oder ein Mann entblößt sich für<br />
die Dame am Nachbarfenster. Es sind<br />
Bilder, die Fragen nach dem Warum<br />
aufwerfen. Aber manchmal – so scheint<br />
es zumindest – genügt dem Maler ein<br />
herzhaftes Lachen.<br />
Daniel Hofmann