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Prof. Dr. Hermann Bausinger Kulturwissenschaftler im Gespräch mit ...

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st<strong>im</strong>mt schon, die Deutschen ziehen ungern um: Das kann man z. B. auf<br />

dem Immobilienmarkt ganz deutlich sehen. In Amerika, in England usw.<br />

zieht man hingegen viel öfter um: Dort ist das eigene Haus eben auch nicht<br />

so sehr vorrangig ein Statussymbol wie bei uns. Es gibt ja z. B. auch so<br />

Sätze von uns Deutschen wie "Ordnung ist das halbe Leben". Trifft das zu<br />

auf uns?<br />

<strong>Bausinger</strong>: Ich würde das "uns" zurückweisen, weil man sich da selbst sehr schnell<br />

einschließt. Aber ich denke schon, dass diese Ordnungs- und<br />

Regulierungswut in mancher Hinsicht charakteristisch sind. Ich habe neulich<br />

mal eine Reportage eines polnischen Journalisten gelesen. Er schrieb: "In<br />

Deutschland ist etwas entweder verboten oder es bekommt eine staatliche<br />

Unterstützung." Das ist zwar wie <strong>im</strong>mer bei solchen Klischees übertrieben,<br />

aber nicht schlecht beobachtet. Es trifft schon etwas Richtiges: Es wird bei<br />

uns ungeheuer viel reguliert und die Bürokratie, die natürlich in allen<br />

fortgeschrittenen Industrieländern vorhanden ist, wird bei uns noch verstärkt<br />

durch dieses Ordnungsprinzip. "Können Sie nicht lesen? Hier ist nur der<br />

Schalter für A bis M! Sie stehen also am falschen Schalter an!" - Es gibt ja<br />

auch diese Machtspiele der Schalterbeamten, die bei uns vielleicht<br />

ausgeprägter sind als anderswo.<br />

Kastan: Ich glaube, das Problem ist einfach so: In anderen Ländern wird auch viel<br />

reguliert, aber bei uns muss man das auch noch einhalten.<br />

<strong>Bausinger</strong>: So ist es. Wobei hier jedoch auch sofort wieder die regionalen Spielarten <strong>mit</strong><br />

hereinkommen. Man sagt ja z. B., dass in Preußen die Gesetze gemacht<br />

werden, in Bayern werden sie ignoriert, so heißt es bei uns, und in<br />

Schwaben werden sie befolgt. Es gibt da auch noch ein paar andere<br />

Varianten.<br />

Kastan: Na, ob das auf Bayern so zutrifft, da habe ich meine Zweifel. Aber nun gut,<br />

so einen kleinen anarchistischen Zug sagt man ja den Bayern in der Tat<br />

nach.<br />

<strong>Bausinger</strong>: Ja, aber wahrscheinlich ist das schon ein geordneter Anarchismus.<br />

Kastan: Unser Ministerpräsident wird das eh anders sehen. "Ohne Fleiß kein Preis",<br />

ist so ein weiterer Spruch von uns Deutschen.<br />

<strong>Bausinger</strong>: Auch hier liegt meines Erachtens ein wahrer Kern vor. Es wird ja manchmal<br />

gesagt, diese Stereotypen hätten nichts <strong>mit</strong> der Wirklichkeit zu tun. Ich sehe<br />

das anders. Erstens einmal ist es so, dass diese Stereotypen ja auch<br />

unsere Wahrnehmung leiten, dass wir also sofort aufmerksam werden,<br />

wenn wir meinetwegen einen besonders fleißigen Deutschen sehen oder<br />

wenn wir einen Autonarren sehen: Da merken die Ausländer sofort auf und<br />

sagen, das sei typisch Deutsch. Diese Sprüche bedingen also eine<br />

best<strong>im</strong>mte Wahrnehmungssteuerung. Das andere ist, dass es da schon<br />

auch einen realen Zusammenhang <strong>mit</strong> der deutschen Geschichte gibt. In<br />

diesem Fall meine ich, dass Fleiß zwar in allen Industriestaaten verlangt<br />

wurde und erforderlich war, dass aber bei uns die protestantisch-preußische<br />

Prägung der Nation, diese ganze militärische Prägung während des<br />

Kaiserreichs doch eine große Rolle gespielt haben. Aus diesem Grund<br />

gelten Tugenden wie Fleiß, Ordnung, Sauberkeit und vor allem auch<br />

Disziplin so viel.<br />

Kastan: Das geht ja bis hin zum Sport, denn man sagt den deutschen Fußballern z.<br />

B. auch nach, sie würden vor allem Kampfspiele gewinnen, weil sie dabei<br />

sehr diszipliniert seien. Ein anderer Spruch lautet: "<strong>Dr</strong>ei Deutsche, ein<br />

Verein."<br />

<strong>Bausinger</strong>: Genau das gleiche Wort wird ja auch auf die Iren gemünzt. Und natürlich<br />

gibt es überall auf der Welt diese Verbindungen, diese Assoziationen unter<br />

den Menschen. Auch in den USA gibt es das ja sehr häufig. Aber was<br />

vielleicht eher typisch Deutsch ist, ist wiederum diese Regulierung innerhalb

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