Teil 3 - duv.org
Teil 3 - duv.org
Teil 3 - duv.org
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
24.07.04<br />
1. Bärenfels Ultra Trail<br />
über 60 km<br />
in Neubrucke/Nohfelden<br />
Jürgen Roscher<br />
Musste es denn beim 1. Bärenfels-Ultra<br />
Trail unbedingt wieder ein englischer<br />
Ausdruck sein? Als Verb bedeutet das<br />
"traiI" u.a. so viel wie (sich dahin-)<br />
schleppen, als Substantiv steht es für<br />
Trampelpfad. Folglich ist der Begriff tatsächlich<br />
nicht direkt übersetzbar und<br />
seine Benutzung hier durchaus zweckmäßig,<br />
es wird nicht nur einem Modetrend<br />
hinterhergeschlurrt. Und gleich<br />
noch etwas: Dies ist tatsächlich eine<br />
Premiere! Autohersteller benutzen ja<br />
bekanntlich ihre Kunden als Testfahrer<br />
für neue Serien, dagegen hat der Veranstalter<br />
Robert Feiler im vorigen Jahr<br />
nur einen ehrlichen Probelauf veranstaltet.<br />
Er führte dazu, dass die Strecke von<br />
5 Runden zu 12 km auf 3 x 20 km geändert<br />
wurde und auf allgemeinen Wunsch<br />
jetzt auch direkt über den Gipfel des Bärenfelses<br />
gekle.ttert wird, sonst fehlte ja<br />
der Höhepunkt! Ein Mini-Trail über nur<br />
eine Runde und eine Dreierstaffel für die<br />
vollen 60 km kamen hinzu und führten in<br />
der zweiten Julihälfte zu insgesamt über<br />
70 Voranmeldungen für den Ultra, darunter<br />
19 der 21 Testläufer vom Vorjahr.<br />
Nicht erschienen war die Prominenz aus<br />
Hamburg, weil ein Unwetter die Bahnverbindung<br />
unterbrochen hatte. Die war<br />
aber schon vorher wegen eines S.chadens<br />
der Oberleitung bei Mainz kaputt <br />
ein DB-erfahrener Berliner kam gerade<br />
noch auf Umwegen durch. Das Hotel in<br />
der Nähe von Start und Ziel war gut belegt<br />
und servierte das Frühstück ausnahmsweise<br />
6.30 Uhr, denn der Start<br />
war 8 Uhr. Nach meiner Uhr war es sogar<br />
8:07:50, denn für so etwas setze ich<br />
doch nicht erst die Stoppuhr in Betrieb!<br />
Schon am Vortag wurde allen bei Startnummernausgabe<br />
und Nudelparty klar,<br />
dass hier der gesamte Feiler-Clan beteiligt<br />
ist, nicht nur Robert, der die Strecke<br />
auf zwei dicht beschriebenen Seiten in<br />
allen Einzelheiten geschildert hat. Schon<br />
kurz nach dem Start stoppt eine Läuferin,<br />
um eine Blindschleiche vom geschotterten<br />
Weg außer Gefahr zu bringen;<br />
genau so wollte er die Strecke verstanden<br />
wissen! Der wildromantischen<br />
Urwaldlandschaft um einen See folgt ein<br />
sehr sonniger Abschnitt mit vielen<br />
Schmetterlingen an und über d er A utobahn.<br />
Waffeln und Klettern am Bärenfels<br />
Als schon die Dächer des nächsten Ortes<br />
eine sanftere Passage verheißen,<br />
geht der Trail erst richtig los. Weglos<br />
quer bergauf ist die Passage zu einem<br />
Pfad markiert, der steil hangaufwärts<br />
führt. Wurzeln dienen nicht nur als Trittstufen,<br />
sondern auch als Haltegriffe.<br />
Das sind zweifellos die zwei härtesten<br />
Kilometer bis zum Bärenfelsrundweg,<br />
wo ein Streckenposten das Ein- und erneute<br />
Ausbiegen zum gegenläufigen<br />
Abschnitt überwacht. Selbstverständlich<br />
wäre es zu einfach gewesen, auf diesem<br />
Rundweg zu bleiben: einige reiz<br />
. volle Schlenker sind noch eingebaut, darunter<br />
auch aufwärts in einem Steinbruch,<br />
und oben muss man sich bücken,<br />
um unter den Ästen eines Baumes<br />
durchzukommen. Die Krönung ist natürlich<br />
das Erklimmen des Felsens zum<br />
Gipfel, der bei Nässe ziemlich glitschig<br />
sein dürfte. Gleich unterhalb ist wieder<br />
ein Verpflegungsstand, wie alle anderen<br />
auf das reichlichste ausgestattet. Nun<br />
geht es zurück zum Rundweg und von<br />
ihm beim Streckenposten den gleichen<br />
Pfad abwärts, den wir zuvor aufwärts<br />
gehechelt sind. Aber nur zur Hälfte,<br />
dann folgt der kürzeste Weg fast abwärts<br />
zurück zum Start. Dort wird schon<br />
vom Sponsor "Erdinger alkoholfrei" angeboten,<br />
man kann auch auf die Uhr<br />
sehen und doch nur wissen, dass die<br />
zweite Runde auf jeden Fall länger dauern<br />
wird. Jetzt wird auch deutlich, dass<br />
die angekündigten ,,100 % Wald" allerdings<br />
