Prof. Dr. Hermann Bausinger Kulturwissenschaftler im Gespräch mit ...

Wettbewerb mit monumentalen Figuren, die man da gebaut hat. Aber es
gab keine Sandburgen: Niemand wäre dort auf die Idee gekommen, sich
mit dem Sand einen Schützengraben und eine Burg zu bauen, in die man
sich zurückziehen kann.
Kastan: Sind Sie selbst ein untypischer Deutscher?
Bausinger: Es liegt nahe, ja zu sagen, weil wir jetzt so viele negative oder doch
zumindest fragwürdige Eigenschaften aufgezählt haben. Ich denke jedoch,
ich bin kein untypischer Deutscher. Wenn ich das Stichwort "Sesshaftigkeit"
oder "Disziplin" höre, dann muss ich sagen, dass ich wohl schon ein
typischer Deutscher bin. Ich fühle mich zwar in der Lage, gelegentlich
undiszipliniert zu sein, aber sehr weit komme ich damit nicht.
Kastan: Heute sind Sie auf alle Fälle sehr diszipliniert.
Bausinger: Danke.
Kastan: Wir müssen auch noch unbedingt über Witze reden. Denn man sagt Ihnen
ja auch nach, Sie seien ein Witzeexperte; sie haben auch viel darüber
geschrieben, über den Humor, über Witze. Witze können wir Deutsche ja
durchaus erzählen, oder?
Bausinger: Sicher. Es gibt eine ganze Reihe von Witzen bei uns, die insofern typisch
Deutsch sind, weil sie sich beziehen auf die Regionen. Es gibt ja in der Tat
diesen Spott zwischen den Regionen. Früher hat der Spott zwischen
Bayern und Preußen eine große Rolle gespielt. Das ist heute vielleicht nicht
mehr so ausgeprägt der Fall. Aber bei uns im Bundesland Baden-
Württemberg denke ich dabei vor allem an die Auseinandersetzungen
zwischen Badenern und Württembergern. Die Badener erzählen z. B.
ständig Schwabenwitze: Komischerweise gibt es aber keine Badenerwitze.
Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Württemberger eh
am längeren Hebel sitzen. Stuttgart ist die Hauptstadt dieses Bundeslands
usw. Demgegenüber haben die Badener durch diesen Zusammenschluss
ihre Hauptstadt Karlsruhe verloren. Das wird nun ein bisschen kompensiert
durch solche Schwabenwitze.
Kastan: Ihr Buch dazu heißt "Die bessere Hälfte". Wer sind denn die Besseren?
Bausinger: Darüber habe ich mich selbst im Buch nicht endgültig geäußert. Ich war da
wirklich sehr vorsichtig. Aber Tatsache ist, dass man eher im
württembergischen Teil auf Leute trifft, die sehr positiv von Baden reden und
die gegebenenfalls sofort bereit wären, in Baden irgendeinen Job zu
übernehmen. Umgekehrt ist das sehr viel seltener der Fall: Die Badener
hegen ein gewisses Misstrauen gegen die schwäbische Art. Da spielen
sicherlich auch konfessionelle Dinge eine Rolle, da spielt die Tradition des
württembergischen Pietismus eine Rolle, die ja doch eine sehr strenge
Form der Lebensgestaltung bestimmt hat. Insofern ist das schon eine sehr
direkte Auseinandersetzung.
Kastan: Mein Sohn hat mir heute morgen folgenden Witz erzählt: Warum legen die
Österreicher eine Bananenschale aufs Dach? Damit der Blitz besser
abrutscht. Darf man darüber lachen?
Bausinger: Tucholsky wurde ja mal gefragt "Was darf die Satire?" und er hat
geantwortet: "Alles!" Ich denke also, dass man schon darüber lachen darf.
Wenn man natürlich einen humorlosen Österreicher vor sich hat, dann sollte
man solche Witze vielleicht doch besser bleiben lassen.
Kastan: Österreicher dürfen diesen Witz auf alle Fälle erzählen. Die Frage ist, ob wir
das dürfen, ob es politisch korrekt ist, wenn wir das tun. Es geht in Witzen ja
oft gegen Minderheiten. Früher waren das mal die Ostfriesen, heute ist das
fast gar nicht mehr der Fall. Dann ging es gegen die Österreicher, gegen die
Blondinen usw. Da hat es massenhaft Witze gegeben. Warum richten sich
Witze oft gegen Minderheiten und Schwächere?