Forschung im Schatten - Akrützel
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Titel<br />
4<br />
Ein Bekenntnis zur pazifistisch<br />
Die FSU soll eine Zivilklausel erhalten um damit ein Zeichen gegen<br />
Nach der Tötung bin Ladens waren<br />
die Ereignisse vom 11. September<br />
2001 plötzlich wieder präsent: das einstürzende<br />
World Trade Center und die<br />
darauf folgenden weltweiten Terrorwarnungen<br />
– auch vor biologischen Angriffen.<br />
Abseits des medialen Fokus’ stockte<br />
Deutschland damals den Bestand an<br />
Pocken<strong>im</strong>pfungen auf. Das Auftreten<br />
der Krankheit wurde zum letzten Mal<br />
1977 dokumentiert, die Impfungen hierzulande<br />
bereits 1975 ausgesetzt, doch<br />
plötzlich schien die Sicherheit bedroht.<br />
„Man dachte, dass es wieder gefährlich<br />
werden könnte“, sagt Professor Andreas<br />
Sauerbrei vom Institut für Virologie und<br />
Antivirale Therapie an der FSU. Der<br />
Facharzt für Medizinische Mikrobiologie<br />
berichtet weiter, dass daraufhin die<br />
Bundeswehr auf das angesehene <strong>Forschung</strong>sinstitut<br />
zukam, um dort hunderte<br />
neue Substanzen testen zu lassen.<br />
Die Bundeswehr geht um<br />
„Es gab Begehungen von der Bundeswehr,<br />
um sich die Situation vor Ort anzuschauen“,<br />
so Sauerbrei, und nach der<br />
obligatorischen Antragszeit von rund<br />
einem Jahr erhielt sein Team den Auftrag,<br />
von 2003 bis 2005 zu forschen.<br />
Die Fördergelder für das Projekt beliefen<br />
sich auf 170.000 Euro. Bei den<br />
<strong>Forschung</strong>saufträgen der Bundeswehr,<br />
genauer des Bundesverteidigungsministeriums<br />
(BMVg), „handelt es sich nicht<br />
um Drittmittelzuwendungen <strong>im</strong> Sinne<br />
einer <strong>Forschung</strong>sförderung, sondern<br />
um Drittmittelaufträge“, wie aus einer<br />
kleinen Anfrage von Abgeordneten der<br />
Partei Die Linke <strong>im</strong> Oktober 2010 an<br />
die Bundesregierung hervorgeht. Zwar<br />
unterlag Sauerbreis <strong>Forschung</strong> nicht der<br />
Gehe<strong>im</strong>haltung und ihm seien auch keine<br />
Weiterführungen in der wissenschaftlichen<br />
Literatur bekannt, doch er gibt zu,<br />
dass er nicht weiß, was mit den Ergebnissen<br />
der <strong>Forschung</strong> weiter passiert.<br />
Das ist aber der entscheidende Knackpunkt.<br />
Wo endet rein zivile und wo beginnt<br />
öffentlich geförderte militärische<br />
<strong>Forschung</strong>? Während der Studentenstreiks<br />
der letzten Jahre wurde die Forderung<br />
nach einer so genannten Zivilklausel<br />
laut, sogar eine Verankerung in<br />
den Landeshochschulgesetzen, wie es<br />
sie bereits von 1993 bis 2002 in Niedersachsen<br />
gegeben hatte, stand zur<br />
Debatte. Im Zuge dessen setzten einige<br />
Unis die Klausel in das „Grundgesetz“<br />
ihrer Hochschule ein – beispielsweise in<br />
Tübingen. Die Grundordnungen anderer<br />
Hochschulen beinhalteten solche Formulierungen<br />
bereits zuvor, wie beispielsweise<br />
die der Uni Konstanz und der TU<br />
Berlin jeweils seit 1991. Die Uni Bremen<br />
lehnt sogar schon seit 1986 jede Beteiligung<br />
an Wissenschaft und <strong>Forschung</strong> zur<br />
militärischen Nutzung sowie Zielsetzung<br />
ab. Die Klausel, veröffentlicht in einem<br />
Beschluss des Akademischen Senats,<br />
fordert zudem die Mitarbeiter der Uni<br />
auf, <strong>Forschung</strong>sthemen und -mittel abzulehnen,<br />
die Rüstungszwecken dienen<br />
können. Mit einer Mehrheit <strong>im</strong> Uni-Senat,<br />
der aus Vertretern von Verwaltung,<br />
Professoren und Studenten besteht, kann<br />
