kk 1322_bearb.p65 - Kulturportal West Ost
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Zwei Naturschönheiten<br />
in der<br />
schönen Natur,<br />
Anmut und<br />
Anstand fern aller<br />
Anständigkeit:<br />
Zwei badende<br />
Mädchen<br />
ze, geboren. Der Vater war Steuerbeamter,<br />
und seine Mutter war das Adoptivkind einer<br />
Tante von Gerhart Hauptmann. Über sie hat<br />
Ilse Molzahn geschrieben: „Sie war ein ‚ausgesetztes‘<br />
Kind, das in einer wohlhabenden<br />
Landwirtsfamilie fast pietistisch erzogen<br />
wurde. Ich vernahm die rührende Geschichte<br />
einer böhmischen Magd, die mit dem Kind<br />
in der Scheune des besagten Landwirts<br />
nächtigte, entweder starb oder verschwand<br />
– jedenfalls adoptierte man den Säugling ...<br />
Das Bild der Mutter Otto Muellers zeigte eine<br />
sehr schöne junge Frau, vollendet gewachsen,<br />
mit einem feinen schmalen Kopf, einem<br />
zarten Gesicht ... Sie soll blond und blauäugig<br />
gewesen sein. Es bedurfte wahrlich aller<br />
Phantasie, um sich in ihr die Mutter Otto<br />
Muellers vorstellen zu können.“<br />
In der Familie des Vaters gab es hochgeachtete<br />
Theologen und den berühmten Archäologen<br />
Otfried Mueller. Sohn Otto, der<br />
Offizier werden sollte, verließ frühzeitig das<br />
Gymnasium in Görlitz, wohin die Familie<br />
1882 übergesiedelt war, wählte die Ausbildung<br />
zum Lithographen und nahm danach<br />
ein Studium an der Akademie in Dresden auf.<br />
Das meiste dürfte er von den großen Malern<br />
Arnold Böcklin, Franz Stuck, Ludwig von<br />
Hofmann, Hans von Marées, vielleicht auch<br />
von den Franzosen und ihrem impressionistischen<br />
Farbauftrag gelernt haben. Otto<br />
Mueller war ein künstlerisches Urtalent,<br />
dessen Einbildungskraft die Naturgewalten<br />
ebenso umspannte wie die Tiefen der<br />
menschlichen Seele.<br />
Otto Muellers Kunst ist graphisch geprägt,<br />
und sie wurzelt im gleichsam chinesischen<br />
Schwung des Kithographentuschpinsels<br />
und der lithographischen Bearbeitung des<br />
Steins, im Reichtum der Schwarzweißstufen.<br />
Vom nächtlichen Schwarz zum hauchigsten<br />
Grau spannt sich die Skala, dazwischen ist<br />
in den farbigen Blättern wie in den späteren<br />
mit Leimfarbe „gestrichenen“ Gemälden die<br />
Farbe eingespannt, zumeist auf den Zweiklang<br />
Ocker und Grünspangrün gestimmt.<br />
Die Ockerfarbe insbesondere hat reichste<br />
Möglichkeiten: von der Erdfarbe steigert<br />
sie sich zum Sonnengold in Blume und<br />
orangenem Abendschein. Muellers Farben<br />
beeindrucken aber auch durch ihre Zartheit.<br />
Die Unverwechselbarkeit seiner Handschrift<br />
wird von seiner auch herkunftsbedingten<br />
Zuwendung zum Zigeunermilieu noch unterstrichen.<br />
Wer ihn kannte, glaubte in seiner<br />
Persönlichkeit dem Künstlertum par ex-<br />
KK<strong>1322</strong> vom 25. Juli 2012<br />
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