nicht ganz stimmen, denn die Wege<br />
durch die Maisfelder werden besonders<br />
mit fortgeschrittener Tageszeit im<br />
klaren Sonnenschein zur heißesten<br />
Passage der Strecke, begleitet von den<br />
Fliegen, die ein menschliches Gesicht<br />
nicht von einem Kuhhintern u nterscheiden<br />
können oder wollen.<br />
Natürlich ist die Strecke mit 60 km ein<br />
Ultra, das Ultra kann sich allerdings<br />
auch auf den Trail beziehen. Der Untergrund<br />
ist nämlich nicht nur sehr unterschiedlich,<br />
sondern auch schwer zu belaufen<br />
und stolperträchtig. Hinzu kommt<br />
die zunehmende Hitze, die klar macht,<br />
dass die dritte Runde nur noch eine Sache<br />
des Willens sein wird. Fünf leisten<br />
sich diesen Luxus nicht und steigen aus,<br />
drei hatten schon nach der ersten Runde<br />
kapituliert. Aber eine kleine Pause<br />
wird hier schon eingelegt, bevor es ganz<br />
ruhig weitergeht, das Limit von 12 Stunden<br />
werde ich nicht beanspruchen.<br />
Dass ich den Schwarzspecht bemerke,<br />
der um einen Baumstamm herumklettert,<br />
ist ein Zeichen, dass bei mir alles<br />
noch stimmt (in Neudeutsch: ich noch<br />
volle Scheckung habe...) Anspruchsvoll<br />
bin ich ja unterwegs nie, aber am nächsten<br />
Punkt werde ich nach dem Becher<br />
Wasser einen halben mit Cola nehmen.<br />
Dort werde ich schon mit "Wir haben<br />
aber nur noch Wasser und Cola" begrüßt,<br />
ist doch' prima. Für eine kurze Zeit<br />
war hier schon mal das Wasser ausgegangen.<br />
Beim Steinbruch sage ich an<br />
der Verpflegungsstelle Bescheid: "Wenn<br />
die hinter mir alle aufgegeben haben,<br />
bin ich der Letzte", und erhalte dann die<br />
Auskunft, dass ich eher die goldene Mitte<br />
bin. Später futtere ich vom Wegesrand<br />
ein paar Walderdbeeren. Der<br />
Klappstuhl des Streckenpostens vom<br />
Rundweg ist leer, aber ich kenne ja nun<br />
die Strecke, die aber auch ganz ausgezeichnet<br />
markiert ist. Trotzdem wäre ich<br />
fast geradeaus gelaufen, statt entlang<br />
der rotweißen Flatterbänder zum Bärenfelsen<br />
abzubiegen. So sehr hat die Kon<br />
.zentration schon nachgelassen, woran<br />
aber auch die Hitze schuld ist. Und ist<br />
die Birne noch so matschig, hier auszusteigen<br />
wäre quatschig - wenn die Gedanken<br />
sich von selbst reimen, wird<br />
schon alles in Ordnung sein. Außerdem<br />
geht das hier ja gar nicht, das Aussteigen.<br />
Aufsteigen ist angesagt! Zwischen<br />
den zwei Kletterpassagen zum Gipfel<br />
muss ich eine Atem-Pause einlegen <br />
es ist eben viel zu warm. Danach folgt<br />
eine Wasser- und Cola-Pause im Sitzen,<br />
und während ich aus dem reichen Angebot<br />
noch ein Stückchen hausgebackene<br />
Waffel knabbere, tauchen zwei<br />
Kletterinnen über dem Felsen auf, eine<br />
ist noch etwas konstemiert vom Anblick<br />
einer Schlange, wieso habe ich die nicht<br />
gesehen? "Ganz silbrig" - da hat sich<br />
wohl eine Ringelnatter gesonnt? Auf<br />
dem Rundweg begegne ich nun wieder<br />
dem Streckenposten bei seinem Stuhl;<br />
er ist zwischendurch seinen <strong>Teil</strong> als Dritter<br />
einer Staffel gelaufen, sozusagen als<br />
Stuhlgang. Als dann das Gefälle des<br />
Radwanderweges beginnt und die Heimatklänge<br />
d er nahen Autobahn locken,<br />
gefällt mir das nun doch wieder recht<br />
gut, und nach dem Gefälle unter der Autobahn<br />
hindurch fühle ich mich im Ziel<br />
ganz in Ordnung, habe also alles richtig<br />
gemacht. Nur den Blick auf die Uhr habe<br />
ich vergessen, irgendwas unter 8:30<br />
muss es sein. Die Medaille ist nicht<br />
rund, aber ein handgefertigtes Unikat,<br />
mehr wird nicht verraten. Für meinen<br />
Becher Erdinger suche ich mir aber<br />
doch erst mal einen schattigen Sitzplatz,<br />
bevor es unter die warme Dusche geht.<br />
Die Siegerehrung wird wegen der Abreisenden<br />
v<strong>org</strong>ezogen auf eine Zeit, zu der<br />
noch einige auf der Strecke sind. Es gibt<br />
keine Pokale oder sonstiges, was nur<br />
Geld kostet und zu nichts nütze ist; der<br />
Sponsor vergibt für die Platzierten Päckchen<br />
mit einer Flasche Erdinger plus<br />
passendem Glas. Der Sieger Daniel Ex<br />
81