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Prof. Dr. Hermann Bausinger Kulturwissenschaftler im Gespräch mit ...

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Alltagskultur.<br />

Kastan: Gibt es da nicht auch die Gefahr der Beliebigkeit?<br />

<strong>Bausinger</strong>: Es gibt da eine gewisse Gefahr der Beliebigkeit. Wobei diese Gefahr jedoch<br />

dadurch korrigiert bzw. beherrscht wird, dass wir problemorientiert arbeiten.<br />

Es ist nicht so, dass da jemand zwei Jahre lang an einer Doktorarbeit über<br />

friesische Teebeutel sitzt. Wohl aber forscht jemand über die<br />

Veränderungen <strong>im</strong> Essverhalten bei uns. Heutzutage hängt man ja <strong>im</strong>mer<br />

gleich das Wort "Kultur" hintendran: Man kann also sehr wohl über die<br />

Esskultur oder über die gastronomische Orientierung der Esskultur<br />

forschen. Da mögen dann auch Teebeutel eine Rolle spielen.<br />

Kastan: Apropos Esskultur - ein Zitat, ich glaube, es stammt von Ihnen: "Was dem<br />

Schwaben seine Spätzle, ist dem Friesen sein Teebeutel und dem<br />

Düsseldorfer niemals sein Kölsch."<br />

<strong>Bausinger</strong>: Das stammt nicht von mir, aber ich kann da<strong>mit</strong> leben.<br />

Kastan: Man liest einfach so viel, auch über Sie, und da mag es schon passieren,<br />

dass da ein falsches Zitat hineingerät.<br />

<strong>Bausinger</strong>: Richtig ist, dass gerade <strong>im</strong> Bereich der Esskultur diese regionalen und z. T.<br />

lokalen Orientierungen ganz, ganz wichtig sind. Man spricht ja<br />

beispielsweise bei uns von Nationalspeisen. Wenn man dann aber fragt,<br />

was diese Nationalspeisen sind, dann sind das in Nürnberg Bratwürste, in<br />

München wahrscheinlich Weißwürste...<br />

Kastan: Und in Aalen in Württemberg?<br />

<strong>Bausinger</strong>: Wohl eher Spätzle und Maultaschen. Wobei es hier freilich die charmante<br />

Geschichte gibt, dass das ganz sicher keine schwäbischen Erfindungen<br />

sind, sondern dass sie wahrscheinlich aus Italien kommen. Maultaschen<br />

sind nun einmal nichts anderes als große Ravioli. Es gibt sogar die These,<br />

dass die Maultaschen aus Russland eingeführt worden sind, weil es dort<br />

auch so ähnliche Teigspeisen gibt. Es gibt noch die ganz kühne These,<br />

dass sie aus China stammen. In Wirklichkeit gibt es natürlich derartige<br />

Teigspeisen <strong>mit</strong> irgendeiner Einlage wie z. B. Fleisch vermutlich auf der<br />

halben Welt.<br />

Kastan: Ich habe Aalen deshalb soeben erwähnt, weil Sie dort geboren sind.<br />

<strong>Bausinger</strong>: Ja, das ist mein Geburtsort.<br />

Kastan: Sind Sie selbst sehr he<strong>im</strong>atverbunden?<br />

<strong>Bausinger</strong>: Jein. Ich bin ja nun schon seit 50 Jahren von Aalen weg. Aber ich habe<br />

<strong>im</strong>mer noch eine enge Beziehung zu dieser Stadt. Diese Beziehungen sind<br />

natürlich ein bisschen ausgedünnt, was die Kommunikationskreise betrifft:<br />

Meine Eltern leben nicht mehr, viele Freunde sind weggezogen oder<br />

ebenfalls bereits verstorben. Aber zur Stadt selbst und zu den kulturellen<br />

Dingen in der Stadt habe ich <strong>im</strong>mer noch eine enge Beziehung. Ich habe z.<br />

B. jahrelang die Jury für den Schubart-Literaturpreis geleitet: Schubart ist<br />

zwar nicht in Aalen geboren, aber er ist <strong>mit</strong> einem Jahr oder <strong>mit</strong> eineinhalb<br />

Jahren nach Aalen gekommen und hat dann in Aalen gelebt und sich auch<br />

<strong>im</strong>mer als Aalener gefühlt. Die Stadt Aalen, obwohl das eine kleine Stadt ist,<br />

hat schon 1956 diesen Literaturpreis geschaffen. Er wird seither regelmäßig<br />

verliehen.<br />

Kastan: Das nächste Zitat stammt nicht von Ihnen, aber es ist über Sie: "Er lebt in<br />

der Spannung von he<strong>im</strong>atlicher Nähe und grenzüberschreitender Weite."<br />

Könnten Sie sich vorstellen, in New York zu leben?<br />

<strong>Bausinger</strong>: Ich könnte es mir vorstellen, aber mich zieht es nicht unbedingt dorthin.<br />

Irgendjemand hat einmal über mich geschrieben, ich sei ein freiwilliger<br />

Provinzler. Da<strong>mit</strong> fühle ich mich eigentlich ganz gut getroffen.

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