die Zivilklausel in die Grundordnung<br />
eingefügt werden. Mit der Verankerung<br />
in diese wird die Klausel rechtskräftig.<br />
In Thüringen hat sich bisher nur die TU<br />
Ilmenau gegen militärische <strong>Forschung</strong><br />
ausgesprochen und eine entsprechende<br />
Formulierung in ihr Leitbild aufgenommen.<br />
Diese Selbstdarstellung soll „die<br />
Grundsätze vermitteln, an denen sich<br />
die TU in der wissenschaftlichen Arbeit<br />
und <strong>im</strong> akademischen Leben orientiert“,<br />
heißt es auf der Uni-Website. So wurde<br />
laut Stura-Mitglied Andreas Weidner<br />
bereits ein <strong>Forschung</strong>santrag für<br />
Raketentechnik abgelehnt. Neben den<br />
bisherigen Erfolgen will der TU-Stura<br />
nun durchsetzen, dass Spenden von<br />
Rüstungsunternehmen für das Deutschlandstipendium<br />
abgelehnt werden. Das<br />
kommt nicht von ungefähr, denn die<br />
deutsche Rüstungsindustrie ist mit mehr<br />
als 80.000 Mitarbeitern hierzulande ein<br />
bedeutender Wirtschaftszweig. Deutschland<br />
n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> weltweiten Waffenexport<br />
mit elf Prozent den dritten Platz hinter<br />
den USA und Russland ein.<br />
Bewegung in Jena<br />
Aber auch in Jena tut sich etwas. Während<br />
der Gremiumssitzung des FSU-<br />
Stura am 10. Mai wurde mit absoluter<br />
Mehrheit für den Finanzantrag des<br />
hochschulpolitischen Referats (Hopo)<br />
gest<strong>im</strong>mt. Das Referat kann nun Informationsveranstaltungen<br />
zur Zivilklausel<br />
durchführen. Ziel sei es, so Thea Jacobs<br />
vom Hopo-Referat, diese noch <strong>im</strong> Sommersemester<br />
2011 in die Grundordnung<br />
der FSU aufzunehmen. Damit soll letztendlich<br />
militärische <strong>Forschung</strong> verhindert<br />
und „dual-use“-<strong>Forschung</strong> erheblich<br />
erschwert werden.<br />
Unter das Prinzip „dual-use“ würde auch<br />
das <strong>Forschung</strong>sprojekt Sauerbreis fallen.<br />
Das Verteidigungsministerium meint<br />
damit in seinem Ressortforschungsplan<br />
für 2011 „Konzepte und entsprechende<br />
Technologien, die sowohl für die Wehrwissenschaftliche<br />
<strong>Forschung</strong> als auch für<br />
die zivile Sicherheitsforschung relevant<br />
sind“. Diese sollen eine „Schnittstelle“<br />
bilden. Sauerbreis <strong>Forschung</strong> stand damals<br />
ebenfalls unter dem breiten Themenfeld<br />
der zivilen Sicherheit. Eine<br />
Anfrage der Linkspartei <strong>im</strong> Bundestag<br />
offenbarte 2008, dass bundesweit an<br />
Unis mit öffentlichen Mitteln in diesem<br />
Bereich geforscht wurde – auch an der<br />
FSU. Mehr als eine Milliarde Euro gab<br />
das Bundesministerium der Verteidigung<br />
<strong>im</strong> letzten Jahr für die Wehrforschung<br />
aus. So nahm die Jenaer Uni <strong>im</strong><br />
Zeitraum von 2000 bis 2007 allein für<br />
wehrmedizinische <strong>Forschung</strong> rund 1,2<br />
Millionen Euro direkt vom Bundesverteidigungsministerium<br />
an. Als universitätsnahe <strong>Forschung</strong>seinrichtung<br />
erhielt<br />
das „Institut für physikalische<br />
Hochtechnologie<br />
e. V.“ (jetzt „Institut für<br />
Photonische Technologien<br />
e. V.“) <strong>im</strong> selben<br />
Zeitraum 2,4 Millionen<br />
Euro Fördermittel<br />
für mehrere wehrtechnische<br />
Projekte. Aus<br />
einer weiteren nur Thüringen<br />
betreffenden Anfrage<br />
geht zudem hervor, dass<br />
am Lehrstuhl für Methodenlehre<br />
und<br />
Evaluationsforschung<br />
von<br />
2000 bis<br />
2001 und<br />
von 2007<br />
bis 2008<br />
Verfahren<br />
zur wehrpsycholog<br />
i s c h e n