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Prof. Dr. Hermann Bausinger Kulturwissenschaftler im Gespräch mit ...

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man müsse nur die richtigen Gegenstände haben, dann wäre auch dieser<br />

Ausdruck "Volkskunde" wieder akzeptabel, dann könne ich <strong>mit</strong> dem Begriff<br />

"Volkskunde" wieder etwas anfangen. Aber das war mindestens teilweise<br />

ein Irrtum, denn wenn z. B. in der Presse von der Volkskunde die Rede war,<br />

dann meinte man da<strong>mit</strong> <strong>im</strong> Allgemeinen nicht unsere Wissenschaft, nicht<br />

unser Institut. Stattdessen war dort dann die Rede davon, dass<br />

meinetwegen der "Volkstanzkreis Stuttgart-Echterdingen" sein 25-jähriges<br />

Jubiläum gefeiert hat usw.<br />

Kastan: Es ist ja ganz schön, wenn die das feiern, aber das war dann einfach nicht<br />

Ihr Begriff.<br />

<strong>Bausinger</strong>: Ja, das st<strong>im</strong>mt, dieser Begriff deckte nicht mehr unbedingt diese<br />

Wissenschaft ab, wie wir sie verstanden. Es war einfach so, dass diese<br />

angewandte Seite sehr stark in den Wissenschaftsbegriff hineingespielt hat.<br />

Insofern schien uns daher eine Trennung akzeptabel bzw. sinnvoll.<br />

Kastan: Tübingen galt doch irgendwie als Zentrum der Veränderung in der<br />

Volkskunde – und gilt vielleicht heute noch als dieses Zentrum, obwohl Sie<br />

ja schon seit vielen Jahren emeritiert sind. Haben denn damals alle<br />

volkskundlichen Institute in Deutschland <strong>mit</strong>gezogen? Oder gibt es auch<br />

heute noch in Deutschland Institute an den Universitäten, von denen Sie<br />

sagen, sie seien <strong>im</strong>mer noch ein bisschen verstaubt?<br />

<strong>Bausinger</strong>: Es gibt sicherlich Unterschiede, was die Gegenstandsorientierung betrifft.<br />

Wenn z. B. ein Student oder eine Studentin über das Wallfahrtswesen<br />

forschen will, dann würde ich ihm oder ihr empfehlen, dafür nicht unbedingt<br />

nach Tübingen zu gehen. Dies nicht alleine deshalb, weil dort eine eher<br />

protestantische Tradition vorhanden ist, sondern weil sie oder er für so eine<br />

Forschung besser nach Freiburg, nach Würzburg oder nach Münster gehen<br />

sollte. Auch die Bauernhausforschung z. B. ist bei uns nie <strong>im</strong> Zentrum<br />

gestanden: Dafür steht beispielsweise Münster. Was aber diese<br />

Modernisierung betrifft, wenn ich das mal so ausdrücken darf, ist es so,<br />

dass sie sich <strong>im</strong> Grunde genommen überall durchgesetzt hat. Es ist auch<br />

nicht so gewesen, dass das eine rein Tübinger Erfindung gewesen wäre:<br />

Nein, auch anderswo hat man gemerkt, dass man andere Bereiche<br />

unbedingt <strong>mit</strong> einbeziehen muss in diese Wissenschaft. Heute spielen sich<br />

die Gegensätze eigentlich nur noch gewissermaßen irreal <strong>im</strong> Überbau ab:<br />

Es gibt <strong>im</strong>mer noch <strong>Prof</strong>essoren ungefähr meines Alters, die sagen, dass<br />

sie da<strong>mit</strong> nichts zu tun haben wollen. Wenn ich aber dann nachlese, was<br />

bei diesen <strong>Prof</strong>essoren an Magister- oder Doktorarbeiten geschrieben wird,<br />

dann sind das die gleichen Themen oder zumindest vergleichbare Themen<br />

wie die, die in Tübingen behandelt werden.<br />

Kastan: Das heißt, die Studenten hören nicht <strong>im</strong>mer unbedingt auf ihre <strong>Prof</strong>essoren,<br />

sondern haben ihren eigenen Kopf.<br />

<strong>Bausinger</strong>: Ja, bzw. es ist so, dass das, was sich in den Köpfen der <strong>Prof</strong>essoren<br />

festgesetzt hat, auch nicht <strong>im</strong>mer ihrer eigenen Realität entspricht: Sie<br />

selbst forschen z. T. schon anders, sagen aber <strong>im</strong>mer noch, das hätte <strong>mit</strong><br />

dem nichts zu tun.<br />

Kastan: Sie haben viel geforscht, Sie haben viel geschrieben, deswegen die Frage<br />

an Sie: Was haben Teebeutel, VW-Käfer und Fastfood <strong>mit</strong> Volkskunde oder<br />

Kulturwissenschaft zu tun?<br />

<strong>Bausinger</strong>: Das Fach läuft ständig Gefahr, dass es überhaupt keine Grenzen mehr<br />

kennt. In Tübingen sagt man ja auch: "Die da oben" – wir sitzen nämlich<br />

oben <strong>im</strong> Schloss – “schrecken vor überhaupt nichts zurück!" Da ist schon<br />

etwas Richtiges dran. Das hängt einfach da<strong>mit</strong> zusammen, dass wir uns<br />

eben nicht nur <strong>mit</strong> einem ganz spezifischen Ausschnitt aus der Kultur<br />

befassen, sondern dass wir sagen, uns interessiert die Alltagskultur. Und<br />

die Dinge, die Sie aufgezählt haben, gehören eben alle in diese

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