kk 1322_bearb.p65 - Kulturportal West Ost
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Die kleinen Freuden der Normalität selbst<br />
im Sowjetsozialismus: Nechama Drober<br />
in der Schuhfabrik Zorila in Kischinew 1970<br />
folgte ein bewegendes Gespräch, das Uwe<br />
Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal<br />
für die ermordeten Juden Europas, mit der<br />
Zeitzeugin und Buchautorin führte.<br />
Nechama Drober wurde als Hella Markowsky<br />
in Königsberg geboren. Sie war<br />
Augenzeugin der Deportationen vom Juni<br />
und August 1942, bei denen sie Freunde,<br />
Verwandte und Schulkameraden verlor. Sie<br />
erlebte die Eroberung <strong>Ost</strong>preußens durch<br />
die Rote Armee und nach der Verschleppung<br />
ihres Vaters nach Sibirien den Hungertod<br />
ihrer Mutter Martha und ihres fünfjährigen<br />
Bruders Denny. Zusammen mit ihrer<br />
Schwester Rita floh sie über Litauen in<br />
das moldauische Kischinew, wo sie – inzwischen<br />
als Nechama Drober – bis zu ihrer<br />
Ausreise nach Israel 1990 lebte. Eine „Rück-<br />
kehr“ in ihr deutsches Vaterland wurde 1990<br />
von den deutschen Behörden abgelehnt, weil<br />
sie ja inzwischen „sowjetische Staatsangehörige“<br />
war.<br />
Die Stadtgemeinschaft Königsberg hat sich<br />
an der Veröffentlichung dieses erschütternden<br />
Lebensberichtes beteiligt. Sie betrachtet<br />
sich nicht nur als Traditions- und Geschichtsverein<br />
für eine vielhundertjährige<br />
Geschichte, sondern spätestens seit den<br />
1980er Jahren auch als eine Verantwortungsgemeinschaft<br />
für die Aufarbeitung der<br />
bitteren Jahre nationalsozialistischer Gewaltherrschaft<br />
in der ostpreußischen Metropole.<br />
Bei den Besuchen in Königsberg/<br />
Kaliningrad, die seit Anfang der 1990er Jahre<br />
wieder möglich waren, gehörte der Besuch<br />
von Erinnerungsorten wie dem Jüdischen<br />
Waisenhaus in der Lindenstraße zu<br />
den wichtigen Stationen. Aber es fehlte lange<br />
ein Gedenkort mit direktem Bezug zu<br />
einem Geschehen während der Nazi-Diktatur.<br />
Dankbar hat deswegen die Stadtgemeinschaft<br />
die Kontaktaufnahme der Stiftung<br />
Denkmal für die ermordeten Juden Europas<br />
beantwortet und zunächst den Bericht der<br />
Überlebenden Maria Blitz über den „Todesmarsch<br />
an die Samlandküste“ mit dem Massaker<br />
am Bernsteinstrand im „Königsberger<br />
Bürgerbrief“ gewürdigt.<br />
Die erste Begegnung mit Nechama Drober<br />
fand im Juni 2010 in Kaliningrad statt. Daß<br />
ihr Lebensbericht – mit zahlreichen neuen<br />
Foto-Dokumenten, einem historischen<br />
Nachwort, einer Auswahlbibliographie, Abbildungsnachweis<br />
und Ortsnamenkonkordanz<br />
und einer Übersichtskarte – jetzt in<br />
zweiter Auflage herausgegeben vorliegt, ist<br />
verdienstvoll. Die Dokumentarreihe der Stiftung,<br />
von der bereits einige Bücher in der<br />
„Kulturpolitischen Korrespondenz“ (1306,<br />
25. März 2011) vorgestellt wurden, ist damit<br />
um ein bedeutendes Werk erweitert worden.<br />
Die Königsberger haben Nechama Drober<br />
für ihren Mut zu danken, mit dem sie ihr Leben<br />
schlicht und nüchtern geschildert hat,<br />
und für die Treue, mit der sie – trotz aller<br />
KK<strong>1322</strong> vom 25. Juli 2012<br />
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